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Teilchenphysik: Stand und Perspektiven 142.095 Claudia-Elisabeth Wulz Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften c/o CERN/PH, CH-1211 Genf 23 Tel. 0041 22 767 6592, GSM: 0041 76 487 0919 E-mail: [email protected] http: //home.cern.ch/~wulz TU Wien, 8. Juni 2010 ttp://wulz.home.cern.ch/wulz/Vorlesung/Perspektiven5_juni2010.pdf Teil 5

Teilchenphysik: Stand und Perspektiven 142.095 Claudia-Elisabeth Wulz Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften c/o

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Teilchenphysik: Stand und Perspektiven

142.095

Claudia-Elisabeth Wulz

Institut für Hochenergiephysik derÖsterreichischen Akademie der Wissenschaften

c/o CERN/PH, CH-1211 Genf 23

Tel. 0041 22 767 6592, GSM: 0041 76 487 0919E-mail: [email protected]

http: //home.cern.ch/~wulz

TU Wien, 8. Juni 2010

http://wulz.home.cern.ch/wulz/Vorlesung/Perspektiven5_juni2010.pdf

Teil 5

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D.P. Roy: Eighty Years of Neutrino Physics, http://arxiv.org/abs/0809.1767

W.C. Haxton, B.R. Holstein: Neutrino Physics,http://arxiv.org/abs/hep-ph/9905257

W.C. Haxton, B.R. Holstein: Neutrino Physics: an Update,http://arxiv.org/abs/hep-ph/0306282

T. Morii, C.S. Lim, S.N. Mukherjee: The Physics of the Standard Model and Beyond, World Scientific Publishing Co. (2004)

A. Geiser: Neutrino physics with accelerators and beyond,Rep. Prog. Phys. 63 (2000) 1779-1849

Literatur über Neutrinos

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Das Standardmodell funktioniert erstaunlich gut, bis zu O(100 GeV). Einige Größen sind bis mit 0.1% Genauigkeit bestätigt!

Trotzdem:Neutrinomassen sind im klassischen Standardmodell nicht enthalten.Es gibt das Hierarchieproblem (Stabilität der Higgsmasse).Es gibt keine Vereinheitlichung der Kopplungskonstanten bei sehr hohen Energien. Die Gravitation ist überhaupt nicht berücksichtigt.Es gibt keine Erklärung für dunkle Materie oder dunkle Energie.Wir wissen nicht, was unmittelbar nach dem Urknall geschah.

Deshalb:Teilchenphysiker, Astrophysiker und Kosmologen müssen zusammenarbeiten, um die richtigen Erweiterungen des Standardmodells zu finden. Es gibt ausgezeichnete Werkzeuge wie Beschleuniger, Raumsonden, terrestrische Teleskope, unterirdische Laboratorien und sogar Kernreaktoren. Präzisionsexperimente bei sehr tiefen Energien könnten ebenfalls beitragen.

Probleme des Standardmodells

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1930: Pauli postuliert Neutrino (Energieerhaltung in b-Zerfällen)

1934: Fermi-Theorie der b-Zerfälle

1956: Paritätsverletzung der schwachen WW (Lee, Yang, exp. Wu 1957)K+ (“+”) -> + + 0 (P = +1), K+ (“+”) -> + + + + - (P = -1)

V-A Theorie: nur linkshändige Neutrinos wechselwirken

Entdeckung des Neutrinos durch Cowan and Reines (Reaktor) Inverser -Zerfall e + p+ -> n + e+; Nachweis des e+

1957: Pontecorvo postuliert Neutrino-Oszillationen

1962: Entdeckung eines 2. Neutrino-Flavors : nm ≠ ne

(Lederman, Schwartz, Steinberger) ( + p+ -> + + n; + p+ -> e+ + n)

1990: 3 Familien von leichten Neutrinos aus Zerfallsbreite des Z0 (LEP)

1994-1998: Neutrino-Oszillationen: Neutrinos haben Masse!

2000: 3. Neutrino-Flavor (nt) wird bestätigt (DONUT-Fermilab)

_

_ _

Neutrinos – geschichtlicher Überblick

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Energiespektrum von b-Zerfallselektronen

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?

