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1 ROMEO UND JULIA Begleitmaterialien für den Unterricht

ROMEO UND JULIA...Goethe. Bellini schrieb eine Oper mit dem Titel «I Capuleti ed i Montecchi» (1830). Vielbeachtet ist auch Gottfried Kellers «Romeo und Julia auf dem Dorfe» (1856)

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ROMEOUND JULIA

Begleitmaterialien für den Unterricht

Opernhaus Zürich AGFalkenstrasse 1CH-8008 ZürichT +41 44 268 64 00www.opernhaus.ch

ROMEOUND JULIA

Ballett von Christian Spuck in drei Akten nach der Tragödie von William ShakespeareMusik von Sergej Prokofjew (1891-1953)

Choreografische Uraufführung

Première 13. Oktober 2012Dauer: ca. 120 Minuten

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ROMEO UND JULIABallett von Christian Spuck in drei Akten nach der Tragödie von William Shakespeare

Musik von Sergej Prokofjew (1891-1953)Choreografische Uraufführung

Première 13. Oktober 2012Dauer: ca. 120 Minuten

Besetzung

Choreografie Christian SpuckDirigent Michail JurowskiBühnenbild Christian SchmidtKostüme Emma RyottLichtgestaltung Reinhard TraubDramaturgie Michael Küster

1. Besetzung: 2. Besetzung: 13., 14., 18., 21. Okt. 26., 28. Okt., 2. Nov., 2. Dez. Graf Capulet Manuel Renard Cristian Alex AssisGräfin Capulet Eva Dewaele Juliette BrunnerJulia Katja Wünsche Yen HanTybalt Cristian Alex Assis Tigran MkrtchyanJulias Amme Viktorina Kapitonova Galina Mihaylova Romeo William Moore Olaf KollmannspergerMercutio Egor Menshikov Daniel MulliganBenvolio Daniel Mulligan Christopher ParkerParis Jan Casier Nathan ChaneyPater Lorenzo Filipe Portugal Manuel Renard

Ballettmeister Jean-François Boisnon Chris Jensen François PetitKorrepetitoren Christophe Barwinek Luigi LargoInspizienz Lorenz JustBühnenbild-Assistenz Florian SchaafKostüm-Assistenz Elke Scheuermann

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Romeo und Julia - Wer kennt es nicht, das berühm-teste Liebespaar der Literaturgeschichte? Romeo und Julia stammen aus zwei bis auf den Tod verfein-deten Familien. Inmitten dieses offen ausgetragenen Konflikts hat ihre junge Liebe keine Chance. Die gros-se Verliebtheit mündet schliesslich in todesmutiger Radikalität, und beide müssen am Ende mit ihrem Leben für diese Liebe bezahlen.

Die vorliegenden Begleitmaterialien zum Ballett Romeo und Julia richtet sich an Lehrpersonen der Oberstufe, die mit ihren Schülerinnen und Schülern eine Vorstellung des Ballett Zürich besuchen und diese vor- oder nachbereiten möchten.

In diesen Materialien finden Sie Informationen über den Romeo-und-Julia-Stoff, sowie Hintergründe über das Handlungsballett und insbesondere zur choreo-grafischen Neufassung von Christian Spuck. Ausser-dem erhalten Sie Anregungen zur Vor- und Nach-bereitung des Ballettbesuches für den Unterricht.

Wenn Sie Fragen zu diesen Materialien oder zum Ballett von Romeo und Julia haben oder wenn Sie uns Ihre Kritik und Anmerkungen mitteilen möchten, können Sie sich gerne mit uns in Verbindung setzen.

Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen und wün-schen Ihnen und Ihren Schülerinnen und Schülern einen anregenden Besuch im Opernhaus Zürich!

Kontakt:

Bettina HolzhausenVermittlung Ballett ZürichMail: [email protected]. 044 259 58 26

Roger LämmliLeiter Musik|Theater|PädagogikMail: [email protected]. 044 268 64 35

Opernhaus ZürichFalkenstrasse 1CH - 8008 Zürich

www.opernhaus.ch

VORBEMERKUNgEN

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Seite Inhalt 4 Vorbemerkungen 5 Inhaltsverzeichnis 6 Einführung 7 Inahltsangabe 8 Eine Tragödie von Shakespeare 8 _ William Shakespeare 9 – Romeo und Julia neu übersetzt 11 _ Romeo und Julia – ein Handlungsballett? 13 Ballett-Musik von Sergej Prokofjew 15 Neufassung von Christian Spuck 15 _ Interview mit Christian Spuck 18 – Lebenslauf von Christian Spuck 19 _ Was ist ein Choreograf ? – Interview mit Christian Spuck 22 Porträt von Tänzern des Ballett Zürich 25 – Wahre Liebe ist bedingungslos Portät über William Moore (Solotänzer) 27 Die Ausstattung 27 _ Das Bühnenbild von Christian Schmidt 28 _ Die Kostüme von Emma Ryott 29 _ Wie machen SIe das, Herr Bogatu? 30 Besuch in den Werkstätten 30 _ Die Kostümschneiderei 31 _ Wie entstehen die Kostüme einer Neuproduktion? 32 Ideen für den Unterricht 32 – Familienaufstellung 34 _ Bilder zum Thema «Liebe» 37 _ Aktuelle Rome-und-Julia-Geschichten 39 _ Drohgebärden-Ballett 40 _ Ideen und Fragen zur Diskussion über das Stück als Nachbereitung des Vorstellungsbesuchs 41 Kleines Tanzlexikon 46 Merkblatt zum Vorstellungsbesuch im Opernhaus Zürich 47 Quellenangaben, Literatur- und Filmverweise

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So heisst es in William Shakespeares berühmter Tra-gödie Romeo und Julia, in der die Kraft der Liebe zwei junge Menschen über sich hinauswachsen lässt. Doch Romeo und Julia stammen aus zwei bis auf den Tod verfeindeten Familien. Ihre Verbindung steht von Beginn an unter einem unglücklichen Stern, und so müssen sie am Ende mit ihrem Leben für diese Liebe bezahlen.

Wie kaum ein anderer Stoff hat Shakespeares Theaterstück Generationen von Künstlern zu Bear-beitungen inspiriert. Besonders im 20. Jahrhundert häuften sich die Versuche, mit Mitteln des Tanzes und der Pantomime die Geschichte dieser heimlich aufblühenden und unerfüllt bleibenden Liebe zu ge-stalten. Heute mag man kaum glauben, dass Sergej Prokofjews Musik zu Romeo und Julia vom Moskauer Bolschoi-Theater als zu wenig tänzerisch abgelehnt wurde. Mit seiner farbigen, glutvollen Musik hat Prokofjew das Wesentliche dieser Tragödie, nämlich das Aufeinanderprallen von Liebe und Hass und das Nebeneinander von Zärtlichkeit und Gewalt, auf ge-niale Weise eingefangen. Sergej Prokofjew knüpft an die großen Ballettmusiken Tschaikowskis an. Seine Komposition enthält eine Serie zündender Einfälle, die im Ohr haften bleiben und sich einprägen.

Nicht zuletzt deshalb ist Romeo und Julia heute aus dem internationalen Ballettrepertoire nicht mehr wegzudenken. Viele grosse Choreografen des 20. Jahr hunderts haben eigene Fassungen von Romeo und Julia geschaffen: Frederick Ashton (1955), John Cranko (1958), Kenneth MacMillan (1965), Heinz Spoerli (1977), Angelin Preljocaj (1990) oder die freie Interpretation des Stoffs durch Leonard Bern-stein (Musik) und Jerome Robbins (Choreografie) als Westside Story, um nur einige zu nennen.

Christian Spuck stellt sich mit Romeo und Julia zu Beginn seiner ersten Saison als Ballettdirektor einer der grössten Herausforderungen für einen Choreo-grafen. Inspiriert von der bildhaften Musik Prokof-jews und der zeitlosen Aktualität der Shakespeare-Tragödie wird er seine Sicht auf die bewegendste Liebesgeschichte der Weltliteratur auf die Bühne des Opernhauses Zürich bringen.

EINfühRUNg«Liebe – ein zartes Ding?

Sie ist zu grob, zu roh, zu wild und sticht wie Disteldornen.»

«Spuck ist ein moderner Geschichten- erzähler, der aus den noch so

verschmockten literarischen Vorlagen Zeitgenossenschaft klopft. Strapaziös

ist das zuweilen, fordernd immer, doch dieser Mann strapaziert das Genre

mit Genuss, und Genuss ist auch der Gewinn für das Publikum.»Die Zeit / Daniele Muscionico, 28.2.2012

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handlung

Zwischen den Familien Montague und Capulet herr-schen unüberbrückbarer Hass und unversöhnliche Feindschaft. Romeo, Sohn des Grafen Montague, und Julia, Tochter des Grafen Capulet, begegnen sich zum ersten Mal auf einem Ball der Capulets, den Romeo maskiert besucht, und werden von der Liebe wie von einem Blitz getroffen. Sie lassen sich heimlich vom Franziskanerpater Lorenzo trauen, der sich von dieser Hochzeit die Versöhnung der Familien verspricht.Tybalt, ein Capulet, beleidigt auf dem Marktplatz Romeo, um einen Kampf zu provozieren. Anstelle von Romeo, der Frieden mit den Capulets will, kämpft sein Freund Mercutio. Als Romeo zwischen die Kämpfenden tritt, wird Mercutio von Tybalt töd-lich verwundet. Romeo, der daraufhin den Capulet ersticht, wird vom Herzog von Verona aus der Stadt verbannt.Bevor er nach Mantua flieht, verbringt er heimlich seine Hochzeitsnacht bei Julia.

Als Julia von ihrem Vater zur Heirat mit dem Gra-fen Paris gezwungen wird, bittet sie Pater Lorenzo um Hilfe. Dieser gibt ihr einen Trunk, der sie in ei-nen todesähnlichen Schlaf versetzt. Pater Lorenzos Bote, der Romeo über die Ereignisse unterrichten soll, wird aufgehalten. Die Nachricht vom vermeint-lichen Tode Julias erreicht den ahnungslosen Romeo hingegen und verzweifelt kehrt er nach Verona zurück.In der Familiengruft trifft Romeo auf den dort einsam trauernden Grafen Paris . Im Kampf tötet Romeo den Grafen und bringt sich schliesslich am Sarkophag der tot geglaubten Julia selbst um. Pater Lorenzo, inzwischen darüber unterrichtet, dass sein Bote Romeo nicht erreicht hat, kommt leider zu spät zur Gruft: Die erwachende Julia küsst Romeo und tötet sich mit seinem Dolch. Die Capulets und Montagues betrauern ihre Kinder und beenden den Familienstreit.

INhALTSANgABE

PersonenZwei verfeindete Familien

familie MontagueGraf Montague Gräfin MontagueRomeo, ihr SohnMercutio, Verwandter des Fürsten und Freund RomeosBenvolio, Vetter Romeos

familie CapuletGraf CapuletGräfin CapuletJulia, ihre TochterTybalt, Vetter Julias Julias Amme

Graf Paris, Verwandter des Fürsten von Verona und Wunschkandidat der Eltern für JuliaBruder Lorenzo, Franziskanermönch , berät und hilft Romeo und JuliaFürst von Verona

Ort und ZeitVerona, 15. Jahrhundert

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Der englische Dramatiker, Lyriker und Schauspieler William Shakespeare zählt, insbesondere als Dramati-ker, zu den größten Dichtern aller Zeiten. Seine schöp-ferische Sprachkraft, seine meisterhafte psychologi-sche Gestaltung in der Personencharakterisierung und seine Weiterentwicklung in der literarischen Form begründen seine überzeitliche Bedeutung und sei-nen Weltruf als Dramendichter. Seine Komödien wie «Ein Sommernachtstraum» (1595/96) oder «Der Kaufmann von Venedig» (1596), seine Romanzen wie «Ein Wintermärchen» (1609) und seine Tragö-dien «Romeo und Julia» (1595), «Othello» (1604) oder «König Lear» (1605) markieren allesamt Höhepunkte der Weltliteratur.

Seine literarischen Figuren und Geschichten folgten vielmals zeitgenössischen oder historischen Vorbil-dern. So auch im Fall von Romeo und Julia: Erstmals greifbar ist der Romeo-und-Julia-Stoff 1476 im No-vellino des Italieners Masuccio von Salerno, der die Handlung rund um seine Protagonisten Mariotto und Gianozza in Siena verortet. Luigi da Porto nahm die Geschichte 1525 wieder auf, und hier erscheinen erst-mals die Namen Romeo und Julia, die den verfein-deten Familien Montecchi und Cappelletti in Verona angehören. Weitere Fassungen des Stoffs folgten in Italien, Frankreich und durch Arthur Brooke 1562 auch in England. Dieser fügte die humoristische Figur der Amme hinzu. Wahrscheinlich ist Brookes Text die di-rekte Quelle für diese Shakespeare-Tragödie.

Der genaue Entstehungszeitpunkt dieses Trauer-spiels ist unsicher, mutmasslich zwischen 1591 und 1596. Es gibt im Wesentlichen zwei Ausgaben, die die Grundlage für heutige Texteditionen bilden: Die erste Quarto-Ausgabe von 1597, die sogenannte schlechte Ausgabe, wurde möglicherweise aus dem Gedächt-nis von Schauspielern rekonstruiert und weist bedeu-tende Kürzungen, grobe Abweichungen, metrische Fehler, Wiederholungen u.ä. auf. Die zweite Quarto-Ausgabe von 1599, die sogenannte gute Ausgabe, ba-siert vermutlich direkt auf Shakespeares Manuskript, enthält aber ebenfalls eine Reihe zweifelhafter Pas-sagen. Romeo und Julia war von Anfang an ein sehr beliebtes Stück.

In der Nachfolge versuchten sich weitere Autoren an Bearbeitungen des Stoffs, darunter 1812 auch Goethe. Bellini schrieb eine Oper mit dem Titel «I Capuleti ed i Montecchi» (1830). Vielbeachtet ist auch Gottfried Kellers «Romeo und Julia auf dem Dorfe» (1856). Im Laufe des 20. Jahrhunderts ent-standen auch humoristische Fassungen wie etwa Peter Ustinovs «Romanoff and Juliet» (1956). Bis in die Gegenwart hat der Stoff um die tragische Liebe nichts von seiner Faszination verloren, was verschie-dene Künstler veranlasst, immer wieder neue Bear-beitungen zu schaffen. Zu erwähnen sind etwa das Musical «Westside Story» von Leonard Bernstein oder die Verfilmung von Baz Luhrmann (1996) mit Leo-nardo di Caprio und Claire Danes als Romeo und Julia.

EINE TRAgöDIE VON ShAKESPEAREWilliam Shakespeare (1564-1616)

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ROMEO UND JULIA NEU üBERSETZTDie «neue» deutsche Übersetzung von Frank Günther (1995)

Seit 1995 liegt eine neue deutsche Übersetzung von Shakespeares Romeo und Julia von Frank Günther vor. Bisher wurde mehrheitlich die deutsche Über-setzung von August Wilhelm von Schlegel aus dem Jahr 1843/44 gelesen. Diese ist natürlich sprachlich im 19. Jahrhundert anzusiedeln und war auch von damaligen Moralvorstellungen und gesellschaft-lichen Normen geprägt. Die Tragödie um Romeo und Julia wurde lediglich als romantische, schöne und tränenselige Liebesgeschichte wahrgenommen. Shakespeares Text ist aber widerborstiger und frag-würdiger komponiert. Die Übersetzung von Frank

Drei Textbeispiele

August Wilhelm von Schlegel (1844) frank günther (1995)I. Akt, 1. Szene: Simson: Auf mein Wort, Gregorio, wir wollen nichts

in die Tasche stecken.Gregorio: Freilich nicht, sonst wären wir Taschen-

spieler. Simson: Ich meine, ich werde den Koller kriegen und

vom Leder ziehn. Gregorio: Ne, Freund! Deinen ledernen Koller musst

du beileibe nicht ausziehen. Simson: Ich schlage geschwind zu, wenn ich aufge-

bracht bin.Gregorio: Aber du wirst nicht geschwind aufge-

bracht.Simson: Ein Hund aus Montagues Haus bringt mich

schon auf.

