The European 01/2014

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    Themensitzung

    Was haben Francis Fukuyama, T. C. Boyle und Arianna

    Huffington gemeinsam? Richtig, sie alle sind Teil des aktuellenThe European, den Sie gerade in Ihren Hnden halten.

    Liebe Leserinnen und Leser,

    in unserer Titeldebatte (S. 60) fragen wir nach der Macht: Wer besitzt sie? Wer greift

    nach ihr? Wir haben dazu u.a. mit dem Politik-Theoretiker Francis Fukuyama (Das

    Ende der Geschichte) gesprochen (S. 74).

    In weiteren Debatten geht es um die Stadt der Zukunft (S. 86 ), Europas Populisten

    (S. 46) und die Frage, wie politisch Kunst sein muss (S. 112). Freuen Sie sich auf

    Gesprche mit EZB-Direktor Jrg Asmussen (S. 146), Journalistin Arianna Huffington(S. 154) und dem genial-verrckten Organisten Cameron Carpenter (S. 142).

    Viele von Ihnen lesen The European nicht zum ersten Mal. Wer uns bereits kennt,

    dem wnschen wir an dieser Stelle eine anregende Lektre. Allen anderen mchten

    wir erlutern, wie dieses Magazin funktioniert denn es ist anders.

    WAS IST THE EUROPEAN?Wir haben uns der Debatte verschrieben rund ein halbes

    Dutzend davon fhren wir je Ausgabe. Eine Debatte wie wir sie verstehen besteht

    aus einer Sammlung von Kommentaren relevanter Autoren zu einer redaktionellen

    Fragestellung. Am Ende finden Sie oft ein Gesprch sowie kommentierte Bildstrecken

    zum Debattenthema.

    Ein Beispiel: In unserer aktuellen Ausgabe stellen wir die These auf, dass Homo-sexualitt jeder Gesellschaft gut tut. Je mehr, desto besser. Die Debatte startet mit ei-

    nem einleitenden Text, der die These vorstellt und alle Leserinnen und Leser auf den

    gleichen Stand bringt (S. 22). Im Anschluss folgen die Kommentare von Befrwor-

    tern und Gegnern unserer These. The European macht sich deren Meinungen nicht

    zu eigen. Wer berzeugt, entscheiden allein Sie. Den Ausklang bilden ein Gesprch

    (S. 36) sowie eine Fotostrecke (S. 40) zum Thema der Debatte.

    WIE IST DAS MAGAZIN AUFGEBAUT?Kern von The European sind die Debatten.

    Flankiert werden sie im vorderen und hinteren Teil des Magazins von den Kolumnen.

    Diese sind etwas krzer, stehen fr sich alleine und kommen mit einem Augen-

    zwinkern daher. Sie knnen The European von vorne oder hinten beginnen. Wer die

    letzte Seite aufschlg t, findet mit dem Debattenstoff (S. 162) ein alternatives, unter-

    haltendes Inhaltsverzeichnis.

    WAS ERWARTET MICH AUSSERDEM?Fr jede Ausgabe fhren wir ein groes Gesprch

    zum Thema Europa (Neuropa) (S. 146). Es gibt das Format Plus eins, in dem wir

    jeweils mit einem zustzlichen Kommentar oder Gesprch eine Debatte der vorange-

    gangenen Ausgabe fortfhren (S. 142). Schlielich das Gesellschaftsgesprch (S. 154),

    in dem wir uns eine Persnlichkeit jenseits unserer sonstigen Themen herauspicken.

    I H R E R E D A K T I O N

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    S. 04 THEMENSI TZUNG

    S. 10 SPRUCHRE IF!

    S. 14 KOLUMNE: ODER SO

    Katja Riemann: Drecksgeschft

    S. 16 KOLUMNE: BULLSH ITBINGO

    Thomas Ramge: Irgendwann zwischen

    jetzt und bald

    S. 18 KOLUMNE: INTERNETC AF

    Eberhard Lauth: I brauch ka Intanet

    S. 20 KOLUMNE: AUSLISTEN

    Peter Wittkamp: Ein Gedchtnis wie

    ein Goldfisch

    MEHR HOMOSEXUALITT:UND DAS TUT AUCH GUT SO!Freier, kreativer, reicher: Homosexualitt tut jeder

    Gesellschaft gut. Deshalb: Mehr davon! DEBATTE S. 22

    Traditionelle Werte: Mehr Familie wagenGABRIELE KUBY S. 25

    Akzeptanz statt Toleranz: Dieselbe Leier seitKaiser Wilhelm I.GEORG UECKER S. 27

    Vielfltige Vorteile: Ein bisschen gleich gibt esnichtVOLKER BECK S. 30

    Nicht alles teilen: Grenzen der LiebeBATRICE BOURGES S. 32

    Vorbild USA: Pragmatisch, praktisch, gutDAVID EISENBACH S. 34

    Hass auf Homosexuelle in Uganda: Am bestenwei niemand, wo ich die Nacht verbringeGESPRCH MIT KASHA JACQUELINE NABAGESERA S. 36

