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Ohne Feinde – ein Film, der ganz überzeugt: Über Israel und über Palästina Rupert Neudeck - 24.2.2012 in „Das Palästina Portal“ Der Filmtitel ist ‚geklaut’, aber dieser Diebstahl ist sehr angenehm, man sollte ihn öfter begehen im Israel - Palästina Streit. Das schönste Feld, auf dem man sich eine volle Übersicht über Klugheit und Barbarei israelischer und auch palästinensischer Politik machen kann, ist die zweite Station der beiden Filmemacher Stefanie Landgraf und Johannes Gulde auf ihrem Weg in das Land der unbegrenzten und wirklichen Unmöglichkeiten. Auf dem Weinberg Daher, mitten in der Zone C erzählt der junge Leiter des Begegnungsprojektes Tent of Nations, Daoud Nassar, der jungen lernbegierigen Gruppe von Jugendlichen, wie er der totalen Frustration entgeht, da er mittlerweile von illegal siedelnden Israelis in fünf Wehrdörfern rund um den Weinberg umgeben ist. Kein falsches Wort gegen ‚die’ Juden’ kommt aus seinem Mund, im Gegenteil, er bemüht sich, die Anderen als Nachbarn zu verstehen... Der Film hat eine ganz offene und nicht angreifbare Dramaturgie, für die allein er schon eine Auszeichnung verdienen würde. Das Filmteam begleitet zwölf Jugendliche im Alter von 16 bis 22 Jahren in die Region, durch Israel und das besetzte Westjordanland. Im Hintergrund hört man die wehmütige Mundharmonika des rumänischen Juden Reuven Moskowitz, der sich um Gerechtigkeit und Recht im besetzten Palästina schon lange bemüht. Sie begegnen ausgewiesenen Kennern der Szene, die zudem noch lebensgeschichtlich einiges aufzubringen haben. Die Gruppe, die oft und lang an der unsäglichen Mauer entlangfährt, wird von der Israelin Lotty Camerman aus Netanya begleitet, deren Eltern Überlebende des Holocaust sind. Lotty Camerman kann glaubwürdig nicht verstehen, weshalb Israel unbedingt ein monoethnischer nationalistischer Staat und damit kein demokratischer sein will. Der Gegenpol ebenso souverän und überzeugend, der immer noch junge Palästinenser Ali Abuawwad, dem die Besatzungsarmee seinen Bruder erschossen hat und der selbst als Kämpfer und Steinewerfer zehn (!) Jahre Haft in Israels Gefängnis bekam. Beide streiten für die Versöhnung und den Frieden, ohne dass sie dabei etwas unter den Teppich kehren müssen... Sensibel zum Zerbersten die Sequenz, wenn das Filmteam und die Jugendlichen in das Wohnzimmer des Ehepaars Shahak ‚einbrechen’, die ihre eigene Tochter bei einem Selbstmordattentat verloren haben und dennoch sich für den Frieden mit den Palästinensern und ihre Anerkennung als Nachbarn einsetzen. Der Film, die Kameraführung, auch die leise Art von vorsichtiger Regie, der Schnitt bringt eine bewegende Lehrreise zustande. Die zwölf werden noch mal gefragt, was sie denn beeindruckt und bewegt hat und jeder hat für einen deutschen Jugendlichen Interessantes zu sagen. „Wir weigern uns Feinde zu sein“, das Motto führt natürlich darauf hin, dass es in dem Konflikt nicht nur um ruhige und pädagogische Aufarbeitung geht, sondern immer mal wieder um Aktualität und Dringlichkeit... Der Film läßt in seiner Intensität keine Wünsche offen, er appelliert an das Herz und den Verstand aller Zuschauer, vor Ort und in deutscher Gesellschaft, alles zu tun, damit die Menschen sich dort wieder begegnen, sehen, sprechen, vielleicht auch mal zusammen arbeiten können. Stefanie Landgraf/Johannes Gulde: Wir weigern uns Feinde zu sein.

Pressestimme von Rupert Neudeck zu "Wir weigern uns Feinde zu sein"

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Rezension des Films "wir weigern uns Feinde zu sein" von Rupert Neudeck.

