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© Gerhard Seybert - Fotolia.com 1 Fragestellung Schmerzen sind ein häufiges Symptom bei unter- schiedlichsten Erkrankungen. Oft ist Schmerz das Hauptsymptom und die Hauptursache für die Inan- spruchnahme einer Behandlung, das Entstehen von Funktionseinschränkungen und das Empfinden von Leid. Das Erscheinungsbild ist so vielgestaltig wie die verursachenden Krankheiten. In der Regel wird bei der Behandlung der Ursache der Schmerz auch (ausreichend?) „mit behandelt“, steht aber oft nicht im Vordergrund der Behandlungsbemühungen. In seltenen Fällen kann sich das Symptom Schmerz „verselbstständigen“. Dann besteht im Sinne einer eigenständigen Schmerzkrankheit die Schmerzemp- findung ohne eine „verursachende Krankheit“ wei- ter. Im klinischen Alltag ist die Behandlung der Schmerzkrankheit schwierig und bedarf einer eige- nen Spezialisierung. Oft wird diese eigenständige Schmerzkrankheit als „chronischer Schmerz“ be- zeichnet. Im englischen Sprachraum spricht man von „neuropathic pain“. Allerdings wird die Be- zeichnung „chronischer Schmerz“ gerne auch nur auf die Dauer des Symptoms ohne Berücksichtigung der Ursache bezogen oder für öfter wiederkehrende Schmerzphänomene verwendet. Über die Häufigkeit des sogenannten „chronischen Schmerzes“ werden unterschiedlichste Angaben gemacht. 1 Gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe der Medizinischen Universität Wien, der Universität Wien 2 und Frau OA Dr. Grögl-Aringer als klinische Expertin für Schmerztherapie wurde an der Frage der (pharmako-)epidemiologischen Dimension des Symptoms Schmerz in Österreich im Projekt „OF-LÖG“ (Outcome-Forschung basierend auf Leistungsdaten des österreichischen Gesundheits- wesens) 3 gearbeitet. Dabei soll einerseits die An- zahl (und Verteilung) der Personen mit einer Be- handlung mittels (auch) zur Schmerzlinderung ge- eigneter Medikamente in den Jahren 2006 und 2007 dargestellt und mit den Ergebnissen der Ge- sundheitsbefragung der Statistik Austria aus diesem Zeitraum verglichen und andererseits die Auswir- kung von zeitlich verschiedenen Definitionen von „chronischen Schmerzen“ auf die epidemiologi- sche Darstellung untersucht werden. Als erster Schritt wurde eine Liste von Arzneispe- zialitäten definiert, welche in der Schmerztherapie eingesetzt werden können. Die Daten der abge- rechneten Rezepte im verwendeten Forschungsda- tenbestand der Jahre 2006 und 2007 enthalten einen indirekten Personenbezug und erlauben daher die Zählung der behandelten Personen. Dies lässt sich anhand des Einlösedatums auch unter der Berück- sichtigung der Datenqualität dieser Information NEUE WEGE 24 S O Z I A L E S I C H E R H E I T 1/2013 1 APA0345 5 CI 0468 XI vom 26.2.2010: „1,5 Millionen Österreicher leiden an chronischen Schmerzzuständen.” 2 Univ.-Prof. DI DDr. Wolfgang Dorda, Univ.-Prof. Dr. Georg Duftschmid, Univ.-Prof. Dr. Karl Fröschl, Univ.-Prof. Dr. Walter Gall, Univ.-Prof. Dr. Wilfried Grossmann und DI Dr. Milan Hronský. 3 http://www.hauptverband.at/mediaDB/810559_OFLOeG_Endbericht.pdf Dr. Gottfried Endel ist Allgemeinmediziner und leitet den Bereich „Evidence-based Medicine“ (EBM) im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Schmerzversorgung in Österreich Schmerzversorgung in Österreich Schmerzversorgung in Österreich BEHANDLUNGSMASSNAHMEN © Almgren - Fotolia.com

Schmerzversorgung in ÖsterreichSchmerzkrankheit als „chronischer Schmerz“ be-zeichnet. Im englischen Sprachraum spricht man von „neuropathic pain“. Allerdings wird die Be-zeichnung

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1 FragestellungSchmerzen sind ein häufiges Symptom bei unter-schiedlichsten Erkrankungen. Oft ist Schmerz dasHauptsymptom und die Hauptursache für die Inan-spruchnahme einer Behandlung, das Entstehen vonFunktionseinschränkungen und das Empfinden vonLeid. Das Erscheinungsbild ist so vielgestaltig wiedie verursachenden Krankheiten. In der Regel wirdbei der Behandlung der Ursache der Schmerz auch(ausreichend?) „mit behandelt“, steht aber oft nichtim Vordergrund der Behandlungsbemühungen. Inseltenen Fällen kann sich das Symptom Schmerz„verselbstständigen“. Dann besteht im Sinne einereigenständigen Schmerzkrankheit die Schmerzemp-findung ohne eine „verursachende Krankheit“ wei-ter. Im klinischen Alltag ist die Behandlung derSchmerzkrankheit schwierig und bedarf einer eige-nen Spezialisierung. Oft wird diese eigenständigeSchmerzkrankheit als „chronischer Schmerz“ be-zeichnet. Im englischen Sprachraum spricht manvon „neuropathic pain“. Allerdings wird die Be-zeichnung „chronischer Schmerz“ gerne auch nurauf die Dauer des Symptoms ohne Berücksichtigungder Ursache bezogen oder für öfter wiederkehrendeSchmerzphänomene verwendet.Über die Häufigkeit des sogenannten „chronischenSchmerzes“ werden unterschiedlichste Angaben

gemacht.1 Gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe derMedizinischen Universität Wien, der UniversitätWien2 und Frau OA Dr. Grögl-Aringer als klinischeExpertin für Schmerztherapie wurde an der Frageder (pharmako-)epidemiologischen Dimension desSymptoms Schmerz in Österreich im Projekt „OF-LÖG“ (Outcome-Forschung basierend aufLeistungsdaten des österreichischen Gesundheits-wesens)3 gearbeitet. Dabei soll einerseits die An-zahl (und Verteilung) der Personen mit einer Be-handlung mittels (auch) zur Schmerzlinderung ge-eigneter Medikamente in den Jahren 2006 und2007 dargestellt und mit den Ergebnissen der Ge-sundheitsbefragung der Statistik Austria aus diesemZeitraum verglichen und andererseits die Auswir-kung von zeitlich verschiedenen Definitionen von„chronischen Schmerzen“ auf die epidemiologi-sche Darstellung untersucht werden.Als erster Schritt wurde eine Liste von Arzneispe-zialitäten definiert, welche in der Schmerztherapieeingesetzt werden können. Die Daten der abge-rechneten Rezepte im verwendeten Forschungsda-tenbestand der Jahre 2006 und 2007 enthalten einenindirekten Personenbezug und erlauben daher dieZählung der behandelten Personen. Dies lässt sichanhand des Einlösedatums auch unter der Berück-sichtigung der Datenqualität dieser Information

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1 APA0345 5 CI 0468 XI vom 26.2.2010: „1,5 Millionen Österreicher leiden an chronischen Schmerzzuständen.”2 Univ.-Prof. DI DDr. Wolfgang Dorda, Univ.-Prof. Dr. Georg Duftschmid, Univ.-Prof. Dr. Karl Fröschl, Univ.-Prof. Dr. Walter Gall, Univ.-Prof. Dr.