    Gre von Fire IslandBILDSTRECKE VON TOM BIANCHI S. 40

    EUROPAS POPULISTEN:WETZT DIE MESSEREuropa braucht seine Populisten auch wenn es

    weh tut. Denn nur im Widerspruch kann sich eine

    demokratische Union formen. DEBATTE S. 46

    Zeitbombe Populismus: Tick, Tack, BummROMAIN SEIGNOVERT S. 49

    Zerstrittene Populisten: Akute LawinengefahrFLORIAN HARTLEB S. 52

    Von wegen gut fr die Demokratie: Runter mitder MaskePAULA DIEHL S. 54

    Links- vs. Rechtspopulismus: Populismus istnotwendigGESPRCH MIT CHANTAL MOUFFE S. 56

    Inhaltsverzeichnis

    TITELDEBATTE MACHT:WER SIE HAT. WER SIE WILL.Die Macht des Nationalstaats schwindet. An seine Stelle

    treten andere. Wer sind die neuen Spieler? DEBATTE S. 60

    Das neue Mittelalter: Die Rckkehr der FuggerPARAG KHANNA S. 63

    Energie: Vllig bermchtigtIAN MORRIS S. 65

    Netzwerke: Twitter trifft Grundgesetz

    HARALD KATZMAIR S. 68

    Globaler Aktivismus: Alle Mann an DeckNANCY BIRDSALL S. 70

    Finanzindustrie: ZahlenteufelBRIGITTE YOUNG S. 72

    Die schwindende Macht des Staates:Chinas Macht ist eindimensional

    GESPRCH MIT FRANCIS FUKUYAMA S. 74

    Meer MachtBILDSTRECKE VON EMMA ROSA SIMON S. 78

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    DIE HISTORISCHE DEBATTE:ES WAR EINMAL DER HIPSTERRetro, Vintage, Secondhand: Der moderne Dandy

    ist die Wiederholung der Geschichte. Diesmal als

    Farce. DEBATTE S. 132

    Hipster und Kleidung: Am Altar der ModeTHOMAS CARLYLE S. 135

    Hipster und Freigeist:Beruf: WeltschmerzpoetHENRY DAVID THOREAU S. 137

    Hipster und Avantgarde: Der Club derhippen DichterGEORG SIMMEL S. 139

    PLUS EINS:TAUSENDMAL GEHRTDebatten enden nie. Wir fhren eine Debatte aus

    der vorherigen Ausgabe weiter. Dieses Mal: Schlager.

    Die Orgel im 21. Jahrhundert:Die Orgel ist eine Science-Fiction-Geschichte

    GESPRCH MIT CAMERON CARPENTER S. 142

    EINE STADT FR EXPERIMENTE:SELBST IST DIE STADTDeutschlands Wirtschaftspolitik fehlt der Mut zum Risiko.

    Ein Problem, das sich lsen lsst: Mit einer Modellstadt zum

    innovativen Experimentieren. DEBATTE S. 86

    Die smarte Stadt: UtopolisANTHONY TOWNSEND S. 89

    Neues Betriebssystem: Format C:tyCARLO RATTI S. 92

    Das perfekte Verkehrssystem: Die StadtmaschineANDREAS KNIE S. 94

    Autarkie: Neu-StadtNIKO PAECH S. 97

    Die perfekte Energieversorgung: Ein moralisches AngebotMATTHIAS WILLENBACHER S. 100

    Die Zukunft der Stadt: Es wird Parteien nur fr StdtegebenGESPRCH MIT BENJAMIN BARBER S. 102

    Stadt aus VersehenBILDSTRECKE VON GREG GIRARD S. 105

    S. 146 GESPRCH SREIHE NEUROPA: WIR SIND IMMER

    STRKER ALS IHR

    Gesprch mit Jrg Asmussen

    S. 154 GESELLSCHAFTSGESPRCH: DIE MENSCHEN

    GEHEN IM INTERNET AUF SINNSUCHE

    Gesprch mit Arianna Huffington

    S. 156 KOLUMNE: JEDERMA NNS SACHE

    Nils Pickert: Das Warjaschonimmerso

    S. 158 KOLUMNE: VORSICHT GIFTIG !

    Alissia Passia: Sylt? Mutig!