± p … Impulse der Zerfallsprodukte im Ruhesystem (im MeV-Bereich)

… kinetische Energie des Tochterkerns N’, EN’ << Ee

… Energie des Elektrons

kin

Energieerhaltung:

W. Pauli:

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Pauli postuliert “Neutronen”Pauli postuliert “Neutronen”

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Liebe Radioaktive Damen und Herren, Wie der Überbringer dieser Zeilen, den ich huldvollst anzuhören bitte, Ihnen des näheren auseinandersetzen wird, bin ich angesichts der "falschen" Statistik der N- und Li-6 Kerne, sowie des kontinuierlichen beta-Spektrums auf einen verzweifelten Ausweg verfallen um den "Wechselsatz" (1) der Statistik und den Energiesatz zu retten. Nämlich die Möglichkeit, es könnten elektrisch neutrale Teilchen, die ich Neutronen nennen will, in den Kernen existieren, welche den Spin 1/2 haben und das Ausschliessungsprinzip befolgen und sich von Lichtquanten außerdem noch dadurch unterscheiden, dass sie nicht mit Lichtgeschwindigkeit laufen. Die Masse der Neutronen könnte von der gleichen Grössenordnung wie die Elektronenmasse sein und jedenfalls nicht grösser als 0,01 Protonenmassen. Das kontinuierliche beta-Spektrum wäre dann verständlich unter der Annahme, dass beim beta-Zerfall mit dem Elektron jeweils noch ein Neutron emittiert wird, derart, dass die Summe der Energien von Neutron und Elektron konstant ist.

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Pauli postuliert “Neutronen”

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Fermi-Theorie der schwachen Wechselwirkung

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1934 formulierte Fermi seine Theorie der schwachen Wechselwirkung (Zeitschrift für Physik, 88 (1934) 161, “Versuch einer Theorie der b-Strahlen”) als eine “Kontaktwechselwirkung”, die im Grenzfall Q2 << mW

2 gilt.

Fermikonstante:

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“Neutronen” -> Neutrinos

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1932: James Chadwick entdeckt durch Beschuss von Berylliumatomen mit a-Teilchen die Neutronen als Bestandteile der Atomkerne zusätzlich zu den Protonen.

Pauli publiziert erst 1933, als der Name Neutron schon vergeben war. Fermi schlägt den Namen “Neutrino” vor.

1935

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Entdeckung der Neutrinos

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1956: C. Cowan, F. Reines am Savannah River Reaktor, Georgia, USA

Nach etwa 1 ns wird das Positron zusammen mit einem der rundherum vorhandenen Elektronen vernichtet, wobei zwei Photonen entstehen, die im Detektor registriert werden. Das freie Neutron wird im Wasser abgebremst und nach etwa 1 ms von einem Cadmiumkern eingefangen. Dabei werden wieder zwei Photonen frei, die der Detektor registriert. Zum Nachweis eines Neutrinos muss man folglich auf zwei Detektor-Signale (1. Positron-Vernichtung und 2. Neutronein-fang) mit einem zeitlichen Abstand von ca. 1 ms warten.

F. Reines 1995

Inverser b-Zerfall

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Paritätsverletzung der schwachen WW

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1956: T.D. Lee, Yang. 1957

Theta-Tau-Puzzle:

K+ (“+”) -> + + 0 (P = +1) K+ (“+”) -> + + + + - (P = -1)K+ (“+”) -> + + 0 + 0 (P = -1)

und schienen aufgrund von identischen Massen, Spins und Ladungen dasselbe Teilchen zu sein.Lee und Yang postulierten, dass sie tatsächlich dasselbe Teilchen sind, dass aber die Parität im Fall des “”-Zerfalls nicht erhalten ist (die Parität des Pions und des Kaons ist -1 -> pseudoskalares Teilchen).

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C. S. Wus Experiment (1957)

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Annahme: Spin der Co-Kerne in z-Richtung; die meisten b-Elektronen werden in Gegenrichtung zum Spin emittiert -> linkshändige Elektronen.Gespiegeltes Szenario: Kernspin bleibt in z-Richtung, Elektronen müßten vornehmlich in Spinrichtung emittiert werden. Dies wurde aber von Wu et al. nicht gefunden!Wenn die Parität erhalten wäre, würden genau so viele Elektronen in Kernspinrichtung wie in der Gegenrichtung emittiert werden. Nur linkshändige Teilchen nehmen an der schwachen Wechselwirkung teil. Die Parität ist maximal verletzt!