Wilfried Grossmann und DI Dr. Milan Hronský.3 http://www.hauptverband.at/mediaDB/810559_OFLOeG_Endbericht.pdf

Dr. Gottfried Endel

ist Allgemeinmediziner und leitet den Bereich „Evidence-basedMedicine“ (EBM) im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Schmerzversorgung in Österreich

Schmerzversorgung in ÖsterreichSchmerzversorgung in Österreich

BEHANDLUNGSMASSNAHMEN

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Page 2: Schmerzversorgung in ÖsterreichSchmerzkrankheit als „chronischer Schmerz“ be-zeichnet. Im englischen Sprachraum spricht man von „neuropathic pain“. Allerdings wird die Be-zeichnung

zeitlich darstellen. Dadurch ergeben sich Popula-tionen, welche l in den Jahren 2006 und 2007 überhaupt eineeinschlägige Medikation auf Kosten der Sozi-alversicherung bezogen haben,

l in diesem Zeitraum in drei aufeinander folgen-den Monaten diese Behandlung bekommen oder

l in sechs aufeinander folgenden MonatenSchmerzbehandlung benötigt haben.

Die Projektplanung sah den Vergleich dieser Popu-lationen mit dem Ergebnis der Befragungsdaten derStatistik Austria vor. Diese Einschränkung wurdedeshalb getroffen, weil erst nach dieser Auswertungbeurteilt werden kann, ob diese pharmakoepide-miologische Methodik zu Ergebnissen führt, die imVergleich mit Befragungsergebnissen oder anderenpublizierten epidemiologischen Ergebnissen einesinnvolle Interpretation zulassen. Bewusst ist dabei,dass bei einer positiven Bewertung dieser Methodefür Zwecke der Epidemiologie – im Sinne der Ge-sundheitssystemforschung und Outcome-Forschung– eine Fülle von weiterführenden Fragestellungenbearbeitet werden können.Zur Ergänzung der technisch-statistischen Auswer-tungen ist eine Darstellung der Definition(en) für„chronischen Schmerz“ notwendig, um die Unter-schiede zwischen den Populationen mit drei undsechs Monaten durchgehender Behandlung diskutie-ren zu können und auch die Grenzen der rein phar-makoepidemiologischen Methodik aufzuzeigen.

1.1 Verwendung der InformationWie bereits erwähnt, wird für die Behandlung dereigenständigen Schmerzkrankheit eine entspre-chende Erfahrung und damit Spezialisierung alsvorteilhaft angesehen. Dies führt einerseits zurAusprägung von „Schmerzspezialisten“ und ande-rerseits zu „Schmerzzentren“, in welchen die soge-nannte multimodale Schmerztherapie, d. h. die in-

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tegrierte Anwendung verschiedener invasiver undnicht invasiver Behandlungsmaßnahmen, angebotenwird. Aufgrund der Bedeutung von Schmerzen fürdie Patienten stellt sich die Frage, wie vieleSchmerzzentren oder Schmerzspezialisten für eineausreichende und zweckmäßige Versorgung der Be-völkerung benötigt werden.Methoden zur objektiven Feststellung eines Behand-lungsbedarfs sind nicht bekannt. Eine Bedarfsab-schätzung wird daher durch die Bewertung verschie-dener messbarer Informationen vorgenommen. Dazugehört vor allem die Epidemiologie der zu behan-delnden Krankheit. Im Zusammenhang damit sindaber weitere Informationen wie Patientenzufrieden-heit, regionale Unterschiede in der Art und dem Aus-maß der Behandlung sowie der Kooperationsbedarfmit anderen Krankheitsbereichen auf dem Feld derSchmerzbehandlung (z. B. onkologischer und ortho-pädischer Krankheitsbilder) zu berücksichtigen.Im Rahmen des Kongresses Societal Impact of Pain(SIP) 2010 wurde für „chronic pain“ eine Prävalenzvon 20 bis 30 % in Europa behauptet. Auffallendwar dabei, dass die Definition des Krankheitsbildessehr ungenau erfolgte und Beispiele der seltenen eigenständigen Schmerzkrankheit als allgemein gültig für diese große Patientengruppe verwendetwurden. Daraus ergab sich die Motivation, einerseitsdie Definition des Krankheitsbildes klarzulegen undandererseits den Versuch zu unternehmen, dieKrankheitslast für Österreich zu bestimmen.

2 Definition „chronischer Schmerz“2.1 Suche in PubMedEs wird zur Darstellung der Definition des Begriffeseine (eingeschränkt-systematische) Literatursuchedurchgeführt.4Die als Nummer 4 und 5 gelisteten Artikel5 werdenim Volltext einbezogen, die restlichen nur auf

4 PubMed 4.3.2011: (chronic[All Fields] AND ("pain"[MeSH Terms] OR "pain"[All Fields]) AND definition[All Fields]) AND (hasabstract[text] AND"humans"[MeSH Terms] AND (English[lang] OR German[lang]) AND "2001/03/07"[PDat] : "2011/03/04"[PDat]); 234 Treffer; 6 Artikel mit denSuchbegriffen im Titel; 2 Artikel mit freiem Volltextzugriff.

5 1: Piguet, V., Allaz, A. F.: Chronic pain, the problem of a definition. Rev Med Suisse. 2009 Jun 17; 5 (208): 1347–1348. French. PubMedPMID: 19626758.2: Rozenberg, S.: Chronic low back pain: definition and treatment. Rev Prat. 2008 Feb 15; 58 (3): 265–272. French. PubMed PMID: 18536200.3: Raspe, H., Hüppe, A., Matthis, C.: Theories and models of chronicity: on the way to a broader definition of chronic back pain. Schmerz.2003 Oct; 17 (5): 359–366. German. PubMed PMID: 14513343.4: Cedraschi, C., Robert, J., Goerg, D., Perrin, E., Fischer, W., Vischer, T. L.: Is chronic non-specific low back pain chronic? Definitions of aproblem and problems of a definition. Br J Gen Pract. 1999 May; 49 (442): 358–362. PubMed PMID: 10736885; PubMed Central PMCID:PMC1313420.5: Hunt, I. M., Silman, A. J., Benjamin, S., McBeth, J., Macfarlane, G. J.: The prevalence and associated features of chronic widespread pain in the community using the ’Manchester’ definition of chronic widespread pain. Rheumatology (Oxford). 1999 Mar; 38 (3): 275–279.PubMed PMID: 10325667.6: Baszanger, I.: Definition of chronic pain and the organization of Pain Centers. Cah Sociol Demogr Med. 1990 Jan-Mar; 30 (1): 75–83.French. PubMed PMID: 2357623.

Schmerz ist ein subjektives Phänomen.

Co-Autoren:

OA Dr. Grögl-Aringer; Univ.-Prof. DDr. Wolfgang Dorda; Univ.-Prof. Dr. Wilfried Grossmann; Ao. Univ.-Prof. Dr. Georg Duftschmid; Ao. Univ.-Prof. Dr. Karl Fröschl; Ao. Univ.-Prof. Dr. Walter Gall; DI Dr. Milan Hronsy

Methoden zur objektiven Feststellung eines Behandlungsbedarfs sind nicht bekannt. Eine Bedarfsabschätzung wird daher durch die Bewertung verschiedener messbarer Informationen vorgenommen.

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Abstractebene. Eine erste orientierende Suche am 1. März 2011 wurde zuerst in die Richtung von vor-handenen Leitlinien in PubMed durchgeführt.6 Ausdiesen Ergebnissen wurden insgesamt 11 Artikelausgewählt.