    S. 159 IMPRESSUM

    S. 160 KOLUMNE: MIT UNVERNNF TIGEM GRUSS

    Dan Ariely: Das perfekte Geschenk

    S. 161 EDITORIAL DES CHEFREDAKTEURS: ALEXANDERPLATZ

    Alexander Grlach: Macht ist sexy

    S. 162 DEBATTENSTO FF

    10 Begriffe aus dem Heft, die Siesich merken mssen

    KUNST UND POLITIK: MACHT DIE WELT,WIE SIE EUCH GEFLLTWie politisch muss Kunst sein? Hat sie die Verantwortung,

    die Welt zu einem besseren Ort zu machen? Oder reicht bloe

    Unterhaltung? DEBATTE S. 112

    Foto: Sind Politik und Kunst Kinder derselben Mutter?TOBIAS JUNDT S. 115

    Politikfreie Zone: Die einzige Pflicht des Knstlers istdie KunstGESPR CH MIT T. C. BOYLE S. 116

    Hohn und Spott: Die Kunst der ProvokationKLAUS STAECK S. 120

    Ausverkauf: Politische KunstSCHORSCH KAMERUN S. 122

    Unterhaltung: Kopfber ins UnbekannteALEC EMPIRE S. 123

    Discopolitik: 120 bpmHANS NIESWANDT S. 126

    Installation:

    Ich bin weg. Die Revolution starten.MARINA NAPRUSHKINA S. 128

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    1993

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    WEIZSCKER HERZOG RAU

    1984 1994

    WAS WIRKLICH GEMEINT IST:SEHR GEEHRTE DAMEN UNDHERREN, LIEBE TRKEN.

    WAS WIRKLICH

    GEMEINT IST:

    WENN DIE DASMIT GROSS

    BURGWEDELWSSTEN

    1994 1999 1999 2004

    Spruchreif!

    Auf einer Skala von 0 bis 10:Kann Joachim Gauck dieseStze in seiner Weihnachts-ansprache recyceln?

    Alle Jahrewieder

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    2006

    2007

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    KHLER WULFF GAUCK

    WAS WIRKLICH GEMEINT IST:

    ENDLICH BESCHERUNG!

    2004 2010 2010 2012 SEIT 2012

    WAS WIRKLICH GEMEINT IST:

    SOLLEN SIE DOCH KUCHENESSEN!

    WAS WIRKLICH

    GEMEINT IST:

    EIN GLCK BINICH BUNDESPRSIDENT!

    WAS WIRKLICH GEMEINT IST:

    ALLES EIN BISSCHEN GEWHNUNGSBEDRFTIG HIER IN BERLIN.

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    EIN GEDCHTNIS WIE

    EIN GOLDFISCH

    KOLUMNE AUSLISTEN

    Peter Wittkamp erstellt Listen. Dieses Mal: WasGoldfische denken, bevor sie nach drei Sekunden

    schon wieder alles vergessen haben.

    PETER WITTKAM P I S T F R E I E R B E R A T E R

    F R S O C I A L M E D I A K O M M U N I K A T I O N

    U N D K O N Z E P T E R F R W E R B U N G

    A L L E R A R T . G E R A D E S C H R E I B T E R

    F R K I E P E N H E U E R U N D W I T S C H S E I N

    E R S T E S B U C H B E R D I E H O C H I N T E R

    E S S A N T E W E L T D E R L I S T E N .

    www.theeuropean.de/peter-wittkamp

  • 8/14/2019 The European 01/2014

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    MACHTWer sie hat. Wer sie will.

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    9/17ILLUSTRATION: JRG HLSMANN

    W ang Weilin stoppt einen Panzer. Mehr sogar.Eine ganze Kolonne dieser Ungetme jedes 37 verstrende Tonnen schwer verharrt,

    weil er es so will.

    Es ist der 5. Juni 1989. Peking, China. Das Volk

    begehrt auf, erhebt sich gegen seine Autokraten.Tank Man, so wird Weilin spter genannt werden,

    ist Teil des Gemenges und stellt sich unweit vom

    Platz des Himmlischen Friedens den Type-59-Pan-

    zern der chinesischen Regierung in den Weg. Sie

    stoppen, er widersteht, das Bild geht um die Welt.

    Weilins Geschichte ist nur ein Teil vom epi-

    schen im Puzzle der Macht. Wenn sie wirkt, stop-

    pen Panzer, werden Vorgesetzte vor- und Beamte

    nachsichtig, dann drcken Richter beide Augen

    zu. Wenn Macht wirkt, wird Absicht verwirklicht.

    Der Tod als Drohung ist die Mnze der Macht,

    schreibt Literaturnobelpreistrger Elias Canetti und

    meint die Gewalt des Befehls eine Ausprgung der

    Macht, die in seiner weniger drastischen Form All-

    tag der allermeisten Menschen ist. Einer spricht, die

    anderen hren zu. Der Chef will, Sie tun. Der Ehe-

    partner wnscht, Sie erfllen. Die Kinder sollen, Sie

    befehlen. Hierarchien unsichtbar und sichtbar

    sind die Bedingung des Befehls. Sich beugen, ist oft

    nur vordergrndige Freiwilligkeit.

