20
Die Bundes- regierung spart. Allerdings nicht mit Kürzungen und falschen Worten Der Begriff Sparpaket an sich ist schon ein höchst missver- ständlicher: vermutet man doch bei einem Paket, et- was zusätzlich zu bekommen, statt, wie es in Hinsicht der aktuellen Sparorgien der Bun- desregierung der Fall ist, we- niger. Insgesamt 81,8 Milliarden Eu- ro will diese Regierung in den Jahren 2011 bis 2014 einspa- ren. Zur Verdeutlichung der Sum- me: legte man dieses Geld – in 100-Euro-Scheinen – überei- nander, entstünde – da so ein Schein 0,1 Millimeter stark ist - ein Turm von 81,8 Kilometern Höhe. Das ist an der Turmspit- ze ungefähr jener Bereich der Atmosphäre, in dem die Stern- schnuppen verglühen. Und verglühen wird auch so mancher Traum im Sozialbe- reich, denn mit 37 Prozent der Gesamteinsparungen ist dies der Bereich, der den größten Beitrag zu erbringen hat. 30,3 Mrd. Euro weniger werden im genannten Zeitraum für Sozi- alausgaben zur Verfügung ste- hen. 16 Mrd. sollen zum Bei- spiel durch die Umwandlung von Pflicht- zu Ermessensleis- tungen im Bereich Arbeits- marktmaßnahmen eingespart werden. Mit anderen Worten: Arbeitsmarktmaßnahmen, auf die es bisher Anspruch gab, sollen nun, je nach Ermessen der BearbeiterInnen in ARGE oder Kommune bewilligt wer- den. Zweitgrößter Einsparpos- ten soll die Abschaffung des Zuschusses zur Rentenver- sicherung sein: 7,2 Mrd. Eu- ro weniger möchte der Bund hier ausgeben und damit sei- nen Beitrag zur vorprogram- mierten Altersarmut von ALG II-Beziehenden leisten. Kleine Posten? Gewaltige Summen! Am nebulösesten jedoch kommt – mit immerhin 4,5 Mrd. Euro geplanter Einspa- rung – die »Effizienzverbes- serung in der Vermittlung« da- her. Das ist mehr Geld, als der Wehr-etat entbehren muss! Hier hört man, kennt man die Gedankenwelt der Bundesre- gierung, die Nachtigall nicht nur trapsen, sondern mit ge- nagelten Stiefeln geradewegs über das Pflaster marschie- ren: man spart sich die Ver- mittlung schlechthin und ver- legt sich aufs Verwalten und Sanktionieren. Da wir im Zuge der Finanzkri- se ohnehin das Gefühl für viel und wenig verloren haben, se- hen die restlichen Posten, wie Wegfall einigungsbedingter Leistungen an die Rentenver- sicherung (1,0 Mrd.) Abschaf- fung des Elterngeldes bei ALG II (1,6 Mrd.) Begrenzung des Elterngeldes generell (0,8 Mrd.) und die Streichung des Heizkostenzuschusses bei Wohngeld (0,4 Mrd.) schon fast niedlich aus. Aber auch dies sind noch 3,8 Mrd. Euro, eine Summe, die dem weltwei- ten Jahresgewinn der Compu- terfirma Apple im Jahre 2009 entspricht! Dass sich die Bundesregierung einiges einfallen lassen muss- te, um den Menschen diese Einsparungen zu begründen, liegt auf der Hand! An erster Stelle steht dabei jener Satz, den man im Osten seit 20 Jah- ren, im Westen wahrschein- lich schon etwas länger kennt: »Wir haben über unsere Ver- hältnisse gelebt!« Das ist sehr clever, denn mit dem Vorwurf, ein Leben über seine Verhält- nisse geführt zu haben, ist es wie mit dem Vorwurf ein Spie- ßer zu sein: das sind immer die anderen. Irgendjemand – nie man selbst – also ist schuld, dass nicht genug Geld da ist. Vor diesem Hintergrund kann man auch gern noch einmal über den Sarrazin-Hype der BILD nachdenken. Nach der vom Statistischen Bundesamt berechneten Armutsgrenze in Deutschland, die bei 1000,- Euro für Alleinstehende liegt, liegen die Hartz IV-Beziehen- den mit 649,- EUR (Alleinste- hende, inkl. Kosten der Unter- kunft) deutlich darunter. Bei Alleinerziehenden und Famili- en sieht es ähnlich aus. Rund 7 Millionen Menschen müs- sen von Hartz IV-Leistungen leben. Die haben also schon mal nicht über »ihre Verhält- nisse« gelebt. Das schwarz-gelbe Selbstverständnis Umso selbstverständlicher dürfen sie jedoch den Löwen- anteil der Kürzungen tragen. Hierbei wird auch gleich die nächste Schutzbehauptung der Bundesregierung ad ab- surdum geführt: die Kürzun- gen seien »ausgewogen«. Ap- ropos Kürzungen – um nichts anderes handelt es sich beim so genannten Sparpaket. Spa- ren – das hat ja etwas positi- ves, wenn man spart, legt man Geld zur Seite. Das ist hier nicht erkennbar. Sehr gut er- kennbar hingegen ist schon jetzt, dass die Verlierer der Kürzungen nicht nur die un- mittelbar Betroffenen selbst sein werden. Schließlich ge- ben diese ihr Geld – hier sind sich alle Ökonomen einig – im Gegensatz zu den Besserver- dienenden sofort aus, bedie- nen also den Binnenmarkt di- rekt. Und genau hier fehlt das Geld dann auch. Es haben al- so viele Bürgerinnen und Bür- ger gute Gründe, sich gegen die Kürzungen zu wehren. Wir werden als LINKE an ihrer Sei- te stehen – im Parlament und außerhalb. Katja Kipping In dieser Ausgabe fin- den sich Diskussio- nen zum Atomdeal der Bundesregierung - und insbesonder zu den Ri- siken der Zwischenla- gerung - und zur säch- sischen Energiedebatte auf den Seiten 3, 5 und 6. Die Programmdebatte wird auf den Seiten 10 und 11 geführt. Einen Rückblick auf die Oberbürgermeisterwahl in Weißwasser wirft der Kandidat der LINKEN, Uwe Bücklein, auf Sei- te 16. Ein bemerkenswerter Essay von Bärbel Boh- ley statt eines Inter- views findet sich auf Seite 19. Kommunal-Info Die aktuelle Ausgabe der Kommunal-Info findet sich wie gewohnt auf den Mittelseiten. Sachsens Linke Oktober 2010 Von Sternschnuppen und Nachtigallen Linkes Profil Die Sozialdemokraten rücken nach links. Zumindest in Großbri- tannien, so die Befürchtung von Ex-Premier Tony Blair, nach der spektakulären Wahl von Ed Mili- band zum Parteichef von Labour. New Labour ist Geschichte. Auch die deutschen Sozialdemokraten waren die letzten 12 Monate um Vergangenheitsbewältigung be- müht. Auf dem SPD-Parteitag En- de September in Berlin erklärte Parteichef Sigmar Gabriel diesen Prozess der Aufarbeitung nun für abgeschlossen und beeilte sich, mit heftigen Worten, die soziale Kälte der aktuellen Bundesregie- rung zu geißeln. Nun ja. Linke Politik ist nicht nur, die an- deren zu kritisieren. Es ist zwar richtig und wichtig, den Finger in die Wunde zu legen, politische Fehlentscheidungen zu benen- nen und dagegen mit aller Kraft anzukämpfen. Aber ebenso uner- lässlich ist es, gleichzeitig deut- lich zu sagen, wofür man steht. Machbare Vorschläge zu unter- breiten und personelle Alterna- tiven anzubieten, gehört auch zu linker Politik. Die Menschen wol- len nicht nur, dass etwas infrage gestellt wird, sie wollen Lösun- gen. Auch die oppositionelle SPD sollte sich gelegentlich daran er- innern. DIE LINKE in Sachsen trägt dem Rechnung und gründete u.a. im August das Landesforum Alter- native Wirtschaftspolitik. Zudem wird auf dem nächsten Landes- parteitag am 13. November das wichtige Feld der Energiepolitik in den Mittelpunkt gerückt. Denn mit einer eigenen Energiestrate- gie sowie Vorschlägen für wirt- schaftspolitische Alternativen werden wir sagen, wohin wir wol- len. Es geht dabei um nichts we- niger als den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft, in der wir zukünftig als Partei mehr po- litische Verantwortung überneh- men wollen.

Sachsens Linke! 10/2010

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Oktoberheft der Zeitung Sachsens Linke!

Citation preview

Page 1: Sachsens Linke! 10/2010

Die Bundes-regierung spart. Allerdings nicht mit Kürzungen und falschen WortenDer Begriff Sparpaket an sich ist schon ein höchst missver-ständlicher: vermutet man doch bei einem Paket, et-was zusätzlich zu bekommen, statt, wie es in Hinsicht der aktuellen Sparorgien der Bun-desregierung der Fall ist, we-niger.Insgesamt 81,8 Milliarden Eu-ro will diese Regierung in den Jahren 2011 bis 2014 einspa-ren.Zur Verdeutlichung der Sum-me: legte man dieses Geld – in 100-Euro-Scheinen – überei-nander, entstünde – da so ein Schein 0,1 Millimeter stark ist - ein Turm von 81,8 Kilometern Höhe. Das ist an der Turmspit-ze ungefähr jener Bereich der Atmosphäre, in dem die Stern-schnuppen verglühen.Und verglühen wird auch so mancher Traum im Sozialbe-reich, denn mit 37 Prozent der Gesamteinsparungen ist dies der Bereich, der den größten Beitrag zu erbringen hat. 30,3 Mrd. Euro weniger werden im genannten Zeitraum für Sozi-alausgaben zur Verfügung ste-hen. 16 Mrd. sollen zum Bei-spiel durch die Umwandlung von Pflicht- zu Ermessensleis-tungen im Bereich Arbeits-marktmaßnahmen eingespart werden. Mit anderen Worten: Arbeitsmarktmaßnahmen, auf die es bisher Anspruch gab, sollen nun, je nach Ermessen der BearbeiterInnen in ARGE oder Kommune bewilligt wer-den. Zweitgrößter Einsparpos-ten soll die Abschaffung des Zuschusses zur Rentenver-sicherung sein: 7,2 Mrd. Eu-ro weniger möchte der Bund hier ausgeben und damit sei-nen Beitrag zur vorprogram-mierten Altersarmut von ALG II-Beziehenden leisten.

Kleine Posten? Gewaltige Summen!Am nebulösesten jedoch kommt – mit immerhin 4,5 Mrd. Euro geplanter Einspa-rung – die »Effizienzverbes-serung in der Vermittlung« da-her. Das ist mehr Geld, als der Wehr-etat entbehren muss! Hier hört man, kennt man die Gedankenwelt der Bundesre-gierung, die Nachtigall nicht nur trapsen, sondern mit ge-nagelten Stiefeln geradewegs über das Pflaster marschie-ren: man spart sich die Ver-mittlung schlechthin und ver-legt sich aufs Verwalten und Sanktionieren.Da wir im Zuge der Finanzkri-se ohnehin das Gefühl für viel und wenig verloren haben, se-hen die restlichen Posten, wie Wegfall einigungsbedingter Leistungen an die Rentenver-sicherung (1,0 Mrd.) Abschaf-fung des Elterngeldes bei ALG II (1,6 Mrd.) Begrenzung des Elterngeldes generell (0,8 Mrd.) und die Streichung des Heizkostenzuschusses bei Wohngeld (0,4 Mrd.) schon fast niedlich aus. Aber auch dies sind noch 3,8 Mrd. Euro, eine Summe, die dem weltwei-ten Jahresgewinn der Compu-terfirma Apple im Jahre 2009 entspricht!

Dass sich die Bundesregierung einiges einfallen lassen muss-te, um den Menschen diese Einsparungen zu begründen, liegt auf der Hand! An erster Stelle steht dabei jener Satz, den man im Osten seit 20 Jah-ren, im Westen wahrschein-lich schon etwas länger kennt: »Wir haben über unsere Ver-hältnisse gelebt!« Das ist sehr clever, denn mit dem Vorwurf, ein Leben über seine Verhält-nisse geführt zu haben, ist es wie mit dem Vorwurf ein Spie-ßer zu sein: das sind immer die anderen. Irgendjemand – nie man selbst – also ist schuld, dass nicht genug Geld da ist. Vor diesem Hintergrund kann man auch gern noch einmal über den Sarrazin-Hype der BILD nachdenken. Nach der vom Statistischen Bundesamt berechneten Armutsgrenze in Deutschland, die bei 1000,- Euro für Alleinstehende liegt, liegen die Hartz IV-Beziehen-den mit 649,- EUR (Alleinste-hende, inkl. Kosten der Unter-kunft) deutlich darunter. Bei Alleinerziehenden und Famili-en sieht es ähnlich aus. Rund 7 Millionen Menschen müs-sen von Hartz IV-Leistungen leben. Die haben also schon mal nicht über »ihre Verhält-nisse« gelebt.

Das schwarz-gelbe SelbstverständnisUmso selbstverständlicher dürfen sie jedoch den Löwen-anteil der Kürzungen tragen. Hierbei wird auch gleich die nächste Schutzbehauptung der Bundesregierung ad ab-surdum geführt: die Kürzun-gen seien »ausgewogen«. Ap-ropos Kürzungen – um nichts anderes handelt es sich beim so genannten Sparpaket. Spa-ren – das hat ja etwas positi-ves, wenn man spart, legt man Geld zur Seite. Das ist hier nicht erkennbar. Sehr gut er-kennbar hingegen ist schon jetzt, dass die Verlierer der Kürzungen nicht nur die un-mittelbar Betroffenen selbst sein werden. Schließlich ge-ben diese ihr Geld – hier sind sich alle Ökonomen einig – im Gegensatz zu den Besserver-dienenden sofort aus, bedie-nen also den Binnenmarkt di-rekt. Und genau hier fehlt das Geld dann auch. Es haben al-so viele Bürgerinnen und Bür-ger gute Gründe, sich gegen die Kürzungen zu wehren. Wir werden als LINKE an ihrer Sei-te stehen – im Parlament und außerhalb.Katja Kipping

In dieser Ausgabe fin-den sich Diskussio-nen zum Atomdeal der Bundesregierung - und insbesonder zu den Ri-siken der Zwischenla-gerung - und zur säch-sischen Energiedebatte

auf den Seiten 3, 5 und 6. Die Programmdebatte wird auf den Seiten 10 und 11 geführt.Einen Rückblick auf die Oberbürgermeisterwahl in Weißwasser wirft der

Kandidat der LINKEN, Uwe Bücklein, auf Sei-te 16. Ein bemerkenswerter Essay von Bärbel Boh-ley statt eines Inter-views findet sich auf Seite 19.

Kommunal-InfoDie aktuelle Ausgabe der Kommunal-Info

findet sich wie gewohnt auf den Mittelseiten.

SachsensLinke

Oktober 2010

Von Sternschnuppen und Nachtigallen

Linkes ProfilDie Sozialdemokraten rücken nach links. Zumindest in Großbri-tannien, so die Befürchtung von Ex-Premier Tony Blair, nach der spektakulären Wahl von Ed Mili-band zum Parteichef von Labour. New Labour ist Geschichte. Auch die deutschen Sozialdemokraten waren die letzten 12 Monate um Vergangenheitsbewältigung be-müht. Auf dem SPD-Parteitag En-de September in Berlin erklärte Parteichef Sigmar Gabriel diesen Prozess der Aufarbeitung nun für abgeschlossen und beeilte sich, mit heftigen Worten, die soziale Kälte der aktuellen Bundesregie-rung zu geißeln. Nun ja. Linke Politik ist nicht nur, die an-deren zu kritisieren. Es ist zwar richtig und wichtig, den Finger in die Wunde zu legen, politische Fehlentscheidungen zu benen-nen und dagegen mit aller Kraft anzukämpfen. Aber ebenso uner-lässlich ist es, gleichzeitig deut-lich zu sagen, wofür man steht. Machbare Vorschläge zu unter-breiten und personelle Alterna-tiven anzubieten, gehört auch zu linker Politik. Die Menschen wol-len nicht nur, dass etwas infrage gestellt wird, sie wollen Lösun-gen. Auch die oppositionelle SPD sollte sich gelegentlich daran er-innern. DIE LINKE in Sachsen trägt dem Rechnung und gründete u.a. im August das Landesforum Alter-native Wirtschaftspolitik. Zudem wird auf dem nächsten Landes-parteitag am 13. November das wichtige Feld der Energiepolitik in den Mittelpunkt gerückt. Denn mit einer eigenen Energiestrate-gie sowie Vorschlägen für wirt-schaftspolitische Alternativen werden wir sagen, wohin wir wol-len. Es geht dabei um nichts we-niger als den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft, in der wir zukünftig als Partei mehr po-litische Verantwortung überneh-men wollen.

Page 2: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 2Sachsens Linke! 10/2010

Termine Glossiert

ImpressumSachsens Linke!Herausgeber: Verein Linke Kul-tur und Bildung in Sachsen e.V., Großenhainer Str. 101, 01099 Dresden

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wie-der. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kür-zungen vor. Termine der Redaktionssitzun-gen bitte erfragen. Die Redakti-on trifft sich überlicherweise je-den Montag ab 18.00 Uhr.

Die Papierausgabe wird in der Lausitzer Rundschau Druckerei GmbH in Cottbus in einer Aufla-ge von 16.000 Exp. gedruckt.

Der Redaktion gehören an: Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Tom Schumer, Rico Schubert (V.i.S.d.P.), Jörg Teichmann

Bildnachweise: Archiv, Seite 6 gynti_46, CC-Lizenz, Seite 19 Wikipedia CC-LizenzRedaktionschluß: 23.9.2010Die nächste Ausgabe erscheint am 28.10.2010.Kontakt: [email protected], Tel. 0351- 84389773Die Zeitung ist online mit den ungekürzten Beiträgen unter www.sachsens-linke.de.

6. Oktober, 18.00 UhrVortrag und Diskussion»Lager sind nicht unser Ideal«Vor 50 Jahren wurden die Gu-lags in der UdSSR aufgelöst Mit Dr. Wladislaw Hedeler, Historiker, BerlinRosa-Luxemburg-Stif tung, Harkortstraße 10, 04107 Leip-zigAls sich die zwölf Mitglieder des Präsidiums des ZK der KP-dSU im Februar 1954 zu ihrer ersten Beratung zusammen-fanden, um über die Schaf-fung des KGB, des Komitees für Staatssicherheit beim Mi-nisterrat der UdSSR zu bera-ten, ging es ihnen genau ge-nommen um die Entmachtung des Innenministeriums und die Konzentration der Macht in den Händen des Parteiap-parates. Es war G. Malenkow, der sich im Verlauf der Diskus-sion von den Lagern distan-zierte. Erste Schritte in diese Richtung erfolgten unmittel-bar nach der Verhaftung des Innenministers L. Berija im Juni 1953. Doch die Reorga-nisation kam nur schleppend voran, denn die Auseinander-setzungen in der Parteifüh-rung dauerten an.Am Ende der von Nikita Chru-schtschow eingeleiteten Pe-restroika stand die Auflö-sung des Gulagsystems in der UdSSR. Im Januar 1960 wurden die letzten 26 Besse-rungsarbeitslager in der So-wjetunion geschlossen, die Häftlinge entlassen, 6. Oktober, 19.00 UhrVortrag und DiskussionInterkulturelle Tage: Eth-nisierung des Politischen – Indigene Bewegungen in LateinamerikaMit Dr. Peter Gärtner, LeipzigWIR AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 DresdenDie Ereignisse in Lateiname-rika ziehen uns nicht nur hin-sichtlich der Andersartigkeit ihrer Kultur in den Bann, son-dern es sind auch die aktuel-len politischen Ereignisse.

12. Oktober, 18.00 UhrPodiumsdiskussion

Der 3. Oktober 1990: Eini-gung, Wiedervereinigung oder Anschluss?Mit Dr. Peter-Michael Diestel, DSU/CDU, 1990 stellvertre-tender Ministerpräsident und Minister des Innern, und Prof. Dr. Peter Porsch, seit Okto-ber 1990 Mitglied des Sächsi-schen Landtags, Fraktion LL/PDSRosa-Luxemburg-Stif tung, Harkortstraße 10, 04107 Leip-zigAm 3. Oktober 1990 hörte die DDR 41 Jahre nach der Staats-gründung auf zu existieren und wurde Teil der Bundesre-publik Deutschland. Die DDR-Bürger wurden Bundesbürger.Dr. Peter-Michael Diestel, Jg. 1952, nach dem Jura-Studium an der Karl-Marx-Universität Leipzig Leiter der Rechtsabtei-lung der Agrar-Industrie-Ver-einigung Delitzsch, war im Ok-tober 1990 stellvertretender Ministerpräsident und letzter DDR-Innenminister. Prof. Dr. Peter Porsch, Jg. 1944, stu-dierte Germanistik, Anglistik und Politologie in Wien und Berlin (FU) und war seit 1973 an der Karl-Marx-Universität Leipzig tätig. Am 14. Oktober 1990 zog er für die Fraktion Linke Liste/PDS in den Säch-sischen Landtag ein.

13. Oktober, 19.00 UhrBuchvorstellung und Dis-kussion: Memorandum 2010 »Sozialökologische Regulierung statt Sparpoli-tik und Steuergeschenke«Mit Dr. Axel Troost, MdB, eh-renamtlicher Geschäftsfüh-rer der »Arbeitsgruppe Al-ternative Wirtschaftspolitik« WIR-AG, Martin-Luther-Stra-ße 21, 01099 Dresden Seit vielen Jahren legt die Ar-beitsgruppe Alternative Wirt-schaftspolitik (Memo-Grup-pe) im Mai ein Memorandum zu aktuellen Fragen der Wirt-schaftspolitik vor, das sich vom Mainstream der Ökono-men abgrenzt und für eine alternative Sicht auf das Ge-schehen steht. Diesem Memo-randum geht eine Kurzfassung voraus, das sich in diesem Jahr unter dem oben genannten Ti-

tel mit der Frage eines alterna-tiven Entwicklungspfades aus der Krise beschäftigt.

14. Oktober, 19.00 UhrGespräche in der Biblio-thekVerleger – mehr als ein Be-rufMit Eberhardt GüntherWIR-AG, Martin-Luther-Stra-ße 21, DresdenEberhardt Günther, langjäh-riger Leiter des Mitteldeut-schen Verlages in Halle, liest aus seinen Erinnerungen »Ver-leger – mehr als ein Beruf«. Das Buch ist ein authentischer Bericht über ein Leben in der DDR, über Ideale und verlore-ne Illusionen.

14. Oktober, 18.00 UhrVortrag und DiskussionDie kommunalen Finan-zen im Spannungsfeld von Steuersenkungen, Wirt-schafts- und FinanzkriseMit Dr. Axel Troost, MdBModeration: Dr. Dieter JankeRosa-Luxemburg-Stif tung, Harkortstraße 10, 04107 Leip-zig

20. Oktober, 19.00 UhrZur Programmdiskussion:Left Political Correctness? Zur politischen Kultur der Linken – Sprache der internen Konflikte bei den LinkenMit Prof. Dr. Peter PorschWIR AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden»Schöne Worte sind nicht im-mer wahr, wahre Worte sind nicht immer schön.« (Lao Tse) Vom Reden miteinander und übereinander bei den Linken.

21. Oktober, 18.00 UhrVortrag und DiskussionVR China – aktuelle Lage und Herausforderungen der ZukunftMit Dr. Helmut Ettinger, Sino-loge, BerlinModeration: Prof. Dr. Joachim Tesch ,LeipzigRosa-Luxemburg-Stif tung, Harkortstraße 10, 04107 Leip-zigDie VR China hat sich auf ei-nen atemberaubenden Lan-gen Marsch in die Zukunft be-

geben. Die Wirtschaft wächst mit stabil hohen Raten, Städ-te schießen in den Himmel, Armut wird abgebaut. China soll die Weltwirtschaft aus ih-rer tiefsten Krise retten. Zu-gleich verschlechtert sich die Umwelt, altert die Bevölke-rung, wachsen soziale Prob-leme. Im Westen werden al-te Ängste geschürt und neue mobilisiert. Welchen Heraus-forderungen muss sich China stellen? Welche Rolle spielt es in den internationalen Bezie-hungen unserer Tage?

