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Diplomica Verlag
Private Militärfirmender Gegenwart
Hintergrund, Typologisierung,
völkerrechtliche Aspekte
und Perspektiven
Matthias Döring
Matthias Döring Private Militärfirmen der Gegenwart Hintergrund, Typologisierung, völkerrechtliche Aspekte und Perspektiven ISBN: 978-3-8366-1094-0 Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH http://www.diplomica.de, Hamburg 2008 Printed in Germany
Kurzfassung I
Kurzfassung
Die private Sicherheitsindustrie ist auf dem Vormarsch. Obwohl nach traditionellem
Verständnis sowohl die Kriegsführung an sich als auch die damit in Verbindung stehen-
den Aufgaben staatlichen Organen vorbehalten sein sollten, sind private Militäranbieter
integraler Bestandteil der amerikanischen Nachkriegsanstrengungen in Afghanistan und
im Irak geworden. Auch wenn die Mitarbeiter dieser Firmen dabei nicht primär als
Kombattanten auftreten, basieren die von ihnen erbrachten Dienstleistungen auf den
Bedürfnissen verschiedener nationaler und internationaler, staatlicher und ziviler Auf-
traggeber im Zuge potentieller, aktueller oder beendeter Konflikte. Sie beschützen
Nachschubkonvois genauso wie hochrangige Vertreter offizieller Abordnungen, verhö-
ren Gefangene und sind im Rahmen militärischer Operationen als Berater und Unter-
stützer regulärer militärischer Kräfte tätig. Der adäquate Umgang mit diesem Phänomen
stellt sowohl für politische Entscheidungsträger als auch militärische Befehlshaber auf
operativer, rechtlicher und moralischer Ebene eine Herausforderung dar. Private Mili-
tärfirmen, die im Auftrag und Namen eines Staates operieren, genießen teilweise selbst
im Falle gravierender Menschenrechtsverletzungen Immunität vor der Strafverfolgung
im Einsatzland. Sie betreffende Regularien existieren zwar in begrenztem Umfang, tra-
gen der Massivität und Intensität ihres Auftretens jedoch nur eingeschränkt Rechnung.
Diese Arbeit untersucht die Problematiken, die mit dem zunehmenden Einsatz jener
Firmen verbunden sind und nimmt auf diese Bezug, um Möglichkeiten für eine zukünf-
tig besser angepasste Regulation aufzuzeigen. Eine solche hat der Komplexität des In-
dustriezweiges und den mannigfaltigen Interessen, denen ihr Einsatz dient, gerecht zu
werden. Um den Wirkungsgrad der bestehenden Überwachungssysteme bezüglich der
Faktoren Transparenz und Verantwortungszuweisung zu steigern, müssen die bestehen-
den einzelstaatlichen und internationalen Initiativen auf Basis der bisher gemachten
Erfahrungen inhaltlich ergänzt und zu einem mehrschichtigen Regulierungsansatz er-
weitert werden. Eine Verbesserung der momentanen Rechtslage hängt dabei maßgeblich
vom politischen Willen vor allem der im PMF-Sektor einflussreichen westlichen Staa-
ten ab, diese Optionen zukünftig umzusetzen und die Vereinheitlichung auf regionaler
Ebene voranzutreiben.
Inhaltsverzeichnis II
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung......................................................................................................................I
Inhaltsverzeichnis........................................................................................................... II
Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................IV
1 Einführung ........................................................................................................... 1 1.1 Problemfeld............................................................................................................ 2
1.2 Zielsetzung, Aufbau und Quellenlage der Arbeit .................................................. 4
2 (Rechts-)historische Entwicklung der Gewaltprivatisierung .......................... 9 2.1 Von der Antike zum Haager Abkommen 1907 ................................................... 10 2.1.1 Ursprung des Staatenkriegs – Anfang militärischer Privatisierung..................... 10 2.1.2 Wandel im Angesicht der Verstaatlichung von Gewalt ...................................... 13
2.2 African Nightmares: Söldner in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts........... 20 2.2.1 Ausgangssituation und erste Entwicklungen nach Ende des II. Weltkrieges ...... 20 2.2.2 Die Internationalen Konventionen zum Söldnerwesen ....................................... 24
2.3 Zwischenfazit der rechtshistorischen Entwicklung ............................................. 33
3 Das Ende des Kalten Kriegs – Anfang einer neuen Ära ................................ 35 3.1 Ursachen für die Privatisierung der Gewalt......................................................... 37 3.1.1 Destabilisierungsfaktor ’New Wars’ ................................................................... 37 3.1.2 Reformationsfaktor ’Transformation der Streitkräfte’ ........................................ 42
3.2 Akteure, Aktivitäten und Einsatzgebiete der Gegenwart..................................... 47 3.2.1 Einsatzprofile im Auftrag der ’strong states’....................................................... 48 3.2.2 Einsatzprofile im Umfeld schwacher Staaten...................................................... 53 3.2.3 Organisationsstrukturen und Personalmanagement............................................. 58
3.3 Zwischen Söldnerverband und privater Militärfirma – Versuch einer Typologisierung des privatisierten Gewaltmarktes ............................................. 62
4 Privatakteure in Gegenwart und Zukunft – Risiko oder Chance?............... 69 4.1 Komplexe Wechselwirkungen als Folge des modernen Gewaltmarktes............. 70 4.1.1 Vertragsrechtliche Problematik ........................................................................... 71 4.1.2 Outsourcing als Strategie ökonomisch-politischer Kostenvermeidung............... 75 4.1.3 Herausforderung für Transparenz und Verantwortungszuweisung ..................... 81 4.1.4 VN und NGOs: Privatisierung im Peacekeeping-Umfeld ................................... 86
Inhaltsverzeichnis III
4.2 Soldat ohne Armee oder bewaffneter Zivilist – Rechtliche Fragestellungen ...... 90 4.2.1 Das Problem der PMF-Kategorisierung: Kombattant vs. Zivilist ....................... 92 4.2.2 Folgen für die Rechtsposition der PMF-Mitarbeiter in bewaffneten
Konflikten .......................................................................................................... 103 4.2.3 Verantwortlichkeiten und Rechtsrealisierung.................................................... 110
4.3 Zwischenfazit der Problemfeldanalyse.............................................................. 120
5 Regulierung als Option kontrollierter Privatisierung.................................. 123 5.1 Nationale Regulierungsansätze der Gegenwart ................................................. 124 5.1.1 Südafrika............................................................................................................ 124 5.1.2 USA ................................................................................................................... 127 5.1.3 Großbritannien................................................................................................... 130 5.1.4 Deutschland ....................................................................................................... 134
5.2 Mittel zur Systemoptimierung: Der Mehrschichtansatz .................................... 137 5.2.1 Optionen zur Verbesserung der nationalen Regularien… ................................. 137 5.2.2 …und weitere Möglichkeiten anderer Ebenen .................................................. 140
6 Lessons Learned: Zusammenfassung und Schlusswort ............................... 146
Literaturverzeichnis.................................................................................................... 149 Aufsätze ........................................................................................................................ 149
Zeitungsartikel............................................................................................................... 164
Monographien ............................................................................................................... 170
Sammelbände ................................................................................................................ 181
Veröffentlichungen von Exekutive, Legislative, Judikative nach Nationen................. 183
Deutschland................................................................................................................... 183
Frankreich ..................................................................................................................... 184
Großbritannien .............................................................................................................. 185
Südafrika ....................................................................................................................... 186
Vereinigte Staaten von Amerika ................................................................................... 187
Vereinte Nationen ......................................................................................................... 189
Weitere Rechtsquellen und Urteile ............................................................................... 194
Internetquellen .............................................................................................................. 196
Anlagen ........................................................................................................................ 201
Abkürzungsverzeichnis IV
Abkürzungsverzeichnis
AECA Arms Export Control Act
AJIL American Journal of International Law
AKM Arbeitskreis für Militärgeschichte e.V.