2.2 Allgemeine Suche im InternetWeiters wurde am 1. März 2011 mit dem Begriff„chronic pain“ in Google gesucht. Als sehr über-sichtlich und mit zahlreichen Literaturhinweisenversehen erwiesen sich die englischen Wikipedia-Einträge zu „pain“ und „chronic pain“. Diese wer-den in der Folge für die Darstellung unterschiedli-cher Definitionsmöglichkeiten in ihrer Form vom1. März 2011 ebenfalls verwendet.Mit den Schwierigkeiten der Definition befasst sichdort unter anderem dieser Abschnitt:

„Pain is usually transitory, lasting only until thenoxious stimulus is removed or the underlyingdamage or pathology has healed, but some pain-ful conditions, such as rheumatoid arthritis, pe-ripheral neuropathy, cancer and idiopathic pain,may persist for years. Pain that lasts a long timeis called chronic, and pain that resolves quicklyis called acute. Traditionally, the distinction bet-ween acute and chronic pain has relied upon anarbitrary interval of time from onset; the twomost commonly used markers being 3 monthsand 6 months since the onset of pain,[10]7 thoughsome theorists and researchers have placed thetransition from acute to chronic pain at 12months.[11]8 Others apply acute to pain thatlasts less than 30 days, chronic to pain of morethan six months duration, and subacute to painthat lasts from one to six months.[12]9 A popularalternative definition of chronic pain, involvingno arbitrarily fixed durations is "pain that ex-tends beyond the expected period of healing"[10] Chronic pain may be classified as "mali-gnant" (caused by cancer) or "benign" (non-ma-lignant).[12]“

Wie in dieser Beschreibung ersichtlich, gibt es Ab-grenzungen durch Anwendung willkürlicher Zeit-

grenzen, die entsprechend auch von verschiedenenWissenschaftern unterschiedlich gesetzt wurden,aber auch eine Einteilung, welche auf die Ursachedes Symptoms abstellt. Dabei ist für die gegen-ständliche Untersuchung das Problem der Erken-nung und Zuordnung von „Grundkrankheiten“ undder Zeitpunkt ihres Auftretens zu beachten. Me-thodisch ist ohne klinische Information eine Ab-schätzung der Zeitdauer bis zu einer erwartetenHeilung nicht möglich. Eine Trennung in „bösartig“und „gutartig“ ist mit gewissen Einschränkungenmöglich und kann abhängig von den verfügbarenRessourcen grundsätzlich versucht werden.Im Dokument der Wikipedia zu „chronic pain“ wur-de folgende Beschreibung gefunden:

„Chronic pain may be divided into "nociceptive"(caused by activation of nociceptors), and "neu-ropathic" (caused by damage to or malfunction ofthe nervous system).[4]10Nociceptive pain may be divided into "superfici-al somatic" and "deep", and deep pain into "deepsomatic" and "visceral". Superficial somatic painis initiated by activation of nociceptors in the skinor superficial tissues. Deep somatic pain is in-itiated by stimulation of nociceptors in ligaments,tendons, bones, blood vessels, fasciae and mus-cles, and is dull, aching, poorly-localized pain.Visceral pain originates in the viscera (organs).Visceral pain may be well-localized, but often itis extremely difficult to locate, and several visce-ral regions produce "referred" pain when injured,where the sensation is located in an area distantfrom the site of pathology or injury.[5]11Neuropathic pain is divided into "peripheral" (origi-nating in the peripheral nervous system) and "cen-tral" (originiting in the brain or spinal cord).[6]12Peripheral neuropathic pain is often described as"burning", "tingling", "electrical", "stabbing", or"pins and needles". [7]13 Bumping the "funny bone"elicits peripheral neuropathic pain.“

In dieser Beschreibung wird also darauf hinge-wiesen, dass es neben dem „nociceptiven“Schmerz, welcher üblicherweise eine patholo-

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„Chronischer Schmerz“wird unterschiedlich

definiert.

6 "chronic pain"[All Fields] AND "guideline"[Publication Type] (31) PubMed "chronic pain" AND guideline (232) PubMed chronic pain guideline(856) PubMed chronic pain definition (11017) PMC

7 Turk, D. C., Okifuji, A.: Pain terms and taxonomies of pain. In: Bonica, J. J., Loeser, J. D., Chapman, C. R., Turk, D. C., Butler, S. H.: Bonica’s management of pain. Hagerstwon, M. D.: Lippincott Williams & Wilkins; 2001. ISBN 0-683-30462-3.

8 Spanswick, C. C., Main, C. J.: Pain management: an interdisciplinary approach. Edinburgh: Churchill Livingstone; 2000. S. 93, ISBN 0-443-05683-8.

9 Thienhaus, O., Cole, B. E.: Classification of pain. In: Weiner R. Pain management: a practical guide for clinicians. Boca Raton: CRC Press;2002.S. 28, ISBN 0-8493-0926-3.

10 Keay, K. A.; Clement, C. I.; Bandler, R. (2000): The neuroanatomy of cardiac nociceptive pathways. In: Horst, G. J. T.: The nervous systemand the heart. Totowa, New Jersey: Humana Press. S. 304, ISBN 089603.

11 Coda, B. A.; Bonica, J.J. (2001): General considerations of acute pain. In: Loeser, D., Bonica, J. J.: Bonica’s management of pain (3 ed.).Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins. ISBN 0443056838.

12 Bogduk, N., Merskey, H. (1994). Classification of chronic pain: descriptions of chronic pain syndromes and definitions of pain terms (seconded.). Seattle: IASP Press. S. 212, ISBN 0931092051.

13 Paice, J. A. (Jul-Aug 2003): Mechanisms and management of neuropathic pain in cancer. Journal of supportive oncology 1 (2): 107–20.PMID 15352654.

Page 4: Schmerzversorgung in ÖsterreichSchmerzkrankheit als „chronischer Schmerz“ be-zeichnet. Im englischen Sprachraum spricht man von „neuropathic pain“. Allerdings wird die Be-zeichnung

gisch/anatomisch „greifbare“ Ursache aufweist,auch den „neuropathischen“ Schmerz, der durch ei-ne Schädigung oder „Fehlfunktion“ des Nervensys-tems erklärt wird, gibt. Aus klinischer Sicht er-scheint dieser neuropathische Schmerz als beson-ders schwierig zu behandeln. Als theoretische Er-klärung für sein Entstehen wird auf „Lernmecha-nismen“, ausgelöst durch einen (länger bestehen-den und/oder unzureichend behandelten) akutenSchmerz, auf „Veranlagung“ und in neuerer Zeitauf die als „Plastizität“ bezeichnete Fähigkeit desGehirns, sich an veränderte Verhältnisse durch„Umbau“ anzupassen, zurückgegriffen. EinenÜberblick über diesen Stand der Diskussion gibtder Review von Apkarian14. Weitere Unterlagen können auf den Websites vonFachgesellschaften und im Bereich der Guidelin-es15 gefunden werden.

