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Österreich 1989-2009: 20 Jahre Ostöffnung Spezialausgabe I 01/2009 | www.henkel.at Henkel-Life Friedrich Stara ...über das Henkel-Erfolgsgeheimis | Seite 10 Michael Spindelegger ...über die Zukunft Europas | Seite 3 Alois Mock ...über das Wunder von 1989 | Seite 15 20 Jahre Ostöffnung „Greater Europe“ am Sprung in die 3. Dekade Rückblick und Perspektive

Rückblick und Perspektive - Henkel...Günter Thumser 2009 wird das Jubiläum „20 Jahre Ostöffnung“ began-gen. Für Österreichs Wirtschaft bedeutete 1989 und das damit verbundene

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Page 1: Rückblick und Perspektive - Henkel...Günter Thumser 2009 wird das Jubiläum „20 Jahre Ostöffnung“ began-gen. Für Österreichs Wirtschaft bedeutete 1989 und das damit verbundene

Österreich

1989-2009: 20 Jahre Ostöffnung Spezialausgabe I 01/2009 | www.henkel.atHenkel-Life

Friedrich Stara ...über das Henkel-Erfolgsgeheimis

| Seite 10

Michael Spindelegger ...über die Zukunft Europas

| Seite 3

Alois Mock ...über das Wunder von 1989

| Seite 15

20 Jahre Ostöffnung

„Greater Europe“ am Sprung in die 3. Dekade

Rückblick und Perspektive

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Günter Thumser

2009 wird das Jubiläum „20 Jahre Ostöffnung“ began-gen. Für Österreichs Wirtschaftbedeutete 1989 und das damitverbundene historische Ereigniseine einmalige Chance, die ge-nutzt wurde. Das gilt auch fürHenkel in Wien. Damals lag derFokus auf Österreich. Der Um-satz belief sich auf umgerechnet

122 Mio. Euro. Heute ist die in Wien ansässige Henkel CEE in32 Ländern der Region tätig. Sie beschäftigt 10.000 Mitarbeiterund steht für einen Umsatz von rund 2,5 Mrd. Euro.

Die ersten expansiven Schritte in der anfänglichen Pionierphasesetzte Henkel bereits 1987. Nach der ersten Dekade begann dieZeit der engen Kooperation, um Synergien innerhalb der Regionzu nützen. Mittlerweile befindet sich Henkel in der dritten Deka-de, die von Konsolidierungsmaßnahmen in bereits sehr reifenMärkten gekennzeichnet ist. Wir sprechen hier von einem „Ma-naging Greater Europe“. Es muss nämlich aufgrund der erreich-ten Unternehmensgröße eine Balance gefunden werden zwischenFlexibilität und Standardisierung, zwischen internationaler Ex-pertise und der Notwendigkeit lokaler Adaptionen, zwischen na-tionalen Konzepten und Programmen sowie solchen regionalerNatur.

Um erfolgreich zu sein, bedarf es der großen Lernbereitschaft allersowie Eigenschaften im Team, die mit den Merkmalen Offenheit,Vertrauen sowie der interkulturellen Herangehensweise und mitunternehmerischem Denken beschrieben werden können.

Das alles ist notwendig, um in der beschriebenen 3. Dekade dasstabile wirtschaftliche Fundament, das errichtet wurde, nicht zugefährden. Denn die mit der Ostöffnung am Anfang undschließlich über Jahre hinweg verbundene Euphorie und Gold-gräberstimmung ist endgültig vorbei.

Märkte sind nicht länger singulär und lokal zu betrachten undzu bewerten. Die Wettbewerbslandschaft im Osten ist vernetzt,von moderner Prägung. Es tummeln sich hier starke lokale, regionale und internationale Anbieter. Der Handel ist hochkompetitiv, traditionelle Unternehmen geraten zusehends in dieDefensive. Konsumenten agieren sowohl bewusst als auchselbstbewusst. Sie sind stark qualitätsorientiert, zugleich jedochwählerisch. Das disponible Einkommen vieler Konsumentenwird zwar in Summe größer, leidet aber beispielsweise durchsteigende Energie- und damit Lebenshaltungskosten, die sichwesteuropäischen Niveaus annähern. Folge davon: Der Wett -bewerb wird sukzessive härter. Das Marktwachstum der Ver-gangenheit lässt sich in Zukunft nicht, wie bisher, ganz auto-matisch und selbstverständlich fortschreiben.

Ebenfalls neu am Beginn der 3. Dekade: In Osteuropa reift eineehrgeizige, junge, sehr gut ausgebildete Generation heran, diedie Zeit des „Eisernen Vorhangs“ nur mehr aus Geschichts-büchern kennt. Sie will und wird ihre Zukunft eigenständig,aktiv gestalten – mit Konsequenz nicht nur für die lokalen Ar-beitsmärkte, sondern auch mit berechtigtem Blick auf Schlüssel-positionen, die in Unternehmen im Westen zu besetzen sind.

Was bedeutet dies für die Politik in Österreich?

Das Bildungssystem bedarf einer Reform, die sicherstellt, dassdie Leistungsbereitschaft von Lehrenden und Lernenden glei-chermaßen gefördert wird. Selbstständigkeit, individuelle Ta-lente müssen unterstützt werden, die Offenheit für neue Inhal-te gegeben sein. Wir dürfen am Ende der Grundschule nichtlänger mit Lehr- und Stundenplänen arbeiten, die strukturellmit jenen vergleichbar sind, die bereits vor 75 Jahren im Unter-richtsbereich Verwendung fanden.

Das Investment in Infrastruktur muss die bestmögliche Anbin-dung an unsere Nachbarregion gewährleisten. Dazu zählen of-fene Grenzen, die für Schlüsselarbeitskräfte auch wirklich, alsoohne Hürden und Schikanen, offen sind. Wechselseitige Koope-ration, Lernen und das Zusammenwachsen innerhalb der Regi-on sollen möglich sein, damit sich Österreich in sein geografi-sches Umfeld weiter (re)integrieren kann.

Die Notwendigkeit des Wandels muss von den politischen Ent-scheidungsträgern erkannt werden, damit entsprechende Maß-nahmenpakete rasch geschnürt werden. Denn Osteuropa bleibtweiterhin eine Wirtschaftsregion mit riesigem Potential. Die zuerwartende Konjunkturdelle im heurigen Jahr und damit ver-bundene niedrigere Wachstumsraten als in der Vergangenheitliegen nach wie vor und trotzdem weit über dem, was fürÖsterreich und Westeuropa erwartet werden kann. Dass darausein positiver Impuls für die Wirtschaftsentwicklung hierzulandeentsteht, davon bin ich überzeugt.

Der Ihnen vorliegende Henkel-Life beschreibt den sprichwört -lichen Pioniergeist der Österreicher – als Bewohner eines klei-nen Landes haben sie diesen quasi in ihren Genen verankert. Er und die Bereitschaft, „CEE minded“ zu bleiben, nämlich„Couragiert-Enthusiastisch-Exzellent“ zu handeln, wird dafürsorgen, dass wir auch in der 3. Dekade nach der Ostöffnungder wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte in Osteuropa ein neuesKapitel hinzufügen.

Ihr

Editorial

2 HENKEL-LIFE SPEZIAL | 01/2009 1989-2009: 20 Jahre Ostöffnung

Am Beginn der 3. Dekade nach der OstöffnungGünter Thumser, Henkel CEE-Präsident

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1989-2009: 20 Jahre Ostöffnung HENKEL-LIFE SPEZIAL | 01/2009 3

1989 war das Jahr des weltpolitischen Wandels, wie man ihn lange nicht einmal zuträumen gewagt hatte. In Budapest, Leipzig,Prag, Sofia nahmen Menschen ihr Schicksal indie Hand und wir Österreicher nahmen daranAnteil. Ein Bild aus dem Frühsommer hat sichmir und wohl vielen anderen auf besondereWeise eingeprägt: Die Außenminister Öster-reichs und Ungarns, Alois Mock und GyulaHorn, beim Durchschneiden des Eisernen Vorhangs in Klingenbach am 27. Juni.

Einige Monate später waren die Grenzen zuunseren Nachbarländern von einem Tag aufden anderen offen. Es folgten für mich vielebewegende Momente und Begegnungen. Zeitund europäische Geschichte begannen zu lau-fen. Jahrzehnte erzwungener Entfremdungwaren vorbei. Geografische Nähe konnte wie-der als solche wirken und Nachbarschaft ge-lebt werden. Öffnung wurde zur vielfältigenBereicherung und zur wichtigsten Grundlagefür neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit.Wie sollte die nächste Etappe aussehen? Einenexakten Leitfaden, eine Anleitung zum Han-deln, gab es nicht. Die Geschichte der Europäi-schen Union wurde zum einzig tauglichenKompass. Als wir am 1. Mai 2004 in Dublin

den Beitritt der zehn osteuropäischen, mitteleu-ropäischen und Mittelmeerstaaten feierten, daerlebten wir dann auch jenen Tag, an dem diesogenannte Nachkriegsordnung von Jalta abge-schlossene und überwundene Geschichte war.

Unser Land rückte ins Zentrum eines völligneuen historischen Prozesses. Österreich hatsich bewährt und seine Chancen genützt. Euro-pa braucht die Erinnerung und das Projekt derZukunft. Österreich gestaltet mit und entschei-det mit – gleichberechtigt, selbstbewusst underfolgreich.

Für die Europäische Union ist die interessierteÖffentlichkeit wesentlich. Eine Öffentlichkeit,die für lebendige Diskussion sorgt. Fortschrittund Fortentwicklung können nur das Ergebnisdes Zusammenwirkens von Politik und Bürgernund Bürgerinnen sein. Das moderne Europa isteines des Verknüpfens und des Vernetzens, desDichtwerdens. Und möglichst viele Menschensollen sich in diesem Projekt wiedererkennen. 2009 ist Linz gemeinsam mit der litauischenHauptstadt Vilnius Kulturhauptstadt Europas.Europa als gemeinsame Erfahrung im Zeichendes Friedens, der Vielfalt und des Zusammen-wirkens von großen und kleinen Ländern. Eu-ropäische Öffentlichkeit, die europäische Ge-sellschaft ist im Entstehen und mit ihr diemehrschichtige Nation: Wer als Europäerinund Europäer denkt und handelt, ist deshalbnicht weniger Spanier, Österreicher oderRumänin, Madrilene, Salzburger oder Buka-resterin. Kreativer Umgang mit diesen Fakteneröffnet eine Menge von Chancen. 1989 steht für Aufbruch. Europa ist erfolgreichund wächst weiter zusammen. Seit Jahresbe-ginn hat nach Slowenien nun Tschechien alszweites Land des EU-Beitrittsjahrgangs 2004den Vorsitz im Kreis der EU-27 inne. Gemein-samkeit als Summe neuer Möglichkeiten, nüt-zen wir sie! Leisten wir einen Beitrag zu jenemBild Europas, das sich in 20 Jahren im Rahmender Geschichte zeigen wird.