ANC African National Congress
Anm.d.A Anmerkung des Autors
AOR Area of Responsibility
AP Associated Press
Art. Artikel
AS Amtliche Sammlung des Bundesrechts der eidgenössischen Gesetzes-sammlung
ASPI Australian Strategic Policy Institute
ATCA Alien Tort Claims Act
Aufl. Auflage
AUJILP American University Journal of International Law and Policy
AWG Außenwirtschaftsgesetz
AWV Außenwirtschaftsverordnung
BAFA Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
BAnz Bundesanzeiger
BAPSC British Association of of Private Security Companies
BASIC British American Security Information Council
BCICLR Boston College International and Comparative Law Review
BDM Braddock Dunn & McDonald
BEP Berkeley Electronic Press
Abkürzungsverzeichnis V
BGBl Bundesgesetzblatt
BJIL Berkeley Journal of International Law
BMVg Bundesministerium der Verteidigung
BSF Bodo Security Force
BT-Drs. Drucksache(n) des Deutschen Bundestages
CAAT Campaign Against Arms Trade
CDI Center for Defense Information
CEO Chief Executive Officer
CFR Code of Federal Regulations
CIA Central Intelligence Agency
CIS Commonwealth of Independent States
CJIL Chicago Journal of International Law
CJTL Columbia Journal of Transnational Law
CoESS Confederation of European Security Providers
CPA Coalitional Provisional Authority
CRIA Cambridge Review of International Affairs
CSC Computer Sciences Corporation
CSRC Conflict Studies Research Centre
CWILJ California Western International Law Journal
DCAF Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces
DFID British Department for International Development
DHS Department of Homeland Security
DOA Department of the Army
Doc. Document
DSL Defence System Limited
Abkürzungsverzeichnis VI
DVPW Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft
Ebd. Ebenda
ECOMOG ECOWAS Monitoring Group
ECOSOC United Nations Economic and Social Council
ECOWAS Economic Community of West African States
ELN Ejército de Liberación Nacional
EO Executive Outcomes
EPD Evangelischer Pressedienst
FARC Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia
FARC Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia
FCO Foreign and Commonwealth Office of the United Kingdom
FIS Front Islamique du Salut
FM Field Manual
FMA Foreign Military Assistance Act
FMS Foreign Military Sales
FN Fußnote
FNLA Frente Nacional de Libertação de Angola
FPRI Foreign Policy Research Institute
FRETILIN Frente Revolucionária de Timor-Leste Independente
g.e.b.b. Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH
GA Genfer Abkommen vom 12. August 1949
GAO General Accounting Office
GfBV Gesellschaft für bedrohte Völker
GG Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
GIA Groupe Islamique Armée
Abkürzungsverzeichnis VII
GJICL Georgia Journal of International and Comparative Law
GSG Ghurka Security Guards
GYIL German Yearbook of International Law
HA Haager Abkommen
HC House of Commons
HJIL Houston Journal of International Law
HK Havanna-Konvention
HLKO Haager Landkriegsordnung
HMSO Her Majesty’s Stationery Office
HSAR Homeland Security Acquisition Regulation
HSFK Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
HV–I Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften
i.V.m. In Verbindung mit
IBC International Business Company
ICIJ International Consortium of Investigative Journalists
ICJ International Court of Justice
ICLQ International and Comparative Law Quarterly
ICRC International Committee of the Red Cross
ICTR International Criminal Tribunal for Rwanda
ICTY International Crime Tribunal for the former Yugoslavia
IDaS International Defence and Security
IFSH Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
IISS International Institute for Strategic Studies
ILC International Law Commission
Abkürzungsverzeichnis VIII
IMI Informationsstelle Militarisierung e.V.
IPOA International Peace Operations Association
IRA Irish Republican Army
ISA International Studies Association
ISS Institute for Security Studies
IStGH Internationaler Strafgerichtshof
ITAR International Traffic in Arms Regulation
IYHR Israel Yearbook on Human Rights
JILPAC Journal of International Law of Peace and Armed Conflict
JMAS Journal of Modern African Studies
KBR Kellog Brown & Root
KDPI Kurdish Democratic Party of Iran
KNU Karen National Union
LNTS League of Nations Treaty Series
LOGCAP Logistics Civil Augmentation Program
LRA Lord’s Resistance Army
LTTE Liberation Tigers of Tamil Eelam
MEJA Military Extraterritorial Jurisdiction Act
MJIL Melbourne Journal of International Law
MK Mujahideen e-Khalq
MOOTW Military Operations Other Than War
MPLA Movimento Popular para a Libertação de Angola
MRTA Movimiento Revolucionarico Túpac Amaru
NAO National Audit Office
NGO Non-Governmental Organization
Abkürzungsverzeichnis IX
NPA New People’s Army
NPFL National Patriotic Front of Liberia
NYIL Netherlands Yearbook of International Law
o.D. Ohne Datum
o.O. Ohne Ort
o.V. Ohne Verfasser
OAU Organisation of African Unity
OHCHR Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights
ÖMZ Österreichische Militärische Zeitschrift
PBS Public Broadcasting Service
PKK Kurdish Worker’s Party
PLO Palestine Liberation Organisation
PMC Private Military Company
PMF Private Military Firm (Private Militärfirma)
POGO Project on Government Oversight
PSC Private Security Company
PUK Patriotic Union of Kurdistan
RGBl. Reichsgesetzblatt
RGDIP Revue Générale de Droit International Public
ROE Rules of Engagement
RUF Revolutionary United Front
RUSI Royal United Services Institute for Defence and Security Studies
SAIC Science Application International Corporation
SAIR Supreme Assembly for the Islamic Revolution in Iraq
SAS Special Air Service
Abkürzungsverzeichnis X
SCI Strategic Consulting International
SIPRI Stockholm International Peace Research Institute
SIS Secret Intelligence Service
SITE Search for International Terrorist Entities Institute
SJIL Stanford Journal of International Law
SL Sendero Luminoso
SL Gov. Government of the Republic of Sierra Leone
SOWI Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr Strausberg
SPLA Sudanese People’s Liberation Army
StGB Strafgesetzbuch
Supp. Supplement
TFLR Tilburg Foreign Law Review
TJICL Tulane Journal of International and Comparative Law
TRM Trauboth Risk Management
U.S.C. United States Code
UBWV Unterrichtsblätter für die Bundeswehrverwaltung
UCMJ Uniform Code of Military Justice
UK United Kingdom
UKMOD United Kingdom Ministry of Defence
ULFA United Liberation Front of Assam
UN United Nations
UNDP United Nations Development Programme
UNGA United Nations General Assembly
UNITA Uniao Nacional para a Independencia Total de Angola
UNSC United Nations Security Council
Abkürzungsverzeichnis XI
UNTAET UN Transitional Administration in East Timor
UNTS United Nations Treaty Series
URL Uniform Resource Locator
URNG Revolutionaria Nacional Guatemalteca
USAID United States Agency for International Development
USC United Somali Congress
VJIL Virginia Journal of International Law
VN Vereinte Nationen
YCISS York Centre for International and Security Studies
YIHL Yearbook of International Humanitarian Law
ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
ZAV Zentralstelle für Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit
ZIB Zeitschrift für Internationale Beziehungen
ZP Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949
1 Einführung
„Wir haben hier mehr Generäle pro Quadratmeter als im Pentagon.“ 1
Harry E. Soyster, CEO von Military Professional Incorporated (MPRI)
Das Konzept der Staatensouveränität und mit ihr die Vorstellung von der alleinigen
Verfügungsgewalt des Staates über die militärischen Mittel stellt spätestens seit dem
Westfälischen Frieden und der Entwaffnung der Wallensteinschen Miliz ein Leitprinzip
internationaler Beziehungen und damit auch des Völkerrechts dar.2 Denn „it is on this
basis that states are recognized as having the right and capacity to declare war, act in
self defense, sign peace treaties, etc.”3 Obwohl dieses Selbstverständnis auch dem viel-
fach postulierten Anspruch des modernen Staates zugrunde liegt, seine Bürger allein-
verantwortlich vor äußerer und innerer Instabilität und Gefahr zu beschützen,4 war es
privaten Firmen nach Ende des Kalten Krieges möglich, sich über die Erbringung mili-
tärischer Dienstleistungen einen globalen Absatzmarkt zu erschließen, der mit über 100
1 In einem Gespräch über die Personalstruktur des von ihm geleiteten Unternehmens; zitiert nach:
Kanzleiter, Boris: Der Söldner-Boom. Privatarmeen und Militärunternehmen in den Neuen Kriegen, in: medico international (Hrsg.): Ungeheuer ist nur das Normale: Zur Ökonomie der neuen Kriege, Frankfurt am Main 2002 (=Medico-Report Nr. 24), S. 131–145, hier S. 131.
