27
Statistik I f¨ ur Betriebswirte Vorlesung 1 Dr. Andreas W¨ unsche TU Bergakademie Freiberg Institut f¨ ur Stochastik 9. April 2018 Dr. Andreas W¨ unsche Statistik I f¨ ur Betriebswirte Vorlesung 1 1

Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

  • Upload
    lyanh

  • View
    224

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Statistik I fur BetriebswirteVorlesung 1

Dr. Andreas Wunsche

TU Bergakademie FreibergInstitut fur Stochastik

9. April 2018

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 1

Page 2: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Organisatorisches

I Vorlesung: Mo, 11:00-12:30, FOR-0270.

I Ubungen:I Di, 7:30-9:00, FOR-0270, Dipl.-Math. Markus Dietz,I Di, 14:00-15:30, RAM-2220, Dr. Anna Chekhanova,I Mi, 11:00-12:30, LED-1105, Dr. Andreas Wunsche.

I Selbststudium (Laut Modulbeschreibung zusammen fur beideSemester 120h Prasenzzeit und 150h Selbststudium.)

I Information: http://www.mathe.tu-freiberg.de/wiwistat

I Prufung: Klausur 120 Minuten, zugelassen sind Taschenrechner,Bucher, Mitschriften; nicht zugelassen sind Laptops, Handys.

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 2

Page 3: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Themen

I Wahrscheinlichkeitsrechnung (ca. 7 Vorlesungen).I Zufallige Ereignisse und Wahrscheinlichkeiten, bedingte

Wahrscheinlichkeiten, Unabhangigkeit.I Zufallsgroßen, Typen, Charakterisierung und Kenngroßen.I Wichtige diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilungen.I Wichtige stetige Wahrscheinlichkeitsverteilungen.

I Beschreibende (deskriptive) Statistik (ca. 3 Vorlesungen).I Beispiele und Grundbegriffe.I Eindimensionale Merkmale.I Zweidimensionale Merkmale.I Indexzahlen.

I Schließende (induktive) Statistik (ca. 3 Vorlesungen).I Stichproben.I Parameterschatzungen.

I Fortsetzung im folgenden Semester: Statistik fur Betriebswirte II.

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 3

Page 4: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

1. Wahrscheinlichkeitsrechnung

1.1 Einleitung

I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oftmit Situationen, Versuchen, Beobachtungen, etc., zu tun, bei denenErgebnisse nicht genau vorausberechnet werden konnen, eineUnsicherheit besteht, bei denen aber Aussagen und/oderEntscheidungen getroffen werden sollen.

I Beispiele:I Versicherungswesen (Zeitpunkte von Schadensfallen, Hohe von Ein-

bzw. Auszahlungen).I (Statistische) Qualitatskontrolle (notwendige Anderungen von

Produktionsparametern wegen zu mangelhafter Qualitat derErzeugnisse).

I Produktionsplanung (Entwicklung der Nachfrage).I Finanzmarkte (Entwicklung von Aktienkursen, Wechselkursen).I Wetter- und Klimavorhersagen.I Physikalische Grundgesetze (statistische Physik, Quantenphysik).

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 4

Page 5: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

1.2 Zufallige Ereignisse und Wahrscheinlichkeiten

I Ideales Zufallsexperiment, zufalliger Versuch, Zufallssituation:I Genau festgelegte Bedingungen.I Ausgang bzw. Ergebnis des Experiments ist nicht vorhersehbar, die

moglichen Ausgange sind vor Durchfuhrung des Experiments bekannt.I Es ist zumindest gedanklich beliebig oft wiederholbar und eine

statistische Regularitat kann beobachtet oder angenommen werden.

I In einfachen Fallen:Menge aller moglicher Ergebnisse (Ergebnismenge, Grundmenge) Ω.

I Elemente ω1, ω2, . . . der Ergebnismenge sind dieElementarereignisse, Versuchsausgange oder Grundrealisierungen.

I Die verfugbare Information spielt eine große Rolle.

Beispiele:Wurfeln mit einem oder mehreren Wurfeln.Bildquelle: de.wikipedia.org/wiki/Spielwurfel

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 5

Page 6: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Zufallige Ereignisse

I Zufalliges Ereignis oder kurz Ereignis A zu einem betrachtetenZufallsexperiment:nach Durchfuhrung des Zufallsexperiments muss man mit Sicherheitsagen konnen, ob das Ereignis A eingetreten ist oder nicht.