2.3 DefinitionenIn der unter Punkt 4 der PubMed-Suche gelistetenPublikation von Cedraschi (siehe FN 5) werden inTabelle 1 verschiedene Definitionen der Chronizi-tät – abhängig von der Symptomdauer – mit der je-weiligen Quellenangabe dargestellt. Überwiegendwird dabei eine Dauer von mehr als drei Monatenals Voraussetzung für die Qualifikation einesSchmerzgeschehens als „chronisch“ dargestellt.Nur eine Quelle verlangt das Bestehen vonSchmerz während mindestens der Hälfte der Tagein einer Periode von zwölf Monaten, wobei dieSchmerzen in einer einzigen oder in mehreren Episoden auftreten können. Apkarian 2009 unter-scheidet im Abschnitt „A definition“ die Definitionder International Association for the Study of Pain(Merskey and Bogduk, 1994), welche auf das Wei-terbestehen von Schmerz über die Heilungsphasenach einer Verletzung hinaus abstellt, von Defini-tionen, welche einen fixen Zeitabschnitt abSchmerzbeginn – allerdings unterschieden nach derUrsache oder Lokalisation – als Abgrenzung ver-wenden. So wird für Rückenschmerzen eine Gren-ze von sechs Monaten angenommen, hingegen giltein Schmerz nach einer Herpes-Zoster-Infektionbereits nach drei Monaten als „chronisch“.Eine weitere Art des chronischen Schmerzes wirdvon Hunt 1999 unter der Bezeichnung „chronic widespread pain (CWP)“ beschrieben. DieserSchmerztyp wird auch als diagnostisches Kriteriumfür die Feststellung einer Fibromyalgie gefordert. In der oben angeführten Arbeit wird dabei die Defini-tion des American College of Rheumatology

mit der „Manchester“-Definition des CWP verglichen.Apkarian schlägt daher auf Seite 19 seines Reviewsfolgende Definition vor:

„Chronic pain is a persistence of the memory ofpain and/or the inability to extinguish the memo-ry of pain evoked by an initial inciting injury.From this viewpoint the peripheral afferent bar-rage can be considered as part of the incitingevent and the central representation/reorganiza-tion/sensitization can be viewed as the memorytrace; relative contributions of each would thendelineate types of pain conditions (acute, inflam-matory, neuropathic) within the framework ofmechanisms of memory of pain.“

Dieser Zugang betont die Bedeutung des Zentral-nervensystems bei der Entstehung der eigenständi-gen „Schmerzkrankheit“. Dabei tritt die zeitlicheDimension des Geschehens zwar etwas in den Hin-tergrund, bleibt aber insofern bedeutend, als Lern-vorgänge mit dem dafür notwendigen Wiederholenentsprechend Zeit für ihr Wirksamwerden benöti-gen. Dies schließt auch logisch an die von Hunt betonte Verbindung der Schmerzentstehung mit af-fektiven Symptomen wie psychologischem Dis-tress und den Zusammenhang mit der Somatisie-rung von Beschwerden an. Diese Einstellung zu be-ziehungsweise die mit Krankheit und Behinderungverbundenen Sorgen beeinflussen die Schmerzent-stehung und -wahrnehmung. Dies führt zu einer in einer Leitlinie verwendetenDefinition des „neuropathischen Schmerzes“:

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Schmerz kann sich zu einereigenständigen „Schmerz-krankheit“ entwickeln.

14 Apkarian, A. V., Baliki, M. N., Geha, P. Y.: Towards a theory of chronic pain; Prog Neurobiol. 2009 February; 87 (2): 81–97.doi:.10.1016/j.pneurobio. 2008.9.18.

15 Zum Beispiel: AWMF: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms; Australian and New Zealand Collegeof Anaesthetists ABN 82 055 042 852; American College of Rheumatology Training Guidelines & Assessment Subcommittee: Core Curriculum Outline for Rheumatology Fellowship Programs.

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Die Epidemiologie des„chronischen Schmerzes“

ist unklar.

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„Neuropathischer Schmerz ist nach der IASP de-finiert als chronischer Schmerz als Folge einerLäsion oder Erkrankung im somatosensorischenSystem. Liegt die Läsion oder Erkrankung primärim zentralen Nervensystem spricht man auch von‚zentralem Schmerz‘.“16

In dieser Leitlinie wird im Abschnitt neuropathi-scher Schmerz vor allem das „failed back surgerysyndrom“ behandelt. Es findet sich jedoch auch ei-ne Auflistung von anderen neuropathischenSchmerzsyndromen, welche zur Veranschauli-chung der Heterogenität der Problematik hier zitiertwerden soll:

„Für andere neuropathische Schmerzen liegennur kleine Fallstudien mit positiven Ergebnissenvor. Hierzu zählen die Postzosterneuralgie (Har-ke et al. 2002), die diabetische Neuropathie (Tes-faye et al. 1996, Petrakis u. Sciacca 2000, Cruc-cu et al. 2007), der Phantom- oder Stumpf-schmerz (Sanchez-Ledesma 1989), der Schmerzbei inkomplettem Querschnitt (Winkelmüller etal. 1991) und bei Plexusläsionen (Brill 2008).Bei Patienten mit kompletten Querschnittsyndro-men (Meglio et al. 1989, Cioni et al. 1995, Cruc-cu et al. 2007) ist die SCS nicht wirksam. Auf-grund der Studienlage muss die Empfehlung der-zeit offen bleiben.“

Eine weitere Leitlinie, welche sich mit der Defini-tion des Schmerzes auseinandersetzt, weist auchdarauf hin, dass die Klassifikationen und Codie-rungsmöglichkeiten dafür unbefriedigend sind.17Auf Seite 7 dieser Leitlinie wird folgende Definiti-on verwendet:

„Zur Definition chronischer Schmerzen in meh-reren Körperregionen werden international dieKriterien des US-amerikanischen Kollegiums fürRheumatologie ACR verwendet: > 3 Monate be-stehender Schmerz in: - Achsenskelett (Halswirbelsäule oder vordererBrustkorb oder Brustwirbelsäule oder Lenden-wirbelsäule) und - rechte Körperhälfte und linke Körperhälfte und- oberhalb der Taille und unterhalb der Taille Die anamnestischen Angaben eines CWP undder klinische Befund einer schmerzhaften Palpa-tion von mindestens 11/18 Tenderpoints definie-ren das Fibromyalgiesyndrom FMS nach ACR-Kriterien. Evidenzgrad 2b, starker Konsens.“

2.4 ZusammenfassungDa die Definition von chronischem Schmerz un-einheitlich ist, werden hier wesentliche Charakteri-stika angeführt. Wesentliche Einteilungskriteriensind nach der angeführten Literatur: l die Ursachen

l akute (aber lange andauernde) Erkrankung –verständliche Ursachel maligne Erkrankung l benigne Erkrankung

l keine (abgeheilte) adäquate Erkrankungl neuropathischer Schmerz l Schmerzkrankheit l chronischer Schmerz

l die Dauer (teilweise in Abhängigkeit von derauslösenden Krankheit)

l länger als 3 Monate l länger als 6 Monate

Die unterschiedliche Kombination dieser Kriterienkann als Definition für „chronischen Schmerz” ver-wendet werden. Einige der Charakteristika sind inden Routinedaten gut abgebildet, andere sind man-gels klinischer Informationen nicht verwendbar.

3 Epidemiologie des Schmerzesin Österreich

Überträgt man diese Einteilungskriterien auf dieMöglichkeiten der sekundären Nutzung von Routi-nedaten des Gesundheitssystems, so ist der ein-fach-ste Zugang eine Einteilung nach der Dauer der Be-handlungsnotwendigkeit. Diese Behandlungsnot-wendigkeit spiegelt sich weitgehend in den Daten zur Inanspruchnahme der Behandlungs-möglichkeiten wider. Aus der Sicht der Repräsenta-tion von „Schmerz“ in den Bereichen der Routine-daten ist vor allem auffallend, dass eine Diagnose-

16 AWMF-Leitlinien-Register Nr. 041/002: Epidurale Rückenmarkstimulation zur Therapie chronischer Schmerzen.17 AWMF-Leitlinien-Register:Nr. 041/004: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms.