2 Vgl. Singer, Peter W.: The Ultimate Military Entrepreneur, in: Military History Quarterly, (o.O. Früh-jahr 2003), S. 6–15, hier S. 14f; Meisterhans, Nadja: Globale Rechte, Globales Recht? Zur Konstituti-onalisierung der Menschenrechte in Perspektive des Weltbürgerrechts, Hannover 2006 (=Papier zum DVPW-Kongress), S. 1.
3 Newell, Virginia: Corporate Militaries and States: Actors, Interactions and Reactions, in: Texas Inter-national Law Journal, 41 (Austin 2006) 1, S. 67–101, hier S. 70.
4 Frühe Ansätze der Staatensouveränitätstheorie sind bereits in der englischen Bill of Rights von 1689 mit der Erklärung, dass „the raising or keeping a standing army within the kingdom in time of peace, unless it be with consent of Parliament, is against law,” erkennbar. Zitiert nach: The Bill of Rights 1689. An Act declaring the Rights and Liberties of the Subject and settling the Succession of the Crown, Online-Ausgabe. Eine der Intentionen ihrer Verfasser war es, die Position des legitimen Kö-nigs dahingehend zu stärken, dass keine anderen Armeen als die des Souveräns geduldet würden. Das Prinzip des souveränen Staates blieb trotz aller Veränderungen bis in das 20. Jahrhundert grundsätz-lich erhalten. Erst durch im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts begonnene, bis heute fort-schreitende Privatisierungsmaßnahmen westlicher Staaten, erfolgt eine massive Transformation. Vgl. zu den geschichtlichen Veränderungen zusammenfassend Abschnitt 2.3 und zum Beginn des Wandels Abschnitt 3.1.
1 Einführung 2
Milliarden US-Dollar Jahresumsatz beziffert wird.5 Aufgrund des aktuellen Trends der
staatlichen Privatisierungsmaßnahmen scheint es, als müsse der moderne Staat die Rolle
des alleinigen Trägers aller Gewalt in Teilen bereits jetzt, zukünftig aber noch verstärkt
mit weiteren nichtstaatlichen Protagonisten teilen.6 Selbst wenn man sich angesichts
dieses Wachstums privater Kräfte nicht der Meinung anschließen will, dass folglich
„any none–state actor[s] engaging in violence, including mercenaries, [and] PMFs,
[can] be classified as a threat to state sovereignty,”7 muss man doch zumindest aner-
kennen, dass „neben die staatlichen Akteure in den internationalen Beziehungen die
sog. nicht-staatlichen […] getreten [sind],“8 die als Nutznießer der sich wandelnden
Weltordnung ihre eigenen Interessen in die internationalen Beziehungen mit einbringen
und auf deren Verlauf zunehmend Einfluss ausüben.9
1.1 Problemfeld
Der mögliche Einfluss auf die internationalen Beziehungen lässt sich zum Einen an den
ambivalenten Auswirkungen ermessen, die der Einsatz klassischer privater Söldnerver-
bände und damals neuartiger PMFs auf den Verlauf und die Intensität der Dekoloniali-
sierungskriege in Afrika und deren Folgekonflikte hatte. Bereits dort trug ihr Engage-
ment sowohl zur kurzfristigen Befriedung und Entspannung bei, führte aber auch zur
5 Vgl. Singer, Peter W.: War, Profits, and the Vacuum of Law: Privatized Military Firms and Interna-
tional Law, in: CJTL, 42 (New York 2004) 2, S. 521–549, hier S. 521. Wenn nicht explizit anders be-zeichnet, wird im Folgenden aus Gründen der Einheitlichkeit der in der Literatur gebräuchliche Beg-riff private Militärfirma (PMF) benutzt werden. Der Autor versteht unter PMFs rechtlich etablierte, multinational aufgestellte, kommerzielle Unternehmen, welche Dienstleistungen mit dem Potential der direkten oder indirekten Gewaltausübung unter militärischen Gesichtspunkten und/oder die Übertra-gung oder Steigerung solcher Potentiale bei verschiedenen staatlichen und nicht-staatlichen Klienten anbieten. Es ist hierbei explizit zwischen PMFs und herkömmlichen, im Inland aktiven privaten Si-cherheitsfirmen wie Wach- und Schließgesellschaften zu unterscheiden. Diese sollen nicht Gegens-tand der Betrachtung sein. Zu einer genaueren Analyse und Diskussion des Profils moderner PMFs beachte Abschnitt 3.3.
6 Private Militärfirmen agieren heute in über 50 Ländern der Welt. Sie halten für entsprechend vermö-gende Nachfrager wie etwa NGOs, internationale Institutionen und nicht zuletzt auch Staaten ohne ausreichende Eigenkapazitäten sicherheitspolitisch relevante Machtmittel auf Abruf ebenso vor wie alle anderen Arten militärisch relevanter Dienstleistungen. Vgl. Singer, Peter W.: Corporate Warriors. The Rise of the Privatized Military Industry, Ithaca 2003, S. 10; sowie Abschnitt 3.2.
