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read.me 04/2012

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Die GEW-Studierendenzeitung read.me erscheint einmal im Semester und wird vom Studierendenausschuss der GEW (BASS) erstellt. read.me ist eine Zeitung von Studierenden für Studierende und greift aktuelle Themen aus dem Bereich Hochschule und Bildung auf. Aus Anlass des 40. Jahrestages des Numerus-Clausus-Urteils des Bundesverfassungsgerichts kritisiert der Münsteraner Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, dass sich die Zulassungspraxis der deutschen Hochschulen "am Rande des Grundgesetzes" bewegt. Weitere Themen dieser Ausgabe: Konsequenzen aus der jüngsten Studienanfängerprognose der Kultusministerkonferenz - Tutorien zwischen Sparmaßnahme und Qualitätsprogramm - BdWi-Studienheft "Wissenschaft und Geschlecht" - Studie zur Lage von studentischen Hilfskräften - Umgang mit persönlichen Daten an deutschen Hochschulen - 40 Jahre Berufsverbote - Wiedereinführung der verfassten Studierendenschaft in Baden-Württemberg - GEW-Seminare für Studentinnen und Studenten.

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Page 1: read.me 04/2012

read.meSeite 1

Am Rande des Grundgesetzes

Seite 2 Seite 3 Seite 4

www.gew-bass.deZeitung für Studierende Sommersemester 2012

Dicke Bretter bohren, und zwar schnell! Toil on CampusWissenschaft und Geschlecht

Seite 5 Seite 6 Seite 8Als Willy Brandt Bundeskanzler war

Arme verwalten, Reiche referieren

www.gew.de

Seite 7Selbstverwaltung am Gängelband GEW-Seminare für Studentinnen und Studenten

Das 400. Studierendenseminar LASS-Adressen

Unsere Daten – ohne Schutz?

Bis heute gibt es wohl keine Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichts, die für dasRecht auf Bildung von größerenAuswirkungen war als dieNumerus-clausus-Entscheidungvom 18. Juli 1972. Dieser Ent-scheidung haben inzwischentausende Studierende ihrenStudienplatz zu verdanken.

Die Erhöhung der Stu -dierenden zah len war 1972erklärtes politisches Ziel.

Das schulische Prüfungssystem„entdeckte“ nunmehr deut lich mehrjunge Menschen, die eine ›Be ga -bung‹ für ein Hochschulstudiumaufweisen.„Mit dieser Zunahme hielt der Aus-bau der Hochschule nicht Schritt“,stellte das Bun desverfassungsge -richt fest. Folge war die Einführungdes Numerus clausus (NC), ins-besondere in der Medizin: 1970/71gab es nur für etwa jedeN vierteNder 11.000 BewerberInnen einenStudienplatz. Heute ist das Verhält -nis noch etwas schlechter ge wor -den: im Wintersemester 2011/12gab es 44.053 BewerberInnen für8.753 Studienplätze, es kommt alsonur jeder fünfte zum Zug.

Gedacht als ProvisoriumSeinerzeit galt der Numerus Claususals eine „befristete Notmaßnahme“,so die Rektorenkonferenz. Änderun -gen des Grundgesetzes in denJahren 1969 und 1970 ermöglichtendem Bund eine Rahmengesetz-gebung im Hochschulwesen undverpflich teten ihn auf Aus- undNeubau von Hochschulen alsGemeinschaftsaufgabe von Bundund Ländern. Die Bundesregierungentwickelte einen „5-Jahresplan zurdauerhaften Besei tigung desNumerus clausus“.Und es gab erste Prozesse um Stu -dienplätze. Das VerwaltungsgerichtHamburg hielt Zulassungsbe schrän -kungen allenfalls vorübergehend fürzulässig. Ein NC als ständigeEinrichtung höhle das verfassungs-rechtlich garantierte Recht auf freieBerufswahl aus. Der Staat müsse ver-pflichtet werden, Studien plätze zuschaffen.Das Verwaltungsgericht Münchenkritisierte, das Zulassungsverfahrenmüsse gesetzlich geregelt und dürfenicht den Hochschulen überlassenwerden.Die RektorInnenkonferenz lehnteden NC als Dauereinrichtung ab.Der Staat dürfe die Grundrechte

nicht leer laufen lassen und müsseStudienplätze zur Verfügungstellen, damit jedeR geeigneteDeutsche das in Art. 12 Abs. 1 GGgarantierte Recht zur freien Wahlder Ausbildungsstätte ausüben kön -ne. Gerade weil der Staat über einfaktisches Ausbildungsmonopol ver -füge, sei er zur Schaffung von Aus-bildungsstätten verpflichtet.

Menschenrecht auf SelbstbestimmtheitDas Bundesverfassungsgericht be -tonte in seiner Entscheidung dasGrundrecht des Art. 12 GG schützenicht nur gegen staatliche Eingriffe.Je mehr der Staat Sozialstaat werdeund sich der sozialen Sicherung undkulturellen Förderung der Bür-gerInnen zuwende, desto bedeut-samer werde das Recht auf Teilhabean den staatlichen Leistungen. DasGrundgesetz garantiere das Rechteines jeden, geeigneten Staats-bürgers auf Zulassung zum Hoch-schulstudium seiner Wahl: „DieBerufsfreiheit verwirklicht sichgegenwärtig (…) vorwiegend imBereich der privaten Berufs- undArbeitsordnung und ist hier vor-nehmlich darauf gerichtet, die eigen-persönliche, selbstbestimmte

Lebensgestaltung abzuschirmen,also Frei heit von Zwängen oder Ver-boten im Zusammenhang mit Wahlund Ausübung des Berufes zugewährleisten. Demgegenüber zieltdie freie Wahl der Ausbildungsstätteihrer Natur nach auf freien Zugangzu Einrichtungen; das Freiheitsrechtwäre ohne die tatsächliche Voraus-setzung, es in Anspruch nehmen zukönnen, wertlos.“ Ein Satz, der ineinem bemerkenswerten Kontrastzu dem steht, was heute mit den„Hartz-Gesetzen“ jugendlichen Ar -beits losen zuge mutet wird, die einenangebotenen Ausbildungsplatznicht annehmen.

Trotzdem keine Pflicht zur ZulassungOhne Studienplätze bleibt nicht vielvon der Berufsfreiheit: „Übersteigtdie Zahl der Abgewiesenen wie beimMedizinstudium sogar weit mehr alsdie Hälfte der Be werber, dann drohtder verfas sungs rechtlich geschützteZu lassungs anspruch weitgehend leerzu lau fen. Wegen dieser Aus-wirkungen ist nicht zu bestreiten,dass sich der absolute Numerusclausus am Rande des verfassungs-rechtlich hinnehmbaren bewegt.“Gleichwohl: eine Verpflichtung zumAusbau der Kapazitäten lehnt dasBundesverfassungsgericht aber ab:„Auch soweit Teilhaberechte nichtvon vornherein auf das jeweils Vor-handene beschränkt sind, stehen siedoch unter dem Vorbehalt desMöglichen im Sinne dessen, was derEinzelne vernünftigerweise von derGesellschaft beanspruchen kann(…). Bei diesen Entscheidungenwerden sich die zuständigen Organeeinerseits an erkennbaren Ten -denzen der Nachfrage nach Studien-plätzen zu orientieren haben (...).Andererseits verpflichtet ein et -waiger Verfassungsauftrag aber nichtdazu, für jeden Bewerber zu jederZeit den von ihm gewünschtenStudienplatz bereit zu stellen ...“Das Bundesverfassungsgericht stell teaber klar, dass der Zulassungs-anspruch des Einzelnen nur zumSchutz eines überragend wichtigenGemeinschaftsguts und nur unterstrenger Wahrung des Grundsatzes

der Verhältnismäßigkeit beschränktwerden dürfe, also nur in solchenFachrichtungen, „wo sie wirklichnotwendig ist.“ Ferner müsse vorNC-Einführung geprüft werden, obdie Universität andere schonendereMaßnahmen „vor allem auf demGebiet der Studienreform“ treffenkann. Der NC sei unzulässig, „wennder Engpass durch gezielten Einsatzsachlicher und personeller Mittel(...) behebbar wäre und da durch dieZahl der zuzu las senden Bewerbererhöht werden könnte.“ Die vor-handenen Ausbildungska pazitätenmüssen vollständig ausgeschöpftwerden. Auswahl und Verteilungmüssen nach sach ge rechtenKriterien mit einer Chance fürjedeN hochschulreifeN Bewer berInund unter möglichster Be rück -sichtigung der individuellen Wahldes Ausbildungsortes erfol gen. Auchsei die Berechnung der Kapazitätnormativ festzulegen.