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2. Neutrinoflavor (n m )

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Brookhaven 1962: L. Lederman, M. Schwartz, J. Steinberger. 1988

Pontecorvo: Warum annihilieren Neutrino und Antineutrino nicht in Photonen?

Lösung: 2 verschiedene Flavors, Erhaltung der Leptonenzahl

Wenn das Antineutrino des Pionzerfalls sich vom Antineutrino des b-Zerfalls unterscheiden soll, dürften keine Elektronen in inversen b-Zerfällen mit Antineutrinos aus dem Pionzerfall produziert werden:

✓✖

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3. Neutrinoflavor (n t )

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Fermilab 2000: Fixed Target Experiment DONUT (Direct Observation of nt)

Indirekter Nachweis durch t’s, die geladenen Leptonpartner des nt :

Lebensdauer des t : 291 fs. Aus 104 nachgewiesenen Neutrinos waren nur 4 nt.

Suche nach “kinked tracks”. t-Spur ca. 1mm lang.

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n t – Ereignis bei DONUT

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Erinnerung: Helizität

s

v v

s: h = +1 (“rechtshändig”) h = - 1 (“linkshändig”)v || s

Helizität (h) entspricht dem Vorzeichen der Projektion des Spins auf die Bewegungsrichtung. Sie ist jedoch nicht lorentzinvariant. Dies wird ersichtlich, wenn das Inertialsystem im rechtshändigen Fall sich mit einer höheren Geschwindigkeit als fortbewegt: h wechselt von +1 auf -1.

Für ein masseloses Teilchen gibt es jedoch kein Inertialsystem, das sich schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann, deshalb ist für solche Teilchen h lorentzinvariant. Für masselose Teilchen ist die Helizität dasselbe wie die Chiralität.

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Linkshändige Neutrinos, rechtshändige Antineutrinos

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s s

Experimentell durch Goldhaber et al. 1958 indirekt entdeckt:

Neutrinos sind linkshändig.Antineutrinos sind rechtshändig.

Pionzerfall: +

: Spin 0 Spin von und müssen entgegengesetzt sein.Wenn rechtshändig ist, muß auch rechtshändig sein! Genau dies wurde gefunden. + : analog wurden nur linkshändige gefunden.

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Weyl-Spinoren

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Massebehaftete Fermionen werden durch 4-komponentige Dirac-Spinoren beschrieben :

, h x … 2-komponentige komplexe Weyl-Spinoren = h hR … rechts-chiral, = x xL … links-chiral

Projektionsoperatoren projizieren rechts- bzw. linkschirale Zustände heraus:

YR, YL … chirale Partner, die den vollen 4-komponentigen Dirac-Spinor bilden:

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Erinnerung: Dirac- und Paulimatrizen

Diracmatrizen g (4 x 4)

Paulimatrizen s (2 x 2)

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Van-der-Waerden - Notation

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Konvention: Index unten für rechts-chirale, oben für links-chirale Spinoren.

Definition: Komponenten von , Komponenten vonPunktierter Index: Komplexkonjugierung der Größe.Man schreibt einen Querstrich über Weyl-Spinoren mit punktierten Indizes (Achtung: dies ist nicht die adjungierte Darstellung , die nur für 4-komponentige Spinoren gilt!), zur Unterscheidung, falls Indices weggelassen werden. Mit dieser Konvention müsste der Dirac-Spinor so geschrieben werden:

Ladungskonjugation: Teilchenspinor -> Antiteilchenspinor

Ladungskonjugationsmatrix C:

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Ladungskonjugation für Weyl-Fermionen

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Ladungskonjugation für Weyl-Fermionen bewirkt Wechsel der Chiralitäten:

Erinnerung Matrizenrechnung: (AB)T = BTAT Diracmatrizen: Antikommutatorregel {g5, gm}=0; g5g5=g0g0=1; PL

+ = PL

T

= PL

In der 2-Komponenten-Schreibweise für Weyl-Fermionen:

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Majorana-Spinoren

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Folgende 4-komponentige Spinoren (Majorana-Spinoren) mit je zwei unabhängigen, komplexen Freiheitsgraden können gebildet werden:

Per definitionem sind sie selbstkonjugiert (Teilchen sind ihre eigenen Antiteilchen):

Majorana-Fermionen können demnach keine elektrische Ladung tragen (-> nur beiNeutrinos möglich). Somit wäre das Teilchen, das wir Antineutrino nennen, der rechts-chirale Partner des links-chiralen Neutrinos.