I. Akt, 1. Szene: Simson: Das sag ich dir, Gregor, wenn die uns an-

pflaumen, da werden keine kleinen Bröt-chen gebacken.

Gregor: Nein, da wärn wir Backpflaumen.Simson: Ich meine, wenn die Pflaumen uns eine

reinsemmeln, dann mach ich die zur Mücke.

Gregor: Genau, dann machst du die Mücke.Simson: Wenns mich reisst, da kenn ich nichtsGregor: Ich kenne aber nichts, was dich reisst. Simson: Schon ein Köter von Montagues der reisst

mich fort!

II. Akt, 2. Szene:Julia: O Romeo, leg deinen Namen ab und für

den Namen, der dein Selbst nicht ist, nimm meines ganz!

Romeo: Ich nehme dich beim Wort. Nenn Liebster mich, so bin ich neu getauft und will hinfort nicht Romeo mehr sein.

II. Akt, 2. Szene:Julia: Romeo, lass den Namen! Und für den Namen, der dich nicht

besitzt, Besitze mich!Romeo: Ich nehme dich beim Wort. Nenn mich Geliebter, und du taufst mich

neu. Von da an will ich nie mehr Romeo sein.

Günther überträgt die Sprache Shakespeares in modernes Deutsch und integriert auch zotige und anrüchige Textpassagen, die Schlegel in seiner Über-setzung weggelassen hatte. Günther erzählt die Ge-schichte als wildes Konzert realistischer Stimmen, das in den widersprüchlichsten und schrillsten Ton-arten über das Thema «Liebe» in allen Variationen und Facetten berichtet.

Die zeitgemässe Übersetzung von Frank Günther er-öffnet für die Lektüre und die Rezeption von Romeo und Julia ganz neue Erfahrungen und Eindrücke.

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III. Akt, 5. Szene:Julia: Es tagt, es tagt! Auf! Eile! Fort von hier! Es ist

die Lerche, die so heiser singt. Und falsche Weisen, rauen Misston gurgelt. Man sagt, der Lerche Harmonie sei süss; nicht diese: sie zerreisst die unsere ja. Die Lerche, sagt man, wechselt mit der Kröte die Augen; Möchte sie doch auch die Stimme! Die Stimm‘ ist’s ja, die Arm aus Arm uns schreckt, dich von mir jagt, da sie den Tag erweckt. Stets hell und heller wird’s: wir müssen scheiden.

III. Akt, 5. Szene:Julia: Nein, Tag ist! Tag ist! Fort, nur fort von hier!

Es ist die Lerche, die so scheusslich singt, so unmelodisch kreischt, mit schrillen Tönen! Man sagt, die Lerche hält so schön den Takt. Falsch! Ohne Taktgefühl ist, wer uns trennt. Der Lerche wünsch ich ihr dazu die Krötenstimme, weil ihre Stimm uns auseinan der quakt. Ihr Jagdruf, der den Tag weckt, dich verjagt. Nun geh! Hell wird’s und heller weit und breit.

August Wilhelm von Schlegel frank güntherII. Akt, 1. Szene:Mercutio:Nun sitzt er wohl, an einen Baum gelehnt, Und wünscht, sein Liebchen wär‘ die reife Frucht Und fiel‘ ihm in den Schoss. (Die vierte und fünfte Zeile des Originaltexts hat Schlegel weggelassen.)

II. Akt, 1. Szene:Mercutio:Jetzt sitzt er unter einem Zwetschgenbaum Und träumt von seinem liebsten Früchtchen und Von dem, was Mädchen kichernd ‚Pflaume‘ nennen. Ach, Romeo, wär sie ein Vögelbeerbaum dochUnd du ihr Specht und hacktest froh dein Loch!

Zwischen den Zeilen lesen…

Romeo und Julia ist jenes Stück von Shakespeare mit den meisten zotigen Sprüchen und eindeutig zweideu-tigen Sätzen. Dies lässt sich trefflich an folgendem Textbeispiel darlegen:

II. Akt, 1. Szene: Mercutio spottet über den verliebten Romeo:Now will he sit under a medlar tree «medlar» (Mispelstrauch) war im elisabethanischen

England ein geläufiges Wortspiel. Das Wort ist phonetisch gleichlautend mit «meddlar»

ein Slangausdruck für Fummler oder Vögler. «Medlar» wurde mit Sicherheit vom elisabethanischen

Zuschauer in seiner Doppeldeutigkeit verstanden.

And wish his mistress were that kind of fruit Die Frucht der Mispel galt wegen ihres Aussehens als Synonym für das weibliche Geschlecht. Die Mädchen sprechen hier also von Mösen, Pussy oder ähnlichem.

As maids call medlars, when they laugh alone Medlar natürlich wieder zweideutig Vögler, Fummler oder ähnliches.

O Romeo, that she were, O that she were «open-arse» heisst wörtlich «offener Arsch» und An open-arse and thou a poperin pear! wurde auch als Slangausdruck für Möse gebraucht. «poperin pear» ist die Bezeichnung für eine Birnensorte aus der flämi-schen Stadt Poperinghe, die von der Form her an einen erigierten Penis mit Hoden erinnerte. Gleichzeitig ist «poperin» auch ein Wortspiel für «pop her in», etwa «steck es rein».

Hier die entsprechende Textpassage in zwei unterschieldichen deutschen Übersetzungen:

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Ein Handlungsballett ist ein Tanzstück, das eine Ge-schichte erzählt, im Gegensatz zu einem Tanzstück oder Ballett, das aus abstrakten choreografischen Bildern besteht und sich nicht an einer Geschichte, sondern in freierer Form an einem Thema orientiert.

Traditionellerweise versteht man unter einem klas-sischen Ballett ein Handlungsballett. Aufgrund eines Librettos wird eine Musikkomposition und eine Choreografie erschaffen. Berühmte Beispiele: Nussknacker, Dornröschen, Schwanensee.

Kurze geschichte des handlungsballetts

Das Ballett entwickelte sich im 15. und 16. Jahrhun-dert aus den Tanzeinlagen der an italienischen und französischen Fürstenhöfen aufgeführten Opern und Schauspielen. Zu dieser Zeit war das Ballett noch keine eigenständige Kunstform. Balletteinla-gen wurden damals in Form von „Intermezzi“, als Zwischenspiele ohne inhaltlichen Zusammenhang, in Opern- und Schauspielaufführungen eingestreut. Die Führungsrolle in der Entwicklung des Tanzes ging im 16. Jahrhundert von Italien auf Frankreich über. 1661 gründete Ludwig XIV. die «Académie Royale de danse» in Paris. In dieser Zeit erfuhr das Ballett eine enorme Weiterentwicklung und wurde zunehmend von Berufstänzern ausgeführt. Damit trennte sich der Tanz vom höfischen Zeremoniell. Ab 1681 durften hier auch Frauen öffentlich tanzen, denn bis dahin war das Ballett nur männlichen Tänzern vorbehalten.

Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden die ersten Handlungsballette. Zuvor waren die Ballettauf-führungen nur durch ein gemeinsames Motiv oder Thema, nicht aber durch eine durchgängige Hand-lung verbunden. Als Begründer des Handlungsbal-letts gilt der französische Ballettmeister und Cho-reograf Jean Georges Noverre (1727-1810).

Noverre kämpfte im Geist der bürgerlichen Aufklä-rung gegen die Erstarrung und Prachtentfaltung des höfischen Balletts, gegen Reifröcke und Perücken, für Natürlichkeit und Humanismus im Tanz und für das dramatische Handlungsballett (Ballet d`action). 1760 veröffentlichte er seine Briefe über die Tanz-kunst und das Ballett. Sie dürfen als Grundlage für die klassische Ballett-Ästhetik bezeichnet werden und verhalfen dem Ballett zu einem Ansehen, das es ohne Noverre wohl kaum erreicht hätte. Er war überzeugt, dass man ein Drama mit den Mitteln des Tanzes gestalten könne.

Eine Blütezeit erlebte das Ballett in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Russland. Unter der Leitung von Marius Petipa entstanden am Mariinski-Theater in Sankt Petersburg klassische Meisterwerke wie Schwanensee, Dornröschen und Nussknacker. Aus dieser Schule ging die wohl bekannteste Balle-rina Anna Pawlowa hervor.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte in Westeuropa und Nordamerika eine Renaissance des Balletts ein, unter anderem ausgelöst durch die Gründung der Ballets Russes durch den Impresario Sergei Djagilew 1909. Die aus Sankt Petersburg stammende Truppe feierte ihre Erfolge in Paris und hatte grossen Ein-fluss auf den US-amerikanischen Tanz. Das Ballett zu Beginn des 20. Jahrhunderts war vor allem durch Künstler geprägt, die nach der Gründung der Sow-jetunion ins westliche Exil gingen. Dazu gehören Mi-chel Fokine, Vaslav Nijinsky und George Balanchine.Das klassische Ballett konnte sich in den osteuropä-

ROMEO UND JULIA –EIN hANDLUNgSBALLETT

Was ist ein Handlungsballett?

«Ich will die traditionsreiche Form des Handlungsballetts beleben und

weiter entwickeln, bekannte und unbekannte Geschichten mit neuen

choreografischen Mitteln erzählen und sie gleichzeitig in den Kontext der

klassischen Ballett-Tradition stellen.» Christian Spuck

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ischen Staaten in sehr traditionellen Formen halten. Die Tänzerin und Pädagogin Agrippina Jakowlewna Waganowa entwarf eine universelle Darstellung sei-ner Technik. Im Westen wurde durch die Entwick-lung des Ausdruckstanzes in Europa und des Modern Dance in den USA das Ballett beeinflusst und in Frage gestellt. Diese Einflüsse führten zu einer Re-formbewegung des klassischen Balletts. Gegenüber den Märchenhandlungen und dem Ausstattungs-zauber der klassischen Repertoireballette setzte der Neoklassizismus auf eine nüchterne, puristische, ab-straktere Ästhetik.

Wie können mit Tanz und Bewegung geschichten erzählt werden? Grundlage eines Handlungsballetts ist ähnlich wie in der Oper ein Libretto, das die gewählte meist literarische Vorlage für die choreografische Umset-zung häufig vereinfacht, die wichtigsten Figuren und Erzählstränge definiert und in Szenen unterteilt. Auf Grund des Librettos wird eine Musik in Auftrag gegeben. Heute wird hierfür auch ganz oder teil-weise ein Musikmix, eine Toncollage o.ä. verwendet. Die Vorbereitung und Arbeitsweisen der Choreo-grafen sind sehr unterschiedlich und individuell. Grundsätzlich bereitet er die einzelnen Szenen des Balletts vor: Er bestimmt, wie die Handlung der Szene zur Musik ablaufen soll und entwickelt räum-liche Abfolgen oder Bewegungssequenzen für die Szene. In der Probe setzt er seine Ideen zusammen mit den Tänzern um, passt sie an, verwirft und erfin-det neu. (Zur Arbeitsweise von Christian Spuck siehe das Kapitel «Was macht ein Choreograf»)

Wichtigste Stile des künstlerischen Bühnentanzes:

Klassisches Ballett: Auch akademischer Tanz ge-nannt. Balletttechnik und Stil des romantischen Bal-letts des 19. Jahrhunderts. Die Technik wird heute noch von grossen Ballettschulen gelehrt. Hauptmerk-male sind das Ausdrehen der Beine, französi sche Termi nologien, der Spitzentanz für Frauen. Wichtige Werke: La Sylphide, Schwanensee, Giselle, Nusskna-cker, Dornröschen.

Neoklassisches Ballett wird von Tänzern mit einer klassischen Ausbildung und Technik getanzt, ist aber beeinflusst durch moderne Choreografen und ihre Stücke. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute: George Balanchine, Maurice Béjart, John Cranko u.v.a.m. Die Stücke werden technisch komplexer, extremer und schneller. Die senkrechte Körperachse im klassischen Ballett, verschiebt sich im neoklassi-schen teilweise in eine Diagonale.

Moderner Tanz ist eine Variante des Bühnentanzes, die sich seit 1900 in den USA aus verschiedenen Ge-genbewegungen zum klassischen Ballett und unter-schiedlichen avantgardistischen Strömungen ent-wickelt hat. Die Pioniere Ruth St. Denis und ihr Mann Ted Shawn bildeten in den 20er und 30er Jahren junge Tänzer in ihrer neugeschaffenen Technik aus. Unter ihnen waren Martha Graham und Doris Hum-phrey, deren Technik und choreografisches Schaffen Generationen von Tänzern und Choreografen bis heute beeinflusst haben.

Zeitgenössischer Tanz: Unter dem Sammelbegriff zeitgenössischer Tanz versteht man die choreogra-fische Bühnentanzkunst der Gegenwart. Das cho-reografische Schaffen heute wird zunehmend we-niger von Tanzstilen, sondern von Künstlerpersön-lichkeiten geprägt. Zeitgenössischer Tanz in diesem Sinne hat eine offene Struktur, die sich bewusst von festgelegten, linearen Entwürfen der Klassik und Moderne absetzt. Auch eine klassische Kompanie wie das Ballett Zürich nimmt Bewegungen, Insze-nierungsformen, Ästhetik von experimentellen und zeitgenössischen Formen des Tanzes auf.

Eine Zusammenfassung der Tanzgeschichte finden Sie unter:http://www.kultur-fibel.de /Kultur%20Fibel%20 Ballett,%20Tanzgeschichte_1.htm

Christian Spuck war vor seiner Ernennung zum Ballettdirektor am Opernhaus Zürich Hauschoreograf

des Stuttgarter Balletts. Er hat dort mit viel Erfolg das klassische Handlungsballett

gepflegt und weiterentwickelt. Mit Romeo und Julia zur Musik von Sergej Prokofjew nimmt er sich zum ersten Mal ein schon

bestehendes Ballett vor. Bisher hatte er vorwiegend mit literarischen Vorlagen

gearbeitet, die noch nicht «vertanzt» worden waren.

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Sergej Prokofjew war einer der bedeutendensten russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er begann sein Musikstudium als 13-Jähriger am Sankt Petersburger Konservatorium, wo er Komposition, Kontrapunkt, Orchestration, Klavier und Dirigieren unter anderem bei Nikolai Rimski-Korsakow und Anatoli Ljadow studierte. In dieser Zeit machte er sich als brillanter Pianist einen Namen und schuf erste Kompositionen. Aufgrund der schwierigen Situation nach der Oktoberrevolution entschloss sich Prokofjew 1918, Russland zu verlassen, und zog zuerst in die USA und später nach Paris. 1936 kehrte Prokofjew mit seiner Familie endgültig nach Russ-land zurück.

Trotz seines Bemühens, den offiziellen ästhetischen Maximen der Partei zu genügen, fanden seine Werke nicht immer ungeteilte Zustimmung. 1948 wurde Prokofjew (neben Schostakowitsch, Achmatowa, Pasternak, Eisenstein u.a.) im Rahmen der repressi-ven Kulturkampagne unter Stalin des «Formalismus» beschuldigt.

Prokofjews Instrumentalwerke fanden rasch Eingang in das Repertoire namhafter Interpreten. Neben sei-nen Symphonien begründete die Ballettmusik zum Shakespeare-Drama Romeo und Julia und das sym-phonische Kindermärchen Peter und der Wolf den weltweiten Ruhm Prokofjews. Es gelingt ihm, durch untrüglichen Formsinn, zarteste Lyrik und filigrane Melodik mit gewagter Harmonik, heftigen Disso-nanzen und oft bohrender Motorik zu verbinden.