Von der Theorie zur PraxisHeute könnte die Bilanz kaumernüchternder sein: Der NC ist zueiner Dauereinrichtung gewordenund gilt inzwischen in nahezu allenFächern. In manchen Stu dien -gängen wie Tiermedizin liegt dieWartezeit bei 14 Semestern unddamit über der Dauer des Studiums.Gleichwohl ist die NC Recht-sprechung des BVerfG bis heute die„Magna Charta“ der Studienbe -werberInnen – und als solche viel -fältigen Angriffen ausgesetzt. Sowird die generelle „Eignung“ derStudienbewerberInnen in Frage ge -stellt. Nicht allein das Abitur sollreichen, sondern darüber hinausmuss „eine besondere Eignung“nachgewiesen werden. Das gilt ins-besondere beim Übergang zumMasterstudium.Von einem Ausbau der Hoch-schulen kann keine Rede sein: z.B.in NRW wurden zwischenzeitlich40 Prozent der Medizinstudien-plätze abgebaut, andere Bundes-länder gehen ähnlich vor.

Wilhelm Achelpöhler,

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Am Rande des Grundgesetzes40 Jahre Numerus-clausus-Urteil

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ic: Ralf Böhme

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read.me – Zeitung für Studierende2

Konsequenzen aus der jüngsten Studien anfängerprognose der Kultusministerkonferenz

Dicke Bretter bohren, und zwar schnell!Die Bildungsgewerkschaft GEWhatte von Anfang an gewarnt:Der „Hochschulpakt 2020“ zurSchaffung zusätzlicher Studien-plätze ist hoffnungslos unter-finanziert. Jetzt hat auch nochdie Kultusministerkonferenz(KMK) ihre Prognose derStudienanfängerzahlen bis 2025deutlich nach oben korrigiert. Es besteht dringender Hand -lungs bedarf, damit nicht nochmehr studieninteressierte jungeMenschen bei der Bewerbung umeinen Studienplatz leer ausgehen.

Nein, es nicht immer schön,am Ende Recht zubehalten. Aber es war

absehbar, dass mehr Studien-berechtigte an die Hochschulenströmen werden, als es die KMKnoch in ihrer letzten Prognose2009 vorhergesagt hatte. Bisherhatte das KMK-Sekretariat nur diedoppel ten Abiturjahrgänge imBlick, die seit 2007 Jahr für Jahr inwechselnden Bundesländern fürdoppelt so viele Abiturientinnenund Abiturienten sorgen als üblich.Ausgeblendet blieben aber eineReihe weiterer Faktoren, die zueinem zusätz li chen Anstieg derStudienanfänger zahlen beitragen:Immer mehr Schülerinnen undSchüler besu chen eine wei-terführende Schule, die sie mitdem Abitur oder der Fachhoch-schulreife abschließen kön nen;immer mehr Studienberechtigte

entscheiden sich tat säch lich für einHochschulstu di um; immer mehrberuflich Quali fizierte ohne Abituroder Fach hoch schulreife erhaltendie Chance, ein Studium auf-zunehmen.

Die Bildungsbeteiligung steigt, unddas ist gut so. Denn offensichtlichgibt es in der Wissensgesellschaftdes 21. Jahrhunderts einen Trendzur immer höheren und kom-plexeren Qualifikation. AuchDeutsch land braucht in Zukunftnicht weniger, sondern deutlichmehr hoch qualifizierte Aka-demikerinnen und Akademiker. ImFebruar 2012 hat die KMK nuneine neue Studienanfänger-Prog-nose vorgelegt, deren Zahlengegenüber der letzten Berechnungvon 2009 deutlich nach oben kor-rigiert worden sind. Das war unver-meidlich, denn schon 2011 warenstatt den – von der KMK noch2009 erwarteten – 414.000 tatsäch-lich 516.000 Erstsemester zu ver-zeichnen. In ihrer neuen Berech-nung geht die KMK davon aus,dass bis 2020 Jahr für Jahr über450.000 und damit 60.000 bis80.000 mehr Menschen einStudium aufnehmen werden, alsnoch 2009 vorhergesagt wurden.

Kein Gipfel, sondern ein HochplateauDamit ist auch regierungsamtlichbestätigt: Der „Studierendenberg“hat keinen Gipfel, dem eine

baldige Talfahrt folgt, sondern wirhaben es mit einem stabilenHochplateau zu tun. Hinzukommt ein weiteres Problem: DieStudienanfängerprognose derKMK sagt nichts darüber aus, wielange ein Erstsemester tatsächlichan der Hochschule bleibt. So liegtden Kalkulationen des „Hoch-schulpakts 2020“ eine Studien-dauer von vier Jahren zu Grunde– bei einem dreijährigen Bachelor-und einem zweijährigen Master-studium entspräche dies einerÜbergangsquote von 50 Prozentder Bachelorab solventinnen und -absolventen ins weiterführendeMasterstu di um. Erste Studienzeigen, dass die Übergangsquotensowohl an Universitäten als auchan Fachhochschulen aber deutlichhöher liegen, wir also mit einemmassiven Stu dienplatzmangelauch im Masterbereich rechnenmüssen.

Darauf müssen Bund und Länderschnell reagieren und den Hoch-schulpakt kräftig aufstocken undverstetigen. Wir brauchen mehrStudienplätze für Studienanfän-gerinnen und Studienanfänger,ausreichend Studienkapazitätenim Masterstudium und einennachhaltigen Ausbau der Hoch-schulen. Bund-Länder-Pro-gramme für die Hochschulendürfen nicht nach wenigen Jahrenwie ein Strohfeuer verpuffen,sondern müssen dauer haft für

ausreichend Studienplätze sorgen– auch um die Qualität von Lehreund Studium zu verbessern, dennmit Lehrenden, die nach demHire-und-Fire-Prinzip semes -terweise eingestellt und dannwieder entlassen werden, lässt sichweder eine verlässliche Betreuungder Studierenden noch eine kon-tinuierliche hochschuldidaktischeWeiterbildung der Dozentinnenund Dozenten sicherstellen.

Schwarzer-Peter-Spiel im BildungsförderalismusProblem erkannt, aber noch langenicht gebannt: Bund und Länderspielen sich schon wieder gegen-seitig den Schwarzen Peter zu. DerBund soll den Hochschulpakt auf-stocken, fordert etwa die rhein-land-pfälzische Bildungs- undWissenschaftsministerin, DorisAhnen (SPD). Jetzt seien dieLänder in der Pflicht, hält dieBundesministerin für Bildungund Forschung, Annette Schavan(CDU), entge gen. Tatsache ist:Der deutsche Bildungsfödera -lismus, der durch die Verfassungs-reform 2006 noch weiter aus-gebaut wurde, weist die Verant-wortung für die Finanzierung vonHochschulen den Bundesländernzu, selbst die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufga be Hoch-schulbau wurde aus dem Grund-gesetz gestrichen. Gleichzeitig hateine jahrelange Politik dersteuerlichen Entlastung von

Spitzenverdienern viele Länderbettelarm gemacht, die im Grund-gesetz verankerte „Schuldenbrem -se“ zwingt sie zu weiteren Haus-haltskürzungen, die auch vor denBildungs- und Wissenschaftsetatsnicht Halt machen.

Wir brauchen daher eine neueFöderalismusreform, die Bundund Ländern erlaubt, nicht nur inbefristeten Sonderprogrammenwie dem Hochschulpakt, demQuali tätspakt Lehre oder derExzellenzinitiative gemeinsam zufördern, sondern dauerhaft zufinanzieren. Eine ensprechendeBundesratsinitiative kündigte derschleswig-holsteinische Wissen-schaftsminister und CDU-Spit -zenkandidat Jost de Jager schonim September 2011 bei der5. GEW-Wissen schafts kon fe renzam Weißenhäuser Strand an, im Januar 2012 hat das LandSchleswig-Holstein tatsächlich ei -nen entsprechenden Antrag in dieLänderkammer eingebracht. Obdas ein reines Wahlkampf-manöver ist, oder tatsächlichpolitische Veränderungen be -wirken kann, wird sich zeigen.Völ-lig klar ist: Bund und Ländermüssen dicke Bretter bohren, undzwar schnell.

Andreas Keller,

Leiter des Vorstandsbereichs

Hochschule und Forschung

beim GEW-Hauptvorstand

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ic: Ralf Böhme

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read.me – Zeitung für Studierende 3

Wenn Studierende für dasAbhalten von Tutorien einenSchein bekommen sollen anstattdafür bezahlt zu werden, zeigtdies einmal mehr die Unter-finanzierung der Hochschule.Was spielte jedoch abseits finan zi -eller Notlagen bei der Einfüh rungvon Tutorien noch eine Rolle?

