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14 · Interview der Woche · Nr. 27-28 · 7. Juli 2017 Die Wirtschaſt · Interview der Woche · 15 Nr. 27-28 · 7. Juli 2017 Die Wirtschaſt Frau Trinkwalder, was war die Initialzündung für die Gründung ihres Textilunter- nehmens „manomama“? Gewöhnlich wird ein Unterneh- men gegründet, wenn es eine innovative Produktidee oder eine neue Dienstleistung gibt. Dann sucht man geeignete Mitarbeiter und führt das Vorhaben zum Erfolg. Bei „manomama“ ist es anders. Die Idee war und ist der Mensch. Ich wollte 2010 etwas auf die Beine stellen, damit Men- schen, die sonst auf dem Arbeits- markt kaum Chancen haben, eine Möglichkeit bekommen, ihren eigenen Erwerb zu erwirtschaſten, um damit an unserer Gesellschaſt teilhaben zu können. Davor führten sie elf Jahre lang sehr erfolgreich eine Werbeagentur. Wie ist ihnen dieser „Branchenwechsel“ gelungen? Was eine Unternehmerin braucht, ist die Beherrschung der vier Grundrechnungsarten, Mut und ein gutes Bauchgefühl. Erfolg- reich kannst du nur sein, wenn dir Spaß macht, was du tust. Ich glaube fest daran, dass unsere unternehmerische Aufgabe weit über das Firmentor hinausgeht. Das heißt... Für mich ist klar, dass Unterneh- merinnen etwas Relevantes für die Gesellschaſt tun müssen. Wir leben in einer Leistungsgesell- schaſt, aber allen vom Arbeits- markt ausgegrenzten Menschen verwehren wir den erneuten Zu- gang. Es geht darum, diese Men- schen wieder hereinzuholen. Wir können die Welt nicht verändern, aber wir können sie jeden Tag ein bisschen besser machen! Wie machen sie „die Welt ein bisschen besser“? Bei „manomama“ arbeiten über- wiegend langzeiterwerbslose, al- leinerziehende, ältere Menschen, die es sonst am Arbeitsmarkt sehr schwer haben. Für meine 150 Mit- arbeiterinnen bekomme ich keine Fördermittel oder Subventionen, das Unternehmen ist zu 100 Prozent eigenkapitalisiert. Mei- ne Mitarbeiterinnen haben ihren Lohn von zehn Euro pro Stunde - unabhängig von der jeweiligen Tätigkeit und Ausbildung - selbst gewählt und suchen sich auch den Umfang ihrer Arbeitszeit selbst aus, denn die Familie soll sich nicht nach Arbeit richten, sondern umgekehrt. Außerem haben wir sogenannte Sozialboni. Die be- kommen unsere Mitarbeiterinnen nicht, wenn jemand besonders viel arbeitet, sondern wenn sich jemand besonders in unsere Ge- meinschaſt einbringt. Ganz oſt ist das etwas ganz anderes als das, was wir Führungskräſte denken. Rohstoffe aus der Region, keine teuren Preise für ihre Textilien „made in Germa- ny“, faire Löhne - sie schrei- ben mit ihrem Unternehmen schwarze Zahlen. Was pas- siert mit dem Gewinn? Unsere Produktkalkulation deckt die Herstellungs- und Betriebsko- sten, auf hohe Margen verzichten wir, um wettbewerbsfähig zu sein. Wenn mal ein Gewinn übrig bleibt, wird dieser für neue Ar- beitsplätze und für gemeinsames Feiern mit der gesamten Mann- und Frauschaſt verwendet. 2016 haben wir acht Millionen Euro Umsatz erwirtschaſtet, 63.000 Euro blieben übrig - vor Steuer. Ich messe den Zweck des Unter- nehmertums nicht am finanziel- len Erfolg. Erfolg heißt für mich, etwas für die Gesellschaſt zu tun. Dafür eine Textilproduktion in Augsburg zu etablieren ist aber sehr ungewöhnlich... Augsburg war ähnlich wie Dorn- birn eine Textilhauptstadt. Mit dem Niedergang der Branche gingen 40.000 Arbeitsplätze ver- loren. Das ist strukturell nie überwunden worden, die Arbeits- plätze gerade für die Frauen in der Region waren verloren. Augsburg ist die ärmste Stadt in Bayern, dem reichsten Bundesland Deutsch- lands. Als ich 2010 keine Anzeige für die Suche nach Beschäſtigten schaltete, sondern eine Reportage in einer Regionalzeitung über meine Pläne erschienen ist, inter- essierten sich 700 Menschen für eine Arbeitsstelle bei uns. Ich