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3.1 Definition der Population aus Rezeptdaten

Aus der Hauptverbandspopulation wurden die Per-sonen selektiert, die im Zeitraum 2006–2007 min-destens einmal ein Schmerzmedikament der vierGruppen bekommen haben. Dabei wurden3.166.889 Personen identifiziert. Dieses Kollektivbildet die Basis für die weiteren Analysen.Die insgesamt 17 Millionen Rezeptpositionen ent-halten 19 Millionen ATC-Codes (eine Positionkann mehrere Packungen enthalten), die sich aus949 unterschiedlichen Pharmanummern zusam-mensetzen. (Abbildung 2 und 3).Tabelle 1 zeigt die über (Kalender-)Monate konti-nuierliche Medikation mit Schmerzmitteln. ZumBeispiel haben in den Jahren 2006–2007 130.392Personen kontinuierlich Schmerzmittel über min-destens sechs Monate bekommen. Diese 130.392Personen sind auch in den Häufigkeiten mit min-destens zwei Monaten kontinuierlicher Medikati-

codierung dafür nur bedingt hilfreich erscheint. Der direkteste Bezug zur Indikation Schmerzlinde-rung findet sich im Bereich der medikamentösen Be-handlung. Die Abrechnungsdaten der Rezepte erlauben auch eine ausreichende zeitliche Zu-ordnung, um das Kriterium Dauer zu berücksichti-gen. Als Basis für alle Analysen wurde aus der GAP-DRG-Datenbank (Grundlagenforschung für ambu-lante patientenorientierte Diagnosis Related Groups)das Kollektiv der Personen mit rezeptierten Schmerz-medikamenten gebildet (siehe Abbildung 1).Das „T“ in der Gruppe „N03A-T“ soll darauf auf-merksam machen, dass aus der Gruppe der Antiepi-leptika („N03A“) nur drei Untercodes verwendetwerden. Die Ergebnisse wurden auf der KonferenzSocial Impact of Pain 2011 in Brüssel präsentiert.18Insgesamt wurden alle Medikamente, welche gegenSchmerzen verwendet werden können, aufgenom-men, um eine möglichst vollständige Darstellung zugewährleisten.

BEHANDLUNGSMASSNAHMEN

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Aus der medikamentösenBehandlung kann auf dieKrankheit rückgeschlossenwerden.

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18 http://www.sip-meeting.org/cmsdata/grt-sip/en_EN/pdf/2011/gottfried_endel.pdf

Abbildung 1

Abbildung 2

Aus der Sicht der Repräsentation von „Schmerz“ in den Bereichen der Routinedaten ist vor allem auffallend, dass eine Diagnosecodierung dafür nur bedingt hilfreich erscheint.

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on (682.128) und in der Gesamtzahl der Personen,die (mindestens in einem Monat) Schmerzmedi-kamente erhielten, enthalten. Eine Person wirdnur einmal gezählt, auch wenn sie mehrfach übereinen längeren Zeitraum Medikamente bezogenhat. Man erkennt, dass eine Verkürzung in der De-finition „chronischer Schmerz“ von sechs auf dreiMonate kontinuierlicher Medikation die Anzahlder Personen (345.474) mehr als verdoppelt. Welche Medikamente dabei jeweils wie lange zur Anwendung kamen sieht man in Tabelle 2. Diesezeigt die erhaltenen Medikamente in diesen Mona-ten nach den vier Medikamentengruppen aufge-schlüsselt.

3.2 Daten Gesundheitsbefragung (GB) Im Jahre 2006 und 2007 wurde von der StatistikAustria die letzte Gesundheitsbefragung durchge-führt.19

3.2.1 Fragen Aus der Gesundheitsbefragung wurden aus zweiGruppen folgende Fragen ausgewählt:

S5 – Schmerzen l S5.1: „Hatten Sie während der letzten zwölfMonate erhebliche Schmerzen in einer odermehreren Körperregionen?“

l S5.2: „Bitte zeigen Sie mir, an welcher Stelledes Körpers die Schmerzen aufgetreten sind.“(Ein Bild mit 14 Körperregionen wird vorge-legt).

l S5.7: „Bestehen diese Schmerzen schon län-ger als drei Monate?“

C4 – Medikamentel C4.1: „Haben Sie in den letzten beiden Wo-chen von einem Arzt verordnete Medikamen-te eingenommen?“

l C4.2: „Ich gehe mit Ihnen die Liste durch,bitte sagen Sie mir jeweils, ob Sie solche Medikamente innerhalb der letzten beidenWochen eingenommen haben.“

Aus der Liste mit 18 Möglichkeiten (C4.A) wurdendrei für die Analyse ausgewählt:a) Gelenksschmerzen (Arthrose, Arthritis)b) Kopfschmerzen oder Migränec) Andere Schmerzen

NEUE WEGE BEHANDLUNGSMASSNAHMEN

30 S O Z I A L E S I C H E R H E I T 1/2013

19 http://www.statistik.at/web_de/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/index.html

Abbildung 3 Tabelle 1

Tabelle 2

Personen

Pharmanummer

2.000.000

1.500.000

1.000.000

500.000

01 2 3 4 5 6 7 8 9

Personen

Eine Person wird nur einmal ge-zählt, auch wenn sie mehrfachüber einen längeren ZeitraumMedikamente bezogen hat.

Kontinuierliche Medikation (Dauer in Kalendermonaten)

1234567

Medikamenten- gruppen

M01-M02-M03

N02

N03A-T

N06AA

Mindestdauer (Kalendermonate)

3.166.889682.128345.474224.981165.416130.392106.049

3

324.835

206.961

41.934

33.018

4

210.209

150.392

32.005

24.897

5

153.699

117.089

25.606

19.901

6

120.534

95.727

21.211

16.423

7

97.692

79.928

17.895

13.848

Page 8: Schmerzversorgung in ÖsterreichSchmerzkrankheit als „chronischer Schmerz“ be-zeichnet. Im englischen Sprachraum spricht man von „neuropathic pain“. Allerdings wird die Be-zeichnung

l C4.3: „Haben Sie in den letzten beiden Wo-chen Medikamente eingenommen, die nichtvon einem Arzt verordnet waren (rezept-freie Medikamente)?“

l C4.4: „Ich gehe mit Ihnen die Liste durch,bitte sagen Sie mir jeweils, ob Sie solcheMedikamente innerhalb der letzten beidenWochen eingenommen haben.“

Aus der Liste mit acht Möglichkeiten (C4.B)wurden drei für die Analyse ausgewählt:a) Gelenksschmerzen (Arthrose, Arthritis)b) Kopfschmerzen oder Migränec) Andere SchmerzenEventuell für weitere vergleichende Analysen ge-eignete Fragen der Gesundheitsbefragung sind:

l S5.3: „Waren Sie wegen dieser Schmerzenin den letzten zwölf Monaten im Kranken-stand?“

l S5.4: „Wie viele Tage?“ l S5.5: „Hatten Sie während der letzten sie-ben Tage auch Schmerzen in dieser Regi-on?“

l S5.6: „Bitte geben Sie die durchschnittlicheStärke Ihrer Schmerzen der letzten sieben Tage mit einer Zahl zwischen 1 und 10 an. 1 bedeutet geringe Schmerzen, 10 bezeich-net den stärksten vorstellbaren Schmerz.“

Aus den Antwortlisten der zwei Fragen nach denSchmerzmedikamenten (C4.A, C4.B) könnte manzusätzlich zu den je drei verwendeten noch wei-tere berücksichtigen (z. B. Depression, Schlaf-tabletten, andere Krankheiten).Tabelle 3 zeigt die Gesamtpopulation der Ge-sundheitsbefragung (GB), die Häufigkeiten derPersonen mit erheblichen Schmerzen (GB-do)und mit länger als drei Monate andauerndenSchmerzen (GB-do-ch). Der Konsum von Schmerz-medikamenten („in den letzten 14 Tagen“) wird inSumme (GB-m-do) und aufgeteilt in die Einnah-me verordneter (GB-vm-do) und rezeptfreier(GB-nvm-do) Medikamente dargestellt.

