Spektrum der Wissenschaft - Die Woche: Extra-Ausgabe Higgs-Boson

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  • 8/13/2019 Spektrum der Wissenschaft - Die Woche: Extra-Ausgabe Higgs-Boson

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    Ein bitterses Ende?Die Entdeckung das Higgs-Teilchens vor einem Jahr warder Hhepunkt einer spektakulren Suche. Es brachte dieTeilchenphysik des 20. Jahrhunderts zum Abschluss und beschert der Disziplin eine ungewisse Zukunft.

    > Das schwerste Boson,das wir je gefunden haben

    > Higgs-Boson praktisch

    nachgewiesen > Das Higgs hat viele Vter

    TITELTHEMA: HIGGS-BOSON

    Mit ausgewhlten Inhalten aus

    NOBELPREISE

    Higgs-Teilchen und-Mechanismus preisgekrnt

    BESCHLEUNIGER

    Die Weltmaschinevon morgen

    MEINUNG: GRAVITONEN

    Entpuppt sich die Suchenach der Weltformel alsHirngespinst?

    DIE WOCHE

    201309.10.

    Extra-ausgabe

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der Nobelpreis fr Physik 2013 geht an die

    Erforscher des Higgs-Bosons. Kein Wunder:

    Die Entdeckung des lange vorhergesagten

    Teilchens war wohl die wissenschaftlicheNachricht des bisherigen Jahrhunderts und

    wurde daher weit ber die Fachwelt hinaus

    gewrdigt. Daher widmen wir dem Higgs-

    Boson eine eigene Sonderausgabe von

    Spektrum Die Woche.

    Wer mehr ber Spektrum Die Woche und

    das einzige wchentliche Wissenschaftsma-

    gazin Deutschlands erfahren mchte, ndet

    ausfhrliche Informationen unter http://

    www.spektrum.de/spektrum-die-woche . Ich

    wrde mich freuen, wenn Sie uns dort besu-

    chen.

    Mit besten Gren

    Folgen Sie uns:

    EDITORIAL IMPRESSUM

    Chefredakteur: Prof. Dr. Carsten Knneker (v.i.S.d.P.)Redaktionsleiter: Dr. Daniel LingenhhlRedaktion: Antje Findeklee, Jan Dnges, Dr. Jan OsterkampStndige Mitarbeiter: Lars FischerArt Director Digital: Marc Grove Layout: Oliver GabrielSchlussredaktion: Christina Meyberg (Ltg.),Sigrid Spies, Katharina WerleBildredaktion: Alice Krmann (Ltg.), Anke Lingg, Gabriela RabeVerlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH,Slevogtstrae 35, 69126 Heidelberg, Tel. 06221 9126-600,Fax 06221 9126-751; Amtsgericht Mannheim, HRB 338114,UStd-Id-Nr. DE147514638Verlagsleiter: Richard ZinkenGeschftsleitung: Markus Bossle, Thomas BleckMarketing und Vertrieb: Annette Baumbusch (Ltg.)Leser- und Bestellservice: Helga Emmerich, Sabine Husser,Ute Park, Tel. 06221 9126-743, E-Mail: [email protected]

    Die Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH ist Kooperati-onspartner des Nationalen Instituts fr WissenschaftskommunikationGmbH (NaWik). Das NaWik ist ein Institut der Klaus Tschira StiftungGmbH und des Karlsruher Instituts fr Technologie. Wissenschaftlicher.Direktor des NaWik ist Spektrum-Chefredakteur Dr. Carsten Knneker.

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    Daniel Lingenhhl Redaktionsleiter Spektrum Die Woche

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    INHALT

    GRAVITONEN

    Entpuppt sich die Suche nach derWeltformel als Hirngespinst?Wenig Hoffnung fr dieVereinheitlichung der Physik

    TITELTHEMA:HIGGS-BOSON

    Ein bitterses Ende?Ein Jahr Higgs-Boson und die Folgenseiner Entdeckung

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    TEILCHENPHYSIK

    Higgs-Boson praktischnachgewiesen

    HIGGS

    Das schwerste Boson,das wir je gefunden haben

    REZENSION

    Was knnen wir wissen?von Josef Honerkamp

    F O T O L I A / D A V I D U S

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    9

    18CERN

    Die Physik wird wiederTeil der KulturRolf-Dieter Heuer ber Higgs-Bosonen, Entdeck-ungen und die Zukunft der Teilchenbeschleuniger

    BESCHLEUNIGER

    Die Weltmaschine von morgenWelche Technik erlaubt einen genaueren Blickauf das Higgs-Boson?

    NOBELPREISE

    Higgs-Teilchen und-Mechanismus preisgekrntFavoritensieg im Rennenum den Physik-Nobelpreis

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    PHYSIKNOBELPREIS

    Das Higgs hat viele Vter

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    MEINUNG

    MEINUNG: GRAVITONEN

    Entpuppt sich die Suche nach der

    Weltformel als Hirngespinst?von Ashutosh JogalekarDie Chancen, ein einzelnes Graviton und damit die Gravitationskraft zu nden,gehen gegen null. Und damit steht die Weltformel auf der Kippe, meintder Chemiker und Wissenschaftsautor Ashutosh Jogalekar aus Cambridge,Massachusetts, in seinem Blog bei Scientic American.