Schein statt Scheine – sokönn te man das Kuriosumfassen, wenn Studierende für

ihre TutorInnentätigkeit nichtbezahlt werden, sondern einenLeistungsschein erhalten. Was manfür rhetorische Stilblüten vonUnirek toren halten könnte, denenim Exzellenzwettbewerb die

Hybris zu Kopf gestiegen ist,taucht neuer dings an einigenHochschulen in der Diskussion inden Fachbereichen auf. SolcheVorschläge werden mitunter nochals Quali täts maßnahme aus-gegeben. Demnach könnten dieStudierenden ihr Lernen selbst indie Hand nehmen, kleinereGruppen wären möglich und über-haupt würde so erst die Möglich-keit geschaffen, den Lehrbetriebim unterfinanzierten In stitut auf-recht zu erhalten. Der Fall ist obs-kur, insofern er ganz offen sichtlichauf unbezahlte Arbeitsausbeutungauf dem Campus hinausläuft.Aber es stellt sich auch ganz all-gemein die Frage, wie sinnvoll die

Vergabe von Leistungsscheinen fürdas Abhalten von Tutorien ist –auch dann, wenn diese Tätigkeitbezahlt wird.

Initialzündung von Hochschulreform„Lehrende lernen und Lernendelehren“: Wenngleich bereits dieEinführung von Tutorien – etwa inBerlin – mit finanziellen Eng päs senim Hochschulbereich zu tun hatte,war mit ihnen doch zugleich eineReformidee verbunden. Manerhoffte sich, damit ein Lern -arrangement zu schaffen, in dem„Lehrende lernen und Lernendelehren“, was wiederum auf dieOrganisation von Lernprozessenan der Hochschule zurückwirkensollte. Diesem Anspruch etwa ver-pflichtete sich auch das Programmder Projekttutorien an der BerlinerFU, das 1970 in den Richtlinien zurTutorInnenarbeit festhielt: „DasTutorenprogramm dient derständigen Hochschulreform durchErprobung und Entwicklung neuerStrukturen, Organisationsformen,Lehrmodelle und Ausbildungs-gänge in Kooperation aller amLernprozeß beteiligten. Ziel derTutorenarbeit ist es, die Ausbil dungder Studenten zu selbstständigemkritischen Denken durch wissen -schaftliches Arbeiten zu fördernund dazu beizutragen, sie auf ihrendemokratischen Beruf und ihre Ver-antwortung in einer freiheitlichdemokratischen Grundordnungvorzubereiten.“ Die Anzahl derTutorien wurde in den weiterenJahren massiv ausgebaut. Wo siesich als studentische Lehrveran -staltung auf den besagten Reform-impuls bezogen, ging es auch umdie Demokratisierung von Lernpro-zessen. Tutorien soll ten den Stu -dierenden die Möglichkeit bieten,sich auf gleicher Augenhöhe hie-

rarchiefrei auszutauschen und einekollegiale wissenschaft liche Arbeits-weise zu kultivieren. ManfredSuchan formulierte am Beispielder Berliner Projekt tu torien dasshier „… hierarchische Unterrichts -for men und eine stu dentischeKonsum haltung proble matisiert“werden sollen (Suchan 2008: 111).Wer mit der Demokra tisierung vonLernprozessen ernst machen wollte,musste die Kritik dem nach alsogleichermaßen dop pelt denken.

Mangelverwaltung des laufenden Betriebs Lernen, was liegen geblieben ist: Fürden Großteil der Tutorien, die unsan der Hochschule begegnen,dürften Ansprüche an die quali -tative Reform von Lernprozessenkeine Rolle mehr spielen. Vielfachwird nur das thematisiert, was inder Vorlesung nicht mehr bear -beitet werden konnte, oder derLerneffekt der Vorlesung wird über-prüft. Dass eigene Interessen ver-folgt werden oder die Gestaltungder gesamten Veranstaltung zumThema wird, ist dann dort, wo dieMangelverwaltung des laufendenBetriebes zur Regel geworden ist,eher die Ausnahme. Wenn in demZusammenhang von „Qualität“ dieRede ist, so sind meist reine Betreu-ungsrelationen gemeint. Oftmalsmacht sich angesichts der Ökono -misierung von Bildung nicht ein-mal mehr Unzufriedenheit breit.

Lernarrangements für dasunternehmerische SelbstLern dich fit für den Markt! Wennfür die Tätigkeit als TutorIn Schei -ne vergeben werden oder dieseArbeit indirekt zum Erwerb sortvon Kompetenzen wird, ändertsich deren äußere Relevanz. Schonheute gehört diese Tätigkeit häufigzum Bestandteil von Persönlich-

keits-Portfolios vieler studentischerTutorInnen. Wenn Tutorien zumOrt werden, an dem die Lernendensich als Unternehmer ihrer Lern-prozesse flexibel für prekäre Ar -beitsverhältnisse fit machen sollen,gibt dies nicht unbedingt Grundzum Jubeln. Wer sich noch imTutorium stets beweisen und prä -sen tieren muss, wird an einem rei -bungsfreien Ablauf mehr interes-siert sein als daran, bestehendeLern verhältnisse reflexiv in denBlick zu nehmen. Auf die Re fle -xion darauf, dass es so ist, wie es ist,käme es aber an. Um dies zu er -möglichen, braucht es einen Raum,in dem Irritationen möglich sindund in dem TutorInnen ihre eigeneInvolviertheit in den laufendenBetrieb erkennen und zur Debattestellen können. Salopp gesagt, lässtsich dies aber schwer bewerkstel-ligen, wenn man sich damit gleich-zeitig verkaufen soll.

Sven Lehmann,

Sprecher des GEW-Bundes ausschusses der

Studentinnen und Studenten (BASS)

Tutorien – zwischen Sparmaßnahme und Qualitätsprogramm

Toil on Campus

In den 60er Jahren des vorigenJahrhunderts entstand in derMehrheit der kapitalistischenIndustriestaaten die Neue Frau -enbewegung, in deren Traditionsich die vorliegende Veröffent -lichung einordnet.

In Wissenschaft und Hoch-schule waren deren Pro-tagonistinnen besonders stark

vertreten. Mittlerweile ist dasThema „Gleichstellung“ quasi inder gesellschaftlichen Mitte ange-kommen. Ein Gleichstellungsauf-trag wird zu nehmend gesetzlich-politisch gere gelt – bis zur Ebeneder EU-Ge setzgebung. Hochschul -statis tisch betrachtet nimmt derAnteil von Gender-Forschungspro-jekten und Genderstudies-Ange bo -ten zu. Auf der Ebene der Hoch -

schulad mi nistration taucht Gleich-stellung in Form von GenderMainstrea ming, Gender Budgetingoder Diversity Management auf.Viele halten diese Ansätze – unddiese Umbe nen nungen – für eineEntpoli ti sie rung und vermissen dieRadikalität früherer feministischerVorstöße. Diese verfochten schließ-lich keine managementtechnischenModerni sierungskonzepte, son -dern verban den die Themen Auto-nomie und Selbstbestimmung mitradi kaldemo kratischen Forderun -gen und grundlegender Gesell-schaftskritik. Mit dieser Gegen -überstel lung ist allerdings die Fragenicht beantwortet, ob und wie sich die aktuelle Konjunktur desGleich stellungs themas möglicher-weise radika li sieren und poli ti sie -ren lässt.

Es gibt also eine Reihe ungeklärterFragen und einen erheblichen Dis-kussionsbedarf, den die vorlie -gende Veröffentlichung in sehrgelungener – und die Debatte ver-tiefender und fundierender – Weiseaufgreift. So werden etwa dieneuen gleichstellungspolitischenInstrumente in der Hochschul-steuerung von Praktikerinnen, diesich damit beschäftigen, einerkritischen Betrachtung unterzogen.In vielen Beiträgen werden dieaktuellen Fragen unter Rückgriffauf die Geschichte des Feminismusund seiner verschiednen theo-retischen Strömungen historischeingeordnet. Weiterhin finden wirArtikel zur Geschichte des Frauen-studiums (seit dem 19. Jahrhun -dert), zur hochschulrechtlichenInstitutionalisierung von Frauen-

förderung in den 80er Jahren, zuFrauen im Bildungssystem derDDR, zur Queer Theorie, zumThema Frauen in den Ingenieur -wissenschaften oder zur generellenandrozentrischen Dimension derWissenschaft – um nur einige derThemen zu benennen.