7 Newell, Corporate Militaries and States, S. 70. 8 Kümmel, Gerhard: Die Privatisierung der Sicherheit: Fluch oder Segen? Postheroische Gesellschaft,
überlasteter Staat und private Sicherheits- und Militärunternehmen, Strausberg 2004 (=SOWI–Arbeitspapier Nr. 137), S. 7.
9 Vgl. dazu die Ausführungen zu den Neuen Kriegen in Abschnitt 3.1.1.
1 Einführung 3
Destabilisierung schwacher Regierungen.10 Neben diesen Erfahrungen hat andererseits
auch der massive Einsatz privater Anbieter seitens der USA im Irak „uncovered the tip
of what is in fact a very large iceberg of a problem.“11 PMFs übernahmen hier verschie-
denste, ehemals dem Militär vorbehaltene Rollen, von der Wartung und Bedienung
hoch entwickelter Waffensysteme wie unbewaffneter Predator-Aufklärungsdrohnen bis
hin zum Personenschutz wichtiger Persönlichkeiten wie dem ehemaligen Chef der Ü-
bergangsregierung CPA, Paul Bremer.12
Insgesamt ist „dieses neue Dienstleistungsuniversum […] wahrscheinlich noch diversi-
fizierter und spezialisierter als die Konsumgüterbranche.“13 PMFs protegieren einer-
seits humanitäre Organisationen und ermöglichen so die Realisierung von Hilfsprojek-
ten in politisch instabilen Regionen, andererseits sind sie an undurchsichtigen und ob
ihrer Völkerrechtskonformität fragwürdigen Aktionen westlicher Regierungen in Süd-
amerika und der Dritten Welt beteiligt.14 Dieser Zustand wirft natürlicherweise Fragen
bezüglich der Legalität und der möglichen Transparenz solcher Unternehmungen bezie-
hungsweise hinsichtlich vorhandener oder zu entwickelnder Reglementierungsmöglich-
keiten für deren Einhegung auf.15 Für die Zukunft sind deshalb adäquate Lösungen für
den Umgang mit diesen Organisationen und deren Mitarbeitern notwendig. Zumal die
Soldaten regulärer Einheiten den Privaten in den Konfliktgebieten der Welt vermehrt
10 Vgl. dazu die Ausführungen zu den Einsatzprofilen im Umfeld schwacher Staaten im Abschnitt 3.2.2;
so zwangen sie in Sierra Leone und Angola die Bürgerkriegsparteien UNITA und RUF zu Friedens-verhandlungen mit den Regierungen und stabilisierten die Region, vgl. dazu: Hooper, Jim: Blood-song!, London 2002, S. 227; Shearer David: Private Armies and Military Intervention, London 1998 (=IISS Adelphi Paper Nr. 316), S. 51.
11 Holmqvist, Caroline: Private Security Companies: The Case for Regulation, Stockholm 2005 (=SIPRI-Policy Paper Nr. 9), Vorwort. Bereits im März 2003 wurde die Zahl der im Irak tätigen Pri-vatakteure auf 15.000-20.000 geschätzt, wonach sie die zweitgrößte Kraft nach den US-Streitkräften darstellen. Vgl. o.V.: Military-industrial Complexities, in: The Economist, 27.03.2003; Stephen, An-drew: America – Andrew Stephen on Mercenaries in Iraq, in: New Statesman, 26.04.2004.
12 Vgl. Kaplan, Jonathan: Private Army Seeking Political Advice in D.C., in: The Hill, 14.04.2004. 13 Uesseler, Rolf: Neue Kriege, neue Söldner: private Militärfirmen und globale Interventionsstrategien,
in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 50 (Bonn 2005) 3, S. 323-333, hier S. 323. 14 Vgl. zu einer detaillierten Übersicht über das Tätigkeitsspektrum Abschnitt 3.2. 15 Aus der Komplexität der vernetzten Firmenstrukturen, sich überschneidenden Aufgabenbereichen und
der damit erklärbaren eingeschränkten Firmentransparenz ergeben sich beinahe zwangsläufig definito-rische Schwierigkeiten. Somit ist „the most troubling aspect of the industry […] the underlying legal ambiguity.“ O’Meara, Barrie B.: Private Military Firms and Mercenaries: Potential for Liability under International Law, in: TFLR, 12 (Tilburg 2005) 4, S. 324–347, hier S. 329, dazu auch Maogoto, Jack-son N.: Contemporary Private Military Firms under International Law: An Unregulated ‘Gold Rush’, Newcastle 2006 (=BEP-Paper Nr. 1345), S. 3f.
1 Einführung 4
gegenübertreten oder mit Ihnen kooperieren und hierbei Handlungssicherheit benötigen.
Wo solche Lösungsoptionen noch nicht vorhanden sind, müssen sie geschaffen wer-
den.16 Überholte politische und rechtliche Ansätze vergangener Zeiten, wie etwa aus
denen des Kalten Krieges, müssen überprüft und an die Gegebenheiten und möglichen
Folgen eines von multinationalen Unternehmen dominierten, vernetzten Gewaltmarktes
mit ungehemmtem Wachstumspotential angepasst werden.17
1.2 Zielsetzung, Aufbau und Quellenlage der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist es, die konkreten Herausforderungen, welche die aktuelle Entwick-
lung auf dem Sicherheitssektor an die einzelnen Staaten und die internationale Staaten-
gemeinschaft stellt, herauszuarbeiten und dort, wo ein Handlungsbedarf zur Lösung
identifizierbarer Problemstellungen erkennbar ist, praktikable Vorschläge für eine Ver-
besserung der momentanen völkerrechtlichen und damit auch politischen Situation zu
entwickeln.
Um der diffizilen Greifbarkeit und Eingrenzbarkeit der zu behandelnden Materie entge-
genzuwirken, beginnt diese Arbeit mit einer Zusammenschau der geschichtlichen Ent-
wicklungslinien des Söldnerbegriffs und der entsprechenden völkerrechtlichen Reaktio-
nen auf diese Privatisierungstendenzen staatlicher Gewalt. Obwohl die Angestellten der
PMFs mit ihren Vorläufern nur noch bedingt vergleichbar sind, können die Beispiele
aus der Historie doch hilfreich sein, um den Blick für die Entstehungsbedingungen des
Söldnertums zu schärfen und negative wie positive Folgen besser zu verstehen, die mit
der Privatisierung äußerer Sicherheit verbunden sind. Kapitel 3 dient der anschließen-
den Differenzierung der modernen privaten Militäranbieter von ihren historischen Wur-
16 Es musste auch eine mangelnde Implementierungsmotivation seitens einzelner Staaten festgestellt
werden, die supranationalen Einhegungsversuchen aufgrund anders gelagerter wirtschaftlicher oder politischer Eigeninteressen nur bedingt folgen wollten oder konnten. Vgl. Nossal, Kim R.: Global Governance and International Interests: Regulating Transnational Security Corporations in the Post-Cold War Era, in: MJIL, 2 (Melbourne 2001) 2, S. 459–476, hier S. 460.
17 Bis zu den Ereignissen des 11. September 2001 und ihren Folgen ging man in Fachkreisen teilweise noch davon aus, dass sich die Nachfrage nach PMF-Leistungen zu Anfang des neuen Jahrtausends nach dem Ende der Post–Kalten-Kriegs–Ära drastisch rückläufig entwickeln würde, dass maximal klassische Sicherheitsleistungen wie Wachdienste Zuwächse verzeichnen könnten und somit sowohl nationale als auch internationale Regulierungsanstrengungen unnötig wären. Vgl. dazu Nossal, Global Governance, S. 459, 461.