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Page 1: Pressestimme von Rupert Neudeck zu "Wir weigern uns Feinde zu sein"

Ohne Feinde – ein Film, der ganz überzeugt: Über Israel und über Palästina Rupert Neudeck - 24.2.2012 in „Das Palästina Portal“ Der Filmtitel ist ‚geklaut’, aber dieser Diebstahl ist sehr angenehm, man sollte ihn öfter begehen im Israel - Palästina Streit. Das schönste Feld, auf dem man sich eine volle Übersicht über Klugheit und Barbarei israelischer und auch palästinensischer Politik machen kann, ist die zweite Station der beiden Filmemacher Stefanie Landgraf und Johannes Gulde auf ihrem Weg in das Land der unbegrenzten und wirklichen Unmöglichkeiten. Auf dem Weinberg Daher, mitten in der Zone C erzählt der junge Leiter des Begegnungsprojektes Tent of Nations, Daoud Nassar, der jungen lernbegierigen Gruppe von Jugendlichen, wie er der totalen Frustration entgeht, da er mittlerweile von illegal siedelnden Israelis in fünf Wehrdörfern rund um den Weinberg umgeben ist. Kein falsches Wort gegen ‚die’ Juden’ kommt aus seinem Mund, im Gegenteil, er bemüht sich, die Anderen als Nachbarn zu verstehen... Der Film hat eine ganz offene und nicht angreifbare Dramaturgie, für die allein er schon eine Auszeichnung verdienen würde. Das Filmteam begleitet zwölf Jugendliche im Alter von 16 bis 22 Jahren in die Region, durch Israel und das besetzte Westjordanland. Im Hintergrund hört man die wehmütige Mundharmonika des rumänischen Juden Reuven Moskowitz, der sich um Gerechtigkeit und Recht im besetzten Palästina schon lange bemüht. Sie begegnen ausgewiesenen Kennern der Szene, die zudem noch lebensgeschichtlich einiges aufzubringen haben. Die Gruppe, die oft und lang an der unsäglichen Mauer entlangfährt, wird von der Israelin Lotty Camerman aus Netanya begleitet, deren Eltern Überlebende des Holocaust sind. Lotty Camerman kann glaubwürdig nicht verstehen, weshalb Israel unbedingt ein monoethnischer nationalistischer Staat und damit kein demokratischer sein will. Der Gegenpol ebenso souverän und überzeugend, der immer noch junge Palästinenser Ali Abuawwad, dem die Besatzungsarmee seinen Bruder erschossen hat und der selbst als Kämpfer und Steinewerfer zehn (!) Jahre Haft in Israels Gefängnis bekam. Beide streiten für die Versöhnung und den Frieden, ohne dass sie dabei etwas unter den Teppich kehren müssen... Sensibel zum Zerbersten die Sequenz, wenn das Filmteam und die Jugendlichen in das Wohnzimmer des Ehepaars Shahak ‚einbrechen’, die ihre eigene Tochter bei einem Selbstmordattentat verloren haben und dennoch sich für den Frieden mit den Palästinensern und ihre Anerkennung als Nachbarn einsetzen. Der Film, die Kameraführung, auch die leise Art von vorsichtiger Regie, der Schnitt bringt eine bewegende Lehrreise zustande. Die zwölf werden noch mal gefragt, was sie denn beeindruckt und bewegt hat und jeder hat für einen deutschen Jugendlichen Interessantes zu sagen. „Wir weigern uns Feinde zu sein“, das Motto führt natürlich darauf hin, dass es in dem Konflikt nicht nur um ruhige und pädagogische Aufarbeitung geht, sondern immer mal wieder um Aktualität und Dringlichkeit... Der Film läßt in seiner Intensität keine Wünsche offen, er appelliert an das Herz und den Verstand aller Zuschauer, vor Ort und in deutscher Gesellschaft, alles zu tun, damit die Menschen sich dort wieder begegnen, sehen, sprechen, vielleicht auch mal zusammen arbeiten können. Stefanie Landgraf/Johannes Gulde: Wir weigern uns Feinde zu sein.