27. Oktober, 19.00 UhrLesung und literaturwis-senschaftliche Betrach-tung: Die Wende in der Li-teraturMit Dr. Christel Hartinger, Li-teraturwissenschaf tler in, Leipzig, (angefragt) und Jo-chen Kretschmer Schauspie-ler, DresdenWIR-AG, Martin-Luther-Stra-ße 21, DresdenSeit 1989 hat sich zunächst zögerlich und jüngst vermehrt eine Art spezifischer Literatur-gattung, gelegentlich auch als »Wendeliteratur« bezeichnet, entwickelt, die den Umbruch in der DDR, den Anschluss an die BRD und die damit ver-knüpften Schicksale und Pro-zesse zum Gegenstand hat. Jüngstes bemerkenswertes Beispiel ist Christa Wolfs »Die Stadt der Engel oder The Over-coat of Dr. Freud«. Eine erste vorsichtige Bestandsaufnah-me.

28. Oktober, 18.00 UhrVortrag und DiskussionPrivat oder Kommunal? Mit Dr. Cornelia Heintze, Stadtkämmerin a. D., Poli-tologin und Coach, Leipzig Bürgerbüro Dr. Barbara Höll / Dr. Monika Runge, Gorkistra-ße 120, 04347 Leipzig

28. Oktober, 18.30 UhrZur Programmdiskussion:Der Programmentwurf der LINKENEigentum und DemokratieMit Dr. Dieter Janke, LeipzigKlub Gshelka, An der Kotsche 51, 04207 Leipzig

Von Stathis Soudias

Der Körperscanner wurde in Hamburg erfolgreich erprobt, meldet die Gazette. Elektroni-sche Peepshow; es lebe ihre Freiheit, Frau Merkel!Dr. Schäuble führte den Rei-sepass mit den biometrischen Daten, nun will sein Nach-folger ähnliches für die in Deutschland lebenden Aus-länder einführen, der Gleich-heit wegen. Der internationa-le Terrorismus soll bekämpft werden und die Bösewichte dieser Welt lachen sich ka-putt. Wer mal mit dem Flieger von Hier nach Dort schon ge-reist ist wird festgestellt ha-ben, dass es ein leichtes ist in jedem Flugzeug alles Mögliche hinein zu schmuggeln. Es ge-nügt jemanden von den Kios-ken innerhalb der „sicheren“ Zone zu bestechen: Wasser, Rumflaschen, Zigaretten usw. -Mossad hat es erst kürzlich erwiesen, man kann alles fäl-schen und schmuggeln, vor-ausgesetzt einer gewissen kri-minellen Energie. Übrigens, wurde noch kein Mensch Ter-rorist aus Jux. Ohnmacht, Ver-zweiflung, Ausweglosigkeit sind die treibenden Kräfte. Sei es drum.Nein, ich denke, etwas ande-res, größeres ist der Grund für Schäuble, Merkel, und die Übrigen: die große Oktober-revolution steckt dem Groß-kapital derart tief in den Kno-chen, dass sie, alle Gebote der Verfassung ignorierend, alles unternehmen um ähnliches schon im Keim ersticken zu können. Der gläserner Bürger –und Bürgerin, entschuldige liebe Stefanie- soll rund um die Uhr überwacht werden, jede Bewegung, jedes Gespräch, jede kleine und große Bewe-gung soll erkannt werden. Ob es die Strohpuppen, die sich „Regierungen“ nennen oder deren Bosse sei dahin ge-stellt. Hauptsache der Feind wird matt gesetzt. Und Feind war seit je her das arbeitende Volk. Das war im alten Rom so, das war in den Zeiten der All-mächtigkeit der christlichen Kirchen so, es ist heute so, das war stets das Gemeinsa-me. Und wenn den „Gleichen“ Heute das Verfassungsgericht beinah jedes Gesetz um die Ohren haut, wem juckt s? Die Europäische Kommission wird es schon richten.Es lebe ihre Freiheit, Frau Mer-kel

Oktober-revolution

Page 3: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 3 10/2010 Sachsens Linke!

Strahlend wird die Zukunft seinDer Atomkompromiss ist ein Skandal – das Beispiel Asse für eine misslungene Endla-gerungWenn es um das Thema Asse geht, wünschten sich wahr-scheinlich die meisten Men-schen, es würde sich um ein Märchen handeln. Denn Mär-chen enden schließlich mit einem Happy End. Leider ist Asse kein Märchen, sondern bittere Realität ohne Happy End! Bis heute sind in Deutsch-land insgesamt über 12.500 Tonnen hochradioaktives Schwermetall aus abge-brannten Brennelementen und über 120.000 Kubikme-ter schwach- und mittelakti-ver Müll angefallen. Durch die Laufzeitverlängerung wird der anfallende radioaktive Atom-müll laut Bundesamt für Strah-lenschutz auf rund 21.600 Tonnen anwachsen. Das sind im Vergleich ohne Laufzeitver-längerung rund 4.400 Tonnen mehr. Die Bundesregierung erfreut sich der Mehreinnah-men, erwähnt aber in keiner Art und Weise, die Kosten für den weiteren Atommüll! Denn entsorgt ist bis heute kein ein-ziges Gramm. Jegliche Atom-abfälle sind lediglich weltweit zwischengelagert - ein End-lager existiert bisher nicht. Und bei einer Halbwertzeit der radioaktiven Stoffe von oft tausenden von Jahren, ist es äußerst fraglich, ob es ein sicheres Endlager überhaupt geben kann. Das Bundesamt für Strahlenschutz geht von einer sicheren Stilllegung aus, wenn über einen Zeitraum von 100.000 Jahren ein Kontakt zur Biosphäre (Boden, Luft, Wasser) vermieden werden kann.Hinsichtlich solcher Tatsa-chen ist die geplante Laufzeit-verlängerung für Atomkraft-werke, welche den Menschen im Land weitere tausend Ton-nen radioaktiven Mülls be-scheren wird, ein Skandal. Die Entscheidung der Bundesre-gierung, nach der ältere Mei-ler 8, jüngere Meiler zusätz-lich 14 Jahre laufen sollen, ist kein Kompromiss, sondern ein Kniefall vor der Atomlob-by und ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die direkt oder indirekt durch den Atommüll betroffen sind. Nicht nur, dass die finanziellen Belastungen für die Atomwirtschaft gering ausfallen, die Regierung führt das Volk bezüglich der Lauf-zeitverlängerung auch hinters Licht. Die Bundesregierung rechnet in Strommengen. Die angegebenen Jahre sind nicht fix, sie beziehen sich auf ei-nen hohen Auslastungsgrad (95 Prozent) der Atomkraft-werke. Hiervon sind die meis-

ten Atomkraftwerke aber weit entfernt. Das bedeutet, ent-spricht die Auslastung der Kraftwerke nicht dem, wo-mit die Bundesregierung an-fangs rechnete, dann laufen die Kraftwerke länger als die zusätzlichen 8 bzw. 14 Jahre. Das bedeutet für Brunsbüttel beispielsweise, es läuft nicht 8, sondern rund 11,4 Jahre zu-sätzlich. Diese Entscheidung ist auch eine Hiobsbotschaft für Erneuerbare Energien. Die Macht der Atomwirtschaft wird zementiert und der Wett-bewerb eingeschränkt.Statt endlich konsequent für die Allgemeinheit zu handeln und damit ihrer Aufgabe ge-recht zu werden, bricht die Bundeskanzlerin wieder ein-mal vor den großen Konzer-nen ein und macht mit ihrem Kabinett Lobbypolitik. Wie erst durch Druck in der jüngst bekanntgewordenen Geheim-vereinbarung zwischen Bun-desregierung und Atomwirt-schaft öffentlich geworden, ist unter anderem eine Re-duktion der Zahlungen in den Ökoenergie-Fonds vorgese-hen, sollte die Brennelemen-testeuer über das Jahr 2016 hinaus verlängert werden, oder eine andere Steuer oder Abgabe eingeführt werden. Diese Vereinbarung, die zwi-schen der Atomwirtschaft und der Bundesregierung im Ge-heimen vereinbart wurde, hat massive Auswirkungen auf die Menschen in diesem Land und zeigt, wie wichtig der Bun-desregierung demokratische Prinzipien sind. Die Volksmei-nung zählt nicht, sondern nur Wirtschaftsinteressen. Aber worum geht es bei Asse?Ursprünglich wurde in der Schachtanlage Asse bis 1964 Kalisalz abgebaut. Danach wurde damit begonnen, Fäs-ser und Gebinde mit schwach- und mittelradioaktiven Ab-fällen einzulagern und das ohne Langzeituntersuchun-gen. Mögliche Auswirkungen wurden somit im Rausch des technologischen Wandels ei-ner euphorischen Generation einfach ausgeblendet. Aktuell ist die Rede von über 126.000 Fässern radioaktiven Mülls, die in Asse lagern sollen. Vie-le der letzten Fässer wurden kurz vor Beendigung der Einla-gerung im Jahre 1978 hektisch unter Tage gebracht. Die Ein-lagerung fand teils ohne Über-prüfung des Inhalts statt. Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König erklärte, dass die Dekla-ration bei einigen überprüften Fässern nicht übereinstimmte und auch die Angaben bezüg-lich der Menge von unter Tage gebrachtes Plutonium deut-lich nach oben korrigiert wer-

den mussten (neuer Stand: 24 kg). Nicht nur, dass undekla-rierte Fässer dort unten vor sich hin gammeln, oft wurden sie auch direkt reingekippt - Versturztechnik - und mit Salz überschüttet. Das derzeit größte Problem sind aber die rund 12.000 Li-ter Wasser, die täglich in das Bergwerk eindringen. Hinwei-se, dass das Bergwerk von Wassereinbrüchen betroffen ist, lassen sich jedoch bereits in den vierziger Jahren finden. Da das Gebirge sich verändert und sich innerlich verschiebt, entstehen Risse, durch die Wasser vom sogenannten Ne-bengebirge eindringt. Es ist eine Frage der Zeit, wann die Radioaktivität an die Oberflä-che gedrückt wird und in das Grundwasser gelangt. Es muss also dringend etwas passieren. Bei den diskutier-ten Varianten (Umlagerung in-nerhalb des Bergwerks, Voll-verfüllung und Rückholung)

entschloss man sich für die Rückholung. Mittels aufwen-diger Technik und Verfahren sollen die Fässer geborgen und anderweitig eingelagert werden. Aber niemand weiß, wie es da unten aussieht und in welchem Zustand sich die Fässer befinden. Selbst wenn sie an die Oberfläche geholt werden können, wird die Regi-on über viele Jahre hinweg mit der Radioaktivität leben müs-sen und es bleibt immer noch die Frage – wohin mit dem Atommüll?Nebenbei ist noch zu sagen, dass Frau Merkel, die eifrig die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke unterstütz-te, als damalige Bundesum-weltministerin schon 1996 vom Bundesamt für Strahlen-schutz (BfS) über Gefahren in der Asse in Kenntnis gesetzt worden ist. Das interessierte Frau Merkel damals nicht und auch heute nicht. Dies zeigt die geheime Vereinbarung

zwischen Atomwirtschaft und Bundesregierung. Demnach muss sich nach Äußerungen des Bundesfinanzministeri-ums die Atombranche nicht an den Kosten für Weiterbe-trieb und Stilllegung von As-se beteiligen. Bis heute, seit über 30 Jahren kämpfen Men-schen, gegen die Asse. Doch seitens der herrschenden Politik war man spitzfindig. Seit Jahrzehnten wurde Asse rechtlich nicht als Atommüll-lager behandelt, welches es aber ist. Als diese Regelung endlich im Januar 2009 ge-kippt wurde, waren alle Fässer bereits lange eingelagert. Als Fazit kann daher nur der Schluss gezogen werden, dass Atomkraft keine Alter-native ist. Sie ist bei Einbe-ziehung aller damit einherge-henden Probleme die teuerste und unsicherste Energiequel-le, die existiert. Da kann die Alternative nur heißen – Ab-schalten! Barbara Höll

Ökologiedebatte

Auf Initiative des sächsischen Landesverbandes DIE LINKE fand am 16.9.2010 eine Landespressekonferenz gemeinsam mit VertreterInnen der Umweltverbände Grüne Liga, BUND sowie den Landesverbänden von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen zur Mobilisierung für die Demo der 100.000 in Berlin am 19.9.2010 statt. Als Zeichen des Widerstands gegen die chwarz-gelbe Atompolitik, umzingelten die zahlreichen Demonst-ranten das Regierungsviertel in Berlin.

Page 4: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 4Sachsens Linke! 10/2010

Meinungen und KommentareUwe Schnabel zum Leserbrief von Manfred Richter (9 / 2010, S. 4)Vielen Dank an Dr. Manfred Richter für seine Richtigstel-lungen. Ergänzen möchte ich:Die Hamas ist zu einem lang-fristigen Waffenstillstand mit Israel bereit. Dies wird so-wohl von der israelischen Re-gierung als auch von den Leu-ten aus dem Umfeld des BAK Shalom abgelehnt. Während sich die Hamas an vereinbarte Waffenstillstände hält, ermor-det die israelische Armee pa-lästinensische Politiker(innen) im Gazastreifen. Darüber hi-naus sperrt sie viele Parla-mentsabgeordnete ein. Wie würden die BAK-Shalom-Anhänger(innen) reagieren, wenn die Hamas dies mit isra-elischen Politiker(inne)n ma-chen würde? Trotzdem wird die Hamas und nicht die isra-elische Regierung oder Armee als Terrororganisation be-zeichnet. Dies beweist, dass die Anhänger(innen) der is-raelischen Regierung selbst rechtsstaatliche Prinzipien wie die Gleichbehandlung ab-lehnen, von linken Positio-nen ganz zu schweigen. Dann ist es verständlich, dass sie verschweigen, dass die isra-elische Regierung auch vie-le humanitäre Güter nicht in den Gazastreifen lässt. Im Ge-genteil wurden während des Überfalls auf den Gazastrei-fen zielgerichtet Hilfsgüter vernichtet. Auch über ande-re Punkte ließe sich diskutie-ren. Meine Erfahrungen zeigen mir aber, dass der BAK Shalom und Nahestehende dazu nicht bereit sind. Übrigens, die Iden-tifizierung jüdischer Personen mit dem Staat Israel ist ein typisch antisemitisches Vor-urteil. Genau dieses Vorur-teil wird in »So einfach ist es nicht!« (7-8 / 2010, S. 8) im (ersten und) letzten Absatz bedient.

Ein Leserbrief erreichte uns aus Burkhardtsdorf aus dem Ortsteil Kemtau. Unser Leser Kurt Neukirch schrieb einen »Leserbrief Kommunismus« – aus dem wir an dieser Stelle Auszü-ge bringen:Was ist Wahrheit? Was ist Lüge? Kommunistische Machtaus-übung – Kommunistische Par-teimacht – Kommunistische Planwirtschaft – Stalin als kommunistischer VerbrecherDoch Kommunismus ist kei-ne Ideologie. Ist Befreiung von Ausbeutung, Unterdrü-

ckung und Bevormundung. Ich bin ein Kommunist, weil über-zeugt vom Sieg der Mensch-lichkeit.

Wolfgang Klotz aus FreitalLeiharbeit verdrängt NormalarbeitsplätzeNeueinstellungen sind nach aktueller Analyse in 43 Pro-zent der Betriebe Leiharbeiter, in 42 Prozent befristete Ver-hältnisse und nur 15 Prozent unbefristete Stellen.Leiharbeit und prekäre Be-schäftigung ist ein Detail in einem ganzen System. Ein System, in dem höchst wün-schenswerte hohe Produk-tivität zum Fluch für alle Bür-ger (Politiker und bestimmte Bänker mal ausgenommen) wird, ja durch Ressourcenver-schwendung den Fortbestand der Menschheit gefährdet. Kampf um das, was rück-schauend gern als »Normal-arbeitsverhältnis« empfunden wird, ist - so gesehen - viel zu kurz gesprungen. Ich verrate ja auch hoffentlich kein Ge-heimnis, wenn ich feststel-le: Für diesen Kampf ist der Bürger einfach nicht mobili-sierbar; er hat - offensichtlich - ganz andere, dringlichere Probleme. Und Angst vor dem sozialen Abstieg.

Zur Pressemitteilung des Landesvorsitzenden Rico Gebhardt, wonach eine Arbeitsgruppe Regelungen für die ganze Partei finden soll, schreibt Heiko Isopp aus Meißen:Der Information ist fast nichts hinzuzufügen, außer: die For-mulierung »wird in naher Zukunft ein« ist sehr, sehr schwammig!Ich als Parteimitglied erwarte eigentlich, dass der Gen. Ernst in einer gebührenden Art und Weise, und öffentlich, z.B. in Form eines Interviews mit der Zeitung »Neues Deutschland« Stellung bezieht und sich ein-deutig positioniert, zu den Vor-gängen, die er zu vertreten hat (unter Nennung von konkreten Zahlen und Fakten).Das würde der Sachlage die-nen und die Gemüter der Ge-nossInnen etwas beruhigen, sowie manch Anderen ver-stummen lassen, die uns nur auf diese Art zu beschäftigen versuchen.

Die linksjugend Brandenburg und Sachsen laden zur Herbst-akademie ein. Diese findet vom 10.-16.10.2010 in der nä-he von Meißen statt. Die ge-samte Workshopwoche ist für euch kostenlos – ihr wer-det voll verpflegt, bekommt ei-ne Menge mit nicht Frontalun-terricht vermittelte Inhalte zur Verfügung gestellt und könnt nebenbei noch neue Men-schen kennen lernen. Wenn du Lust hat einfach unter www.linke-herbstakademie.de an-melden!

WorkshopsWas ist und Wie erkenne ich Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus, Sexismus und andere menschenfeindli-che Ideologien? // Wie haben sich die Nazikultur und Struk-turen verändert? // Rassis-mus im Stadion // Opa war kein Nazi? // Sexismus und Mackertum in der linken Szene // Neonazis, Autonome, Neue Rechte, Kommunisten - alles Extremisten? // Verbreitung von Ideologien der Ungleich-wertigkeit in der sogenannten

bürgerlichen Mitte // Ökofa-schismus und rechte Esoterik // Institutioneller Rassismus Erfahrungsaustausch anti-faschistischer Projekte und Aktive_r // Einführung in die Kritik der politischen Ökono-mie // Verschwörungstheo-rien // Selbstbehauptung // Ideen?

Und außerdem:- Lesung und Diskussion »Deutschlands Stoßtrupp ,Der Bund der Vertriebenen‘ ( BDV) in der deutschen Nachkriegs-geschichte« mit demBuchautor Erich Später- Lesung und Diskussion »Die kollektive Unschuld. Wie der Dresden-Schwindel zum nati-onalen Opfermythos wurde« mit dem Buchautor Gunnar Schubert- Film und Diskussion zur Ent-wicklung der (Anti-)Naziszene Russlands- Partys!- Infoveranstaltung zu den vier Nazidemonstrationen und den geplanten Gegenaktivitäten in Leipzig am 16.10 und gemein-same Fahrt zu diesen.

Hassan Zeinel AbidineSo einfach ist es nicht:In der Ausgabe 7-8/2010 von Sachsens Linke las ich die Stellungnahme von Mitglie-dern der LINKEN und Linksju-gend Leipzig zu den Ereignis-sen im Gaza-Streifen, gemeint sind Versuche der Rechtfer-tigung des Aufbringens der »Free-Gaza-Flottille« durch die Armee Israels und der Blo-ckade Gazas.Ich fasse den Artikel als ein Angebot zur Diskussion auf, das ich annehmen möchte.Ich denke darin sind wir uns einig; der Staat Israel ist ein »Kind« der Machtverhältnis-se nach dem 2. Weltkrieg und steht nicht zur Diskussion! Zur Diskussion steht aber – wie bei jedem Staat – seine Ge-sellschaftsordnung, sein Um-gang mit Minderheiten, Reli-gionen, seine Außenwirkung usw. Das zu gestalten, ist Auf-gabe der Staatsbürger. Was ei-ne Demokratie vermag, wis-sen wir, wir kennen auch ihre Unzulänglichkeiten …Erfolge oder was als solches deklariert wird, werden in der Demokratie von den gewähl-ten Vertretern – nach meiner Meinung – ausreichend gefei-ert, Misserfolge, Ungerechtig-keiten, Benachteiligungen von Bürgern klein geredet. Will der Bürger sein Missfallen äußern, darf er im Rahmen der festge-legten Normen demonstrie-ren. Er darf das auch, wenn er der Meinung ist, dass das Völkerrecht nicht eingehalten wird.Nicht einer Meinung bin ich mit den Verfassern, wenn sie meinen, dass mit dem Durch-brechen der Blockade israe-lische Hoheitsrechte verletzt würden. Wer gibt Israel die Ho-heit über die Gewässer vor Ga-za? Gaza ist nicht Israel!Die Passage, in der politi-schen Linken überwiege ei-ne vernichtende Kritik an Is-rael, die von den Ereignissen im Mittelmeer abstrahiert und den jüdischen Staat in seinen Grundfesten angreift, ist ge-zielt desinformierend. Nicht nur in der politischen Linken wurde Kritik an dem Auftre-ten des Staates Israels laut. Mir ist nicht bekannt, dass von Linken an den Grundfesten Is-raels gerüttelt wurde.Das Dilemma der Missver-ständnisse sehe ich darin, dass Begrifflichkeiten nicht einheitlich verstanden werden und oft keine Bereitwilligkeit besteht, den anderen verste-hen zu wollen. Besonders be-fremdet mich das unter Lin-ken!Ich bin Araber, also – genau so wie der Jude aus dem ara-

bischen aus Judäa – Semit, wie kann ich antisemitisch sein. Ich bin von Geburt Mos-lem, von der Weltanschauung Sozialist, warum sollte ich ju-denfeindlich sein? Für mich hat der Mensch als Mensch Wert, seine Weltanschauung ist nicht primär, in jedem Fall respektiere ich sie.– Die Palästinenser sind für mich genauso Menschen, wie Israelis, Deutsche und alle Menschen auf dieser schönen Erde.– Sie haben Grundbedürfnis-se wie andere Weltbewohner, dazu gehören Arbeit, Essen, Trinken, Energieversorgung, Schulbildung, Grundbesitz und auch das Recht, einen ei-genen Staat zu bilden. Kein Staat hat das Recht ihnen dies zu enthalten.– Bei aller Sympathie, die die Verfasser des Artikels für das jüdische Israel hegen und bei aller berechtigten Kritik an der HAMAS und allen radika-len, dazu sollten auch jüdi-sche fanatische Bewegungen gehören, sollen Ursache und Wirkung nicht verwechselt werden.– Nicht die Palästinenser ha-ben internationale Verträge gebrochen, (sprich: Bildung von zwei Staaten, Siedlungs-stopp, gegenseitige Anerken-nung, etc., sondern die israe-lischen Regierungen. Nicht die Palästinenser haben Izchak Rabin ermordet, sonder ein fa-natischer israelischer Jugend-licher, der jetzt freigelassen wurde.– Nicht die Palästinenser ha-ben die Mauer gebaut, die die Anderen aussperrt, sondern umgekehrt.– Andere aussperren und von der Welt abschneiden sind menschenfeindliche Handlun-gen und tragen nicht zur Lö-sung der bestehenden Prob-leme bei, genauso wenig wie der Gebrauch von internatio-nal geächteten Waffen. Nicht die HAMAS, deren Politik ich keinesfalls befürworte, ist der Leidträger der Aussperrung und Ausgrenzung sondern wehrlose und einfache Men-schen.Für mich ist es verhängnisvoll und inakzeptabel, wenn Linke oder Sozialisten sich bedin-gungslos, für die Verteidigung der Interessen des jüdischen Staates engagieren genauso eines christlichen oder isla-mischen Staates. Für mich ist und bleibt er der Staat Israel.Ich lese jetzt das Buch von Shlomo Sand »Die Erfindung des jüdischen Volkes. Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand«, ein Buch, das mir die Hoffnung gibt, dass es Menschen gibt, mit denen man einig sein kann und dass – sicherlich nicht heute – auch der Nahe Osten frieden findet.