1 Einführung 5
zeln.18 Um dies zu komplettieren, enthält der letzte Abschnitt von Kapitel 3 den Versuch
einer typologischen Erfassung und Abgrenzung der einzelnen Akteure der Gewaltpriva-
tisierung über einen tätigkeitsbezogenen Ansatz mit graphischer Umsetzung. 19
Diese Erfassung des Tätigkeitsbereichs fungiert als Basis für die im Kapitel 4 erfolgen-
de Identifikation sich aktuell stellender Problemfelder. Neben den mit der Entstehung
des modernen Gewaltmarkts verknüpften Fragestellungen ist hierbei vor allem die völ-
kerrechtliche Problematik von Interesse. Zur Untersuchung der diesbezüglichen Aspek-
te wird zuerst der Status der Mitarbeiter solcher Firmen in internationalen und nicht-
internationalen bewaffneten Konflikten bestimmt.20 Im darauf folgenden Abschnitt wird
dann geklärt, welche Konsequenzen sich daraus für die Rechtsposition der Mitarbeiter
solcher Firmen in Konfliktregionen ergeben.21 Ergänzt werden diese Untersuchungen
von einer Betrachtung der existierenden Regelungen zur jeweiligen Verantwortlichkeit
von Staaten und Firmen bei einer PMF-Operation.22 Durch die im letzten Abschnitt die-
ses Kapitels erfolgende zusammenfassende Lagefeststellung der mit einem PMF-
Einsatz verbundenen Vor- und Nachteile kann schließlich ergründet werden, ob ein ge-
18 Dass bezüglich der Frage, ob es sich bei den Unternehmen der privaten Sicherheitsindustrie um eine
moderne Erscheinungsform des klassischen Söldnertums handelt, Klärungsbedarf vorhanden ist, zeigt sich schon daran, dass selbst die aktuelle VN-Beauftragte für das Söldnerwesen sich in dieser Frage unsicher ist. Aber auch in wissenschaftlichen Diskursen und Publikationen als auch in der Berichter-stattung – z.B. zu den Vorgängen im Irak – werden unter dem Begriff Söldner verschiedenste Elemen-te aus dem Bereich privater Sicherheitsdienstleister subsumiert. Vgl. ABC Radio Australia: FIJI. Hu-man Rights Activist appointed UN Expert, o.D., online abrufbar; Ladurner, Ulrich: Helden und Söld-ner, in: DIE ZEIT, 09.06.2004; Roth, Wolf D.: Die globale Konjunktur der Söldnertruppen, in: Heise-Online, 03.04.2004, online abrufbar.
19 Eine solche Typologisierung macht auch deshalb Sinn, weil für die anschließende völkerrechtliche Bewertung der PMFs „allein die Art der übernommenen Tätigkeit ausschlaggebend ist.“ Krieger, Heike: Der privatisierte Krieg: Private Militärunternehmen im bewaffneten Krieg, in: Archiv des Völ-kerrechts, 44 (Tübingen 2006) 2, S. 159–186, hier S. 161.
20 Daneben ist unter anderem von Interesse, ob die völkerrechtlichen Normen, welche die Stellung und den Einsatz von Söldnern bestimmen, mit den aktuellen Entwicklungen in Übereinstimmung gebracht werden können und welche internationalen Übereinkommen für die Fragestellung generell einschlägig sind.
21 Bei einer Untersuchung des rechtlichen Status der Mitarbeiter von PMFs sind zwei Problemfelder zu differenzieren: Zum einen können Angestellte aktiv in das Kampfgeschehen verwickelt werden. Hier ist zu klären, welchen Beschränkungen seitens des Völkerrechts sie bei der Durchführung von ver-schiedenen Aktivitäten unterworfen sind. Andererseits können sie bei der Ausübung ihrer Arbeit pas-siv von Auswirkungen der Kampfhandlungen betroffen sein. Dabei stellt sich auch die Frage nach den für sie völkerrechtlich geltenden Schutzansprüchen. Vgl. zu möglichen Antworten die Abschnitte 4.2.1 und 4.2.2.
22 Vgl. Abschnitt 4.2.3.
1 Einführung 6
nereller Bedarf für eine völkerrechtliche Regulierung des PMF-Sektors besteht und wel-
chen Umfang diese haben sollte.
Zu Anfang des Kapitel 5 wird anschließend festgestellt, mit welchen momentan vor-
handenen Mitteln sich der Absatzmarkt privater Militärfirmen überwachen und regulie-
ren lässt und inwiefern diese für die momentan identifizierbaren Problemfelder als aus-
reichend zu bewerten sind oder weiterentwickelt werden müssen.23 Unter Rückgriff auf
diese zuvor gewonnenen Ergebnisse werden mögliche praktikable Herangehensweisen
für den zukünftigen Umgang mit jenen identifizierten Herausforderungen eruiert. Aus
den so erarbeiteten Handlungsoptionen einzelner Staaten, regionaler und internationaler
Organisationen sowie der Firmen selbst lassen sich dann entsprechend dem anfangs
formulierten Ziel dieser Arbeit Optimierungsansätze für die Zukunft ableiten.24 Kapitel
6 beinhaltet letztlich ein die maßgeblichen Erkenntnisse der Arbeit nochmals zusam-
menfassendes Fazit.
Die Recherche gestaltete sich aufgrund einer komplexen Quellenlage teilweise als
schwierig. Da zu dem hier behandelten Thema nur wenige Primärquellen wie Vertrags-
daten oder anderes internes Material zu Firmenaktivitäten für den wissenschaftlichen
Zugang erschlossen sind, musste sich diese Arbeit bei der Marktanalyse zu einem gro-
ßen Teil auf Sekundärquellen stützen. Gerade über das Tätigkeitsfeld der einzelnen
Firmen, ihre Strukturen und Netzwerke ist nur sehr wenig Einblick zu gewinnen. Neben
der Tatsache, dass es sich um einen in den heute zu beobachtenden Ausmaßen recht
jungen Industriezweig handelt, liegt dies nicht zuletzt an den hochsensiblen Aufgaben-
feldern dieser Organisationen: Diskretion über Geschäftsverbindungen ist hier zu einem
wichtigen Wettbewerbskriterium und Markenzeichen geworden, das von den Firmen
dementsprechend gehütet wird.25 Erschwerend kam hinzu, dass zwar zahlreiche the-
menbezogene Zeitungs- und Zeitschriftenartikel veröffentlicht wurden, sich allerdings
davon viele – da oft stark polarisierend und sensationsorientiert verfasst – für eine wis-
23 Vgl. Abschnitt 5.1. 24 Vgl. Abschnitt 5.2. 25 Auf die Problematik der Transparenz wird im Folgenden in Abschnitt 4.1.3 noch einzugehen sein.
Beachtung verdient hier die Arbeit investigativer Journalisten. Vgl. ICIJ: Making a Killing. The Busi-ness of War, in: Center for Public Integrity-Projekt, Washington D.C. 2007, online abrufbar.