Geleitwort

Als Zeit und Geschichte zu laufen begannenvon Außenminister Michael Spindelegger

Symbolischer Akt am 27. Juni 1989 im burgen ländischen Klingenbach: ÖsterreichsAußenminis ter Alois Mock zerschneidet den „Eisernen Vorhang“ an der Grenze zuUngarn.

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?Herr Zimmel, Herr Simon,Sie haben die Erfolgsstoryvon Henkel in CEE maß-geblich mitgeschrieben. Welches Verhältnis hattenSie damals zu Osteuropa?

Zimmel: Nun, in der Schulehaben wir wenig vom Osten ge-lernt. Auch wenn uns späterStädte wie Kosice oder Bratislavanatürlich bekannt waren, so hat-ten wir doch keine Ahnung, wassich dort wirklich abspielte.Noch 1989, als wir nach Ungarnfuhren, fragten mich Bekannte:Ist das nicht gefährlich? Als wireinmal einen Kollegen unsererspanischen Schwesterfirma ausBarcelona in die Ukraine mit-nahmen, hatte dieser große Be-denken, ob er auch wieder aus-reisen dürfe. Viele hatten eindurchwegs kritisches, eher nega-tives Bild von Osteuropa.Simon: Die gemeinsame Histo-rie, die räumliche Nähe undauch mentale Ähnlichkeiten er-möglichen den Österreichern, imBesonderen den Wienern –haben doch viele von ihnen un-garische oder tschechische Wur-zeln –, einen verständnisvollerenZugang zu unseren osteuropäi-schen Nachbarn. Auch sind sich

die meisten der „Gnade derwestlichen Geburt“ bewusst –wären wir 50 Kilometer weiteröstlich, zum Beispiel in Bratis -lava, geboren worden, hätten wir ein Leben unter den schwervorstellbaren Bedingungen eineskommunistischen Systems führenmüssen. Viele der jüngerenÖsterreicher vergessen das leiderund folgen bereitwillig xenopho-ben politischen Strömungen.Deutschland hatte und hat zuOsteuropa ein anderes Verhält-nis, als wir in Österreich das hat-ten. Ein deutscher Henkel-Kolle-ge sprach einmal wörtlich von„Slowakien“ – das unterstreichteine gewisse geografische undmitunter emotionale Ferne.Gladt: Für die junge Generationvon heute sind die Verhältnissevor dem Fall des Eisernen Vor-hangs oft schon ferne Vergan-genheit und nicht wirklich vor-stellbar. Bei Vielen der älteren Ge-neration gibt es leider oft nochim Kopf verwurzelte Ängste undVorbehalte. Wir sollten aber allefroh darüber sein, heute in einemEuropa leben zu können, in demwir uns weitgehend frei bewegenkönnen, und das bei allen Pro-blemen doch mehr und mehr zu-sammenwächst.

?Wie lief nun die CEE- Erfolgsstory konkret ab?

Simon: Der damalige Österreich-Chef Franz Kafka war sich be-wusst, dass Österreich à la lon-gue ein zu kleiner Markt war,um neben Deutschland eigen-ständig zu bestehen. Außerdemschienen ihm die Management-kapazitäten der Henkel Austrianicht voll genutzt. Er hatte dieVision der Öffnung der osteu-ropäischen Märkte für Henkelund fand beim damaligen Kon-zernchef Helmut Sihler Zustim-mung und Unterstützung. Kafkahat mich 1984 aus Dänemarkgeholt, von 1985 an startetenwir die Exporte von Österreichaus und übernahmen von unse-ren deutschen Kollegen ein Vo-lumen von fünf Millionen D-Mark, das ausschließlich ausdem Geschäft mit den „Dollar-Shops“ stammte. Die erfolgreiche Ausweitung desOsteuropa Geschäfts basierteauf einer Mehrstufenstrategie:Zunächst betraf das die Auswei-tung des verfügbaren Devisen-Kontingents durch Kompensati-onsgeschäfte – wir „kauften“unseren osteuropäischen Part-nern Güter ab, die sie in west -

lichen Märkten nicht selbst ab-setzen konnten. Selbst Stachel-draht oder Katzenstreu, ja sogarDamenunterwäsche waren dabei.Im Gegenwert der so erwirt-schafteten Devisen „durften“wir unsere Produkte liefern. Wirkonnten den Export-Umsatzrasch erhöhen und auch denBinnenmarkt in nationalerWährung erreichen.Ferner folgte der effektivere Ein-satz der erwirtschafteten Devi-sen durch Lizenzproduktion -etwa ein Drittel der zur Produk-tion notwendigen Rohstoffe warin den Ländern nicht in ausrei-chender Qualität vorhanden.Diese wurden von uns in Formvon „Compounds“ (spezielleRohstoffkombinationen) zuge-liefert, generische Rohstoffe undWasser steuerte der örtliche Pro-duzent bei. Damit konnte der je-weilige Binnenmarkt mit derdreifachen Menge an Produktenbedient werden. Die entschei-dende Stufe war schließlich derErsatz der Kompensationsgüterdurch in den Ländern produ-zierte Henkel-Produkte undderen Export nach Westeuropa.Dazu bedurfte es verlässlicherPartner, so haben wir mit derSuche begonnen und warendamit auch erfolgreich. Gladt: Ab etwa 1986 wurden inder damaligen CSSR und Un-garn mit den dortigen Regie-rungsvertretern immer intensi-vere Gespräche über möglicheKooperationen geführt. Schließ-lich kam es im Mai 1987 zurGründung der Henkel Budapest,das war damals das erste Enga-

Pionierarbeit

Karl W. Gladt, Leiter Recht derHenkel CEE seit

1980 bis heute; 1990 bisSeptember 2007 auch regionaler Personal -direktor

DIE DISKUTANTEN

Erfolg durch gegen-seitiges VertrauenHenkel zählt heute zu den führenden Unternehmen in CEE. Diese Erfolgsgeschichte begann vor rund 25 Jahren. „Henkel-Life“ im Round Table-Gespräch mit Wegbereitern dieser Entwicklung.

Peter Simon, 1974-1981 Verkaufund Produktmanagement Öster-reich, 1982 -1984 Marketingdirek-

tor Dänemark, ab 1985 Leiter Export undBusiness Development Osteuropa, seit2004 selbständiger Unternehmens -berater (www.simons-solutions.com)

Peter Zimmel,Mitglied derGeschäfts -

leitung 1986-2001,zuständig für den Bereich Technik

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gement einer westlichen Firmamit Beteiligungsmehrheit, einJoint Venture mit drei ungari-schen Minderheitspartnern.

?Welche Probleme ergabensich bei der Produktion?

Zimmel: In Ungarn wollten un-sere lokalen Partner Persil-Pul-ver in Lohn fertigung produzie-ren. Wir mussten das nach be-sten Kräften unterstützen undsind nicht nur mit Ersatzteilen,sondern auch mit mit speziellenGetriebeölen über die Grenzegefahren um einen Produkti-onsstillstand zu vermeiden.Wir waren letzten Endes sehrbald für das Funktionieren derMaschinen und für die Qualitäts-sicherung verantwortlich. 1986sind wir bereits auf intensive Part-nersuche gegangen und habenuns einige Fabriken angesehen. Wir fanden eine kleine Genos-senschaft, die einen guten Ein-druck machte, jedoch war dieseFirma Metakemia rund 4o Kilo-meter von der rumänische Gren-ze entfernt, also weit weg vonder österreichischen Grenze,zumal damals nur wenige Kilo-meter Autobahn existierten. Wirwaren jedoch vom Potenzial die-ses Standortes überzeugt und leg-ten mit diesem Joint Venture denGrundstein für einen erfolgrei-chen europäischen Produktions-standort von Flüssigprodukten.Simon: Einige spezielle Rohstof-fe lieferten wir, und Wasser warvorhanden. Die Maschinenwaren natürlich nicht auf west-europäischem Niveau, aber man

konnte damit arbeiten. Es fehl-te allerdings an einem solidenMarkenbewusstsein. Wir habenbeispielsweise flüssige Schuhcre-me produziert – faltige oderschief geklebte Etiketten auf den Flaschen waren für das ungari-sche Produktionspersonal keingrober Mangel. Drei Jahre spä-ter aber konnten wir dannSchuhpflege, die wir in Ungarnproduzierten, an die bekanntstrengen japanischen Kundenverkaufen, bei denen jeder Milli -meter des Etiketts auf derPackung stimmen muss. Dasteckten drei Jahre Erziehungs-und Ausbildungsarbeit von PeterZimmel und seinen Mitarbeiterndrinnen. Wir haben binnen we-niger Jahre den Umsatz verviel-facht. Zugleich starteten wireine Qualitätskampagne für diein den Ländern produziertenHenkel-Produkte.

?Inwieweit wurden die Henkel-Produkte für Osteuropa modifiziert?

Zimmel: Es waren in erster Liniedie Verpackungen und nicht dieInhaltsstoffe, worin sich die lokalhergestellten Produkte von denwestlichen unterschieden.Wirhaben beispielsweise die Rund-trommel in Ungarn noch Jahre,nachdem wir sie in Westeuropaeingestellt hatten, sehr gut ver-kauft.

?Die Geschichte Osteuropasist nicht nur wirtschaftlichspannend, sondern auch politisch. Wie haben Sie die einzelnen Kapitel derOstöffnung erlebt?

Simon: Das war tatsächlich eineinteressante Entwicklung, dennvon unseren Geschäftspartnernwaren praktisch alle Mitgliederder Kommunistischen Partei –auch wenn sie längst nicht alleüberzeugte Kommunisten waren.Es war notwendig der Partei an-zugehören, um eine gute Ausbil-dung und später interessante be-rufliche Positionen zu erhalten. Zimmel: 1989 trafen wir uns imBudapester Hotel Forum miteinem Staatssekretär, der sagte,dass es nun einen Wechsel gebeund er nicht wisse, welche Posi-tion er künftig haben werde,und ob er überhaupt noch poli-tisch tätig sein dürfe. Wir habendiesem Mann dann eine freieMitarbeit angeboten, denn erwar uns über Jahre ein guter,verläss licher Geschäftspartner –und für uns waren solche Kon-takte natürlich sehr wichtig.Später kam er dann ins politi-

sche Leben zurück: Als Außen-minister der neuen Regierung!Simon: Ohne diese intensivenpersönlichen Kontakte hätten wirniemals Erfolg gehabt. Und manmuss sagen: Natürlich waren ei-nige unserer Geschäftspartnerechte Schlitzohren, eben gute Ge-schäftsmänner, aber sie hatteneine absolute Handschlagqua-lität. Auf einen lauten Theater-donner bei heftigen Verhandlun-gen folgte immer eine Einigung –und die hielt!

