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Illuminatus! Robert Anton Wilson Robert Shea

Robert Shea Illuminatus! - bilder.buecher.de · Das Auge in der Pyramide Der goldene Apfel Leviathan Illuminatus! Robert Anton Wilson &Robert Shea KAILASH

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Illuminatus!Robe r t An t o n W i l s o n R o b e r t S h e a

Das Auge in der PyramideDer goldene ApfelLeviathan

Illuminatus!Illuminatus!Robe r t An t o n W i l s o n

& Robe r t S h e a

K A I L A S H

K A I L A S H

Die Einzelbände der Trilogie erschienen im Original unter den TitelnIlluminatus! – The Eye in the PyramidIlluminatus! – The Golden AppleIlluminatus! – Leviathanbei Dell Publishing Co., Inc., New York, USA

Die ersten Auflagen der deutschsprachigen Ausgaben erschienen im SphinxVerlag, Basel.

Aus dem Amerikanischen übertragen von Udo Breger

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

© Robert Shea und Robert Anton Wilson 1975© der deutschsprachigen Ausgabe Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzlingen/München 2002Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Die Werkstatt München / Weiss · ZembschProduktion: Ortrud MüllerSatz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

Printed in Germany 2004

ISBN 3-7205-2320-9

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

INHALT

Erster Teil: Das Auge in der Pyramide . . . . . . . . . . . . . 7

– Erstes Buch: Verwirrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9∆ Der erste Trip, oder Kether . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11∆ Der zweite Trip, oder Chokmah . . . . . . . . . . . . . . . 67∆ Der dritte Trip, oder Binah . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

– Zweites Buch: Zwietracht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157∆ Der vierte Trip, oder Chesed . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158∆ Der fünfte Trip, oder Geburah . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Zweiter Teil: Der goldene Apfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

– Drittes Buch: Unordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353∆ Der sechste Trip, oder Tipareth . . . . . . . . . . . . . . . . 354∆ Der siebte Trip, oder Netzach . . . . . . . . . . . . . . . . . 424

– Viertes Buch: Beamtenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511∆ Der achte Trip, oder Hod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512

Dritter Teil: Leviathan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597∆ Der neunte Trip, oder Yesod . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608

– Fünftes Buch: Grummet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705∆ Der zehnte Trip, oder Malkuth

Lebewohl Planet Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706

– Die Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792

DER ERSTE TEIL

DAS AUGE IN DER PYRAMIDE

ERSTES BUCH

VERWIRRUNGDie Geschichte der Welt ist die Geschichte der Kriege zwischen Geheimbünden.

Ishmael Reed, Mumbo-Jumbo

DER ERSTE TRIP, ODER KETHER

Von der Dealey Plazabis Watergate …

Der Purpurne Weise öffnete die Lippen, bewegte seine Zunge undsprach also zu ihnen und sagte:

Die Erde bebt und der Himmel grollt; die wilden Tiere rottensich schutzsuchend zusammen und die Nationen der Menschen trei-ben auseinander; Vulkane speien Feuer, während anderswo Wasserzu Eis wird und wieder schmilzt, an anderen Tagen regnet es nur.

Wahrlich, es werden noch wundersame Dinge geschehen.

Lord Omar Khayaam Ravenhurst, K.S.C., »The Book of Predications«

The Honest Book of Truth

Es war in jenem Jahr, in dem man schließlich das Eschaton imma-nentisieren wollte, was etwa soviel heißt wie den Weltuntergang he-raufbeschwören. Am 1. April gerieten die Weltmächte näher an einenukleare Auseinandersetzung als jemals zuvor, und alles wegen ei-nes unbekannten Eilands, Fernando Poo. Als die internationale Poli-tik sich wieder auf dem normalen Niveau des Kalten Krieges befand,erklärten ein paar Schlauberger das Geschehene zum geschmacklo-sesten Aprilscherz der ganzen Geschichte. Zufälligerweise kenne ichalle Einzelheiten dessen, was sich ereignete, doch will mir nicht ein-fallen, wie ich es anfangen soll, daß sich der normale Leser etwaszusammenreimen kann. Zum Beispiel bin ich mir nicht im klarendarüber, wer ich selbst eigentlich bin, und die Verlegenheit, in derich mich allein aufgrund dieser Tatsache befinde, läßt mich zwei-feln, ob er überhaupt irgend etwas von dem, was ich aufdecke, glau-ben wird. Schlimmer noch. Im Augenblick hat mich ein Eichhörn-chen in seinen Bann geschlagen – im Central Park, New York City,gerade dort, wo die Achtundsechzigste Straße einmündet –, das von