4 Vergleich Hauptverband (HV) – Gesundheitsbefragung (GB)

Für den Vergleich der Daten des Hauptverbandesmit den Daten der Gesundheitsbefragung wurdedas Kollektiv des Hauptverbandes auf Personen äl-ter als 14 Jahre eingeschränkt, da in der Gesund-heitsbefragung die Personengruppe bis 14 Jahrenicht befragt wurde. In Tabelle 4 werden die Per-sonen des Hauptverbandes, die Schmerzmedika-mente erhielten (HV), mit den Personen mit sub-jektivem Schmerzempfinden aus der Gesundheits-befragung (GB) verglichen. Die Tabelle zeigt allePersonen mit erheblichen Schmerzen (GB-do) undalle Personen, die Schmerzmittel erhielten (HV-do).Des Weiteren werden die Personen mit länger alsdrei Monate anhaltenden Schmerzen den Personenmit drei Monaten kontinuierlicher Schmerzmedi-kation gegenübergestellt. Diese Anteile werden alsabsolute Werte (GB-do-ch und HV-do-ch3) und inProzenten, bezogen auf die Referenzpopulation derStatistik Austria (SA-ges), gezeigt (GB-do-ch[%]

BEHANDLUNGSMASSNAHMEN

31

NEUE WEGE

1/2013 S O Z I A L E S I C H E R H E I T

Tabelle 3

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Page 9: Schmerzversorgung in ÖsterreichSchmerzkrankheit als „chronischer Schmerz“ be-zeichnet. Im englischen Sprachraum spricht man von „neuropathic pain“. Allerdings wird die Be-zeichnung

und HV-do-ch3[%]). Nachfolgend werden die Prä-valenzen der „HV-Personen“ mit (mindestens) dreiMonate andauernden chronischem Schmerz darge-stellt. Die Werte beziehen sich immer auf die Refe-renzpopulation der Meldebevölkerung laut StatistikAustria (Abbildung 4).Darunter befindet sich die Darstellung der Präva-lenzen – für Männer und Frauen getrennt – aus derGesundheitsbefragung (Abbildung 5).Im Projektbericht werden weitere Aufgliederungenvorgenommen und auch graphisch dargestellt. Alswesentlich erscheint dabei neben der Darstellungvon weiteren Analysemöglichkeiten, dass die vor-gestellte Methode gegenüber der Gesundheitsbe-fragung unterschiedliche Ergebnisse liefert. Dies istin der Folge für die Interpretation der gewonnenenInformationen zu berücksichtigen.

NEUE WEGE BEHANDLUNGSMASSNAHMEN

32 S O Z I A L E S I C H E R H E I T 1/2013

Tabelle 4

Abbildung 5: Prevalence of Chronic Dolor (GB/SA)

Abbildung 4: Prevalence of Chronic Dolor (HVB/SA)

Males

Females

Page 10: Schmerzversorgung in ÖsterreichSchmerzkrankheit als „chronischer Schmerz“ be-zeichnet. Im englischen Sprachraum spricht man von „neuropathic pain“. Allerdings wird die Be-zeichnung

5 Diskussion der MethodenDer Vergleich der Ergebnisse einer Befragung einerrepräsentativen Stichprobe mit der Darstellung derAuswertung von Routinedaten wirft mehrere Fra-gen auf. Wie schon in Abschnitt 2 dargestellt, istSchmerz als subjektives Symptom jedem Men-schen bekannt, die wissenschaftliche Einteilung inverschiedene Kategorien ist allerdings komplexund wirft vor allem im Zusammenhang mit Er-hebungsinstrumenten die Frage auf, welche der Kriterien dabei sicher festgestellt werden können.Deshalb sind die Ergebnisse betreffend „internal va-lidity“ – wurde die Auswertung in korrekter Weisedurchgeführt – und „external validity“ – hier geht esvor allem um die Vergleichbarkeit und Übertrag-barkeit der Werte – kritisch zu untersuchen.Es ist auch zu untersuchen, ob die Ergebnisse die-ser Untersuchungen für die Beantwortung von Fragestellungen im Gesundheitssystem anwendbargemacht werden können. Dazu ist eine Interpreta-tion der Messwerte für die betreffenden Fragestel-lungen erforderlich. Diese Interpretation kann, zu-sammen mit Zielsetzungen und Werten, in einerZusammenschau zur Entscheidungsunterstützungherangezogen werden.Aus einer anderen Quelle – die vollständige Prä-sentation wurde in Zell am See bei der 19. Wissen-schaftlichen Tagung der Österreichischen Schmerz-gesellschaft von Dr. Anna Bucsic vorgestellt – ist er-sichtlich, dass für Schmerzmedikamente beträchtli-che Summen aufgewendet werden (Abbildung 6).Dabei wurde auch eine Analyse der behandeltenPersonen nach Alter vorgenommen. Im Gesamtbe-richt wurden auch Untersuchungen über die Alters-

verteilung präsentiert. Diese differenzieren jedochnicht nach den ATC-Gruppen. Daher wird der In-halt der in Zell am See vorgestellten Präsentationmit Daten aus 2010 zur Veranschaulichung ver-wendet (Abbildung 7).

5.1 Was wird gemessen? Die Gesundheitsbefragung erhebt die Erinnerungund individuelle Beurteilung der Befragten zu ih-rem Krankheitsempfinden. Die für einen Vergleich

BEHANDLUNGSMASSNAHMEN

33

NEUE WEGE

1/2013 S O Z I A L E S I C H E R H E I T

Abbildung 6: Kosten und Verordnungen

Abbildung 7: Altersverteilung der Verordnungen

Der Vergleich der Ergebnisse einer Befragung einer repräsentativen Stichprobe mit der Darstellung der Auswertung von Routinedaten wirft mehrere Fragen auf.

Page 11: Schmerzversorgung in ÖsterreichSchmerzkrankheit als „chronischer Schmerz“ be-zeichnet. Im englischen Sprachraum spricht man von „neuropathic pain“. Allerdings wird die Be-zeichnung

herangezogenen Fragen sind in Abschnitt 3.2.1 zitiert. „Chronischer Schmerz“ im Sinne der eigen-ständigen Schmerzkrankheit („neuropathic pain“im englischen Sprachgebrauch) ist mit diesen Fra-gen von anderen Schmerzformen nicht unter-scheidbar. Von den in 2.4 dargestellten Eintei-lungskriterien kann damit nur die Frage der Dauer„länger als drei Monate“ beantwortet werden. DieFrage nach der Ursache findet sich in nur bedingtverwendbarer Form.Schmerzen20 l Zwölf-Monats-Prävalenz von erheblichenSchmerzen (allgemein)

l Zwölf-Monats-Prävalenz von ausgewähltenSchmerzorten (14)

l Krankenstand in den letzten zwölf Monaten,Krankenstandsdauer bei ausgewähltenSchmerzorten (14)

l Sieben-Tage-Prävalenz von ausgewähltenSchmerzorten (14)