?Wie kam es, dass Henkel eigentlich von Anfang anüber ein gutes Standing inOsteuropa verfügte?

Zimmel: Was uns neben dem En-gagement unserer Österreich-Leute auch zu gute kam, war diePosition von Henkel als Famili-enunternehmen. Solche Firmensind in Osteuropa sehr hoch an-gesehen, denn Tradition ist wich-tig. „Wie sollen wir das demKonrad Henkel denn erklären?“– mit diesem Satz haben wirmanch schwierige Verhandlungin für uns gute Richtungen brin-gen können!

Informationsveranstaltung zur EU-Erweiterung im Jahr 2001

in Klagenfurt: Die EU wird durchOsteuropa zu "Greater Europe". CR

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v.l.: Peter Simon, Karl W. Gladt, Peter Zimmel

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Simon: Auch der damalige ChefFranz Kafka hatte sehr guteKontakte auf Regierungsebene.Dieser informelle Weg hat unssehr geholfen. Wie gesagt, Hen-kel wurde als Familienbetriebmit hoher sozialer Kompetenzgesehen. Wir hatten „angreifba-re“ Eigentümer, die auch für ihreEntscheidungen gerade standen.Heute ist es ja leider Mode inder Geschäftswelt, Risiken gerneauszulagern. Konrad Henkelund Helmut Sihler standen vollhinter dem, was sie taten.Zimmel: Wir Österreicher warenmeiner Meinung nach auch des-halb im Vorteil, weil wir uns nie-mals überheblich oder herablas-send benommen haben. Wirhaben die Leute in den Betriebenimmer eingebunden, denn diewussten ja wirklich, wie derHase läuft. Wir haben viel Geldin Umweltmaßnahmen investiertund bei unseren Mitarbeiternein neues Umweltbewusstseingeweckt. Das war richtige Pio-nierarbeit, für die Umwelt hattees in der Vergangenheit zu wenigGeld gegeben.

?Wie war eigentlich das juris -tische Umfeld, in dem sichHenkel damals in Osteuropabewegte? Die legistischenStandards waren ja nicht ver-gleichbar mit Westeuropa.

Gladt: Ja, das war schon einegroße Herausforderung. Ich habedamals etliche Verhandlungenüber die Gründung und juristi-sche Gestaltung von Joint Ventu-res eigentlich gleichzeitig für dieCSSR, Ungarn und Jugoslawien

geführt. Dabei ist es gelungen,auch außerhalb der Verhandlun-gen eine Basis des wechselseitigenVertrauens aufzubauen. Das waraus meiner Sicht oft wichtiger alsjeden einzelnen Wortlaut des je-weiligen Landesgesetzes exakt zukennen. Wir sind mit unsererStrategie niemals auf die sprich-wörtliche „Goschen“ gefallen,wir haben nie draufgezahlt. Manches hat gedauert, aber wirhaben alle Vorhaben immer um-gesetzt. Damals haben wir aufeine Art und Weise gearbeitet, diesehr flexibel und situativ war –heute wäre so etwas in einer Weltdes täglichen Reporting kaummehr möglich.Simon: Auch die Einfluss nahmeder Konzernmutter war vonGrundvertrauen geprägt. Wirhatten einen hohen Freiheitsgradund konnten rasch und unbüro-kratisch agieren.Gladt: Als wir beispielsweise ein-mal einen Rohbau hatten, beidem noch einige Genehmigungenfehlten, hat unser lokaler Partnerversprochen: Ich mache das! Under hat Wort gehalten, das Werklief plangemäß an. Die Hilfe derregionalen Partner und Mitarbei-ter war immer wichtig und gut.Simon: Ich denke im Rückblick,dass wir stets das Optimum fürHenkel herausgeholt haben.Natürlich gab es damals keinenschriftlich festgesetzten „Codeof Conduct“, sondern persönli-che Verantwortlichkeit undpersönlich gewachsene Bezie-hungen, ohne die wir niemalsErfolg gehabt hätten. 1990 bei-spielsweise luden wir den Hen-kel-Familienausschuss nach

Budapest ein. So konnten wirdie Familie davon überzeugen,dass unser Weg richtig war.

?War die Akzeptanz der be-kannten Marken wie Persildamals auch schon gegeben,oder setzten Sie zu Beginneher auf lokale Brands?

Zimmel: Man muss schonsagen, dass eine internationaleMarke wie Persil zu Beginn fürCEE aus Preisgründen nur be-dingt erfolgreich sein konnte.Daher haben wir auch immerwieder Fabriken gekauft, die lo-kale Marken herstellten. Damitlief das Geschäft insgesamtdann sehr gut. Allerdings gab eszwischenzeitlich Tendenzen, denStandort Wien in seiner Positi-on zu schwächen. Wir habendas verhindert, indem wir stän-dig steigende Geschäfte in CEEhatten – und nicht zuletzt auchweil wir in Wien in der Wasch-pulverproduktion das Verfahrender Dampftrocknung installiertund damit Wien zum Technolo-gieführer im Henkel-Konzerngemacht hatten. Simon: Tatsächlich haben wir eherMärkte als Fabriken gekauft. Re-gionale Marken mit Marktantei-len über 25 Prozent waren die Ga-rantie einer Grundauslastung derProduktion. Darüber hinauswaren diese Marken preisgünstigund für die lokalen Konsumentenleistbar. Die Qualität der lokalenMarken wurde Schritt für Schrittan die Henkel-Standards herange-führt.Der Jugoslawien-Krieg etwa hatuns für kurze Zeit einen Dämp-

fer versetzt. Manche Fabrikenwaren nicht mehr erreichbar. Diedann folgenden Restrukturie-rungsmaßnahmen waren hart,aber letzten Endes notwendig.Gladt: Ich kann mich noch anKollektivvertragsverhandlungenin Tivat bei Kotor in Montene-gro erinnern. Wir hatten größteSorge vor einem Streik, der unsmöglicherweise vor Probleme ge-stellt hätte. Letztlich haben unsunsere damaligen Bemühungenaber nichts genützt, unser JointVenture in Tivat ging im Zugedes Jugos lawien-Krieges schließ-lich verloren. Das war aber auchder einzige wirkliche Misserfolg.Er war allerdings politisch be-dingt und von uns nicht beein-flussbar, weshalb ein erheblicherTeil des Schadens durch die be-stehende Kontrollbank-Garantieaufgefangen werden konnte. Eswar damals eine bewegte Zeit, inder wir uns als Henkel CEE auchim Mutterkonzern positionierenmussten. Allerdings hatten wirdamals, zu Beginn der Ostöff-nung, auch noch eine andere Unternehmensstruktur: Die Ab-grenzung zwischen den einzel-nen Unternehmensbereichenwar noch nicht so ausgeprägt,weshalb auch die Vorgangswei-se in den neu erschlossenenLändern eine etwas andere seinkonnte als heute.

?Was halten Sie von derThese, dass die Konzernmut-ter das Ostgeschäft haupt -sächlich deshalb den Öster-reichern überließ, weil manmit der deutschen Wiederver-einigung ohnedies über dieMaßen beschäftigt war?

Simon: Ich glaube nicht, dassdies der Grund war. Aber diepersonelle Konstellation HelmutSihler und Franz Kafka war sicher einzigartig und für unssehr positiv. Die Wiedervereini-gung in Deutschland hat demdeutschen Geschäft geholfen. Fürdas Ostgeschäft aber war Öster-reichs Neutralität schon sehrwichtig: Wir konnten etwa ohneVisum nach Ungarn reisen. Die

Peter SimonPeter Zimmel

Karl W. Gladt

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Ende 1990 kam ich nach Wien, um am Aufbau von Henkelgeschäften in den Nach-barländern mitzuhelfen. Damals wusste ichnoch nicht, dass das Nachbarland Jugos -lawien bis nach Kotor reichte, wo Henkeleine Flüssigfabrik betrieb. Ich wusste auchnicht, dass ganz nah bei Wien drei Haupt-städte, nämlich Bratislava, Budapest undMaribor mein Leben in den nächsten zweiJahren prägen würden. Ich ahnte auch nicht,dass ich Personen wie Alexander Dubcek,Vera Caslavska und Emil Zatopek begegnenwürde.

Mein erster öffentlicher Auftritt war im Januar 1991 an histori-scher Stätte in Sarajevo. Wir stellten damals Persil den jugoslawi-schen Händlern und Journalisten in der Hoffnung vor, dass Ju-goslawien zusammenhält, obwohl es doch schon überall knirsch-te: zwischen sechs Republiken, fünf Nationen, vier Sprachen, dreiReligionen, zwei Schriften und einem Persil. Nur wenige Monatespäter war diese Hoffnung zerstoben. Die für Jugoslawien ge-dachten Produktionskapazitäten und Marken der Henkel Zlatorogund der Henkel Riviera fanden keinen Markt mehr. Die Henkel Ri-viera gaben wir auf; die Henkel Zlatorog in Maribor musste sichmit deutlich reduziertem Personal auf ihren Heimatmarkt Slo-wenien zurückziehen. Dass dort heute 250 Millionen Stück Kos-

metikartikel produziert werden, ist eine der vielen herausragendenLeistungen der Henkel CEE.

Pioniere lassen sich nicht beirren. Trotz Doppelarbeit strömtenMitarbeiter der Henkel Austria in die CSFR, nach Ungarn und Slo-wenien. Zug um Zug wurden Gemeinschaftsunternehmen ge-gründet, Fabriken saniert, Produkte aufgerüstet, Vertriebs- undVerwaltungsorganisationen aufgebaut und internationale Mar-ken eingeführt. Die Grundlast des Geschäfts bildeten die natio-nalen Marken Palmex und Pur für die CSFR und Tomi für Ungarn.Alles ging, wie gewünscht, schnell und aufwandsarm.

Viele Mitarbeiter brannten darauf, Neuland zu betreten und selbst-ständig zu gestalten. Sie sahen die einmalige Chance, in einemneuen Umfeld zu wachsen: im Ansehen, in den Fähigkeiten und imEinkommen. Ähnlich dachten viele Mitarbeiter in den verbunde-nen Unternehmen. Für „Palaver“ war nicht viel Zeit; es musste tat-kräftig gehandelt werden.

