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1 von 10 RAAbits Kunst Februar 2013 Objektanalyse 8 Das Ophelia-Motiv SII Eugène Delacroix: „Tod der Ophelia“, 1844; Tafelmalerei, 55 x 64 cm; Sammlung Oskar Reinhart, Winterthur John Everett Millais: „Ophelia“, 1851–52; Öl auf Lein- wand, 76 x 112 cm; Tate Gallery, London Gregory Crewdson: „Untitled (Ophelia)“, aus der Serie Twilight, 1998–2002; C-Print, 12,9 x 152,4 cm. © Gregory Crewdson. Courtesy Gagosian Gallery zur Vollversion

SII Objektanalyse 8 Das Ophelia-Motiv · 6 von 10 RAAbits Kunst Februar 2013 Das Ophelia-Motiv Objektanalyse 8 SII Tipp: Geben Sie den Diktierenden einige Minuten Zeit, um sich eine

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RAAbits Kunst Februar 2013

Objektanalyse 8 Das Ophelia-MotivSII

Eugène Delacroix: „Tod der Ophelia“, 1844; Tafelmalerei, 55 x 64 cm; Sammlung Oskar Reinhart, Winterthur

John Everett Millais: „Ophelia“, 1851–52; Öl auf Lein-wand, 76 x 112 cm; Tate Gallery, London

Gregory Crewdson: „Untitled (Ophelia)“, aus der Serie Twilight, 1998–2002; C-Print, 12,9 x 152,4 cm. © Gregory Crewdson. Courtesy Gagosian Gallery

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RAAbits Kunst Februar 2013

Das Ophelia-Motiv Objektanalyse 8 SII

There is a willow grows askant a brook,

That shows his hoar leaves in the glassy stream;

There with fantastic garlands did she make

Of crow-flowers, nettles, daisies, and long purples

That liberal shepherds give a grosser name,

But our cold maids do dead men’s fingers call them.

There, on the pendent boughs her coronet weeds

Clamb’ring to hang, an envious sliver broke,

When down her weedy trophies and herself

Fell in the weeping brook. Her clothes spread wide,

And, mermaid-like awhile they bore her up,

Which time she chanted snatches of old lauds,

As one incapable of her own distress,

Or like a creature native and indued

Unto that element. But long it could not be

Till that her garments, heavy with their drink,

Pull’d the poor wretch from her melodious lay

To muddy death.

(William Shakespeare: Hamlet, IV. Akt, 7. Szene)

Es neigt ein Weidenbaum sich übern Bach

Und zeigt im klaren Strom sein graues Laub,

Mit welchem sie phantastisch Kränze wand

Von Hahnfuß, Nesseln, Maßlieb, Kuckucksblumen,

Die dreiste Schäfer derber wohl benennen,

Doch unsre Mädchen Toten-Mannes-Finger.

Dort, als sie aufklomm, um ihr Laubgewinde

An den gesenkten Ästen aufzuhängen,

Zerbrach ein falscher Zweig, und nieder fielen

Die rankenden Trophäen und sie selbst

Ins weinende Gewässer. Ihre Kleider

Verbreiteten sich weit und trugen sie

Sirenen gleich ein Weilchen noch empor,

Indes sie Stellen alter Weisen sang,

Als ob sie nicht die eigne Not begriffe,

Wie ein Geschöpf, geboren und begabt

Für dieses Element. Doch lange währt’ es nicht,

Bis ihre Kleider, die sich schwer getrunken,

Das arme Kind von ihren Melodien

Hinunterzogen in den schlammigen Tod.

(William Shakespeare: Hamlet, IV. Akt, 7. Szene.

Übersetzung durch August Wilhelm von Schlegel)

Shakespeares Ophelia – von ekphratischer Dichtung zum populären Bildmotiv

Shakespeares Tragödie Hamlet (um 1600) zählt zu den bekanntesten Werken des Dichters. Er entwirft darin ein psychologisch vertracktes Beziehungsgeflecht zwischen den Figuren – dazu zählt auch die zum Scheitern verurteilte Liebe zwischen Ophelia und dem Titelhelden.