I Im Sinne der (mathematischen) Logik: ”Das Ereignis A isteingetreten.” ist entweder eine wahre oder falsche Aussage.

I Im Fall einer Ergebnismenge Ω: Teilmenge A der Ergebnismenge Ω;das Ereignis A tritt ein, falls das realisierte Ergebnis des zufalligenVersuchs in der Menge A enthalten ist.

Beispiele:

I Wurfeln mit einem oder mehreren Wurfeln.

I Tagliche DAX-Schlusskurse.

Bildquelle: www.boerse.de

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 6

Page 7: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Wahrscheinlichkeiten

I Jedem zufalligen Ereignis A zu einem betrachteten Zufallsexperimentwird eine Zahl zwischen 0 und 1 zugeordnet, die sogenannteWahrscheinlichkeit (fur das Eintreten) des Ereignisses P(A).

I P(A) ist ein quantitatives Maß fur die Chancen, dass das zufalligeEreignis A bei einer Realisierung des Experiments eintritt, z.B.P(A) ≈ 0 ⇒ sehr geringe; P(A) ≈ 1 ⇒ sehr große Chancen.

I Hintergrund sind Eigenschaften von relativen Haufigkeiten

hn(A) =Hn(A)

n≈ P(A) (falls n groß) ;

Hn(A) Haufigkeit des Eintretens von A in n (unabhangigen)Realisierungen des Zufallsexperiments.

I Haufigkeitsinterpretation fur P(A): bei n Realisierungen desZufallsexperiments wird (oft) das zufallige Ereignis A ungefahrn · P(A) mal eintreten und n · (1− P(A)) mal nicht eintreten.

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 7

Page 8: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Stabilisierung von relativen Haufigkeiten – Beispiel

Quelle: N.Henze, Stochastik fur Einsteiger, 2013, 10.Auflage, Kap.4 .

Ergebnisse von 300 Wurfen einer Reißzwecke auf einen Steinboden mitden beiden moglichen Ergebnissen ”Spitze nach oben” = ”1” und ”Spitzeschrag nach unten” = ”0”.

Fortlaufend notierte relative Haufigkeiten fur ”1”:

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 8

Page 9: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Verknupfungen von Ereignissen

Geg.: Zufallsexperiment mit Ergebnismenge Ω und zufalligenEreignissen A,B .

I Vereinigung A ∪ B : A oder B (oder beide) treten ein.

I Durchschnitt A ∩ B : A und B treten beide ein.

I Differenz A \ B : A tritt ein, aber B nicht.

I Das zu A komplementare (entgegengesetzte) EreignisA = Ac = ¬A : tritt genau dann ein, wenn A nicht eintritt;A = Ω \ A .

I Unmogliches Ereignis ∅ : tritt niemals ein.

I Sicheres Ereignis Ω : tritt immer ein (gleich Ergebnismenge).

I A und B sind unvereinbar (sind disjunkt, schließen einander aus) : siekonnen nicht gemeinsam eintreten, d.h. A ∩ B = ∅.

I Das Ereignis A zieht das Ereignis B nach sich : A ⊂ B (wenn Aeintritt, dann tritt auch B ein).

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 9

Page 10: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Rechenregeln fur Verknupfungen von Ereignissen

Geg.: Zufallsexperiment mit Ergebnismenge Ω und zufalligenEreignissen A,B,C . Dann gelten wie allgemein fur Teilmengen A,B,Ceiner Menge Ω die folgenden Rechenregeln.

I Kommutativitat : A ∪ B = B ∪ A , A ∩ B = B ∩ A .

I Assoziativitat : (A ∪ B) ∪ C = A ∪ (B ∪ C ) ,(A ∩ B) ∩ C = A ∩ (B ∩ C ) .

I Distributivitat : (A ∪ B) ∩ C = (A ∩ C ) ∪ (B ∩ C ) ,(A ∩ B) ∪ C = (A ∪ C ) ∩ (B ∪ C ) .

I Regeln von de Morgan : A ∩ B = A ∪ B , A ∪ B = A ∩ B .

I A ∪ A = Ω , A ∩ A = ∅ , A \ B = A ∩ B ,(A)

= A ,A ∪∅ = A , A ∩∅ = ∅ , A ∪ Ω = Ω , A ∩ Ω = A .

I Entsprechend konnen auch Vereinigungen und Durchschnitte vonmehr als zwei Ereignissen definiert werden und auch dieRechenregeln konnen entsprechend verallgemeinert werden.