Die Henkel Austria konnte in den drei neuen Ländern und inÖsterreich ihren Umsatz bis 1992/93 auf 300 Mio. Euro verdop-peln. Die Henkel CEE schaffte es bis 2008, in diesen Ländern denUmsatz sensationell nochmals mehr als zu verdoppeln.

Immerhin weiß ich heute, dass meine Wiener Zeit die aufregends -te und spannendste meines beruflichen Lebens war.

Zwei Jahre als Generaldirektor der Henkel Austria in Wien

deutschen Kollegen hatten dieseMöglichkeit nicht, sie benötigtenlange Planungs- und Vorlauf -zeiten für solche Reisen. LetztenEndes blieben die Geschäfte inWien, weil die Geschäftsführungund die Familie Henkel erkannthatten, dass wir das von hier ausbesser können. Das Ergebnisrechtfertigt die Entscheidung:Binnen weniger Jahren habenwir den Umsatz vervielfacht. Zimmel: So, wie wir beispiels-weise die Ukraine langsam anLand gezogen haben, agiertenwir immer geduldig, aber kon-sequent. Das machte den Erfolgaus. Man gab uns Zeit, und wirnutzten dieses Vertrauen.Gladt: Wir waren eigentlich einebestens vernetzte Gruppe, diemanchmal wohl auch „über denDaumen gepeilt“ agierte. AberGlück gehört im Geschäftslebenauch dazu.

?Dennoch ist Markenpolitiknatürlich auch unter ande-ren Gesichtspunkten, als miteiner reinen Bauchentschei-dung verbunden, zu sehen.Wie gingen Sie konkret vor?

Simon: Ganz einfach: Mit denLeuten im Land reden, schauen,wie sie leben! Wir haben unsimmer an den Markterforder-nissen und –möglichkeiten ori-entiert. Ein Einkommen von200 Euro im Monat war ein-fach zu wenig, damit man sichPersil leisten konnte. DieseGrundvernunft vermisse ichheute in so manchen Business-Plänen.Zimmel: Wenn wir von der heu-tigen Struktur sprechen, danndenke ich, dass uns in unsererdamaligen Ostexpansion dieSpartenausrichtung nicht gehol-fen hätte. Wir erwarben mit ei-nigen Waschmittelfabriken auchKosmetikproduktionen undkonnten in den ersten Jahrenvorhandene Synergien gut nut-zen. So konnten wir durch dieverschiedenen Geschäftsfelderein rundes Gesamtbild erstellen,das heute in dieser Form nichtmehr möglich wäre.Simon: Ich bin mir sicher: Wennwir nicht eine marktorientierteCompany gewesen wären, hät-ten wir in CEE niemals einen sogroßen Erfolg erzielt!

Gladt: Die Systeme verändernsich intern und extern, der Druckwird sicher nicht weniger. Es isteine Gratwanderung und eineHerausforderung zugleich, ineiner internationalen Konzernweltregionales Business zu machen.Zwischen den nationalen Rechts-ordnungen und regionalen Kultu-ren einerseits und dem konzern -internen Bemühen nach größt-möglicher Standardisierung be-steht einfach ein Spannungsver-

hältnis, das oft nur durch Kom-promisse gelöst werden kann.

?Wäre es aus Ihrer Sichtmöglich, eine solche Erfolgs-story wie jene in CEE unterden heutigen Gegebenheitenzu wiederholen?

Gladt, Simon, Zimmel (gleich-zeitig): Nein!

Danke für das Gespräch!

Jörg Koppenhöfer

3. Dezember 2003: Das österreichische Parlament ratifiziert den Beitrittsvertrag von 10 neuen Staaten zur Europäischen Union.

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Zeitenwende

?1989 waren Sie Minister fürForschung und Entwicklungin Österreich. Wie haben Siepersönlich den Moment erlebt,als der „Eiserne Vorhang“ fiel?

Busek: Da ich mich seit 1967bemüht habe, Menschen – später Dissidenten genannt –dabei zu unterstützen, um mehrFreiheit und Demokratie zu er-kämpfen und mich auch hier inder Tschechoslowakei bei„Charta 77“ und „Öffentlich-keit gegen die Gewalt“, in Polenbei „Solidarnosc“ und in Un-garn bei „Magyar DemokrataFórum“ sowie bei den Slowe-nen bei der slowenischenSchriftstellervereinigung sehrengagiert habe, war natürlich1989 ein unendlich beein-druckender Moment. Persönlichwar ich mir klar, dass es schonvorher Rostlöcher im EisernenVorhang gegeben hat, aber ei-gentlich habe ich nie so rechtgeglaubt, dass in meiner Le-benszeit noch einmal der Eiser-ne Vorhang fällt und sich diepolitischen Verhältnisse in derNachbarschaft so ändern, dasswir wirklich die Perspektiveeines gemeinsamen Europashaben. In dieser Zeit war ich inder österreichischen Bundesre-gierung und war unendlichdankbar, mit den Möglichkeitendes Wissenschaftsministeriumsjenen Freunden helfen zu kön-nen, deren Mut ich früher sobewundert habe und die in allemöglichen politischen, univer-

sitären und gesellschaftlichenFunktionen aufgerückt sind.

?Welche Erwartungen hattenSie an die „Ostöffnung“und wurden diese erfüllt?

Busek: Meine Erwartungen sindeingetroffen: Wir haben in un-serer Nachbarschaft Demo -kratie, die Entwicklung einerMarktwirtschaft, größtenteilsdie Mitgliedschaft bei der Eu-ropäischen Union, und letztlichdie Entwicklung einer ganz nor-malen europäischen Situation.Meines Erachtens ist die Ent-wicklung sogar rascher gegan-gen, als ich sie erwartet habe.

?Warum sind heute so vieleMenschen skeptisch inbezug auf die EuropäischeUnion oder die weitere Auf-nahme von Ländern in die-sen Staatenbund?

Busek: Ich denke, es ist allgemeinunsere menschliche Eigenschaft,Wunder zu erwarten. Dass diesenicht von heute auf morgen kom-

men, ist wohl selbstverständlich,wird aber nicht gerne akzeptiert.Es ist auch Verantwortung derPolitik und der Medien, für allesBrüssel verantwortlich zu ma-chen, wobei doch eigentlich dieeuropäische Verantwortung beiden Regierungen der Mitglied-staaten liegt. In Wirklichkeit ver-tritt die Europäische Union nie-manden, vor allem nicht jene, diees wirklich tun sollten. Es gibtauch keine europäische Öffent-lichkeit, sondern nach wie vor na-tionale Sichtweisen, aber spätes -tens seit der Finanzkrise solltenwir wissen, dass wir europäisch,ja global verbunden sind.

?Sie gelten als glühender Anhänger der europäischenIdee – wie weit sind wir aufdem Weg zu einer europäi-schen Identität?

Busek: Sehr weit, denn natürlichgibt es heute schon eine europäi-sche Identität, die durch unsereGeistesgeschichte – griechischePhilosophie, römisches Rechts-denken, jüdisch-christliches Reli-

gionsverständnis, Aufklärung,Moderne, etc. – beschrieben ist.Es gibt vor allem auch ein ge-meinsames Schicksal. Gerade dortaber liegen die Schwierigkeiten,nämlich dass wir uns oft in Euro-pa gegeneinander definiert haben.

?Ihre Wünsche an das Ju-biläumsjahr 2009, speziellin europäischer Hinsicht?

Busek: Mein Wunsch ist, dasswir begreifen, dass wir unserSchicksal politisch, wirtschaftlichund kulturell in Europa nur ge-meinsam bewältigen können.Die Finanzkrise hat es uns hin-länglich bewiesen, der Euro isthier ein Glückfall gewesen. Diewirtschaftliche Dimension alleingreift zu kurz. Einmal mehr mussman Jacques Delors zitieren:„Einen Binnenmarkt kann mannicht lieben, wir müssen Europaeine Seele geben“. Das allerdingsmachen nicht irgendwelche Re-gierungen und Institutionen, daskönnen nur die Europäer besor-gen. Hoffentlich begreifen sie dasein wenig mehr im Jahr 2009.

„Ein unendlich beeindruckender

Moment“Erhard Busek, Vorstandsvorsitzender des Institut

für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM), zieht eine Zwischenbilanz nach 20 Jahren

Ostöffnung.

Zur Person Erhard Busek wurde 1941 in Wien geboren und begann seine politische Karriere nach Abschluss sei-nes Jus-Studiums. Er bekleidete zahlreiche Funktionen, ehe er von 1989 bis 1994 Minister für Wis-senschaft und Forschung wurde. In den Jahren 1994 bis 1995 war Busek Bundesminister für Unter-richt und kulturelle Angelegenheiten; von 1991 bis 1995 war er Vizekanzler der Republik Österreichund Bundesparteiobmann der Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Seit 1995 ist Busek Vorsitzenderdes Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM). Ende 1996 übernahm er die Position desKoordinators der Southeast European Cooperative Initiative (SECI), seit 2002 ist Busek auch Sonder-koordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa. Der Präsident des Europäischen Forum Alpbachist Träger zahlreicher internationaler Auszeichnungen und gilt als einer der führenden politischenExperten in Zentral- und Osteuropa, aber auch einer der Wegbereiter der Europäischen Idee.

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Erhard Busek, hier im Bild mit EU-KommissionsmitgliedBenita Ferrero-Waldner, war,was die Europas Öffnung nachOsten betraf, immer visionär.

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1989-2009: 20 Jahre Ostöffnung HENKEL-LIFE SPEZIAL | 01/2009 9

Annemarie Türk, heute Head of Culture & Sponsoringbei KulturKontakt Austria, sieht den Weg zu einemwirklich vereinten Europa noch lange nicht zu Ende.Das Jahr 1989. Ich kam gerade von einer Reise in denKongo zurück ... ich war mit dem Herzen und demKopf noch in Afrika und verfolgte mit großem Stau-nen und mit wachsender Freude, was da vor sich ging.Die Autokolonnen, die aus Ungarn Richtung Westenfuhren; wie viele Einzelne den großen Schritt in dieFreiheit wagten, ohne zurück zu schauen und ohne zu wissen, in welcheZukunft sie sich aufgemacht haben. Und sehr bald mischte sich Beschä-mung in diese Euphorie über die großen Veränderungen, als wir sahen,wie diese Menschen bei uns aufgenommen wurden, wie deren Kindernbillige Papierkronen in den verschiedenen Autobahnrestaurants als erstesUnterpfand der neuen Freiheit aufgesetzt wurden. Welche Hoffnungen verband ich, verbanden wir, mit der Öffnung? Nun, einige Erwartungen wurden erfüllt, – wie etwa die Stabilisierung derneuen demokratischen Systeme in den Ländern Ost- und Südosteuropas,die Vergrößerung des geistigen und wirtschaftlichen Raumes. Aber es gibtnoch vieles, an dem wir gemeinsam arbeiten müssen – mehr Offenheit imUmgang miteinander ist nötig; wir müssen lernen in größeren Kategorienzu denken und dass wir uns nicht mehr aus Angst vor Veränderungen indie kleinen und vertrauten Strukturen flüchten und dran festhalten.Das problemlose Überschreiten von Grenzen, das um so vieles einfachereMiteinander-Leben und Arbeiten, der gesellschaftliche und kulturelleMehrwert dieser Europäischen Union findet allzu wenig Niederschlag inder Tagespolitik der einzelnen Länder. Dass die EU nicht nur ein einmali-ges politisches und wirtschaftliches Manifest, sondern eines der größtenKulturprojekte in der Geschichte dieses Kontinents überhaupt ist, wirdviel zu wenig vermittelt, wenn überhaupt.