    Vereinheitlichung ist ein al-tes Ziel der Physik. Seit im19. Jahrhundert Physikerwie Maxwell und Clausi-us versucht hatten, schein-

    bar unvereinbare physikalische Phnome-ne doch zusammenzuzwngen, gehrt dieSuche nach der groen und einzigen The-orie, die alle bekannten Krfte und physi-kalischen Gesetze in sich vereinigt, zu denimpliziten wie expliziten Trumen derWissenschaftler. Die Suche nach der Welt-formel ist im weitesten Sinn ein Strebennach Harmonie, das Verlangen, das gesam-te Universum durch die Linse eines einzi-gen, eleganten Gesetzes oder einer Glei-chung zu betrachten, die alles erklrt.

    Viele Einheitsbestrebungen waren be-merkenswert erfolgreich. Zuerst brachtendie Pioniere der Thermodynamik die Me-chanik und Hitze zusammen, dann ver-woben Faraday und Maxwell spektakulrElektrizitt, Magnetismus und Optik zu ei-nem nahtlosen Teppich. Sogar Einsteinsberhmteste Gleichung kann als eine ArtVereinheitlichung betrachtet werden, dieunterstreicht, dass selbst fundamentaleGren wie Materie und Energie nur zweiSeiten der gleichen Medaille sind.

    Das Einheitsdenken durchzieht das 20.Jahrhundert: von der Begrndung des Wel-le-Teilchen-Dualismus bis hin zu einemgemeinsamen Rahmen fr das Verstnd-nis der speziellen Relativittstheorie und

    Ashutosh Jogalekar A S H U T O S H J O G A L E K A R

    http://blogs.scientificamerican.com/the-curious-wavefunction/2013/05/03/why-the-search-for-a-unified-theory-may-turn-out-to-be-a-pipe-dream/http://blogs.scientificamerican.com/the-curious-wavefunction/2013/05/03/why-the-search-for-a-unified-theory-may-turn-out-to-be-a-pipe-dream/
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    MEINUNG

    der Quantenmechanik. Pioniere der Teil-chenphysik wie Feynman, Weinberg undtHooft brachten uns qulend nah ans ul-timative Ziel einer Weltformel aber ebennur so weit: Die Anziehungskrfte erwie-

    sen sich als hartnckig, und ihre Vereini-gung mit der Quantentheorie blieb daswohl grte ungelste Problem der Physikin den letzten 50 Jahren. Viele der grtenDenker von Einstein bis Edward Witten bissen sich daran die Zhne aus: mit gerin-gem Erfolg. Die Stringtheorie behauptetfr sich, dass sie die Aufgabe bewltigenknne, doch gelang es ihr bislang eben-so wenig wie anderen Theorien, fundierte,prfbare Voraussagen zu treffen.

    Aus experimenteller Sicht ist einer deraussichtsreichsten Kandidaten, um eineQuantentheorie der Anziehungskrfte zutesten, die Suche nach Gravitonen : Teil-chen, die zwischen den Anziehungskrf-ten vermitteln. Das fundamentale Prob-lem, die Gravitonen aufzuspren, liegt inder extremen Schwche dieser gravitati-ven Krfte. Um es zu lsen, haben Physikerextrem empndliche Gerte entwickelt,die prinzipiell selbst den leisesten Haucheines Gravitons registrieren sollten etwaLIGO, eines der Meisterstcke. Das LaserIn-

    terferometer Gravitational Wave Observa-tory nutzt hchst sensible Interferometer,um winzigste Verschiebungen im Ereignis-raum aufzuspren, die vom Durchtritt ei-ner Gravitationswelle verursacht werden.

    LIGO ist ein Wunder der Physik wie der In-genieurkunst und wurde wahrhaftig dazukonstruiert, die Gravitationswellen zu re-gistrieren, die von der klassischen allge-meinen Relativittstheorie vorausgesagtwerden. Ein typisches Experiment unter-sucht die Interferenz eines hochkonzent-rierten Laserstrahls, der zwischen zwei ver-spiegelten Einwlbungen mit einer fest-gelegten Entfernung hin- und herspringt.Whrenddessen wartet das Gert darauf,dass eine Gravitationswelle aus einer fest-gelegten Quelle die Laserstrahlen passiert.

    Sobald eine derartige Welle das Inter-ferometer durchquert, verndert sich derEreignisraum. Je nach Ausgangspunkt derWelle und ihrer Polarisation resultiert diesin einer effektiven Lngenvernderung ei-ner oder beider Einwlbungen. Letztlichkommt es zu einer Phasenverschiebungder beiden Teilwellen des Laserlichts, undderen Interferenz ndert die Intensitt desLichts, was sich messen lsst. Allerdings istdieser Effekt winzig klein und muss mit

    hchster Vorsicht aufgezeichnet werden,um keine Messfehler zu erhalten.