1 Einführung 7
senschaftliche Auswertung als nur eingeschränkt geeignet erwiesen, was die zitierfähi-
gen Quellen weiter reduzierte.26 Ähnlich wirkte sich aus, dass bisher zwar einige wenige
Monographien und Übersichtswerke existieren, jedoch bis dato keine mit einer völker-
rechtlichen Schwerpunktbildung.
Innerhalb des mit wissenschaftlichem Anspruch publizierenden Umfelds – bei dem der
Anteil der englischsprachigen Publikationen an der Literaturbasis sehr hoch ist – lassen
sich drei Gruppierungen mit einer jeweils eigenen typischen Argumentationsstruktur
identifizieren:27
Die Proponenten stellen aus einer pragmatisch-werbenden Position heraus die Vorzüge
und Möglichkeiten kommerziell motivierter nicht-staatlicher Akteure – wie beispiels-
weise Kosteneffizienz oder verbesserte Reaktionsgeschwindigkeiten privatisierter Pea-
cekeeping-Operationen – im Zusammenhang mit den gegenwärtig vorherrschenden
asymmetrischen Konfliktszenarien in den Vordergrund.28
Die Analysten registrieren das neue Phänomen in den internationalen Beziehungen als
faktisch existent und bringen es als solches in Zusammenhang mit Theorien politischen
oder wirtschaftlichen Hintergrunds wie der weltweiten Globalisierung und ökonomisch
begründeten Privatisierungstendenzen. Besonders hervorzuheben ist hier das den Auf-
stieg und das globale Wirken privater Militärfirmen in einem ganzheitlich-kritischen
Ansatz behandelnde Werk Corporate Warriors von Peter Warren Singer, welches sich
seit seinem Erscheinen 2003 als Standardwerk der Fachliteratur durchsetzen konnte.
26 Als Beispiel eines wissenschaftlich auswertbaren Zeitungsberichts – in diesem Fall zur Verwicklung
privater Verhörspezialisten der US-Firmen CACI und Titan in den Folterskandal von Abu Ghraib – vgl. Hersh, Seymour M.: Torture at Abu Ghraib, in: The New Yorker, 10.05.2004.
27 Namentlich Proponenten, Analysten, Opponenten. Vgl. dazu die folgenden drei Absätze. 28 Vgl. stellvertretend als Sprachrohr des IPOA, der Public-Relations-Organisation der PMF-Branche:
Brooks, Doug: Messiahs or Mercenaries? The Future of International Military Services, in: Interna-tional PeaceKeeping, 7 (Pretoria 2000) 4, S. 129–144; sowie weiterführend IPOA: IPOA-Homepage, Washington D.C. 2006, online abrufbar.
1 Einführung 8
Für die Bearbeitung der rechtlichen Fragestellung spielten neben einer Vielzahl von
Fachaufsätzen zu Einzelaspekten der Problematik besonders die von Christian Schaller
im September 2005 publizierte Studie Private Sicherheits- und Militärfirmen in bewaff-
neten Konflikten sowie der jüngst von Thomas Jäger und Gerhard Kümmel herausgege-
bene Sammelband Private Military and Security Companies eine wichtige Rolle.
Spätestens seit im März 2004 die Leichen von vier Mitarbeitern der US-Firma Blackwa-
ter Security Consulting in Fallujah verstümmelt, anschließend im Beisein der Medien an
einen Brückenpfeiler gehängt und zeitgleich Skandale über Foltervorwürfe und über-
höhte Rechnungen anderer Anbieter publik wurden, wächst die Zahl der entschiedenen
Kritiker solcher Privatisierungsvorhaben.29 Wobei auch hier die Meinungen von einem
völligen Verbot bis zu der Befürwortung strengerer Kontrollen und rechtlicher Lösun-
gen weit auseinander gehen.30 Insgesamt kann der Stand der Forschung als uneinheitlich
bezeichnet werden. So hat sich bis heute keine einheitliche Terminologie bezüglich der
Firmenbezeichnungen durchsetzen können.31 Ein eigenständiger Forschungsbereich
scheint sich aus den Disziplinen der Politikwissenschaften sowie des Völkerrechts erst
ansatzweise zu entwickeln.
29 Vgl. zu den schockierenden Bildern sowie einem Video von AP, welches durch die Presse ging: AP:
Iraqi Mob desecrates Americans’ Bodies, in: The MemoryHole.Org-Projekt, 31.03.2004, online ab-rufbar. In einem anderen Fall erregte im Dezember 2005 ein Video Aufsehen, das Mitarbeiter der Firma Aegis Specialist Risk Management bei der scheinbar willkürlichen Beschießung irakischer Zivi-listen zeigt. Vgl. o.V.: Video bringt privaten Sicherheitsdienst in Bedrängnis, in: SPIEGEL Online, 09.12.2005, online abrufbar.
30 Vgl. dazu Schreier, Fred; Caparini, Marina: Privatising Security: Law, Practice and Governance of Private Military and Security Companies, Genf 2005 (=DCAF Occassional Paper Nr. 6), S. 11; sowie als Vertreter der entschiedenen Gegner den ehemaligen VN-Sonderbeauftragten für das Söldnerwe-sen: Ballesteros, Enrique Bernales (Special Rapporteur pursuant to Commission resolution 2000/3), ECOSOC Agenda Item 5, 57th Session (11.01.2001), ECOSOC Doc. E/CN.4/2001/19. Die neue VN-Sonderbeauftragte hat sich allerdings eine differenziertere Perspektive zu eigen gemacht und akzep-tiert das mögliche Potential solcher Firmen. Vgl. Shameem, Shaista (Special Rapporteur pursuant to Commission Resolution 2004/5), ECOSOC Agenda Item 5, 61rd Session (08.12.2004), ECOSOC Doc. E/CN.4/2005/14, §§ 66f.
31 Zur Problematik einer einheitlichen Terminologie und Kategorisierung vgl. Abschnitt 3.3.
2 (Rechts-)historische Entwicklung der Gewaltprivatisierung 9
2 (Rechts-)historische Entwicklung der Gewaltprivatisierung
„500 years after the demarcation between mercenary and standing armies, 700
years after the formation of the free companies, and 2300 years after Alexander
employed mercenary Cretan archers, the international community again wrestles
with the question of how to regulate mercenaries.”32
In der wissenschaftlichen Diskussion wird im Zusammenhang mit der heutigen Privati-
sierung im Sicherheits- und Militärsektor häufig die Frage aufgeworfen, inwieweit der
Dualismus aus nationalstaatlich monopolisierter Macht im Sinne eines „ultimate symbol
of the sovereignty“33 und anderen privaten Parallelkräften seit jeher besteht und ob die
heutigen Tendenzen demzufolge wirklich, wie oft behauptet, einen Einzelfall der Ge-
schichte darstellen.34 Zur Beantwortung dieser Frage und als Grundlage für die weiter-
führende Analyse der heutigen Situation wird im Folgenden entsprechend dem in der
Einführung erläuterten Aufbau dieser Arbeit zu klären sein, ob sich tatsächlich – wie
von Milliard in obigem Zitat impliziert – Verbindungen zwischen den Söldnern der ver-
gangenen Tage und den privaten Militärfirmen der heutigen Zeit finden lassen. Bei ei-
ner solchen Betrachtung ist auch die Entstehung einzelner, für die weitere Erörterung
relevanter rechtlicher Konventionen, die als Reaktionen auf die historischen Entwick-
lungen kreiert wurden, in den historischen Kontext mit einzubeziehen.
