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20 Customer Excellence JULI / AUGUST / SEPTEMBER 2016 Stephan Isenschmid DAS FAN-PRINZIP Um die Qualität von Kundenbeziehungen zu messen, ist es heutzutage nicht mehr ausreichend, zu analysieren, wie zufrieden Kunden sind. Die belastbare Zielgrösse ist die emotionale Kundenbindung, die über die Fan-Quote abgebildet werden kann. Wie (digitale) Kundenbeziehungen perfekt gemanagt werden und den Unternehmenserfolg steigern können, weiss Roman Becker, Pionier in der Analyse von emotionaler Kundenbindung und Keynote-Referent am Swiss CRM Forum 2016. Herr Becker, warum sind Kontakte – sei es über analoge/ persönliche oder digitale Kanäle – grundsätzlich so wichtig für die emotionale Kundenbindung? Roman Becker: Auch hochzufriedene Kunden verhalten sich zunehmend illoyal, da Produkte und Leistungen in ihrer Wahr- nehmung immer austauschbarer werden. Vor diesem Hinter- grund sind Kontakte so wichtig, da sie Unter- nehmen die Gelegenheit bieten, Beziehun- gen emotional aufzuladen und für den Kunden einzigartig zu machen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom «Herzblut- faktor». Was besonders erstaunlich ist: Wir wissen heute aus unseren Studien, dass es für diesen «Herzblutfaktor» nicht entschei- dend ist, ob tatsächlich ein direkter Kontakt zwischen Kunden und Mitarbeitern entsteht (also bei persönlichen oder telefonischen Kontakten). Auch über digitale Kanäle können Sie eine emotionale Bindung zum Nutzer aufbauen und festigen, vorausgesetzt, der Kunde konnte den Kanal frei wählen. Entscheidend ist, dass der Kon- takt von den Kunden als exzellent erlebt wird. Unsere Studien zeigen zudem, dass es einen Zusammenhang zwischen Kon- takthäufigkeit einerseits und der Zufriedenheit und Bindung andererseits gibt: häufige, exzellent erlebte Kontakte steigern die Zufriedenheit und die Bindung von Kunden. Digitale Kanäle gewinnen in der Akzeptanz und Präferenz bestimmter Kundengruppen rasant an Bedeutung. Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Kundenbindung in diesen Kanälen? Dort, wo digitale Kanäle immer beliebter werden, sinken gleichzeitig die Nutzerzahlen in den herkömmlichen Kanälen. Somit schwindet die Chance, im persönlichen Kontakt Emotio- nen aufzubauen und Kundenbeziehungen positiv aufzuladen. Es kommt dann entscheidend darauf an, diese Emotionalisie- rung auch in den digitalen Kanälen voranzutreiben. Vorher müssen wir aber verstehen, wie emotionale Kundenbindung entsteht. Emotionale Kundenbindung entsteht dann, wenn Unternehmen durch fokussierte und orchestrierte Leistungs- erbringung und Kommunikation zentrale Bedürfnisse in der Wahrnehmung der Kunden an allen Kontaktpunkten besser bedienen als jeder Wettbewerber. So entsteht in den Köpfen der Kunden eine Monopolstellung, die die Kunden zu Fans macht. Wir nennen dies das «Fan-Prinzip». Kurz: Das Unter- nehmen muss die zentralen Kundenbedürfnisse und die da- mit verbundenen Erwartungen genau kennen und verstehen und an allen Kontaktpunkten immer wieder erlebbar machen. Die Erfolgsfaktoren sind folglich bei digitalen wie bei analo- gen Kanälen die gleichen: Kunden müssen sich abgeholt füh- len, sie müssen spüren, dass der jeweilige Kanal auf ihre zen- tralen Bedürfnisse ausgerichtet ist. Und sie müssen die Mög- lichkeit haben, interaktiv zu kommunizieren und ein Kundenfeedback abzugeben. Viele Unternehmen versuchen, Kunden durch Omnichan- nel-Konzepte kanalübergreifend konsistent zu bedienen und vor allem die Integration zwischen Online- und Off- linekanälen zu verbessern. Welche besonderen Anforde- rungen haben Kunden im Omnichannel-Umfeld? Der Ansatz, Kunden kanalübergreifend konsistent zu bedie- nen, ist genau der richtige und entspricht dem «Fan-Prinzip». Das meinen wir, wenn wir von Orchestrierung sprechen. Kun- dengruppen mit einer hohen Affinität zu digitalen Kanälen ha- ben dabei besondere Erwartungen im Hinblick auf die Nutzer- freundlichkeit, Schnelligkeit und die intuitive Problemlösungs- kompetenz. Bei Omnichannel-Konzepten erwarten Kunden vor allem eine transparente und gut funktionierende Verzahnung zwischen den einzelnen Kanälen. Sie erwarten zum Beispiel, dass ein persönlicher Kundenberater die Daten des Kunden parat hat, die gleichen Leistungen wie auf der Website zusa- gen kann und sich innerhalb der Website gut auskennt. «Eine hohe Fan-Quote ist die Garantie dafür, dass digitale Kanäle als zusätzliche Kontakt-, Orientierungs- und Vertriebs- kanäle den Unternehmenserfolg steigern.» Roman Becker