l Schmerzintensität Die Resultate finden sich auf Seite 21 der Österrei-chischen Gesundheitsbefragung 2006/2007 (Erschei-nungsdatum: 8/2007).Mit dem Zugang, Personen mit Schmerzen anhandder bezogenen Medikamente zu erkennen, der indem diesem Artikel zugrunde liegenden Projektbe-richt dargestellt wird, wird eine deutlich geringerePrävalenz von Schmerz erkannt. Gemessen wirdhier der „medikamentös Behandlungsbedürftigebeziehungsweise tatsächlich behandelte Schmerz“.„Erhebliche“ Schmerzen müssen allerdings nichtimmer auch medikamentös behandlungsbedürftigsein. Tabelle 3 in Abschnitt 3.2 kann dahingehend

ausgewertet werden, dass etwa 2,3 Millionen (vonetwa 2,7 Millionen) Personen, welche unterSchmerzen litten, auch Medikamente einnahmen.Ein Teil davon nahm zwar rezeptfreie Medika-mente, 60 % nahmen aber rezeptpflichtige Medi-kamente. Durch verschiedene technisch bedingteGegebenheiten kann eine Untererfassung von Me-dikamenten in den Abrechnungsdaten angenom-men werden. Auch sind nicht alle EinwohnerÖsterreichs in der gesetzlichen Krankenversiche-rung versichert. Die Auswahl der Medikamentewar – wie bereits erwähnt – von der Zielsetzung ge-leitet, eine möglichst vollständige Erfassung zu er-reichen. Von den in 2.4 dargestellten Einteilungs-kriterien kann nur die Behandlungsdauer herange-zogen werden. Untersuchungen über die Ursachedes Schmerzes sind, wie in anderen Projekten dar-gestellt, eingeschränkt möglich, wurden aber nichtdurchgeführt.

5.2 Was ist vergleichbar? Vergleichbar ist die Zwölf-Monats-Prävalenz vonerheblichen Schmerzen (allgemein).Tabelle 4 in Abschnitt 4 zeigt für die Erfassung vonSchmerzpatienten eine höhere Sensitivität despharmakoepidemiologischen Zuganges gegenüberder Befragung. Pro 100.000 Personen wurden43.151 (gegenüber 38.630 in der Befragung) alsSchmerzpatienten erkannt. Das Ziel einer hohenVollständigkeit konnte damit trotz der zuvor disku-tierten Einschränkungen in der Datenbasis (Rezept-pflicht, Vollständigkeit der Abrechnungsdaten,nicht medikamentöse Behandlungen bei Schmerz)jedenfalls erfüllt werden. Im Vergleich mit interna-

NEUE WEGE BEHANDLUNGSMASSNAHMEN

34 S O Z I A L E S I C H E R H E I T 1/2013

20 Zitiert aus: Standard-Dokumentation. Metainformationen (Definitionen, Erläuterungen, Methoden, Qualität) zur Österreichischen Gesundheits-befragung 2006/2007.

Die Gesundheits-befragung erhebt die

Erinnerung und individuelleBeurteilung der Befragten

zu ihrem Krankheits-empfinden.

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Page 12: Schmerzversorgung in ÖsterreichSchmerzkrankheit als „chronischer Schmerz“ be-zeichnet. Im englischen Sprachraum spricht man von „neuropathic pain“. Allerdings wird die Be-zeichnung

tionalen Daten (zum Beispiel: „The social impactof pain – a roadmap for action“21) ist eine Prävalenzvon einem Drittel der Bevölkerung als plausibel zubezeichnen. Befragung – als etabliertes Mess-instrument – und Pharmakoepidemiologie sind hierals (fast) „gleichwertig“ anzusehen.Wie auch in einer internationalen Befragung22 ge-zeigt werden konnte, nimmt der Anteil der medika-mentös behandelten Schmerzpatienten mit derSchmerzintensität zu. Somit erscheint der pharma-koepidemiologische Ansatz für die Feststellungvon „erheblichen“ Schmerzen als geeignet.

5.3 Was ist nicht vergleichbar? Die Messung der Prävalenz von „chronischemSchmerz“ (Einteilungskriterium: „Dauer“) ist nichtvergleichbar. Die Ergebnisse in der Tabelle, die denVergleich zwischen den pharmakoepidemiologi-schen Messergebnissen und der Gesundheitsbefra-gung präsentiert, zeigen pro 100.000 Personen24.881 chronische Schmerzpatienten aus der Ge-sundheitsbefragung gegenüber 4.861 Personen miteiner Dauerbehandlung von drei Monaten. DieMessung mittels Befragung ergibt den mehr alsfünffachen Wert! Für die allgemeine Schmerzprävalenz wurde einehöhere Sensitivität bei der Messung festgestellt.Dieser Unterschied würde sich noch vergrößern,wenn die diskutierten möglichen Ursachen einer„Untererfassung“ mittels mathematischer Metho-den „korrigiert“ würden. Bei der allgemeinen Prä-valenz ergibt sich dafür jedoch keine Begründung.Geht man davon aus, dass mit dem pharmakoepi-demiologischen Ansatz nur 60 % der tatsächlichBetroffenen erkannt werden können („rezeptpflich-tige Medikamente“), erhöht sich die Rate auf 8.101pro 100.000 Personen. Eine weitere Korrektur fürdie etwa 2 % nicht von einer gesetzlichen Sozial-versicherung betreuten Personen wäre möglich.Auch eine Korrektur einer durch Rezeptgebühren-befreiung bedingten Untererfassung der Medika-mente in den Abrechnungsdaten ist denkbar, kannjedoch auch keine Annäherung an die Rate derchronischen Schmerzpatienten in der Gesundheits-befragung erreichen.

5.4 Ist die Prävalenz der Schmerzkrankheit messbar?

Beide Methoden messen die Schmerzkrankheit nurbedingt. Von den in 2.4 dargestellten Einteilungs-kriterien wird lediglich die Dauer berücksichtigt.Andere Einteilungskriterien wie die Krankheitsur-

sache (insbesondere onkologische Erkrankungen)oder das Fortbestehen einer erklärenden Ursachefür den Schmerz werden nicht berücksichtigt. Da-mit ist bei beiden Methoden die Spezifität als ge-ring zu beurteilen. Für den pharmakoepidemiologischen Ansatz kanndie Spezifität durch eine Verlängerung der kontinu-ierlichen Behandlungsdauer erwartet werden. Dadurch sinkt die Rate pro 100.000 Personen auf1,9 %. Eine Einbeziehung weiterer Einteilungskri-terien lässt eine weitere Reduktion erwarten.Nimmt man internationale Angaben zur Prävalenzals Vergleich,23 so verweist das Schmerzzentrumdes Universitätsklinikums Freiburg auf 800.000 bis900.000 Patienten mit Schmerzkrankheit inDeutschland. Diese Größenordnung entspricht et-wa der pharmakoepidemiologischen Sechs-Mona-te-Prävalenz.Daraus kann abgeleitet werden, dass die Prävalenzder Schmerzkrankheit von beiden Methoden, wel-che bestenfalls „länger dauernden“ Schmerz mes-sen können, mangels Spezifität überschätzt wird.