32 Milliard, Todd S.: Overcoming Post-Colonial Myopia: a Call to Recognize and Regulate Private Mili-
tary Companies, in: Military Law Review, (Washington D.C. 2003) 176, S. 1–95, hier S. 10f. 33 Isenberg, David: Soldiers of Fortune Ltd.: A Profile of Today’s Private Sector Corporate Mercenary
Firms, Washington D.C. 1997 (=CDI-Monograph November), S. 1. 34 In diesem Zusammenhang ist im wissenschaftlichen Diskurs auch von Interesse, ob die nationalstaat-
liche Souveränität in der heutigen Zeit insgesamt abgenommen hat oder ob sie sich seit Ende des Ost-West-Konfliktes nur einem weiteren Transformationsprozess unterwerfen musste. Im Rahmen dieser Arbeit kann darauf nicht näher eingegangen werden. Vgl. weiterführend Mandel, Robert: The Chang-ing Face of National Security: A Conceptual Analysis, Westport 1994, S. 1–14; FCO: Private Military Companies. Options for Regulation 2001-2002, London 2002 (=Green Paper HC Nr. 577), §§57–60; sowie Weingartner, Georg: Krieg als Geschäftszweig. Private Sicherheitsdienstleister und Söldner im Lichte des Kriegsvölkerrechts, in: ÖMZ, 42 (Wien 2004) 2, S. 149-156, hier S. 150.
2 (Rechts-)historische Entwicklung der Gewaltprivatisierung 10
2.1 Von der Antike zum Haager Abkommen 1907
„Die Söldner und Hilfstruppen sind unnütz und gefährlich, und wer seine Macht
auf angeworbene Truppen stützt, der wird nie fest und sicher dastehen […]. Der
Grund dafür ist, dass sie keine andre Liebe und keinen andren Anlass haben, im
Felde zu liegen, als den geringen Sold.“ 35
Niccolò Machiavelli, 1532
2.1.1 Ursprung des Staatenkriegs – Anfang militärischer Privatisierung
Söldner und Privatarmeen bestehen bereits seit Existenz des Krieges. Individuen, Grup-
pen oder Staaten nutzten sie immer dann, wenn sie selbst nicht in der Lage waren, die
Umsetzung von Territorialansprüchen oder den Schutz des Eigentums in eigener Kraft
sicherzustellen. Bereits die altertümlichen Armeen der Chinesen und der Griechen, aber
auch die römischen Legionen waren zu einem großen Teil von verpflichteten Kräften
abhängig.36 Schon Ramses II hatte 1294 v. Chr. angeworbene Fremdtruppen genutzt, um
die an Anzahl überlegenen Hethiter zu besiegen.37 413 v. Chr. setzten Athens Führer
1300 thrakische Schwertkämpfer zur Unterstützung ein – mit schrecklichen Folgen:
„The Thracians bursting into Mycalessus sacked the houses and temples, and butchered
the inhabitants, sparing neither youth nor age but killing all they fell in with.”38 Trotz
des frühen erfolgreichen Einsatzes von Söldnern barg ihr Engagement für den Armee-
führer auch immer Risiken. Bereits die erste reine Söldnerarmee der Geschichte zeich-
nete ein ambivalentes Bild: Obwohl Karthago seine Macht beinahe komplett mit aus-
35 Machiavelli, Niccolò: Der Fürst (1532; übers. von Oppeln-Bronikowski, Friedrich), Frankfurt am
Main 2001, S. 64. 36 In römischer Zeit sind auch die sprachlichen Wurzeln der Begriffe Söldner und Soldat zu finden.
Abgeleitet wurden sie aus der solidus, einer Goldmünze, die Konstantin der Große 309 v. Chr. ein-führte. Soldat entwickelte sich zum Begriff für den einzelnen Angehörigen staatlicher Militärorganisa-tionen, während Söldner jemanden bezeichnet, der in einem fremden Land Kriegsdienst gegen Bezah-lung leistet. Vgl. Transfeldt, Walter; u.a.: Wort und Brauch im deutschen Heer. Geschichtliche und sprachkundliche Betrachtungen über Gebräuche, Begriffe und Bezeichnungen des deutschen Heeres in Vergangenheit und Gegenwart, 6. Aufl., Hamburg 1967, S. 6.
37 Vgl. von der Way, Thomas: Die Textüberlieferung Ramses' II. zur Qades-Schlacht. Analyse und Struktur, Hildesheim 1984 (=Hildesheimer Ägyptologische Beiträge Nr. 22), S. 349.
38 Strassler, Robert B.: The Landmark Thucydides: A Comprehensive Guide to the Peloponnesian War, New York 1996, S. 444.
2 (Rechts-)historische Entwicklung der Gewaltprivatisierung 11
ländischen Kräften aufgebaut und gesichert hatte, führte die nach der schmerzvollen
Niederlage des ersten Punischen Krieges (264–241 v. Chr.) erfolgte Auflösung der teu-
ren Söldnerverbände zu einem wahren „Mercenary War [in which] [t]he rebels were
only put down when the Carthaginians were able to hire other mercenary units.“39 Im
darauf folgenden zweiten Punischen Krieg kämpften die Privatverbände jedoch wieder
überraschend loyal auf Seiten Hannibals– was zu einem nicht geringen Maße an den
zuvor eroberten Silberminen und einer daraus resultierenden Zahlungsfähigkeit Kartha-
gos gelegen haben dürfte.40
Solche und ähnliche Vorfälle, die im Verlauf der Geschichte immer wieder vorkamen,
erklären das aus anfänglichen Ressentiments über die Jahrhunderte erwachsene, tief
verwurzelte Misstrauen, welches Söldnern und PMFs auch in der aktuellen Diskussion
immer wieder entgegengebracht wird.41 Doch trotz aller negativen Erfahrungen nutzten
Römer, Byzantiner und Mamelucken, Könige, Kaiser, Päpste und Fürsten vom Altertum
über das gesamte Mittelalter hinweg in Ermangelung adäquater Alternativen immer
wieder die Fähigkeiten dieser hochprofessionellen Einheiten.42 So wurden beispielswei-
se mit der Entwicklung des Feudalsystems vermehrt Leibeigene zur Verrichtung einfa-
chen Tätigkeiten in den Militärdienst verpflichtet, um in Zeiten mangelnder wirtschaft-
licher Prosperität Geld zu sparen. Doch die Neuentwicklung komplexerer Waffensyste-
me wie etwa von Armbrüsten und Lanzen, später Kanonen, führte – ähnlich wie bei der
Verbreitung von PMFs in der Gegenwart –43 in Verbindung mit einem „revival of an
urban-based commercial economy“44 im Bankensystem und auf dem Handelssektor zu
einem nicht abreisenden Bedarf an qualifizierten Kräften.
39 Singer, Corporate Warriors, S. 21. 40 Vgl. Yocherer, Greg: Second Punic War: Battle of Cannae, in: Military History (o.O. Februar 2000),
S. 1–4, hier S. 1, 4; Heftner, Herbert: Der Aufstieg Roms. Vom Pyrrhoskrieg bis zum Fall von Kar-thago, Regensburg 1997, S. 169f.