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Dirac- und Majorana-Massen

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Der Massenterm für “Dirac-Neutrinos” in der Lagrangedichte ist:

Es gibt 4 Zustände: N sind “sterile Neutrinos”, d.h. sie haben außer der Gravitation keine Wechselwirkung, also auch keine schwache Wechselwirkung wie normale Neutrinos.

Folgende Massenterme für “Majorana-Neutrinos” sind jedoch auch möglich in einem erweiterten Standardmodell:

Es gibt 2 Zustände:

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Dirac- und Majorana-Massen

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Im allgemeinsten Fall ist die Lagrangedichte eine Kombination aus Dirac- und Majorana-Termen und kann mit den Substitutionen yL = nL, yR

c = nRc,

yR = NR, yLc = NL

c so geschrieben werden:

Um die Masseneigenwerte und -eigenzustände zu finden, muss man die Neutrino-Massenmatrix diagonalisieren:

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Spezialfälle

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• mR = mL = 0 (q = 450) -> m1,2 = mD Reiner Dirac-Fall (2 degenerierte Majorana-Felder können zu einem Dirac-Feld durch geeignete Linearkombination kombiniert werden).

• mD = 0 (q = 00) -> 2 reine Majorana-Zustände mit verschiedenen Massen für links- und rechtshändige Neutrinos.

• mD >> mL, mR ( q ≈ 450) -> 2 fast degenerierte Majorana-Zustände mit m1,2 ≈ mD (Pseudo-Dirac-Fall, nahe der maximalen Mischung von aktiven und sterilen Neutrinos). Die kleine Differenz der Massenquadrate m1

2 – m22 ≈ 2mD (mR + mL)

führt zu Oszillationen innerhalb derselben Generation (nL <-> nRc), wie von

Pontecorvo 1957 vorausgesagt.

• mR >>mD, mL= 0 ( q = mD/mR << 1) ergibt die Masseneigenwerte m2 = mD

2/mR << mD, m1 ≈ mR

-> See-Saw-Mechanismus

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See-Saw-Mechanismus

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Man erhält ein leichtes (m2) und ein schweres Neutrino (m1). Bei festem mD wird das leichte Neutrino umso leichter je schwerer das schwere Neutrino. Wenn die Dirac-Masse mD die Ordnung der elektroschwachen Skala (ca. 100 GeV) hat und die Majorana-Masse mR bei der GUT-Masse liegt (1015 GeV), ergeben sich genau die kleinen gemessenen Neutrinomassen:

m1 ≈ mR ≈ 1015 GeV <-> mNR

m2 ≈ mD2/mR ≈ 100 GeV2/1015 GeV ≈ 0,01 eV <-> mnL

m1 ≈ mR

m2 = mD2/mR

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n

n

p

p

e

nn__

e

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Doppelter Betazerfall

Der doppelte Betazerfall ist von ca. 10 Isotopen bekannt. Er kann auftreten, wenn die Bindungsenergie von Tochterkernen mit Ordnungszahl Z+2 größer als die der Mutterkerne mit Ordnungszahl Z ist. Hingegen hätte der Tochterkern mit Z+1 eine kleinere Bindungsenergie, wodurch der einfache Betazerfall nicht auftreten kann.

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e

np

p

n

e

n

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Neutrinoloser doppelter Betazerfall

Ein Neutron zerfällt unter Emission eines rechtshändigen Antielektronneutrinos, das dann als linkshändiges Elektronneutrino absorbiert wird:

Neutrinoloser doppelter Betazerfall kann also nur auftreten, wenn Neutrinos Majoranateilchen, also ihre eigenen Antiteilchen, sind. Weiters muss eine Helizitätsänderung stattfinden, was heisst, dass Neutrinos eine Masse haben müssen. DL =2 … Leptonenzahl nicht erhalten!