    AUS SCHWERTERN WURDEN ZUGANGSCODES

    Das Sinnen ber die Natur der Macht brachte

    Grbler stets um den Schlaf. Kaum etwas, das sich

    nicht in ihr begrndet. Macht als Bedingung staat-

    licher Ordnung? Das glaubt Thomas Hobbes, der

    aus dem Ttungsgleichgewicht der Menschen im

    Naturzustand die Notwendigkeit absoluter Autori-

    tt schlussfolgert. Macht als Begrndung der Zivi-

    lisation? Das denkt Canetti, der im biblischen Im-

    perativ Mehret euch den logischen Schluss aus

    dem Kampf gegen wilde Tiere zieht, denen der

    Mensch nur in der Gruppe berlegen ist. Macht

    als Begrndung der Demokratie? Das behauptet

    Hannah Arendt, die nichts Gewaltttiges in ihr

    findet, sondern vielmehr die Herrschaft Gleicher

    ber Gleiche.

    Schon in diesem kurzen berblick wird deut-

    lich, dass Macht neutral verstanden werden muss.

    Sie entstammt etymologisch dem Knnen und

    was wir machen knnen, kann gut oder schlecht

    sein. Die richtende Macht des Schwertes steht der

    gnnenden oder verzeihenden Macht der Gnade

    gegenber Grundlage dieser Macht ist dann nicht

    zwingend krperliche berlegenheit (Geld oder

    Leben!), sondern vielmehr eine moralische (Ich

    verzeihe dir) oder wirtschaftliche (Betrachtedeine Schulden als beglichen).

    hnlich vielfltig wie die Macht selbst sind

    die Symbole, mit der wir sie zum Ausdruck brin-

    gen. Das Zepter des Knigs, der Reichsapfel des

    Kaisers und der Siegelring des Papstes sind tradi-

    tionelle Bildnisse ein und derselben Aufforderung:

    Gehorche. Aus Kronen wurden Dienstausweise,

    aus Schwertern Zugangscodes und aus Pferdekut-

    schen Dienstwagen. Die Chiffre wird aber zu allen

    Zeiten gleich verstanden. Und sie fasziniert.

    DER STAAT HAT KONKURRENZ BEKOMMEN

    Es ist kein Zufall, dass die beiden grten popkul-

    turellen Erzhlungen des 20. Jahrhunderts um die

    Natur der Macht kreisen: Tolkiens Herr der Ringe

    und George Lucas Star Wars. Ersterer wurde

    nicht nur mehr als 150 Millionen Mal verkauft,

    sondern diente gleichzeitig auch als Grundlage fr

    eine der erfolgreichsten Romanverfilmungen aller

    Zeiten. Die Sternkrieger schlielich bevlkern seit

    mehr als vier Jahrzehnten die Kinderzimmer der

    Welt und fllen mit ungebrochenem Erfolg dieKassen der Kinobetreiber. Beide Werke Herr der

    Ringe und Star Wars verbindet ihr quasi ana-

    tomischer Blick auf den Menschen im Moment der

    Versuchung der Macht. Frodo Beutlin giert nach

    dem Ring wie Luke Skywalker der Dunklen Seite

    die Strke neidet. Beide straucheln und so will

    es Hollywood entscheiden sich frs Gute. Auch

    das ist Macht.

    Jenseits der Bcherregale und Kinoleinwnde

    begreifen wir Macht im Allgemeinen heute als die

    Chance, Regeln zu setzen. Mchtig ist der, der die

    Richtung bestimmt. Der sagt, wie es zu machen und

    was zu lassen ist. In der Demokratie also das Volk

    und von dessen Macht abgeleitet der Staat. Doch

    der Nationalstaat ist schon lange nicht mehr allein

    auf der Bhne. Er hat Konkurrenz bekommen.

    Stellen wir uns Macht, also die Chance zur

    Regelsetzung, als das Meer vor. Ein Gedankenspiel,

    in dem der Kampf um Macht als Nullsummenspiel

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    1992 RIEF DER POLITIKWISSENSCHAFTLER FRANCIS

    FUKUYAMADAS ENDE DER GESCHICHTE AUS UND

    WURDE DAMIT WELTWEIT BERHMT. ZURZEIT IST

    FUKUYAMA PROFESSOR FR INTERNATIONALE POLITI

    SCHE KONOMIE AN DER JOHNHOPKINSUNIVERSITT

    IN WASHINGTON, D.C. IN SEINER FREIZEIT FERTIGT ER

    FRHAMERIKANISCHE MBEL AN UND PROGRAMMIERT.

    www.theeuropean.de/francis-fukuyama

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    Chinas Macht isteindimensional

    Francis Fukuyama prophezeite das Ende der Geschichte und gilt als einer

    der bedeutendsten Polittheoretiker unserer Zeit. Warum Staatsmacht der

    Quell allen bels ist, Occupy Wall Street versagt hat und das Internet

    enttuscht, bespricht er mit Florian Guckelsberger.