5.5 Interpretationsmöglichkeiten der Unterschiede

Mögliche Ursachen für die große Diskrepanz zwi-schen der Anzahl chronischer Schmerzpatienten inÖsterreich laut Gesundheitsbefragung (24,9 %) undder Anzahl chronischer Schmerzpatienten, die übereinen definierten Zeitraum von drei (4,9 bzw. 8,1 % –vgl. 5.3) beziehungsweise sechs Monaten (1,9 %)Analgetika einnehmen, können aus der Sicht vonSchmerzexperten in Folgendem bestehen: l Eine nicht unerhebliche Anzahl von Personenmit lang anhaltenden Schmerzen behandelt ihreSchmerzen selbst, ohne einen Arzt aufzusuchen.Diese Personen scheinen natürlich in einer Ge-sundheitsbefragung auf! Die Gefahren, die auseiner Selbstmedikation resultieren, sind bekanntund stellen eine nicht vernachlässigbare Belas-tung des Gesundheitssystems dar. Man denke z. B. an die Behandlung gastrointestinaler undkardiovaskulärer Nebenwirkungen durch oft-mals verwendete NSAR.

l Viele Patienten brechen die Behandlung mitAnalgetika aufgrund von Nebenwirkungen oderschlechter Therapiequalität vorzeitig ab. In die-sem Zusammenhang muss erwähnt werden,dass die Behandlung chronischer Schmerzpa-tienten viel Zeit in Anspruch nimmt – Zeit, diein einer Kassenpraxis unmöglich aufgewendetwerden kann. Daraus resultiert eine mangelhafte

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21 http://www.efic.org/userfiles/file/THE%20SOCIETAL%20IMPACT%20OF%20PAIN%20%20A%20ROAD%20MAP%20FOR%20ACTION%20Endorsment%20%2018%2005%202011.pdf, zuletzt abgefragt 30.11.2011.

22 http://www.sip-meetings.org/cmsdata/grt-sip/en_EN/pdf/2011/cesar_margarit.pdf, zuletzt abgefragt 21.12.2011, Folie 27.23 http://www.uniklinik-freiburg.de/schmerzzentrum/live/schmerz.html, abgefragt 1.12.2011.

Der Vergleich der Mess-methoden erhöht die Verlässlichkeit der Interpretation.

Page 13: Schmerzversorgung in ÖsterreichSchmerzkrankheit als „chronischer Schmerz“ be-zeichnet. Im englischen Sprachraum spricht man von „neuropathic pain“. Allerdings wird die Be-zeichnung

Aufklärung der Patienten über Nebenwirkungenund die zum Erreichen adäquater Wirkspiegelnötigen Dosierungen. Das Ergebnis sind schlechtversorgte und verunsicherte Patienten.

l Diese Patienten wissen oftmals nichts von derMöglichkeit, Schmerzambulanzen aufzusuchen,oder sie werden nicht überwiesen.

l Aus Erfahrung wissen wir, dass eine nicht un-bedeutende Anzahl von chronischen Schmerz-patienten auf regulative Therapieverfahren wieNeuraltherapie, Akupunktur etc. sehr gut an-spricht, woraus sich erfreulicherweise oftmalseine Reduktion der medikamentösen Therapieergibt. Diese Patienten scheinen in einer Statis-tik, die sich auf die kontinuierliche Einnahmevon Analgetika bezieht, natürlich nicht auf.

l Eine mangelhafte schmerztherapeutische Aus-bildung führt zu schlechten Behandlungsergeb-nissen und – wie bereits erwähnt – Therapieab-brüchen und schlechter Compliance.

l Schmerztherapeutisch geschulte niedergelasse-ne Ärzte arbeiten zur Zeit unter den gleichenRahmenbedingungen wie nicht geschulte Kolle-gen. Damit werden Anreize zu einer Hebung desQualitätsstandards verhindert. Zugangserleich-terungen zu Spezialuntersuchungen sowie einestatistische Auswertung der Heilmittelkostender Ärzte aufgrund ihrer Spezialisierung (stattder derzeit unspezifischen statistischen Erhe-bung der Heilmittelkosten) würden einer Anhe-bung der Qualität schmerztherapeutischer Inter-ventionen im extramuralen Bereich dienen. Esmuss betont werden, dass, obwohl hier die brei-teste schmerztherapeutische Versorgung ge-schieht, extramurale Bereich derzeit völlig ver-nachlässigt wird.

l (Selbst-)Behandlung mit OTC-Präparaten. l Ad Schmerzzentren: Um eine flächendeckendeVersorgung chronische Schmerzpatienten ge-währleisten zu können, ist die Errichtung vonZentren, in denen diese Patienten adäquat be-handelt werden können, anzustreben. Die An-zahl derartiger Einrichtungen hat sich sicherlicham regionalen Bedarf zu orientieren. Nur mitmultimodalen, aufeinander abgestimmten The-rapiekonzepten und entsprechend geschultem,hochqualifiziertem Personal ist es möglich, die-ses komplexe Krankheitsbild zufriedenstellendzu behandeln. Der Aufbau und die Qualität ei-

nes derartigen Zentrums sollten mit entspre-chender Logistik Wirtschaftlichkeit garantieren.

6 SchlussfolgerungenSchmerz ist ein Symptom mit besonderer Bedeu-tung für die betroffenen Menschen.Viele Krankheiten verursachen Schmerzen. DieSchmerzbehandlung ist daher in den jeweiligenkausalen Behandlungsversuch zu integrieren. AlleFachgebiete benötigen eine ausreichende Kompe-tenz für die Schmerzbehandlung. l Die Prävalenz von „erheblichen Schmerzen“(Schmerzen, die eine medikamentöse Therapieerforderlich machen) liegt bei 38,6 % (43,2 %).

l Die Prävalenz von Schmerzen mit einer Dauervon mehr als drei Monaten liegt laut der Ge-sundheitsbefragung bei 24,9 %. Schmerzen miteiner Dauer von mehr als drei Monaten, die einemedikamentöse Therapie erforderlich machen,haben eine Prävalenz von 4,9 %.

l Die Spezifität für die Messung der Prävalenz derSchmerzkrankheit lässt sich durch eine Ausdeh-nung der erforderlichen Behandlungsdauer er-höhen. Sie liegt dann für eine Dauer von sechsMonaten bei 1,9 %. Es erscheint plausibel, dassdieser Wert eine Überschätzung darstellt.

l Für Planungsfragen kann bis zum Vorliegen bes-serer Grundlagen diese Größenordnung als Ober-grenze betrachtet werden. Dies deshalb, weil aus denregionalen Schwankungen eine beträchtliche Varia-bilität in der Ist-Versorgung erkannt werden kann.

Mit dem vorliegenden Vergleich zweier Methodenwird im Sinne der Versorgungsforschung ein bes-seres Verständnis der Krankheitslast in Österreichgeschaffen. Die Stärken und Schwächen der Me-thoden führen zu unterschiedlichen Ergebnissen,beleuchten dadurch aber jeweils von der Ver-gleichsmethode unzureichend erfasste Dimensio-nen. Eine Befragung bringt die subjektive Sichtder betroffenen Personen zur Geltung und zeigtderen Krankheitsverständnis und -erleben. Routi-nedaten spiegeln hingegen Patientenpräferenzen,Behandler-Meinungen und Infrastruktur-Einflüsse(angebotsinduzierte Nachfrage) wider. Der Ver-gleich dieser beiden Methoden und die (zukünfti-ge) Kombination mit anderen Methoden (Krebs-epidemiologie zum Erkennen von malignenSchmerzursachen) schaffen eine bessere Basis fürschwierige Entscheidungen.

NEUE WEGE BEHANDLUNGSMASSNAHMEN

36 S O Z I A L E S I C H E R H E I T 1/2013

Eine Befragung bringt die subjektive Sicht der betroffenen Personen zur Geltungund zeigt deren Krankheitsverständnis und -erleben. Routinedaten spiegeln

hingegen Patientenpräferenzen, Behandler-Meinungen und Infrastruktur-Einflüsse(angebotsinduzierte Nachfrage) wider.