Page 5: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 5 10/2010 Sachsens Linke! Ökologiedebatte

Die Linke Sachsen hat mit der Durchführung des themati-schen Landesparteitages im November zu Eckpunkten für eine Energiestrategie voraus-schauend und zielgenau ei-ne wichtige Entscheidung vor einem Jahr getroffen. Damit bringt sie sich in die bundes-weite politische Debatte um ein zukunftsfähiges Energie-konzept mit einem konkreten Angebot für Sachsen ein.Der Leitantrag greift mit dem Umbau der Energiewirtschaft ein wesentliches programma-tisches Reformprojekt zum sozialökologischen Umbau der Gesellschaft auf. Mit kon-kreten politischen Forderun-gen für die sächsische Ener-giepolitik will sie Bewegung in die Debatte bringen. Zumal ein überarbeitetes, vor allem zukunftsfähiges Energiepro-gramm für Sachsen nach wie vor aussteht. Hinsichtlich die-ser Herausforderung hat so-wohl die vorangegangene als auch jetzige sächsische Re-gierung völlig versagt und den Zug der Zeit verschlafen. Des-halb spreche ich der jetzigen Staatsregierung die Fähigkeit

zur Zukunftsgestaltung ab.Im Leitantrag für den Partei-tag gehen wir davon aus, dass der Zugang zu einer sicheren, umweltschonenden, dem Kli-maschutz dienenden und be-zahlbaren Strom- und Wär-meversorgung für alle hier lebenden Menschen der Aus-gangs- und Zielpunkt des not-wendigen Umbaus des Ener-giesystems ist.Für die notwendige Transfor-mation des herkömmlichen Energieerzeugersystems, dass in Sachsen mit 80% vom Primärenergieträger Braun-kohle dominiert wird, zu ei-nem Energiesystem bis 2050, was hundertprozentig auf er-neuerbaren Energien basiert, sind die Weichen heute für die politischen Rahmenbedingun-gen so zu stellen, dass dies auch gelingt. Dafür ist zwi-schen 2010 und 2020 ein his-torisches Zeitfenster geöff-net. Deshalb streben wir im Unterschied zur sächsischen Staatsregierung ehrgeizigere Ziele für den Ausbau der er-neuerbaren Energien und zur Reduktion des wichtigsten Klimagases Kohlenstoffdioxid

bis 2020 an.Da aber das bisher von Braun-kohlegrundlastkraftwerken dominierte sächsische Ener-giesystem auf Dauer nicht mit der steigenden fluktuierenden Stromerzeugung aus erneuer-baren Energien kompatibel ist, sind heute weitgehende Ent-scheidungen zum Ausbau der Netzinfrastruktur mit Strom-autobahnen, mit intelligenten Netzen auf der Verteilerebe-ne, mit neuen Speicherkapazi-täten und Zählern bei den Kun-den zu treffen. Das setzt aber zugleich eine Entscheidung über einen langfristig geregel-ten Ausstieg aus der Braun-kohleverstromung in Sachsen voraus. Die Linke hält dies bis 2040 für möglich und legt mit ihren Eckpunkten einen Fahr-plan vor. Sowohl die Unterneh-men als auch die Beschäftig-ten brauchen klare politische Rahmenbedingungen für Plan-barkeit.Nachdem es Gerüchte um den Ausstieg aus der Braunkoh-leverstromung des schwedi-schen Staatsunternehmens Vattenfall in Deutschland gab, hat sich die Konzernlei-

tung in Stockholm zunächst entschieden, sich aus Polen und den Niederlanden zurück zu ziehen. In einer Pressemit-teilung vom Deutschen Insti-tut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin lese ich heute ei-ne Empfehlung an das Land Brandenburg, von der Braun-kohleverstromung Abschied zu nehmen und jetzt einen Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung zu ent-wickeln. Die CCS-Technik sei sehr teuer und für die Kohle-verstromung nicht brauch-bar, so Kemfert vom DIW. Zu-dem zeige das Energiekonzept der Bundesregierung, was am 28.9. vorgelegt wurde, dass die Kohleverstromung in Deutsch-land keine Zukunft habe.Für die langfristige Transfor-mation des Energiesystems in Sachsen ist neben dem ziel-gerichteten Ausbau der erneu-erbaren Energien zugleich der Ausbau hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf Erdgasbasis notwendig und sinnvoll, die dezentral agieren, schnell hoch und runter gefah-ren werden können und so die Grundlastversorgung garan-

tieren. Hierfür sind die kom-munalen Stadtwerke beson-ders prädestiniert und haben allein in den letzten 10 Jahren 10 Mrd. Euro in solche inves-tiert. Damit am Ende bezahlbare Preise für Verbraucherinnen und Verbraucher herauskom-men, sind begleitende staatli-che Maßnahmen zur Preiskon-trolle und zur Entflechtung der vier großen Monopole unab-wendbar und für einkommens-schwache Bürgerinnen und Bürger ein Sozialtarif mit Bo-nus für 500,00 Euro pro Jahr geboten, um dennoch zum Energiesparen anzureizen. Der gesamte Umbauprozess des Energiesystems kann nur gelingen, wenn massive Ener-gieeinsparungen und riesige Investitionen in Energieeffizi-enz in allen Lebensbereichen wie Mobilität und Gebäudesa-nierungen vorgenommen wer-den. Dafür müssen besondere Anreize mit Förderprogram-men geschaffen werden.Dr. Monika RungeEnergiepolitische Sprecherinder Linksfraktion Im Sächsi-schen Landtag

Landesparteitag zur Energiestrategie

Wenn es nach der schwarz-gelben Regierung in Berlin geht, dann geht es nach den Interessen der großen Ener-gieoligopolisten. Die Laufzei-ten der Atomkraftwerke, die sich allesamt in Händen der vier großen Konzerne befin-den, sollen um durchschnitt-lich zwölf Jahre verlängert werden. Damit wird das Mo-nopol der Großkonzerne auf die Energieproduktion ge-festigt. Der Ausbau dezent-raler, erneuerbarer Energien wird gleichzeitig stark behin-dert, und vor allem kommuna-le Stadtwerke geraten massiv unter Druck.Doch die Mehrheit der Bevöl-kerung ist mit der Politik der Großkonzerne und ihrer Re-gierung nicht einverstanden: Nicht weniger als hunderttau-send Menschen folgten am 18.9. dem Aufruf verschiede-ner außerparlamentarischen Bewegungen, in Berlin Flag-ge gegen diese rückwärtsge-wandte Politik zu zeigen. Sie trugen ihre Wut auf die Straße und signalisierten ihre Ableh-nung gegen die geplante Fort-setzung dieser Energiepolitik. Symbolisch wurde das Regie-

rungsviertel mehrfach umzin-gelt und die Plätze vor Kanzler-amt und Bundestag regelrecht mit Menschen überflutet.Auch aus Sachsen sind wir mit mehreren hundert Men-schen nach Berlin gefahren. Allein aus Leipzig haben sich über 250 Leute auf den Weg gemacht. Mit ihrer energiepolitischen Richtung setzt die Bundes-regierung vorsätzlich die Be-völkerung einem steigenden tödlichen Unfallrisiko aus und bürdet vielen Generationen nach uns strahlenden Atom-müll auf. Und das alles nur, um den Atomkonzernen mil-liardenschwere Zusatzprofi-te zu sichern. Der sogenannte »Atomkompromiss« zeigt auf, dass die Frage der Energiepo-litik auch eine Eigentumsfrage ist. Die Lobby der großen pri-vaten Stromkonzerne hat sich durchsetzen können. Verschiedene Studien bele-gen, dass der dynamische Ausbau der erneuerbaren Energien es uns ermöglicht, sogar weit schneller als bis-her geplant aus der Atomkraft auszusteigen und trotzdem auf den Neubau klimaschäd-

licher Kohlekraftwerke zu ver-zichten. Mit längeren Laufzei-ten soll jetzt aber das rasante Wachstum der Erneuerbaren abgewürgt werden. Atommei-ler blockieren durch ihre un-flexible Stromerzeugung die Stromnetze und verhindern damit zunehmend die Einspei-sung von Wind- und Sonnen-energie.Ob die Bundesregierung das Si-gnal, welches von der breiten Demonstration ausging, ver-standen hat, bleibt abzuwar-ten. Schaut man auf letzten Äu-ßerungen Angela Merkels, so braucht man sich da aber keine großen Illusionen zu machen. Laut der Kanzlerin könne man in Europa nicht zusammenar-beiten, wenn sich Politik da-nach ausrichte, »wie viele Men-schen gerade auf der Straße stehen«. Offenbar scheint man den Inhalt des Wortes Demo-kratie noch immer nicht begrif-fen zu haben und will die Pro-teste – mal wieder – aussitzen.Aber die Proteste gehen wei-ter: Unmittelbar vor der Verab-schiedung der geplanten Atom-gesetz-Novelle findet am 23. Oktober die nächste bundes-weite Aktion statt: der Castor-

Strecken-Aktionstag. In vielen Städten wird es an diesem Tag dezentrale Aktionen geben.Das Problem Atomkraft wird uns auch in Sachsen beschäf-tigten. Nach Angaben des Wissenschaftsministeriums plant die Sächsische Landes-regierung noch bis Ende 2010 einen ersten Castortrans-port vom Kernforschungszen-trum Rossendorf nach Russ-land. Für den Transport der

951 Atombrennstäbe rechnet die Landesregierung mit Kos-ten in Höhe von 35 Millionen Euro. Damit ist der Transport nicht nur hinsichtlich der un-geklärten Endlagerfrage prob-lematisch, denn diese 35 Mil-lionen Euro werden aktuell im Sozialhaushalt zusammen-gestrichen, um weiter in eine nicht zukunftsfähige Indust-rie zu investieren. Mike Nagler www.mike-nagler.de

100.000 gegen Atomkompromiss

Page 6: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 6Sachsens Linke! 10/2010

Schreib mal was zum 3. Oktober...

Die Zustellung eines Eilbriefes zwanzig Jahre später oder zwei Arten zu singen.Vielleicht kennt ihn nicht mehr jede und jeder, den Otto Reut-ter, der seine Couplets in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sang. Eines hatte den Titel »Zwanzig Jahre spä-ter« und wollte uns launig bei-bringen, dass sich die wahren Verhältnisse eben immer erst zwanzig Jahre später heraus-stellen; und auch ein Eilbrief manchmal erst nach dieser Zeit seinen Adressaten oder seine Adressatin erreicht. Zwanzig Jahre später kann manchmal auch vierzig Jahre später sein. Das war vielleicht mit der DDR so. Ich erinnere mich noch sehr gut des zwan-zigsten Jahrestages dieses Landes. Um ihn gebührend zu würdigen, lachte uns ein hüb-sches Mädchen von den Pla-katen an. »Ich bin zwanzig« wurde uns vermeldet. Die Re-publik und das Mädchen waren es und beide wollten die Kraft und Schönheit der Jugend für

sich in Anspruch nehmen und geliebt werden. Zwanzig Jah-re später kam es jedoch noch schlimmer als bei Otto Reutter. Der riet allen frisch Verliebten, sich die Mutter der Begehrten anzusehen, um zu ahnen, was sie zwanzig Jahre später er-warten könnte. Solches ist aus heutiger Sicht politisch natür-lich nicht korrekt. Mit der DDR kam es jedoch ohnehin ganz anders. Zwanzig Jahre später, also zum vierzigsten Jahres-tag, stellte sich das junge Mäd-chen als Fälschung heraus. Wir begegneten gar keiner reifer gewordenen Frau, sondern ei-nem überalterten Männerzir-kel, der sich Politbüro nannte und der seine Altersleiden auf die von ihm verwaltete Repu-blik übertragen hatte. Der Tod kam recht plötzlich. Trauer ist verständlich. Rückgängig ist nichts mehr zu machen. Aber es gab ja ein Neugeborenes – das vereinigte Deutschland.

Sozusagen als Eilbrief trat es in die Geschichte ein. Es konnte vielen nicht schnell genug ge-hen, der Brief mit der Geburts-anzeige war hurtig geschrie-ben, Marke drauf, ab zur Post. Der Brief wurde nicht sofort zugestellt, jedenfalls nicht als Ganzes. Anstelle des komplet-ten Briefes gleich, gab es nur Versprechen über gute Nach-richt, zum Beispiel über blü-hende Landschaften. Jetzt aber, zwanzig Jahre später, ist der Brief endgültig und voll-ständig angekommen. Ist ja gar nicht alles schlecht, was drin steht: Die Welt steht uns offen, ist die gute Nach-richt. Natürlich nur, wenn man das Geld dafür hat, ist die schlechte Nachricht. Wir ha-ben eine soziale Marktwirt-schaft, ist die gute Nachricht. Sozial ist aber nur möglich, wenn der Markt dies hergibt bzw. die am Markt es herge-ben wollen, ist die schlechte

Nachricht. Unsere Städte und Dörfer ziert ein freundliches Gesicht und in der DDR verfal-lene Bausubstanz ist saniert und bewohnbar gemacht, ist die gute Nachricht. Wohnen kann darin aber nur mehr der und die, die das viele Geld da-für aufbringen können, ist die schlechte Nachricht. Wir ha-ben eine moderne Medizin mit guten Apparaten und vor-züglichen Arzneien, ist die gu-te Nachricht. Alles ist aber so teuer, dass sich das immer weniger noch leisten können, ist die schlechte Nachricht usw. usw. Und es gibt auch schlechte Nachrichten oh-ne gute Nachrichten als Aus-gleich: Kriege kann man wie-der führen – in Jugoslawien, in Afghanistan und auch heimlich anderswo. Die Reichen wer-den immer reicher, die Armen immer ärmer. Die Jugend aber schaut optimistisch in die Zu-kunft. Naja, nicht die gesamte.

Die aus einkommensschwa-chen Schichten, die aus sozi-al prekären Gruppen, die, die halt nicht viel haben und nicht selten auch einfach zu wenig, die trüben dieses hoffnungs-volle Bild. Es waren offensichtlich zwei Briefe, die vor zwanzig Jahren geschrieben wurden. Einer für jene, die haben, und einer an jene, die halt nicht haben. Für Letztere bleibt allein der von Otto Reutter gesungene Trost: »In fünfzig Jahren ist alles vor-bei!« Aber Moment! Da irrt der Sän-ger: Er hat es vor mittlerweile neunzig Jahren gesungen und es ist dennoch alles beim Alten geblieben. Hierzulande zwar mit einer Unterbrechung von vierzig Jahren, die aber bei al-ler Hoffnung nicht die Lösung brachte. Es bleibt nichts übrig. Wir singen weiter »Wacht auf Verdammte dieser Erde ...« Peter Porsch

Was war denn da? Einen Mo-ment braucht es schon, bis es bei mir klick macht. Der 14. Juli wäre mir nicht so frag-lich vorgekommen. Dabei bin ich kein Franzose sondern ein Deutscher. Also schäme dich, sagt irgendeine Stimme in mir: Schließlich ist das schon et-was, die deutsche Einheit. Im-merhin. Nach runden 45 Jah-ren wieder Deutschland. Das vorherige war untergegangen, beendet am 8. Mai 1945. Be-dingungslos abgeschafft. Vie-len scheint das nicht ganz klar zu sein. Insbesondere den ehemaligen Westdeutschen nicht. Es ist ja auch verwir-rend weil dieses jetzige einige Deutschland dummerweise genauso heißt wie die west-liche Republik vorher – die einstige Bonner Republik. Die jetzige BRD ist nämlich eine andere – manchmal sagt man auch Berliner Republik dazu. Manchmal. Und das Bundes-verfassungsgericht hat schon 1994 festgestellt, dass die-se auch nicht das Deutsche Reich ist. Wir sind also seit 20 Jahren etwas Neues. Was da-zwischen war ist Geschichte – die Geschichte der Nach-kriegszeit mit Besatzungs-zonen, dann zwei deutschen Staaten, mit jeweils unter-schiedlich beschränkter Sou-veränität. Und dazu kommt noch dieses Berlin, in wel-chem eigentlich die Stadtkom-mandanten das Sagen hatten. Das alles wäre ein Grund zum

Feiern. Aber so richtig kommt mir das nicht hoch, das Hoch-gefühl. Vielleicht - ich erin-nere mich an die Bemerkung Brechts, der einmal wütend in sein Arbeitsjounal schrieb: »die Deutschen haben kein Verhältnis zur Geschichte. Das kommt davon, sie haben keine,« – vielleicht also habe ich auch kein Verhältnis da-zu. Und könnte mutmaßen: hätten sie das neue Deutsch-land vor 20 Jahren anders ge-nannt, wäre statt einem Bei-tritt mit Tritt eine andere Art des Vereinigens herausge-kommen – vielleicht dann wä-re dieser 3. Oktober... Ich weiß nicht recht. Würde mich so ein Termin denn dann in die Hö-he richten? Eher nicht, glaube ich. Obwohl ich den 7. Okto-ber ja noch immer weiß – aber schon damals war mir der ers-te Mai doch näher liegend.Und da fällt mir blitzschnell das letzte Gespräch mit mei-nem Vater ein, der da sagte: weißt du, ich war zuerst Ös-terreicher, und was für einer, und dann war ich Bürger Ru-mäniens, dann war ich Bürger des tausendjährigen Reiches, dann eine Weile nichts, dann DDR-Bürger und nun werde ich auch noch ein Bundes-bürger, weißt du, das ist alles nicht so wichtig. Das Letzte-re hat er übrigens dann doch nicht mehr erlebt, er ließ es bei vier Staatsbürgerschaften bewenden. Schade, denn ich kann ihn nicht mehr fragen,

ob es vielleicht doch noch für ihn wichtig geworden wäre mit seiner Herkunft und der sehr persönlichen Geschichte. Natürlich ist dieser 3. Oktober

kein 14. Juli. Aber vielleicht ist er, gerade weil wir ihn so nicht sofort glorreich parat haben können, ist er vielleicht der Anfang von etwas Normalem.

Und das ist doch schon viel für die Deutschen, zu denen ich immerhin gehöre. Bernd Rump

Page 7: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 7 10/2010 Sachsens Linke!

DIE LINKE. Westsachsen auf dem Weg zum digitalen Kreisverband?!2009 sollte das Jahr des Inter-netwahlkampfs werden. Wie die Pilze schossen täglich neue Präsenzen aus dem Boden. Die Parteien eröffneten Blogs, Videoplattformen und Mit-mach-Portale. Was davon übrig geblieben ist, sind vor allen Din-gen Webleichen: Accounts, die keiner mehr bedient, Plattfor-men, die keiner mehr besucht. Fast alle Parteien sahen in ih-rem Engagement im Internet vor allen eine neue Verkündi-gungsmaschinerie für ihre In-halte, die man zu- und wieder abschalten könnte, je nach Bedarf. Dass dies heutzutage nicht ausreicht, ist vor allem im politischen Betrieb keine Neu-igkeit. Das Bild einer Partei wird eben nicht von selbst gesetzter Werbung bestimmt, sondern vor allem durch die mediale Re-flektion. Was für Parteien in der

»Offlinewelt« alltägliche Rea-lität ist, gilt online umso mehr.Einer aktuellen Studie zufolge sind 72 Prozent der Bundes-bürger über 14 Jahre im Inter-net. Beeindruckend sind die Zuwachsraten bei den über 50-Jährigen: Bereits mehr als jeder Zweite ist »vernetzt«, be-sonders die 60- bis 69-Jährigen entdecken das Web für sich. Und sie widerlegen damit ein-drucksvoll die These, dass sich das Netz nur an die jüngere Ge-neration richte. Wenn in der Zwischenwahlzeit ein zwei Monate alter Inhalt ei-ner Website als aktuell dekla-riert wird, wenn ein Account in sozialen Netzwerken nur al-le paar Wochen »funkt« und auf Nutzer und ihre Fragen nicht eingegangen wird, dann hat Onlinearbeit bestenfalls keinen Effekt - schlimmstenfalls sogar negativen.Aus der Erfahrung von 2009 ha-ben wir inzwischen eine wahre Revolution unserer Öffentlich-keitsarbeit erlebt. Die neue Strategie orientiert sich nicht nur an den Interessen des Ver-bandes, sondern vor allem am

Verhalten der Nutzer. Und die Nutzer sind eben nicht nur Ge-nossinnen und Genossen, son-dern treten mit einem Blick von außen und individuellen Wün-schen an die Partei heran. Auf diese Wünsche muss der Ver-band in seiner Präsenz eine Antwort haben.Das Redaktionsteam in West-sachsen besteht derzeit aus fünf Personen, alle mit unter-schiedlichen Fähigkeiten. Zen-trale Person in diesem Team ist der neue Pressesprecher des Kreisverbandes René Ja-laß. Mit jungen, frischen Ideen und manchmal auch sehr un-konventionellen Sprachkom-binationen (aus Aussagen der Jungen Union im Landkreis werden kurzerhand Seifenbla-sen aus der Krabbelkiste der CDU) wurde der Grundstein für eine veränderte Öffentlich-keitsarbeit der Kreispartei ge-legt. Mit dem ehemaligen Stu-Ra-Sprecher Thomas Dudzak besitzt der Kreisverband durch dessen Erfahrungen beispiels-weise bei der Neuorganisation von Webauftritten einen ech-ten Onlinestrategen, dem kei-

ne Innovation es nicht zumin-dest wert ist, ausprobiert zu werden. Die Einbindung des Kreistagsfraktionsgeschäfts-führers in die Redaktionsarbeit sichert gleichzeitig maximale Aktualität und Transparenz bei den Aktivitäten der Fraktion, bei gleichzeitig schnellem In-formationsaustausch. Für die sich im Entstehen befinden-de Jugendseite wurde Chris-tin Löchner, jugendpolitische Sprecherin unseres Kreisver-bandes, gewonnen, während mit dem Kreisgeschäftsfüh-rer Daniel Knorr der Überblick über die Termine und Aktivitä-ten der Ortsverbände und des Kreisverbandes sichergestellt wird. Durch die Verteilung des Onlinemanagement auf breite Schultern kann eine Aktualität und Dynamik des Webauftrit-tes sichergestellt werden.Neben aktuellen eigenen Inhal-ten wird die Seite auch automa-tisiert mit Inhalten von Landes- und Bundesebene aktualisiert und bietet einfache Schnittstel-len, um den Nutzern die publi-zierten Inhalte auch außerhalb der Webpräsenz zugänglich

zu machen. Und das alles un-ter Einhalten der Richtlinien zum Umgang mit der Marke DIE LINKE und den Corporate Iden-tity Regeln.Vom Neustart des Onlineen-gagements haben wir in West-sachsen einen durchweg posi-tiven Eindruck. So steigen die Nutzerzahlen massiv und der Verbreitungsraum wächst auch weit über Westsachsen hinaus an. Gleich, welche Innovatio-nen wir im Kreisverband noch ausprobieren werden: Es ist und bleibt notwendig, innovativ zu bleiben und unsere Strate-gien auf die Erreichbarkeit der Menschen hin zu überprüfen. Und dies dauerhaft, damit in den Wahlkämpfen 2013/14 ein Netzwerk zur Verfügung steht, dass nicht nur Kerninhalte be-reitstellt, sondern tatsächlich mobilisiert. Mehr unter www.dielinke-westsachsen.de und www.facebook.com/dielinke.westsachsen Holger LuedtkeKreisvorsitzender DIE LINKE. Westsachsen

In einer öffentlichen Petition (Internetpetition) hat das Sozi-alforum Göltzschtal im Juli die-ses Jahres folgende Forderung erhoben: »Die Bundesregierung wird aufgefordert, Prozess und Zwischenergebnisse der Neu-

ermittlung der Regelleis-tungen für ALG

I I - Emp -fänger allen interes-sierten Bürgern offenzulegen und dabei den Beweis zu er-bringen, dass die von den Ver-fassungsrichtern im Urteil vom 09.02.2010 beanstandeten Re-gelungen nicht so oder ähnlich wiederholt werden.«Jeder, der über einen Interne-tanschluss verfügt, kann öf-fentliche Petitionen und deren Begründungen sechs Wochen lang lesen, mitzeichnen und kommentieren, danach wird die Petition zur Bearbeitung an den Petitionsausschuss des Bundestages überwiesen. Am Ende der Unterzeichnungsfrist hatte unsere Petition 1.017 Un-terschriften erhalten, das war mehr, als wir erträumt hatten!Unsere Petition war auch von vielen Internetnutzern kom-mentiert worden, wobei nicht alle Äußerungen von Ver-

ständnis für die Lage der Hartz IV-Empfänger zeugten. Die Vielzahl der zustimmenden Kommentare dagegen können Kraft und Zuversicht geben, wenn es etwa heißt: »Auch Er-werbslose haben Rechte! Wer resigniert und nicht kämpft hat längst verloren! Ich beziehe

kein ALG II. Soziale Grü-ße und viel Er-

folg!«

»Un-sere Ge-s e l l s c h a f t lässt es zu, dass die Schere zwi-schen Arm und Reich immer weiter auseinander klafft. Kinder, die wir dringend gut ausgebildet und zahlreich bräuchten, dazu noch sozial kompetent und psychisch sta-bil, werden durch Armut, von der ca. 20 Prozent betroffen sind, ihrer Chancen genau da-rauf beraubt.« »Schlussend-

lich bleibt festzustellen, dass es offensichtlich sinn- und ziel-führender wäre, eine Bildungs-Card für Politiker einzuführen.«Von den Unterzeichnern wer-den Name und Herkunftsbun-desland angegeben, und da hat mich verwundert, dass nur we-nige Unterstützer unserer Peti-tion aus dem Osten kommen,

es waren keine 10 Pro-zent. Und das, ob-wohl bei uns die Ar-beitslosigkeit weit höher

liegt als im Westen und neben dem Bundesvorstand der LIN-KEN auch der Landesvorstand Sachsen unserer Partei zur Un-terzeichnung der Petition auf-gerufen hatte. Es mag dabei ei-ne Rolle spielen, dass sich die meisten Hartz IV-Empfänger keinen Computer leisten kön-nen, vielleicht liegt die Ursache aber auch darin, dass die Lin-ken in den neuen Bundeslän-

dern die öffentliche Peti-tion noch nicht als

Kommunika-tionsmit

tel und Möglichkeit des politi-schen Protestes entdeckt ha-ben. Schauen wir bei anderen Inter-netpetitionen nach: Spitze bei der Anzahl der Mitzeichnungen ist zur Zeit eine Petition, die die Abschaltung der Atomkraftwer-ke, wie in Verträgen ursprüng-lich festgelegt, bis zum Jahr 2023 fordert. Mitte der zweiten Unterzeichnungswoche haben bereits mehr als 6.000 Bürger unterschrieben, und darunter ganz wenige Leute aus den neu-en Bundesländern, obwohl der Verzicht auf den Atomstrom ei-ne wichtige Forderung der LIN-

KEN und der Grünen auch im Osten ist.