Stephan Isenschmid DAS FAN-PRINZIP · 2016-07-20 · wissen heute aus unseren Studien, dass es für diesen «Herzblutfaktor» nicht entschei- ... sie müssen spüren, dass der jeweilige

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Customer Excellence

JULI / AUGUST / SEPTEMBER 2016

Stephan Isenschmid

DAS FAN-PRINZIPUm die Qualität von Kundenbeziehungen zu messen, ist es heutzutage nicht mehr ausreichend, zu analysieren, wie zufrieden Kunden sind. Die belastbare Zielgrösse ist die emotionale Kundenbindung, die über die Fan-Quote abgebildet werden kann. Wie (digitale) Kundenbeziehungen perfekt gemanagt werden und den Unternehmenserfolg steigern können, weiss Roman Becker, Pionier in der Analyse von emotionaler Kundenbindung und Keynote-Referent am Swiss CRM Forum 2016.

Herr Becker, warum sind Kontakte – sei es über analoge/persönliche oder digitale Kanäle – grundsätzlich so wichtig für die emotionale Kundenbindung?Roman Becker: Auch hochzufriedene Kunden verhalten sich zunehmend illoyal, da Produkte und Leistungen in ihrer Wahr-nehmung immer austauschbarer werden. Vor diesem Hinter-grund sind Kontakte so wichtig, da sie Unter-nehmen die Gelegenheit bieten, Beziehun-gen emotional aufzuladen und für den Kunden einzigartig zu machen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom «Herzblut-faktor». Was besonders erstaunlich ist: Wir wissen heute aus unseren Studien, dass es für diesen «Herzblutfaktor» nicht entschei-dend ist, ob tatsächlich ein direkter Kontakt zwischen Kunden und Mitarbeitern entsteht (also bei persönlichen oder telefonischen Kontakten). Auch über digitale Kanäle können Sie eine emotionale Bindung zum Nutzer aufbauen und festigen, vorausgesetzt, der Kunde konnte den Kanal frei wählen. Entscheidend ist, dass der Kon-takt von den Kunden als exzellent erlebt wird. Unsere Studien zeigen zudem, dass es einen Zusammenhang zwischen Kon-takthäufigkeit einerseits und der Zufriedenheit und Bindung andererseits gibt: häufige, exzellent erlebte Kontakte steigern die Zufriedenheit und die Bindung von Kunden.

Digitale Kanäle gewinnen in der Akzeptanz und Präferenz bestimmter Kundengruppen rasant an Bedeutung. Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Kundenbindung in diesen Kanälen? Dort, wo digitale Kanäle immer beliebter werden, sinken gleichzeitig die Nutzerzahlen in den herkömmlichen Kanälen. Somit schwindet die Chance, im persönlichen Kontakt Emotio-nen aufzubauen und Kundenbeziehungen positiv aufzuladen. Es kommt dann entscheidend darauf an, diese Emotionalisie-rung auch in den digitalen Kanälen voranzutreiben. Vorher müssen wir aber verstehen, wie emotionale Kundenbindung entsteht. Emotionale Kundenbindung entsteht dann, wenn Unternehmen durch fokussierte und orchestrierte Leistungs-erbringung und Kommunikation zentrale Bedürfnisse in der Wahrnehmung der Kunden an allen Kontaktpunkten besser

bedienen als jeder Wettbewerber. So entsteht in den Köpfen der Kunden eine Monopolstellung, die die Kunden zu Fans macht. Wir nennen dies das «Fan-Prinzip». Kurz: Das Unter-nehmen muss die zentralen Kundenbedürfnisse und die da-mit verbundenen Erwartungen genau kennen und verstehen und an allen Kontaktpunkten immer wieder erlebbar machen.