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einem Baum zum anderen springt, und ich denke, es ist die Nachtdes 23. April (oder ist es der Morgen des 24. April?), aber diesesEichhörnchen mit Fernando Poo in Zusammenhang zu bringen, liegtin diesem Augenblick jenseits meiner Kräfte. Ich bitte Sie also umein wenig Geduld. Es gibt nichts, das ich tun könnte, um die Dingefür uns beide zu erleichtern, und so werden Sie es erst einmal hin-nehmen müssen, von einer geisterhaften Stimme angesprochen zuwerden, obwohl mir schmerzlich bewußt ist, daß ich zu einem un-sichtbaren, vielleicht gar nicht existenten Publikum spreche. Geist-reiche Köpfe haben die Erde als eine Tragödie, eine Farce, sogar alsZaubertrick eines Träumers angesehen; alle aber, wenn sie wirklichweise und nicht nur intellektuelle Schandtäter sind, erkennen, daßsie eine Art Schauspiel darstellt, in dem wir alle eine Rolle haben,die die meisten von uns, bevor der Vorhang sich hebt, nur schlechteinstudiert und nie geprobt haben. Ist es zuviel verlangt, wenn ich,vorsichtig tastend, vorschlage, daß wir uns darauf einigen sollten, sieals einen Zirkus zu betrachten, als einen Karneval auf Rädern, der ineiner Rekordspielzeit von vier Billionen Jahren um die Sonne wan-dert, dabei ständig aufs neue Gräßliches und Häßliches, Schimpfund Schande, Wunder und Plunder hervorbringend, sein Publikumnie fesselnd genug unterhält, um eines nach dem anderen vom Ver-lassen des Saales abhalten zu können und sich nach Hause, in einenlangwährenden und langweiligen Winterschlaf unter der Erde zu be-geben? Sagen wir ferner, wenigstens für eine kurze Zeit, daß ich dieIdentität des Zirkusdirektors angenommen habe; aber diese Kronesitzt mir unbequem auf dem Kopf (wenn ich überhaupt einen habe)und ich muß Sie warnen, daß die Zirkustruppe für ein Universumdieser Größenordnung nicht ausreichend besetzt ist und daß vielevon uns zwei oder drei Rollen übernehmen müssen, und so werdenSie auch mich in mehreren Verkleidungen wiedersehen. Wahrlich, eswerden noch wundersame Dinge geschehen.

Zum Beispiel bin ich in diesem Augenblick nicht zu Scherzenaufgelegt. Ich bin einfach sauer. Ich bin hier in Nairobi, Kenia, undmein Name ist Nkrumah Fubar. Meine Haut ist schwarz (stört Siedas? Mich nicht …) und ich befinde mich, wie die meisten von Ih-nen, auf halbem Wege zwischen dem Leben im Kral und modernerTechnologie; genauer gesagt bin ich ein Kikuyu-Medizinmann, dersich gerade an das Stadtleben gewöhnt und nach wie vor an Hexereiglaubt – ich bin nicht, jedenfalls noch nicht, der Torheit verfallen,das, was meine Sinne wahrnehmen, zu bestreiten. Es ist der 3. Aprilund Fernando Poo hat mir nächtelang den Schlaf geraubt. Ich hoffe

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deshalb auf Vergebung, wenn ich eingestehe, daß meine augenblick-liche Beschäftigung weit davon entfernt ist, erbaulich zu sein undaus nichts Geringerem besteht, Puppen von den Machthabern derUSA, Rußlands und Chinas herzustellen. Sie haben richtig geraten:einen Monat lang werde ich jeden Tag Nadeln in ihre Köpfe stechen;wenn die mich nicht schlafen lassen, lasse ich sie auch nicht schla-fen. In gewissem Sinne ist das nichts weiter als Gerechtigkeit.

Tatsache ist, daß der Präsident der Vereinigten Staaten in denWochen darauf des öfteren über heftige Kopfschmerzen klagte; dieatheistischen Machthaber von Moskau und Peking hingegen warenweniger empfänglich für Magie. Kein Wort über schmerzhafte Sti-che wurde laut. Aber, warten Sie mal, es gibt da noch einen Darstel-ler in unserem Zirkus und er ist einer der intelligentesten und unauf-dringlichsten im ganzen Haufen – sein Name ist unaussprechlich,aber Sie können ihn getrost Howard nennen. Zufälligerweise kam erals Delphin zur Welt. Er schwimmt gerade durch die Ruinen von At-lantis, und es ist bereits der 10. April – ja, die Zeit vergeht … Ich binnicht sicher, was Howard dort unten sieht, aber irgend etwas machtihn unruhig und er beschließt, Hagbard Celine alles zu berichten.Nicht, daß ich zu diesem Zeitpunkt wüßte, wer Hagbard Celine ist.Machen Sie sich nichts draus; sehen Sie den Wellen zu, wie sie da-hinrollen, und seien Sie froh, daß es hier draußen bis jetzt kaumUmweltverschmutzung gibt. Sehen Sie, wie die goldene Sonne aufjeder Welle einen Glanz entfacht, der, merkwürdig genug, silbernzurückschimmert, und da, sehen Sie, sehen Sie, wie die Wogen da-hinrollen … ist es da nicht einfach, in einer Sekunde fünf StundenZeit zu überbrücken? Schon finden wir uns inmitten von Wiesenund Bäumen wieder … es gibt sogar ein paar fallende Blätter, umdem Bild einen Hauch von Poesie zu verleihen, bevor das Entsetzli-che geschieht. Wo sind wir überhaupt? Stunden entfernt, ich sagte esIhnen bereits – exakt fünf Stunden nach Westen, um noch genauerzu sein, im selben Augenblick, in dem Howard in Atlantis einen Pur-zelbaum schlägt, setzt Sasparilla Godzilla, Touristin aus Simcoe,Ontario (ihr widerfuhr das Mißgeschick, als Mensch zur Welt ge-kommen zu sein), zu steilem Sturzflug an und landet bewußtlos amBoden. Genau hier, auf dem Freigelände des AnthropologischenMuseums im Chapultepec Park, Mexico, D.F., und die anderen Tou-risten sind über den Kollaps der bedauernswerten Lady ziemlich au-ßer Fassung geraten. Später behauptete sie, es sei die Hitze gewesen.In wichtigen Dingen viel weniger anspruchsvoll als Nkrumah Fubar,dachte sie überhaupt nicht daran, mit irgend jemand darüber zu spre-