Zur Handlung in Kürze: Hamlets Vater, der König von Dänemark, wurde vom eigenen Bruder ermordet. Dieser ehelicht daraufhin Hamlets Mutter und besteigt den Thron. Hamlet erscheint nun der Geist des verstorbenen Vaters. Durch diesen erfährt er vom Meuchelmord und möchte diesen sühnen. Dabei verdichtet sich das Intrigengespinst am dänischen Hofe so weit, dass eine Liebesbeziehung zwischen Hamlet und Ophelia – sie ist die Tochter des Hofmarschalls – zum Scheitern verurteilt ist. Als Hamlet aus einem Missverständnis heraus auch noch den Mord an Ophelias Vater zu verantworten hat, verfällt Ophelia dem Wahnsinn. Dass sie schließlich beim Flechten von Blumenkränzen in den Bach fällt und ertrinkt, lässt auf einen Freitod schließen.

Die einleitenden Zeilen stammen aus dem englischen Originaltext bzw. der deutschen Überset-zung durch August Wilhelm von Schlegel und beschreiben Ophelias Tod. Es ist Hamlets Mutter, die die tragische Nachricht überbringt. Ophelias Schicksal selbst bleibt den Augen der Theater-besucher vorenthalten. Es ist daher überraschend, dass sich dieser Botenbericht zu einem derart populären Bildmotiv entwickelt hat. Doch bei genauerer Analyse der Textstelle fällt dessen rheto-rische Qualität auf. Die Anschaulichkeit, mit der die Zeilen verfasst sind, macht deutlich, dass hier kein nüchterner Ton vorherrscht. Die Textstelle birgt eine enorm suggestive Kraft in sich – in der Fachsprache ist diesbezüglich von Ekphrasis die Rede. Das imaginative Potenzial dieser Ekphrasis ist damit als Triebfeder und Erklärung für die bildnerischen Umsetzungen von Ophe-lias Sterben anzusehen.

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RAAbits Kunst Februar 2013

Das Ophelia-Motiv Objektanalyse 8 SII

Tipp: Geben Sie den Diktierenden einige Minuten Zeit, um sich eine gedankliche Struktur für das Diktat zu überlegen. Währenddessen sollen die Zeichnen-den bereits das Bildformat als Rahmen aufzeichnen. Damit verhindern Sie, dass die Zeichnenden von Anfang an formatfüllend arbeiten. Das flexibilisiert den Zeichenprozess. Der Bildraum kann gegebe-nenfalls noch erweitert werden, um beispielsweise Details zu ergänzen.

Anmerkungen:

Das Bilddiktat ist eine besonders in der Unterstufe beliebte Methode. Dort diktiert in der Regel der Lehrer und die Lernenden zeichnen oder malen. Diese Diktate haben gemeinhin den Ruf einer Konzentrations- oder Stil-leübung. Eine vertiefte, über das Diktat hinausgehende Auseinandersetzung mit dem diktierten Bildinhalt findet häufig nicht statt.

Der Vorschlag hier möchte dem entgegenwirken und das Bilddiktat als persönliche Auseinandersetzung mit dem Bildsujet vorschlagen. Denn das Diktat und die daran gekoppelte Neugier am Original sensibilisie-ren die Lernenden für das Kunstwerk. Es schafft einen persönlichen Bezug und schärft den Blick, sodass man im Anschluss an das Diktat mit ganz anderen Augen auf das Ausgangsbild schaut.