    The European: Herr Fukuyama, lassen Sie uns

    fr einen Moment annehmen, dass der Kampf

    um Macht ein Nullsummenspiel ist. Wer hat in

    den letzten zwei Jahrzehnten an Boden gewon-

    nen und wer verloren?

    Fukuyama: Die amerikanische Hegemonie ist

    an ihrem Ende angelangt, das ist klar. Wenn wir

    die Periode vom Fall der Berliner Mauer bis zum

    Ausbruch der Finanzkrise betrachten, zeigt sich,

    dass die historisch einmalige US-Dominanz die-

    ses Zeitraums eine sehr ungewhnliche ra war.

    Zu so gut wie allen anderen Zeiten war Macht

    deutlich gleichmiger verteilt.

    Wer hat hinzugewonnen?

    In den vergangenen Jahrzehnten wurden wir

    Zeugen des chinesischen Aufstiegs. Der dortige

    Markt wuchs wie v iele andere deutlich strker als

    der Markt in Europa oder den USA. Der Anteil

    der Wachstumsmrkte am globalen Warenaus-

    wurf ist in sehr kurzer Zeit von 35 auf 50 Prozent

    gestiegen. Da haben sich die Machtverhltnisse

    substanziell verschoben. Vielleicht so stark, wie

    seit vielen, vielen Jahrzehnten nicht mehr.

    Die Macht ist also vom Westen hin zum Rest der

    Welt geflossen?

    Ich glaube nicht, dass wir von flieen sprechen

    sollten. Die Macht ist heute einfach gleichmiger

    verteilt. Die westlichen Demokratien machen

    mittlerweile eben nur noch die Hlfte der Welt-

    wirtschaft aus.

    Sorgt Sie diese Entwicklung?

    Nein, warum sollte sie? Ich denke, wir wollen Ent-

    wicklung fr alle Menschen. Ein Monopol des Wes-tens ist nicht notwendigerweise eine gute Angele-

    genheit. Die Praxis der Demokratie und die Ver-

    breitung liberaler Werte fr die gesamte Welt sindviel wichtiger. Die Entwicklung ist jedoch insofern

    besorgniserregend, als dass autoritr regierte Ln-

    der wie China und Russland an Einfluss gewonnen

    haben. Aber es bleibt abzuwarten, ob und wie sie

    diesen Einfluss geltend machen.

    Worauf sttzt sich die Macht dieser neuen Mitspie-

    ler: konomische Strke oder politischer Einfluss?

    China ist vor allem wegen seines wirtschaftli-

    chen Modells zum Vorbild geworden. Aber ob-

    wohl es eine sehr groe, stark wachsende ko-nomie mit einer autoritren Fhrung verbindet,

    geht von China kaum kulturelle Anziehung aus.

    Chinesische Filme, Kunst oder Lifestyle knnen

    die Menschen kaum so begeistern, wie es der

    American Way of Life lange tat. So gesehen, ist

    die chinesische Macht eindimensional.

    Dennoch scheint das chinesische Modell fr

    viele aufstrebende Lnder deutlich attraktiver zu

    sein als westliche Demokratien.

    Die Chinesen haben den groen Vorteil, dass sie

    anders als viele westliche Lnder ihren Han-

    delspartnern nicht vorschreiben wollen, wie sie

    ihr Land zu fhren haben. Eben weil Peking auch

    nicht will, dass sich andere Lnder in chinesische

    Angelegenheiten einmischen. Deshalb lassen sich

    viele afrikanische Lnder eher mit Peking ein als

    mit Brssel oder Washington. Da werden einfach

    weniger Forderungen gestellt.

    Wir haben ber den Wandel der Machtverhltnis-

    se zwischen einzelnen Lndern gesprochen. Aber

    der Nationalstaat selbst scheint sich in einer ver-netzten Welt schwerzutun, deren Regeln zuneh-

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    T. C. BOYLE, D E R SOH N E I NE S BU S

    F AH RE RS U ND E I NE R SE KRE T RI N,

    GALT AU F D E R H I GH SCH OOL ALS

    H E RU MT RE I BE R U ND VE RSAGE R. D E N

    ABSCH LU SS SCH AF F T E E R KNAPP

    SPT E R GE LANGT E E R ALS AU T OR ZU

    WE LT RU H M. NE BE N SE I NE R SCH RI F T

    ST E LLE RI SCH E N T T I GKE I T LE H RT

    BOY LE SE I T 1 9 7 8 E NGLI SCH AN D E R

    U NI VE RSI T Y OF SOU T H E RN CALI F OR

    NI A. SE I N ROMAN SAN MI GU E L H AN

    SE R I ST 2 0 1 3 E RSCH I E NE N BOY LE

    SCH RI E B AN D E M BU CH ST E T S MI T

    ROCK BE KLE I D E T .

    www.theeuropean.de/t-c-boyle

    Die einzigePflicht desKnstlers ist

    die Kunst

    FOTO:JAMIESONF

    RY

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    ES WAREINMAL DER

    HIPSTER Retro, Vintage, Secondhand:Der moderne Dandy ist dieWiederholung der Geschichte.Diesmal als Farce.