Prokofjew selbst hat seinen Stil als Zusammenspiel von vier Grundlinien erklärt. Die «klassische Linie» kommt einerseits in seinem Interesse für histori-sierende Elemente wie alte Tänze, andererseits im Festhalten an traditionellen Formen zum Ausdruck. Die «moderne Linie» hingegen beinhaltet seine Vor-liebe für gewagte Harmonik, Dissonanzen und un-gewohnte Akkordkombinationen. Als drittes nennt Prokofjew die «motorische Linie». Viele seiner Werke sind durch bohrende Rhythmik und wilde Moto-rik gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu steht die «lyrische Linie».

BALLETTMUSIK VON SERgEJ PROKOfJEWSergej Prokofjew (1891 – 1953)

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Entstehungsgeschichte von Romeo und Julia

Romeo und Julia ist das erste Ballett, das bei Sergej Prokofjew kurz vor seiner Rückkehr in die Sowjet-union vom Bolschoi Theater in Moskau in Auftrag gegeben wurde. Er schrieb die Musik im Sommer 1935, diese wurde von den Auftraggebern aber als untanzbar abgelehnt. Schliesslich fand die erste Aufführung des Balletts 1938 in Brünn (Tschechoslo-wakei) in der Choreografie des Ballettmeisters Ivo Psota statt. Der Erfolg der beiden Orchestersuiten aus Romeo und Julia veranlasste die Direktion des Leningrader Kirow-Theaters, das Ballett doch ur-aufzuführen. Im Laufe der Proben berücksichtigte Prokofjew zahlreiche Änderungswünsche des Cho-reografen Leonid Lawrowski. Die sehr erfolgreiche Produktion des Kirow-Theaters mit Galina Ulanowa als Julia wurde 1946 vom Boschoi-Theater Moskau übernommen. Noch bekannter wurde Lawrowskis Choreografie durch ihre Verfilmung von 1954.

Viele grosse Choreografen des 20. Jahrhunderts haben eigene Fassungen von «Romeo und Julia» geschaffen: Frederick Ashton (1955), John Cranko (1958), Kenneth MacMillan (1965), Heinz Spoerli (1977), Angelin Preljocaj (1990) oder die freie In-terpretation des Stoffs durch Leonard Bernstein in der Choreografie von Jerome Robbins als «Westside Story» (1961), um nur einige zu nennen.

Charakteristika der Musik

Die Ballettmusik Romeo und Julia gilt als einer der Höhepunkte des musikalischen Schaffens von Prokofjew. Ihre besondere Qualität macht die feine und einfallsreiche Zeichnung der Figuren und Szenen aus. Prokofjew gelingt mit musikalischen Mitteln eine genaue Charakterisierung der einzelnen Figuren und eine Dramatisierung des Geschehens. Julia entwickelt sich musikalisch von einem naiven Mädchen zur düster ahnungsvollen jungen Frau. Mercutios aufmüpfiger Witz spiegelt sich in melo-dischen Sprüngen und unerwarteten Betonungen und die Liebesszenen sind voll eigenwillig schweifen-der Melodien. In seinen Klängen stehen sich dabei grundsätzlich zwei Welten gegenüber: Die schrille, kampfeslustige Aussenwelt, der sich das Liebespaar ausgesetzt sieht, und die reine, erhabene Innenwelt der romantischen Gefühle.

Die reiche und vielfältige Instrumentierung sowie die rhythmische Komplexität der Partitur stellen immer noch Herausforderungen für Orchester und Tänzer dar. Christian Spuck hat für seine Fassung von Romeo und Julia die Originalmusik leicht gekürzt. Dirigiert wird sie vom erfahrenen russischen Dirigen-ten Michail Jurowski.

5) Rudolf Nurejew & Margot FonteynChoreografie: Kenneth MacMillan

6) RIchard Cragun & Marcia HaydéeChoreografie: Jahn Cranko

7) Silvia Azzoni & Benjamin PechChoreografie: John Neumeier

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Warum Romeo und Julia? Das Stück Romeo und Julia spielt eine Schlüsselrolle in meinem Leben. Es ist das erste Ballett, das ich in meinem Leben je gesehen habe. Ich war total begeis-tert. Aber noch vorher hatte ich von meinen Eltern die Musik von Prokofjew geschenkt bekommen. Ich liebte diese Musik. Jeden Morgen, bevor ich in die Schule ging, habe ich mir mit Kopfhörern den Tanz der Ritter angehört. Romeo und Julia war auch das erste Stück, bei dem ich als junger Tänzer im Stutt-garter Ballett mittanzen durfte. Ich habe schon sehr lange vor, das Stück zu choreografieren und freue mich, nun damit in Zürich meinen Einstand zu geben.

Was interessiert Sie am Romeo-und-Julia-Stoff besonders?Erstens ist die Musik von Sergej Prokofjew wirklich unglaublich stark. Die Musik beschreibt die Hand-lung und zeichnet die Figuren sehr genau nach. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, sich an der Musik zu orientieren und ihr zu folgen. Erst später in der Pro-benarbeit wird sich zeigen, ob und wie ich der Musik auch etwas Eigenes entgegensetzen kann.

... und die geschichte von Romeo und Julia?Der Stoff ist natürlich grossartig. Romeo und Julia ist die bekannteste Liebesgeschichte der Welt. Es gibt niemanden, der Romeo und Julia nicht kennt. Die Geschichte ist übrigens nicht von Shakespeare. Er hat tatsächlich viel ältere Geschichten in seinem Schauspiel verarbeitet. Die Geschichte der grossen verbotenen Liebe gab es schon immer und wird es immer geben, solange es Menschen gibt. Romeo und Julia wird immer aktuell sein. Es ist natürlich ein wunderbarer Stoff für die Bühne, denn es wird auf der Klaviatur aller grossen Gefühle des Menschseins gespielt: Von innigem Begehren, von abgrundtiefer Verzweiflung, von Rache und unversöhnlichem Hass. Wichtig ist mir, dass wir in der Umsetzung eine Echt-heit finden, denn Ballett kann oft sehr verfremdend wirken. Das klassische Handlungsballett nimmt die Geschichte meistens als Folie, um die Tanzform Ballett zu präsentieren. Mein wichtigstes Anliegen hingegen ist, zusammen mit den Tänzer/innen die Geschichte von Romeo und Julia zu erzählen.

Wie unterscheidet sich Ihr Romeo-und-Julia-Ballett von den vielen anderen fassungen, die es gibt? Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Die wichtigsten Versionen von Romeo und Julia sind sicher die von John Cranko und Kenneth MacMillan und natürlich die erste Fassung von Leonid Lawrowski. Es ist sehr interessant zu sehen, was Cranko von Lawrowski und was MacMillan von Cranko übernommen ha-

NEUfASSUNg VON ChRISTIAN SPUCKInterview mit Ballettdirektor und Choreograf Christian Spuck

Von meinen Eltern habe ich die Musik von Prokofjew geschenkt bekommen.

Ich liebte diese Musik. Jeden Morgen, bevor ich in die Schule ging, habe ich mir

mit Kopfhörern den Tanz der Ritter angehört.

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ben. Man kann beobachten, wie sich das Stück wei-terentwickelt hat und welche Teile mitgenommen wurden. Ich werde es kaum schaffen, mich ganz davon zu befreien.

Was ist das Besondere an der Eröffnungsszene?Ich leihe mir eine Idee von Shakespeare: Das «Theater im Theater». Man sieht am Anfang, wie die Tänzer Kostüme anziehen und wie sie mit Tischen und Stühlen selbst eine Bühne auf der Bühne bauen. Ich möchte keine Illusion vortäuschen, sondern verständlich machen, dass die Tänzer etwas spielen. Das ist eigentlich das Gegenteil von dem, wofür Ballett steht. Wenn zum Beispiel jemand er-stochen wird, kann er danach ohne Problem auf-stehen und hinausgehen. Wir versuchen nicht eine Illusion zu suggerieren, sondern die Geschichte direkter zu erzählen.

Was ist der gegenwartsbezug der Inszenierung?Ich glaube nicht, dass es Sinn macht einen aktuellen Bezug in die Geschichte einzufügen, etwa eine Aus-einandersetzung zwischen Muslimen und Christen.

Romeo und Julia ist für mich kein politisches Stück. Es ist ein Theaterstück mit einem Konflikt, der für et-was in der Gesellschaft steht. Ich glaube, dies kann jeder ziemlich schnell erkennen.

Wir haben beispielsweise lange überlegt, ob im Stück mit Degen gekämpft werden soll, oder ob wir Revol-ver oder die Fäuste nehmen. Solche Fragen versuche ich aus der Musik heraus zu beantworten. Die Musik ist für mich eindeutig: Das Tempo und die Präzi-sion, die Schnelligkeit und Genauigkeit, das können für mich nur Degenkämpfe sein. Wenn es Revolver wären, wie heute, dann würde so ein Kampf nur Sekunden dauern. In der Musik ist dem aber nicht so. Zentral ist, dass die Kampfszenen echt und ge-fährlich wirken.

9 | 10) William Moore und Tigran Mkrtchyan bei den Proben zu «Romeo und Julia» von Ballett Zürich; Choreografie: Christian Spuck | Fotos: Stefan Deuber

11 | 12) William Moore und Katja Wünsche bei den Proben zu «Romeo und Julia» von Ballett Zürich; Choreografie: Christian Spuck / Fotos: Stefan Deuber

Ich glaube nicht, dass es Sinn macht einen aktuellen Bezug in die

Geschichte einzufügen, etwa eine Auseinandersetzung zwischen

Muslimen und Christen.

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Romeo und Julia ist eine tragische geschichte. Shakespeares Text hat aber auch freche Passa-gen mit vielen Wortspielen und Komik. Kommen solche Aspekte in Ihrer Choreografie auch vor?Bei Shakespeare sind es die Hausangestellten, die komisch wirken. Diese sind jedoch in der Musik von Prokofjew nicht vorgesehen. Die Romeo-und-Julia-Ballette, die ich gesehen habe, waren alle unglaub-lich bunt. In meinen Augen ist es aber kein buntes Stück, es ist ein Stück mit viel Gewalt und Gefahr. Wir haben Kriegszustand auf der Bühne. Die Figuren gehen an totale Grenzen, setzen sich grosser Gefahr aus und erfahren Momente grösster Emotion. Wieso sonst sollte sich ein 14-jähriges Mädchen mit einer Art «Zombiesaft» selbst in einen Scheintod flüchten? Deshalb möchte ich jegliche Form von Niedlichkeit in dieser Produktion vermeiden.

Was sind für Sie die höhepunkte der Musik?Das ist sicher der Tanz der Ritter, der ist einfach unheimlich bombastisch! Auch die Pas de deux sind grossartig; ein Schwelgen in Tönen. Ganz toll ist auch der III. Akt. Man hört in der Musik richtig, wie die Stim-mungen wechseln! Oder wenn Julia aufwacht und erkennt, wo sie ist: Diese Verschiebung der Musik in totale Verzweiflung. Es ist kubistische Musik, es gibt keine Übergänge, die Formen stehen für sich. Man kann hören, was in einer Szene passiert, auch wenn man mit klassischer Musik wenig vertraut ist. Die Mu-sik erzählt viel von Macht, von Auseinandersetzung, von Liebe, von ganz feinen und grossen Gefühlen. Es ist tolle Musik! Romeo und Julia wird der bekannte russische Dirigent, Michail Jurowski, dirigieren.

Er kommt sechs Wochen vor der Premiere schon in die Proben, weil es seine Überzeugung ist, dass er nicht die Partitur, sondern die Produktion dirigieren will. Er möchte gemeinsam mit den Tänzern Klang-welten entwickeln, die zur Inszenierung passen. Ihre Tänzerinnen wechseln zwischen Spitzen-schuhen, Schläppchen und Strassenschuhen und Sie verwenden auch Bewegungen, die nicht ty-pisch klassisch sind. Warum?Wir inszenieren Romeo und Julia mit den Mitteln des Balletts und des zeitgenössischen Tanzes. Es geht mir aber auch darum, diese Geschichte zu erzählen. Dafür setzen wir alle Formen des Tanzes ein. Es ist einfach komisch, wenn Julia am Anfang des III. Akts nach ihrer ersten Liebesnacht im Bett erwacht und Spitzenschuhe trägt. Das ist künstlich. Auch bei ihrem ersten Auftritt, wenn sie als freches junges Mädchen vorgestellt wird: Warum sollte sie da Spitzenschuhe tragen? In der Ballszene hingegen tragen alle Frauen Spitzenschuhe, etwa so wie Pumps heutzutage. Ich finde, man muss dieses Dogma hinterfragen, dass man Spitzenschuhe trägt und behauptet, dass das normal sei. Es ist ja auch interessant für die Choreo-grafie zu sehen, wie sich der Körper verändert mit oder ohne Spitzenschuhe: Der erste Liebes-Pas de deux in Spitzenschuhen fällt viel klassischer aus als der Pas de deux im III. Akt, wenn Romeo und Julia zusammen aufwachen und sich trennen müssen, wo sie keine Spitzenschuhe trägt. Es kann sein, dass man man uns kritisieren wird, weil wir die Stile zu sehr mischen. Mir ist es wichtig auszuprobieren, Theater ist immer ausprobieren.