Ich bin überzeugt: Öf-fentliche Petitionen

bieten eine Mög-lichkeit der poli-

tischen Arbeit, die die meis-

ten Ostlinken erst noch für sich erken-nen müs-

sen. Vor al-lem für junge

Menschen (und junggebliebene Alte!)

wäre das ein wichtiges und interessantes Aktionsfeld!Dorothea Wolff

Öffentliche Petitionen als Kommunikations- und ProtestmöglichkeitProtest per Klick

Neue Medien

Page 8: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 8Sachsens Linke! 10/2010

Kürzen ersetzt keine Politik

Nicht bloß wegen des Pro-Atom-Kurses der Bundesre-gierung ist Energiepolitik mo-mentan in aller Munde. Zu einem linken Gesellschafts-modell gehört eine sozial-ökologische Wende, die für eine nachhaltige Entwicklung hin zu erneuerbaren Energien steht – auch und gerade, wenn sich diese gegen die Profitin-teressen der mächtigen Ener-gie-Konzerne richtet.Wir sächsischen Bundestags-abgeordneten der LINKEN waren Anfang September ge-meinsam mit Fachpolitike-rinnen und mit Umwelt- und Energieexperten eine Woche in Sachsen unterwegs. Unter dem Motto »Die Zukunft ist erneuerbar!« haben wir uns fünf Tage lang in insgesamt 19 Einzelveranstaltungen über den Stand der erneuerba-ren Energien informiert. Da-bei waren wir unter anderem bei Energiebauern, Betrei-bern von Wasserkraft-, Bür-ger- und Solaranlagen, Strom-netzen und Energiespeichern, der Leipziger Strombörse und dem Deutschen Biomassefor-schungszentrum. Überall sind uns Menschen begegnet, die mit großen Engagement für saubere Energie und Energie-effizienz arbeiten. Wir sind aber auch auf Hemmnisse ge-stoßen, die wichtige Anstö-ße für unsere Arbeit im Bun-

destag gebracht haben. So ist die Beschaffung von geeigne-ter Biomasse aus dem Nah-raum nicht immer einfach. Hier braucht es regional eine koordinierende Hand, so wie es gegenwärtig die Energie-Agentur Neiße anstrebt. Die Planung und Errichtung von Biogasanlagen bringen bei An-wohnern oft Ängste aber auch Vorurteile zum Vorschein, die es verstärkt durch die Politik

zu moderieren gilt. Erzeuger der grünen Energie beklagen, dass es in Verwaltung und Po-litik an entsprechenden Wis-sen und Kenntnissen fehlt. Die Regionalpläne zur Aus-weisung von Nutzungsflächen halten oftmals mit der techno-logischen Entwicklung nicht Schritt, so ist eine schnellere fachkompetente Anpassung beispielsweise für die neue Generationen von Windkraft-

anlagen nötig. Zentrales The-ma ist jedoch der Netzausbau, hier muss mehr passieren, damit die dezentrale Einspei-sung von erneuerbarer Ener-gie Vorfahrt erhält. DIE LINKE wird sich deshalb dafür ein-setzen, dass die dringend be-nötigten Speicherkapazitäten im Netz weiter ausgebaut wer-den. Michael Leutert

Ein Bundestagspräsident hat es auch nicht immer leichtEs gehört zu den unschönen Gewohnheiten der Abgeord-neten von CDU/CSU und FDP im Bundestag, bei Rednerin-nen und Rednern der LINKEN direkt zu stören oder im Saal umherzulaufen. So war es auch zum Auftakt der Haus-haltsverhandlungen bei der Rede von Gregor Gysi. Bundestagspräsident Lam-mert, immerhin selbst CDU, nahm dies zum Anlass Gysi zu unterbrechen und die sich zahlreich im Saal bewegen-den Abgeordneten der Koali-tion um mehr Ruhe zu bitten. Als die Unruhe im Saal dar-aufhin nicht weniger wurde, sprach er die Abgeordneten Flosbach und Dautzenbach von seiner eigenen Fraktion direkt an – erst vergeblich, dann mit Erfolg. Wie Gregor sagte: Es überrascht schon, dass nicht nur uns, sondern auch dem Bundestagspräsi-denten nicht immer zugehört wird.Michael Leutert

Kreistour zu den Folgen des Bundeshaushalts 2011

Im Oktober findet der zwei-te Teil meiner Kreistour zum Bundeshaushalt 2011 statt. Ein Blick auf diesen Haushalt lohnt sich. Zwar wird er in der gegenwärtigen Diskussion oft als »Sparpaket« bezeichnet, doch führt der Begriff in die Ir-re. Sparen klingt positiv, wer spart, bildet Rücklagen. Der Haushalt 2011 jedoch ist vor allem ein Kürzungshaushalt zu-lasten der sozial Schwächeren und zu Gunsten der Besserver-dienenden und mächtiger Lob-bygruppen. Wodurch zeichnet sich der Haushalt 2011 aus? Es werden beispielsweise die Mittel zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk-tur von der Regierung um 24 Millionen Euro gekürzt und die der Städtebauförderung von 600 auf 305 Millionen Euro fast halbiert. Im Arbeits- und Sozialbereich steht eine wahre Kürzungsorgie bevor: Kürzun-

gen beim Elterngeld, Wegfall des Zuschlags beim Übergang vom Arbeitslosengeld I sowie der Wegfall von Rentenversi-cherungsbeiträgen bei Hartz IV sind wesentliche Punkte.Bereits bis Ende 2009 hatten die Länder ein Finanzierungs-defizit von fast 26 Milliarden Euro bei steigenden Ausga-ben sowie einem erheblichen Rückgang ihrer Einnahmen durch Steuern zu verzeichnen. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt muss 2010 mit einem Rückgang des Steueraufkom-mens von 26 Prozent im Ver-gleich zu 2009 gerechnet wer-den.Am stärksten sind jedoch die Kommunen betroffen. Es fin-det eine Umverteilung statt, bei der sie die Verlierer sind. So wird bereits für das lau-fende Jahr von einem Steuer-Mindereinnahmen von elf Mil-liarden Euro gerechnet. Über die Hälfte der davon sind auf Steuergeschenke für Reiche und Unternehmen seit En-de 2008 zurückzuführen. Das sogenannte Wachstumsbe-schleunigungsgesetz schlägt mit weiteren 2,3 Milliarden

Euro zu Buche. 2011 fährt die Regierung diesen Kurs ohne Rücksicht auf Verluste wei-ter: Der neue Geheimvertrag mit der Atomlobby zur Lauf-zeitverlängerung bedeutet erhebliche Verluste bei den Gewerbesteuereinnahmen sowie verschlechterte Rah-menbedingungen für kommu-nale Energieerzeuger, die in erneuerbare Energien inves-tiert haben. Die Halbierung der Städtebauförderung wird verheerende Auswirkungen auf die Investitionstätigkeiten der Kommunen haben. Gerade auf die Kommunen haben zu-dem die Sozialkürzungen be-sonders negative Folgen: Zwar trifft die Streichung der Heiz-kostenzuschüsse für Wohn-geldbezieher zunächst gering-verdienende ‚Aufstocker‘, die jetzt noch Wohngeld beziehen. Mit Absenken des Wohngeldes drohen jedoch viele zu Hartz IV zu wechseln, womit höhere Ausgaben auf die Kommunen zukommen. Die Streichung der Rentenversicherungsbei-träge für Hartz-IV-Bezieher wirkt sich gerade in den neu-en Bundesländern mit höherer

Langzeitarbeitslosigkeit aus. Schließlich gehen auch hier die Folgekosten auf die Kom-munen über. Die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Bezieher schließlich trifft direkt sozial Schwache und verschärft damit die sozialen Probleme in den Kommunen. Diese dreiste Politik gegen die Interessen der Kommu-nen und der Mehrheit der Be-völkerung ist nicht alternativ-los. DIE LINKE im Bundestag hat ein alternatives Steuer-konzept vorgelegt, wonach vor allem durch Einführung bezie-hungsweise Erhöhungen von Vermögenssteuer, Erbschafts-steuer, Unternehmens- bzw. Gemeindewirtschaftssteuer, Finanztransaktionssteuer und einer Millionärssteuer rund 160 Milliarden mehr einge-nommen werden können. All diese Punkte lassen hier nur anreißen. Um so mehr wür-de ich mich freuen, mit Euch auf den Veranstaltungen in den Kreisen darüber diskutie-ren zu können.Michael Leutert, MdB, Mitglied im Haushaltsausschuss im Bundestag

»Die Zukunft ist erneuerbar!“ – eine Bilanz

Info-Tour zum Bundeshaus-halt 2011

Bautzen 12.10., (Ort und Zeit noch offen)Chemnitz 13.10., Rot-haus, Lohstr. 2, 18.30 UhrNordwestsachsen 15.10., (Ort noch offen), 17 UhrPlauen 19.10., Jugend-herberge »Alte Feuerwa-che«, Neundorfer Str. 3, 18 UhrGroßenhain, 20.10., (noch offen)Dresden 20.10., Haus der Begegnung, Großenhai-ner Str. 93, 19 UhrGörlitz 21.10., Neiße Ga-lerie, Elisabethstr. 10/11, 19 UhrDöbeln 22.10., Stram-mer Leutnant, Kune-mannstr./ am Wettiner Platz, 18 Uhr

Nähere Angaben un-ter 0371/4330116 und [email protected] oder bei der jeweiligen Kreis-geschäftsstelle

Standpunkt

UnruhigeDebatten

Die Landesgruppe Sachsen und Fachpolitiker der Bundestagsfraktion DIE LINKE im Biogaslabor des Deut-schen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig. v.l.n.r.: Dorothée Menzner, Energiepolitische Spre-cherin, Dr. Barbara Höll, Eva-Bulling Schröter, Umweltpolitische Sprecherin, Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin, Leiter Biogastechnologie im DBFZ in Leipzig

Page 9: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 9 10/2010 Sachsens Linke!

»Großer Bahnhof« im Asylbewerberheim LangburkersdorfWas passieren kann, wenn ein linker Bundestags-abgeordneter seinen Besuch ankündigt

Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge bringt seit vielen Jahren Asylbewer-ber in den abgelegensten Ecken, in Immobilien mit bla-mablem DDR-Standard unter. Gegenwärtig in Langburkers-dorf, oder besser gesagt, an dessen Ortsrand. Zwei Fami-lien mit Kindern wohnen dort. Und 160 junge Männer zwi-schen 20 und 40 Jahren. Bei 40 Prozent läuft der Asylan-trag noch. Die Hälfte hat ei-nen ablehnenden Bescheid erhalten, ihnen droht Abschie-bung. Nachts von Gepolter aus dem Schlaf gerissen, von Uniformierten in Kleinbus-se verfrachtet, in Flugzeu-ge gesetzt zu werden – also Abschiebung ins Heimatland – das ist der Albtraum eines jeden. Denn für viele gibt es kein Zurück, auch, wenn sie Heimweh haben. Rückkehr in Elend oder Unsicherheit, mit leeren Händen, mit Schulden bei der Familie, die Geld für die Flucht sammelte, das wäre schlimm, aber auch der totale Gesichtsverlust für sie. Dann lieber tot sein, sagen sie und ertragen jahrelang die Trost-losigkeit des Heimes mit Ein-samkeit, Geldnöten und Ab-schiebeangst. Es kommt zu Spannungen untereinander. Zuletzt brannte es zweimal im Heim. Der letzte Brand, ver-

mutete Brandstiftung – ein Hilferuf der Bewohner? Einige fliehen von hier, nehmen eine neue Odyssee durch Europa auf sich.Eine AG Asylsuchende, in der auch Linke mitarbeiten, ver-sucht Verbesserungen für die Betroffenen zu erreichen. Auch die lokale SZ berichtet seit einiger Zeit sehr kritisch. Getan hat sich freilich wenig bisher. »Jetzt reicht’s«, sagten wir – jetzt müssen unser Bun-destagsabgeordneter Dr. Ilja Seifert oder das Mitglied des Europäischen Parlaments, Dr. Cornelia Ernst, die nebenan in Sebnitz ein Büro hat, hierher. Cornelia Ernst war leider ver-hindert, aber Ilja Seiferts Mit-arbeiterin meldet ihn, unseren Kreisvorsitzenden und zwei andere Interessierte für einen Besuch am 3. September an. Was dann geschah, war schon bemerkenswert. Im Heim an-gekommen, erwartete Ilja Sei-fert nicht etwa, wie angekün-digt, nur der Mitarbeiter des Landratsamtes und die Lokal-presse, sondern ein »großer Bahnhof«. Das waren der Chef der Betreibergesellschaft, die 1. Beigeordnete des Landra-tes und: MdB Klaus Brähmig (CDU). Wenn etwas in »seinem Revier« passiert, muss er da-bei sein. Auch, wenn er sonst nicht den Weg zu den Asylbe-werbern gefunden hätte. In unserem Landkreis ticken die Uhren schon merkwürdig: Da meldet sich ein linker Bundes-tagsabgeordneter zu einem Besuch des Asylbewerberhei-mes an. Das Landratsamt aber hat offenbar nichts anderes zu tun, als den CDU-Bundestags-abgeordneten der Region, der

nicht einmal mehr im Kreistag sitzt, um »Verstärkung« zu bit-ten. Augenzeugen berichteten dann auch, dass Herr Brähmig keine andere Funktion hatte, als den Platzhirsch zu spielen und Ilja Seifert »in Schach zu halten«. Denn nach Brähmigs Meinung hätte das Landrat-samt die Probleme bisher gut gelöst. Und wer bedroht sei, müsste doch erst mal glück-lich sein, dass er »sicher« un-tergebracht ist. In das euro-päische System müssten sich die Flüchtlinge einbringen und kapieren, welche Chan-cen sie hier haben, meinte er. Chancen? Da kann man wohl nur von Glück reden, dass die Bewohner ihn aufgrund ei-nes fehlenden Deutschkurses nicht verstanden. Ein Zwei-unddreißiger aus dem Irak be-richtete: »Nächstes Jahr lebe

ich acht Jahre hier. Ich ken-ne von Deutschland eigent-lich nichts anderes, als dieses Haus.« Als Ilja Seifert nach der Tagesstruktur der Asylbewer-ber fragte, stieg MdB Bräh-mig gleich auf das Thema ein. Er bedauerte sinngemäß, dass man leider keine Morgenap-pelle durchführen und Arbeits-aufgaben verteilen könne. Ilja Seifert war da, damit sich etwas ändert, auch auf Bun-desebene. Residenzpflicht und zentrale Unterbringungen gehören abgeschafft. Dafür wird er sich stark machen. »Ei-gentlich haben die Bewohner hier nichts anderes als Frei-zeit«, hatte er entsetzt fest-gestellt. In einigen Wochen kommt er wieder ins Heim, um zu sehen, ob der Deutschkurs angeboten wird, ob sich an der Situation etwas geändert

hat. Das Landratsamt ist in-zwischen auf der Suche nach einem neuen Standort. »Die Abgelegenheit ist nicht gut. Es ist jedoch schwer, ein anderes Objekt zu finden«, sagte die erste Beigeordnete. Ob sie, selbst mehrfache Mutter, viel-leicht doch berührt hat, was sie hier sah?»Zustände sind menschenun-würdig« lautete der Titel ei-nes Kommentars in der Säch-sischen Zeitung Pirna und Sebnitz einige Tage später. Der dazugehörige Hauptbei-trag trug den Titel »Hilferuf aus dem Asylbewerberheim« und erschien sowohl in Pirna als auch in Sebnitz. Ein großes Foto zeigte MdB Dr. Ilja Seifert im Gespräch mit einer Asylbe-werberin. Wer sonst noch dort war, stand nicht im Beitrag.Anja Oehm

Erneuter Angriff auf Geschäftsstelle in ZittauAm Abend des 19.September 2010 wurde eine Büroschei-be der LINKEN in Zittau ein-geschlagen. »Ob es am anti-faschistischen Engagement, der klaren Forderung nach Ab-schaffung von Hartz IV oder dem Bekenntnis zur Friedens-politik liegt, kann ich nicht be-urteilen. Klar ist jedoch, dass wir als LINKE uns nicht ein-schüchtern lassen und uns weiterhin für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger einsetzen werden,« bekräftig-te Jens Thöricht, Geschäfts-führer des Kreisverbandes.

Buch »Herbst 1989« erschienenLange hat es gedauert, fast ein Jahr nach der Konferenz ist die Broschüre mit den The-sen zum Herbst 1989 und al-len Diskussionsbeiträgen zur Konferenz im März 2009 er-schienen. Auf Grund seinens Umfangs kann das Buch gegen eine Spende (mit Spendenquit-tung) in der Landesgeschäfts-stelle der sächsischen LINKEN bestellt werden. Kontakt zur Landesgeschäftsstelle wie ge-wohnt über 0351-85 32 721 oder [email protected] Online ist die Debatte unter www.dielinke-sachsen.de.

Neuer Reader zur sächsischen Programmdebatte Ganz aktuell hat der sächsi-sche Landesverband der LIN-KEN einen Reader zur Pro-grammdebatte vorgelegt. Der Reader fasst Beiträge des Pro-grammkonventes vom 26. Ju-ni und weitere Artikel zusam-men und war bereits auf dem gemeinsamen Programmkon-vent in Erlangen vorrätig.Die Broschüre kann kostenlos in der Landesgeschäftsstelle telefonisch unter 0351-85 32 721 oder per E-Mail [email protected] bestellt werden.

Page 10: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 10Sachsens Linke! 10/2010

Mit einiger Verwunderung konnte der interessierte Be-obachter am 17. Mai diesen Jahres eine gemeinsame Pres-seerklärung des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, des Sächsischen Landkreis-tages mit dem Staatsministe-rium der Finanzen zur Kennt-nis nehmen. Ohne Not hatten sich die Vertreter kommunaler Interessen auf einen Kompro-miss geeinigt, dessen Man-gel schon damals offenkundig war. Doch der Reihe nach. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat in die öffentlichen Kassen tiefe Löcher gerissen. Durch die Mechanik der kommuna-len Finanzierung sind die Kom-munen an den Einnahmever-lusten des Freistaates direkt beteiligt. So sinken die Gelder, die die Städte und Gemein-den aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellt bekom-men von 2,95 Milliarden Euro

in diesem Jahr auf nur noch 2,34 Milliarden Euro im Jahr 2012. Die Probleme, die ein so gewaltiger Einbruch mit sich bringt liegen auf der Hand. Schon heute versuchen vie-le sächsische Kommunen mit Haushaltssicherungskonzep-ten der galloppierenden Aus-gabenentwicklung unter an-derem im Sozialbereich Herr zu werden. Die Handlungs-spielräume werden immer geringer. Damit einher geht ein immer größer werden-der Anteil an übertragenen Pflichtaufgaben. Die dadurch steigenden Kosten gehen zu lasten der Gestaltungsmög-lichkeiten im Rahmen der kommunalen Selbstverwal-tung. Die Verhandlungen mit der Staatsregierung verfolg-ten daher das Ziel, einen mög-lichst hohen Anteil an frei ver-fügbaren Mitteln zu erhalten. Als Ergebnis wurde ein Ent-

wurf vorgelegt, der die Hö-he dieser Mittel auf dem Ni-veau der Vorjahre fortführt. Dazu wurde allerdings das allein aus kommunalen Gel-dern gebildete Vorsorgever-mögen aufgelöst. Der Beitrag des Landes zur Sicherstellung der nach Verfassung im Arti-kel 87 garantierten Kommuna-len Selbstverwaltung bestand demnach lediglich in der Frei-gabe der Mittel für die Kom-munen. Allerdings hat diese Freigabe einen hohen Preis. Für stabile allgemeine Finanz-mittel haben die Kommunen einen radikalen Einbruch der Investitionen in Kauf genom-men. So haben sie in den letz-ten beiden Jahren insgesamt 898,1 Millionen Euro für In-vestitionen zur Verfügung ge-habt. Für die Jahre 2011 und 2012 sind lediglich 267,4 Mil-lionen Euro vorgesehen. Neue kommunale Investitionen fin-

den mit diesen Mitteln de-facto nicht mehr statt zumal der größte Teil dieser Mittel zweckgebunden ist. Unsere Fraktion hat daher schon im Mai gefordert, dass der Frei-staat die Kommunen mit zu-sätzlichen Investitionsmitteln unterstützen muss. Die For-derung nach einer Infrastruk-turpauschale ist nun auch von den kommunalen Spitzen-verbänden aufgemacht wor-den. Sie fordern mindestens 100 Millionen Euro zusätz-lich pro Jahr. Mit der Unter-stützung der Forderung wol-len wir den Kommunen helfen über die nächsten schweren Jahre zu kommen. Der sächsi-sche Haushaltsentwurf ist da-bei nicht gerade hilfreich. Die Zusammenstreichung der Mit-tel für den öffentlichen Perso-nennahverkehr, die Kürzung der Jugendpauschale, der Ver-such die Landesbühnen ohne

Ausgleich der Mehrbelastung zu kommunalisieren belas-ten die Kommunen noch zu-sätzlich. Hier werden wir der Staatsregierung Widerstand entgegensetzen. Bis zur Ver-abschiedung des Haushal-tes im Dezember ist noch Zeit um auf die Notlage der säch-sischen Kommunen aufmerk-sam zu machen und für Alter-nativen zu streiten. Darüber hinaus machen wir uns auch stark für eine Reform der Ge-meindefinanzen. Mit unserem Modell einer Gemeindewirt-schaftssteuer die auf breite-rer Basis konstantere Einnah-men garantieren soll kämpfen wir gemeinsam mit den Kom-munen für eine solide Finan-zierung ihrer Aufgaben. Sebastian Schellist haushalts- und finanzpolti-scher Sprecher der Linksfrakti-on im Sächsischen Landtag.