ver- suchte 48 zu finden, die ein gutes Team werden können, denn nähen konnte kaum jemand (lacht). Bei „manomama“ werden unterschiedliche Kleidungs- stücke hergestellt, sie ferti- gen aber auch für große Un- ternehmen Taschen an... Bei einer Preisverleihung lernte ich durch Zufall Leute von dm kennen und wir wollten eine gemeinsame Sache starten. Die Herausforderung lautete eine Einkaufstasche komplett „made in Germany“ innerhalb einer regionalen Wertschöpfungskette herzustellen. Eine Erfolgsgeschichte: Die Taschen haben einen Sieges- zug hingelegt! Ich wollte die Handtasche für „die kleine Frau“ produzieren. Alle acht Wochen wurde die Farbe geändert und insgesamt haben wir über 15 Millionen Stück pro- duziert. Heute haben wir viele weitere große Kunden. Neben T-Shirts, Kleidern, Pullovern und Jacken sind bei „manomama“ auch „Augsburg Denim“ zu finden: Jeans „made in Augsburg“ - geht das? Bei uns kommen alle Rohstof- fe, sofern verfügbar, aus der Region. Darunter zählen Hanf, Leder, Schurwolle und Viskose. Einzig die Biobaumwolle wächst nicht in unseren Breitengra- den. Deshalb beziehen wir sie vom nächstgelegenen Punkt: der Türkei und Tansania. Auch die Weiterverarbeitungsschritte wie Spinnen, Weben, Stricken und Ausrüsten sowie alle Zutaten (Reißverschlüsse, Knöpfe, Nähfä- den etc.) werden im Umkreis von 300 Kilometern von Augsburg realisiert. Klappt das mal nicht, machen wir gerne einen Ausflug nach NRW oder Brandenburg – dann aber immer „Hergestellt in Deutschland“. Ein kreativer Kopf wie sie hat wahrscheinlich schon das nächste Projekt in Pla- nung... Ein Herzensprojekt von mir ist die „brichbag“ für obdachlose Men- schen. Aus dem Zuschnittmaterial eines Markisenherstellers nähen wir Rucksäcke, damit diese Men- schen ihr Hab und Gut nicht weiter in Plastiksäcken tragen, sondern mit den Rucksäcken zu Reisenden werden. Sie werden mit Büchern, Müsliriegeln, Hygieneartikeln etc. bestückt. Mit jedem Rucksack, den wir verkaufen, kann ein neuer produziert werden. Danke für das Gespräch! Interview: Sabine Barbisch Sina Trinkwalder: „Ich will die Welt jeden Tag ein bisschen besser machen“ Von der erfolgreichen Werberin zur Textilun- ternehmerin - die Augs- burger Unternehmerin Sina Trinkwalder gibt mit „manomama“ auf dem Ar- beitsmarkt benachteilig- ten Menschen die Chance auf eine Arbeit und pro- duziert „fair, sozial und ökologisch“. Sina Trinkwalder war für das Sommergespräch von Frau in der Wirtschaſt in Vorarlberg und erzählt im Interview mit „Die Wirtschaſt“, warum sie mit „manomama“ ausgerechnet in Süddeutschland Kleidung produziert und was das mit der Verantwortung gegenüber der Gesellschaſt zu tun hat. Sina Trinkwalder (1978) gründete mit ihrem Mann gleich nach ihrem Abitur eine Werbeagentur, die sie zusammen elf Jahr lang sehr erfolgreich leiteten. 2010 folgte der große Wende- punkt und Sina Trinkwalder rief das Textilunternehmen „manomama“ ins Leben. Dort beschäftigt sie auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen. Sina Trinkwalder ist auch Autorin mehrer Bü- cher. Sie lebt mit ihrem Sohn in Augsburg. n Zur Person Sina Trinkwalder star- tete ihr einzigartiges Projekt im April 2010 und bekam schon zahl- reiche Auszeichnungen für ihr Engagement; darunter den Deut- schen Nachhaltigkeits- preis und das Bundes- verdienstkreuz. n Sommergespräch von Frau in der wirtschaft im Raiffeisenforum Dornbirn V.l.: Regina Kieninger, Uli Zumtobel, Christina Zwischenbrugger. V.l.: Veronika Marte, Evi Abbrederis und Sabine Tichy-Treimel. Susanne Schindler (l.) und Doris Kroppa. V.l.: Karin Furtner, Sina Trinkwalder, Evelyn Dorn (Vorsitzende Frau in der Wirtschaſt). Fotos: Dietmar Mathis Claudia Khüny (l.) und Doris Hörburger Gabriele Kastl (l.) und Theresia Fröwis, Obfrau der Sparte Handel