Rudolf Bretschneider, Gesellschafter von GfK Austria, hat 1989 das erste GfK-Institutin Budapest eröffnet. Seither ist viel gesche-hen – und noch vieles bleibt zu tun, meintder Meinungsforscher.Im Juli 1989 haben wir unser Institut in Buda-pest eröffnet. Es war das erste von mittler-weile 18 Instituten in CEE und weiter östlich.Nie hätte ich geglaubt, dass ich den Zusam-menfall des Kommunismus erleben würde,nie zu hoffen gewagt, dass er so vonstattengehen würde. Heute ist vielen die EU „selbstverständlich“geworden. Nur wer ihr Werden (unterSchmerzen, Verzögerungen, Problemen) nichtkennt, erlebt sie nicht als Erfolgsgeschichte, ja als „Wunder“. Skeptiker mögen Tony Judt’sBuch „Postwar“ lesen. Zur EU-Skepsis tragenjene bei, die „die EU“ als Sündenbock miss -brauchen, die medial ein „EU-Theater“ veranstalten, nicht erklären, wofür die EU verantwortlich ist – und wofür nicht. Vielfach ist die Skepsis nicht wohlbegründet,

sondern beruht auf Stimmung gegen „die inBrüssel“. In Zeiten der Krise wird auch die EUwieder an „Akzeptanz“ gewinnen – wenn, jawenn auf die Rolle des Euro, der abgestimm-ten Maßnahmenpakete und die Stärke der EUnachhaltig (das heißt immer wieder) glaub-haft hingewiesen werden kann.Europa ist ein besonderes Modell. Das siehtman am schärfsten „von außen“. Es hat einmarktwirtschaftliches System mit einem Ad-jektiv – „sozial“. Es ist eine Wirtschaftsmachtohne militärische Expansivambitionen.„Kriegserfahrung“ hatte es genug. Es gibtgeistige Wurzeln mit diversen kulturellenFrüchten. Es hat gelernt, in Konflikten allerArt Kompromisse auszuhandeln. Es lebt vonder Vielfalt seiner Bevölkerungen, die mitein-ander zu leben lernen.Schön wäre es daher, wenn immer größereBevölkerungsschichten begriffen, was im„annus mirabilis 1989“ geschehen ist – undwas seither erreicht wurde: Für die neuen EU-Länder, durch deren tüchtige und geduldige

Bevölkerungen, für uns alle. Mit diesem Jahrhat eine neue Ära mit neuen Lebenschancenbegonnen. Es gibt mehr Freiheit, mehr Wohl-stand. Letzteres nicht für alle, aber für sehrviele Menschen. Diese Geschichte sollte in Er-innerung gerufen werden;sie ist auch ein EU-Erfolg.

Europa ist ein besonderes Modell

Warum sind Menschen heute nach wie vor so skeptisch, wenndoch EU-Erweiterung und Ostöffnung für die meisten Öster -reicher Vorteile gebracht haben? Auf Spurensuche mit Motiv-forscherin Sophie Karmasin.„Für unsere Familie war 1989 wie ein Großereignis. Wir warenalle zusammen in unserem Haus in Mondsee und haben ge-meinsam bewegende, ergreifende Momente erlebt.“ Die EU-Skepsis ist für sie ein zwar erklärbares, aber unangenehmesPhänomen: „Im Grunde geht es uns Österreichern sehr gut. Wirsind stolz auf unser Land. Aber alles, was wir an positiven Ent-wicklungen haben, schreiben wir Österreich zu – und alles Ne-gative der EU.“ Damit sich das Bild des „externen Sündenbocks“ändere, müsse man besser darauf hinweisen, welche positivenAuswirkungen das Neue Europa hat. Daraus könnte sich in wei-terer Zukunft auch eine neue europäische Identität ergeben.„Ob man heute eine solche europäische Identität wahrnimmt,hängt in erster Linie von der Demographie ab“,meint Karmasin, „wer jung und gut gebildetist, nimmt die Vorteile von Europa gernewahr und genießt die Mobilität, die heutemöglich ist. Ältere Menschen mit wenigerguter Ausbildung – und hier mehr Frauen –sind hingegen viel skeptischer. Ihnen fehleneinfach die direkt spürbaren Vorteile.“ Ge-rade hier müsse man ansetzen, meint dieMotivforscherin: „Die EU und die neue er-weiterte Staatenge-meinschaft haben unssehr viel Gutes ge-bracht. Es ist schade,wenn wir das nicht wis-sen und positiv bewer-ten. Diese Erkenntnis istin den Köpfen nicht prä-sent. Uns fehlen heutedie positiven Vorbilderund die guten Einblickein das, was Europa aus-macht!“

Zur PersonRudolf Bretschneider, 1944in Wien geboren, studiertePsychologie, Germanistikund Leibesübungen. Von1973 an war er Geschäftsführer des Fessel-GfK-Instituts, das seit Jänner 2007 GfKAustria heißt und deren Gesellschafter erist. Seit 1994 ist Bretschneider Beiratsmit-glied der Österreichischen Gesellschaft fürEuropapolitik und seit 1998 Vorstandsmit-glied des IDM (Institut für den Donauraumund Mitteleuropa).

ZUR ORGANISATIONKulturKontakt Austria (KKA) wurde 1989 als Schaltstelle zwischenKünstlerInnen, Kulturinstitutionen und Unternehmen gegründet undist heute eines der größten österreichischen Kompetenzzentren fürkulturelle Bildung, Kulturvermittlung, kulturellen Dialog und Bildungs-kooperation mit Mittel-, Ost- und Südosteuropa.

Zur PersonSophie Karmasin studierte Psy-chologie und Betriebswirtschaft.Sie war zu Beginn ihrer Karriereals Produktmanagerin bei Henkelin Wien und Brüssel tätig und istseit 1994 Mitglied der Geschäfts-leitung (und nunmehr Geschäfts-führerin) der Karmasin Motivfor-schung GesmbH.

Der Blick für das Ganze Die Vorteile sichtbar machen

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?Henkel in Österreich hat dieChancen der Ostöffnungsehr früh erkannt. Was sinddie Gründe dafür?

Stara: Zum einen lagen Länderwie Tschechien, Slowakei undUngarn direkt vor unsererHaustür. Viele Österreicherreisten schon zu Zeiten desKommunismus nach Buda-pest oder auch Prag, es gabalso schon eine große Nähezu den osteuropäischenStaaten. Zum anderen warFranz Kafka, einer meinerVorgänger als Geschäfts-führer der Henkel Aus-tria, ein großer Visionär.Er hat die Chance da-mals schon sehr früherkannt.

?War das Potenzialder Ostöffnung dennschon abschätzbar?

Stara: Nein, es war in keinerWeise abschätzbar. Es warweder dieser Dominoeffekt,dass sich nach und nach immermehr osteuropäische Länderdem Westen öffnen, abschätz-bar, noch war es voraussehbar,wie rasch die Entwicklung inden Ländern selbst vorangehenwürde.

?Wie bekam Henkel Austriaden Ruf unschlagbarerSteuerungskompetenz?

Stara: Am Anfang haben wireinfach etwas Spielgeld bekom-men (schmunzelt). Damit konn-ten wir ein bisschen probieren.Als das Geschäft dann ganz gutfunktionierte, ließ man dieÖsterreicher einfach weiterma-chen. Ich habe damals aller-dings viele Gespräche in Düssel -dorf führen müssen, in denen esum die Frage ging, ob man dieVerantwortung wirklich inWien lassen sollte. Und kannman denn, um Gottes Willen, soein kleines Land wie Österreichalles allein machen lassen? Einemeiner Lieblingsaussagen ge-genüber dem Vorstand damalswar: Wer kann ein ukrainischesProblem besser lösen? Der, dersich vormittags mit den USAund mit Frankreich beschäftigt,oder der, der sich am Vormittagmit Rumänien und Ungarn be-schäftigt?Als ich 1993 dann zurück nachWien gegangen bin, habe ich dieVerantwortung für Polen mitge-nommen und ein paar Jahrespäter haben wir auch Russlanddazu bekommen.

?War Ihnen zu diesem Zeit-punkt schon klar, wie sichdas Geschäft weiterent-wickeln würde?

Stara: Ja, zu dem Zeitpunkt hat-ten wir bereits ein gutes und sicheres Gefühl; und Selbstver-trauen nach all unseren Erfolgen.

?Was waren die Gründe fürden Erfolg?

Stara: Unsere Geschwindigkeitkam uns zugute. Wir waren beiallen Themen sehr früh dran. Wirwaren auch in fast allen Ländernsehr früh. Das Gorbatschow-Zitat gilt auch umgekehrt: Werfrüh genug kommt, wird belohnt.So waren wir beispielsweise beider Umstellung auf moderneHandelsstrukturen schneller undbesser als Procter. Das lag daran,dass Procter die gesamte Organi-sation von Europa völlig abge-schottet und sich im Osten kom-plett neu orientiert hatte. Wir hat-ten hingegen mit dem StandortÖsterreich im westeuropäischenTeil eine Instanz, die wusste, wieman den Handel – beispielsweisedie Metro oder Rewe – betreut.Dieses Wissen konnten wir inOsteuropa nutzen.

?Und später?