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    15/17ILLUSTRATION: JRG HLSMANN

    Z wei Menschen stehen sich gegenber. Bist duein Lgner?, fragt der eine den anderen.Natrlich nicht!, antwortet der Angesprochene.

    Klger ist danach keiner von beiden: Der Lgner

    wrde lgen und die Frage verneinen. Der Ehrliche

    wrde die Wahrheit sagen und ebenfalls mit Neinantworten. Wer dem Lgner auf die Schliche kom-

    men will, der darf nicht geradeheraus die Wahr-

    heit einfordern, sondern muss einen anderen Weg

    whlen, muss sich langsam heranpirschen.

    Noch einmal stehen sich zwei Menschen

    gegenber. Bist du ein Hipster?, fragt der eine

    den anderen.

    Das Vorurteil schwingt deutlich in der Stimme

    mit. Hipster, das sind doch die mit Holzfllerhem-

    den und a llwetteruntauglicher Scheitelfrisur, das

    nagelneue iPad neben dem Fnger im Roggen in

    der Tasche und irgendwas mit Kunst und Medienim Lebenslauf. Kurzum: Die Mchtegern-Coolen

    und Mchtegern-Poeten ein bisschen freaky,

    aber nicht zu viel.

    Natrlich nicht!, antwortet der Angespro-

    chene. Und wieder ist niemand klger als zuvor:

    Wer wirklich dazugehrt zum Zirkel der Hipster,

    muss sich der Klassifizierung sowohl aus Grnden

    der Lssigkeit als auch der Selbsterhaltung heraus

    verweigern. Zu gro ist die Gefahr, dass am Ende

    vom Selbstbild nicht viel mehr brig bleibt als ein

    kleines Hufchen Asche mit Hornbrille obendrauf.Denn das Phnomen Hipster lebt davon, alles und

    nichts gleichzeitig sein zu knnen. Es bietet allen

    ein Dach, eine Zuflucht und ein Ziel, dem Anhn-

    ger genauso wie dem Kritiker.

    DER HIPSTER IST GUT, DER HIPSTER IST BSE

    Die Popper der 1980er-Jahre waren im Vergleich

    dazu so herrlich eindimensional: Man trug Cash-

    mere, huldigte dem unapologetischen Hedonis-

    mus und lachte gleichermaen ber Hippies und

    Spieer. Rebellion gegen die Rebellion, ganz kom-

    fortabel aus der Mitte der Gesellschaft und aus

    den Vierteln der Vorstadt. Der Hipster ist dage-

    gen eine harte Nuss und eine perfekte Projektions-

    flche: Zu teure Mieten? Die Hipster sind schuld!

    Zu viel Bio im Supermarkt? Auch die Hipster! Der

    Hipster ist gut, der Hipster ist bse, der Hipster ist

    auf jeden Fall Stadtgesprch.

    Nhern wir uns also aus einer anderen Richtung:

    Das, was heute als Hipster die Cafs und Co-wor-

    king-Lounges jeder mittelgroen Stadt bevlkert,

    hat seinen modernen Ursprung im New York

    der Jahrtausendwende genauer gesagt in Brook-

    lyn, Ortsteil Williamsburg. Aus einem Schmelz-tiegel voller Post-Punk, Fahrradkuriere, billiger

    Gebrauchtwarenlden und unterschiedlicher kul-

    tureller Einflsse heraus erblickte der Hipster das

    Licht des 21. Jahrhunderts. Einer der ersten Bei-

    trge der New York Times zum Thema drehte

    sich um das Lieblingsbier der New Yorker Szene

    und um das Primat der Symbolik ber die Subs-

    tanz: Wichtig ist, wies ausschaut.

    Ausgeschaut hat es offenbar so gut, dass sich

    die Hipster-Kultur samt ihrer diversen Accessoires

    und des selbstironischen Habitus ber die halbe

    Welt verbreitete. Ganze Geschftsmodelle basieren

    heute auf der Nachfrage nach Hipster-Fahrrdern,

    Hipster-Hemden, Hipster-Kulturindustrie. Sptes-

    tens mit der Kommerzialisierung war die Projekti-

    onsflche komplett.

    Aber wer verkaufen will wer sich verkaufen

    will , muss Geschichten erzhlen, das ist im Jour-

    nalismus nicht anders als im Einzelhandel. Und

    so ist innerhalb eines knappen Jahrzehnts aus

    einer New Yorker Szene-Erscheinung ein verita-

    bles kulturelles Phnomen mit eigenen Ikonen,

    Traditionen und einer eigenen sthetik geworden.Geschickt wird der lngst zum Massenphnomen

    mutierte Hipster dabei mit einer dicken Schicht

    Individualismus bertncht: Das Faible fr die

    Kleidung der 1950er-Jahre ist auch der Versuch,

    zumindest uerlich einen Schritt in die Zeit vor

    der modernen Massenproduktion zu tun selbst

    wenn man ansonsten auf den gleichen Smartpho-

    nes tippt. Wichtig ist eben, wies ausschaut.