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 10

Page 11: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Ubungsbeispiel 1.1

Entwicklung von 3 konkreten Aktienkursen in einem festen Zeitraum aneiner bestimmten Borse.

Si = Wert der Aktie i steigt .

Ges.: Darstellung der folgenden Ereignisse durch die Ereignisse Si .

I A = Wert aller 3 Aktien steigt .

I B = Wert keiner der 3 Aktien steigt .

I C = Wert mindestens einer der 3 Aktien steigt .

I D = Wert genau einer der 3 Aktien steigt .

I E = Wert aller 3 Aktien fallt oder bleibt gleich .

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 11

Page 12: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Axiomatische Wahrscheinlichkeitsdefinition (Kolmogorow)

I Mathematisches Modell fur ein Zufallsexperiment ist einWahrscheinlichkeitsraum (Ω,A,P) .

I Ω ist eine nichtleere Menge (Grundraum, Ergebnismenge), sie wirdin komplizierteren Situationen oft nicht explizit angegeben.

I A ist eine Menge von Teilmengen von Ω, so dass endlich viele oderabzahlbar unendliche Verknupfungen von Elementen aus A wiederzu einem Ergebnis in A fuhren (Ereignisalgebra, σ−Algebra).

I Die Wahrscheinlichkeitsfunktion P ordnet jeder Menge A aus A diereelle Zahl P(A) zu, so dass die folgenden Axiome gelten:

1. 0 ≤ P(A) ≤ 1 .

2. P(Ω) = 1 .

3. P(A1 ∪ A2) = P(A1) + P(A2) falls A1 ∩ A2 = ∅ .

4. P

(∞⋃i=1

Ai

)=

∞∑i=1

P(Ai ) falls die Ereignisse Ai paarweise unvereinbar

sind, d.h. Ai ∩ Aj = ∅ (i 6= j) .

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 12

Page 13: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Bemerkungen zu und Folgerungen aus den Axiomen

I Man benutzt oft weiter die Wahrscheinlichkeitsterminologie (z.B.”Ereignis” statt ”Teilmenge”).

I Axiome 1.-3. spiegeln Eigenschaften der relativen Haufigkeiten wider.

I Alle Zuordnungen von Wahrscheinlichkeiten die den Axiomengenugen sind mathematisch gesehen erst einmal korrekt(insbesondere auch subjektive Zuordnungen).

I P(∅) = 0 .

I P(A1 ∪ A2 ∪ . . . ∪ An) = P(A1) + P(A2) + . . .+ P(An) falls dieEreignisse Ai paarweise unvereinbar sind.

I P(A) = 1− P(A) , P(A) = 1− P(A) . (Oft sehr nutzlich!)

I A ⊂ B ⇒ P(A) ≤ P(B) , P(B \ A) = P(B)− P(A) .

I Additionsgesetz: P(A ∪ B) = P(A) + P(B)− P(A ∩ B) .

I Siebformel: P(A ∪ B ∪ C ) =P(A)+P(B)+P(C )−P(A∩B)−P(A∩C )−P(B∩C )+P(A∩B∩C ) .

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 13

Page 14: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Ubungsbeispiel 1.2

Fur die Ereignisse A und B zu einem Zufallsexperiment seien folgendeWahrscheinlichkeiten bekannt:

P(A) = 0.25 , P(B) = 0.45 , P(A ∪ B) = 0, 5 .

Berechnen Sie P(A ∩ B

), P

(A ∩ B

)und P

((A ∩ B

)∪(A ∩ B

))!

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 14

Page 15: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Klassische Wahrscheinlichkeitsdefinition (Laplace-Modell)

I Gilt fur Zufallsversuche mitI endlich vielen moglichen Versuchsergebnissen (n elementare

Versuchsausgange oder Elementarereignisse),

I die alle gleichwahrscheinlich sind (keines wird bevorzugt, alle habendieselbe Chance einzutreten).

I Beispiele:I Wurfeln mit einem fairen oder gerechten Wurfel,

n = 6, Elementarereignisse sind 1, 2, 3, 4, 5, 6 .

I Zahlenlotto”6 aus 49“ ,

n = Anzahl der moglichen Tipps mit 6 aus 49 Zahlen.

I Aus den Axiomen fur Wahrscheinlichkeiten folgt dann die einzigemogliche Definition von Wahrscheinlichkeiten in dieser Situation (diesogenannte klassische Wahrscheinlichkeitsdefinition).