13) William Moore, Katja Wünsche und Cristian Alex Assis bei den Proben zu «Romeo und Julia» von Ballett Zürich; Choreografie: Christian Spuck; Fotos: Stefan Deuber

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Christian Spuck stammt aus Marburg und erhielt seine Ausbildung an der John Cranko Schule in Stutt gart. Als Tänzer ar-bei tete er mit Jan Lauwers’ Needcompany und mit Anne Teresa de Keersmae-kers Ensemble ROSAS. 1995 wurde Christian Spuck Mitglied des Stuttgarter Balletts. Für die Reihe «Junge Choreogra fen» der Stuttgarter Noverre-Gesell-schaft erarbeitete Christian Spuck 1996 seine erste eigene Choreografie, den Pas de deux «Duo/Towards The Night», der kurz darauf ins Repertoire des Stutt-garter Balletts und der Deutschen Oper Berlin auf-genommen wurde. 1998 folgte seine erste Urauffüh-rung beim Stuttgarter Ballett: «Passacaglia». 2001 wurde Christian Spuck zum Hauschoreografen des Ensembles ernannt. Seit 1998 hat er 15 Uraufführun-gen für die Compagnie choreografiert, darunter drei abendfüllende Handlungsballette. Seine hohe Musikalität, sein souveräner Umgang mit dem Raum, seine stilsichere Inszenierungskunst und seine Fähigkeit, mit grossen Besetzungen zu ar-beiten verlangen geradezu nach dem erzählenden, abendfüllenden Format. Sein erstes grosses Hand-lungsballett schuf Spuck ebenfalls für das Stuttgar-ter Ballett: «Lulu. Eine Monstretragödie» nach dem Schauspiel von Frank Wedekind wurde 2003 urauf-geführt. Mit diesem Werk gelang es ihm, die grosse Tradition des neu geschaffenen Handlungsballetts, die John Cranko beim Stuttgarter Ballett begründet hatte, innovativ und zeitgemäss fortzuschreiben. 2006 wurde Spuck für eine Spielzeit zum Resident Choreographer der Compagnie Hubbard Street Dance 2 Chicago ernannt und erhielt den Deutschen Tanzpreis «Zukunft» für Choreografie. Im selben Jahr kam «Der Sandmann» nach der gleichnami-gen Erzählung von E.T.A. Hoffmann im Stuttgar-ter Opernhaus zur Uraufführung. Nach «Lulu. Eine Monstretragödie» und «Die Kinder» (2004, Aalto Ballett Theater Essen), das 2005 für den «Prix Be-

nois de la Danse» nominiert wurde, war es Spucks drittes abend füllendes Handlungs-ballett. 2007 folgte im The-aterhaus Stuttgart die Ur-aufführung von «Don Q.», eine nicht immer getanzte Revue über den Verlust der Wirklichkeit. Seit 1999 hat der Choreograf Urauffüh-rungen für eine Reihe re-nommierter Ballettcom-pagnien in Europa und den USA geschaffen:

«Morphing Games» für das Aterballetto (1999), «Adagio» für 6 Tänzer des New York City Ballet (2000), «this-» für das Ballett der Staatsoper Berlin (2003), «The Restless» (2005) für Hubbard Street Dance 2 Chicago und «The Return of Ulysses» (2006). Seit 2005 tritt Christian Spuck auch in den Bereichen Film und Musiktheater in Erscheinung: Am Theater Heidelberg inszenierte er 2005 erstmals eine Oper: «Berenice» von Johannes Maria Staud. Marcia Hay-dée als «Penelope», ein 25-minütiger Tanzfilm mit Marcia Haydée und Robert Tewsley, wurde 2006 von ARTE ausgestrahlt. 2009 führte er bei Glucks «Or-phée et Euridice», einer Koproduktion der Staatsoper Stuttgart und des Stuttgarter Balletts, Regie und zeichnete auch für die Choreografie verantwortlich. 2010 inszenierte er Verdis «Falstaff» am Staatsthea-ter Wiesbaden. Die 2008 beim Aalto Ballett Theater in Essen uraufgeführte Ballettproduktion «Leonce und Lena» nach Georg Büchner wurde auch ins Re-pertoire der Grands Ballets Canadiens de Montreal und des Stuttgarter Balletts übernommen. Seine Uraufführung von «Poppea//Poppea» für Gau-thier Dance am Theaterhaus Stuttgart wurde von der Zeitschrift «Dance Europe» zu den zehn erfolg-reichsten Tanzproduktionen weltweit im Jahr 2010 gewählt und gewann den deutschen Theaterpreis «Der Faust 2011». Jüngste Projekte waren «Woyzeck» für das Norwegische Nationalballett Oslo (2011) und die Uraufführung «Das Fräulein von S.» beim Stutt-garter Ballett (2012). Seit Beginn der Saison 2012/13 ist Christian Spuck Direktor des Balletts Zürich.

LEBENSLAUf VON ChRISTIAN SPUCK

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Erklären Sie uns, was ein Choreograf so macht. Meine eigentliche Aufgabe als Choreograf ist es, Schritte oder Bewegungen zu erfinden, zu choreo-

grafieren eben. Tanzbewegungen sind Bewegungen, die nicht zweck-gebunden sind. Wenn ich mich im Alltag bewege, sind die Bewegungen begründet: Ich lehne mich auf dem

Stuhl zurück, weil es so bequemer ist, ich nehme die Tasse in die Hand, weil ich Kaffee trinken möchte oder ich schüttle jemandem die Hand, weil ich hallo sagen möchte. Tanzen hat keinen Zweck. Man tanzt etwa um Emotionen mitzuteilen, ein Gemein-schaftsgefühl zu entwickeln oder miteinander zu kommunizieren. Meine Aufgabe als Choreograf ist es, Bewegungen zu finden oder einen Tanz zu er-finden, der etwas erzählt. Das kann eine Geschichte oder ein Gefühl sein. Zum Beruf des Choreografen gehört aber auch, alles zu planen, was sonst noch dazu gehört: Bühne, Licht, Kostüme, Konzept, Musik. Einfach gesagt, ein Choregraf ist ein «Stückemacher».

Woher kommen Ideen und Inspirationen für Ihre Stücke? Wie suchen Sie nach Stoffen und Themen? Ideen kommen aus ganz verschiedenen Richtungen. Sehr oft ist es Musik, es können aber auch Texte oder Geschichten sein. In den letzten Jahren wurde ich oft gefragt, abendfüllende Produktionen zu cho-reografieren und Geschichten zu erzählen. Ich finde es sehr spannend, Geschichten zu erzählen und zu

versuchen das Handlungsballett anders weiter zu denken. Viele Ideen trage ich über lange Zeit mit mir herum, und plötzlich fallen sie mir wieder ein. Es sind Themen, die mir spannend erscheinen, die mich interessieren, und auf die ich Lust habe. Ich mag Herausforderungen und darum interessieren mich gerade auch Stoffe, die sich auf den ersten Blick gar nicht fürs Ballett eignen.

Wie geht es dann weiter? Wie bereiten Sie ein Stück vor?Es arbeitet in meinem Kopf weiter, ich sammle Bilder und schreibe Ideen auf. Parallel dazu beginne ich Musik zu suchen. Bei Romeo und Julia verwende ich das erste Mal eine fertige Partitur. Bei allen anderen Produktionen, die ich bisher gemacht habe, habe ich immer selbst ein Libretto und eine Partitur erstellt. Die richtige Musik zu finden ist eine grosse Arbeit, die sehr viel Geduld braucht. Die Musik muss die Stimmung und Handlung des Stücks wiederge-ben. Oft arbeite ich gleichzeitig mit einem Komponisten zusam-men, der die gewählte Musik be-arbeitet, ergänzt oder bricht. Für eine abendfüllende Produktion vergehen von der Idee bis zur Premiere ca. zwei Jahre. Der grösste Teil davon ist Vorbereitung und Planung. Die effektiven Proben mit den Tänzern dauern dann nur noch ca. 6-10 Wochen.

WAS MAChT EIN ChOREOgRAf?Interview mit Ballettdirektor und Choreograf Christian Spuck

Einfach gesagt, ein Choreograf ist ein

«Stückemacher».

Viele Ideen trage ich über lange Zeit mit

mir herum, und plötzlich fallen sie mir

wieder ein.

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Welche Mitarbeiter arbeiten in der Regel künst-lerisch an einem Stück mit?Ein Komponist, ein Dramaturg und Bühnen- und Kostümbildner. Mit diesem Team verbringe ich viel Zeit. Wir reden über das Stück und sammeln Ideen. So nimmt ein Stück langsam konkrete Formen an.

Wie suchen Sie Ihre Tänzerinnen und Tänzer aus?Das Allererste, worauf ich bei Tänzern schaue, ist ihre Persönlichkeit. Ich muss das Gefühl bekommen, dass sie mit ihrem Körper und ihrem Gesicht zu mir spre-chen. Als Zweites schaue ich mir an, wie sie technisch sind. Wie können sie mit ihrem Körper umgehen? Wie ist ihre klassische und moderne Technik? Ich brauche Tänzerinnen und Tänzer, die ein Repertoire bewälti-gen und unter grossem Zeitdruck viel Arbeit leisten können. Wichtig ist mir, dass es Menschen sind, auf die ich mich verlassen kann. Sie müssen Teamgeist haben, denn die Arbeit in einer Kompanie wie dem Ballett Zürich ist Teamarbeit. Am liebsten hätte ich eine Mannschaft mit 51 eigenständigen und selb-ständig denkenden Künstlerpersönlichkeiten. Das ist für einen Direktor zwar ein Alptraum, aber mir erscheint das wichtig und spannend. Je nach Werk müssen die Tänzer möglichst individuelle, spezielle Charaktere sein oder gleich aussehen wie etwa in «Schwanensee». Das ist natürlich ein Widerspruch und eine anspruchsvolle Herausforderung, der wir uns gerne stellen.

Sie bringen viel Bewegungs- und Schrittmate-rial in die Proben mit. Wie bereiten Sie sich vor? Arbeiten Sie zuerst allein in einem Tanzstudio?Nein, gar nicht. Ich bereite mich vor, indem ich die Musik und die Partitur sehr gut kenne. Ich weiss, was wir mit der Dramaturgie erarbeitet haben, und dann gehe ich in den Ballettsaal und fange einfach an. Die Bewegungen, die Schritte, die Kombinationen und räumliche Struktur entstehen aus dem Moment he-raus. Ich arbeite mit den Tänzern daran. Wir wieder-holen die Sequenz sehr oft und entwickeln sie wei-ter. Ich beobachte, wie die Tänzer mit dem Material umgehen, nehme Änderungen vor und so geht das hin und her. Ich kenne aber auch Choreografen, die

ganz anders arbeiten und zuerst ins Studio gehen, um die ganze Choreografie allein zu entwickeln. Das ist sehr individuell.

haben Sie bei gruppenszenen mit vielen Tänze-rinnen und Tänzern vorher eine räumliche Idee oder ein Bild im Kopf?Nein. Ich liebe es, mit sehr vielen Menschen gleich-zeitig zu arbeiten. Mir macht es sehr viel Spass, mich ins Chaos zu werfen. Ich gebe einzelnen Tänzern und Gruppen Aufträge und lasse sie einfach mal probie-ren. Sie kommen sich dann meistens zuerst in die Quere, es entsteht ein Durcheinander, aber ich be-komme beim Zuschauen sehr schnell ein Gespür, wo Bilder entstehen, welche Momente spannend sein könnten. Ich stelle Bezüge her und verfeinere die Ab-läufe. Es ist eigentlich so ähnlich wie Malerei. Wichtig ist dabei, dass der Raum gut genutzt wird und man den Faden der Geschichte nicht verliert. Es ist ein ständiges Ausprobieren, Anpassen und Verändern.

Wie arbeiten Sie mit den Solisten?Sehr ähnlich. Oft erkläre ich eine Schrittfolge mit Worten und deute Bewegungen an. Sie versuchen meine Anweisungen umzusetzen und machen meis-tens erst mal das Falsche, aber daraus entwickelt sich meist etwas. Man muss dran bleiben, zusam-mensuchen und ausprobieren, dann kristallisiert sich in enger Zusammenarbeit mit den Tänzern langsam die Choreografie heraus.

Ist die Musik bei Probenbeginn schon fertig?Das ist von Produktion zu Produktion verschieden. In der Zusammenarbeit mit einem Komponisten ent-steht die Musik oft gleichzeitig. Es gibt aber auch den Fall, dass die Musik bei Probenbeginn schon fertig ist, wie etwa bei Romeo und Julia.

Muss der Entwurf des Bühnenbilds bei Probenbe-ginn fertig sein?Ja, die Arbeit am Bühnenbild beginnt über ein Jahr vor der Premiere. Der Bühnenbildner kommt mit Ideen, diese werden im Team besprochen und verän-dert bis der Entwurf steht. 9 Monate vor der Premiere

Wichtig ist mir, dass es Menschen sind, auf die ich mich

verlassen kann. Sie müssen Teamgeist haben, denn die Arbeit in

einer Kompanie wie dem Ballett Zürich ist Teamarbeit.

Mir macht es Spass, mich ins Chaos zu werfen. Ich gebe einzelnen

Tänzern und Gruppen Aufträge und lasse sie einfach mal probieren.

In enger Zusammenarbeit mit den Tänzern entsteht langsam die

Choreografie.

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muss der Bühnenbildentwurf im Modell feststehen. Etwa ein halbes Jahr vor der Premiere findet auf der Bühne eine sogenannte Bauprobe statt. Da-bei versucht man das Bühnenbild mit Papier und Pappe auf der Bühne grob aufzubauen, um einen Eindruck des Entwurfs in realer Grösse zu bekom-men. Danach wird das Bühnenbild gebaut, was 2-3 Monate dauert. An der technischen Einrichtung ca. 2 Wochen vor der Premiere wird das Bühnenbild zum ersten Mal auf der Bühne aufgebaut. Erst dann sieht man, ob es so geworden ist, wie man es sich vorgestellt hat.

... und die Kostüme? Es gibt Kostümbildner, die geben ihre Kostüment-würfe ab und genauso werden sie umgesetzt. Emma Ryott, mit der ich oft arbeite, passt die Kostüme den Bedürfnissen der Choreografie an. Sie entwirft

die Kostüme, die Schneiderei stellt Modellkostüme her, die in den Proben ausprobiert werden. Erst dann werden die richtigen Kostüme hergestellt. Mal sind die Röcke am Anfang zu gross, dann zu klein, dann erzählen sie das Falsche. Mir ist es wichtig, dass ich noch etwas ändern kann, wenn sich zeigt, dass es notwendig ist.

Ändern Sie die Choreografie nach der Premiere, wenn Ihnen etwas nicht gefällt?Ja natürlich! Es ist normalerweise schwierig, die Kos-tüme, das Bühnenbild oder das Licht zu ändern, aber ich kann choreografisch ändern. Es ist nicht so, dass bei einer Premiere eine Produktion fertig ist. An der Premiere wird sie zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Ich kann daran weiterarbeiten, bis ich das Gefühl habe, dass es für mich stimmt. Theater ist immer ein Versuch.

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PORTRÄTS VON TÄNZERN DES BALLETT ZüRICh

Alltag im Ballett Zürich

Der Tag beginnt mit Balletttraining um 10 Uhr, denn es ist wichtig, dass die Tänzer für die Proben und Vor-stellungen gut aufgewärmt sind. Nach einer kurzen Pause beginnen dann die Proben bis 13:30 Uhr. Nach einer Stunde Mittagspause geht es weiter mit Proben bis 18 Uhr. Am Samstag arbeitet das Ballett Zürich einen halben Tag bis 13:30 Uhr. An einem Arbeitstag mit einer Abendvorstellung ist der Nachmittag frei. Am Abend müssen die Tänzer 2-3 Stunden vor Vorstellungsbeginn im Opernhaus sein, um sich vorzuberei-ten (Maske, Kostüme, Aufwärmtraining, etc.).

Eva Dewaele Belgien, 37 Jahre

Ausbildung7 Jahre an der Königlichen Ballettschule in Antwerpen, Abschluss 1992

Engagements- Hessisches Staatstheater Wiesbaden - Ballett des Luzerner Theaters- Ballett des Opernhaus Göteborg - Ein Jahr freischaffend - Cullberg Ballett Schweden- Ballet de l’Opéra de Lyon- Royal Ballet of Flanders- Seit August 2012 Mitglied des Ballett Zürich und assistierende Ballettmeisterin für das Junior Ballett

hauptrollen in Choreografien von Angelin Preljocaj, Helen Pickett, Jorma Elo, David Dawson und Christian Spuck. Eigene Choreografien für den Workshop des Royal Ballet of Flanders. Darstellerin in mehreren Spielfilmen.

Immer wieder etwas Neues lernen

Ich liebe Bewegung! Als kleines Mädchen habe ich einfach überall getanzt, im Garten, auf der Stras-se, in meinem Zimmer. Es war irgendwie ganz lo-gisch, dass ich mit neun Jahren anfing Ballettunter-richt zu nehmen. Inzwischen ist das Tanzen schon mehr als 20 Jahre mein Beruf, und obwohl ich schon viele Jahre tanze, fasziniert es mich immer noch,

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Neues zu lernen. Das Interessanteste ist es, mit einem Choreografen an einem neuen Stück zu arbeiten. Mitzuerleben wie aus dem Nichts eine neue Choreo-grafie entsteht, ist sehr aufregend und spannend. Jedes Stück verlangt, dass wir Tänzer uns mit dem Körper wieder eine neue Sprache aneignen, denn es gibt so viele Formen und Möglichkeiten im Tanz!