Das BdWi-Studienheft 8 verdientsomit ein breites Interesse vonfeministischen Aktivistinnen, Frau -enreferaten der studentischenSelbstverwaltung, Gleichstellungs-praktikerinnen in der Hochschul-administration sowie von weiterenMenschen, die generell historischund theoretisch interessiert sind.

BdWi-Studienheft 8

Wissenschaft und Geschlecht

Fountain (Duchamp); Foto: bearb. Version eines Creative Com

mons von Micha L. Rieser. Lizenz: CC-by-sa-3.0

Weiterlesen: • Suchan: Tutorien, Pro-jekttutorien, Projektwerk-stätten. Anspruch, Wirklich-keit und Perspektiven einesBerliner Re form modells. In:AStA der FU Berlin (Hrsg.):fu60: Gegendarstellungen2008.

• Kühner/Zitzelsberger: Vonder Bildung zur Selbstver-marktung? – Tutor/innen inder Hochschullehre. In:Bünger et al. (Hg.): Bil dungder Kontrollgesellschaft. Ana-lyse und Kritik päda gogischerVereinnah mun gen 2009.

BdWi-Studienheft 8: Wissenschaft und

Geschlecht. Erfolge, Herausforderungen

und Perspektiven. Hrsg. v. BdWi/ fzs/

GEW/ StuRa der FSU Jena/ ÖH.

Dezember 2011, 64 Seiten A4, 8 Euro.

Sonderrabatt für WeiterverkäuferInnen

(z. B. Studierendenvertretungen und Ver-

bände). Detaillierte Informationen:

www.bdwi.de/show/5304194.html

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read.me – Zeitung für Studierende4

Alexander Lenger, Stefan Priebe(Uni Freiburg) und ChristianSchneickert (HU Berlin) unter -suchten mit Unterstützung der Max-Traeger-Stif tung dieSituation und Lage vonstudentischen Hilfskräften undstudentischen Beschäftigten an deutschen Hochschulen undFoschungseinrichtungen. DieErgeb nisse werden im Folgendenvorgestellt.

Die problematische Lage derstudentischen Mitarbei -terInnen wirkt sich keines-

wegs nur auf der individuellenEbene aus, sondern stellt vielmehrein strukturelles Problem des deut -schen Bildungswesens dar, da hiervor allem junge und hochquali -fizierte Personen an Arbeitsverhält-nisse gewöhnt werden, die nach-haltige Folgen für die An sprüchean die Arbeitsbedingungen im ge -sam ten weiteren Karriereverlaufhaben, so ein zentrales Ergeb nisder vorgelegten Studie.

Ansprüche an die BeschäftigtenAn Hochschulen beschäftigte Stu -den tinnen und Studenten sindzum einen reguläre Studierendeaber auch gleichzeitig reguläre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,zeigt, dass strukturell stets dieQuali fizierung aber auch derErwerbsaspekt im Fokus stehen.Die Studie zeigt das neben demEinkommen vor allem dieQualifikation und bei der Arbeit

vermittelten Fähigkeiten aber auchdie Einblicke in die Hochschuleund das wissen schaft liche Arbeitendie entscheidenden Motive füreine Arbeit an den Hochschulendarstellen.Die Professorinnen und Profes -soren wünschen sich von den

Beschäftigten Zuverlässigkeit undSelbstständigkeit und setzten dabeiin der Regel Interesse am Fach,Arbeitserfahrung im wissen schaft -lichen Bereich sowie bei speziellenProjekten sogar methodische Vor-kenntnisse voraus.

In der Regel falsch angestelltJuristisch ist klar festgelegt, dassstudentische Hilfskräfte im Be -reich Forschung und Lehre einge-setzt werden müssen. In der Ver-waltung hingegen dürfen sie nurals nor male Angestellte beschäftigtwer den. Die Realität hingegensieht anders aus. Nur 60 Prozentder Stu den tinnen und Studentenarbeiten „überwiegend“ im BereichFor schung und Lehre. Somit sinddie Beschäftigungsverhältnisse derStu dierenden in doppelter Hin -

sicht problematisch: In der Regelbein halten sie weder wissen -schaftliche Qualifizierungskom-ponenten, wie es bei der klas -sischen Hilfskraft der Fall seinsollte, noch werden sie nach denvon den Tarifpartnern ausge -handelten Tarifverträgen vergütet,wie dies bei den Angestellten mithauptsächlich verwaltenden Tätig-keiten der Fall sein müsste.

Ausgebeutet aber zufriedenDie von den Autoren befragtenHilfskräfte sind mit ihrer Arbeitzufrieden. Dies ist aber einer Theseder Autoren nach nicht auf dieeigentlichen Beschäfti gungs be din -gungen zurück zu füh ren, sondernzum Beispiel auf Vorteile imStudium, da durch das Be -schäftigungsverhältnis eine bessereIntegration in die Fakul tät/Institutgegeben ist und der Kontakt, vorallen an Massenuniversitäten, zuden Professorinnen und Pro-fessoren intensiver ist. Darüberhinaus gewinnt man besseren Ein-blick in den akademi schen Alltag,die aktuellen Forschungs- undLehraufgaben, hat Zugang zuRessourcen wie (kostenfreie)Kopierermöglichkeiten, pri vile -gier ten Bibliothekszugang bis teil-weise zu eigenen Arbeitsplätzenoder Büros. Diese fachspezifischeSozialisation mündet in niedrigereAbbruchquoten und einen bes-seren Übergang von Bachelor zuMaster beziehungsweise zur Pro-motion.

Du kommst hier nicht rein!Die Studie untersucht ebenfalls obes Unterschiede zwischen Her -kunft, Geschlecht und Nationalitätbei den studentischen Beschäf tig -ten gibt. So muss konstatiert wer -den, dass studentische Be schäftigtemit einem ausländischen Pass starkunterrepräsentiert sind. Nur 2,3Prozent der studentischen Be -schäftigten waren keine Deutschen,wohin gegen aber 11,3 Prozent allerStuden tinnen und Studenten nichtaus Deutschland kommen. Wei-terhin ist festzustellen, dass geradeausländische Studen tinnen undStu den ten niedriger sozialer Her -kunft eine solche Stelle annehmen.Für die Gesamtheit der Be schäf -tigten stellen die Autoren fest, dassdie Beschäftigten mehr aus einerGruppe mit hoher Bildungsher -kunft kommen und in der Regelnicht zu den sozio-ökonomischSchlechtergestellten ge hören.

In den Bundesländern – außerBerlin und Hessen – gilt für die

Vergütung und Arbeitsbedin gun -gen eine Richtlinie der Tarifge -meinschaft der Länder, die vonderen Finanzministern ohne dieMöglichkeit gewerkschaftlicherEin flussnahme bestimmt wird. InBerlin hingegen gilt für stu den -tische Beschäftigte seit 1986 eineigener Tarifvertrag mit veran ker -ten Rechten und festgelegter Ver-gütung, die bis zu 30% überdenen der anderen Bundesländerliegt. In der Studie werden die vonden Ländern einzeln festgelegtenKri terien wie Vertragslaufzeiten,Vertragsumfang, rechtlicheStellung, feste Arbeitszeiten unddie Entlohnung verglichen undgerankt (Abb 1). So ist fest-zustellen, dass an der Spitze Berlinmit weitem Abstand gefolgt vonNordrhein-Westfalen und demSaarland stehen, wohingegenBrandenburg, Bayern undThüringer die drei Schlusslichterbilden.

Positive Bewertung (Punktzahl) Berlin (16) Nordrhein-Westfalen (7) Saarland (7) Schleswig-Holstein (6) Niedersachsen (3) Sachsen-Anhalt (3) Hessen (2) Mecklenburg-Vorpommern (1)

Negative Bewertung (Punktzahl) Thüringen (-12) Bayern (-9) Brandenburg (-4) Rheinland-Pfalz (-4) Baden-Württemberg (-4) Bremen (-4) Hamburg (-3) Sachsen (-3)

Viel zu tun für Gewerk -schaften und PersonalräteDie Personalräte sind nicht in allenBundesländern berechtigt, sich umdie studentischen Beschäftigten zukümmern. Jedoch kommt die Stu -die zu dem Ergebnis, dass dieGewerkschaft in Zukunft einennoch größeren Fokus auf dieseBeschäftigtengruppe richten mussum die Arbeitsbedingungen anzu -gleichen und tarifvertraglicheRege lungen zu erwirken.