Stara: Ein weiterer Erfolgs -faktor waren unsere Regional-konzepte: Weil nach und nachimmer mehr Länder dazukamen, war die Komplexitätdramatisch gestiegen. Wirwaren gezwungen, uns Regio-nalkonzepte zu überlegen undzu standardisieren, wo immer esmöglich war. Unser Motto hieß:Hinter der Bühne müssen wiralles gleich haben, und auf der

Friedrich Stara, heute Henkel-Vorstand des Unternehmensbereichs Wasch- und Reinigungsmittel, war von 1993 an – erst als General Managerder Henkel Austria und später als Präsident der Henkel CEE – maßgeblichfür die Entwicklung der Region Zentral- und Osteuropa verantwortlich. Ein Rück- und Ausblick.

Aufbauarbeit

„Wir waren bei allenThemen sehr früh dran“

Unsere Geschwindig -keit kam uns zugute. Das Gorbatschow-Zitat gilt auch um ge -kehrt: Wer früh ge -nug kommt, wird belohnt.

Friedrich Stara,Henkel-Vorstand des Unternehmensbereichs Wasch- und Reinigungsmittel

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1989-2009: 20 Jahre Ostöffnung HENKEL-LIFE SPEZIAL | 01/2009 11

Bühne, also beim Konsumenten,benötigen wir die erworbenenlokalen Marken. Aber Inhalt,Gestaltung und Werbung habenwir vereinheitlicht – um Pro -zesse zu vereinfachen und umKosten zu reduzieren.Ein gutes Beispiel sind dieWaschmittel Tomi und Palmex.Das eine war der ehemaligeMarktführer in Ungarn, das an-dere der ehemalige Marktführerin Tschechien

?Welche Rolle spielten dieMitarbeiter von HenkelAustria?

Stara: Eine Chance zu erkennenund sie umsetzen zu wollen, be-darf vor allem der Motivationeines ganzen Teams. Und in die-ser Hinsicht war Österreichstets gut aufgestellt. Dort gab esschon immer ein gutes Manage-ment. Unser Problem war aber,dass das Land klein ist. Unsallen in Österreich war bewusst:Die Expansion in die osteu-ropäischen Märkte musste ge-lingen. Das war ein enormerAnsporn, die Motivation des ge-samten Teams war groß.

?Aber es wurden sicherlichauch Fehler gemacht?

Stara: Es werden natürlich auchimmer Fehler gemacht. Wirwaren in Polen zu spät und zulangsam in der Entwicklung.Als wir in Polen anfingen,

waren wir am Markt die Num-mer 5. Unsere Zahlen warenhoch-rot. Die wahrscheinlichgrößte Leistung und auch Über-raschung war dann die extremeEntwicklung in Polen. Heutesind wir dort die Nummer 2.

?Wie haben Sie das geschafft?

Stara: Mit der richtigen Sorti -mentspolitik. Und vor allem mitDurchhalten und das Richtigemit langem Atem zu tun. Daswar meiner Meinung nach eineganz tolle Leis tung der gesamtenMannschaft.

?Wodurch unterscheidet sichCEE von anderen Wachs-tumsmärkten?

Stara: Alle Länder in CEE sindzwar recht unterschiedlich, abersie haben eben auch etwas ge-meinsam. Es sind alles ehemalskommunistische Länder. Es gibtalso so etwas wie eine kulturel-le Klammer.Hat man erst einmal einen ,Bau-kasten‘ für diese Länder zusam-mengestellt, kann man viel bes-ser transferieren. Zum anderenunterscheiden sie sich aber auchdeutlich dadurch, dass sie immerim Nahbereich von Europalagen. Viele Länder gehören jetztschon zu Europa, andere möch-ten zu Europa gehören.

?War es dadurch auch einfach,die Menschen von unserenProdukten zu begeistern?

Stara: Ja und nein. Da habenwir am Anfang sogar die größ-ten Fehler gemacht. Ich möchtedies am Beispiel Persil festma-chen. Persil ist in Österreich soähnlich wie in Deutschland po-sitioniert. Wir wussten damals,dass die Ungarn durch das Fern-sehen Persil zum Teil schonkannten. Wir haben dann je-doch den Fehler gemacht, Persilnach der Ostöffnung in Ungarngenauso führen zu wollen wie in

Deutschland und Österreich.Dabei haben wir völlig überse-hen, dass die Menschen Persilzwar kennen, aber eben auseiner Zeit, als sie in ihrem Landals Waschmittel nur ein Einheits-produkt hatten. Nun mussteman ihnen aber erklären, dasses über Nacht plötzlich fünf bissechs verschiedene Produktegibt. Wir haben dann für alldiese neuen Länder eine Vor-phase definiert. Das heißt, dieWerbung hat in den ersten einbis zwei Jahren ausschließlichdarauf abgezielt, den Konsu-menten zu sagen, dass Persil dieWäsche besser wäscht als dasvormalige Einheitsprodukt.

?Was sind für Sie beim Blickin die Zukunft die größtenGefahren beim ökonomi-schen Aufholprozess Osteu-ropas gegenüber den west -lichen Industriestaaten?

Stara: Zum einen ist es die Re-zession, sie bedroht die gesamteWeltwirtschaft. Aber die jungenWirtschaften wird es wahr-scheinlich noch schwerer undhärter treffen. Eine weiterewichtige Frage ist, wie die Be-völkerung darauf reagiert.

?Sehen Sie eine Möglichkeit,zu helfen?

Stara: Die Menschen lebten ihrLeben lang in einem kommuni-stischen Land, und dann kamenwir aus dem Westen daher undsagten, der Kapitalismus sei dasdramatisch bessere System. Nun sind diese Länder dabei,unser System zu erler-nen, und bei der er-sten Krise stellen wirgleich unser eigenesSystem in Frage. Was wirden Menschen dort abergeben müssten, wäre dasVertrauen in unser System.

?Wie sehen Sie die Zukunfts chancen von CEE?

Stara: Es wird natürlich immerwieder Rückschläge geben, aberwas auch immer passiert, CEEwird unser Hauptwachstums-motor bleiben. Die Mannschaftund die Organisation sind gutaufgestellt. Jetzt geht es darum,wie wir relativ rasch vergleich-bare Wachstumsmotoren auf-bauen können. Ich bin seit zweiJahren dabei, den Nahen Osten,Nordafrika als ähnliche Regionaufzubauen. Doch diese Regionist noch schwieriger, weil sienoch vielfältiger ist.

?Welche Rolle spielt CEE für Henkel?

Stara: Sie ist Vorbild für drei The-men: Für die Entwicklung derEmerging Markets (= aufstre-bende Märkte), für den One-Henkel-Anspruch und für Diver-sity. CEE ist dadurch geprägt,dass immer alle Geschäfte ein-heitlich geführt und zeitgleich aus-gerollt werden. Dadurch habenwir von Beginn an Synergien ausschöpfen können. Wir sindimmer als Henkel im Markt auf-getreten, was sich als großer Vor-teil in einer Krise herausstellt.Denn gerade dann kaufen dieMenschen eher das Produkt voneiner Firma, die sie kennen undder sie vertrauen und nicht voneinem unbekannten Unterneh-men. Und schließlich die Vielfaltder Menschen, die für CEE arbei-ten. Schauen Sie sich die CEE-Zentrale in Wien an. Dort treffenSie alle Nationen wie Ungarn,Polen, Russen und Ukrainer ingroßer Zahl. Das heißt, wir bilden

in Wien im Grunde das kom-plette Geschäftsgebiet ab.

?Welche Marke warIhnen persönlichzur Zeit der Eröff-

nung der Ost-märkte am wichtigsten?

Stara: Persil, dasFlagschiff, dieweiße Dame.

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12 HENKEL-LIFE SPEZIAL | 01/2009 1989-2009: 20 Jahre Ostöffnung

Optimismus

?Im Jubiläumsjahr 1989waren Sie stellvertretenderVorstandsvorsitzender derFrantschach AG. Was emp-fanden Sie angesichts derÖffnung der Grenzen?

Sorger: Ich erinnere mich heutenoch lebhaft daran, wie großbei mir die Freude und auch einwenig die Überraschung war, alsdie Grenzen zu den mittel- undosteuropäischen Staaten geöff-net wurden. Schließlich habenwir – und natürlich auch ich –jahrzehntelang mit der Realitätdes Eisernen Vorhangs gelebt.

Teil dieser Freude war auch,dass unsere Nachbarn nun eineneue Perspektive erhalten – politisch, wirtschaftlich undkulturell. Und nicht zuletzt warich auch ein wenig stolz darauf,dass Österreich doch auch einenBeitrag zur Grenzöffnung ge leis -tet hat.

?Österreich ist bis heute einerder bedeutendsten Investo-ren in Zentral- und Osteuro-pa. Hätten Sie schon 1989damit gerechnet, dass unserverhältnismäßig kleinesLand eine solche Positioneinnehmen könnte?

Sorger: Ja, im Prinzip schon!Meine erste Erwartung war da-mals, dass eine wirtschaftlicheErholung, ja ein Aufholprozess

in den Ländern des ehemaligen„Ostblocks“ einsetzt und baldeintritt – diese Erwartungwurde erfüllt!

Meine zweite Erwartung undauch Hoffnung war, dass Öster-reich als Investor in diesenneuen Märkten in unsererNachbarschaft willkommen istund hochgeschätzt wird – dieseErwartung wurde übererfüllt.

Und die dritte Erwartung war,dass diese Staaten nun auch indie Europäische Union geführtwerden müssen, einen Weg, denÖsterreich schon eingeschlagenhatte. Auch diese Erwartungwurde mittlerweile erfüllt.

?Ärgert es Sie als Industriellen,der seit vielen Jahren erfolg-reich in Osteuropa Geschäftemacht, nicht manchmal, dassgerade die Österreicher zuden heftigsten EU-Kritikernzählen?

Sorger: Für diese Situation gibtes eine ganze Reihe von Grün-den: Die Europäische Unionwird als zu wenig präsent imAlltagsleben wahrgenommen.Die nachweisbaren Vorteile neh-men wir gerne als Selbstver-ständlichkeit, subjektiv wahrge-nommene Unzufriedenheit wirdgerne der ferne erlebten EU indie Schuhe geschoben. Dazukommt, dass die Politik immer

wieder gerne unpopuläre Ent-scheidungen der EU versucht zu-zuschreiben. Medien, die sichvon Anti-EU-Kampagnen Leser-bindung und Marktanteilsge-winne erhoffen, tun ein Übriges.

Ich bin aber überzeugt davon,dass die Skepsis abnehmen wird.Gerade angesichts der globalen

Finanzkrise und der damit ver-bundenen schwierigen konjunk-turellen Situation gewinnt das ge-meinsame Vorgehen Europas be-sondere Bedeutung für uns alle.Das spüren die Menschen, wassich ja mittlerweile auch in Um-fragen niederschlägt.

?Ihr Blick auf das „Europa-Jahr 2009“?