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 15

Page 16: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Klassische Wahrscheinlichkeitsdefinition

I Fur jedes der n Elementarereignisse gilt unter obigen Bedingungen:

P(Elementarereignis) =1

n.

I Fur ein beliebiges Ereignis A gilt unter obigen Bedingungen:

P(A) =Anzahl der Elementarereignisse in A

nbzw.

P(A) =Anzahl der fur A gunstigen Falle

Anzahl aller moglichen gleichwahrscheinlichen Falle.

I Bei Wahrscheinlichkeitsberechnungen im Zusammenhang mit derklassischen Wahrscheinlichkeitsdefinition werden oft kombinatorischeFormeln genutzt.

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 16

Page 17: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Kombinatorische Formeln I

I Geg.: n Objekte, z.B. 1, 2, . . . , n . ⇒ Die Anzahl aller moglichenReihenfolgen betragt n! = 1 · 2 · . . . · n (

”n Fakultat“).

I Geg.: n Objekte, die in k unterschiedlichen Sorten vorliegen,bestehend jeweils aus ni , i = 1, . . . , k , nicht unterscheidbarenObjekten (2 ≤ k ≤ n und n1 + . . .+ nk = n) .⇒ Die Anzahl aller moglichen Reihenfolgen betragt(

n

n1, n2, . . . , nk

)=

n!

n1! · n2! · . . . · nk !(”Polynomialkoeffizient“).

I Im Spezialfall k = 2, d.h. gegeben sind n Objekte, jedes gehort zueiner von zwei Sorten (z.B.

”Erfolg“,

”Misserfolg“), gilt

n1 = m, n2 = n −m und die Anzahl aller moglichen Reihenfolgenbetragt (

n

m

)=

n!

m!(n −m)!(”Binomialkoeffizient“).

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 17

Page 18: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Kombinatorische Formeln II

I Nun seien n Objekte gegeben. Dann ist eine Frage, wie vieleMoglichkeiten es gibt, um daraus k Objekte auszuwahlen ?

Die Antwort ist abhangig davon,I ob sich in der Auswahl Objekte wiederholen durfen (m.W.) oder

nicht (o.W.)

I ob es auf die Reihenfolge der Auswahl (oder eine zusatzlicheAnordnung) ankommt (m.R.) oder nicht (o.R.).

I

o.W. m.W.

o.R.

(n

k

) (n + k − 1

k

)”Kombinationen“

m.R.

(n

k

)k! nk

”Variationen“

I Beispiel: n = 4, k = 2 .

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 18

Page 19: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Ubungsbeispiel 1.3

I Eine Seminargruppe von 21 Studenten hat ihr Statistikseminar ineinem Raum mit 25 Platzen.

I Wieviele Anordnungsmoglichkeiten gibt es fur die vier freien Platze?

I Wieviele verschiedene Sitzordnungen gibt es?

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 19

Page 20: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

1.3 Stochastische Unabhangigkeit

I Definition: Zwei zufallige Ereignisse A und B zu einemZufallsversuch heißen (stochastisch) unabhangig, wenn gilt

P(A ∩ B) = P(A) · P(B) .

I Beispiel: (Zweifacher Munzwurf mit symmetrischer Munze)

A = 1. Wurf Zahl, B = 2. Wurf Zahl .

P(A) =1

2, P(B) =

1

2, P(A ∩ B) =

1

4=

1

2· 1

2.

I Satz: A und B seien unabhangige Ereignisse zu einem zufalligenVersuch. Dann sind auch die zufalligen Ereignisse A und dasKomplement von B, also B , unabhangig. Ebenso sind in diesem FallA und B sowie auch A und B jeweils unabhangige Ereignisse.

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 20

Page 21: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Unabhangigkeit von mehr als 2 Ereignissen

I Zufallige Ereignisse A1, . . . ,An zu einem Zufallsversuch heißenpaarweise unabhangig, falls alle Paare von ausgewahlten Ereignissenunabhangig sind, d.h.

P(Ai ∩ Aj) = P(Ai ) · P(Aj) fur alle i 6= j .

I Diese Ereignisse heißen in Gesamtheit oder total oder vollstandig(stochastisch) unabhangig, falls eine entsprechende Formel fur allemoglichen Auswahlen (nicht nur von Paaren) gilt, d.h. fur alle

2 ≤ k ≤ n, 1 ≤ i1 < . . . < ik ≤ n gilt

P(Ai1 ∩ . . . ∩ Aik ) = P(Ai1) · . . . · P(Aik ) .