Marco Unger,

Sprecher des GEW-Bundes ausschusses der

Studentinnen und Studenten (BASS)

Com

ic: Ralf Böhme

Ergebnisse der Studie zur Lage von studentischen Hilfskräften vorgestellt

Arme verwalten, Reiche referieren

Die GEW hat bereits in zweiterAuflage den „Ratgeber Stu -dentische und wiss en schaft -liche Hilfskräfte an Hoch-schulen“ herausgegeben. Dieserinformiert über Rechte undPflichten der Beschäftigten.Bestellungen von Einzelexem-plaren bitte an: [email protected] (2 Euro/Stück zzgl.Porto). Als PDF kostenfreiunter www.gew.de

Die Studie zur Situation undLage von studentischen Hilfs-kräften und studentischenBeschäftigten an deutschenHochschulen und For schungs -ein rich tungen ist über denGEW-Hauptvorstand bezieh-bar. Kontakt über:[email protected]

Tarifvertrag jetzt!Die GEW Studierendensetzten sich seit jeher dafür ein,die studentischen Beschäftigtenin den Tarifvertrag mit auf-zunehmen. Da 2013 dienächsten Tarifverhandlungenanberaumt sind, möchten wiralle Interessierten am 8. Juni11-16 Uhr nach Frankfurt a.M.in die Geschäftsstelle der GEWeinladen, um das weitere Vor-gehen zu planen. Kontakt:[email protected]

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Vom Umgang mit persönlichen Daten an deutschen Hochschulen

Kein Thema fällt in der Hoch-schulpolitik so leicht unter denTisch wie der Datenschutz. DieGesetze und Regelungen sindzahlreich und unübersichtlich,die Fachkenntnis über diebetroffenen Systeme und die Pro-blematik selbst meist gering unddie Durchsetzung ist arbeits-intensiv. So wird der Datenschutzim institutionellen Rahmen einerHochschule zu einem vernach-lässigten Thema.

Unter Datenschutz verstehtman üblicherweise denSchutz personenbezogener

Informationen vor dem uner laub -ten Zugriff durch Dritte. Wie selbst -verständlich geben wir im Alltagständig unsere Daten weiter, sei esan der Mensakasse oder bei denPrüfungsanmeldungen. Früherwurden diese Daten abgeheftetoder gar nicht erst erhoben und in der Regel nicht mehr verwertet, es sei denn, jemand kam mit einer berechtigten Anfrage auf dieDaten schutzbeauftragten zu.

Moderne Zeiten, neue RisikenMit dem großflächigen Einsatz vonComputern, Chipkarten und tech-nischen Verwaltungssystemen sinddie Möglichkeiten der Datenver-wertung sehr viel größer ge wor denund werden auch vermehrt genutzt.So ist es heute zwar nicht mehrschlimm, wenn beispielswei se eineSchlüsselkarte verloren geht, da die

Verwaltung diese schnell sperrenund eine neue Karte her ausgebenkann. Es ist auch unkomplizierterfür die ein zelnen Studie ren den, miteiner einzigen Chip karte dieKopien, das Mensageld und dieBuchausleihen zu verwal ten. Aberdiese Einfach heit birgt ein Risiko,das nicht unterschätzt werdensollte. Denn diese Systeme könnenauch dazu benutzt werden umfinanziellen Schaden zu verur sa -chen indem Daten ausspioniertund verkauft werden oder sogar umpersonen bezogene Daten wie z.B.Noten zu ändern. Um die Daten, die in solchen Pro-zessen verarbeitet werden, zu schüt -zen, hat Deutschland ein Bun -desdatenschutzgesetz und je weiligeLändergesetze, welche den Umgangmit personenbezogenen Informa -tionen an öffentlichen Ein rich -tungen regeln. Jedes Amt, jedeHochschule und auch Unter neh -men, die von der Bundes regierungbeauftragt werden, haben die Ver-pflichtung, auf die Umsetzungdieser Gesetze zu achten. JedeHochschule hat demnach üblicher-weise eine/n Datenschutzbeauf-tragte/n, der oder die dieseUmsetzung überwacht. Im Idealfallachtet diese Person darauf, dass dieVerfahren einer Hochschule die Privatsphäre der Stu dierendenschützen, dass nicht zu viele Datenerhoben werden und er oder sie istder An sprechpartnerIn, wenn manwissen möchte, welche eigenenDaten erhoben wurden.

Konsequenzen?Fehlanzeige !Hierbei stößt man allerdings aufein Problem, das bis auf wenigeAusnahmen in jeder Hochschule zufinden ist: Eine wirkliche Kontrollekann, aufgrund der techni schenUmsetzung des Prozesses, nur vontechnisch versierten Angestelltenerfolgen, ansonsten bleibt jederDatenschutz an Hochschulen Flick-werk. Zu den technischen Pro-blemen kommt noch hinzu, dassdie rechtlichen Rahmen be din -gungen unklar sind. Es ist in denmeisten Bundeslän dern nur mög -lich, mit einer Publikation derLücken zu drohen, falls sich an denUmständen selbst nichts ändert. Soist auch die derzeitige Situationgeprägt von der ständigen Mög lich -keit einer Manipulation oder demMissbrauch durch Dritte. Immerwieder werden Datenschutzlecks anHochschulen öffentlich gemacht. Eine kleine Kostprobe aus demHochschulalltag: Auf die Terminals der UniversitätTrier zum Kauf von Theaterkarten,Universitätsmerchandise und derZahlung des Semesterbeitrageskonnte, im Frühjahr 2011 dreiMonate lang, per Ferneinwahl ohneAnmeldung zugegriffen wer den.Dort hätte jede/r die Daten vonNutzerInnen abrufen können. Ineinem anderen Fall konnte derSekretär einer Dozentin die Namenund Noten aller Stu dierenden ein-sehen und wuss te sogar die Pass-wörter der Professorinnen und Pro-

fessoren, da diese unverschlüsseltzugreifbar waren. Zum Glück wurde in keinem Bei-spiel nachweislich Einfluss aufNoten genommen oder Daten anDritte verkauft. Aber man kanndavon ausgehen, dass Mani -pulationen – schadhafte Ab -sichten vorausgesetzt – so zu ver-schleiern sind, dass niemandnachvollzie hen kann, ob über-haupt etwas passiert ist.

Zukunftsaussichten: grau ...Obwohl dringender Handlungs-bedarf besteht, ist vorerst keine Bes-serung in Sicht. Für die nächste Zeitplanen viele Hochschulen, Ver-waltungssoftware einzusetzen, beider un abhängige Datenschützer/innen nicht nachvollziehenkönnen, wie personenbezogeneDaten vor dem unautorisiertenZugriff geschützt werden. Obwohldie beauftragten Firmen Anfragen,wer die Daten überprüfe, nichtbeantworteten, scheinen die Hoch-schulen an solchen all-in-one-Lösungen festzuhalten. Datenschutz verkommt angesichtsder derzeitigen Haushaltspro-blematik zu einer als Luxus abge-stempelten Notwendigkeit – denner benötigt Geld, Zeit und Kom-petenz. Dass es so nicht immer seinmuss, zeigt die UniversitätGöttingen. Nach dem gravierendeDatenlecks öf fent lich wurden, hatsie der Einrichtung einesstudentischen Da ten schutz beauf -tragten zuge stimmt, der oder die

den bisherigen Prozess in Koope-ration mit den Ange stelltenbeleuchten soll. Damit hatGöttingen seine Probleme erkanntund versucht, diese abzustellen,steht damit aber bis auf Weiteresalleine da. Abhilfe könnteaußerdem eine erhöhte Nachvoll-ziehbarkeit der Vorgänge schaffen,um die Aufmerksamkeit desEinzelnen für die Verwendungseiner Daten zu schärfen. Trans-parenz in Bezug auf Verwaltungs-akte und die in terne Weitergabevon Infor ma tionen ist der ersteSchritt zu einer Hochschule, an derdie Studierenden ihr Recht auf in -formationelle Selbstbestimmungselbst nachprüfen können. Zwar könnte man den Datenschutzan Hochschulen deutlich verbes-sern, wenn es vom Gesetzgeber vor-geschrieben wäre, eine/n Daten-schutzbeauftragte/n in Vollzeit zubeschäftigen der mit umfassendenKompetenzen ausgestattet ist undhier auch auf die not wen digeFachkenntnis zu achten. Dies istallerdings nicht der Fall. Den nochkann jede/r Einzelne etwas dafürtun. Gerade hochschulpolitischAktive sollten dieses Anliegen mitunterstützen. Denn wer möchte aneiner Universität studieren, an derPrü fungs er geb nisse möglicherweisege fälscht sind?

Moritz Rehfeld,

Hochschulgruppe Piraten, Universität Trier

Unsere Daten – ohne Schutz?