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Der Tänzerberuf ist sehr schön, aber auch schwie-rig. Man fängt sehr früh mit einer sehr grossen Lei-denschaft für den Tanz an, und die Karriere ist kurz. Das Leben als Tänzer ist sehr diszipliniert, und man muss sehr gut auf seinen Körper achten, denn das ist unser Instrument. Ich tanze noch immer sehr gerne, aber natürlich ist mir auch bewusst, dass meine Karriere als Tänzerin nicht immer weiterge-hen wird. Ich vertraue darauf, dass mir jemand sa-gen wird, wann der Moment um aufzuhören da ist. Hier in Zürich bekomme ich die Möglichkeit, Erfah-rungen als Ballettmeisterin mit dem Junior Ballett zu sammeln. Ich habe auch in Belgien schon viel

Michael grünecker Deutschland, 19 Jahre

AusbildungHochschule für Musik und Theater in München (8 Jahre)Zürcher Hochschule der Künste, Tanzakademie Zürich (3 Jahre), Abschluss 2012

Preise- Goldmedaille Tanzolymp Berlin 2010 - Silbermedaille Tanzwettbewerb Solothurn 2010 - «Prix du Meilleur Suisse» und Stipendium der Oak Foundation am Prix de Lausanne 2012

EngagementsSeit August 2012 Mitglied des Junior Balletts

Eigentlich war es nur Zufall

Ich war ein sehr bewegliches Kind mit viel Energie. Dass ich mit acht Jahren an der Münchner Ballett-schule aufgenommen wurde, war eigentlich totaler Zufall. Durch eine Zeitungsanzeige wurden wir auf die Ballettschule in München aufmerksam, sonst hätte ich vielleicht etwas ganz Anderes gemacht. Ich mochte Tanz am Anfang ganz und gar nicht und trotzdem habe ich weitergemacht. Warum,

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unterrichtet und mache das sehr gerne. Ich freue mich darauf, meine Erfahrung weiterzugeben. Viel-leicht wird das ja auch eine neue berufliche Aus-richtung.

Ich wollte immer die Welt kennen lernen und habe in vielen verschiedenen Städten und Ländern ge-wohnt. Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, im-mer am gleichen Ort zu leben. Ich liebe Verände-rung in meinem Leben. Mein bisher letzter Umzug hat mich jetzt nach Zürich geführt. Ich fühle mich sehr wohl hier und freue mich auf die kommenden Vorstellungen und das Zürcher Publikum!

weiss ich nicht, irgendetwas hielt mich. Nebenher habe ich immer auch noch Fussball gespielt, das war ein guter Ausgleich. Mit der Zeit wuchs mei-ne Begeisterung für den Tanz und heute kann ich mir gar nichts Anderes mehr vorstellen. Ich lerne gerne Bewegungsabläufe, speziell das Erarbeiten und Perfektionieren von technisch schwierigen Passagen. Ich liebe es, mich zu Musik zu bewegen,

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die Verkörperung verschiedener Charaktere macht mir Spass. Ich mag Sprünge, Drehungen – Dinge, die viel Kraft und Energie brauchen!

Jetzt tanze ich schon seit 11 Jahren. Ich habe diesen Sommer meine Ballettausbildung an der Tanzaka-demie Zürich abgeschlossen und hatte das Glück direkt ins Junior Ballett aufgenommen zu werden. Ich stehe ganz am Anfang und bin mir bewusst, dass ich noch viel zu lernen habe. Im Junior Ballett kann ich bis zu zwei Jahre bleiben und werde so viel wie irgend möglich von dieser tollen Chance profi-tieren.

In einer Kompanie zu arbeiten ist schon sehr an-ders als in der Schule. Es ist in gewisser Weise lo-ckerer, das Training wenigstens, aber man muss

auch Verantwortung übernehmen und das ganze Bewegungs- und Schrittmaterial immer bereit ha-ben. Das ist nicht einfach, aber wir helfen uns ge-genseitig im Junior Ballett. Ich bleibe jeden Abend noch eine Stunde länger im Studio und arbeite an meiner Technik und wiederhole das Schrittmaterial, damit ich fit bin für die Proben am nächsten Tag. Am liebsten würde ich später gerne erster Solist werden und noch später vielleicht Ballettmeister oder Ballettlehrer.

Ich interessiere mich neben Ballett für Kampfsport-arten und Kampftechniken! Der Fechtunterricht für Romeo und Julia und die Kampfszenen machen mir natürlich sehr viel Spass.

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WAhRE LIEBE IST BEDINgUNgSLOSWilliam Moore ist ab dieser Saison Solist am Ballett Zürich.

Nach erfolgreichen Jahren in Stuttgart wagt er einen Neuanfang.

Ein Sommerabend in Stuttgart, Anfang Juli. Ein letz-tes Mal steht William Moore auf der Bühne des Stutt-garter Staatstheaters und tanzt zum Abschied Marco Goeckes fulminantes Solo Äffi auf Musik von Johnny Cash. Dem Publikum hat er den Rücken zugewandt. Er tanzt die von Lebenswucht und Lebenswahrheit strotzenden Songs des amerikanischen Countrysän-gers nur mit den Muskeln seines Oberkörpers. Zu in Bewegung geratenen Landschaften formt er sie, während die Hände wie lästige Fliegen seinen Körper umflattern. William Moore verwandelt Musik in pure körperliche Energie – und das Stuttgarter Publikum feiert ihn mit Ovationen.

Sieben Jahre hat William Moore in Stuttgart ver-bracht und ist hier als Künstler gereift. Nach der Aus-bildung an der Londoner Royal Ballet School hätte es nahe gelegen, im Königlichen Ballett weiter zu tanzen, «doch irgendwie», meint er, «hatte das al-les so etwas Vorhersagbares. Mich reizte das Risiko, nicht diesen geraden Weg zu gehen, und deshalb habe ich mich für Deutschland entschieden. In Stutt-gart habe ich schnell gemerkt, dass es so viel mehr gibt als die abgeschlossene Welt der Ballet School. Die Arbeit mit namhaften Choreografen hat meinen Blick für die Vorstellung von Kunst geschärft. Es ist aufregend zu sehen, wie Choreografen Dinge aus dir herauskitzeln, von denen du bis dahin nicht geahnt hast, dass du sie hast.» Rollen wie Armand Duval in John Neumeiers Kameliendame, Prinz Siegfried in John Crankos Schwanensee oder Lenski in Cran-kos Onegin hat William Moore getanzt und stand in eigens für ihn geschaffenen Rollen in Balletten von Christian Spuck, Marco Goecke, Douglas Lee und Edward Clug auf der Bühne. Stuttgarts Ballettin-tendant Reid Anderson gerät ins Schwärmen, wenn er über den Lockenkopf aus dem britischen War-wickshire spricht: «Williams Möglichkeiten sind na-hezu unbegrenzt, im klassischen wie im modernen Tanz. Er hat eine brillante Technik, ist ein exzellenter Partner, besitzt schauspielerische Fähigkeiten ... und vor allem besitzt er das gewisse Etwas, das John Cranko immer schlicht ‹it› nannte. William Moore erhellt die gesamte Bühne, sobald er nur einen Fuss darauf setzt.»

Begegnet man ihm ausserhalb des Theaters, wirkt er viel mehr wie ein Junge von nebenan. Obwohl er seit seinem dritten Lebensjahr tanzt, sei er nie ausschliesslich auf das Ballett fixiert gewesen: «Ich habe viele Dinge gleichzeitig gemacht, habe Sport getrieben und war ein ganz normaler Typ. Wenn ich in den Ballettsaal gehe, verwandle ich mich in eine andere Person. Ich liebe das tägliche Training. Das ist die Zeit, wo ich ganz bei mir bin. I like embracing that moment.» Das Feilen an der eigenen Technik fordert William Moore jeden Tag aufs Neue heraus: «Es wäre toll, irgendwann an einen Punkt zu kom-men, an dem du jeden Muskel unter Kontrolle hast und uneingeschränkter Herr über deine Bewegungen bist. Aber», so lacht er, «das passiert nicht! Vielleicht ist man zufrieden mit ein paar Aspekten der Tech-nik. Doch ich sage nie: Das war richtig gut und ich könnte das jederzeit wiederholen. Selbstvertrauen und Selbstzweifel müssen in einem richtigen Verhält-nis stehen, sonst gerätst du rasch aus dem Gleich-gewicht.» In Stuttgart hat William Moore gelernt, sein eigener Kritiker zu sein. «Am Anfang», so ge-steht er, «hatte ich Angst, in Gegenwart von anderen zu üben, vor allem wenn ich wusste, dass es nicht perfekt war. Es ist immer unangenehm, mit Dingen konfrontiert zu sein, die nicht so gut klappen, aber das muss man aushalten. Heute übe ich die Sachen, die ich am wenigsten kann und kümmere mich nicht darum, was die anderen denken.»

Christian Spucks Angebot, ihn als Tänzer nach Zü-rich zu begleiten, kam für William Moore völlig über-raschend. Keinen Gedanken hatte er bis dahin an einen Abschied von Stuttgart verschwendet, und die Entscheidung hat er sich nicht leicht gemacht. Doch wieder ist es dieser Mut zum Risiko und zum Nicht-Vorhersagbaren, diese Lust auf Neues, die ihn vorantreibt und einen Neuanfang wagen lässt. Und es ist das Bewusstsein, nicht nur Tänzer zu sein: «So sehr ich das Tanzen und meinen Beruf liebe, so ist das doch nur ein kleiner Teil meiner Persönlichkeit. Ballett als ‹full time job› saugt dich aus, und es geht schnell, dabei den Realitätsbezug zu verlieren. Ich versuche, mein Leben auch ausserhalb des Ballettsaals zu fin-den und es bewusst zu geniessen.»

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Christian Spuck ist für Moore in den vergangenen Jahren zu einem Partner geworden, der ihn fördert und fordert. William Moore hat in vielen Spuck-Kre-ationen getanzt, war Eduard Schwarz in «Lulu. Eine Monstretragödie», Leonce in «Leonce und Lena» und zuletzt der fälschlich des Mordes angeklagte Olivier Brusson in «Das Fräulein von S.»«Christians Ballette faszinieren und inspirieren mich immer wieder. Ich kann mich in den Charakteren, die er entwickelt, aber auch in seinen abstrakten Schöp-fungen wiederfinden. Ich bewundere seine Fähigkeit, wirklich stimmige Ballette zu kreieren, die ‹rund› sind und in denen alles passt: Musik, Bühne, Kostüme, Story und Choreografie. Und obwohl er schon so viel gemacht hat, ist er noch am Beginn seiner Karriere. Ich bin froh, jetzt ein Teil dieses Neubeginns in Zürich zu sein.»Die Zeit rast. Nur fünf Wochen nach seinem letz-ten Auftritt in Stuttgart ist William Moore in Zürich angekommen und hat – fast unglaublich – bereits seine Traumwohnung gefunden: «Der Freund einer Stuttgarter Kollegin hat sie mir während der Asien-Tournee des Stuttgarter Balletts via Skype gezeigt: Zentral, Altbau, alles sah toll aus – und ich habe

die Wohnung wirklich bekommen!» Voller Entdecker-freude begibt er sich, oft mit dem Skateboard, auf Erkundungstouren in seiner neuen Umgebung und gesteht verschmitzt: «Ich bin gerade dabei, mich in Zürich zu verlieben.» Sich-Verlieben! Das ist das Stichwort für Romeo. Seit 6. August laufen die Proben, und aus der Unmenge an Schrittkombinationen, die da in den Ballettsälen drei Stockwerke unter der Erde zur Musik von Sergej Prokofjew erarbeitet werden, muss ein Charakter werden. Ein komplizierter Prozess: «Zunächst geht es darum, die Choreografie in den Körper zu bekom-men, ohne dass dabei schon die ganze Emotion drin ist. Das ändert sich mit der Zeit. Wenn ich die techni-schen Details drauf habe, nimmt das eine mehr men-tale Richtung. Ich liebe es, mit dem Choreografen, aber auch mit Freunden über die Rolle zu sprechen. Und natürlich sind es eigene Erfahrungen, die in die Rolle einfliessen. Jeder kennt diese Begegnungen, die nicht zur richtigen Zeit, unter den richtigen Be-dingungen stattgefunden haben. Liebe fragt nicht nach gesellschaftlichen oder religiösen Grenzen. Die wahre Liebe ist bedingungslos!» Michael Küster

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DIE AUSSTATTUNgDas Bühnenbild von Christian Schmidt

Christian Schmidt baut mit seinem Bühnenbild ei-nen Raum in den Theaterraum, ein «Theater im The-ater». Fussboden und Wände sind dunkel, in der Mit-te hängt ein glänzender, silberner Lüster. Der Balkon

11) und 12) Modellfotos Bühnenbild Romeo und Julia von Christian Schmidt

ist auch bespielbar, zum Beispiel für die berühmte Balkonszene in Romeo und Julia. Ein grosser dunkler Vorhang erlaubt die Verwandlung des Raumes und die Veränderung der Stimmungen.

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DIE AUSSTATTUNgDie Kostüme von Emma Ryott

Die Kostüme sind historisch inspiriert und lassen das elisabethanische England von Shakespeare anklingen. Auch sie sind sehr dunkel gehalten. Emma Ryott, die Kostümdesignerin, arbeitet paral-lel zur Probenarbeit die endgültige Form der Kostü-me aus. Sie geht zum Beispiel für die Ballkleider der Damen von einem Modellkostüm aus, das in den

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Proben ausprobiert und dann in der Länge, im Vo-lumen und anderen Faktoren an die Anforderungen der Choreografie und der Tänzerinnen angepasst wird. Für die Strassenszenen sind die Kostüme ein-facher, moderner und nehmen den historischen Be-zug durch einzelne Elemente wieder auf.

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WIE MAChEN SIE DAS, hERR BOgATU?Nachgefragt beim technischen Direktor des Opernhauses Zürich

Der Kronleuchter ist zu gross – was nun?

Für die grosse Ballszene in unserer Ballettproduk-tion von Romeo und Julia brauchen wir einen Kron-leuchter. Prunkvoll muss er sein, mit vielen Kerzen und üppigem Behang. Der Bühnenbildner Christian Schmidt hat ein Exemplar mit 40 Armen und einem Durchmesser von 3,5 Metern entworfen. Er sieht toll aus und fügt sich perfekt in das Bühnenbild ein. Er passt nur leider nicht in unsere Transportlifte...

Wir mussten ihn deshalb in zwei Teile zerlegen. Nun kann sich jeder vorstellen, dass ein Kronleuchter mit seinem ganzen Gehänge, Drähten, Stahlprofilen und Leitungen nicht gerade einfach zu teilen ist. Wir ha-ben entschieden, zwei komplett funktionstüchtige Halblüster zu konstruieren, die in die Lifte passen, dann auf der Bühne aneinander gestellt und zu ei-nem Grosslüster verschraubt werden.

Unsere Produktionsleiterin Marina Nordsiek hat ein virtuelles 3-D-Modell dieser beiden Halblüster inklu-

sive des kompletten Behangs erstellt. Danach hat unser Schlosser Theo Kuhn in vier Wochen kunst-handwerklicher Feinarbeit die Stahlkonstruktion ge-bogen und geschweisst. Es wurden für 40 Kerzen elektrische Leitungen eingezogen und Fassungen für die Leuchten angebracht. Abschliessend haben wir den Lüster mit ca. 7500 Perlen geschmückt, die an insgesamt 200 Meter Kunstglasperlenketten ange-bracht sind.