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chen oder sich selbst in Erinnerung zu rufen, was sie nun ausge-knockt hatte. Daheim in Simcoe sagten die Leute immer, HarryGodzilla habe da eine sensible Frau bekommen, als er Sasparilla hei-ratete, und in Kanada (oder den Vereinigten Staaten) empfiehlt essich, bestimmte Wahrheiten für sich zu behalten. Lassen Sie uns da-bei bleiben, daß sie ein gewisses hämisches und grimassenhaftes Lä-cheln über das Antlitz der gigantischen Tlaloc-Statue, des Regengot-tes, hatte huschen sehen oder daß sie es sich eingebildet hatte, es zusehen. Kein Mensch in Simcoe hatte jemals Vergleichbares gesehen;wahrlich, es werden noch wundersame Dinge geschehen.

Und wenn Sie wirklich meinen, die bedauernswerte Lady seiein ungewöhnlicher Fall, dann sollten Sie, nur bis zum Ende desMonats, einmal die Akten der Psychiater, sowohl der vom Staat an-gestellten wie auch der privaten, studieren. Berichte über ungewöhn-liche Angst und religiöse Manie bei Schizophrenen in den Nerven-anstalten schossen raketengleich gen Himmel; ganz gewöhnlicheMänner und Frauen kamen von der Straße weg geradewegs herein,um über Augen, die sie beobachteten, vermummte Gestalten, diesich von einem verschlossenen Raum in den anderen bewegten, ge-krönten Figuren, die unverständliche Befehle erteilten, über Stim-men, die Gottes oder des Teufels sein wollten, echtestes Hexen-gebräu also, zu klagen. Am gescheitesten wäre es, schriebe man alle Vorkommnisse den Nachwirkungen der Tragödie von FernandoPoo zu.

Das Telefon schellte um 2 Uhr 30 morgens. Am Morgen des 24.April. Benommen, beklommen, stumm fluchend, im Dunkeln su-chend, bemerke und erkenne ich einen Körper, ein Selbst, eine Auf-gabe. »Goodman«, sage ich, auf einen Arm gestützt, in den Hörerund noch immer komme ich wie von weit, weit her.

»Bombenanschlag und Mord«, tönt eine elektrifizierte Eunu-chenstimme aus dem Hörer. Ich pflege nackt zu schlafen (sorry),und ziehe mir jetzt mit der einen Hand Unterhosen und Hosen an,während ich mit der anderen eine Adresse notiere. Achtundsechzig-ste Straße Ost, nahe dem Sitz des Council on Foreign Relations(Amt für Auswärtige Angelegenheiten). »Schon unterwegs«, sageich, als ich den Hörer auflege. »Was ist?« murmelt Rebecca vomBett herüber. Auch sie ist nackt, und das weckt in mir ein paar heißeErinnerungen an wenige Stunden vorher. Ich denke, manch einervon Ihnen wird schockiert sein zu erfahren, daß ich über sechzig binund sie erst fünfundzwanzig. Daß wir verheiratet sind, macht nichtsbesser. Ich weiß …

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Dieser mein Körper ist noch ganz gut in Schuß für sein Alter,und wenn ich Rebecca so daliegen sehe, dann denke ich daran, wieschön es mit uns ist. In diesem Moment kann ich mich tatsächlichnicht einmal mehr daran erinnern, der Zirkusdirektor gewesen zusein. Schlaf und Traum lassen jedenfalls nur ein undeutliches Echonachklingen. Wie mechanisch küsse ich ihren Nacken, sie ist meineFrau, ich bin ihr Mann, und selbst als Inspektor bei der Mordkom-mission – M. K. Nord, um exakt zu sein – haben sich jegliche Anzei-chen, ein Fremder in diesem Körper zu sein, mit meinen Träumen inLuft aufgelöst. In dünne Luft.

»Was?« wiederholt Rebecca, immer noch mehr schlafend alswach.