41 Vgl. dazu Zarate, Juan C.: The Emergence of a New Dog of War: Private International Security Com-panies, International Law, and the New World Disorder, in: SJIL, (Stanford 1998) 34, S. 75–162, hier S. 77.
42 Vgl. Uesseler, Rolf: Krieg als Dienstleistung. Private Militärfirmen zerstören die Demokratie, 2. Aufl., Berlin 2006, S. 87f.
43 Technischer Fortschritt sowie politische und ökonomische Kostenvermeidungsstrategien führten und führen auch in der Gegenwart zu einer wachsenden Nachfrage nach den hochqualifizierten Kräften des PMF-Sektors. Vgl. FN 162.
44 Singer, Corporate Warriors, S. 22.
2 (Rechts-)historische Entwicklung der Gewaltprivatisierung 12
Ein chronischer Bevölkerungsmangel trug ebenfalls dazu bei, dass einzelne italienische
Städte letztendlich ihre gesamte Verteidigung privatisierten, um die Bevölkerung als
Produktivkräfte des ökonomischen Systems zu schonen.45
Vor diesem Hintergrund ist es auch zu erklären, dass in der Frührenaissance des 14.
Jahrhunderts während des hundertjährigen Krieges (1337–1453) schließlich die ersten
kommerziellen Militärdienstleister mit konzernartigen Gewerbestrukturen nachgewie-
sen werden können:46 In Italien bildeten sich Firmen mit einer eigenen Hierarchie und
entsprechender Befehlsstruktur, an deren Spitze jeweils der verantwortliche Condottiere
stand. Diese verpflichteten mittels vertraglicher Bindung – dem sogenannten condotte –
neben Kämpfern auch Rechtsanwälte, Bankkaufleute und Händler, um ihre Geschäfte
„like other commercial guilds at the time“47 zu organisieren und „[a]s men of business,
[…], their trade, the available markets and their competitors“48 zu analysieren. Durch
ein systematisiertes Vertragswesen bürokratisierte der Staat die Auftragsvergabe an
diese Firmen und übte so eine Kontrollfunktion auf die Söldner aus –49 ein Verfahren,
dessen Anwendbarkeit auch bei der heutigen Regulierungsdebatte immer wieder disku-
tiert wird.50 Als spezielle Form der Privatisierung mittels von Staaten vergebener Ver-
träge ist in diesem Zusammenhang das besonders von England und Frankreich prakti-
zierte Kaperwesen zu nennen.51
45 Vgl. Contamine, Philippe: War in the Middle Ages, New York 1984, S. 158. Im Jahr 1342 bestand die
Armee Florenz’ aus 4000 Söldnern und 40 Bürgerlichen, vgl. dazu Bayley, Charles C.: War and So-ciety in Renaissance Florence: The „De Militia“ of Leonardo Bruni, Toronto 1961, S. 15.
46 Vgl. O’Meara, Private Military Firms, S. 326; Uesseler, Krieg als Dienstleistung, S. 90. 47 Botta, Christo, zitiert nach: Schreier, Privatising Security, S. 7. 48 Ebd. 49 Vgl. Kinsey, Christopher: Corporate Soldiers and International Security. The Rise of Private Military
Companies, London 2006, S. 35. 50 Vgl. zu den Schwierigkeiten bei der heutigen Anwendbakeit rein privatrechtlicher Vereinbarungen
Abschnitt 4.1.1, als Beispiel eines auf privatrechtlicher Kooperation basierenden Regulierungsansat-zes den von Großbritannien unter Abschnitt 5.1.3.
51 Hall umschreibt das Kaperwesen entsprechend seinem privatwirtschaftlichen Charakter als „vessels belonging to private owners, and sailing under a commission of war empowering the person to whom it is granted to carry on all forms of hostility which is permissible at sea by the usage of war.“ Hall, William Edward: A Treatise on International Law, 8. Aufl., Oxford 1924, S. 620f.
2 (Rechts-)historische Entwicklung der Gewaltprivatisierung 13
Durch offizielle Kaperbriefe legitimiert und mit festgeschriebenen Prisenansprüchen für
die in Kauf genommenen Risiken entschädigt, nahmen Privatinvestoren dem Staat die
Last des Unterhalts einer teuren Flotte ab.52
2.1.2 Wandel im Angesicht der Verstaatlichung von Gewalt
Den Condottieri erwuchs bald Konkurrenz durch das Auftreten der Schweizer Garden
und der Landsknechtsformationen. Diese, darunter viele deutsche Söldner, operierten
bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts auf den Schlachtfeldern Europas, in Mexiko unter
Cortéz ebenso wie in Südostasien. Erst die Entstehung fester staatlicher Gebilde und der
finanzielle Aufschwung, der sich mit der Eroberung Amerikas in den Kolonialstaaten
langsam einstellte, machte das Aufrechterhalten größerer ständiger Armeen unter der
andauernden Kontrolle des Souveräns politisch sinnvoll und wirtschaftlich möglich. Die
meisten Söldnerformationen wurden daraufhin über zwei Jahrhunderte sukzessiv in die
ständigen Armeen der entstehenden Nationalstaaten integriert, die freien Söldnerver-
bände nahmen ab.53
Im Jahre 1648 wurde mit dem Zustandekommen des Westfälischen Friedens die Vor-
stellung vom souveränen, sich über das Gewaltmonopol definierenden Staat endgültig
zur politischen Realität. Ohne staatliche Genehmigung war das Anbieten von Kriegs-
52 Diese Praxis wurde bis zum 16. April 1856 aufrechterhalten, als die Bevollmächtigten, die im Namen
ihrer Regierungen bereits den Pariser Vertrag vom 30.03.1856 unterzeichnet hatten – und damit im Namen der Hauptseemächte Europas, vor allem Russland, Frankreich und Großbritannien auftraten – dem Überhandnehmen solcher Verfahrensweisen mit der Unterzeichnung einer Erklärung, die die Ke-perei untersagt, einvernehmlich entgegentraten. Diese gilt im übrigen bis heute und wurde auch von anderen Staaten wie der Schweiz unterzeichnet. Vgl. Erklärung betreffend das europäische Seerecht in Kriegszeiten vom 16.04.1856, AS 11 439; sowie Thomson, Janice: Mercenaries, Pirates and Souve-reigns: State Building and Extraterritorial Violence in Early Modern Europe, Princeton 1994, S. 70. Heute ist z.B. im Irak eine Verwendung privater Akteure in Stellvertreterfunktionen souveräner Re-gierungen wieder zu beobachten. Ähnlich wie damals sind die Gründe dafür in wirtschaftlichen Erwä-gungen zu suchen. Aufgrund der Struktur demokratischer Staaten ist aber vor allem auch die Vermei-dung politischer Kosten in den Vordergrund getreten: Zivile Verluste erregen weniger Aufmerksam-keit als im öffentlichen Fokus stehende militärische Niederlagen und gefährden in weit geringerem Maße eine mögliche Wiederwahl. Vgl. zum heutigen Kontext Abschnitt 4.1.2, insbesonders FN 326f.
53 Albrecht von Wallenstein, der letzte und erfolgreichste Führer einer Landsknechtsformation, führte sein lukratives Geschäft, welches ihn zum reichsten Mann Europas machte, jedoch bis zum Ende des dreißigjährigen Krieges weiter. Vgl. Uesseler, Krieg als Dienstleistung, S. 92.