Immer wenn Romeo und Julia nun auf dem Spiel-plan steht, werden unsere Transportmitarbeiter die beiden Halblüster in die Lifte schieben und auf die Bühne bringen, wo sie von den Bühnentechnikern verschraubt werden. Schnell noch einige Perlenket-ten kreuz und quer von einer Hälfte zur anderen hängen. Hochziehen. Fertig. Die Vorstellung kann beginnen. Und die Capulets können ihren Ball unter dem Prunklüster feiern.Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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BESUCh IN DEN WERKSTÄTTENDie Kostümschneiderei

Die Kostümabteilung des Opernhaus Zürich hat über 100 Mitarbeiter, die in verschiedenen Funktionen und Werkstätten für die Produktion, Anpassung und Pflege der Kostüme zuständig sind. Zum Kostüm gehören nicht nur die Kleider, sondern auch Hüte, Schuhe, Schmuck, Brillen, Frisuren, Perücken und Make-up:• Produktionsleitung:KoordinationderHerstellungvonKostümenfürneueProduktionen• StoffeundEinkauf:BetreutdenEinkaufvonStoffen.IneinemRaumwerdenMusterbüchervonStoffen

aus aller Welt gesammelt. Manchmal besteht ein einziges Kostüm aus 10 verschiedenen Stoffen, die bei unterschiedlichen Herstellern bestellt werden.

• Damen-undHerrenschneiderei:HerstellungderKleiderfürneueProduktionen.• Kostümbearbeitung:FärbenvonStoffenundBearbeitung(altmachen,vergilben,verfetten,verstauben

etc.)der neu genähten Kostüme.• Hutmacherei:StellenalleKopfbedeckungenher(Hüte,Mützen,Helmeetc.)• Schuhmacherei:HerstellungvonhistorischenoderanderenspeziellenSchuhen• Maskenbildnerei:HerstellungvonPerücken,Frisuren,Schminke/Make-up• Kostümfundus:ImFunduslagernüber200‘000KostümteilesowiedieKostümevonca.100Opern-und

Ballettproduktionen im Repertoire.• AnkleideDamenundHerren:DieAnkleidebereitetdieKostümefürdieVorstellungvor:siereinigt,

kontrolliert und bügelt alles. Sie unterstützt die Darsteller/innen beim Anziehen, was ja manchmal sehr schnell gehen muss.

• Wiederaufnahmen:DieRepertoireschneidereikümmertsichumAnpassungen,ReparaturenundNeu-anfertigungen von Kostümen für Repertoireproduktionen. Bei Wiederaufnahmen werden viele Rollen neu besetzt. Die Repertoireschneiderei muss dafür sorgen, dass das Kostüm bei allen Darstellern, vom Solisten bis zum Statisten, gut sitzt.

Gewandmeister – ein besonderer und anspruchsvoller Beruf:

Gewandmeister sind für die praktische Umsetzung der Entwürfe des Kostümbildners zuständig. Sie sorgen für die stilgerechte, fachmännische, termingerechte und wirtschaftliche Realisierung der vorgegebenen Entwürfe. Gewandmeister müssen in der Lage sein, skizzierte Entwürfe zu interpretieren, in ein Schnitt-muster und danach in ein Kostüm umzusetzen, das der szenischen Figur des Stückes, den Absichten des Regisseurs und dem Träger des Kostüms gerecht wird. Die gesamte Kostümausstattung eines Stückes muss innerhalb eines festgelegten zeitlichen Rahmens gewährleistet werden und im Kostenrahmen blei-ben. Der 1. Gewandmeister leitet die Herren-, die Damenschneiderei bzw. die Repertoireschneiderei, in der weitere Gewandmeister sowie Herren- oder Damenschneider und Zuschneider arbeiten.

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Wie entstehen die Kostüme einer Neuproduktion?

Eine durchschnittliche Oper besteht aus 200 Kostümen, für grosse Produktionen mit sehr vielen Mitwirkenden

(z.B. Traviata mit zwei Ballszenen) können es bis zu 600 sein.

Entwurf der Kostüme durch den Kostümbildner: Der Kostümbildner entwickelt in Diskussion mit dem Regisseur und dessen Konzept des Stücks

Kostümentwürfe für alle Figuren → Figurinen1

1Figurinen sind gezeichnete oder modellierte Kostüm- oder Modeentwürfe (s. Entwürfe von Emma Ryott S. 28)

Der Kostümbildner stellt seine Entwürfe und Ideen 9-12 Monate vor der Premierein der Kostümschneiderei vor. Alle Werkstätten sind an diesem Treffen beteiligt.

Die Realisierung der Kostüme wird mit jeder Werkstatt im Detail besprochen. Stoffe werden bestellt.

Die Masse der Sänger und Tänzer werden beschafft, indem sie wenn möglich selbst genommen, sonst von anderen Häusern oder dem Agenten des Künstlers angefordert werden.

Der gewandmeister erstellt nach den Vorgaben des Kostümbildners die Schnitte der Kostüme (Silhouette, Epoche, Verarbeitung)

und gibt diese in die Damen- bzw. Herrenschneiderei zur Herstellung.

1. Anprobe: Bei der ersten Anprobe des Kostüms mit dem Darsteller sind der Kostümbildner

und der Gewandmeister anwesend. Das Kostüm wird diskutiert und den Wünschen des Kostümbildners und Darstellers angepasst.

fertigstellung der Kostüme. Bei Bedarf findet eine 2. oder 3. Anprobe statt.

Für die Klavierhauptprobe muss alles fertig sein. Die Kostüme kommen das erste Mal auf die Bühne. Das ist ein sehr spannender Moment;

man sieht, ob die Kostüme auf Distanz, im Scheinwerferlicht und zusammen mit dem Bühnenbild so wirken, wie gewünscht. Im Normalfall gibt es viele Änderungen,

die in wenigen Tagen alle umgesetzt werden müssen.

Die Orchesterhauptprobe einige Tage später ist der nächste Probetermin mit Kostümen. Bis dahin müssen alle Änderungen gemacht sein.

An der generalprobe (die letzte Probe vor der Premiere) müssen alle Kostüme fertig sein.

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IDEEN füR DEN UNTERRIChTFamilienaufstellung

Art GruppenarbeitDauer 45 MinutenAnforderung Die Schüler müssen mindestens eine Zusammenfassung von Romeo und Julia

kennen. Material Fotokamera, Papier und BleistiftZiel Die Figurenkonstellation und den Konflikt der Romeo-und-Julia-Geschichte wird

erfahrbar.

Diese Aufgabe eignet sich gut für die Vorbereitung der Schüler auf den Vorstellungsbesuch.

Voraussetzung für diese Aufgabe ist, dass die Schüler die Handlung des Balletts kennen (s. S. 6). Nachfol-gend sind die wichtigsten Figuren des Balletts mit einer kurzen Charakterisierung aufgelistet:

familie MontagueGraf Montague Familienoberhaupt der Montagues und Vater Romeos, in langjähriger Feindschaft

mit der Familie CapuletGräfin Montague Frau des Grafen Montague, Mutter RomeosRomeo Sohn des Grafen und der Gräfin Montague, liebt JuliaMercutio Verwandter des Herzogs von Verona und Freund Romeos, ist schlagfertig, auf-

brausend und schnell für Unfug und Kämpfe zu haben. Wird im Kampf mit Tybalt getötet.

Benvolio Vetter Romeos, ist eher besonnen, versucht zu beschwichtigen, wenn die jungen Männer der beiden Familien aneinander geraten.

familie Capulet Graf Capulet Familienoberhaupt der Capulets und Vater Julias, in langjähriger Feindschaft mit

der Familie MontagueGräfin Capulet Frau des Grafen Capulet, Mutter JuliasJulia Tochter des Grafen und der Gräfin Capulet, liebt RomeoTybalt Vetter Julias, Draufgänger, streitsüchtig und gewaltbereit, versucht die Ehre der

Familie zu verteidigen. Wird im Kampf von Romeo getötet.Julias Amme Mütterliche Freundin. Hilft Julia, überbringt Botschaften an Romeo und berät und

unterstützt sie.Graf Paris Verwandter des Fürsts von Verona und Wunschkandidat der Eltern für Julia. Er wird

Julia am Ball der Capulets vorgestellt. Julias Eltern arrangieren kurz darauf seine Hochzeit mit Julia. Romeo trifft ihn an Julias Grab und tötet ihn im Kampf.

Bruder Lorenzo Franziskanermönch, Vertrauter von Romeo und Julia; vermählt Romeo und Julia heimlich, hilft Julia die Hochzeit mit Graf Paris zu verhindern und gibt ihr das Ner-vengift.

Fürst von Verona Versucht die Familienfehde zwischen den Montagues und Capulets zu beenden. Spricht die Verbannung von Romeo wegen Mord an Tybalt aus.

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Teilen Sie die Klasse so auf, dass jeweils 13 Schüler die Figuren des Stücks verkörpern können. Die Schüler, die keine Figur übernehmen, bekommen die Aufgabe eine «Familienaufstellung» mit den Figuren von Romeo und Julia zu machen. Das heisst, dass die Schüler ein grosses Standbild machen, das die Beziehungen zwischen den verschiedenen Figuren räumlich abbildet.

Leitfragen, die als hilfestellung dienen können: - Wer steht im Zentrum der Geschichte?- Wer ist sich nah?- Wer hat gar keinen Berührungspunkt miteinander?- Wer ist Aussenseiter?

Achtung Körpersprache: Motivieren Sie die Schüler die Figuren durch Körpersprache lebendig zu machen: Körperhaltung, zugewandte oder abgewandte Körper, Blickkontakt, Nähe und Entfernung. Es kann helfen, ihre Haltung, ihre Beziehungen in 1-2 Sätzen zu verbalisieren, damit sie sich der Emotionen der Figur bewusst werden.

Dokumentation: Die entstehenden Standbilder können als Foto, Zeichnung oder Skizze dokumentiert werden. Wenn mehrere Gruppen gearbeitet haben, können sich die Gruppen ihre Standbilder gegenseitig zeigen. Aufgabe der zu-schauenden Schüler ist es, die dargestellten Figuren zu erraten.

Beobachtung und Veränderung: Möglich ist auch, dass die Zuschauer etwas am Standbild der anderen verändern, wenn so die Wirkung ver-stärkt wird. Was passiert beispielsweise, wenn man den Abstand zwischen zwei Figuren verändert? Sollen sich Romeo und Julia möglichst nahe sein oder lieber nicht? Ist die Amme Julia näher als ihre Mutter? Verschiede-ne Positionen können hier ausprobiert und die sich jeweils verändernde Wirkung diskutiert werden.

Beleben der familienaufstellungen mit «stopp» und «go»: Das Standbild mit «stopp» und «go» Befehlen kurz in Bewegung bringen und wieder anhalten. Bei «go» sol-len die Darsteller ihre Figur, ausgehend von der Aufstellung des Familienbildes, für einige Sekunden lebendig werden lassen.

Vergleich und Diskussion: Interessant ist auch ein Vergleich von mehreren Standbildern. Welche Beziehungen sind in den unterschied-lichen Bildern ähnlich dargestellt und wo wurde möglicherweise der Fokus anders gesetzt? Anhand dieses Vergleichs können die Schüler ganz praktisch erfahren, dass man eine Geschichte und die darin enthaltene Figurenkonstellation ganz unterschiedlich interpretieren kann und dass es nicht eine einzig richtige Sichtwei-se gibt. Nach dem Vorstellungsbesuch können Sie auf die Standbilder zurückkommen und die Figurendarstel-lung im Ballett mit den «Familienaufstellungen» der Schüler diskutieren.

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IDEEN füR DEN UNTERRIChTBilder zum Thema «Liebe»

Art 1. Gruppenarbeit Bildkomposition 2. Choreografische Aufgabe in PaarenDauer 45 - 90 MinutenAnforderung Die Schüler müssen mindestens eine Zusammenfassung von Romeo und Julia

kennen. Material Jede Gruppe von drei Schülern sollte eine Fotokamera oder ein kamerafähiges

Handy zur Verfügung haben. Ziel Sensibilisierung für die klischeehaften Bilder von Liebe, die man überall antrifft.

In unserer Vorstellung haben sich Bilder von Liebe festgesetzt, die wir überall und immer wieder antreffen (Filme, Werbung, Medien, TV etc.). Diese Übung soll den Schüler bewusst machen, welche klischeehaften Bilder von Liebe wir alle kennen.

Zeigen Sie Ihren Schülern die nachfolgenden fotos von Liebespaaren als Inspiration für ihre eigenen Bilder von Liebe.

1. TeilGeben Sie den Schülern 20 Minuten Zeit, um in Dreiergruppen (Geschlecht spielt keine Rolle) Fotos zum Thema «Liebe» anzufertigen. Jede Gruppe verfügt über eine Fotokamera oder Handy und teilt sich wie folgt selbst ein: 1 Fotograf, 2 Modelle. Jede Gruppe wählt ein Foto aus, das sie im Anschluss präsentieren werden (Projektion oder gedruckt).

2. Teil Wählen Sie mit der Klasse drei der häufigsten Gesten und Motive aus und diskutieren Sie mit ihren Schülern, warum diese Bilder für sie Liebe symbolisieren.

3. Teil Die Schüler bilden Paare und werden ein Liebesduett kreieren:- Die beiden Partner einigen sich auf 4-5 Bilder von Liebespaaren (durch die Bilder inspiriert oder neue

eigene). Jeder kopiert die Stellung einer der Personen ihres Paares ohne einander zu berühren, d.h. mit Abstand von ca. 1m.

- Wenn die 4-5 Paarstellungen für beide Partner klar sind, bringen sie die Positionen in eine Reihenfolge und suchen nach verbindenden Bewegungen: Für den Ablauf dürfen Positionen und Bewegungen repetiert werden.

- Achtung: Raum gut nutzen! Mit den Abständen zwischen den beiden Partnern des Duetts spielen: von sehr nah (ohne Berührung) bis zu sehr fern.

- Optionen: - Die ganze Choreografie mit einem süssen Lächeln im Gesicht machen

- Sich beim Tanzen immer in die Augen schauen - Mehrere Liebesduette gleichzeitig im Raum arrangieren

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IDEEN füR DEN UNTERRIChTAktuelle Romeo-und-Julia-Geschichten

Art Diskussion mit der ganzen Klasse, AufsatzDauer 45-90 MinutenAnforderung Die Schüler müssen mindestens eine Zusammenfassung von Romeo und Julia

kennen. Material vier aktuelle Romeo-und-Julia-Geschichten, Papier und SchreibzeugZiel Charakteristika einer tragischen, verbotenen Liebe wie Romeo und Julia verstehen

und verschiedene Lösungsansätze der Geschichte erarbeiten. Übertragung von Realität in Fiktion.

Das Drama von William Shakespeare ist über 400 Jahre alt. Wie aktuell ist die Geschichte? Wäre die Geschichte heute anders?

Diskutieren Sie mit Ihren Schülern, ob und warum die folgenden Beispiele auch Romeo und Julia-Geschichten sein könnten und lassen Sie sie allein oder in Gruppen eine eigene, aktuelle Romeo und Julia-Geschichte er-finden und aufschreiben.

In einem zweiten Schritt können Sie die Schüler auffordern die gleichen Liebesgeschichten mit einem Happy End aufzulösen.

Lebenslange haft für «Ehrenmord» an der Schwester16.5.2012 | Berliner Morgenpost

Das Landgericht Detmold hat einen Bruder der entführten und getöteten Kurdin Arzu Ö. zu lebenslan-ger Haft verurteilt. Der 22-jährige Osman, der im Prozess die tödlichen Schüsse gestanden hatte, muss wegen Mordes ins Gefängnis, entschieden die Richter am Mittwoch. Auch die vier an der Tat beteiligten Geschwister im Alterzwischen 21 und 27 Jahren wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten eingeräumt, Arzu im November vergangenen Jahres entführt zu haben. Die Tötung sei aber nicht geplant gewesen. Hin-tergrund war nach Ansicht des Gerichts die Beziehung Arzus zu einem deutschen Bäckergesellen. Diese Verbindung habe die jesidische Familie nicht hinnehmen wollen. Die Schwester Sirin (27) und die Brüder Kirer (25) und Osman (22) hätten den gemeinschaftlichen Mord begangen, um die vermeintlich verletzte «Ehre» der kurdischen Familie wiederherzustellen, hatte der Detmolder Oberstaatsanwalt Ralf Vetter am Mittwoch in seinem Plädoyer erklärt.Die 18-jährige Arzu Ö. habe ihr eigenes Leben gelebt und mit der jesidischen Familie gebrochen. Deswe-gen sei sie getötet worden. Die Religionsgemeinschaft der Jesiden duldet streng genommen keine Bezie-hungen zu Andersgläubigen.