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ic: Ralf Böhme

Page 6: read.me 04/2012

read.me – Zeitung für Studierende6

40 Jahre Berufsverbote in der BRD

Während sich der 40. Jahrestagder Einführung des so genanntenRadikalenerlasses und die damit verbundene fragwürdigePraxis der Berufsverbote jährt,feiert das Hantieren mit demExtremismusbegriff wiederfröhliche Urstände.

Am 28. Januar 1972 erließ dieRegierung Willy Brandt ge -meinsam mit den Regie -

rungschefs der Bundesländer, wasder alt gewordene Brandt, wie eskolportiert wird, später einmal alseinen seiner schlimmsten Fehlerbezeich net haben soll: denMinisterpräsidentenbeschlussgegen Radikale im öffentlichenDienst. Damit schuf er die Grund-lage für die Politik der Berufsver-bote in der BundesrepublikDeutschland. Mit diesem sogenannten Radikalenerlass solltenPersonen aus dem Staatsdienstferngehalten oder entfernt werden,„die nicht die Gewähr bieten, jeder-zeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ein-zutreten“. Auf ihre politische„Zuverlässigkeit“ wurden in derFolge Millionen von Bewer -berinnen und Bewerber in einemVerfahren der „Regelabfrage“ durchden Verfassungsschutz biogra -phisch überprüft. Während sichder Erlass dem Papier nach gegen„Links- und Rechtsextremisten“wandte, richtete er sich tatsächlichvor allem gegen Linke. Dass dieserBeschluss ausgerechnet unter derRegierung Brandt gefällt wurde, istnicht nur den politischen Ereig-nissen jener Zeit geschuldet. DieGeschichte zeigt, dass sich großeTeile der deutschen Sozial demo -kratie von jeher gegenüber allem

abschotteten, was sich links von ihrbewegte. Für Andersdenkende, dieüber das Gesichtsfeld der SPDhinaus über Freiheit nachdachten,blieb dies nicht ohne Folgen.

Pauschalverdacht per RegelabfrageDer so genannte „Gesinnungs-TÜV“ wandte sich nicht an einebestimmte Gruppe von Personen,sondern an Mitglieder links- undrechtsradikaler Organisationenoder Parteien, die als verfassungs-feindlich eingeschätzt wurden.Hinter der politischen Formel ver-barg sich die Möglichkeit zur Re -gelabfrage, um aufgrund bio-graphisch-interpretativer Verdäch -tigungen eine Gesinnungsprüfungdurchführen zu können. 11.000Verfahren wurden in der darauffolgenden Zeit von Staatswegengeführt, um Menschen eine Tätig-keit im öffentlichen Dienst zuuntersagen. Als Gewerkschaft wardie GEW im Besonderen davonbetroffen, organisiert sie doch denkompletten Bildungsbereich. Da -von betroffen waren aber nicht nurumfänglich LehrerInnen, sondernauch SozialarbeiterInnen, Rechts-pflegerInnen, Postbedienstete bishin zum Bahnschaffner/zur Bahn-schaffnerin. Offenbar wollte mannicht nur die „falschen“ Leute ausdem öffentlichen Dienst aussor -tieren, sondern sorgte sich auchdarum, dass der Lokführer dieLokomotive nach Moskau fahrenkönnte. 2.200 Disziplinarverfahrengegen angebliche Verfassungsfein -de wurden eingeleitet, 1.250Bewer bungen abgelehnt und 265Leute aus dem Dienst entlassen –und das sind nur die Fälle, die derGEW offiziell bekannt sind. Im

Klima des Kalten Krieges wurdensolcher maßen Freund und Feindbe stimmt und zwischen Gut undBöse separiert – eine verfassungs-politische Denkweise, die Erinne -rungen an Carl Schmitt, Kronjuristdes NS-Regimes, wachruft. Für ihn,der Politik als jenen Bereichdefinierte, in dem zwischen Freundund Feind unterschieden werde,und Demokratie Identität vonRegierenden und Regierten bedeu -tete, sollte der Staat eine solcheIdentität stiften, denn: Die Unter -scheidung des Ungleichen undnotfalls Ausscheidung des Frem -den sei demnach Voraussetzung fürdie Gewährleistung einer solchenGleichartigkeit. Eine Position, vonder aus nicht weit war, was Schmittin seinen Schriften zu NS-Zeitenauch vornahm: die Umstellungvon „Gleichartigkeit“ auf „Art-gleichheit“.

Berufsfreiheit: Verlust von MenschenrechtenDer damit eingeschlagene Wegsprach vielen Menschen – letztlichauf Verdacht – bürgerliche Rechteab und zerstörte oft deren Lebens-planung. Diese Form der Politik als„Radikalenerlass“ zu bezeichnen,ist eine euphemistische Beschö ni -gung der tatsächlichen historischenKonsequenzen. Obwohl der Europäische Gerichts-hof für Menschenrechte bereits1995 in der innerhalb der euro -päischen Gemeinschaft einmaligenBerufsverbotspraxis einen Verstoßgegen die Europäische Menschen-rechtskonvention sah, hielten dieBundesländer Hessen und Baden-Württemberg zuletzt noch 2004daran fest. So sollte dem Heidel-berger Realschullehrer Michael

Csaszkóczy die Einstellung in denSchuldienst verweigert werden.2007 setzte sich Csaszkóczy inletzter Instanz in Baden-Württem-berg wie auch in Hessen vorGericht durch und ist mittlerweileLehrer an einer Schule in Baden-Württemberg. Auch wenn die „Regelabfrage“ zu -letzt in Bayern 1991 eingestelltwurde, kann bis heute eine Be -darfs anfrage beim Verfassungs-schutz erfolgen, wenn Zweifel ander Verfassungstreue einer Bewer -berin/eines Bewerbers für denöffentlichen Dienst bestehen. Ei nehistorische Aufarbeitung undRehabilitierung von Betroffenenseitens der Bundesregierung wirdbis heute vergeblich gefordert(siehe Beschluss des Bundestagsvom 9./10. Februar 2012 zur Druck -sache 17/8376 vom 18. Januar 2012).

Abwehrrecht des Staatesgegen seine Bürger?Die Demonstrierenden gegenNazis in Dresden 2010 und 2011waren Überwachungsmaßnahmenund Repressionen ausgeliefert, dieman so nicht für möglich gehaltenhätte – und die mittlerweile auchvon Seiten der Polizei stattzu -finden scheinen. Während rechteTerrorgruppen lange Zeit scheinbarunbemerkt mordend durchs Landziehen konnten, sieht sich der Ver-fassungsschutz bemüßigt, Mit-glieder der Linksfraktion zu über-wachen, die auf demokratischemWeg in den Bundestag gewähltwurden. Im Hochschulbereich wur -den – wie ein Beispiel aus Heidel-berg deutlich macht – studentischeGruppen durch mindestens einenSpitzel überwacht. Ob es sich nurum einen oder mehrere Spitzel

handelt, ist ungewiss, da auch dieneue Landesregierung die Aktenunter Verschluss hält. Es wurdeeine Menge Geld investiert, nurum Gruppen überwachen zulassen, die sich offen treffen undauf deren Mailverteiler sich alleeintragen können, die Lust dazuhaben. Während hier die Gelderlocker zu sitzen scheinen, fehlt esan finanzieller Unterstutzung fürJugendprojekte gegen Rechtsex tre -mismus und Aufklärungsarbeit anSchulen.

Totalitär…Unter BundesfamilienministerinSchröder (CDU) feiert der Extre -mismusbegriff sein Comeback. MitExtremismusklau seln soll die Ge -sinnung von BewerberInnen fürden öffentlichen Dienst überprüftwerden. An den Schulen wird mitspeziellen Unterrichtsmaterialiendie Iden tifikation von Links-extremismus und Rechtsex tre mis -mus gezielt gelehrt. Eine demo -kratiefeindliche Haltung ließe sichdemnach an den Rändern derGesellschaft ausma chen, wo es denFeind zu iden ti fizieren gilt,während die Mitte als konforme,stabile Normalität an genommenwird. Die entgegen ge setztenEnden werden, ausge hend voneiner Gaußschen Normalvertei-lung, als Hufeisen imaginiert.Dabei ist es sozialwissenschaftlicheher umstritten, ob demo kra tie -feindliche Tendenzen auf derlinken wie auf der rechten Seite zugleichen Teilen zu beobachtensind. Noch fraglicher ist die These,dass es in der konformen Mittekeine demokratiefeindlichen Ten -denzen gäbe.