»Wieder mal so ein paar bekloppte Radikale«, sage ich, als ichmir das Hemd anziehe, und ich weiß, daß in ihrem halbwachen Zu-stand eine Antwort so gut ist wie jede andere auch.

»Ach so«, sagt sie zufrieden und sinkt wieder in tiefen Schlaf.Ein bißchen Wasser ins Gesicht, wobei mich ein müder alter Mannaus dem Spiegel ansieht, und kurz mit der Bürste durchs Haar. Gera-de Zeit genug, daran zu denken, daß ich mich in nur wenigen Jahrenzur Ruhe setzen werde, Zeit genug, mich an eine bestimmte Injek-tionsnadel zu erinnern, an jenen Tag in den Catskills mit Sandra, mei-ner ersten Frau, damals als es dort oben noch reine Luft gab … So-cken, Schuhe, Schlips und Schlapphut … und ich werde nie aufhö-ren zu trauern … so sehr ich Rebecca auch liebte, hatte ich niemalsaufgehört, um Sandra zu trauern. Bombenanschlag und Mord …was für eine meshugana Welt … Können Sie sich daran erinnern, alsman wenigstens um drei Uhr morgens unbehelligt von Verkehrsstok-kungen durch New York fahren konnte? Die Zeiten sind vorbei. DieLastwagen, die den Tag über verbannt waren, lieferten ihre Warenjetzt aus. Man setzte bei jedermann voraus, daß er so tun würde, alswäre die Luftverschmutzung vor Anbruch des Morgens schon nichtmehr existent. Daddy pflegte zu sagen: »Saul, Saul … erst haben siedie Indianer fertiggemacht und jetzt machen sie sich selbst fertig.Goyische Narren.« Er hatte Rußland verlassen, um dem Pogrom von1905 zu entgehen, aber ich nehme an, er hat so allerhand gesehen,bevor er draußen war. Er kam mir damals wie ein zynischer alterMann vor, und ich selbst komme den anderen heute wie ein zyni-scher alter Mann vor. Kann sich da irgendeiner einen Vers drauf ma-chen?

Der Anschlag war auf eines jener alten Bürohäuser verübt wor-den und die Zuckerbäckerdekoration der Vorhalle war in Stücke ge-

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gangen, über den ganzen Boden verstreut. Im trüben Morgenlichtwurde ich an die düstere Atmosphäre um Charlie Chan im Wachsfi-gurenkabinett erinnert. Und als ich eintrat, schlug mir ein unglaubli-cher Gestank entgegen.

Ein Streifenpolizist, der in der Halle rumhing, nahm blitzartigHaltung an, als er mich erkannte. »Es hat die siebzehnte und einenTeil der achtzehnten Etage erwischt«, sagte er. »Und dazu eine Zoo-handlung hier im Parterre. Wohl irgend so’n dynamischer Freak.Sonst ist hier unten nichts weiter kaputtgegangen … bis auf die gan-zen Aquarien. Daher der unerträgliche Gestank.«

Aus dem Dunkel tauchte Barney Muldoon auf, ein alter Freundmit dem Blick und Gehabe eines Hollywood-Polypen. Ein harterBursche und überhaupt nicht so beschränkt wie er gern vorgab, des-halb war er auch Leiter der Abteilung Bombenattentate.

»Dein Baby, Barney?« fragte ich wie zufällig. »Sieht ganz so aus. Keine Toten. Dich haben sie angerufen,

weil im achtzehnten Stock eine Schneiderpuppe verbrannte und dieerste Streife, die hier ankam, dachte, es wäre eine menschliche Lei-che.«

(Warten Sie: George Dorn schreit auf…)Sauls Gesicht zeigte keine Reaktion auf die Antwort – aber die

Pokerspieler im Bruderorden der Polizei hatten schon lange den Ver-such aufgegeben, seine talmudische Miene zu ergründen. Ich wußteso gut wie Barney Muldoon, wie ich mich fühlen würde, hätte icheine Chance, diesen Fall einer anderen Abteilung zuzuschieben undkönnte zu einer so schönen Braut wie Rebecca Goodman nach Hau-se eilen. Ich lächelte zu Saul herab – bei seiner Größe würde ihn diePolizei heute gar nicht mehr einstellen, doch die Gesetze lautetenanders, als er jung war – und ich fügte schnell hinzu: »Trotzdemkönnte da was für dich dabeisein.«

Sein Schlapphut senkte sich, als Saul seine Pfeife aus der Ta-sche zog und sie zu stopfen begann: »Hm?«

»Im Augenblick«, fuhr ich fort, »verständigen wir gerade dieVermißtenabteilung, aber wenn das, was ich befürchte, wahr ist,wird die ganze Sache ohnehin auf deinem Schreibtisch landen.«

Er riß ein Streichholz an und begann zu paffen. »Einer, den manjetzt vermißt … mag am Morgen wieder da sein … unter den Leben-den …«, sagte er, während er an seiner Pfeife sog. Das Streichholzging aus.