    CARLYLE, THOREAU UND SIMMEL

    Aber nehmen wir die Herausforderung an: Wer

    in der Vergangenheit nach Ikonen und Symbolen

    stbert, soll belohnt werden. Denn die Geschichte,

    das wusste schon der alte Marx, ereignet sich

    immer zweimal: erst als Tragdie, dann als Farce.

    Suchen wir also in den Annalen nach den Themen

    und Texten der Vergangenheit, in denen sich die

    Gegenwart bereits spiegelt.

    1

  • 8/14/2019 The European 01/2014

    16/17

    DAS PERFEKTE GESCHENK

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    KOLUMNE MIT UNVERNNFTIGEM GRUSS

    Eine verhaltenstherapeutische Anlei-tung fr den Weihnachtsbummel.

    Krzlich fragte ich unter meinen Bekann-

    ten herum, was ein gutes Geschenk aus-

    macht. Es ging mir nicht um spezielleDinge wie eine neue Sonnenbrille oder

    mein aktuelles Buch (beides sind natrlich

    exzellente Geschenke) sondern darum,

    ob allen guten Geschenken irgendein

    Prinzip zugrunde liegt. Eine der besten

    Antworten lautete: Ein gutes Geschenk ist

    eins, das man sich lange wnscht, fr das

    man selbst aber kein Geld ausgeben will.

    Ein gutes Geschenk ist wohl keine

    Sache, die man sich selber nicht leisten

    kann oder von der man total berrascht

    wird. Stattdessen bekommt man eine Ab-solution fr etwas erteilt, das man schon

    immer wollte: Man erhlt es, ohne sich

    fr den Kauf schuldig fhlen zu mssen.

    Das kann auf zwei Arten funktionieren.

    Stellen Sie sich vor, Sie laufen an

    einem Schaufenster vorbei und sehen

    darin einen Mantel in der perfekten

    Gre und Farbe. Sie gehen in das

    Geschft und merken, dass Ihnen der

    Mantel bei genauerer Betrachtung immer

    besser gefllt. Als Sie aber auf das Preis-schild schauen, kommen Ihnen Zweifel.

    Sie ringen eine halbe Minute mit sich

    und entscheiden dann, dass Sie unmg-

    lich so viel Geld fr einen Mantel ausge-

    ben sollten. Als Sie nach Hause kommen,

    erzhlt Ihnen Ihr Partner, dass er exakt

    diesen Mantel fr Sie gekauft hat.

    berlegen Sie einmal, wie Sie reagie-

    ren wrden: a) Schatz, das ist sehr lieb von

    dir. Ich habe aber ber Kosten und Nut-

    zen nachgedacht und denke, dass der Man-

    tel sein Geld nicht wert ist. Bring ihn bitte

    zurck. Oder b) Ganz herzlichen Dank,

    ich liebe den Mantel und dich natrlich

    auch. Wahrscheinlich wrden Sie eher die

    zweite Antwort whlen. Warum? Weil Sie

    den Mantel eigentlich doch wollten und Ihr

    Partner Ihnen die schwere Entscheidung

    ber den Kaufpreis abgenommen hat.

    Das zweite Beispiel: Stellen Sie sich

    vor, Sie hatten ein fantastisches Abend-

    essen. Jetzt knnen Sie entweder mit Bar-

    geld oder mit Karte bezahlen. Was tutIhnen angesichts des Preises wohl eher

    weh? Vermutlich wird es ihnen unange-

    nehmer sein, mit Bargeld zu bezahlen.

    Aber warum? Studien haben gezeigt, dass

    unsere Zufriedenheit abnimmt, wenn wir

    die Bezahlung direkt mit dem Konsum

    verbinden. Wenn wir also mit Kreditkartezahlen, liegen Konsum (Abendessen)

    und Bezahlung (Rechnung am Monats-

    ende) deutlich auseinander. Diese zeit-

    liche Trennung erlaubt es uns, mehr Zu-

    friedenheit zu empfinden zumindest

    bis zum ffnen der Abrechnung.

    Lassen Sie uns ber dieses Beispiel

    weiter nachdenken: Ich bin der Besit-

    zer des Restaurants und wei, dass jeder

    Ihrer Bissen einen Euro kostet. Eines

    Tages sage ich Ihnen, dass es ein Sonder-

    angebot gibt und ich pro Bissen nur nochfnfzig Cent von Ihnen verlange. Es wer-

    den nur die Bissen abgerechnet, die Sie

    wirklich essen. Ich stelle mich also beim

    Essen neben Sie und notiere mir, wie viel

    Sie von Ihrer Portion essen. Wenn Sie die

    Gabel hinlegen, addiere ich die Bissen

    und rechne ab. Natrlich wrden Sie so

    sparen, aber das Abendessen wre deutlich

    weniger entspannend. Sie wrden sich bei

    jedem Bissen fragen: War es das wert?