Damit sich die Schülerinnen und Schüler die Bilder erfolg-reich gegenseitig diktieren können, sollten sie bereits über Grundkenntnisse und Vokabular zur Bildbetrach-tung verfügen. Das ist wichtig, um das Bild planvoll vom Vorder- über den Mittel- hin zum Hintergrund zu beschrei-ben bzw. zu diktieren. Eine logische Reihenfolge ist für ein gelingendes Diktat obligatorisch. Detailreiche Bilder, wie Crewdsons Fotografie, können das Diktat erschweren. Erlauben Sie aus diesem Grund, etwaige Nebensächlichkeiten auszusparen. Diese Auslassungen müssen aber im Anschluss gemeinschaftlich reflektiert und womöglich revidiert werden, um dem Bild gerecht zu werden.

Thema 2: Bildbetrachtung

Aufgabe: Verfassen Sie einen Fließtext zu Crewdsons Fotografie und gehen Sie dabei folgen-dermaßen vor.

• Beschreiben Sie das Bild Untitled (Ophelia).

• Analysieren Sie mithilfe von Skizzen die formale Gestaltung von Crewdsons Arbeit. Erläutern Sie anschließend Ihre Erkenntnisse. Berücksichtigen Sie dabei die Komposition

(Figur–Bildraum) sowie Farb- und Formgebung.

• Interpretieren Sie Crewdsons Fotografie auf der Grundlage Ihrer formalen Analyse. Beziehen Sie dazu die literarische Quelle und Kenntnisse über die amerikanische Weltanschauung ein.

Material: Farbabbildung von Gregory Crewdsons Untitled (Ophelia), Textausschnitt aus William Shakespeares Hamlet (IV. Akt, 7. Szene)

Beispiele für in Partnerarbeit entstandene Bilddiktate zum Ophelia-Motiv (von oben nach unten: Delacroix, Millais und Crewdson)

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RAAbits Kunst Februar 2013

Das Ophelia-Motiv Objektanalyse 8 SII

Formalanalytische Skizzen

Mediothek

Literatur

Kindler, Simone: Ophelia – der Wandel von Frauenbild und Bildmotiv. Berlin: Reimer 2004.

Diese Abhandlung spürt der Entstehung des Ophelia-Motivs nach. Dabei richtet die Autorin ihr Augenmerk speziell auf die Weiblichkeitskonstruktionen, die an die verschiedenen Ophelia-Darstellungen geknüpft sind. Im Zuge dessen arbeitet sie beispielsweise Wahnsinn – Wasser – Tod als Leitstruktur für das Ophelia-Motiv heraus. Ferner fokussiert die Abhandlung Delac-roix’ Ophelia-Darstellung im Besonderen und weist dessen Rückgriff auf die christliche Märtyrer-Ikonografie nach – genauer noch den Typus der büßenden Maria Magdalena. Bildversionen von Künstlern wie Millais oder Redon werden nur gestreift. Crewdson bleibt von der Autorin unberücksichtigt.

Meyers, Hans: Wir erleben Kunstwerke. Wege kind- und jugendgemäßer Kunstbetrachtung. Oberursel (Taunus): Finkenverlag 1961.

Dieses Büchlein ist zwar schon älteren Erscheinungsdatums, hat aber nicht an Aktualität einge-büßt. Hierin finden sich unter anderem detaillierte Ausführungen bezüglich der Relevanz produk-tiv-schöpferischer Bildbetrachtung; allem voran greift der Autor hierzu das Bilddiktat auf. Er differenziert die Methodik noch schärfer als im vorliegenden Beitrag und führt beispielsweise die Begrifflichkeiten frei und bildgebunden ein. Man kann den Titel leider nur noch antiquarisch erwerben.

Internetadressen

gutenberg.spiegel.de

Das Projekt Gutenberg ist eine Literaturdatenbank auf Spiegel-Online. Hier haben Sie einen kostenfreien Zugriff auf die deutschen Übersetzungen von Hamlet durch Christoph Martin Wieland und August Wilhelm von Schlegel.

www.inhaltsangabe.de/shakespeare/hamlet

Hier finden Sie eine detailliertere Inhaltsangabe zu Shakespeares Hamlet.

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