»In diesem Fall vielleicht aber auch nicht«, sagte Muldoon. »Erist schon seit drei Tagen verschwunden.«

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»Ein Ire mit deinen Abmessungen kann kaum feinsinniger seinals ein Elefant«, sagte Saul matt. »Hör auf, mich zu quälen. Was hastdu bisher rausgekriegt?«

»Das Büro, das es getroffen hat«, erklärte Muldoon, offensicht-lich glücklich, die Misere mit jemandem teilen zu können, »warConfrontation. Ein Magazin, das ungefähr links von der Mitte liegt,und so war es wahrscheinlich ein Anschlag von rechts und nicht vonlinks. Interessant an der Sache ist, daß wir den Herausgeber, Joe Ma-lik, zu Hause nicht antreffen konnten, und als wir einen der Mither-ausgeber besuchten, was meinst du, was der uns erzählte? Malik ver-schwand vor drei Tagen. Sein Vermieter bestätigt das. Er selbst hatteversucht, Malik zu erreichen, weil es im Haus so ein Verbot fürHaustiere gibt und die anderen Mieter sich wegen seiner Hunde be-schwert hatten. Also, wenn da jemand spurlos verschwindet und an-schließend sein Büro in die Luft geht, könnte ich mir fast vorstellen,daß unter Umständen die Mordkommission auf die Sache aufmerk-sam wird. Meinst du nicht?«

Saul grunzte leise. »Könnte sein, könnte aber auch nicht sein«,sagte er. »Ich geh jedenfalls nach Hause. Morgen früh setze ich michdann mit der Vermißtenabteilung in Verbindung, um zu sehen, wasdie rausgekriegt haben.«

Der Streifenpolizist räusperte sich und sagte: »Wissen Sie, wasmir bei dieser Angelegenheit am meisten stinkt? Die ägyptischenMaulbrüter.«

»Die was?« fragte Saul.»Diese Zoohandlung«, erklärte der Polizist und zeigte zum an-

deren Ende der Vorhalle. »Ich hab mir mal den Schaden besehen. Siehatten wirklich die schönste Sammlung seltener tropischer Fische inNew York City. Sogar ägyptische Maulbrüter.« Er sah den fragendenAusdruck auf den Gesichtern der beiden Detektive und fügte fast re-signierend hinzu: »Wenn Sie keine Fische sammeln, dann könnenSie das gar nicht verstehen. Aber glauben Sie mir, einen ägyptischenMaulbrüter zu kriegen, ist heutzutage verdammt schwer, und diehier drin sind alle tot.«

»Maul-brüter?« fragte Muldoon ungläubig.»Ja … sehen Sie, ihre Jungen behalten sie nach der Geburt noch

ein paar Tage im Maul und es kommt niemals vor, daß sie sie ver-schlucken. Das ist ja das aufregende beim Halten von Zierfischen:man lernt die Wunder der Natur würdigen.« Muldoon und Saul sa-hen sich an. »Es ist inspirierend«, sagte Muldoon schließlich, »beider Polizei so viele College-Absolventen zu haben.«

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Der Aufzug öffnete sich, und heraus trat Dan Pricefixer, ein rot-schopfiger junger Mann, Detektiv aus Muldoons Stab, eine Metall-schachtel in der Hand.

»Ich denke, das hier ist interessant, Barney«, begann er unver-züglich, wobei er Saul kurz zunickte. »Verdammt interessant. Ichfand diese Schachtel in den Trümmern und an einer Ecke war sie et-was aufgegangen; so sah ich hinein.«

»Und?« fragte Muldoon rasch. »Es ist das verrückteste Bündel von internen Mitteilungen, das

mir jemals unter die Augen gekommen ist. So daneben wie ein Pfaf-fe mit Titten.«

Das wird eine lange Nacht, kam es Saul plötzlich in den Sinn,begleitet von einem Gefühl sinkender Stimmung. Eine lange Nachtund ein schwieriger Fall dazu.

»Mal reinschnuppern?« fragte Muldoon ihn mit hämischerStimme.

»Suchen Sie sich besser einen Platz zum Hinsetzen«, fügte Pri-cefixer hinzu. »Es wird einige Zeit kosten, da durchzukommen.«

»Gehen wir rüber zur Cafeteria«, schlug Saul vor.»Sie können sich gar nicht vorstellen«, wiederholte der Polizist,

»der Wert eines ägyptischen Maulbrüters…«»Es ist für jede Nationalität hart, Mensch oder Fisch«, sagte

Muldoon und machte dabei einen seiner seltenen Versuche, SaulsSprechweise zu imitieren. Er und Saul wandten sich der Cafeteria zuund ließen den Streifenpolizisten leicht verstört zurück.