…oder Totalität?Es ist ein Trugschluss zu glauben,dass man antidemokratische Ten -denzen durch eine Gesinnungs-überprüfung abwehren könne.Nicht nur, weil man Menschen niein den Kopf schauen kann. Vorallem auch deshalb, weil der Rufzur Konformität durch Freund-Feind-Bestimmungen, wie er ineiner solchen politischen Praxislaut wird, der Demokratie ihrenBoden entzieht. Möglicherweise ist– wie Theodor W. Adorno einmalfesthielt – „das Nachleben desNationalsozialismus in der Demo -kratie als potentiell bedrohlicherdenn das Nachleben faschistischerTendenzen gegen die Demokratie“zu betrachten.

Sven Lehmann,

Sprecher des GEW-Bundesausschusses der

Studentinnen und Studenten (BASS)

Resolution des GEW-Hauptvorstandes

unter:

www.gew.de/Aus_den_Fehlern_der_

Vergangenheit_lernen.html

Weitere Infos unter:

www.berufsverbote.de

Als Willy Brandt Bundeskanzler war

Foto: Archiv

Page 7: read.me 04/2012

read.me – Zeitung für Studierende 7

Mit der Wiedereinführung derVerfassten Studierendenschaft(VS) möchte die grün-roteLandesregierung in Baden-Württemberg eine Vertretungstudentischer Interessenermöglichen und somit einewichtige Aufgabe anpacken.Während aber von studentischerSelbstverwaltung gesprochenwird, hält der tat sächlicheGesetzesentwurf eine ganzeReihe von Einschrän kungenbereit.

Am 7. Februar 2012 hat dieLandesregierung den An hö -rungsentwurf des Gesetzes

vorgelegt, mit dem sie die VerfassteStudierendenschaft (VS) wieder-einführen möchte, die in allenBundesländern – mit Ausnahmevon Baden-Württemberg und Bay -ern –gesetzlich vorgesehen ist. 1977 wurde die VS in Baden-Württemberg abgeschafft, um den„terroristischen Sumpf an den Uni-versitäten trockenzulegen“, wie derdamalige Ministerpräsident undehemalige NS-Marinerichter HansFilbinger sachkompetent kund tat.Auch wenn sich spätere Minister-präsidenten und Wissenschafts-minister Baden-Württembergs die -ses Argument nicht zu eigenmachten, so hat dennoch bislangkeine Landesregierung an derAbschaffung der VS ge rüttelt. Mitunmittelbarerem Einblick in dieHochschullandschaft wies etwa derehemalige Wissenschaftsministervon Trotha diese Forderungzurück, indem er un umwundenerklärte, dass die Hochschule keinAbziehbild der Demo kratie sei.Auch sein Nachfolger PeterFrankenberg wehrte sich ge gen eineVS mit „Zwangsmitglied schaft“und „Zwangsbeiträgen“. EinePosition, die ihn politisch aller -dings nicht davon abhielt, inBaden-Württemberg gleichzeitigmit 500 Euro pro Semester denhöchstmöglichen Beitrag an all-gemeinen Studiengebühren ein-zuführen. Widersprüchlich ist diesnur auf den ersten Blick. Sieht mansich an, wer von „Zwangsmitglied -schaft“ und „Zwangsbeiträgen“spricht, wird deutlich, dass hierkein politischer „Unfall“ vorlagen.Das eigentliche Argument hinterdiesen Schlagworten ist nicht dieFreiheit vor den Kosten, sonderndie Freiheit von der Solidar-gemeinschaft. Mit dem aktuellen Anhörungsent-wurf eines Gesetzes zur Wieder-einführung der Verfassten Stu die -rendenschaft versucht die grün-roteLandesregierung, eine Selbstver-tretung studentischer Interessennicht nur als losen Verein, sondernals (Teil-)Körperschaft des öffent-lichen Rechts an der Hochschulezu ermöglichen. Womit nicht nurdie Vertretung studentischer In ter -es sen unmittelbar in der Hoch-schule angesprochen ist, sondernauch die Voraussetzung, um Ver-handlungen z.B. über Semesterti-

ckets zu führen oder auch eineSozialberatung anzubieten. Wäh -rend die Landesregierung sich aufdie Fahnen schreibt, jetzt einerichtige Studierendenvertretungeinführen zu wollen, hält der tat -sächliche Gesetzesentwurf diesejedoch an den wesentlichen Stellenam Gängelband, macht gleichzeitigeinen Schritt nach vorne und dochwieder einen zurück:

VS – jetzt im ErnstErst wird ein politisches Mandatversprochen, dann aber zugleichein Maulkorb verordnet. § 65, 4des Gesetzesentwurfes hält fest:„Im Rahmen der Er fül lung ihrerAufgaben nimmt die Stu dieren -denschaft ein politisches Mandatwahr“. Die Einschränkung jedochfolgt auf dem Fuße: „Sie wahrtnach den verfassungsrechtlichenGrundsätzen die weltan schauliche,religiöse und parteipolitische Neu-tralität.“ Wie aber soll sich die VSzur Hochschul- und Bildungs-politik sinnvoll äußern können,wenn sie nicht Position beziehendarf? Beispielsweise zur Sozial-

politik oder auch in Bezug auf dieSteuerkonzepte verschiedener Par-teien?Die Landesregierung verspricht inihrem Anhörungsentwurf Finanz -hoheit: Die VS soll von den Stu -dierenden Beiträge erheben unddiese selbst verwalten können.Zwar soll die Studierendenschaftfür die Haushaltsführung eine/nBeauftragte/n mit der Befähigungzum gehobenen Verwaltungsdiensteinstellen, die/der vom Landes-rechnungshof beaufsichtigt wird.Dennoch wird dem Rektorat derHochschule im beschränkten Rah -men eine Haushaltsaufsicht einge-räumt.Faktisch handelt es sich bei demEnt wurf um eine Kürzung vonFinanzmitteln für die Hochschu -len. Alle Gelder, die bislang Fach-schaften und dem Maulkorb-„AStA“ zur Verfügung standen undmit denen etwa Fachschaftsein -führungen, Vorkurse, Sozialhand-bücher u. ä. unterstützt wurden,fallen weg. Die Landesregierung räumt der VSvorgeblich Satzungshoheit ein. Der

Anhörungsentwurf ist hier jedochkeineswegs so offen, wie es be -hauptet wird. Denn er schreibt dieEinführung eines exekutiven Kolle -gialorgans und die Wahl eines Vor-standes verpflichtend vor. Damitwird eine rätedemokratischeBasisanbindung verhindert, wie siein einer ganzen Reihe unab hän -giger Fachschaftsmodelle prakti -ziert wird – unabhängig von derFrage, welches Modell sich anwelchem Standort als vorteilhafterwiesen hat.

Bürgerbeteiligung –Politikwechsel oderFacebook-Demokratie?Wissenschaftsministerin TheresiaBauer wirbt für den Anhörungs-entwurf: „Nach über 30 Jahrenwollen wir (…) zu normalen Ver-hältnissen an unseren Hoch-schulen zurückkehren“. Im Rah -men eines Internetforums soll derEntwurf von Studierenden dis-kutiert wer den können Bislang istdie „Bür gerbeteiligung“ jedochminimal, die Plattform stößt aufDesinteresse. Dies kann auch

nicht weiter verwundern, denn ansachlicher Zusatzinformation, Ver-anschaulichung des geltendenLan deshochschulgesetzes oderauch nur des Anhörungsentwurfeslässt die Seite leider zu wünschenübrig. Wer sich mit der Verfasst-heit der Hochschule und derOrganisation der verschiedenenbisherigen Modelle unabhängigerStudie ren denschaften aus Baden-Württemberg nicht auskennt oderauf Hochschulrecht versteht, kannsich schnell im Stich gelassenfühlen. Dafür aber kann jede undjeder sein/ihr Gefallen oderNicht-Gefallen bekunden: Dau -men hoch und Daumen runter,ganz wie bei Facebook eben –oder auch wie im alten Rom. Wermag sich da noch über denNamen des Inter net forums undder dazugehörigen Kampagnewundern: www.wir-wollen-deinen-Kopf.de.

Sven Lehmann,

Sprecher des GEW-Bundesausschusses der

Studentinnen und Studenten (BASS)

Selbstverwaltung am GängelbandWir wollen nur die VS – dead or alive?