Sorger: Europa hat viele Iden-titäten, aber es gibt wohl soetwas wie ein zumindest konti-nentaleuropäisches Lebensmo-dell, das auf kultureller Vielfalt,Marktwirtschaft gepaart mit so-zialer Verantwortung und hoherSensibilität für die Umwelt fußt.Das wird uns jetzt helfen. Ichhoffe und wünsche mir daher,dass Europa die Herausforde-rungen aus der globalen Fi-nanzkrise meistert und am Endedes Jahres die Konjunktur wie-der anspringt – und dass weiterdurch ausgewogene und klugeInformationsarbeit an unseremeuropäischen Bewusstsein gear-beitet wird.

„Die Skepsis wird abnehmen“Die österreichische Exportwirtschaft profitierte in besonderem Maße vomFall der Grenzen. Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung (IV),sieht die Rolle Österreichs als willkommener Investor voll bestätigt.

Zur PersonVeit Sorger, Aufsichtsratsvorsitzender der Mondi AG, ist seit Juni 2004Präsident der Industriellenvereinigung (IV). 1942 in Graz geboren,studierte Sorger Jus sowie Welthandel und startete seine berufli-che Laufbahn in der Versicherungswirtschaft. Bereits 1970 trat er in die Papierindustrie ein. Sein Weg führte überleitende Funktionen in internationalen Konzernen (u.a. Salzer AG,Euro papier AG, Frantschach AG sowie Neusiedler AG) zum Vorsitzdes Aufsichtsrats der Mondi AG. Seit 2004 ist Sorger auch Vizeprä-sident von Businesseurope (europäischer Industrie- und Arbeit -geberverband, vormals Unice).

Erfahrungen sammelnWenige Monate nach der Öffnung der Grenzen begannauch der akademische Austausch. Bald stellte sich heraus,dass Osteuropäer starke Westmarken bevorzugen. Dievergangenen 20 Jahre waren für die Univer sitäten eineZeit des Lernens.

Wirtschaftliche Wachstums -chancen: Skoda-Werk in MladeBoleslav (Tschechien)*

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Das Jahr 1989 hat für Ass.-Prof. ArnoldSchuh eine besondere Bedeutung: Im Julikam sein erster Sohn zur Welt. „Ich sagte damals zu meiner Frau, unser Sohn Gabrielwird in ein historisches Jahr geboren“,schmunzelt der Direktor des CompetenceCenter for Central and Eastern Europe an derWirtschaftsuniversität Wien (WU Wien). DieEntwicklungen des Sommers 1989 hattensich zwar über einige Monate angekündigt.

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1989-2009: 20 Jahre Ostöffnung HENKEL-LIFE SPEZIAL | 01/2009 13

?20 Jahre ist es nun her, dassdie Grenzen zu Osteuropafielen. Wenn Sie heute an dieEreignisse von damalszurückdenken, wie über-rascht waren Sie damals vonder Entwicklung?

Ederer: Es war damals eineschleichende Entwicklung, weilja über die offene Grenze in Un-garn schon viele Menschen ausder DDR nach Österreich ge-kommen sind. Der wirklich his -torisch einmalige und symboli-sche Moment, war der Fall derBerliner Mauer. Damit ist end-gültig der „Reale Sozialismus“implodiert.

?Welche Auswirkungen hattedie Ostöffnung auf Öster-reich? Wie haben Sie dieseVeränderungen politisch erlebt?

Ederer: Österreich ist von der Pe-ripherie wieder in die Mitte Eu-ropas gerückt. Das hat natürlichvöllig neue Perspektiven eröffnet.Österreich hat als Brückenbauerdie Chancen der Ostöffnungschnell erfasst und genutzt.

?Dennoch sind die Menschenheute höchst EU-kritisch.Was muss geschehen, damitsich dies ändert?

Ederer: Leider ist es zu einemfixen Bestandteil heimischer Po-litik geworden, fälschlicherwei-se alle negativen Phänomeneder EU umzuhängen. Europahat eine reiche und vielfältigekulturelle Tradition und eineblutige Geschichte von Kriegenund Vernichtung. Basierend aufden Erkenntnissen der europäi-schen Aufklärung, als Antithe-se zu dem größten Verbrechender Menschheitsgeschichte, demNS-Vernichtungskrieg und demHolocaust, steht das heutigeEuropa des Miteinanders, derSolidarität und der Freiheit. Dieeuropäische Identität der Öster-reicher ist zwar leider erstschwach ausgeprägt. Ich geheaber davon aus, dass angesichtsder Weltwirtschaftskrise dieVorzüge der EU sicht- undnachvollziehbar werden.

Zur PersonDie gebürtige Wienerin BrigitteEderer studierte Volkswirtschaftund startete ihre Karriere in der Arbeiterkammer Wien. Politischwirkte sie als Abgeordnete zumÖsterreichischen Nationalrat eben-so, wie als Staatssekretärin für Integration und Entwicklungs -zusammenarbeit. Als Staatssekre -tärin für europäische Angelegen-heiten im Bundeskanzleramtbaute Ederer Brücken in das Neue Europa. Die spätere Bundesge-schäftsführerin der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ)und Wiener Stadträtin wurde im Jänner 2001 zum Mitglied des Vor-stands der Siemens AG Österreich ernannt. Seit Dezember 2005 istEderer Vorsitzende des Vorstands und nun als Clus terchefin auch fürden Raum CEE verantwortlich.

„Völlig neue Perspektiven“Siemens Österreich ist, wie die Henkel CEE, einer der Pioniereim Osteuropa-Geschäft. Vorstandschefin Brigitte Ederer hatauch die politische Entwicklung entscheidend mit begleitet.Sie denkt, dass die europäische Idee gerade in wirtschaftlich

angespannten Zeiten an Popularität gewinnen wird.

BrückenbauAndererseits war die Dimension dieser Öffnung überaus beein-druckend. „Wir waren ja damals eigentlich das Ende des Westens,Bratislava war weit weg“, so Schuh, „und auch wenn Budapest schonAnfang der 80er Jahre aus meiner Sicht erstaunlich liberal war, sowaren für mich die Erinnerungen an meinen DDR-Trip aus dem Jahr1983 mehr als präsent. Und diese entsprachen exakt der damaligenVorstellung von Ostblock-Verhältnissen.“Die Öffnung war auch aus wissenschaftlicher Sicht eine herausra-gende Zeit. „Wir hatten keine empirischen Erkenntnisse, wie manmit einem derartigen Transformationsprozess umgeht. Umgekehrtgab es in Zagreb seit den 60er Jahren einen Marketinglehrstuhl,und in Warschau die angesehene School of Economics. Wir haben inÖsterreich aber eigentlich erst 1992 mit der Forschung der Wirt-schaft für CEE begonnen.“ Damals gab es vor allem eine großeSorge: Würden die alten kommunistischen Kader politisch zurück-kehren? Zum Glück erwies sich der Wandel als nachhaltig. Und erhinterließ auch in Wien Spuren. „Ich kann mich noch an die Maria-hilferstraße erinnern, die während der Zeit des U-Bahn-Baus vonungarischen Autos und Billig-Shops gesäumt war“, erzählt Schuhaus der Praxis des Wirtschaftswandels. Dieser wurde nun auch uni-versitär begleitet: Bereits 1990 gab es die erste Sommer-Universitätmit rund 250 Teilnehmern aus Zentral- und Osteuropa, die unterdem Motto „Einführung in die soziale Marktwirtschaft stand“. Zudieser Zeit, erinnert sich Schuh, konnte man noch an der Kleidungeines Studenten erkennen, aus welchem Land er stammte.

West- oder Ostmarken für die neuen Kunden?Parallel dazu begannen auch die Marketingexperten, ihre Ideen in dieneuen Wirtschaftsräume zu transportieren. Anfangs versuchten man-che Markenartikler, eigene Produkte für den osteuropäischen Konsu-menten zu entwickeln. „Die westlichen Länder gingen sozusagen nachdem Lehrbuch des Marketing vor“, sagt Schuh, „und das war letztenEndes falsch.“ Denn es zeigte sich bald, dass gerade in Osteuropa derWert der Marke sehr hoch angesehen wurde. „Die Price-Value-Story istin CEE sehr stark“, beschreibt Schuh. Dennoch nimmt der bilateraleWissenstransfer zwischen Osten und Westen heute eine zentrale Rolleein. Der Markenaustausch hat ebenfalls bereits begonnen – wenn auchnicht auf jeder Ebene der Konsumentenbedürfnisse.

Starker StudentenaustauschDie Öffnung zwischen Ost und West habe für die Universitäten aufjeden Fall sehr viel Positives gebracht. „Auf der menschlichen Ebenemag die EU technisch und abstrakt erscheinen und manche fragensich, wozu wir beispielsweise Glühbirnen-Vorschriften brauchen. Aberfür die Universitäten sind in den letzten Jahren Träume wahr gewor-den: Anrechnungen von Zeugnissen oder Noten, gemeinsame Studi-engänge, Studentenprogramme wie Erasmus oder auch eine gewisseneue Mobilität der Studenten wären ohne die Ostöffnung nicht mög-lich gewesen.“ Das trage auch zu einer neuen internationalen Orien-tierung bei: „Mehr als 50 Prozent unserer WU-Absolventen könnenheute bereits auf Auslandsaufenthalte während ihres Studiums ver-weisen. Dieser Trend wird sich weiter verstärken, und das ist eineechte Bereicherung für uns alle.“

CEE IM AKADEMISCHEN BLICKPUNKT:Die Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien) ist heute führend inder Forschung zur CEE-Thematik. Im Rahmen von CEE-Studien-und Weiterbildungsprogrammen, internationalen Sommeruni-versitäten sowie Austauschprogrammen unterhält man intensiveBeziehungen zu 21 Universitäten in Zentral- und Osteuropa. ImNovember 2007 wurde das Competence Center for CEE an derWU Wien eingerichtet, dessen Direktor Arnold Schuh ist, imHerbst 2008 auch eine eigene Professur in „International Busi -ness with Focus on CEE“ ausgeschrieben. Mit Masterstudien, Stu-dent Cercles sowie Programmen wie „Joszef“ setzt die WU Wieninternationale Maßstäbe in der interuniversitären Kooperation &Forschung sowie der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichenAus- und Weiterbildung.

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1989, die Wende, die Öffnungder osteuropäischen Länder:Für Henkel bedeutete diese Entwicklung eine große Chan-ce, die sich nicht oft bietet. Daserkannte Henkel in Österreichunter dem damaligen Chef,Franz Kafka, sehr schnell; undes entwickelte sich ein starkerPioniergeist im Unternehmen.Denn wir hatten damals die ein-malige Chance, von Anfang andabei zu sein, etwas ganz Neuesvon Null an aufzubauen.