Arzu war wegen ihres Lebenswandels mindestens zweimal von ihrem Bruder Osman verprügelt worden. Daraufhin war sie am 1. September 2011 in ein Frauenhaus geflohen und hatte Vater und Bruder angezeigt.Am Abend vor dem 1. November spürten die Geschwister Arzu bei ihrem Freund auf und entführten sie.Die Schwester Sirin war nach eigenem Geständnis die treibende Kraft bei der Suche nach Arzu. Man habe aber nur die verlorene Schwester wieder zur Familie holen wollen, sagte Anwalt Carsten Ernst. Später sei die Situation eskaliert. Der 22-jährige Osman hatte im Prozess die beiden tödlichen Kopfschüsse gestan-den. Er sei von Arzu beschimpft worden, da habe er die Kontrolle verloren und geschossen.

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Teenager-Liebespaar begeht am Valentinstag Selbstmord14.02.2012 | www.derwesten.de

In Bangladesch hat sich ein Teenager-Liebespaar am Valentinstag selbst getötet, weil das Mädchen zur Zwangsheirat mit einem anderen Mann gezwungen wurde. Die 16-Jährige und ihr ein Jahr älterer Freud seien im Süden des Landes in der Region Gopalganj gemeinsam von einem Mobilfunk-Sendemast ge-sprungen, teilte ein Polizeisprecher am Dienstag mit. Sie hatten ihre Hände mit einem Schal verschlungen. «Die beiden hatten offenbar eine Liebesbeziehung und haben bewusst den Valentinstag gewählt, um sich selbst zu töten», sagte der Polizeisprecher.

Den Angaben zufolge war die 16-Jährige vor zwei Monaten von ihrer Familie in eine 200 Kilometer von ihrem Heimatdorf entfernte Stadt gebracht worden. Dort wurde sie zur Heirat mit einem doppelt so alten Mann gezwungen. Als das Mädchen zu einem Heimatbesuch bei seinen Eltern war, schlich sich ihr Freund offenbar zu ihr und gemeinsam gingen sie zu dem Sendemast. «Sie haben den Selbstmord wahrscheinlich übers Handy verabredet», sagte der Polizeisprecher.

http://www.derwesten.de/panorama/teenager-liebespaar-begeht-am-valentinstag-selbstmord-id6350133.html

Vater sprengte freund der Tochter in die Luft28.8.2012 | 20 Minuten

Köln. Tödliches Familiendrama in Zollstock bei Köln: Weil Vater Francesco M. (52) die Beziehung seiner 14-jährigen Tochter zu einem jungen Mann nicht duldete, tötete er den 17-jährigen Semmy D., indem er in dessen Wohnung mit Benzin eine Explosion verursachte.

Um 21.08 Uhr ging am Montagabend bei der Polizei ein Notruf ein: Es war der 17-jährige, der befürchte-te, der Vater seiner Freundin wolle die Wohnungstür eintreten und ihn zusammenschlagen. Kurz danach drang der Täter in die Wohnung ein, verschüttete dort mehrere Liter Benzin und entzündete sie. Die Wucht der Explosion schleuderte Semmy, der sich auf den Fenstersims geflüchtet hatte, zehn Meter weit in den Innenhof – er erlag seinen schweren Verletzungen. Der Vater, der beim Vorfall selbst schwere Verbrennun-gen erlitt, mischte sich unter die Schaulustigen auf der Strasse. Dort wurde er von der Polizei erkannt und festgenommen. Der geständige Täter liegt nun im künstlichen Koma. Er ist der Polizei schon von zwei früheren Fällen häuslicher Gewalt bekannt.

Romeo und Julia in Sarajewo

Im Mai 1993 wurde ein junges Paar - Sie Moslem, Er bosnischer Serbe - auf ihrer Flucht aus Sarajevo er-schossen. Heute werden Admira Ismić und Boško Brkić liebevoll «Romeo und Julia von Sarajevo» genannt. Admira war Bosniakin, Boško ein bosnischer Serbe. Sie liebten sich, wollten eine Familie gründen und aus der belagerten Stadt fliehen. Zusammen überquerten sie eine Brücke im Niemandsland zwischen den Fronten. Plötzlich ein Schuss aus der Unsichtbarkeit. Boško fällt zu Boden, ist wahrscheinlich sofort tot. Kurz darauf ein zweiter Schuss, Admiras Körper zuckt zusammen. Sie versucht ihren Freund zu erreichen, umarmt ihn, will Trost spenden. Sie selbst überlebt angeschossen einige Minuten. Tagelang liegen die beiden leblosen Körper dort. Niemand wagt es, die Leichen zu bergen. Wer hätte es tun können? Die Serben? Die bosnischen Muslime? Sollten die einen Boškos Leichnam bergen, während die anderen versu-chen Admiras leblosen Körper zu bergen? Romeo und Julia verkörperten die schreckliche Absurdität des Bosnienkrieges.

Siehe auch Trailer des Dokumentarfilms: http://vimeo.com/28838422

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IDEEN füR DEN UNTERRIChTDrohgebärden-Ballett

Art praktische Tanzaufgabe, Klasse in zwei Gruppen aufgeteiltDauer ca. 15-20 MinutenAnforderung ausreichende Platzverhältnisse (Singsaal oder Turnhalle);

keine besonderen Vorkenntnisse erforderlich Material keines

Vorbereitende übungDie Klasse steht im Kreis. Zuerst gibt die Lehrperson eine Bewegung mit rhythmischer Begleitung vor (Elemente wie Stampfen, Klatschen, Rufen werde zu einer Bewegung hinzugefügt), dann macht die ganze Klasse nach:- 1x die Lehrperson- 8x die ganze KlasseDie Schüler erfinden eigene Bewegungen mit rhythmischer Begleitung, die jeweils von der ganzen Klasse nachgemacht werden. Immer mit dem Muster 1x der Anführer – 8x die ganze Gruppe. (Bei Bedarf auf 1x – 4x verkürzen).

Drohgebärden-BallettDie Klasse wird in zwei Gruppen aufgeteilt, die sich in einigem Abstand gegenüberstehen. Für jede Grup-pe wird ein Anführer bestimmt. Der Anführer macht eine rhythmische Vorwärtsbewegung, die er klanglich untermalt (Bewegung mit Stampfen, Klatschen und Stimme). Er macht diese Bewegung jeweils 8x hinterei-nander und rückt dabei jeweils einen Schritt vor. Seine Mitspieler beobachten jede seiner Bewegungen sehr genau, setzen beim 2. oder 3. Mal ein und führen sie synchron mit dem Anführer aus.

Darauf antwortet der Anführer der anderen Gruppe ebenfalls mit einer klanglich untermalten rhythmischen Vorwärtsbewegung, die von seinen Mitspielern übernommen und synchron ausgeführt werden. Ebenfalls 8x.

Sobald sich die beiden Gruppen direkt gegenüberstehen, weicht die eine Gruppe jeweils 8 Schritte zurück, während die andere Gruppe vorwärts geht und umgekehrt.

Zu beachten:- Unbedingt Rhythmus und Tempo beibehalten, so dass die Rhythmen durchgehend sind.- Anführer wechseln

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IDEEN füR DEN UNTERRIChTThemen und Fragen zur Diskussion über das Stück

als Nachbearbeitung des Vorstellungsbesuchs

Art Diskussion mit der ganzen KlasseDauer 30 - 45 MinutenAnforderung Die Schüler/innen haben die Vorstellung des Balletts Romeo und Julia gesehen. Ziel Den Vorstellungsbesuch reflektieren.

Die folgenden Themen und Fragen sind als Inspiration für eine Diskussion mit der Klasse nach dem Vorstel-lungsbesuch gedacht:

Allgemein:

- Romeo und Julia sehen nur die Möglichkeit des Selbstmords, um vereint zu sein. Diskutieren Sie mit Ihren Schülern, ob es eine Alternative zu der Entscheidung «Liebe oder Tod» gegeben hätte.

- Wäre die Geschichte von Romeo und Julia heute noch möglich? Welche Hindernisse können junge Liebes-paare heute auseinander bringen? (Beispiele s. u. Aktuelle Romeo-und-Julia-Geschichten, S. 37)

Auf die Ballettfassung von Christian Spuck bezogen:

- Welche Szene(n) haben euch am meisten beeindruckt? Warum?

- Am Anfang des Stücks erscheinen die Tänzer als Privatpersonen auf der Bühne und verwandeln sich auf offener Bühne in die Figuren von Romeo und Julia. Warum diese offene Verwandlung? Wie verändert sich dadurch die Beziehung des Zuschauers zur Bühnenfigur?

- In manchen Szenen tragen die Tänzerinnen Spitzenschuhe, in anderen nicht. Warum?

- Waren die Fechtszenen spannend und realistisch? Warum? Warum nicht?

- Konntet ihr Hip Hop und Streetdance-Moves in der Choreografie entdecken? Welche?

- Wenn ihr an die Ballszene im I. Akt denkt, an welche Gruppenformationen könnt ihr euch erinnern? (aufzeichnen lassen)

- Verändern sich die Hauptfiguren Romeo und Julia während des Stücks? Wie würdet ihr die beiden Figuren am Anfang des Stücks und am Ende charakterisieren?

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Abstrakter Tanz / Ballett Tanz, der keine Geschichte erzählt. Beispiele: George Balanchine: Seine Werke sind nach eigener Aussage «sichtbar gemachte Musik», Merce Cunningham u.a.m.

Akademischer Tanz siehe klassisches Ballett

Aufwärmen Vor einem Einsatz in Proben oder Aufführungen benötigen die Muskeln und Bänder des tanzenden Körpers eine gute Durchblutung und Erwär-mung. Ohne Aufwärmtraining besteht für den Tänzer Verletzungsgefahr.

Ausdruckstanz auch freier bzw. expressionistischer Tanz, entstand als Gegenbewegung zum klassischen Ballett mit dem beginnenden 20. Jh. Er dient dem individu-ellen und künstlerischen Darstellen von Gefühlen der tanzenden Personen.

Ballerina / (ital. Tänzerin) ist eine Solotänzerin. Eine Primaballerina ist diePrimaballerina beste und erfahrenste Ballerina einer Kompanie.

Ballett Drei Bedeutungen: 1. der in künstlerisch stilisierter Form dargebrachte Bühnentanz des

abendländischen Kulturkreises. 2. das in der oben genannten Form dargebotene Werk. 3. eine Kompanie, die solche Werke präsentiert. Heute versteht man unter Ballett sehr unterschiedliche Erscheinungs-

formen des Bühnentanzes, wobei der akademische Ursprung weiterhin durchscheint.

Das Wort kommt von italienisch «balletto»: Diminutiv von «ballo», das be-deutet «Tanz»; «ballar» bedeutet «tanzen». An den Höfen Italiens wurden in der Renaissance festliche Aufzüge präsentiert, in denen Zwischenspiele («intermezzi») vorgesehen waren, zumeist als Tanzeinlagen. Ab ca. 1550 bezeichnete man diese Einlagen als «balletti». Aus diesen «balletti» entwi-ckelten sich später die französischen «ballets de cour» (Hofballette).

Ballettdirektor leitet eine Ballettkompanie. Er trifft alle künstlerischen Entscheidungen und wählt die Tänzer und weitere Mitarbeiter der Kompanie aus.

Ballettmeister leitet das tägliche Training der Tänzer und assistiert den Choreografen bei der Erarbeitung einer Choreografie. Er übt die Tanzstücke mit den Tänzern und studiert bestehende Choreografien neu ein.

Barre (franz. Stange) Der erste Teil des Ballett-Trainings findet an der Stange statt. Die Tänzer halten sich mit einer Hand an der Stange, während sie Übungen ausführen. Dadurch werden sie beim Halten des Gleichgewichts unterstützt. Der zweite Teil des Trainings findet dann «au milieu» statt; freistehend in der Mitte des Raumes.

KLEINES TANZLExIKONErklärungen zu Fachausdrücken aus dem Bereich Bühnentanz, Musik und Bühne

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Beleuchtung Die Beleuchtung, also das «Licht», macht sichtbar, was auf der Bühne vor sich geht. Das «Licht» unterstreicht die Kulissen, den Tanz und die Musik, also die dargestellten Stimmungen und Situationen auf der Bühne, es hebt bestimmte Dinge hervor und lässt andere wiederum in den Hin-tergrund treten.

Besetzung Alle mitwirkenden Tänzer einer Choreografie und ihre Rollenzuteilung.

Bewegungsmaterial Alle Tanzschritte und -kombinationen, die in einem Tanzstück vorkom-men. Viele Choreograf/innen sind an der Art ihres Bewegungsmaterials zu erkennen.

Bühne In einem Theater besteht die Bühne meistens aus verschiedenen Bereichen: Seitenbühne (rechts und links), Vorderbühne, Hinterbühne, Unterbühne und Hauptbühne. Meistens wird nur die Hauptbühne genutzt. Der Zuschauer sieht bei einer Guckkastenbühne (wie im Opernhaus Zürich) nur den relativ kleinen Ausschnitt der gesamten Bühne, der durch die Proszeniumsöffnung einsehbar ist. Die Hauptbühne befindet sich direkt in der Mitte. Die Seiten- und Hinterbühne wird zur Bereitstellung von Dekorationsteilen benutzt. Die Vorderbühne befindet sich vor dem Bühnenportal.

Bühnenbild Gesamtheit aller Bühnenbauten und Kulissen, auch Dekor genannt.

Bühnenbildner überlegt sich, wie die Kulisse, Dekorationen und Requisiten für ein Stück aussehen sollen. Dabei richtet er sich nach den Ideen der anderen Künst-ler, das Bühnenbild entsteht gemeinsam mit dem Choreografen oder dem Regisseur.

Bühnentanz Tanzvorstellungen mit einer künstlerischen Vision, die vor Zuschauern prä-sentiert werden.

Choreograf ist der kreative Gestalter einer Choreografie. Er ist gleichzeitig Erfinder und Regisseur des Stückes und repräsentiert somit im Vergleich zum Schauspiel gleichermaßen die Rolle von Autor und Regisseur.

Choreografie (altgr. χορός «Tanz» und γράφειν «schreiben») bezeichnet das Erfinden und Einstudieren von Bewegungen, meist in Zusammenhang mit Tanz. Eine Choreografie wird ebenso wie eine musikalische Komposition als Kunstwerk betrachtet und reicht vom kurzen Solo- oder Showtanz bis zur mehrstün-digen Inszenierung eines Tanztheaterstückes mit vielen Personen und kom-plexer Handlung.

Corps de ballet (frz. Körper/Korpus des Balletts) sind die Mitglieder des Ballettensembles, die im Gegensatz zu den Solotänzern in der Regel als große Gruppe auftreten.

Dirigent Musikalischer Verantwortlicher einer Ballettaufführung mit Orchester- begleitung. Er interpretiert die Partitur und koordiniert das Orchester (und den Chor).

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Dramaturg Wirkt bei der Entstehung neuer Tanzstücke mit. Er sorgt für die Verständ-lichkeit des Handlungsablaufs und arbeitet durch Ideen und Vorschläge beratend mit. Er macht Recherchen zum Stoff des Stücks, verfasst Texte für das Programmheft und weitere Publikationen zu den Hintergründen und der Aufführungspraxis des Werkes.

Duett Ein Tanzstück oder Teil eines Tanzstücks für zwei Tänzer. Wird auch Pas de deux genannt.