Die Erfolgsfaktoren sind folglich bei digitalen wie bei analo-gen Kanälen die gleichen: Kunden müssen sich abgeholt füh-len, sie müssen spüren, dass der jeweilige Kanal auf ihre zen-tralen Bedürfnisse ausgerichtet ist. Und sie müssen die Mög-lichkeit haben, interaktiv zu kommunizieren und ein Kundenfeedback abzugeben.

Viele Unternehmen versuchen, Kunden durch Omnichan-nel-Konzepte kanalübergreifend konsistent zu bedienen und vor allem die Integration zwischen Online- und Off-linekanälen zu verbessern. Welche besonderen Anforde-rungen haben Kunden im Omnichannel-Umfeld?Der Ansatz, Kunden kanalübergreifend konsistent zu bedie-nen, ist genau der richtige und entspricht dem «Fan-Prinzip». Das meinen wir, wenn wir von Orchestrierung sprechen. Kun-dengruppen mit einer hohen Affinität zu digitalen Kanälen ha-ben dabei besondere Erwartungen im Hinblick auf die Nutzer-freundlichkeit, Schnelligkeit und die intuitive Problemlösungs-kompetenz. Bei Omnichannel-Konzepten erwarten Kunden vor allem eine transparente und gut funktionierende Verzahnung zwischen den einzelnen Kanälen. Sie erwarten zum Beispiel, dass ein persönlicher Kundenberater die Daten des Kunden parat hat, die gleichen Leistungen wie auf der Website zusa-gen kann und sich innerhalb der Website gut auskennt.

«Eine hohe Fan-Quote ist die Garantie dafür, dass digitale Kanäle als zusätzliche Kontakt-, Orientierungs- und Vertriebs-kanäle den Unternehmenserfolg steigern.» Roman Becker

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21CONTACT MANAGEMENT MAGAZINE

Customer Excellence

Erwarten Kunden auch monetäre Vorteile und wenn ja, in welcher Form?Für echte Fan-Kunden sind monetäre Anreize nicht nur nicht notwendig, sondern sogar sträflich. Wer lässt sich für seine Liebe schon gerne bezahlen? Solche monetären Vorteile zie-hen in der Regel nicht die eigentlich wertvollen Fan-Kunden, sondern die Söldner-Kunden an. Kunden, die der Gruppe der Söldner angehören, sind zwar überdurchschnittlich zufrie-den, aber nicht an das Unternehmen gebunden. Diese Gruppe hat hohe Wechselambitionen zu einem Wettbewerber. Söld-ner haben weder die notwendige Identifikation noch den not-wendigen Informationsstand, um ihren Anbietern wirkungs-voll weiterhelfen zu können. Wenn sie weiterempfehlen, zie-hen sie regelmässig neue – preissensible und renditeschwache – Söldner-Kunden an.

Wie werden sich Customer Feedback Management und die klassische Loyalitätsmessung ändern müssen?Bei allem Hype – auch die digitalen Kanäle werden nur dann nachhaltig zum Unternehmenserfolg beitragen, wenn Unter-nehmen ihre Hausaufgaben gemacht haben. Wer also kein

fundiertes Verständnis von Kundenbedürfnissen, Kunden-wahrnehmungen und Differenzierungsmöglichkeiten zum Wettbewerb hat und diese fehlenden Erkenntnisse systema-tisch an allen Kontaktpunkten zum Kunden umsetzt, wird auch in den digitalen Kanälen keinen Erfolg haben. Hier ver-wechseln viele Verantwortliche schlichtweg Ursache und Wir-kung. Nicht die digitalen Kanäle schaffen Loyalität und stei-gern die Fan-Quote, sondern umgekehrt: Eine hohe Fan-Quote ist die Garantie dafür, dass digitale Kanäle als zusätzliche Kontakt-, Orientierungs- und Vertriebskanäle den Unternehmenserfolg steigern.

Roman Becker ist Keynote-Referent am Swiss CRM Forum 2016, welches am 8. September 2016 im Kongresshaus in Zürich stattfindet. Er ist Grün-der und Geschäftsführer des Marktforschungs- und Beratungsunterneh-mens «forum! Für beste Beziehungen» und Pionier im Bereich der Analyse emotionaler Kundenbindung. Im April 2015 hat Roman Becker gemein-sam mit Gregor Daschmann im Verlag SpringerGabler das Fachbuch «Das Fan-Prinzip: Mit emotionaler Kundenbindung Unternehmen erfolgreich steuern» veröffentlicht.