    Diese extreme Sensibilitt verstrkt sichnoch, wenn es an den eigentlichen Nach-weis der Gravitonen geht. Wie fein wrden

    die Einsse der abgesonderten Gravitonensein? In einem Kapitel von John Brockmansneuem Buch This explains everything ver-sucht Freeman Dyson vom Institute of Ad-vanced Study in Princeton diese Feinheitenzu quantizieren. In dessen Verlauf erzhltDyson, dass die Anstrengungen, die Gravita-tion und die Quantenmechanik letztlich zuvereinen, zum Scheitern verurteilt ist. DasSchlsselergebnis ist die Auslenkung derbeiden Spiegel, die von der Passage der Gra-vitationswelle eingeleitet wird, was eine ver-nderte Interferenz der Laserstrahlen verur-sacht, die schlielich zum Signal fhrt.

    Dysons Berechnung demonstriert, dassdiese Vernderung so klein ausfllt, dasssie vom Hintergrundrauschen der Quan-tenuktuationen im Ereignisraum schlichtverschluckt wrde. Man knnte nun dieSpiegel so schwer konstruieren, dass sienicht mehr von Quantenuktuationengestrt wrden. Doch Dyson beschreibt,wie schwer sie ausfallen mssten: Wegendes Hintergrundrauschens und des Lrms

    http://de.wikipedia.org/wiki/Gravitonhttp://de.wikipedia.org/wiki/Interferometerhttp://de.wikipedia.org/wiki/Interferometerhttp://de.wikipedia.org/wiki/Interferometerhttp://de.wikipedia.org/wiki/Interferometerhttp://de.wikipedia.org/wiki/Graviton
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    MEINUNG

    durch die Instrumente knnen die LIGO-Detektoren gegenwrtig nur Wellen erfas -sen, die wesentlich strker als ein einzelnesGraviton sind. Doch selbst in einem vl-lig stummen Universum kann ich die Fra-

    ge beantworten, ob ein idealer LIGO-De-tektor ein einzelnes Graviton nachweisenknnte. Die Antwort lautet Nein. Im stillenUniversum wird die Exaktheit der Entfer-nungsmessung von der Unschrferelationder Spiegelpositionen bestimmt. Um dieseUnschrferelation klein zu halten, mssendie Spiegel schwer sein. Eine einfache Rech-nung, die auf den bekannten Gesetzen derGravitation und Quantenmechanik basiert,fhrt zu einem eindrucksvollen Ergebnis:Um ein einziges Graviton mit LIGO nach-zuweisen, mssten die Spiegel so schwersein, dass sie sich unaufhaltsam anziehenund schlielich zu einem Schwarzen Lochzusammenstrzen! Mit anderen Worten:Die Natur schliet aus, dass wir mit diesemInstrument erfolgreich sein knnen.

    Letztes Jahr erzhlte mir Dyson, dass erintensiv nach Mngeln in seiner Kalkulati-on gesucht habe erfolglos. Falls sie auchweiterhin Prfungen standhlt, gingen dieEinschrnkungen weit ber den versuch-ten Nachweis einzelner Gravitonen hin-

    aus. Es knnte bedeuten, dass die Welt derGravitation und der subatomaren Teilchenfr immer getrennt blieben: Eine funda-mentale physikalische Barriere wrde ver-hindern, dass sie das jeweils andere Reich

    durchdringen knnten.Oder wie es Dyson ausdrckt: Sollte

    sich diese Hypothese als wahr herausstel-len, hiee das, dass sich die Theorien derQuantengravitation als nicht testbar unddamit wissenschaftlich bedeutungslos he-rausstellen wrden. Das klassische Univer-sum und das Quantenuniversum knntendann in friedlicher Koexistenz leben. KeineUnvereinbarkeiten zwischen beiden knn-ten je aufgezeigt werden. Beide Abbildun-gen des Universums knnten wahr sein und die Suche nach der Weltformel wrdesich als Illusion herausstellen.

    Mssten wir uns rgern, wenn dies tat-schlich der Fall sein sollte? Ich denkenicht. Das Fehlen einer Quantengravita-tionstheorie bedeutet vielleicht das Endeder Vereinheitlichung, aber es wrde auchandeuten, dass das Universum vielfltigerist, als wir bislang denken. Einheitlichkeitund Vielfalt tragen gleichermaen zur Fas-zination des Kosmos bei. Darwins Evoluti-onstheorie illustriert diese Tatsache per-

    fekt: Sie stellt einen gngigen Mechanis-mus fr die Entwicklung der Arten dar undbezeugt gleichzeitig die erstaunliche Viel-falt der heute lebenden Spezies.

    Entpuppt sich die Weltformel als Hirn-gespinst, sollten wir die Tatsache feiern,dass das Universum noch interessanterist, als wir uns bislang vorgestellt haben gleich welche Krfte es hervorgebracht ha-ben. Unser Scheitern wrde einen weiterenErfolg bedeuten: dass das Universum einunerschpicher Quell an Reichtmernist. Dafr sollten wir dankbar sein.