Sein Name ist James Patrick Hennessy und seit drei Jahren ist erbei der Polizei. In diesem Buch wird er nicht mehr auftauchen. Er hat-te einen fünfjährigen, etwas zurückgebliebenen Sohn, den er abgöt-tisch liebte; ein Gesicht wie das seine kann man jeden Tag tausendfachauf der Straße sehen und nie wird man dahinterkommen, wie tapfersolche Leute ihr Schicksal ertragen … und George Dorn, der ihn ir-gendwann mal umlegen wollte, schreit noch immer … Barney undSaul aber sind jetzt in der Cafeteria. Sehen Sie sich mal um: Der Über-gang von der gotischen Vorhalle in die grelle Plastikcafeteria vollzogsich fast wie auf einem Trip. Auch sind wir jetzt noch näher an derZoohandlung … aber machen Sie sich besser nichts aus dem Gestank.

Saul nahm seinen Hut ab und fuhr sich nachdenklich durchsgraue Haar, während Muldoon die ersten zwei Memos rasch über-flog. Als er sie gereicht bekam, setzte er seine Brille auf und las sielangsam auf die ihm eigene Weise methodisch und nachdenklichdurch. Halten Sie Ihre Hüte fest. Und sehen Sie sich’s mal selber an:

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ILLUMINATEN-PROJEKT: MEMO #1 23.7.

J. M.:

Der erste Hinweis, den ich fand, steht in Violence von Jacques Ellul(Seabury Press, New York, 1969). Er sagt (Seite 18–19), daß die Illu-minaten im 11. Jahrhundert durch Joachim von Floris gegründetwurden und ursprünglich eine Lehre der Armut und Gleichheit ver-breiteten. Später aber, im 15. Jahrhundert, wurden sie unter der Füh-rung des Fra Dolcino gewalttätig, plünderten die Reichen und ver-kündeten die bevorstehende Herrschaft des Geistes. »1507«, soschließt er, »wurden sie von den ›Ordenskräften‹ – von einer Armee,die der Bischof von Vercueil befehligte – geschlagen.« Er macht kei-nerlei Angaben über irgendeine Bewegung der Illuminaten, weder inden vorangegangenen Jahrhunderten noch in neuerer Zeit.

Später am Tag werde ich noch mehr wissen.Pat

P. S. In einer alten Ausgabe der National Review habe ich noch et-was über Joachim von Floris gefunden. William Buckley und Kon-sorten denken, Joachim sei verantwortlich für den modernen Libera-lismus, Sozialismus und Kommunismus; sie verdammen ihn in ge-wählter, theologischer Sprache. Sie beschuldigen ihn der Ketzerei,»das christliche Eschaton verwirklichen zu wollen«. Willst du, daßich das mal in einer technischen Abhandlung über Thomismus nach-schlage? Ich glaube, es bedeutet ungefähr sowas wie den Weltunter-gang voranzutreiben.

ILLUMINATEN-PROJEKT: MEMO #2 23.7.

J. M.:

Meine zweite Quelle war etwas ergiebiger: Akron Daraul, A Historyof Secret Societies (Citadel Press, New York, 1961). Daraul verfolgtdie Illuminaten ebenfalls bis ins 11. Jahrhundert zurück, nicht aberauf Joachim von Floris. Er sieht den Ursprung in der IsmailitischenSekte des Islam, auch bekannt als Orden der Assassinen. Diese wurdeim 13. Jahrhundert besiegt, hatte später jedoch ein Comeback, mit ei-ner neuen, weniger zu Gewalttätigkeit neigenden Philosophie, und

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entwickelte sich schließlich zur heutigen, vom Aga Khan geleitetenIsmailitischen Sekte. Im 16. Jahrhundert aber eigneten sich die Illu-minaten Afghanistans (die Roshinaya) die ursprünglichen Taktikendes Assassinenordens an. Sie wurden von mit den Persern vereintenMongolen vertrieben (Seite 220–223). Aber: »Das beginnende sieb-zehnte Jahrhundert erlebte die Gründung der Illuminaten Spaniens –den Aillumbrados, die durch ein Verdikt der Großen Inquisition von1623 verdammt wurden. 1654 wurde die französische Öffentlichkeitauf die ›erleuchteten‹ Guerinets aufmerksam.« Und schließlich – dieStelle, die dich am meisten interessieren wird – wurden die bayri-schen Illuminaten am 1. Mai 1776 von Adam Weishaupt, einem ehe-maligen Jesuiten, in Ingolstadt gegründet. »Noch heute vorhandeneDokumente weisen in verschiedenen Punkten Ähnlichkeiten zwi-schen den Illuminaten Deutschlands und Zentralasiens auf: Ähnlich-keiten, die man schwerlich bloßen Zufällen zuschreiben kann.« (Seite255) Weishaupts Illuminaten wurden 1785 von der bayrischen Regie-rung verboten; Daraul erwähnt auch die Illuminaten im Paris der acht-ziger Jahre des 19. Jahrhunderts, weist aber darauf hin, daß es nichtsweiter als eine vorübergehende Modeerscheinung war. Den Hinweisauf auch heute noch existierende Illuminaten lehnt er ab.

Langsam fängt es an interessant zu werden. Warum verschwei-gen wir George Einzelheiten?