Ohne Moos nix los

Die Haushaltssituation in Chemnitz ähnelt der in den meisten bundesdeutschen Kommunen. Den Haushalt 2010 konnte Chemnitz nur durch die vollständige Plün-derung der allgemeinen Rück-lage ausgeglichen und damit genehmigungsfähig gestalten. Für die kommenden drei Jahre wurden jährliche Fehlbeträge bis zu 60 Mio. Euro prognosti-ziert. Von der Landesdirektion kam also die strikte Auflage, ein Haushaltssicherungskon-zept zu beschließen. Die Verwaltung legte irrefüh-rend ein als Entwicklungs- und Konsolidierungsprogramm be-zeichnetes Sparpaket (EKKo 2015) vor. Von Beginn an wa-ren die Fraktionen in die Erar-beitung einbezogen.Für unseren Standpunkt hatten wir zwei Fragen zu bewerten. Erstens: Können wir in dieser Si-tuation, die sich quantitativ und qualitativ von vorhergehenden unterscheidet, bei der bisheri-gen Haltung bleiben und mit ei-genen Vorschlägen konstruktiv an der Erhaltung der finanzpo-litischen Selbständigkeit der Stadt mitwirken? Zweitens: Wo liegen die entscheidenden Ur-sachen für die entstandene Si-tuation?Über 90 Prozent aller Kommu-nen der BRD haben mit dem gleichen Problem zu ringen. Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise ist lediglich ein verschärfendes, nicht aber das ursächlichen Element. Ur-sächlich ist die verfehlte Steu-er- und Finanzpolitik von Bund und Land der letzten 20 Jahre.

Immer mehr Aufgaben wurden auf die kommunale Ebene ver-lagert, was im Prinzip richtig ist, die Finanzausstattung ist aber nicht aufgabenorientiert mit gewachsen.Verheerend für den kommu-nalen Haushalt waren die Hartz-IV-Gesetze. Explosi-onsartig sind die Sozialaus-gaben gestiegen, zugleich ist der kommunale Anteil an der Einkommensteuer durch das massenhafte Entstehen von Billigarbeitsplätzen gesunken. Für die Sozialsysteme gilt die gleiche Tendenz.Für September war die Be-schlussfassung zum EKKo 2015 im Stadtrat vorgesehen. Handlungsoptionen gibt es im Wesentlichen zwei. Wir stim-men dem Sparpaket zu. Durch eigene Änderungsanträge neh-men wir an den Stellen, die uns besonders am Herzen lie-gen, Korrekturen vor, was aber heißt, wenn wir die eine Maß-nahme nicht wollen, müssen dafür Alternativvorschläge ein-gebracht werden. Die Gesamt-summe muss bleiben.Ein Beispiel soll verdeutlichen, worum es geht. Chemnitz gibt für sein Theater, einschließlich der Robert-Schumann-Phil-harmonie, ein Orchester der Spitzenklasse, jährlich etwa 25 Mill. Euro aus. Kann es lin-ke Politik sein, hier den Rotstift anzusetzen und einen Teil der eingesparten Gelder in ande-re Kulturbereiche umzuleiten? Oder ist es linke Politik, durch erneuten Einkommensverzicht der Beschäftigten in der Stadt-verwaltung die Haushaltskon-

solidierung zu bewerkstelli-gen?Das Sparpaket ablehnen, ist die andere Handlungsoption. Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, ist dafür eine Mehrheit nicht ausgeschlossen. Die Fol-gen sind genauso gravierend: vorläufige Haushaltsführung, keine neuen Investitionen, mögliche Probleme bei den freien Trägern, Abhängigkeit von Genehmigungen durch die Landesdirektion, eventuelle Zwangsverwaltung.Zustimmen oder ablehnen? Diese Entscheidung sollten nicht allein die 14 Fraktions-mitglieder treffen. Dresden hat gezeigt, welche katastropha-len Auswirkungen Fraktions-entscheidungen im Alleingang für die Partei haben können.

Der Stadtvorstand und die Fraktion DIE LINKE im Stadtrat Chemnitz organisierten des-halb gemeinsam am 14. Au-gust eine Basiskonferenz. Etwa 100 Teilnehmerinnen und Teil-nehmer waren der Einladung gefolgt. Das Votum der Kon-ferenz war eindeutig. Keiner-lei Zustimmung für das Spar-paket.Nach unserer öffentlich be-kundeten Ablehnung hat nun auch die CDU-Fraktion derglei-chen signalisiert. Die FDP will durch Einkommenskürzungen bei den Beschäftigten sanieren und schürt zugleich ganz mas-siv und ungeschminkt den So-zialneid. Pro Chemnitz (ehem. REP) hat mit Änderungsan-trägen mögliche Zustimmung angezeigt. SPD und Grüne

schweigen.Jetzt hat die Oberbürgermeis-terin die Reißleine gezogen und das Sparpaket zunächst von der Tagesordnung abgesetzt. Vom Tisch ist es damit nicht. Mit der Haushaltsdiskussion 2011 kommt die ganze Sch... wieder.Die eigentliche Gretchenfrage aber ist: Wollen wir weiterhin Stück für Stück die kommu-nale Selbstverwaltung opfern oder uns selbstbewusst weh-ren? In Chemnitz werden wir notfalls den Antrag zur Klage auf angemessene, an den Auf-gaben ausgerichtete kommu-nale Finanzausstattung gemäß Grundgesetz und Sächsischer Verfassung einbringen.Hubert GintschelFraktionsvorsitzender

Chemnitz spart oder wehrt sich

Page 11: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 11 10/2010 Sachsens Linke!

Mit etwa zwölf Millionen Men-schen sind Roma die größte Minderheit in Europa. Trotz der jahrhundertelangen Migrati-onsgeschichte ist das Verhält-nis zu ihnen von Feindseligkei-ten und Feindbildern geprägt. Nach wie vor sind sie in vielen Ländern Fremde. Frankreichs Präsident Sarkozy schürt mit seiner Kampagne alte Ängste und Vorbehalte gegen die Ro-ma, denen Integrationsunwil-ligkeit oder auch Integrations-unfähigkeit vorgeworfen wird. Er nutzt offenbar die vorhan-denen Ressentiments gegen die Roma, um der Klientel des rechten, konservativen Rands zu entsprechen und sich da-mit aus dem Umfragetief her-aus zu katapultieren.Skandalös an dem Vorgehen der französischen Regierung gegen die Roma ist der offen-sichtliche Widerspruch zu den Grundlagen der Europäischen Union. Die Abschiebungen, die ohne Einzelfallprüfungen stattfinden, verstoßen ein-deutig gegen das Recht auf Freizügigkeit in der EU, das allen Unionsbürgern zusteht. »Davon abgesehen handelt es sich bei einem Großteil der von den laufenden Abschiebungen

Betroffenen um französische Staatsbürger, die somit ge-mäß Artikel 15 der »Allgemei-nen Erklärung der Menschen-rechte« gar nicht ausgewiesen werden können.«Gegen die diskriminierende Politik Frankreichs hat am 9. September das Europäische Parlament eine Resolution be-schlossen. Dieses starke Sig-nal, das Ergebnis der gemein-samen Arbeit unserer linken Fraktion GUE/NGL, den Frak-tionen der Grünen/EFA, der S&D (Fraktion der Progressi-ven Allianz der Sozialdemo-kraten) und der ALDE Frakti-on (Allianz der Liberalen und Demokraten), macht deut-lich, dass die seit Jahresbe-ginn stattfindenden Abschie-bungen tausender Roma aus Frankreich und ebenso in an-deren europäischen Ländern nicht toleriert werden. Es drängt sich der Eindruck auf, dass in einigen EU-Mit-gliedsstaaten Gleichgültigkeit gegenüber den Lebensbedin-gungen der Roma herrschen, angesichts der wenig in An-spruch genommenen Finanz-mittel, die für die Verbes-serung dieser durch die EU bereitgestellt werden.

Für einen richtigen Umgang mit den etwa zwölf Millionen Roma in Europa kann es kei-ne nationalstaatlichen Regu-

lierungen geben, sondern nur eine gemeinsame europäische Lösung. Die Mitgliedstaaten müssen sich auf eine einheit-

liche Roma-Strategie verstän-digen. Cornelia Ernst ist Abgeordnete des EU-Parlaments.

Falsche Töne in der Europäischen Union – Frankreich und die Roma

Plakatausstellung „Kein Mensch ist illegal“ und Begleit-Veranstaltungen Am 1.Oktober 2010 jährt sich zum 24. Mal der Tag des Flücht-lings. Er wurde erstmals 1986 von Pro Asyl und Amnesty In-ternational ausgerufen, um die Lebenslagen von Asylsuchen-den in den Blick zu rücken. Aus Anlass des diesjährigen Tag des Flüchtlings startet DIE LINKE Sachsen am 1. Okto-ber sachsenweite migrations-politische Aktionstage. In vier LINKE-Abgeordnetenbüros in Sachsen ist vom 1. bis 22. Oktober die Plakatausstellung „Kein Mensch ist illegal“ des Netzwerkes gegen Abschie-bung und Ausgrenzung Köln zu sehen. Diese wird vor allem in Leipzig und Chemnitz von Begleitveranstaltungen um-rahmt. „Wir nehmen den Ausländer-beauftragten der Sächsischen Landesregierung, Dr. Martin Gillo, beim Wort. In seinen „7 Anregungen für ein weltof-

feneres Sachsen“ vom März 2010 sprach er sich u.a. für die Lockerung der Residenz-pflicht und die Ausweitung der Möglichkeit des dezent-ralen Wohnens in Wohnungen statt in Heimen aus,« erinner-te Freya-Maria Klinger, migra-tionspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag. »Sachsen will Ein-wanderungsland sein, so äu-ßerte sich auch Innenminister Ulbig. Allerdings verwehren wir uns gegen eine Politik der effizienten und reibungslosen Verwertung »nützlicher« Men-schen betrieben werden, denn damit wird die Ausgrenzung der „anderen“ legitimiert. Mi-grations- und Integrationspo-litik ist mehr als auf ein Mittel des globalen Standortwettbe-werbes. Sie muss Vorausset-zungen für gleichberechtigte politische, soziale und gesell-schaftliche Teilhabe schaf-fen.«Juliane Nagel, Mitglied des Landesvorstandes DIE LINKE Sachsen ergänzt:„Bundesweit wird derzeit ver-stärkt über Asylpolitik disku-tiert, ein positives Beispiel dafür ist die immer breiter

getragenen Forderung nach Abschaffung der Residenz-pflicht. In Dresden und Leip-zig gibt es wirkungsmächtige Proteste gegen die Heimun-terbringung von Asylsuchen-den, u.a. im Landkreis Leip-zig Widerstand gegen die so genannte Paketversorgung. Mit der Ausstellung »Kein Mensch ist illegal« und ver-schiedenen Diskussionsver-anstaltung zu asyl- und inte-grationspolitischen Themen wollen wir die Belange von Menschen mit Migrationshin-tergrund in den Blickpunkt rücken. Damit soll gleichsam ein Kontrapunkt zu der durch Ressentiments geprägten De-batte um die angebliche Inte-grationsunfähigkeit von Mus-limen und der Fokussierung von Einwanderungs- und Inte-grationspolitik auf wirtschaft-lich nützliche MigrantInnen gesetzt werden. Jeder Mensch hat ein Recht auf Rechte!“ “

Begleitprogramm n im linXXnet, Bornaische Str. 3d, Leipzig 1.10.2010, 19:00 Ausstel-lungseröffnung & Vortrag und Diskussion

„Gekommen zu bleiben? Mig-ration mit Hindernissen“ mit mit Farzin Akbari Kenari (Leip-zig, urspr. Iran) n 4.10.2010, 19:00»Reise ohne Rückkehr. End-station Frankfurter Flugha-fen« Film und Diskussion 5.10.2010, 19:00 Uhr Anforderungen an ein Integ-rationskonzept für MigrantIn-nen in Sachsen bzw. Leipzig mit Freya-Maria Klinger, Mit-glied des Sächsischen Land-tages und Mandy Gehrt, Stadträtin in Leipzig n im Rothaus, Lohstr. 2, Chemnitz 01.10.2010, 19:00 Uhr Ausstellungseröffnung und Diskussion zur aktuellen Si-tuation von MigrantInnen in Chemnitz und Sachsen mit Heike Steege, ehemalige Ausländerbeauftragte Chem-nitz und Freya-Maria Klinger, Mitglied des Sächsischen Landtages 07.10.2010, 18:00 Uhr „Gekommen zu bleiben? Mig-ration mit Hindernissen“ Vortrag und Diskussion mit Farzin Akbari Kenari (Leipzig, urspr. Iran) 22.10. 2010, 18:00 Uhr

»Zur aktuellen Situation der Roma im Kosovo« Bericht und Diskussion mit der Europaabgeordneten Dr. Cornelia Ernst n in Hoyerswerda, Bürgerbü-ro DIE LINKE, D.-Bonhoeffer-Straße 4 im November Zur aktuellen Situation von MigrantInnnen in Sachsen mit Anna Pietak-Malinowska, Ausländerbeauftragte des Kreises Bautzen und Freya-Maria Klinger, Mitglied des Sächsischen Landtages

Sächsische LINKE startet migrationspolitische Aktionstage

Forderungen * Wahlfreiheit beim Ein-kauf! Statt Pakete - Bar-geld

* Selbstbestimmtes Wohnen! Abbau der Wohnheimunterbrin-gung * Bewegungsfreiheit! Abschaffung der Resi-denzpflicht in Sachsen und darüber hinaus * Politische Rechte! Aus-bau der Selbstvertre-tung

Page 12: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 12Sachsens Linke! 10/2010

Bitte nehmen Sie Platz 2.0 Neonazis wollen am 16. Oktober in Leipzig gleich mit drei Demonstrationen auftrumpfenDie Leipziger Neonazis haben für den 16. Oktober drei De-monstrationen angemeldet. Damit wollen sie offensicht-lich ihr Ziel, gegenüber den zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Zusam-menhängen, vor allem aber dem Staat Vergeltung zu üben, endlich erreichen. 3.000 Men-schen hatten verhindert, dass die fast 1.400 Neonazis mar-schieren konnten. Eine fest stehende Blockade zog den Demonstrationsstart derart in die Länge, dass bei einzelnen Teilnehmenden die Sicherun-gen durchbrannten. Der An-griff der Polizei aus Reihen der im Grossteil im »Autonomen-Nationalisten«-Style erschie-nenen Nazis war schlussend-lich Anlass für die Auflösung der Versammlung durch die Polizei.In Leipzig eine Großdemons-tration durchzusetzen, sollte den kometenhaften Aufstieg der »Freien Kräfte Leipzig« (FKL), heute im Internet unter »Aktionsbündnis Leipzig« fir-mierend, krönen. Seit 2007 haben sie sich mit-tels Propaganda-Aktionen, Demonstrationen, gezielte In-tervention ins Fußballmilieu und Einschüchterungs- und Gewaltaktionen insbesonde-re gegen alternative Jugend-liche in Leipzig fest etabliert. Die anfängliche Distanz zur NPD ist inzwischen einer fes-ten Kooperation gewichen, und mehr noch: die parteiei-gene Jugendorganisation Jun-ge Nationaldemokraten wird von den ehemals »Freien« do-miniert, Vorsitzender der JN Sachsen ist gar der Leipziger »Freie Kräfte«-Protagonist

Tommy Naumann. Der zweite Name der Leipziger Neonazis – Istvan Repaczki – steht auf der Gehaltsliste der sächsi-schen NPD-Landtagsfraktion. Beide fungieren am 16. Okto-ber in Leipzig als Demonstra-tionsanmelder. Hinzu kommt Maik Scheffler, Stadtrat in De-litzsch und Landesorganisa-tionsleiter der NPD in Sach-sen, der als Konstrukteur des »Freien Kräfte«-Netzwerkes und der dazugehörigen Inter-netplattform »Freies Netz« gilt, die für die beteiligten Strukturen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen als Haupt-Kommunikations-, Mo-bilisierungs- und Propaganda-Instrument fungiert. Dem Scheitern der unter dem Motto »Recht auf Zukunft« lau-fenden Demonstration am 17. Oktober 2009 folgte ein gro-ßes Wundenlecken. Außer-dem gingen die Nazis vor Ge-

richt: am Verwaltungsgericht Leipzig ist eine Feststellungs-fortsetzungklage gegen Stadt Leipzig und Land Sachsen an-hängig, mit der die Rechts-widrigkeit des nicht erfolgten Verbotes der Aktionen des »Bündnis 17.10.« (das die Pro-teste gegen den Aufmarsch initiiert und koordiniert hatte) nachträglich und höchstoffizi-ell bestätigt werden soll. Dieses Bündnis, inzwischen in »Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz« umbenannt, hat sich angesichts der neuerli-chen Demoanmeldungen neu zusammengefunden. Ziellinie ist, die Nazis mittels gewalt-freier Widersetz-Aktionen gar nicht erst loslaufen zu lassen. Dass es diesmal gleich um drei Veranstaltungen gehen soll, schreckt das breit aufge-stellte Bündnis nicht ab. Durch den Erfolg des Vorjahres, aber auch erfolgreiche zivilgesell-

schaftliche Blockaden von Nazi-Demonstrationen z.B. in Dresden am 13. Februar sind weitaus mehr Menschen, Initi-ativen und Organisationen be-reit, sich aktiv zu beteiligen. Mit den drei Demonstrationen greifen die Leipziger Neonazis eine strategische Empfehlung von Christian Worch auf, der nach dem Februar-Debakel in Dresden empfahl Sternmär-sche durchzuführen, um zivil-gesellschaftliche Blockaden zu spalten und damit zu ver-unmöglichen. Es darf aber be-zweifelt werden, dass es die Nazis in Leipzig schaffen, drei gleichzeitig stattfindende Auf-märsche auf die Beine zu be-kommen. Vielmehr handelt es sich um ein Vorfeld-Muskel-Spiel, mit dem Staat und Nazi-gegnerInnen in die Irre geführt werden sollen. Die inhaltli-chen Aufrufe zu den Demons-trationen stellen ein einziges

Wehklagen über die vor einem Jahr erlebte staatliche Repres-sion und »Polizeiwillkür«, über Individualisierung und die Ver-drängung des »Volksgemein-schaftsgedankens« dar. Am 16. Oktober wird »Leipzig« – hoffentlich mithilfe zahlrei-cher Unterstützender von au-ßerhalb – also wieder »Platz nehmen«. »Wir selbst sind ver-antwortlich für die Stadt und die Gesellschaft, in der wir leben. Bei aller Unterschied-lichkeit unserer politischen Ansichten verbindet uns die Entschlossenheit, den er-starkenden Neonazi-Struk-turen unsere Überzeugung, unseren Mut und Verstand, unsere Gemeinsamkeit und Vielfalt entgegenzusetzen«, lädt der Aufruf des Aktions-netzwerkes zum Mittun ein. www.leipzig-nimmt-platz.de Juliane Nagel

Bundesparteitag der NPD in Schlema geplant

Als »bezeichnend für den in-nerparteilichen Machtan-spruch des sächsischen NPD-Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel«, sieht es Kerstin Köditz, Sprecherin der für antifaschis-tische Politik der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Land-tag an, dass der Bundespartei-

tag der NPD, der über die fak-tische Eingliederung der DVU entscheiden soll, in Sachsen stattfinden soll. Der Bundesparteitag der NPD ist für 6. November in Bad Schlema angekündigt.Auch wenn die Stärkung der NPD nach Mitgliederzahlen und Aktivisten durch diesen Schritt eher marginal sein dürfte, fällt doch der Umstand gravierend ins Gewicht, dass mit dem Anschluss der DVU die finanzielle Handlungsfä-

higkeit der NPD weiter ver-bessert werden dürfte. »Die-se Entwicklung unterstreicht einmal mehr, dass die Aussa-gen der sächsischen Behör-den zum Zustand der extremen Rechten verharmlosend sind,« erläutert Köditz. Bisher hat die Gemeinde Bad Schlema die Öffentlichkeit noch nicht über das Ansinnen der NPD unterrichtet. Sie will zur Verhinderung des Partei-tages in kommunalen Räum-lichkeiten auf Methoden orien-

tiert, die in ihrer Wirksamkeit fragwürdig sind. Köditz sieht hier eine »Mitverantwortung der Staatsregierung, die wie-der einmal eine Kommune mit diesem Problem im Regen ste-hen lässt«, und verweist auf die Notwendigkeit von Aktionen gegen den Parteitag, die über einen symbolischen Protest hinausgehen. Das Beispiel der Stadt Bamberg, wo der letz-te Bundesparteitag der NPD stattfand, zeigt, dass es vom »Fest der Demokratie« bis zur

Demonstration viele Möglich-keiten gibt, den Neonazis zu zeigen, dass sie vor Ort nicht willkommen sind. Wir werden solche Aktionen nach Kräften unterstützen. Von der Gemeinde Bad Schle-ma erwarte ich, dass sie in die-ser Richtung nunmehr umge-hend aktiv wird und vor allem die Öffentlichkeit umfassend informiert.

Nicht willkommen

Die Nazis sollen - wie hier am 13. Februar in Dresden - auch in Leipzig gestoppt werden.

Page 13: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 13 10/2010 Sachsens Linke!

Zwei Wochenenden hin-tereinander fanden in Ber-lin Demonstrationen statt: am 11.09. zum fünften Ma-le »Freiheit statt Angst«, eine Demo, die sich gegen Über-wachungsstaat und Daten-speicherungswut richtet, am 18.09.10 die Großdemo gegen die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke.Die erste betraf unmittelbar das Grundrecht auf informa-tionelle Selbstbestimmung, doch waren nur ca. 7.500 ge-kommen, Tendenz rückläufig. Das sind weniger als DIE LIN-KE in Berlin Mitglieder hat. Die scheinbare Annahme des Problems durch die Regierung

lullt wohl Manchen ein. 127 Organisationen und viele Ein-zelunterstützerInnen aus Po-litik, Kunst und Medien hat-ten in diesem Jahr aufgerufen. Darunter Grüne, SPD, LINKE, FDP, Piratenpartei, Ärztever-einigungen und Gewerkschaf-ten. Diese Demo hatte am En-de ein Finanzloch von 8.000 €, gerade so viel wie vier führen-de Funktionäre der LINKEN monatlich zusätzlich zu den Bundestags-Diäten von der Partei bekommen. Die mona-telang von Berufspolitikern (!) vorbereitete Datenschutzkon-ferenz der LINKEN am Vortage war eine Insiderveranstaltung mit nicht mal 20 Teilnehmern.