Sina Trinkwalder: Pullovern und Jacken sind „Ich will … · aber wir können sie jeden Tag ein bisschen besser machen! Wie machen sie „die Welt ein bisschen besser“? Bei „manomama“

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14 · Interview der Woche · Nr. 27-28 · 7. Juli 2017Die Wirtschaft · Interview der Woche · 15Nr. 27-28 · 7. Juli 2017

Die Wirtschaft

Frau Trinkwalder, was war die Initialzündung für die Gründung ihres Textilunter-nehmens „manomama“?

Gewöhnlich wird ein Unterneh-men gegründet, wenn es eine innovative Produktidee oder eine neue Dienstleistung gibt. Dann sucht man geeignete Mitarbeiter und führt das Vorhaben zum Erfolg. Bei „manomama“ ist es anders. Die Idee war und ist der Mensch. Ich wollte 2010 etwas auf die Beine stellen, damit Men-schen, die sonst auf dem Arbeits-markt kaum Chancen haben, eine Möglichkeit bekommen, ihren eigenen Erwerb zu erwirtschaften, um damit an unserer Gesellschaft teilhaben zu können.

Davor führten sie elf Jahre lang sehr erfolgreich eine Werbeagentur. Wie ist ihnen dieser „Branchenwechsel“ gelungen?

Was eine Unternehmerin braucht, ist die Beherrschung der vier Grundrechnungsarten, Mut und ein gutes Bauchgefühl. Erfolg-reich kannst du nur sein, wenn dir Spaß macht, was du tust. Ich glaube fest daran, dass unsere unternehmerische Aufgabe weit über das Firmentor hinausgeht.

Das heißt...Für mich ist klar, dass Unterneh-merinnen etwas Relevantes für die Gesellschaft tun müssen. Wir leben in einer Leistungsgesell-schaft, aber allen vom Arbeits-markt ausgegrenzten Menschen verwehren wir den erneuten Zu-gang. Es geht darum, diese Men-schen wieder hereinzuholen. Wir können die Welt nicht verändern, aber wir können sie jeden Tag ein bisschen besser machen!

Wie machen sie „die Welt ein bisschen besser“?

Bei „manomama“ arbeiten über-wiegend langzeiterwerbslose, al-leinerziehende, ältere Menschen,

die es sonst am Arbeitsmarkt sehr schwer haben. Für meine 150 Mit-arbeiterinnen bekomme ich keine Fördermittel oder Subventionen, das Unternehmen ist zu 100 Prozent eigenkapitalisiert. Mei-ne Mitarbeiterinnen haben ihren Lohn von zehn Euro pro Stunde - unabhängig von der jeweiligen Tätigkeit und Ausbildung - selbst gewählt und suchen sich auch den Umfang ihrer Arbeitszeit selbst aus, denn die Familie soll sich nicht nach Arbeit richten, sondern umgekehrt. Außerem haben wir sogenannte Sozialboni. Die be-kommen unsere Mitarbeiterinnen nicht, wenn jemand besonders viel arbeitet, sondern wenn sich jemand besonders in unsere Ge-meinschaft einbringt. Ganz oft ist das etwas ganz anderes als das, was wir Führungskräfte denken.

Rohstoffe aus der Region, keine teuren Preise für ihre Textilien „made in Germa-ny“, faire Löhne - sie schrei-ben mit ihrem Unternehmen schwarze Zahlen. Was pas-siert mit dem Gewinn?

Unsere Produktkalkulation deckt die Herstellungs- und Betriebsko-sten, auf hohe Margen verzichten

wir, um wettbewerbsfähig zu sein. Wenn mal ein Gewinn übrig bleibt, wird dieser für neue Ar-beitsplätze und für gemeinsames Feiern mit der gesamten Mann- und Frauschaft verwendet. 2016 haben wir acht Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, 63.000 Euro blieben übrig - vor Steuer. Ich messe den Zweck des Unter-nehmertums nicht am finanziel-len Erfolg. Erfolg heißt für mich, etwas für die Gesellschaft zu tun.

Dafür eine Textilproduktion in Augsburg zu etablieren ist aber sehr ungewöhnlich...

Augsburg war ähnlich wie Dorn-birn eine Textilhauptstadt. Mit dem Niedergang der Branche gingen 40.000 Arbeitsplätze ver-loren. Das ist strukturell nie überwunden worden, die Arbeits-plätze gerade für die Frauen in der Region waren verloren. Augsburg ist die ärmste Stadt in Bayern, dem reichsten Bundesland Deutsch-lands. Als ich 2010 keine Anzeige für die Suche nach Beschäftigten schaltete, sondern eine Reportage in einer Regionalzeitung über meine Pläne erschienen ist, inter-essierten sich 700 Menschen für eine Arbeitsstelle bei uns. Ich ver-suchte 48 zu finden, die ein gutes Team werden können, denn nähen konnte kaum jemand (lacht).