I Aus der totalen Unabhangigkeit der Ereignisse A1, . . . ,An folgt diepaarweise Unabhangigkeit der Ereignisse, aber die Umkehrung giltim Allgemeinen nicht.

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 21

Page 22: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Summenformel

I Summenformel fur unabhangige Ereignisse A1, . . . ,An :

P(A1 ∪ . . . ∪ An) = 1− (1− P(A1)) · . . . · (1− P(An)) .

I Die Unabhangigkeit von Ereignissen wird der Einfachheit halberhaufig vorausgesetzt, oft auch dann, wenn sie sachlich schwerbegrundbar ist. Oft beziehen sich unabhangige Ereignisse aufVersuchswiederholungen etc., die sich (scheinbar) nicht gegenseitigbeeinflussen.

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 22

Page 23: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Anwendung in Zuverlassigkeitstheorie

Betrachten die Serien- und Parallelschaltung von Bauteilen, Teilsystemen(z.B. in Produktionslinien) etc., die unabhangig voneinander ausfallenoder funktionstuchtig sind.

I 2 Bauteile T1,T2, Fi = Bauteil Ti funktioniert, P(Fi ) = pi ,Fi stochastisch unabhangig (i = 1, 2) .

I Serien- oder Reihenschaltung funktioniert, wenn sowohl T1 als auchT2 funktionieren:

P(F1 ∩ F2) = P(F1)P(F2) = p1p2 .

I Parallelschaltung funktioniert, wenn T1 oder T2 oder beide Bauteilefunktionieren (also mindestens eines der Bauteile funktioniert):

P(F1 ∪ F2) = P(F1) + P(F2)− P(F1 ∩ F2) = p1 + p2 − p1p2 .

I n Bauteile T1, . . . ,Tn, Fi = Bauteil Ti funktioniertFi vollstandig stochastisch unabhangig (i = 1, . . . , n) .

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 23

Page 24: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Serien- oder Reihenschaltung

I Serien- oder Reihenschaltung

funktioniert (Ereignis S), wenn alle Bauteile T1,T2, . . . ,Tn

funktionieren:

S = F1 ∩ F2 . . . ∩ Fn

=⇒ P(S) = P(F1) · P(F2) · . . . · P(Fn).

I Serien- oder Reihenschaltung funktioniert nicht, wenn mindestenseines der Bauteile T1,T2, . . . ,Tn nicht funktioniert:

S = F 1 ∪ F 2 . . . ∪ F n

P(S) = 1− P(S)

= 1− P(F1) · P(F2) · . . . · P(Fn)

= 1−((1− P(F 1)) · (1− P(F 2)) · . . . · (1− P(F n))

).

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 24

Page 25: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Parallelschaltung

I

Parallelschaltung funktioniert (Ereignis S), wenn mindestens einBauteil T1,T2, . . . ,Tn funktioniert:

S = F1 ∪ F2 ∪ . . . ∪ Fn

=⇒ P(S) = 1− ((1− P(F1)) · (1− P(F2)) · . . . · (1− P(Fn))) .

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 25

Page 26: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Parallelschaltung

I Parallelschaltung funktioniert nicht, wenn alle BauteileT1,T2, . . . ,Tn nicht funktionieren:

S = F 1 ∩ F 2 . . . ∩ F n

=⇒ P(S) = P(F 1) · P(F 2) · . . . · P(F n)

= (1− P(F1)) · (1− P(F2)) · . . . · (1− P(Fn)).

I Bei komplizierteren Schaltungen Zerlegung in einfachere Teilsysteme(reine Serien- und Parallelschaltungen).

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 26

Page 27: Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 1 - tu-freiberg.de · 1. Wahrscheinlichkeitsrechnung 1.1 Einleitung I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften, usw. hat man es oft mit

Ubungsbeispiel 1.4

Ein System besteht aus vier Komponenten. Dabei sei Fi (i = 1, . . . , 4)das Ereignis, dass die i-te Komponente des Systems nicht ausfallt. DieseEreignisse sind vollstandig unabhangig und haben folgendeWahrscheinlichkeiten:

P(F1) = 0.95 ,P(F2) = 0.85 ,P(F3) = 0.9 und P(F4) = 0.9.

Das System funktioniert, falls von den Komponenten 1 und 2 und vonden Komponenten 3 und 4 mindestens jeweils eine Komponentefunktioniert.Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafur, dass das System funktioniert?

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 27