Wenn ich zurückschaue, stel-le ich fest: Unsere heutige Hen-kel-Dachmarkenstrategie liegt indieser Zeit begründet. Denn wirhaben damals etwas begonnen,das später von Friedrich Staranoch wesentlich stärker forciertwurde und das uns schlussend-lich sehr viel Erfolg eingebrachthat. Nach einer kurzen An-

fangsphase ist nicht mehr jederUnternehmensbereich unabhän-gig für sich in die Märkte ge-startet, sondern das Gesamtun-ternehmen Henkel. Wir konntenalle geschäftlichen Prozesse voneinem Brückenkopf aus ent-wickeln, und die vollen Synergi-en – ob bei Kosmetik, Klebstof-fe oder Wasch- und Reinigungs-mittel nützen – eine effektiveund effiziente Strategie. Wir ge-wannen dadurch einen großenVorsprung und haben zudem

Synergien viel besser genutzt alsunsere Wettbewerber.

Diese Prozesse haben wir vonAnfang kommunikativ begleitet.Dabei haben wir etwas sehrWichtiges und Richtiges ge-macht: Wir haben Know-howaus den Ländern nach Wien„importiert“und ebensolcheszurück exportiert, indem wir

sehr eng mit den Führungskräf-ten der damaligen Joint Ventu-res zusammengearbeitet haben.Uns war klar, ohne die Kenntnisder länderspezifischen Gegeben-heiten würden wir die Märktenicht erfolgreich erschließenkönnen. Daraus folgte eine in-tensive Phase des Lernens undder gegenseitigen Wissensver-mittlung – für alle Beteiligteneine echte win-win-Situation.Durch diese engen und auf-schlussreichen Kontakte, dieseninterkulturellen Lernprozess,haben wir die Länder und dieBedürfnisse kennen gelernt. Wirhaben es geschafft, unterschied-lichste Kulturen unter dem Dachvon Henkel zusammenzuführen.

Als wichtig für das Image unddie Reputation von Henkel hatsich auch die intensive Betreu-ung der Medien in den Ländernvon CEE erwiesen. Wir habenden lokalen Journalisten gezeigt,dass wir sie ernst nehmen,während sie von vielen damalsnoch als Verlautbarungsjourna-listen des Kommunismus ver-spottet wurden Wir haben mitihnen sehr früh den Dialog ge-sucht, haben sie zu Veranstal-tungen nach Wien eingeladen.Ich erinnere mich beispielsweisean ein Kolloquium. Damals – eswar zu Beginn des Jugoslawien-Krieges 1992 – haben uns inter-nationale Experten die politischeSituation erörtert und erklärt.Mit vielen größeren und kleine-ren kommunikativen Bausteinen

haben wir ein solides Funda-ment für eine zukunftsfähigeZusammenarbeit gelegt. Das giltauch für die interne Kommuni-kation und die Integration dervielen, vielen Unternehmen, diewir übernommen haben. Bei fastallen ist es uns gelungen, dieHenkel-Kultur, unsere Werteund unsere Vision, in kürzesterZeit zu implementieren. Heuteexistiert in der Region etwasganz besonderes: Ein starkerund stolzer Henkel-Geist.

Schritt für Schritt haben wirin den vergangenen JahrenWien zur Kommunikations-Drehscheibe der CEE-Regionentwickelt. Heute gibt es in allenCEE-Ländern Kolleginnen undKollegen, die direkt vor Ort fürdie interne und externe Kom-munikation verantwortlich sind.Und ich bin stolz darauf, dasswir die Herausforderung derOstöffnung als Chance genutzthaben und heute eine starkeund hoch motivierte Einheit bil-den, die sich mit Henkel identi-fiziert. Die Entwicklung der Re-gion bestätigt wieder einmal dasZitat des bekannten DichtersFranz Kafka „Wege entstehendadurch, dass man sie geht“.

Für Ernst Primosch, Leiter der Unternehmenskommunikation von Henkel,war und ist der Austausch von Know-how zwischen Wien und den Ländern ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Dialogbereitschaft

Die CEE-Region –eine starke Einheit

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Volksfest in Ljubljana (Slowenien): Regionale Vielfalt zeichnet Mittel-und Osteuropa aus – und will ernst genommen werden.*

Als wichtig für das Image und die Reputation vonHenkel hat sichauch die intensiveBetreuung der Medien in den Ländern von CEE erwiesen.Ernst Primosch

Großer Pioniergeist

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1989-2009: 20 Jahre Ostöffnung HENKEL-LIFE SPEZIAL | 01/2009 15

?Welche Erinnerung habenSie persönlich an das Jahr1989 und den Moment, als die Grenzen fielen?

Alois Mock: Das Durchschneidendes „Eisernen Vorhangs“ 1989war für mich ein sehr emotionalerMoment. Es sollte damit in ersterLinie ein Zeichen gesetzt werden.Diese Handlung stand symbolischfür den Sturz der kommunisti-schen Regime und mehr Freihei-ten für die betroffene Bevölke-rung. Die Ungarn hatten ja schonvorher mit dem Abbau der tech-nischen Grenzsperren begonnenund ihre Bürger konnten schonseit einigen Jahren zu Einkaufs-touren nach Österreich anreisen.Ich dachte, jetzt würde alles nochleichter für sie werden und an dereOstblockländer könnten mögli-cherweise zum Nachlassen derZügel angeregt werden. In einemverblüffenden Dominoeffekt sindalle kommunistischen Regime inEuropa innerhalb weniger Mo-nate zusammengebrochen. Es warwie ein Wunder! Dass alles soschnell gehen würde, habe ichnicht erwartet.

?Warum sind die Menschenheute so EU-skeptisch?

Mock: Die größte Leistung derEU ist die längste Friedensperi-ode, die unser Kontinent je ge-kannt hat. Aber das wird schonals Selbstverständlichkeit be-trachtet. Die EU-Skepsis ist in erster Linie hausgemacht. Po -pulistische Erklärungen einiger Politiker und bestimmter Print-medien haben sehr geschadet,und die offiziellen Stellen habenauch zu wenig informiert. Die Finanzkrise hat aber gezeigt, wieschnell sich die Meinung derMenschen ändern kann. ZweiDrittel der Österreicherinnen undÖsterreicher waren laut einer

Umfrage im November 2008 derAnsicht, dass die Finanzkrise nurmit Hilfe der EU zu meistern ist.Meine Landsleute beginnen zuverstehen, dass viele Problemenur noch auf überregionalerEbene gelöst werden können.Wir müssen also Geduld habenmit dem Projekt Europa und dür-fen nicht erwarten, dass alles sofort funktioniert, wenn vieleDinge nicht einmal bei uns„klappen“. Viele Älteren denkenzu wenig überregional euro -päisch. Der jüngeren Generationfällt das schon leichter. Die wich-tigste Hausaufgabe ist die innereReform der EU. Sie hat jetzt 27Mitglieder, und ihre einzelnenEntscheidungsgremien sind man-gels Straffung schwerfälliger undweniger effizient geworden. DieRatifizierung des Reformvertra-ges von Lissabon wäre ein großerSchritt in die richtige Richtung.

?Gibt es eine europäischeIdentität und wie ließe sichdiese kurz beschreiben?

Mock: Es gibt eine europäischeIdentität, die heute oft über denUnterschied zu anderen Konti-nenten definiert wird. Der Com-monwealth-bewusste britischeAußenminister Lord Carringtonhat einmal bei einer Rede imRahmen der Europäischen De-mokratischen Union gesagt:„Erst als ich in Australien war,wurde mir bewusst, dass ich einEuropäer bin.“ Die Europäersind eine „Schicksalsgemein-schaft“, die durch christlich-

humanistische Wurzeln, aberauch durch ihre kriegerischenAuseinandersetzungen überJahrhunderte hinweg geprägtwurde. Dadurch kam es zu sehrunterschiedlicher Ausgestaltungder nationalen, politischen undgesellschaftlichen Verhältnisse.Die EU bietet uns die Chance,alte Hürden und Grenzen zuüberwinden. Der berühmteSpruch „Europa ist Einheit inVielfalt“ hat viel für sich. Ausdiesem Grund ist es auch drin-gend nötig, dass wir Europäereinander besser kennen lernen.Das Projekt Europa hat sich inder zweiten Hälfte des 20. Jahr-hunderts zum größten Friedens-und Wohlstandsprojekt allerZeiten entwickelt. Leider sindsich auch viele Europäer dessennicht bewusst.

?Ihr Wunsch an das Jahr2009, in europäischer Hinsicht?

Mock: Ich bin zufrieden damit,wie sich Österreich und dasFriedensprojekt Europa ent-wickelt haben. Wir sollten unsimmer in Erinnerung rufen, woMenschen am Werk sind, da„menschelt“ es auch – manch-mal etwas mehr, manchmaletwas weniger. Für 2009, einwichtiges Jahr für Europa, wün-sche ich mir, dass es ein wirklichgutes Jahr wird. Im Juni findenwieder Wahlen zum Europäi-schen Parlament statt. Ich wün-sche mir eine rege Wahlbeteili-gung und die Ratifizierung desVertrages von Lissabon durchdie letzten Zauderer.

Alois Mock, ehemaliger Außenminister und Vizekanzler, blickt auf 1989 und die Folgen zurück.

Der Fall des „Eisernen Vorhang“

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17. Juli 1989: Alois Mock (re.)übergibt Frankreichs Außenmi-nister Roland Dumas das öster-reichische EU-Beitrittsansuchen.

„Es war wie ein Wunder!“

Zur PersonGeborgen 1934 in Niederösterreich, begann Alois Mock seine politische Karriere 1958 als Referentfür hochschulpolitische Fragen im Unterrichtsministerium. Im Laufe seiner langen Karriere warMock Unterrichtsminister, Nationalratsabgeordneter, Klubobmann sowie Bundesparteiobmannder ÖVP, Außenminister und Vizekanzler. Seit 1995 ist Alois Mock, der heute zurückgezogen lebt,Ehrenparteiobmann der ÖVP.

Schnitt am Eisernen Vorhang: Alois Mock (li.) und der tschechoslo-wakische Außenminister Jiri Dienstbier am 17. Dezember 1989.

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Henkel Revue, Frühjahr 1984

Henkel Report, Mai 1989

Henkel Report, Jänner 1990

Henkel Report, Mai 1990

Wie alles begann... Henkel CEE –

eine Erfolgsstoryin Osteuropa

Henkel Revue, Juli 1987

Henkel Report, Dezember 1987