Die zweite Demo traf den Nerv der BürgerInnen stärker, von 100.000 wurde berichtet. Ein breites Bündnis aus Umwelt-verbänden, Bürgerinitiativen, Parteien und Gewerkschaften hatte aufgerufen.Hier wurde unmittelbar deut-lich, dass die Regierung nicht nur schleichend das eine oder andere Grundrecht un-tergräbt, was mancher nicht wahrhaben will oder nicht bemerkt, sondern dass sie gewillt ist, auch gesetzlich bereits geregelte Gefahren-eindämmung zum Schutz von Grundrechten (hier Grund-recht auf gesundes Leben) im Interesse von Konzernen wie-

der zurückzunehmen. Damit wird Verlässlichkeit in der Poli-tik aufgegeben, das freie Spiel der Kräfte an der Macht wird purer käuflicher Lobbyismus. Die FDP – die »Grundrechte-partei« – war bei dieser Demo nicht zu finden.Hegemonie ist letztlich das, was sich in parlamentarisch-gesetzgeberischen Akten durchsetzt und von der ge-samten Staatsbürokratie um-gesetzt wird. Hegemonie in der Gesellschaft, auf der Stra-ße muss entweder in parla-mentarische Gesetzgebung eingehen oder aber diese Re-präsentativorgane wegfegen und neue, demokratischere

an ihre Stelle setzen. Solan-ge das nicht passiert, wird die Hegemonie der Parteienolig-archie im Parlamentsbetrieb fortdauern, Minderheitsinte-ressen dominieren weiter ge-sellschaftliche Mehrheiten. Hegemonie hat solange nichts mit Mehrheit zu tun. Das Prob-lem von stabilen gesellschaft-lichen Bündnissen über Par-teien hinaus ist ungelöst. Mit taktischen Parteienbündnis-sen ist es nicht zu lösen. DIE LINKE muss hier noch viel lernen, war sie doch selber gemessen an der Zahl ihrer Mitglieder in den Demonst-rationen deutlich unterreprä-sentiert. Ralf Becker

Demonstrationen und Hegemonie

Beim bewusstem Durchle-sen des Programmentwurfs, Punkt IV »Linke Reformpro-jekte, Unterpunkt 2. Demo-kratisierung der Gesellschaft« kamen mir mehr kritische Fra-gen als Zustimmung. An den Fremdworten und den vie-len wissenschaftlich klingen-den Wortkombinationen so-wie einer »abgehobenen« Ausdrucksweise stoße ich mich immer wieder. Leichtfer-tig und meist ohne Erklärung steht im Entwurf an verschie-denen Stellen … müssen oder wollen wir »verbessern«, »wei-ter ausbauen« oder »weiter entwickeln«. Das setzt doch

voraus, dass schon etwas da ist!Wenn es im Entwurf heißt: »DIE LINKE will demokrati-sche Kontrolle und Mitbestim-mung … in den Massenmedi-en, in Bildung … ausbauen« frage ich, worin besteht denn die angeblich vorhandene aber noch nicht genügende demokratische Kontrolle und Mitbestimmung in den Mas-senmedien, in Bildung …? Ist es nicht vielmehr so, dass die gemeinten Massenmedien als Herrschaftsorgane zur »Ein-schläferung« und »Verdum-mung« des Volkes, also zur Machterhaltung des Kapitals

missbraucht werden? Versu-che von kritischem Journalis-mus werden immer weiter zu-rück gedrängt. Sendezeiten oder Beiträge werden gekürzt oder gestrichen, kritische Fil-me werden, wenn überhaupt in das Spät- oder Nachtpro-gramm gesetzt und in politi-schen »Unterhaltungssendun-gen« können Lobbyisten und Vertreter der Herrschenden - also des Kapitals - als »un-abhängige« Fachleute die Zu-schauer »berieseln«.Welche Rechte haben denn die Parteienvertreter im Rund-funkrat hinsichtlich der Pro-grammgestaltung? Oder ist es

dort so wie bei den Gremien von Schulträgern: Über Finan-zen kann diskutiert werden, über inhaltliche und organi-satorische Abläufe nicht! Die Vertreter der Gesellschaft (Parteien, Gewerkschaften) in Aufsichtsräten oder Unter-suchungsausschüssen sind nicht berechtigt, sich mit ih-ren entsendenden Gremien zu beraten. Teilweise werden Ihnen wichtige Informationen bewusst vorenthalten. Warum fordern wir nicht, dass alle Ab-geordneten ihren Wählern ver-pflichtet sein müssen.Im Programmentwurf steht: »Der Rechtsstaat muss sozi-

al werden«. Ja haben wir denn schon einen? »Heut ist die Be-dingung einer lebendigen De-mokratie, dass Gleichheit vor dem Gesetz gesichert ist, ma-teriell nicht erfüllt« - nur ma-teriell nicht? Wurde der Zu-sammenhang zwischen Geld - Macht - Gesetz und Recht »vergessen«? Zu jedem Un-terabschnitt sind Einwände angebracht. Dafür fehlt hier der Platz. Ich kann nur hof-fen, dass ein 2. Entwurf bes-ser wird.Peter Jattke

Zum Programmentwurf: Mehr Kritik als Lob

Mehr als 4500 Menschen pro-testierten am 29. September vor dem Sächsischen Landtag gegen die Streichorgien der Sächsischen Staatsregierung. »Schwarz-Gelb zerstört die In-vestitionskraft der Kommu-nen – so sollen die Landkreise im Jahr 2012 nur noch 14 Cent pro Einwohner vom Freistaat für Investitionen bekommen. Schwarz-Gelb tut nichts gegen den drohenden Lehrermangel und streicht das kostenfreie Vorschuljahr – so sieht keine zukunftsorientierte Bildungs-politik aus,« sagte André Hahn. Die Attraktivität des öffentli-chen Dienstes für qualifizierten Nachwuchs wird durch die Ge-haltskürzung in Form der Strei-chung der »Sonderzahlung« bei Beamten und Überlegungen, dies auf alle Landesbedienste-ten auszuweiten, aufs Spiel ge-setzt. Eine Industriepolitik, die diesen Namen verdient, findet nicht statt – Sachsen steht bei der Produktivität auf dem letz-ten Platz aller Bundesländer.

Aktionstag am 29. September

Page 14: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 14Sachsens Linke! 10/2010

Zur Verstaatlichung der EnergiekonzerneWir wollen weg von der Mo-nopolisierung in der Energie-wirtschaft, das ist richtig und notwendig. Aber Staatsbe-triebe sind dafür überhaupt keine Garantie. Schon des-halb scheint mir diese For-derung zu kurz gegriffen. ADELE spricht sich hier eher für Kommunalisierung bzw. Rekommunalisierung sowie für Dezentralisierung aus. In einer Gesellschaft, deren Strom aus dem Mix erneuer-baren Energien erzeugt wird, braucht es keine Energierie-sen mehr, sondern kleiner fle-xiblerer und vernetzter Ener-gieerzeuger. Energiekonzerne stehen einer solchen Entwick-

lung eher im Wege.Auch hier ist die Frage, wie soll das gehen? Unser Programm soll 15 bis 20 Jahre gelten. Al-so in diesem Zeitfenster müss-te das passieren. Aber wie, wenn z. B. im Osten Vattenfall, ein schwedisches Staatsun-ternehmen, der Energieerzeu-ger ist? Auch der Netzbetrei-ber, die 50 Hertz Transmission GmbH besteht aus 60 Pro-zent belgischem (ELIAS) und 40 Prozent aus australischem Kapital (IFM). Wie also ver-staatlichen oder auch kommu-nalisieren? Welche Wege füh-ren uns sicher zum Ziel? Wo kommt das Geld für die Ent-schädigung her, oder mit wel-chen ökonomischen Modellen wollen wir das erreichen?Im Kampf um gesellschaftli-che Mehrheiten braucht DIE

LINKE nicht nur plausible Zie-le, sondern eine Mehrheit

muss auch die Wege dahin un-terstützen. Wir brauchen die

Einheit von Weg und Ziel.Hans-Georg Trost

Am 1. September 2010 luden die Volkshochschule Chem-nitz, die Friedrich-Ebert-Stif-tung und der DGB im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe »KONTROVERS - Arbeit, Wirt-schaft und Soziales auf dem Prüfstand« zu einem Vortrag des Buchautors Albrecht Mül-ler zum Thema »Meinungsma-che« ins Chemnitzer Kultur-kaufhaus Tietz ein.Albrecht Müller war, vor seiner derzeitigen Tätigkeit als Autor und Betreiber der kritischen Internetseite »NachDenkSei-ten«, u.a. Wahlkampfleiter von Willy Brandt, Chef der Pla-nungsabteilung des Bundes-kanzleramtes und langjähri-ger Bundestagsabgeordneter für die SPD, was ihn nicht da-von abhält den, v.a. unter Ger-hard Schröder eingeschla-genen, Kurs seiner Partei in

seinen Veröffentlichungen scharf zu kritisieren.Sein aktuelles Werk, zu des-sen Thesen er auf der Veran-staltung referierte, trägt den Titel »Meinungsmache: Wie Wirtschaft, Politik und Medi-en uns das Denken abgewöh-nen wollen«. Durch die Er-fahrungen aus seiner eignen politischen Laufbahn habe Müller erkannt, dass die öf-fentliche, oder genauer: die veröffentlichte Meinung, po-litische Entscheidungen maß-geblich bestimmt. Nun muss diese veröffentlichte Meinung jedoch nicht mit der Mehr-heitsmeinung der Bevölke-rung übereinstimmen, denn, so Müller: Meinung kann man machen. Indem sich finanz-kräftige Lobbyinteressen im medialen Mainstream mit ge-ballter publizistischer Macht

durchsetzen, werden politi-sche Entscheidungen zu ih-ren Gunsten beeinflusst so-wie die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung in ihrem Sinne manipuliert, was eine Gleich-schaltung des Denkens in Orwell schen Ausmaßen zur Folge habe. Müller verdeut-lichte dies an vielen Beispie-len, so z.B. an der Debatte um die Rente mit 67, der da-mit zusammenhängende Pro-pagierung von privater, kapi-talgedeckter Altersvorsorge oder der Bankenrettung auf den Höhepunkt der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise. Sein Fazit: Die Politik ist weit-gehend in den Händen der Fi-nanzwirtschaft. In der anschließenden Diskus-sion reagierte Müller auf den Einwurf des Moderators, dies alles erinnere doch stark an

Verschwörungstheorien, mit der Entgegnung, dass kein noch so ausgebuffter Ver-schwörungstheoretiker sich eine solch enge Verknüpfung von politischer, wirtschaft-licher und medialer Macht, wie sie im derzeitigen gesell-schaftlichen System existie-re, einfach ausdenken könne. Bei der Frage eines Zuhörers, wie, seiner Meinung nach, denn so ein manipulierendes System noch verändert wer-den könne, verwies Müller auf die Notwendigkeit von Aufklä-rung in Form der Schaffung ei-ner Gegenöffentlichkeit, z.B. im Internet, um die Glaub-würdigkeit der »Meinungsma-cher« zumindest partiell zu un-tergraben. Weiterhin mahnte er an, dass diese Aufklärung Hand in Hand mit der Mobili-sierung von Protestaktionen,

beginnend auf lokaler Ebene, gehen müsse, wobei er die aktuellen Proteste gegen das Projekt Stuttgart21 als positi-ves Beispiel anführte. Gegen 21 Uhr ging ein interessanter, wenn auch für regelmäßige NachDenkSeiten-Leser nicht viel Neues bietender, Abend zu Ende. Man muss Albrecht Müllers Argumentation nicht in allen Punkten teilen, um an-zuerkennen, dass die Aufklä-rungsarbeit, die er mit Vorträ-gen, seinen Büchern und den NachDenkSeiten leistet, ei-nen wichtigen Beitrag auf den Weg zur Schaffung einer sol-chen Gegenöffentlichkeit dar-stellt, die sich wohltuend vom neoliberalen Einheitsbrei des medialen Mainstreams ab-hebt.Nico Zimmermann

Wider dem neoliberalen, medialen Einheitsbrei

Wie soll das gehen?

Nach der Veröffentlichung des Programmetwurfs diskutier-ten die Genossinnen und Ge-nossen der Basisgruppe Ost/Zentrum in Werdau schon eini-ge der Schwerpunkte. Für un-sere Septemberveranstaltung hatten wir die Bundestags-abgeordnete Sabine Zimmer-mann – sie ist Mitglied unserer Basisgruppe – als Referentin zum aktuellen Thema Spar-programm gewinnen können, die uns mit Zahlen und Fakten belegt, dass das von der Re-gierung konzipierte Sparpro-gramm einem Generalangriff gegen die Grundfesten des So-zialstaates gleichkommt.Von dem im Sparprogramm

vorgesehenen 32 Mrd. Euro Einsparungen werden allein 16 Mrd. Euro aus dem Bereich So-ziales rekrutiert. Das betrifft Arbeitslose, Hartz IV-Empfän-ger, aber auch Kürzungen bei Reha-Maßnahmen, bei Heiz-kostenzuschuss und Kinder-geld sowie den Wegfall von Zuschüssen zum Rentenbei-trag. Manches, was erst in den vergangenen Jahren zur Un-terstützung der sozial Schwa-chen eingeführt wurde, fällt heute schon wieder dem Rot-stift zum Opfer. Auf der anderen Seite werden die Verursacher der Krise ge-schont, Milliardäre und Millio-näre nicht zur Kasse gebeten.

Die Milliarden Mehrwertsteu-ersenkungen für das Hotel- und Gaststättengewerbe wer-den nicht zurückgeholt. Der Unterschied zwischen Arm und Reich in Deutschland wird noch größer.Auf der Grundlage der Ausfüh-rungen von Sabine entwickel-te sich eine offene und sachli-che Diskussion. Einen breiten Rahmen nahm die Frage ein, warum wir als Linke nicht stär-ker von der Krise in den etab-lierten Parteien, dem sozialen Kahlschlag und dem Frust der Menschen profitieren können. Warum kommen unsere Argu-mente bei den Bürgern nicht an?

Einig waren sich alle, dass wir die Ursachen für unsere man-gelnde Zustimmung nicht nach außen schieben können, son-dern bei uns selbst anfangen müssen. Wer die Ursachen bei den Medien sucht, verkennt die Tatsache – es war schon immer so.Mehrheitlich wurde die Auf-fassung geteilt, dass größe-re Fortschritte deshalb noch nicht erreicht wurden, weil es den Linken noch nicht ge-lungen ist, an die PDS als die Partei der »Kümmerer« anzu-knüpfen. Linke Projekte an der Basis, das Kümmern um die sozial Schwachen, kommen nicht mehr wie in der Vergan-

genheit zum Tragen. Es wurde der Eindruck bekräftigt, dass der Kampf um gut bezahlte Posten in unserer Partei schon einen zu großen Stellenwert eingenommen hat.Einig waren sich alle: Der Ge-neralangriff der Regierung auf den sozialen Standard muss abgewendet werden. Deshalb sollten wir uns alle im kom-menden Zeitraum an den Ak-tionen der Gewerkschaft und der Sozialverbände beteiligen.Um wieder stärker in die poli-tische Offensive zu kommen, wird unsere Basisgruppe eine Briefkastenaktion mit zentra-len Materialien in die Wege lei-ten. Peter Siegel, Werdau

Im Dialog mit Sabine Zimmermann

Programmkonvent in Erlangen am 18. September 2010

Page 15: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 15 10/2010 Sachsens Linke!

Interview mit Sabine Zim-mermann, Bundestagsab-geordnete aus Zwickau und arbeitsmarktpolitische Spre-cherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag und Vorsitzen-de der DGB-Region Südwest-sachsen zu den Protesten unter Schwarz Gelb und Pers-pektive für DIE LINKE.

Monatelang schien Schwarz-Gelb zerstritten, nun will die Regierung ein hartes Sparpaket durch-setzen. Wie beurteilst du diese Entwicklung?Merkel hat einen Herbst der Entscheidungen angekündigt. Das betrifft ja nicht nur das Sparpaket, sondern z.B. auch die Rente ab 67 oder die Lauf-zeiten der Atomkraftwerke. Siet Regierungsbeginn ist der Unmut aus der Wirtschaft über ihre Wunschkoalition ziem-lich gewachsen. Insofern ist die Schwarz-Gelbe Regierung jetzt in der Bringepflicht. Das dürfte wohl auch den Grund sein, dass wir es gemessen am Volumen mit dem größten Sparpaket in der Geschich-te der Bundesrepublik zu tun haben. Nun ist die Frage, was wir dagegen in die Waagschale werfen können.

Opposition, Gewerkschaf-ten und Sozialverbände wettern gegen das Sparpa-ket. Was ist an Widerstand zu erwarten?Zunächst einmal muss man sehen: die Bundesregierung geht strategisch sehr überlegt vor. Sie will fast ausschließ-lich bei den Erwerbslosen kür-zen. Das können wir nicht hin-nehmen. Meiner Ansicht nach zieht sie ins Kalkül, so die Ge-werkschaften nicht zu sehr herauszufordern, in denen ja überwiegend Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer organi-siert sind. Wenn aber die Kür-zungen ohne nennenswerten Widerstand durchgehen, wird sich Schwarz-Gelb ermutigt sehen, auch die organisier-te Arbeitnehmerschaft anzu-greifen. Deswegen ist wichtig, dass man sich nicht spalten lässt und dass es breiten Wi-derstand gibt. Das müsste zu-mindest der Anspruch der Lin-ken sein.

Was ist nun konkret an Mo-bilisierung zu erwarten?Es gibt viele symbolische Ak-tionen wie etwa die öffentli-chen Bankenbesetzungen von attac und anderen. Es gibt de-zentrale Protesttage von lo-

kalen Bündnissen, die oft von Gewerkschaften unterstützt werden. Letztere führen auch Aktionen in den Betrieben durch. Auch wir als Partei ha-ben ja eine eigene Kampagne gestartet.Wie groß das alles wird und wie wirkungsvoll, ist schwer zu sagen. Jeder kann dazu ei-nen wichtigen Beitrag leisten und sich in die Mobilisierung einbringen. Ich sehe es erst mal so: wir stehen am Anfang und sollten nicht nur bis zum Monat November denken, in dem die Bundesregierung das Sparpaket verabschieden will. Die Krise und ihre Folgen sind längst noch nicht ausgestan-den. Es geht darum eine neue Protestkultur aufzubauen, denn es wird noch einiges auf uns zu kommen. Wir brauchen einen langen Atem.

Betrifft das auch die Pro-teste gegen die Kürzungen der schwarz-gelben Staats-regierung in Dresden?Absolut. Die drastischen Ein-schnitte in den Bereichen Bil-dung, Kultur und Soziales, die die Regierung Tillich plant, sind nicht mit einer Protest-aktion zu verhindern. Der Ak-tionstag am 29. September

in Dresden kann nur der Auf-takt für weitere Aktivitäten ge-wesen sein. Sehr ermutigend war die rege Teilnahme aus vielen Bereichen, die sonst eher selten auf Demonstrati-onen vertreten sind wie etwa Jugendeinrichtungen, Schu-len. Wir haben in Sachsen das sehr breite Bündnis »Zukunft und Zusammenhalt«. Dieses umfasst Wohlfahrtsverbände, Studierende und viele mehr, natürlich auch den DGB. Nun sind zwei Großdemonstratio-nen in Dresden am 3. Novem-ber geplant. Weitere Infor-mationen zu den Aktivitäten des Bündnisses gibt es unter: www.zukunftundzusammen-halt.de.

Stichwort Gewerkschaf-ten: Wie gut sind sie deiner Ansicht nach aufgestellt?Nicht so wie es eigentlich nö-tig wäre. Aber die Lage ist ja sehr unterschiedlich. Anders als in einigen Ländern Europas gab es in Deutschland wäh-rend der Krise ja nicht gera-de größere gewerkschaftliche Aktionen. Man kann nicht von heute auf morgen erwarten, dass sich dies ändert. Es ist ja auch nicht so, dass die Mobi-lisierung nur davon abhängt,

ob der Gewerkschaftsvorstand das beschließt. Die Gewerk-schaft muss ja vor Ort in den Betrieben und Verwaltungen auch stark genug sein und ak-tive Mitglieder haben.Ich hoffe, wir kommen wieder stärker in die Offensive. Eine wichtige Rolle spielen für mich dabei auch die jetzigen Ausei-nandersetzungen in der Stahl-branche. Dort will die IG Me-tall für Leiharbeiter erstmals das Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« durchset-zen. Ein Erfolg hier hätte große Ausstrahlungskraft.Wir als LINKE sollten aber uns selbst an die eigene Nase fas-sen, bei uns läuft ja auch nicht alles perfekt.

Wie geht es denn mit unse-rer Partei weiter?Die Frage ist doch, wer am konsequentesten und mit den besten Argumenten gegen die schwarz-gelbe Politik streitet. Nicht ratsam wäre es, auf ge-meinsame Aktionen mit Grü-nen und SPD zu verzichten. Es wäre aber auch falsch, einfach zu sagen: Es muss jetzt ein Bündnis geben. Das würde die Widersprüchlichkeit der Grü-nen und SPD verkennen und unsere Unterschiede zu ihnen.