Pat

Saul und Muldoon sahen sich an. »Laß uns mal das nächste Ding se-hen«, sagte Saul. Muldoon und er lasen zusammen:

ILLUMINATEN-PROJEKT: MEMO #3 24.7.

J. M.:

The Encyclopedia Britannica weiß wenig zum Thema zu sagen(Ausgabe von 1966, Vol. II, »Helicar-Impala«, Seite 1094):

Illuminaten, Mitglieder einer kurzlebigen Bewegung republika-nischer Freidenker, von Adam Weishaupt am 1. Mai 1776 gegründet,einem Professor für kanonisches Recht in Ingolstadt und ehemaligemJesuiten. Ab 1778 nahmen sie Kontakt zu verschiedenen Freimaurer-logen auf, innerhalb derer sie auf Betreiben A. Knigges (q.v.), einemihrer Hauptkonvertiten, einflußreichste Positionen gewannen …

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Das System selbst übte eine starke Anziehungskraft auf Litera-ten, wie Goethe und Herder, und sogar auf die regierenden Fürstenvon Gotha und Weimar aus …

Die Bewegung hatte mit internen Meinungsverschiedenheitenzu kämpfen und wurde 1785 durch einen Erlaß der bayrischen Re-gierung endgültig verbannt.

Pat

Saul legte eine Pause ein. »Ich wette mit dir, Barney«, sagte er ruhig,»dieser spurlos verschwundene Joe Malik ist der J. M., für den dieseNotizen geschrieben wurden.«

»Sicher«, entgegnete Muldoon spöttisch. »Diese Illuminatengibt’s immer noch und sie haben ihn sich geschnappt. So wahr mirGott helfe, Saul«, fügte er hinzu, »ich schätze die Art, wie dein Ver-stand normalerweise den Tatsachen vorausgaloppiert. Doch kannstdu einem Verdacht nicht allzu weit folgen, wenn du bei Null anfan-gen mußt.«

»Wir fangen nicht bei Null an«, sagte Saul sanft. »Laß dir sa-gen, von wo wir ausgehen können. Erstens« – er hielt einen Fingerin die Luft – »der Bombenanschlag auf dieses Gebäude« – dernächste Finger – »ein leitender Angestellter verschwand drei Tagevor dem Anschlag. Daraus ergeben sich bereits eine oder sogar zweiFolgerungen: Irgend etwas hat ihn erwischt oder er wußte, daß etwasDrohendes auf ihn zukam und machte sich aus dem Staube. Werfenwir jetzt einen Blick auf die Notizen. Punkt Nummer drei« – er hielteinen weiteren Finger hoch – »ein Standardnachschlagewerk, dieEncyclopedia Britannica, scheint bei der Angabe, wann die Illumi-naten ins Leben gerufen wurden, fehlzugehen. Sie geben fürDeutschland das achtzehnte Jahrhundert an, aber die anderen Me-mos verfolgen sie zurück bis – lass’ mal sehen – Spanien im sieb-zehnten Jahrhundert, Frankreich im siebzehnten Jahrhundert, dannim elften Jahrhundert zurück bis nach Italien und halb um die Weltherum bis nach Afghanistan. So haben wir eine weitere Schlußfolge-rung; wenn die Britannica unrichtige Angaben darüber macht, wanndie ganze Sache ihren Anfang nahm, können sie sich auch dabei ir-ren, wann sie aufhörte. Nun nimm diese drei Punkte und die beidenSchlußfolgerungen einmal zusammen …«

»Und die Illuminaten schnappten sich den Herausgeber undjagten sein Büro in die Luft. Quatsch. Ich glaube immer noch, dubist zu schnell.«

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»Mag sein, daß ich nicht schnell genug bin«, sagte Saul. »EineOrganisation, die mindestens ein paar Jahrhunderte existiert hat unddie meiste Zeit über ihre Geheimnisse wohl zu hüten wußte, könnteinzwischen schon ganz schön mächtig sein.« Er verlor sich inSchweigen und schloß die Augen, um sich besser konzentrieren zukönnen. Einen Augenblick später sah er seinen jüngeren Kollegenfragend an.

Auch Muldoon hatte nachgedacht. »Ich habe Männer auf demMond landen sehen«, sagte er. »Ich habe Studenten in Büros derUniversität einbrechen und in den Papierkorb des Dekans scheißensehen. Ich habe sogar Nonnen in Miniröcken gesehen. Aber diese in-ternationale Verschwörung, die achthundert Jahre lang im geheimenexistierte … das ist so, als würdest du in deinem eigenen Haus eineTür öffnen und James Bond und den Präsidenten der VereinigtenStaaten dastehen und ihren Konflikt mit Fu Manchu und den fünfMarx Brothers mit ’nem Colt austragen sehen.«

»Das versuchst du dir selbst einzureden, Barney. Es liegt dochso klar auf der Hand, daß es ein Blinder ohne Krücken sehen kann.Es gibt einen Geheimbund, der der internationalen Politik ständigeins verpaßt. Intelligente Köpfe haben das zu allen Zeiten vermutet.Keiner will mehr Krieg, doch gibt es ständig weiterhin Krieg– war-um? Sieh dir das mal genau an, Barney – das hier ist haargenau derschwere Fall, der uns in all unseren Alpträumen verfolgte. Gußei-sern. Wär es ’ne Leiche, würden sich alle sechs Sargträger bei derBeerdigung ’nen doppelten Bruch heben. Nun?« schloß Saul.