( , ) → ( +2, ) + 2Z A Z A e-

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2nbb

E(2e)

0nbb

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Heidelberg-Moskau-Experiment_

76Ge 76Se + 2e- + (2n)

Aus der Halbwertszeit des Zerfalls kann man die Neutrinomasse messen:

H. V. Klapdor-Kleingrothaus et al.:

Signal: monochromatische Linieam Endpunkt

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p + N p’s + X

p m + nm

m e + nm + ne

Auf der Erdoberfläche sollte gelten:

2 nm pro ne

Produziert als Zerfallsprodukte in Hadronschauern bei Kollisionen von kosmischen Strahlen mit Kernen in der Atmosphäre:

nm

p

p

m

nm

ne

e

Produktion von atmosphärischen Neutrinos

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R’ = Rm/eDaten / Rm/e

MC ~ 0.65

Messungen verschiedener Experimente ca. 1980-1990

Keine Oszillationen

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Messung von atmosphärischen Neutrinos

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Zylinder mit hochreinem Wasser gefüllt. An den Wänden befinden sich Photoelektronenvervielfacher mit je 50 cm Durchmesser. Cerenkoveffekt dient zum Nachweis der Reaktionen:

ne + N e + Xn m + N m + X

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Superkamiokande-Experiment

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m

Elektronen streuen stärker in Wasser als Müonen, da sie leichter sind. Ihr Cerenkovkegel ist diffuser als der von Müonen.

e

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Unterscheidung von m und e

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Müon-Ereignis

Zerfallselektron

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m - Ereignis

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Elektron-Ereignis

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e - Ereignis

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Atmosphäre

Kosmische Strahlen

U(up-going): Anzahl der von unten kommenden Ereignisse (-1 < cosq < -0.2) D(down-going): Anzahl der von oben kommenden Ereignisse (0.2 < cosq < 1)

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Neutrinofluss bei Superkamiokande

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Monte Carloohne Oszillationen

Monte Carlo Mit Oszillationen

nm nt

Daten

Y. Fukuda et al., PRL Vol. 81, Nr. 8 (1998) 1562

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Asymmetrie (U-D)/(U+D)

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Neutrino 2004 38

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nl = Uli ni

U: Pontecorvo-Maki-Nakagawa-Sakata (MNSP) Matrix

Unitäre Matrix mit 3 Winkeln (12 , 13 , 23) und 1 CP-verletzenden Phase d

Im Gegensatz zum Quark-Mixing ist Neutrino-Mixing groß!

ne n ,m t

q13 und d weitgehend unbekannt!

n m nt

n m ne

U =⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛−

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

−⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

− 100

0cossin

0sincos

cos0sin

010

sin0cos

cossin0

sincos0

001

2323

2323

1313

1313

2323

2323 θθ

θθ

θθ

θθ

θθ

θθδ

δ

i

i

e

e

-

atmosph., solar, Beschl., Reaktoren

(Dirac)

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Neutrino-Mixing

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|ne> = cos |n1> + sin |n2> |nm> = – sin |n1> + cos |n2>ni (t) = ni (0) . exp(-iEit) Für mi<<Ei und p1 = p2= p gilt Ei =p + mi

2 / 2p

|ne (t=0)> = |ne> |ne (t)> = exp(-iE1t) cos |n1> + exp(-iE2t) sin |n2>

P(ne –> nm) = |<nm|ne ( )>|t 2 = sin22 sin2 (Dm2/4E t)

Dm 2 = m12 –m2

2

Wenn Neutrinos Masse haben, können sich Masseneigenzustände

(|n1>, |n2>) und Flavoreigenzustände (|ne>, |nm>) unterscheiden:

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Neutrino-Oszillationen

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L osc (m) = 2.5 En (MeV) / Dm2(eV2)

L/E ist die richtige Variable, wenn Neutrinos ein vollständiges

Energiespektrum haben

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Neutrino-Oszillationen

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Oszillationen nm nt

Neutrinozerfall

Dekohärenz

Superkamiokande 2004hep-ex/0404034

Überlebenswahrscheinlichkeit für nm:

P(nm –> nm) = 1 - sin2223 sin2 _________________________1.27Dm2(eV2) L (km)

E (GeV)

sin2223 > 0.90 (90% C.L.) 0.0019 eV2 < Dm232 < 0.0030 eV2 (90% C.L.)

hep-ex/0406035

KamLAND 2004

Superkamiokande:

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Bestätigung der Oszillationshypothese

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KamLAND-Reaktorexperiment

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Energiespektrum solarer Neutrinosp + p 2H + e+ + e (pp) 0 - 0.4

MeV

p + e- + p 2H + e (pep) 1.4 MeV

2H + p 3He + 3He + 3He 4He + 2p3He + 4He 7Be + 3He + p 4He + e+ + e (hep) 1.5 - 17

MeV7Be + e- 7Li + e (Be) 0.38, 0.86

MeV7Li + p 4He + 4He7Be + p 8B + 8 B 8Be + e+ + e ( ) B 0 - 15 MeV

8Be* 4He + 4He

ne - ErzeugungsprozesseEnergien

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Solare Neutrinos

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Bahcall: … “established as early as 1996 that the solution of the Solar Neutrino Problem lay in new particle physics, not new astrophysics …”Klarheit 2001 durch SNO-Resultate (Sudbury Neutrino Observatory).

Resultat:

Gemessener Fluss: 2.56 SNU

Erwartet: 8.5 SNU ne + 37Cl 37Ar + e-

Homestake-Experiment

SNO

610t C2Cl4

~30 Ar-Atome in 2 Monaten erzeugt, 0.1 pro Tag nachgewiesen! 45

Das solare Neutrinodefizit

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- nur ne

- misst totalen 8B n-Fluß der Sonne- gleiche Wirkungsquerschnitte für alle aktiven n-Flavors

NCxx nn +++ npd

- hauptsächlich sensitiv für ne, aber auch n, n

CC e-ppd +++ne

ES ++ e-ne-n x x

D2O

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Neutrinomessungen am SNO

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hep-ph/0412068

D m122 ≈ 8 .10-5 eV2, sin2 2q12 ≈ 0.8

…. Problem (fast) gelöst!

ApJ Letters 621, L85 (2005)

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Das solare Neutrinodefizitproblem

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dN/dE = K x F(E,Z) x p x Etot x (E0-Ee) x [ (E0-Ee)2 – mn2 ]1/2

MAINZ-Experiment

3H 3He + e + ne

-

C. Kraus et. al., Eur. Phys. J. C 40, 447 (2005)

Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment KATRIN ab 2012: Sensitivität um 1 Größenordnung besser

mne< 2.3 eV/c2 (95%CL)

mne

2 = (-0.6 ± 2.2stat ± 2.1sys) eV2/c4

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Absolute Neutrinomassenmessung

1

0.8

0.6

0.4

0.2

0

Rel

. Rat

e [a

.u.]

mn = 0eV

mn = 1eV

Theoretisches b-Spektrum nahe dem Endpunkt E0

-3 -2 -1 0 Ee-E0 [eV]

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KATRIN Spektrometer

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Warum sind Neutrinomassen so klein?Wie ist die Massenhierarchie?

QUASI DEGENERIERT

n1

n2

n3

n3

n1

n2

NORMAL INVERTIERT

atm

atmsolar

solar

Suche nach Materieeffekten an “Long Baseline Neutrino Beams”: Unterschiede zwischen Neutrinos und Antineutrinos bzgl. Oszillationslängen und -amplituden.

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Neutrino-Massenhierarchie

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U Maj = U Dirac ( 1 0 0

0 eiF2 0

0 0 eiF3

)

Wenn Neutrinos zu leicht (leichter als ca. 0.3 eV) für eine experimentelle Messung sind, bleibt nur der neutrinolose doppelte Beta-Zerfall!

Dieser ist nur möglich, wenn Neutrinos massive Majoranateilchen (n = n) sind.

Die Zerfallsrate hängt direkt mit den Massen und Mixings der Neutrinos zusammen.

-

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Absolute Neutrinomassenskala

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Neutrinoloser doppelter b-Zerfall (Majorananatur)MassenhierarchieAbsolute MassenSterile Neutrinos

Offene Fragen der Neutrinophysik

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