Bei „manomama“ werden unterschiedliche Kleidungs-stücke hergestellt, sie ferti-gen aber auch für große Un-ternehmen Taschen an...

Bei einer Preisverleihung lernte ich durch Zufall Leute von dm kennen und wir wollten eine gemeinsame Sache starten. Die Herausforderung lautete eine Einkaufstasche komplett „made in Germany“ innerhalb einer

regionalen Wertschöpfungskette herzustellen.

Eine Erfolgsgeschichte: Die Taschen haben einen Sieges-zug hingelegt!

Ich wollte die Handtasche für „die kleine Frau“ produzieren. Alle acht Wochen wurde die Farbe geändert und insgesamt haben wir über 15 Millionen Stück pro-duziert. Heute haben wir viele weitere große Kunden.

Neben T-Shirts, Kleidern, Pullovern und Jacken sind bei „manomama“ auch „Augsburg Denim“ zu finden: Jeans „made in Augsburg“ - geht das?

Bei uns kommen alle Rohstof-fe, sofern verfügbar, aus der Region. Darunter zählen Hanf, Leder, Schurwolle und Viskose. Einzig die Biobaumwolle wächst nicht in unseren Breitengra-den. Deshalb beziehen wir sie

vom nächstgelegenen Punkt: der Türkei und Tansania. Auch die Weiterverarbeitungsschritte wie Spinnen, Weben, Stricken und Ausrüsten sowie alle Zutaten (Reißverschlüsse, Knöpfe, Nähfä-den etc.) werden im Umkreis von 300 Kilometern von Augsburg realisiert. Klappt das mal nicht, machen wir gerne einen Ausflug nach NRW oder Brandenburg – dann aber immer „Hergestellt in Deutschland“.

Ein kreativer Kopf wie sie hat wahrscheinlich schon das nächste Projekt in Pla-nung...

Ein Herzensprojekt von mir ist die „brichbag“ für obdachlose Men-schen. Aus dem Zuschnittmaterial eines Markisenherstellers nähen wir Rucksäcke, damit diese Men-schen ihr Hab und Gut nicht weiter in Plastiksäcken tragen, sondern mit den Rucksäcken zu Reisenden werden. Sie werden mit Büchern, Müsliriegeln, Hygieneartikeln etc. bestückt. Mit jedem Rucksack, den wir verkaufen, kann ein neuer produziert werden.

Danke für das Gespräch!

Interview: Sabine Barbisch

Sina Trinkwalder: „Ich will die Welt jeden Tag ein bisschen besser machen“

Von der erfolgreichen Werberin zur Textilun-ternehmerin - die Augs-burger Unternehmerin Sina Trinkwalder gibt mit „manomama“ auf dem Ar-beitsmarkt benachteilig-ten Menschen die Chance auf eine Arbeit und pro-duziert „fair, sozial und ökologisch“.

Sina Trinkwalder war für das Sommergespräch von Frau in der Wirtschaft in Vorarlberg und erzählt im Interview mit „Die Wirtschaft“, warum sie mit „manomama“ ausgerechnet in Süddeutschland Kleidung produziert und was das mit der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu tun hat.

Sina Trinkwalder (1978) gründete mit ihrem Mann gleich nach ihrem Abitur eine Werbeagentur, die sie zusammen elf Jahr lang sehr erfolgreich leiteten. 2010 folgte der große Wende-punkt und Sina Trinkwalder rief das Textilunternehmen „manomama“ ins Leben. Dort beschäftigt sie auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen. Sina Trinkwalder ist auch Autorin mehrer Bü-cher. Sie lebt mit ihrem Sohn in Augsburg.

nZur Person

Sina Trinkwalder star-tete ihr einzigartiges Projekt im April 2010

und bekam schon zahl-reiche Auszeichnungen

für ihr Engagement; darunter den Deut-

schen Nachhaltigkeits-preis und das Bundes-

verdienstkreuz.

nSommergespräch von Frau in der wirtschaft im Raiffeisenforum Dornbirn

V.l.: Regina Kieninger, Uli Zumtobel, Christina Zwischenbrugger.

V.l.: Veronika Marte, Evi Abbrederis und Sabine Tichy-Treimel.

Susanne Schindler (l.) und Doris Kroppa.

V.l.: Karin Furtner, Sina Trinkwalder, Evelyn Dorn (Vorsitzende Frau in der Wirtschaft). Fotos: Dietmar Mathis

Claudia Khüny (l.) und Doris Hörburger

Gabriele Kastl (l.) und Theresia Fröwis, Obfrau der Sparte Handel