»Nun … entweder müssen wir etwas unternehmen oder runtervom Töpfchen, wie meine selige Großmutter zu sagen pflegte.«

Es war in jenem Jahr, in dem man schließlich das Eschaton im-manentisieren wollte. Am 1. April gerieten die Weltmächte näher aneine nukleare Auseinandersetzung als jemals zuvor, und alles wegeneines unbekannten Eilands, Fernando Poo. Aber während die Blickealler anderen sich mit Besorgnis und verzweifelter Hoffnung auf dasUN-Gebäude richteten, lebte in Las Vegas eine außergewöhnlicheFigur, bekannt als Carmel. Sein Haus lag in der Date Street und ge-währte einen großartigen Ausblick auf die Wüste, den er sehrschätzte. Er liebte es, stundenlang damit zuzubringen, über das wil-de, mit Kakteen bestandene Ödland zu starren, obgleich er selbstnicht wußte warum. Hätte man ihm erzählt, daß er der Menschheitsymbolisch den Rücken zukehrte, würde er es nicht verstehen nochwürde er sich beleidigt fühlen; die Bemerkung wäre für ihn voll-kommen irrelevant. Hätte man hinzugefügt, er sei selbst eine Krea-

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tur der Wüste, wie etwa das Gilamonster oder die Klapperschlange,würde es ihn höchstens langweilen und er würde einen als Narrenbezeichnen. Für Carmel waren die meisten Menschen auf der WeltNarren, die ständig bedeutungslose Fragen stellten und sich bei Ne-bensächlichkeiten aufhielten; nur ein paar wenige, und er war einervon ihnen, hatten entdeckt, was wirklich wichtig war – Geld – unddem jagte er unbeirrt und skrupellos nach. Seine großen Augenblik-ke waren jene wie in dieser Nacht des 1. April, wenn er dasaß undseine Monatseinnahmen zusammenrechnete und dabei gelegentlichaus seinem Panoramafenster über die flache, sandige Landschaftschaute, die vom Licht der Stadt hinter ihm schwach erhellt wurde.In dieser physischen und emotionalen Wüste empfand er so etwaswie Glückseligkeit oder etwas so dicht an Glückseligkeit, wie er esempfinden konnte. Seine Mädchen hatten im März 46 000 Dollarverdient, davon nahm er 23 000 Dollar für sich; nachdem er zehnProzent an die Bruderschaft abgeführt hatte, um unbelästigt von Ba-nana Nose Maldonados Soldaten operieren zu können, blieben ihmnoch runde 20 700 Dollar. Alles steuerfrei. Little Carmel, ein Meterfünfzig groß und mit dem Gesicht einer melancholischen Ratte,strahlte, als er mit seinen Berechnungen fertig war; sein Gefühlszu-stand war ebenso schwierig in Worte zu fassen wie der eines Nekro-philen, der gerade in die städtische Leichenhalle eingebrochen war.Er hatte mit seinen Mädchen alle möglichen sexuellen Kombinatio-nen ausprobiert; keine verursachte ihm den Nervenkitzel, den er hat-te, wenn er am Ende des Monats auf eine solche Summe blickenkonnte.

Er wußte nicht, daß er, noch vor dem 1. Mai, weitere fünf Mil-lionen Dollar haben und ganz nebenbei das wichtigste menschlicheWesen auf Erden werden würde. Hätte man ihm dieses zu erklärenversucht, hätte er alles andere beiseite gefegt und nichts weiter ge-fragt als: »Die fünf Millionen – wieviele Kehlen muß ich durch-schneiden, um da mitzumischen?«

Aber warten Sie mal: Kramen Sie den Atlas hervor und schla-gen Sie Afrika auf. Folgen Sie mit Ihren Augen der Westküste, hin-unter bis Äquatorial-Guinea. Halten Sie an der Krümmung inne, woein Teil des Atlantischen Ozeans eine Biegung nach innen machtund die Bucht von Biafra bildet. Sie werden eine Kette kleiner In-seln finden und weiterhin entdecken, daß eine von ihnen FernandoPoo ist. Dort, in der Hauptstadt Santa Isobel, studierte HauptmannErnésto Tequilla y Mota während der frühen siebziger Jahre auf-merksam Edward Luttwaks Coup d’Etat: A Practical Handbook und

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Robert Anton Wilson, Robert Shea

IlluminatusDas Auge in der Pyramide - Der Goldene Apfel - Leviathan

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, ca. 880 Seiten, 14,0 x 21,5 cmISBN: 978-3-7205-2320-2

Kailash

Erscheinungstermin: März 2002