Com

ic: Ralf Böhme

Page 8: read.me 04/2012

read.me – Zeitung für Studierende8

LASS Baden-Wü[email protected]/Studium_4.html

LASS [email protected]/index.php?id=348

LASS [email protected]/lass.htm

LASS Brandenburglass@studiberatung-potsdam.dewww.studiberatung-potsdam.de

LASS Bremengewstudishb.blogspot.comwww.gew-hb.de/Studierende.html

LASS [email protected]

LASS [email protected]/index.php?id=571

LASS Mecklenburg-Vorpommern(über den Landesvorstand)[email protected]

LASS [email protected]/lass

LASS [email protected]

LASS [email protected]/html/arbeits_personengruppen/studierende.php

LASS [email protected]

LASS [email protected]/node/7

LASS [email protected]://www.gew-sachsenanhalt.net/index.php?menuid=96

LASS [email protected]

LASS Thü[email protected]/Studierende_LASS.html

Herausgeber:Gewerkschaft Erziehung und WissenschaftHauptvorstand, Postfach 90040960444 Frankfurt/M. Tel.: 069/78973-0 Fax.: 069/78973-201 [email protected] www.gew.de

Redaktion:Dr. Andreas Keller (verantwortlich),Anke Prochnau, Ana Orias Balderas, Marius Klein, Sven Lehmann, Marco Unger

Gestaltung:Werbeagentur Zimmermann, Heddernheimer Landstraße 144, 60439 Frankfurt

Druck: apm AG, Darmstadt

April 2012

Impressum

Sommersemester 2012

Kontakt zu den GEW-Studis in deinem Bundesland

GEW-Studierendenseminar„Mitbestimmung und Par-tizipation von Studierenden“4.-6. Mai 2012 in Frankfurt/M.und Steinbach/Taunus

Die Hochschul- und Stu dien -struk turen befinden sich seit derJahrtausendwende im Wandel.Gleichzeitig ändern sich dieMöglichkeiten der Studierenden,sich in Hochschule und Studiumzu beteiligen. Neben dem Abbaudemo kratisch verfasster Mit-bestimmung über Gremien derstudentischen und akademischenSelbstverwal tung ist der Aufbauneuer Parti zipationsformen zubeobachten, die Studierendeohne den Umweg über eindemokratisch legitimiertes Ver-tretungsorgan in den Prozess derQualitätssicherung der Hoch-schulen einbinden. Beispiele hier -für wären die Akkreditierung vonStudiengängen oder auch dieEva luation von Lehrveranstal tun -gen. Studierende werden indiesem Kontext nicht mehr alsMitglieder der Hochschule undInteressenvertreterInnen wahr-genommen, son dern alsKundInnen und (partielle)ExpertIinnen angesprochen,deren Expertise und Akzeptanzfür die Hochschulentwicklungnutzbar ge macht werden kann.Doch was unterscheidet verfassteMitbe stim mung von den neuenFormen direkter Partizipation?Warum, wie und mit welchenZielen sollten sich Studierendebeteiligen – oder auch nicht?Welche Strategien erscheinensinnvoll, um wirkungsvoll stu -dentische Interessen zu vertreten? Für einen Input zum verändertengesellschaftlichen Beteiligungs-verständnis konnten wir OskarNegt gewinnen. Zu studentischenBeteiligungsformen an Hoch-schulen und gesellschaftlichenOrgani sa tionen wird es Podienund Arbeitsgruppen mit hoch-schulpolitisch aktiven Studie -renden geben.

Zum Auftakt des Seminarswerden wir am Freitag 4. Mai2012 eine besondere Ver-anstaltung in der Geschäftsstelledes GEW-Hauptvorstands inFrankfurt am Main durchführen.Im Rahmen dieser Veranstaltungmöchten wir zum einen das 400.Studierenden seminar feiern undauf 25 Jahre studentischeSeminararbeit der GEW zurück-blicken. Zum anderen gibt eseinen sehr traurigen Anlass fürdie Veranstaltung: Unsere

Kollegin Brigitte Eschenbach, dieseit 1985 als Referentin beimGEW-Hauptvorstand die Studie -rendenseminare organisierte undkonzipierte, ist am 31. Dezember2011 verstorben. Wir möchtendas 400. Seminar auch zumAnlass nehmen, ihrer zugedenken.Anmeldung und Programm -ab fra ge:www.gew.de/GEWSeminare_fuer_Studentinnen_und_Studenten_2.html

GEW-Seminare fürStudentinnen und StudentenDie Seminare richten sich anStudierende, die die GEWkennen lernen und an diejenigen,die sich für ihre hochschul-politische Arbeit schulen wollensowie an Kolleginnen undKollegen, die sich in der GEW-Studierendenarbeit engagieren.Für DoktorandInnen und Pro-motionsinteressierte gibt eswieder ein Seminar im Klapp-holttal.

BAföG für alle – Ein sozialpolitisches Grund-seminar für BAföG-BeraterIn nen und SozialreferentInnen. 26.-29. April 2012 in Würzburg*

Das Seminar informiert zu Aus-bildungsförderung/Sozialrechtund ihren gesetzlichen Grund-lagen.Anhand konkreter Fälle aus derBAföG-Beratung und der allge -meinen Sozialberatung wird inparallelen Gruppen dazu geschult.Behandelt werden ebenfalls dieEinbindung der Sozialberatung indie AStA-Arbeit und die Anfor -derun gen an ein Beratungs-gespräch.

Mitbestimmung und Partizi -pation von Studierenden –400. GEW-Studierendenseminar 4.– 6. Mai 2012 in Steinbach

Was unterscheidet verfasste Mitbe -stimmung von den neuen Formendirekter Partizipation? Warum, wieund mit welchen Zielen solltensich Studierende beteiligen – oderauch nicht? Welche Strategien er -scheinen sinnvoll, um wirkungs-voll studentische Interessen zu ver-treten? Eingeladen sind hochschul-politisch interessierte bzw. aktiveStudierende.

„Strukturieren geht über Promovieren“ – Programme der strukturierten Promotions -förderung im Brennpunkt. Ein GEW Seminar für Doktorandinnen und Doktoranden. 14.-17. Juni 2012 im Klappholttal, Sylt

Der Fokus des Seminars liegt aufstrukturierten Programmen für diePromotionsphase (Kollegs, Gra -duiertenzentren u. a.). Wir dis-kutieren mit hochschulpolitischenExpertIn nen die Vor- und Nach -teile von strukturierten Program -men (Zeitverträge, Tenure Track,Chancengleichheit, Geschlechter -gerechtigkeit, Familienfreundlich-keit u.a.) und beraten über Reform-vorschläge.

Die Master-Frage – Der Übergang vom Bachelor- in ein Masterstudium. 21.-23. September 2012, Bad Bevensen.

Übergang in einen Masterstu dien -gang, Bachelorabsol ventIn nen aufdem Arbeitsmarkt und die Fragevon Mobilitätsfenstern in Bache -lor studiengängen sind nach wievor ungeklärt. Im Seminar werdenanhand empirischer Studien Pro-bleme diskutiert und Lösungs-ansätze erarbeitet.Das Bildungs- und Förderungswerkder GEW übernimmt die Kostenfür Unterkunft, Verpflegung undfür An- und Abreise (DB 2. Kl.,abzgl. 10% Rabatt). Für die mit *gekennzeichneten Seminare wirdeine Teilnahmegebühr von 75,–Euro erhoben. Informationen bei:Anke Prochnau, Hauptvorstandder GEW, Tel. 069/78973-313, E-Mail: [email protected] des Anmelde for -mulars:www.gew.de/GEWSeminare_fuer_Studentinnen_und_Studenten_2.html

Das 400. Studierendenseminar

Liebe Brigitte,

das 400. Seminar im Juni hattestdu schon fest im Blick, dieswollten wir nutzen um 25 Jahreerfolgreiche Studierendenarbeitder GEW zu feiern und auchdeine enormen Leistungen, dichwechselnden BASS-SprecherIn -nen mit jeweils anderen Ma rot -ten, Arbeitsweisen und Anfor -derungen zu stellen, würdigen.Wenn man sich mit ehemaligenBASS- & LASS- SprecherInnenunterhält, so hört man nurlobende Worte über dein fröh -liches Gemüt, dein klares undprägnantes Formulierungsver-mögen und deine Leichtigkeitmit der doch ab und an wirren

GEW-Bürokratie mit Souve -ränität umzugehen. Manche schöne Stunde in dei -nem Garten, bei dir am Küchen -tisch mit selbstgemachter Toma -ten suppe oder dem GläschenWein nach einer anstrengendenSitzung wird uns allen in Er -innerung bleiben. Auf die Kunst geistreich-spitzerBemerkungen verstand sich nie -mand so gut wie du. Wirwerden uns dafür immer andich er innern – und all jeneAutori täten, die du damit vomSockel geholt hast, werden dichsicher auch nicht vergessen.Marco, Sven, Ana

Brigitte Eschenbach (1947 –2011),

seit 1985 Referentin beim GEW-Hauptvorstand.