»Wir brauchen einen langen Atem«

Es ist Sonntag, 26.09.2010 21.00 Uhr. Alles ist vorbei. Der Kandidat der Wählervereini-gung Klartext Torsten Pötzsch hat das Rennen gemacht. Ich habe ihm gerade telefonisch zu seinem Sieg gratuliert. Der noch OB Hartwig Rauh (Ein-zelkandidat und Freier Wäh-ler) ist klar geschlagen und ich noch klarer. Ich bin Uwe Bück-lein, Oberbürgermeisterkan-didat der Linken.Alle auf der Wahlparty waren sich einig, dass wir und ich uns tapfer geschlagen haben und den speziellen Weißwasser-aner Bedingungen Tribut zol-len mussten. Der Wahlkampf der beiden Erstplazierten hat sich im Laufe der Zeit so zu-gespitzt, dass sich Weißwas-ser in zwei Lager gespalten hat, die mit mehr oder minder harten Bandagen aufeinander losgingen und sich in erster Li-nie mit vergangenen Verfeh-lungen des jeweils anderen Kandidaten zu Punkten. Dies und eine wahre Medien-, Fly-er- und Plakatschlacht ließen die Fakten nahezu vollständig in den Hintergrund treten. Die

Vergangenheit war wichtiger als die Zukunft.Der Einzelkandidaten Danilo Herrmann und Jens Greiner, beides sympathische und en-gagierte Geschäftsleute blie-ben genauso auf der Strecke wie der, durch die SPD un-terstützte Kandidat der CDU Bernhard Waldau und auch ich. Jens Greiner und Bern-hard Waldau zogen nach dem ersten Wahlgang zurück. Jens Greiner ohne Votum, die CDU unterstützte Torsten Pötzsch, die SPD wollte dann keinen mehr unterstützen. Einer aus den Reihen der SPD (Finanz-bürgermeister Krause) schlug sich auf die Seite von Hartwig Rauh. Was noch disziplinäre Konsequenzen nach sich zie-hen dürfte.Wir müssen zur Kenntnis neh-men, dass die Parteien in die-sem Wahlkampf eher eine un-tergeordnete Rolle spielten, was meines Erachtens nicht nur auf die besondere Situa-tion in Weißwasser zurückzu-führen ist, sondern auch auf die Tatsache, dass Einzelkan-didaten und Wählergemein-

schaften mit ihrer parteipo-litischer Unabhängigkeit auf kommunaler Ebene warben und dies offensichtlich von den Wählern als Pluspunkt an-gesehene wurde. Der Gewin-ner wurde durch die örtlichen Geschäftsleute massiv unter-stützt.Die Auswertung der OB Wahl und die notwendigen Schluss-folgerungen daraus werden uns sicherlich nicht nur in der

Stadtratsfraktion und dem Stadtvorstand beschäftigen, sonder auch Wirkung auf die übergeordneten Parteistruk-turen haben. Meine vorläufige Schlussfolgerung lautet: »Wir müssen professioneller wer-den.« Wie das auszusehen hat wird uns noch eine ganze Zeit beschäftigen. Meine Genossinnen du Ge-nossen, die diesen Wahlkampf organisiert und durchgeführt

haben verdienen meinen Res-pekt und meine Anerkennung. Vielen Herzlichen Dank an Al-le.Gleiches gilt für die Wählerin-nen und Wähler, die mir das Ihr Vertrauen geschenkt und mich gewählt haben. Lasst uns gemeinsam weiter für un-sere Überzeugung streiten. Nach der Wahl ist vor der Wahl.Uwe Bücklein

Wahlnachlese Weißwasser

Page 16: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 16Sachsens Linke! 10/2010

Die Bundesregierung sieht ta-tenlos zu, wie Sachsen vom Fernverkehr abgehängt wird. Die Folgen tragen die Bürge-rinnen und Bürger: Die Reise-zeiten verlängern sich durch überdurchschnittliche Zug-verspätungen, nicht angefah-rene Bahnhöfe und erzwunge-nes Umsteigen.Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Als ich vor zehn Jahren von Berlin nach Dres-den gezogen bin, betrug die Fahrzeit 1 Stunde 50 Minuten. Heute dauert die Fahrt 2 Stun-den 20 Minuten. Hinzu kommt die Zeit, die ich vom Bahnhof Neustadt zum Hauptbahnhof brauche. Denn am Neustädter Bahnhof hält der IC nur noch zweimal täglich. Zu der oh-nehin verlängerten Reisezeit kommen zahllose Verspätun-gen. Mit unter 80 Prozent liegt die Pünktlichkeit auf der Stre-cke Dresden-Berlin deutlich unter dem Durchschnitt. Eine zeitgemäße Verbindung zwi-schen Landes- und Bundes-hauptstadt sieht anders aus. Die Fahrzeiten sind länger als vor dem Zweiten Weltkrieg. – 1936 benötigte ein Schnellzug

auf der Strecke 1 Stunde 40 Minuten.Deshalb habe ich eine Klei-ne Anfrage meiner Fraktion initiiert. Aus der Antwort der Bundesregierung geht hervor: Die Zukunft des sächsischen Fernverkehrs bleibt ungewiss. Für wichtige Projekte wie den Ausbau der Strecke Dresden-Berlin gibt es keine konkrete Zeitplanung. Der ICE-Halt in Riesa wird nur für den laufen-den Fahrplan garantiert. Und obwohl die Strecke Dresden-Prag international längst be-schlossen ist, verzögert die Bundesregierung den notwen-digen Ausbau durch erneu-te Prüfungen. Die Gestaltung der Fernverkehrsanbindung von Chemnitz liegt ebenfalls weiter im Dunkeln. Leipzig ist dauerhaft von verschlechter-ten Taktzeiten, zusätzlichen Umstiegen und verlängerten Fahrzeiten betroffen.Damit beweist die Bundesre-gierung erneut ihre Ignoranz gegenüber ostdeutschen Me-tropolen. Dabei ist der Nach-holbedarf in der Fernverkehrs-anbindung sächsischer Städte enorm: Seit Jahren sind über-

füllte Züge für Fahrgäste, die etwa regelmäßig zwischen Dresden und Berlin pendeln, frustrierende Realität. Des-sen ungeachtet stagnieren die Bundesmittel auf niedrigem Niveau: 2000 sind noch knapp 11 Prozent aller Bundesmittel, die für den Ausbau von Schie-nenwegen vorgesehen sind, nach Sachsen geflossen. Seit 2006 sind es nur noch 5 Pro-zent! Das wird dem enormen Ausbaubedarf nicht gerecht. Verschärft wird die Situation durch den Spardruck, den die

schwarz-gelbe Bundesregie-rung auf die Länder ausübt. Die schwarz-gelbe Landesre-gierung wiederum reicht den Spardruck an die Verkehrsun-ternehmen weiter. Ergebnis ist das Ausdünnen der Regio-nalverbindungen.DIE LINKE fordert die Bundes-regierung auf, ihrer verkehrs-politischen Verantwortung nachzukommen. Es ist ver-antwortungslos, die Fernver-kehrsanbindung von Städten allein unter Marktgesichts-punkten der zu entscheiden.

Es dürfen nicht Städte und Regionen und damit Men-schen, die dort leben, auf das schwarz-gelbe Abstellgleis gestellt werden. Stattdessen muss die Bundesregierung im öffentlichen Interesse auf die Geschäftspolitik der Bahn Ein-fluss nehmen. Ziel muss sein, die Mobilität für alle zu sichern und den öffentlichen Verkehr zu stärken.Caren Lay, Bundesgeschäfts-führerin der Partei DIE LINKE und verbraucherpolitische Spre-cherin der Fraktion

In der Kreiskonferenz der Lin-ken in Meißen sagte Monika Runge, dass wir nicht einfach das Modell der Grünen über-nehmen. Wir konnten die eige-nen linken Positionen in ihren Ausführungen aber nicht ent-decken. Darum stellen wir die Frage: wem nutzt das, wenn wir als LINKE das neoliberale Geschäfts- und Ideologiemo-dell vom »menschengemach-ten Klimawandel« eins zu eins übernehmen? Trotz seiner Massenwirksamkeit hält die-se Verteufelung des Kohlen-dioxid und damit der Industrie einer exakten Prüfung nicht stand. Zumindest drei Annah-men stimmen nicht:1. Die Behauptung, dass »CO

2

Klimakiller Nummer 1 ist«, ist falsch. Das ist thermodyna-misch unmöglich, weil der derzeitige Anteil von 380 ppm CO

2 in der Atmosphäre die

verschwindende Minderheit von 380 Molekülen auf 1 Mil-lion Luftmoleküle bedeutet. Hinzu kommt: von den jähr-lich auf der Erde emittierten 800 Gigatonnen CO

2 stam-

men nur 30 Gigatonnen, also 3 Prozent, vom Menschen. Der Anteil Deutschlands hie-ran ist 3,1 Prozent, womit Deutschland 0,0004 Prozent des CO

2 der Luft beeinflußt.

Zur Senkung dieser »Riesen-menge« werden derzeit jähr-

lich 50 Mrd. Euro ausgegeben, damit die Monopole gut daran verdienen. Temperaturan- und -abstie-ge im Gleichgewichtsbereich zwischen 12 und 22 Grad Cel-sius sind in der Entwicklung der Erde etwas Normales. Braun- und Steinkohlewälder sind entstanden und zu Kohle geworden, eben weil für Milli-onen Jahre der CO

2-Gehalt bis

über 5000 ppm anstieg. Ganz ohne »Hitzekollaps«. Die heutige Erwärmung der Atmosphäre um 1 Grad Celsi-us seit 1870 ist 1998 zum Still-stand gekommen. »Sie macht eine Pause«, sagt Herr Latif und seit 2003 gibt es eine Ab-kühlung. Aus zeitlichen Gründen: »ein CO

2-Anstieg ist nicht Ursache,

sondern Folge der Erwärmung von Ozeanen und Boden (Aus-gasung). Die zeitliche Verzö-gerung beträgt zwischen 500 und 1500 Jahre“, so das Alf-red Wegener Institut Bremer-haven. Sonne plus Wasser gleich Kli-ma – war und ist die Kurzfor-mel für das Klima, weil Was-serdampf mit 90 Prozent Anteil an allen Klimagasen der irdische Klimafaktor Nummer 1 ist. Die Sonne ist der entschei-dende Energiespender und Klimamacher. Die schiefe Erd-

achse, die eliptische Erdbahn und die unterschiedliche Son-nenaktivität verursachen die Spannbreite der Temperatu-ren von – 50 Grad Celsius an den Polen und + 50 Grad in den Wüsten, trotz fast glei-cher CO

2 -Gehalte. »Globales

Klima«, »Globaltemperatur«, »globalen Meeresspiegel« gibt es nur in Computermodellen. In der Realität gibt es die sta-bilen Klimazonen polar, ge-mäßigt, subtropisch und tro-pisch. Worauf soll sich da ein »Zwei-Grad-Ziel« beziehen? Auf Berlin mit 9 Grad Durch-schnittstemperatur oder Rom mit 15 Grad? Schließlich: CO

2 ist das Le-

benselixier! Nur mit dieser Gas-Phase des Kohlenstoffs sind die Pflanzen imstande, mit Hilfe des Sonnenlichts Traubenzucker als Grundbau-stein des Lebens herstellen. In holländischen Gewächs-häusern danken die Tomaten die zusätzliche CO

2-Begasung

mit höheren Erträgen. 2. Die Vollversorgung mit elektrischer Energie durch die »Erneuerbaren« ist nicht mög-lich. Weil sie unfähig sind, die Grundlast zu sichern, sind sie auf Dauer nur Ergänzung und nicht Ersatz. Von den 8760 Stunden eines Jahres decken die Windräder nur 1600 Voll-laststunden ab und die Pho-

tovoltaikzellen nur 800 und das zeitlich völlig zufällig. Die den »Rest« liefernden Kohle- und Kernkraftwerke sichern 90 Prozent der zwingend not-wendigen Grundlast. Sie lau-fen ständig mit und springen ein, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Sie sparen damit auch kein CO

2. Noch keines konnte ab-

geschaltet werden. Die enormen Kosten tragen wir alle über unseren Strom-preis, der sich dank EEG seit 1998 von 17 ct auf 24ct/KWh steigerte, auf den höchsten in Europa. Doppelt so hoch wie der in Frankreich. Beim »Wind-kraftweltmeister Deutsch-land« ist darum die Alumini-umindustrie abgewandert und beim »Vize« Spanien die Ze-mentindustrie. Toll sozial für die betroffenen Arbeiter. Die neuen Arbeitsplätze sind bei der Windindustrie mit 75.000 Euro und bei Photovoltaik mit 150.000 Euro subventioniert und kosten die doppelte Zahl an Arbeitsplätzen in den her-kömmlichen Industrien. Die-se »Erneuerbaren« nützen nur der Gewinnmaximierung der neuen Industrie und der großen und Bank-, Versiche-rungs- und Stromkonzerne, die jetzt auch in die Offshore-technik und das Saharapro-jekt einsteigen.

3. Auch die These »Die Er-schöpfung der fossilen Res-sourcen verlangt möglichst raschen Umstieg auf die Er-neuerbaren« ist falsch. Die Vorräte reichen entgegen den ideologisch motivierten Be-hauptungen noch Jahrhunder-te, bei Kohle über 1000 Jah-re. Woher Monika Runge ihre Erkenntnis nimmt, dass 2013 der Peak Oil erreicht sei, ist uns unerfindlich. Wirtschaft-lichkeit und Versorgungssi-cherheit sind viel wesentlicher für eine soziale Politik. Wir meinen: selbstverständlich sind Umweltschutz und ökolo-gisches Umsteuern dringend notwendig, aber ob »Klima-schutz« überhaupt möglich ist, ist für uns eine offene Frage. Es gibt ganz andere wichtige Aufgaben: Kampf gegen Hun-ger und Trinkwassermangel, wirklichen Umweltschutz, Er-halt der Regenwälder und Verminderung der Bodenver-siegelung usw. Der einfache Nachbau Grün, ohne die wis-senschaftlichen Grundlagen zu hinterfragen hat zur Folge, dass alle Irrtümer und Radi-kalismen einer industriefeind-lichen und auch unsozialen Ideologie und Politik mitge-gangen werden, fernab jeden marxistischen Denkens.Dr. Michael Röhner/Dr. Ecke-hard Franz

Linkes Energiekonzept hinterfragt

Bundesregierung hält Sachsen auf dem Abstellgleis

Page 17: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 17 10/2010 Sachsens Linke!

Die Gesamtmitgliederver-sammlung der Landesar-beitsgemeinschaft (LAG) betrieb&gewerkschaft fand am 19. September 2010 im Haus der Begegnung in Dres-den statt. 29 von 138 Mitglie-der waren anwesend, die Ver-sammlung beschlussfähig.Iris Kloppich, Vorsitzende des DGB Bezirks Sachsen, eröff-nete das Treffen mit einem Einstiegsreferat. In diesem in-

formierte Sie über die Aufga-benstellung des DGB. Weiter-hin wurde im Anschluss die zukünftige Zusammenarbeit des DGB mit der LAG disku-tiert.Nach der Mittagspause wur-den die Delegierten zur Bun-deskonferenz der Bundes-AG betrieb&gewerkschaft, die am 16.-17. Oktober 2010 in Ber-lin stattfindet, sowie ein neu-er SprecherInnenrat gewählt.

Auf der Bundeskonferenz wird die LAG durch Gabriele Eichner, Petra Mißbach, Anja Oehm und durch Andreas El-ze, Mike Lätzsch und Thomas Netzer vertreten. In den neu gewählten Spreche-rInnenrat wurden Cornelia Fal-ken, Anja Oehm, Sabine Zim-mermann, Heinz Hoffmann, Torsten Steidten und Klaus Ti-schendorf gewählt. Die Mit-glieder des neuen Sprecherin-

nenrates sind unter anderem im Deutschen Bundestag (Sa-bine Zimmermann), im Sächsi-schen Landtag (Cornelia Fal-ken und Klaus Tischendorf) sowie in der IG Metall (Heinz Hoffmann ist Gewerkschafts-sekretär) und in der Bildungs-gewerkschaft GEW (Torsten Steidten) vertreten. Eine in-teressante Mischung, die si-cherlich bei der Lösung der Aufgaben der LAG hilfreich ist.

Vorliegende Anträge wurden ebenfalls behandelt. So un-terstützt die LAG die Anträge der AG Leipzig zur Beschluss-kontrolle und Einführung einer Satzung. Weiterhin mobilisiert die LAG zu den Protesten ge-gen die geplanten Naziauf-märsche am 16. Oktober in Leipzig. Jens Thöricht, Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft betrieb&gewerkschaft Sachsen

Die achte Sitzung des Landes-vorstandes fand am 24. Sep-tember 2010 in Dresden statt. Über 17 Punkte standen auf der Tagesordnung. So wurde eine Arbeitsgemeinschaft 13. Februar 2011 eingerichtet, die zum Ziel hat, die Aktivitäten der LINKEN mit dem Bündnis »Dresden–nazifrei« und ande-ren Akteuren zu koordinieren. Denn auch am 13. und 19. Fe-bruar 2011 werden wir den geplanten Naziaufmarsch in Dresden verhindern. Wie ihr euch sicher denken könnt, en-gagiere ich mich in dieser AG. Dass DIE LINKE ihre Ge-noss_innen und Sympathi-sant_innen für den 16. Okto-ber 2010 nach Leipzig zu den Gegenprotesten gegen meh-rere nazistische Demons-trationen mobilisiert, wur-den ebenso beschlossen. Informiert wurde über den Stand der Protestaktionen gegen die Spar- nein besser »Streichpolitik« der Landes-regierung am 29. September. Ein weiterer Protesttag wird am 3. November stattfinden. Der Landesparteitag wurde für den 13. November einbe-rufen, ein Vorschlag der Ta-gesordnung beschlossen und der Leitantrag Entwurf »Eck-punkte zur Energiestrategie der LINKEN. Sachsen – für ein zukunftsfähiges Energiepro-gramm Sachsen 2020« vom Landesvorstand übernom-men. Der eintägige Parteitag wird in Schkeuditz stattfin-den.Zum Schluss möchte ich Euch darum bitten, mit eure Fragen, Anregung und Wünsche mit-zuteilen, damit ich mich dafür im Landesvorstand einsetzen kann. Ihr erreicht mich un-ter 03583/586017 und unter [email protected].

Jens ThörichtMitglied des Landesvorstandes

Wie gewohnt finden sich alle Beschlüsse und Informationen aus dieser Sitzung im Internet in der Dokumentendatenbank unter www.dielinke-sachsen.de.

Am 11. und 12. September traf sich der Bundesausschuss der Partei DIE LINKE erstmals zu einer zweitägigen Beratung. Die Tagesordnung war an die-sem Wochenende etwas dich-ter als sonst. Neben der Dis-kussion aktueller politischer Fragen standen als Schwer-punkte die Wahl der Delegier-ten für die Europäische Linke (EL), die Wahl der Vorschläge für den Vorstand der EL, die Diskussion um das Konzept zur Herstellung von Geschlechter-gerechtigkeit in der LINKEN sowie vielfältige Anträge auf dem Programm. Ein großer Dank gilt den Verfasserinnen des Konzeptes zur Herstellung von Geschlechtergerechtig-keit. Das Papier macht in er-schreckender Klarheit deut-lich, dass selbst wir als Partei ein riesiges Defizit in dieser Frage haben. Nach intensiver Diskussion haben wir elf Punk-te beschlossen, welche uns als Bundesausschuss im Zu-sammenhang mit der Herstel-lung von Geschlechtergerech-tigkeit besonders wichtig sind. Wir lehnen jede Aufweichung

der Mindestquotierung in un-serer Partei ab, wir erwarten von den Bereichen politische Bildung und Parteientwicklung der Bundesgeschäftsstelle die Implementierung der Ziele die-ses Konzeptes und wir fordern eine regelmäßig Evaluation bei der Umsetzung des Konzeptes ein. Bei der Wahl der Delegier-ten für die EL konnten wir als Sachsen leider nur die medail-lenlosen Plätze erreichen: Jule Nagel aus Leipzig und Stathis Soudias aus Dresden wur-den als ErsatzkandidatInnen gewählt. Herzlichen Glück-wunsch! Ein politischer Tief-punkt war dann jedoch die Wahl unserer Vorschläge für den Vorstand der EL. In den vergangenen Jahren wurden wir darin von Christiane Rei-mann und Helmut Scholz ver-treten. Beide Personen woll-ten dies auch in Zukunft tun und weitere Kandidaturen la-gen auch nicht vor. In der Vor-stellungsrunde jedoch »miss-brauchte« Christiane Reimann ihre Rede dafür, die eigene Kandidatur zurückzuziehen

und mit längerer Begründung an ihrer statt Claudia Haydt (Baden-Würtemberg) vorzu-schlagen. Im nächsten Zug schlug Wolfgang Gehrke den Bundestagsabgeordneten Die-ter Dehm (Niedersachsen) als Kandidaten vor, welcher die Wahl gegen Helmut Scholz (Brandenburg) im Anschluss knapp gewann. Auf der Inter-netseite der Sozialistischen Linken konnte man in der Fol-ge nachlesen, dass dies auf einer Absprache beruhte. Oh-ne Vorankündigung wurde an diesem Tag mit Helmut Scholz einer der Väter der Europäi-schen Linken abgewählt, der immer mit großer Kompetenz und enormer Umsicht diese Aufgabe für uns als PDS bzw. als LINKE wahrgenommen hat. Ich halte eine solche Art und Weise des Umgangs miteinan-der für im höchsten Maße un-anständig. Viele Anträge, welche vom Rostocker Parteitag an den Bundesausschuss überwiesen wurden, behandelten die Fra-gen von Satzungsänderungen. Diese haben wir an die bereits

arbeitende Satzungskommis-sion weitergereicht. Anträge, welche sich mit Vorschlägen zum Umgang mit Hauptamt-lichkeit bzw. Ehrenamtlichkeit von Parteiämtern beschäftig-ten, wurden an die Arbeitsgrup-pe überwiesen, welche sich mit der Thematik auseinanderset-zen soll und inzwischen vom Parteivorstand beschlossen wurde. In dieser Arbeitsgrup-pe wird auf unser Drängen hin auch ein Mitglied des Präsidi-ums des Bundesausschusses mitwirken. Der Parteivorstand wurde auf dieser Beratung von der Bundesgeschäftsführerin Caren Lay vertreten, welche auch die Aktivitäten unserer Partei zum Heißen Herbst und zur Gesundheitskampagne er-läuterte – diese erhielten dann auch die Unterstützung des Bundesausschusses. Als sehr angenehm empfand ich, dass Caren Lay ausdrücklich für eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Bundesausschuss und Parteivorstand warb. Falk Neubert, Mitglied des Präsidiums des Bundesaus-schusses

Erster Bundesausschuss Volles Programm

Neues aus der LAG betrieb&gewerkschaft

Am 21. September trafen sich die Landtagsfraktion der LINKEN, die Landesgruppe Sachsen der LINKEN im Bundestag und die sächsische Eu-ropaabgeordnete der LINKEN zu einer gemeinsamen Beratung im Dresdner Landtag. Das ist unser Beitrag zur Kommunikationskampagne der Staatskanzlei zu 20 Jahren friedlicher Revolution und deutscher Einheit.

Page 18: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 18Sachsens Linke! 10/2010

Am Freitag den 7. August ka-men trotz des Regens 28 Per-sonen an das Jugendhaus E-Werk. Dort feierte der Orts-verband Oschatz der Partei DIE LINKE sein alljährliches Sommerfest. Bei Getränken und Grillwürstchen unterhiel-ten wir uns über das Thema Gesundheit und Schulpolitik. Kerstin Lauterbach war von der Linksfraktion im säch-sischen Landtag angereist. Ein Höhepunkt war die Ein-weihung des neu renovierten Büros des Ortsverbandes. David Himmer

Erkenntnisse eines Besuches der LINKEN bei der Landes-gartenschau in Aschersleben

»Denn es ist besser, mit eige-nen Augen zu sehen als mit fremden.« Martin Luther

Wohl auch aus diesem Grunde und natürlich auch aus Neu-gierde besuchte der Land-tagsabgeordnete Thomas Kind gemeinsam mit Vertre-tern der LINKEN im Delitz-scher Stadtrat die Landes-gartenschau in Aschersleben, Sachsen Anhalt. Dabei stellten die Teilnehmer fest, dass nicht nur die Parkan-lagen der Stadt durch die Aus-

stellung aufgewertet wurden, sondern die Stadt allgemein an Ausstrahlung gewann. So wur-de der grüne Innenstadtring - der nicht mit zur eigentlichen Gartenschau gehört - mit vie-len Spielplätzen und Bepflan-zungen bestückt, die nicht we-nige Besucher zum Verweilen anregten und auch dazu, ei-nen Blick in die Ascherslebe-ner Altstadt zu werfen. Das Gelände der Garten-schau beeindruckte durch die Vielseitigkeit und gute Übersichtlichkeit der Ausstel-lungsflächen – zudem gab es Anregungen für die mögliche Umgestaltung von Flächen Delitzsch.

Der Höhepunkt des Besuches war das Gespräch mit Vertre-tern der LINKEN im Aschers-lebener Stadtrat und mit dem Aufsichtsrat der Gartenschau GmbH. Hier gab es neben Hinweisen und Tipps, Informationen zum Planungsablauf der Ausstel-lungsflächen und über die Kos-ten der Ausstellung. Natürlich wurde auch über die Nachnut-zung der errichteten Gebäude und Bepflanzungen gespro-chen. Letzten Endes waren die LINKEN-Vertreter überzeugt, dass Dehlitzsch alles daran setzen sollte 2015 die Landes-gartenschau ausrichten. Heike Haase

Delitzsch braucht eine Landesgartenschau

Nordsächsischer Landtagsabgordneter Thomas Kind veranstaltet Sozialforum

Blitzlicht aus dem Eilenburger Parteileben I

Bürgerforum zur Gesundheitspolitik in EilenburgWie brisant das Thema Ge-sundheitspolitik ist, konnten am 8. September die Teilneh-mer am gesundheitspoliti-schen Bürgerforum der Linken in Eilenburg miterleben.Circa 30 Eilenburger, darunter auch etliche Bürger, die nicht unserer Partei angehören, be-teiligten sich konstruktiv an der Diskussion. Die medizini-sche Versorgung im Altkreis Delitzsch und in der Stadt Ei-lenburg standen dabei im Mit-telpunkt. Und obwohl die Si-tuation in Eilenburg noch im unteren Mittelfeld angesie-delt ist, also noch nicht prekär, wurden die Finger auf die wun-den Punkte gelegt.Wie schwer, langwierig und kräfteraubend es ist, einen Termin beim ortsansässigen Augenarzt oder bei einem Or-thopäden zu bekommen, war ebenso Diskussionspunkt, wie das Aufzeigen von Hintergrün-den der gegenwärtigen miss-lichen Lage. Nicht gespart wurde aber auch mit Beispie-len und Wegen, um Lösungen herbeizuführen. Lösungen, die vor Ort praktikabel sind, aber auch Lösungen, die in die Lan-des- und Bundespolitik der Linken reichen. Als Stichwort sei hier nur die Bürgerversi-cherung genannt.Kerstin Lauterbach, gesund-

heitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im sächsi-schen Landtag, war nicht nur Gast, sondern der ´Eilenbur-ger Tradition folgend auch Diskussionsleiterin unserer Veranstaltung. Sie stellte die Ergebnisse der Fragebogenak-tion unserer Partei vor und be-antwortete Frage.Mitunter war sie überrascht, dass sie sich als Diskussions-leiterin zurücklehnen konn-te, weil selbst beim Austausch kontroverser Meinungen die Diskussion recht fruchtbar verlief.Aussichten. Die Linke in Eilen-burg wird Erkenntnisse und Anregungen aus dem Bürger-forum als Grundlage nehmen, um im nächsten Frühjahr eine weiterführende Beschäftigung mit dem Themenschwerpunkt Gesundheitspolitik auch unter kommunalpolitischen Aspek-ten fortzusetzen.An dieser Stelle möchten wir uns bei Kerstin Lauterbach und allen, die bei der Fragebo-genaktion mitgeholfen haben, bedanken. Dank gilt auch den Bürgern Ei-lenburgs, die den Weg zu uns gefunden haben.