Eiserner Vorhang (Schutzvorhang) ist eine bauliche Brandschutzeinrichtung in Theatern, die das Bühnenhaus vom Zuschauerraum in Form eines feuerundurchläs-sigen Schutzvorhangs trennt, um eine sichere Flucht der Zuschauer zu gewährleisten und den Übergriff des Feuers in andere Gebäudeteile zu verhindern.

Ensemblestück Ein Tanzstück oder ein Teil eines Tanzstücks, das für eine Gruppe Tänzer bestimmt ist.

Guckkastenbühne Bühnentyp, der durch den Portalrahmen eine klare Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum erzeugt. Sie hat drei Wände, die «vierte Wand» zum Publikum hin ist offen.

Handlungsballett Ein Tanzstück, das eine Geschichte erzählt.

Inszenierung Das gesamte Bühnengeschehen bei einer Tanz-, Theater- oder Opern- aufführung.

Interpretation Interpretation im Tanz, Darstellung einer Handlung oder eines Gefühls-ausdrucks. In der Musik und im Tanz ist die Aufführung eines Werkes im-mer schon eine Interpretation (Tänzer und Musiker nennt man darum auch Interpreten).

Isolationen Das unabhängige Bewegen einzelner Körperteile.

klassisches Ballett / ist der seit dem 17. Jh. entwickelte und immer mehr perfektionierte akademischer Tanz Theatertanz, dessen Schritt- und Bewegungsfolgen in der Danse d‘école

strikt kodifiziert sind und im Exercice zur Vervollkommnung der Technik des Tänzers täglich repetiert werden. Im 17. Jh. und 18. Jh. trugen Paris, im 19. Jh. Mailand und St. Petersburg entscheidend zur Weiterentwicklung des klassischen Balletts bei. Das Hauptmerkmal des klassischen Balletts ist das Ausdrehen der Hüften und Füsse. Alle Tanzschritte haben französi-sche Namen.

Klavierauszug Zusammenfassung einer Orchesterpartitur für Klavier; wird unter ande-rem zum Erarbeiten und Proben einer Choreografie verwendet.

Kostümdesigner / entwirft in Rücksprache mit dem Choreografen die Kleidung, die dieKostümbildner Tänzer während der Vorstellung tragen.

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Lichtdesigner entwirft und realisiert die Lichtstimmungen für das Stück.

Markieren Ein Tänzer markiert einen Part, wenn er ihn in der Probe nicht voll aus-tanzt, sondern nur andeutet.

Moderner Tanz Modern Dance ist eine Variante des Bühnentanzes, die sich seit 1900 in den USA aus Erneuerungsbestrebungen des klassischen Balletts und ver-schiedener avantgardistischer Strömungen entwickelt hat.

Motiv Kleinste Sinneinheit in einer tänzerischen oder musikalischen Kompositi-on.

Pantomime Pantomime ist eine szenische Darbietung durch wortlose Gestik, Mimik und Gebärdenspiel.

Partitur Zusammenstellung aller Instrumental- und Singstimmen eines Bühnen-werks. In gedruckter Form die Grundlage für die Arbeit des Dirigenten.

Pas (franz. Schritt). Bedeutet Tanzschritt, wobei immer die Bewegung des ganzen Körpers gemeint ist und nicht nur die Füsse. In der Fachsprache des Balletts wird Pas meist in Zusammenhang mit anderen Worten ge-braucht. Als Bezeichnung für einen bestimmten Schritt wie in «Pas de bourrée», «Pas de chat» usw., aber auch als Bezeichnung für eine be-stimmte Form - wie in «Pas d‘action» für eine dramatisch akzentuierte Szene oder um die Anzahl der mitwirkenden Tänzer zu definieren: «Pas de deux», «Pas de trois» etc. Tanzstück oder Teil für zwei, drei usw. Tänzer.

Pas de deux Ein Tanzstück oder Teil eines Tanzstücks für zwei Tänzer, auch Duett ge-nannt.

Proszenium stammt über das Lateinische (proscenium) vom altgriechischen πρό «pro» (vor) und σκήνη «skene» (Bühnenhaus). Im modernen Theater ist das Proszenium der vordere Teil der Bühne zwischen Vorhang / Portal- öffnung und Orchester. In der Proszeniumsöffnung befindet sich im Allgemeinen der gesetzlich wegen des Brandschutzes vorgeschriebene «Eiserne Vorhang».

Requisit Beweglicher Gegenstand, der zur Ausstattung von Szenen in Theater, Film und Oper dient.

Repertoire Die verschiedenen Tanzstücke, die von einer Kompanie aufgeführt wer-den.

Saison / Spielzeit Zeitraum, in dem ein Theater Aufführungen veranstaltet, meist vom Spät-sommer bis zum Frühsommer des Folgejahres.

Solo Ein Tanzstück oder Teil eines Tanzstücks für einen Tänzer oder Tänzerin.

Spielplan Verzeichnis aller während einer Spielzeit an einen Theater aufgeführten Werke.

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Spitzenschuhe Spezielle Tanzschuhe, mit denen die Tänzerin auf ihren Zehen stehen kann. Sie haben eine versteifte Schuhspitze (Box), deren Spitze als Standfläche abgeflacht ist, und einer aufrecht stehenden Ledersohle, auch ‚Wirbelsäule‘ genannt. Box und Sohle verleihen den nötigen Halt und sorgen dafür, dass die Belastung optimal verteilt wird. In einem Spitzenschuh steckt der Fuss vertikal wie ein Korken im Flaschenhals. Die Schuhe werden mit Bändern am Unterschenkel befestigt.

Synchron Bewegungen, die von mehreren Tänzern zeitgleich und auf exakt die gleiche Weise ausgeführt werden.

Tanz Tanz ist ein Sammelbegriff für jede Art spielerisch-rhythmischer Körper-bewegung, die Musik- oder Geräuschbegleitung interpretiert, begleitet oder auch Teil davon ist. Tanzen bezieht sich allgemein auf Bewegung als Ausdrucksform oder soziale Interaktion. Tanz kann in einem spirituellen Kontext vorkommen oder auf einer Bühne präsentiert werden

Tanzstile Hip Hop, Breakdance, Jazztanz, Musicaltanz, Ballett, Volkstanz, Gesell-schaftstänze, Afrikanischer Tanz, Flamenco, Tango, Salsa, Bauchtanz, Stepptanz, usw.

Tutu (frz. «Ballettröckchen») ist ein kurzes, aus mehreren Stoff-Lagen (meist Gaze oder Tüll), gefertigtes, gelegentlich auch versteiftes Ballettkostüm. Knöchellang war es das Kostüm der Elfen- und Feengestalten des Roman-tischen Balletts (ab ca. 1832). Mit der Weiterentwicklung des klassischen Tanzes hat sich auch das Tutu in seiner Form verändert und ist nicht nur traditionelles Kostüm, sondern neben den Spitzenschuhen Symbol der klassischen Tänzerin geworden. Heute unterscheidet man dem choreo-grafischen Stil entsprechend im Wesentlichen zwei Formen: das lange oder so genannte romantische Tutu und das kurze so genannte akademi-sche Tutu.

Wiederaufnahme Neueinstudierung einer bereits früher erarbeiteten Inszenierung / Cho-reografie.

Zeitgenössischer Tanz Unter dem Sammelbegriff zeitgenössischer Tanz versteht man die cho-reografische Bühnentanzkunst der Gegenwart. Dabei steht der individu-elle Stil des Choreografen im Vordergrund.

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Wir freuen uns, dass ihr eine Vorstellung im Opernhaus Zürich besucht und euch fürs Musiktheater inte-ressiert. Alle Mitwirkenden werden ihr Bestes geben, um euch eine packende Vorstellung zu präsentieren.Die Oper und das Theater sind Orte der Begegnung zwischen Künstlern und Zuschauern. Die Darbietenden kreieren die Emotionen und die Stimmungen auf der Bühne jeden Abend neu. Die Zuschauer gestalten ih-rerseits die Atmosphäre durch ihre aktive Anwesenheit mit und tragen wesentlich zu einer gelungenen Vor-stellung bei. Ihr spielt also eine wichtige Rolle; erst durch eure Konzentration, euer Mitdenken und Mitfühlen entsteht eine spannende Aufführung.Damit sowohl ihr als auch die anderen Zuschauer und die Künstler eine gelungene Vorstellung erleben kön-nen, bitten wir dich folgende Regeln einzuhalten:

Die Platzverhältnisse im Zuschauerraum sind eng. Jacken, Schirme, Rucksäcke und Sons-tiges dürfen aus feuerpolizeilichen Gründen nicht in den Zuschauerraum mitgenommen werden. Mit der Eintrittskarte können die Garderoben kostenlos benutzt werden.

Getränke und Esswaren dürfen nicht in den Zuschauerraum mit¬genommen werden.

Mobiltelefone und sonstige elektronische Geräte bleiben in der Jackentasche und sind ausgeschaltet.

Bei einem ersten Opernbesuch ist vieles neu, interessant und vielleicht auch ungewohnt. In der Pause und nach der Vorstellung könnt ihr euch darüber austauschen, was euch besonders gefallen oder missfallen hat. Gespräche während der Aufführung stören die anderen Zuschauerinnen und Zuschauer.

Die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne singen ohne Mikrofon. Die Akustik im Haus ist so konzipiert, dass alles, was auf der Bühne gesungen und gespielt wird, überall im Zuschauerraum und auf der Bühne zu hören ist. Ebenso verhält es sich natürlich mit den Geräuschen, die im Zuschauerraum produziert werden.

Bitte kommt früh genug ins Opernhaus, damit ihr das spezielle Ambiente im Haus erleben und rechtzeitig eure Plätze einnehmen könnt. Beachtet, dass nach Beginn der Vorstellung bis zur Pause kein Einlass mehr möglich ist.

Natürlich könnt ihr euch kleiden, wie ihr wollt. Seid euch jedoch bewusst, dass ein Opern-besuch für viele Besucherinnen und Besucher ein besonderes Ereignis darstellt und sie dies dementsprechend auch mit ihrer Kleidung unterstreichen.

Wir wünschen euch einen anregenden Abend und hoffen, dass euch die Vorstellung gut gefällt!

MERKBLATT ZUM VORSTELLUNgS-BESUCh IM OPERNhAUS ZüRICh

psst!

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QuellenangabenWilliam Shakespeare: Romeo und Julia (zweisprachige Ausgabe), übersetzt von Frank Günther, dtv, 1998William Shakespeare: Romeo und Julia, übersetzt von August Wilhelm Schlegel (1849), Reclam, 2002Jean George Noverre: Briefe über die Tanzkunst (neu editiert und kommentiert), Henschel Verlag, 2010Zusammenfassung der Tanzgeschichte: http://www.kultur-fibel.de/Kultur%20Fibel%20Ballett,%20Tanzge-schichte_1.htm

Bildnachweis1) Ballettsaal Opernhaus Zürich2) Foto: Stefan Deuber, Probenfoto Romeo und Julia3) Foto: Nathan Benn, mit Erlaubnis der Shakespeare Library 1986 4) Sergej Prokofjew5) Foto: http://tariqawad.blogspot.ch/2011/04/margot-fonteyn-and-rudolf-nureyev.html, Choreografie: Kenneth MacMillan 6) Foto: Gundel Kilian, Choreografie: John Cranko7) Foto: Gene Schiavone, Choreografie: John Neumeier8) Foto: Stefan Deuber, Probenfoto Romeo und Julia9) Foto: Stefan Deuber, Probenfoto Romeo und Julia10) Foto: Stefan Deuber, Probenfoto Romeo und Julia11) Foto: Stefan Deuber, Probenfoto Romeo und Julia12) Foto: Stefan Deuber, Probenfoto Romeo und Julia13) Foto: Stefan Deuber, Probenfoto Romeo und Julia14) Foto: Stefan Deuber, Portrait Christian Spuck15) Foto: Danielle Liniger, Probenfoto Romeo und Julia16) Foto: Danielle Liniger, Probenfoto Romeo und Julia17) Foto: Stefan Deuber, Portrait Eva Dewaele18) Foto: Stefan Deuber, Portrait Michael Grünecker19) Foto: Stefan Deuber, Probenfoto Romeo und Julia20) Foto: Stefan Deuber, Portrait William Moore21) Bühnenbildmodell von Christian Schmidt22) Bühnenbildmodell von Christian Schmidt23) Figurinen Romeo und Julia, Zeichnungen: Emma Ryott24) Foto: Susanne Schwiertz, Kostümschneiderei25) Foto: Susanne Schwiertz, Kostümschneiderei26) Foto: Susanne Schwiertz, Kostümschneiderei27) Foto: Erste Liebe in der Schule ©Flickr / pedrosimoes7 28) Filmstill aus Radio Rock Revolution von Richard Curtis, Universal Films29) Foto: Sandra Eckhardt/Corbis30) Filmstill aus Goodbye First Love von Mia Hansen-Løve, Filmfest Locarno31) Filmstill aus Teen Wolf: Wild Love (Serie), MTV/ World News Inc.32) Foto: Stefan Deuber, Probenfoto Romeo und Julia

Quellenangaben, Literatur- und filmverweise

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LiteraturWilliam Shakespeare: Romeo und Julia (zweisprachige Ausgabe), übersetzt von Frank Günther, dtv, 1998William Shakespeare: Romeo und Julia, übersetzt von August Wilhelm Schlegel (1849), Reclam, 2002Gottfried Keller: Romeo und Julia auf dem Dorfe, Reclam, 2002Enik Bilal: Julia & Roem, Ehapa Comic Collection, 2011

Musik:Vincenzo Bellini: I Capuleti e i Montecchi, opera seria in vier Akten, 1830Hector Berlioz: Roméo et Juliette, dramatische Sinfonie, 1839 Charles Gounod: Roméo et Juliette, Oper, 1867Pjotr Iljitisch Tschaikowski: Romeo und Julia, Fantasie-Ouvertüre, 1869Sergej Prokofjew: Romeo und Julia, Ballett, 1935Sergej Prokofjew: Suite Nr. 1-3 für Orchester, 1936 & 46Leonard Bernstein: Westside Story, Musical, 1957

film/TV:Romeo and Juliet (USA, 1996)Regie: Baz Luhrmann, Darsteller: Leonardo di Caprio, Clare DanesVideotrailer: http://www.youtube.com/watch?v=6S6IJWilpx4

Romeo and Juliet (USA, 1968)Regie: Franco Zeffirelli, Darsteller: Leonard Whiting, Olivia HusseyVideotrailer: http://www.youtube.com/watch?v=nl_eFSeCb-4

Gucha (Serbien, 2006)Regie: Dusan Milic, Darsteller: Aleksandra Manasijevic, Marko MarkovicVideotrailer: http://www.youtube.com/watch?v=8tLv1HrDfFI

Westside Story (USA, 1961)Regie: Robert Wise, Jerome Robbins (Choreografie)Musik: Leonard Bernstein, Darsteller: Nathalie Wood, Richard Beymer, Russ Tamblyn, Rita MorenoVideotrailer: http://www.youtube.com/watch?v=NS3SbrQik3M

Romeo and Juliet in Sarajevo (Dokumentarfilm) (Kanada/Deutschland, 1994)Regie: John ZaritskyVideotrailer: http://vimeo.com/28838422

Romeo i Dschulietta (Ballettverfilmung) (UDSSR, 1955)Regie: Leonid Lawrowski, Lew ArnschtamDarsteller: Galina Ulanowa, Jurij Shadanow, Bolschoi Theater

Romeo and Juliet (Ballettverfilmung) (Grossbritannien, 1965)Regie: Paul Czinner, Darsteller: Margot Fonteyn, Rudolf Nurejew, Royal Ballet