Gerd Lehmann, Ortsvorsitzender DIE LINKE Eilenburg

Sommerfest und Büro-einweihung in Oschatz

»LINKER Kuchen« zum Schwimmen für Demokratie und ToleranzEilenburger LINKE spen-den Schwimmverein Ba-sar-Erlös

Am 24. August schwamm man unter dem Motto »Schwim-men für Demokratie und Tole-ranz - ich bin dabei« zeitgleich in Eilenburg und Oschatz. Der Eilenburger Ortsverband Die Linke - unterstützt vom Orts-verband Bad Düben – präsen-tierte sich als einzige Partei

mit einem Infostand.Gut kam der von den Genos-sInnen selbstgebackenen Ku-chen an. Der Erlös ging an den die Schwimmverantstal-tung ausrichtenden Eilen-burger Schwimmverein. Der nächste „Kuchen-Mai-le“ wird es nächstes Jahr zum 1. Mai geben.Gerd Lehmann,

Am 15. September besuch-te Thomas Kind mehrere Or-te des Kreises Nordsachsen um sich dort mit interessier-ten Bürgern und Genossen beiderlei Geschlechts der Ortsverbände zu treffen. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Folgen der unso-zialen Sparpläne der Landes-regierung. Auftakt bildete neun Uhr ein Bürgerfrühstück im Delitz-scher Wahlkreisbüro kombi-niert mit einer Ausstellungs-eröffnung. Gezeigt wurden Bilder von Kindern, die ihre Ideen zum Thema „Die Welt ist bunt nicht braun“ auf Lein-wand gebracht hatten. Der Laußiger Verein „Catbamella“ hatte diese in einer Malaktion von Kindern und Jugendlichen anfertigen lassen. Anschließend besuchte Kind

die Orte Zschortau, Schkeu-ditz, Taucha, Eilenburg, Oschatz, Dahlen, Torgau und Bad Düben um sich vor Ort im Gespräch mit den Genossin-nen und Sympathisantinnen ein Bild von der aktuellen Lage zu machen.Mit einer besonderen Veran-staltung sollte der Wahlkreis-tag in der Gemeinde Laußig ausklingen. Thomas Kind ver-anstaltete dort ein Sozialfo-rum mit dem Ortsverband Bad Düben. Allerdings war das Fo-rum in der kleinen 400-See-len-Gemeine Althausen nicht besonders gut besucht was aber den engagierten Land-tagsabgeordneten nicht davon abhalten wird, weitere Sozial-foren zu organisieren.David Himmer

Page 19: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 19 10/2010 Sachsens Linke!

Bärbel Bohley war andersAuszug aus Ihrer letzten Rede veröffentlicht auf der Homepage der Bürgerrechtlerin

Anlässlich des 20. Jahresta-ges des Jubiläums der Grün-dung des Neuen Forums ver-fasste Bärbel Bohley einen Text, der die Bürgerrechtlerin, die untrennbar mit der Wende von 1989 verbunden bleibt, in einem anderen Licht erschei-nen lässt – Bärbel Bohley war mehr eine Anti-SED, Anti-Gy-si Streiterin. Anders als ihre Weggefährten ließ sie sich von keiner Partei vereinnahmen und blieb ihren Idealen treu – eine Linke war sie sicher nicht. Aber doch eine Frau, die Prob-leme in jeder Gesellschaft er-kannte und anprangerte. Das machte sie in der DDR unbe-quem und das führte dazu, dass sie wenige Jahre nach der Wende ins selbst gewählte »Exil« nach Bosnien-Herzego-wina ging um humanitäre Pro-jekte zu unterstützen. Hier ein Auszug aus dem Text der Bür-gerrechtlerin aus Anlass ihres Todes. Sie starb am 11. Sep-tember im Alter von 65 Jahren. Möge er dazu beitragen dass auch Linke in ihrer ehemaligen Gegnerin eine Frau sehen, die - wenn auch mit anderen Mit-teln - die gleichen Missstände beseitigen wollte und die bis zu ihrem letzten Atemzug un-bequem blieb. Respekt auch vor dem politischen Gegner sollte uns leiten im Umgang mit Andersdenkenden. Hören wir nun noch einmal was Bär-bel Bohley uns zu sagen hat: »Nachdem ich zwölf Jahre vor allem in Bosnien und Kroati-en gelebt und gearbeitet hat-te, kam ich im vergangenen Jahr nach Deutschland zu-rück. Mein erster Eindruck war: ein Tollhaus! Was aus der Ferne halbwegs geordnet aussah, erschien aus der Nä-he nur noch absurd und chao-tisch. Die öffentliche Debatte ist noch flacher als Mitte der 90er Jahre. Alle Nachrichten, obwohl sie sich gegenseitig an Neuigkeitswert übertref-fen, scheinen von der Realität längst überholt zu sein. Tief-gründige Analysen haben Sel-tenheitswert. Die Medien-sprache ist hektisch, übereilt und fahrig geworden. Wichti-ger als das, was gesagt wird, scheint zu sein, wie es ge-sagt wird. Als hätte, wer am schnellsten spricht, sich am

genauesten mit dem Thema auseinandergesetzt.…1989 war kein Jahr null für die Menschheitsgeschichte, auch wenn das einige Zeit so emp-funden wurde. Jeder Einzel-ne und jede Gesellschaft ha-ben ihre Vergangenheit mit in die Zukunft genommen und beurteilen die Gegen-wart mit den Maßstäben von gestern. Auf diese Weise blo-ckieren wir eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Hier und Heute. Während al-

le Beteiligten ihre Vorurtei-le pflegen, zieht die Gegen-wart mit ihren Problemen an uns vorbei. Öffentliche Ver-gleiche von Missständen in der DDR und Fehlentwicklun-gen im Gesamtdeutschland werden selbst zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung als unerhörte Provo-kation aufgefasst. Sie werden deshalb meist von vornher-ein unterlassen, ob-wohl sich eine Bezug-nahme oft aufdrängt. Die vom Neuen Forum in der DDR ein-geklagte Kommunikation zwi-schen Staat und Gesellschaft ist auch heute gestört. Statt-dessen führen wir fruchtlo-se Dauerdebatten über The-men, die mehr der Ablenkung als der Erkenntnis dienen. Die mannigfaltigsten, angeblich gleich bedeutungsvollen The-men wälzen sich, alles platt machend, durch die Medien-landschaft. Gestern war es die Pflegeversicherung, heu-te sind es die Lebensmitteli-mitationen. Ist es so schwer, ein Gesetz zu verabschieden, das verbietet, Lebensmittel ir-reführend zu beschriften? Wo Käse draufsteht, muss auch Käse drin sein. Eine Kampagne folgt der nächsten. Steuerhin-terziehung, Kinderpornogra-fie, Waffenbesitz, Finanzkrise,

Wirtschaftskrise, Schweine-grippe, Atommüllentsorgung, Klimaschutz, Walfangquoten, Wahlen – alles Kampagnen, die die Probleme eher verwi-schen, als greifbar machen.Wir kennen das ja bereits, denn wir haben vierzig Jahre von Kampagne zu Kampagne gelebt. Jetzt haben sie andere Inhalte und werden ganzjäh-rig von Talkshows rund um die Uhr begleitet – bis auch der letzte Zuschauer eingeschla-fen ist.Im Halbdämmer nehmen wir

noch wahr, dass wir jetzt am Hindukusch unsere Freiheit verteidigen sollen. Aus unse-ren Träumen wurden Albträu-me. Wie nah waren wir ihr, als in Dessau Arbeiter Gewehre auf Schienen legten und die Straßenbahn darüberfahren ließen! Jetzt sind deutsche Sol-

daten seit sieben Jahren in Af-ghanistan. Glauben wir, dass wir es besser machen als die Russen? Erfolg hätten wir bei der Zivilbevölkerung gehabt, wenn wir, nachdem die Waf-fen zum Schweigen gebracht wurden, großzügig Aufbauhil-fe geleistet und nach abseh-barer Zeit das Land verlassen hätten. »Hilfe zur Selbsthilfe« ist der Schlüssel, um das Ver-trauen jeder Zivilbevölkerung zu gewinnen. Arbeit, Brot und ein Dach über dem Kopf – das sind die Voraussetzungen, um die Gesellschaft zu zivilisie-ren. Diesen Prozess aber müs-sen die Völker letztendlich selbst gestalten. Sie wissen, woher sie kommen und wo-hin sie gehen wollen. An uns liegt es, zu sagen: So, jetzt nehmt euer Schicksal in eure Hände! Wir wollen euch hel-

fen, aber wir wissen nicht al-les besser, und wir können es nicht besser als ihr, es ist eu-er Land, eure Geschichte, eu-re Kultur. Tragt ein Kopftuch, wenn ihr wollt, aber geht in die Schule. Inzwischen sind wir für die Afghanen auch Teil ei-ner Besatzerarmee geworden, die von Hilfe für die demokra-tischen Kräfte spricht, aber ei-gentlich schon in einem Krieg steht, der auch die Zivilbevöl-kerung trifft.Wie schwierig es ist, in kriegs-gebeutelten Regionen stabi-

le Systeme aufzubauen, habe ich in Bosnien gesehen. Die Aufgaben sind komplex und schier unendlich. In vierzehn Jahren ist es der Internatio-nalen Gemeinschaft nicht ge-lungen, in dieser gegenüber Afghanistan winzigen Region, die zumal politisch, wirtschaft-

lich und kulturell viel enger mit Westeu-ropa verbunden ist, die Probleme zu lö-sen. Das müssen die Bosnier ebenso wie

die Afghanen selbst tun. Wenn wir als schwer bewaffnete Besserwisser mit einer dicken Brieftasche kommen, um »die Demokratie« aufzubauen, er-reichen wir einzig das Ge-genteil. Wir sind keine Helfer mehr, sondern nur Dummköp-fe, die nicht merken, dass sie denen in die Hände spielen, die in diesen Ländern eben-falls auf Waffen und Geld set-zen. Die Menschen auf der Straße aber beobachten die Verbrüderung der Macht mit der Macht und werden sich vor Einmischung hüten, um nicht zerrieben zu werden.Die Demokratiebewegung des Herbstes 89 ist für mich wie ein Baum. Den Boden hat-ten schon andere vor uns be-ackert. Wir haben den Samen in die Erde gelegt. Er wuchs durch die rastlose Teilnahme

von Hunderttausenden sehr schnell in den Himmel. Aber bevor er tiefe Wurzeln fassen konnte, wurde der gigantische Baum durch den Ansturm der Notwendigkeiten gefällt. Nicht alles Holz ist verrottet, aber es sind nur wenige Balken aus dem Baum geschnitten und in dem Haus »wiedervereinig-tes Deutschland« verbaut wor-den. Angeblich war das west-liche Gebäude, in das letzten Endes der Osten eingezogen ist, sehr stabil, bestens aus-staffiert, es war bezugsfertig. Erst nach zwanzig Jahren sieht man seine dunklen Kammern, brüchigen Keller und zu vie-le verbaute Zimmer, in denen sich manches angesammelt hat, das auf den Müllhaufen der Geschichte gehört. Auch hier sind gewaltige Umbau-maßnahmen nötig, um es für die nächsten Generationen le-benswert zu halten.Die Revolution von 1989 wird heute gern zum Anlass ge-nommen, die verschiedens-ten Festreden zu halten. Aber das Verhältnis der politischen Klasse zu den Menschen auf der Straße ist im Wesentlichen unberührt geblieben von den weltbewegenden Ereignissen. Das Volk und die Vertreter des politischen Systems begeg-nen sich nicht auf Augenhöhe. Immer noch denkt man – oder schon wieder –, dass die auf der Straße nur Schafe sind, die sich mehr für grüne Wie-sen und saftige Butterblumen interessieren als für die Prob-leme der Globalisierung und die Hintergründe von Gewalt, Herrschaft und Macht.Wir haben alles getan, was wir damals tun konnten. Wir ha-ben es mit Hingabe getan. Mit Empathie für die Menschen – für Freund und Feind. Wir ha-ben nicht nach Vergeltung ge-schrieen, nicht die Stimmung angeheizt, und alles ist fried-lich geblieben. Aus der Situa-tion haben die wenigsten von uns persönliche Vorteile gezo-gen. Wir sind auf die Weltbüh-ne der Geschichte katapultiert worden und haben sie verän-dert. Sicher hätte man alles besser machen können. Ich denke aber, wir müssen uns für unser Handeln nicht schä-men. Wir haben dem Glauben, dass man die Welt gewaltfrei ändern kann, Zuversicht und Gewissheit gegeben. Dass nach siebzehn Jahren der Kampf gegen das Bombodrom in Brandenburg und Mecklen-burg-Vorpommern zuguns-ten der Bürgerinitiative »Freie Heide« entschieden wurde, scheint mir ein hoffnungsvol-les Augenzwinkern der Ge-schichte zu sein.

»Tragt ein Kopftuch, wenn ihr wollt, aber geht in die Schule.«

Page 20: Sachsens Linke! 10/2010

Seite 20Sachsens Linke! 10/2010

Das Buch »Der Warschau-er Ghettokönig« setzte sich langsam in der Öffentlichkeit durch, dabei ist es der nächs-te Teil – ein weiterer wird von Jahns bereits angekündigt - ei-ner vor drei Jahren intensiv be-gonnenen Enthüllung, die an berühmte Beispiele erinnert. Friedrich Schillers Ballade »Die Kraniche des Ibykus« ist ein vielzitiertes Beispiel dafür, wie Kunst im gesellschaftspo-litischen Bereich zur Gerech-tigkeit verhelfen kann. Die Mörder des Ibykus entlarven sich während des Gesangs der Rachegöttinnen, der Erinnyen, und lassen die Bühne zum Tri-bunal werden; in Schillers Bal-lade setzt sich irdische Ge-rechtigkeit durch. Nun ist das Beispiel, um das es hier geht, nicht von dieser mythischen Gewalt und Größe, aber die Verbrechen, um die es geht, sind ebenso entsetzlich und verabscheuungswürdig und von größerem Ausmaß.Es begann alles sehr beiläu-fig. Als 2008 die 93-jährige Lisl Urban den ersten Band ih-rer Autobiografie »Ein ganz ge-wöhnliches Leben« im Dings-da-Verlag von Joachim Jahns veröffentlichte, war das kei-ne literarische Sensation. Der keineswegs verunglimpfte,

sondern eher sympathisch ge-schilderte Liebhaber, der den fiktiven Namen Eike erhielt, strengte gegen das Buch ei-nen Prozess an, da es ihn als SS-Hauptsturmführer vor-führte. Nun wurden Buch und Fall berühmt, die Medien nah-men sich des Vorgangs an, »Eikes« Vergangenheit wurde publik und der Streit eskalier-te. Erich Steidtmann, wie der Kläger hieß, sah sich in seiner Ehre als »deutscher Offizier« angegriffen, als anständiger Deutscher wollte er das Buch zivilrechtlich verbieten lassen und verlangte Schmerzens-geld; er bestritt die Mitglied-schaft in der SS. Um im Pro-zess bestehen zu können, sich zu verteidigen und den Verlag vor einer Niederlage zu be-wahren, die seinen Untergang bedeutet hätte, begann Jahns in mehreren Ländern zu re-cherchieren, um die Angaben der Autobiografie Lisl Urbans, die inzwischen verstorben ist, zu bestätigen. Ausgelöst von einer keines-wegs literarisch auffälligen Autobiografie erfolgte die auf-wändige Recherche des Jo-achim Jahns. Ihre Ergebnis-se waren das neue Buch von Joachim Jahns und ein neuer Name auf der Liste der noch

lebenden Nazi-Kriegsverbre-cher: Das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles nahm Erich Steidtmann unter die zehn wichtigsten noch leben-den Nazi-Kriegsverbrecher auf. Damit haben nicht nur die Recherchen von Jahns ein be-eindruckendes Ergebnis, son-dern die Vergangenheit, die Streidtmann vehement leug-nete, hat ihn eingeholt. Wie weit es eine späte Gerech-tigkeit geben wird, hängt von den Ermittlungen ab, denn Streidtmann, der nach dem Krieg zuerst in Merseburg, ab Ende 1951 in Essen als Poli-zist Dienst tat, ist Jahrgang 1914. Nach Hannover war er aus »politischen« Gründen umgesiedelt. Er wird gewusst haben, warum, denn frühe-re Ermittlungen wurden we-gen »geringer Schuld« und schlechter Beweislage einge-stellt; man kannte die Ergeb-nisse von Joachim Jahns noch nicht. Allerdings hatten Zeu-genaussagen auf Verbrechen gedeutet, die Jahns Steidt-mann zuschreibt. Nun steht Jahns‘ Name als Rechercheur in den Presseerklärungen des Simon-Wiesenthal-Zentrums zum Fall Erich Steidtmann. Das neue Buch ist im Zusam-menhang mit den Recherchen

zum Warschauer Ghetto, an dessen Liquidierung Steidt-mann beteiligt gewesen sein soll, ein wichtiges, erschüt-terndes Dokument. Das ers-te Kapitel »Die Klage« muss der Leser jedoch genau zur Kenntnis nehmen, um die Zu-sammenhänge im Blick zu behalten, denn über den Re-cherchen nach Steidtmann ist Jahns der rote Faden verloren gegangen. Hat man anfangs den Eindruck, es wird plan-mäßig nach Beweisen für die Taten Steidtmanns gesucht, der Belastungsmomente un-absichtlich in Gesprächen mit Jahns lieferte, so löst sich die konzeptionelle Anlage durch die Aufnahme anderer Figuren auf. Dafür erscheint eine Kon-trastfigur zu ihm: Der Fotograf eines Bildes, auf dem Jahns Steidtmann erkannt hat, Franz Konrad, verschiebt die Relati-onen und wird zum »Ghetto-könig«. Konrad wurde 1952 in Warschau hingerichtet. Jahns findet bei seinen Recher-chen Details, die ihn verführ-ten, diesem Konrad menschli-che Züge zu geben, muss aber einschätzen, dass Konrad ge-scheitert sei. Konrad leitete die »Werterfassung« im Ghet-to – das zurückgelassene jü-dische Eigentum der abtrans-

portierten Menschen. Dabei bedeutete dessen Einsatz für Juden nichts anderes als die Umsetzung der ihm gestellten Aufgabe, alle Werte für die Na-zis zu sichern und dafür billige Arbeitskräfte zu nutzen. Diese Verschiebung des Bildes von Konrad ist nur zu verstehen, wenn man das Bild Steidt-manns dagegenhält, der nie für seine Verbrechen bestraft wurde. Oder die anderen Fäl-le, die Jahns beschreibt, wie den des SS-Standartenfüh-rers Kurt Becher, der nach 1945 nie angeklagt wurde, sich in Bremen niederließ, Fir-men gründete und 1995 »als sehr reicher Mann« starb, oder den des Obersten in der Luftwaffe Goerings Steinhoff, der es zum Viersternegeneral der Bundeswehr brachte.Rüdiger Bernhardt

Joachim Jahns: Der Warschauer Ghettokönig. Dingsda-Verlag Querfurt, 232 S., 24,90 Euro

Prof. Dr. Rüdiger Bernhardt wirk-te viele Jahre in Halle als ordent-licher Professor für Literatur der DDR und publizierte Arbeiten zu Bertolt Brecht, Volker Braun, Peter Hacks, Anna Seghers und Erwin Strittmatter.

Die Macht der Literatur

Every 100 years: Arlo Guthrie & Wenzel liveGut‘ Ding will Weile haben: Plötzlich erklingt im Radio auf MDR-Figaro »Ninety Mi-le Wind /Neunzig Meilen Or-kan« gesungen von Arlo Gu-thrie und dem renommierten ostdeutschen Liedermacher Hans-Eckart Wenzel. Welch‘ eine Überraschung: Die Auf-zeichnung des Live-Konzerts der beiden Stars gegeben vor vier Jahren auf der Wartburg erschien nun also doch noch auf CD!Nun ist die »Wenzel-Gemein-de« in Sachsen nicht gerade klein – unvergessen sind sei-ne regelmäßigen Auftritte im Garten des Cafe Saite in Dres-den beim alljährlichen Fest im Hechtviertel, doch tritt er er auch nach wie vor mitten in Plattenbausiedlungen auf wie im Club Passage in Dres-den-Gorbitz. Wenzels Musik - hintergründig, leicht schlitz-ohrig, manchmal verspielt, im-

mer wieder mit Balladen vol-ler Tiefgang – begleitet mich schon seit über 20 Jahren. Da ihm gleich nach der Wen-de sein damaliger Compagnon Steffen Mensching von Bord ging – er ist heute Intendant des Theaters in Rudolstadt – hatte er sich für 2006 keinen geringeren Musiker als Part-ner gesucht als Arlo Guthrie. Arlo, das muss vielleicht an dieser Stelle gesagt werden, ist der Sohn des bekanntesten amerikanischen Folk-Sängers Woody Guthrie, der während des Zweiten Weltkrieges auf seine Gitarre schrieb: »Dieses Instrument tötet Faschisten!« Die Guthrie-Wenzel-Musik-Beziehung begann 2002 in Berlin, als Nora, die Witwe von Woody Guthrie Wenzel auf ei-nem Konzert hörte und sich bei der Art wie er mit dem Pu-blikum umging an ihren Mann erinnert fühlte. Umgehend lud sie Wenzel ein nach New-York ins Guthrie-Archiv ein wo er Texte von Woody übersetz-te und vertonte und anschlie-ßend mit einem »Guthrie-Pro-gramm« erfolgreich durch Deutschland tourte. So ent-stand die CD Ticky Tock. Was nun die Beziehung zwischen Wenzel und Arlo Guthrie an-geht, so kommentierte Wenzel es so: »Das Sarkastische und Poetische verbindet uns.«

Selbst wenn man das bei Sei-te lässt: Allein die musikalisch eingängigen Rhythmen - Wen-zel ist ein Virtuose auf dem Ak-kordeon und mit dem Klavier und dazu die »Countrysänger-Stimme« von Arlo – sind ein einziger Ohrenschmaus. »To-gether« hieß die gemeinsame

Tour 2006. Doch die Musik ist nicht älter geworden. Wenn Wenzel im Herbstlied singt » … das Jahr geht fort mit schwe-rer Fracht ...« fühlt man sich an die brandaktuellen politischen Trauerspiele in Berlin und Sachsen erinnert. Ja doch: Kultur muss sein und zwar die

ganze Palette: Theater, Muse-en, Kabarett und Konzerte ...Die CD »Every 100 years Arlo Guthrie & Wenzel« enthält ein zweisprachiges Booklet – al-so auch zur Auffrischung der Englischkenntnisse zu emp-fehlen – und kostet 16,95 Eu-ro. Ralf Richter

CD-Tipp