    Woody Allen hat es in seinem Film Man-hattan wohl am besten ausgedrckt. Er

    dreht sich zu seiner Begleitung und sagt:

    Du bist so schn, ich wei berhaupt

    nicht, was das Taxi gekostet hat.

    Die Lektion: Eine enge zeitliche Bezie-

    hung zwischen Konsum und Bezahlung

    schwcht unsere Freude. Es geht bei Gut-

    scheinen, Filmkarten oder hnlichen Ge-

    schenken also nicht nur darum, dass der

    andere Spa hat sondern auch darum,

    seine Schuldgefhle zu verringern. Ich

    denke, dass die besten Geschenke diese

    Schuldgefhle auf zwei Arten beeinflus-

    sen: Sie beseitigen die Zweifel, die uns

    beim Kauf von Luxusprodukten kommen

    wrden. Und sie verringern die Schuld-

    gefhle, die wir durch die Kopplung von

    Konsum und Bezahlung haben. Ein gutes

    Geschenk erfllt diese Kriterien.

    Ich wnsche Ihnen einen frohen Weih-

    nachtseinkauf. Falls Sie mir etwas schen-

    ken wollen: Ich liebe technisches Spielzeug,

    wrde es mir selber aber eher nicht kaufen.BERSETZUNG AUS DEM ENGLISCHEN

  • 8/14/2019 The European 01/2014

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    MACHTIST SEXY

    AL EX AN DE RP LAT Z ED ITO RIA L D ES CHE FR EDA KT EU RS

    Was, wenn Sex Macht ist? Wenn es keine Sexualitt gibt, die ohne ber- und Unter-

    ordnung auskommt? Anders als oft behauptet, entstehen Machtstrukturen nicht erst

    durch Sex er selbst ist bereits Machtausbung. Damit ist das Wichtigste ber den

    Menschen gesagt: Macht bestimmt ihn.Dabei reicht es nicht aus, Macht als den elementaren Baustein menschlicher

    Sexualitt zu beschreiben. Dominieren und Unterwerfen halten den gesellschaftli-

    chen Organismus am Laufen. Heute herrsche ich, morgen ein anderer. Heute habe

    ich Macht ber andere, morgen hat ein anderer Macht ber mich.

    So gesehen wird gerne interpretiert hat niemand

    Macht. Diese auf Ausgleich bedachte Suselei ver-

    schleiert die Tatsache, dass Macht, wenn sie einer in

    einem Moment ausben mchte, absolut gebraucht wird. Jemandem, der zu Unrecht

    unter Macht leidet, wird es nur geringfgig Trost spenden, wenn es da heit, dass die

    Macht fliet und wir sie alle doch einmal haben: Du bist halt das nchste Mal dran.Der Macht korrespondiert die Ohnmacht. Es ist in der Regel so, dass Ohnmacht,

    wenn man mal einige gefllige sexuelle Spielarten auen vor lsst, dem, der sie erfhrt,

    keinen Lustgewinn bereitet.

    Das Schlimme ist, dass wir in der Erziehung darauf konditioniert werden, auf Aus-

    gleich bedacht zu sein, als Moderatoren zu wirken. Nur, um beim Sport, sptestens

    jedoch in der Adoleszenz, zu bemerken, dass diesem Ausgleich, von dem da die Rede

    ist, eine bisweilen bermchtig wirkende Natur gegenbersteht. Die stndige Konkur-

    renz, in der man sich befindet, ist Ausdruck von Machtverhltnissen, die die Natur

    setzt und die bis auf den heutigen Tag das Recht des Strkeren sind.

    Weder das Christentum noch der Humanismus oder die politischen (moderativen)

    Institutionen der Gegenwart, die zur Zivilisierung der Macht auf den Plan getreten

    sind, konnten oder knnen einen Erfolg verbuchen. Recht setzt nmlich immer noch

    der, der strker ist. Oder warum sind die USA in der Lage, sich einer strafrechtlichen

    Verfolgung ihrer Soldaten zu widersetzen? Weil sie die Strkeren sind. Der Strkere ist

    der Dominante. Er entscheidet. Es kann nur einen geben.

    Da wir aber nun mal so erzogen sind, sagte doch tatschlich einmal jemand zu mir

    im Gesprch: Weit du, ich bin eigentlich kein Machtmensch. Ich wei nicht, ob das

    ernst gemeint oder mein Gesprchspartner darauf bedacht war, fr diese politisch kor-

    rekte Aussage Applaus zu bekommen. Fakt ist, dass mich ein Mensch wirklich nicht in-

    teressiert, der in einem solchen Unterwerfungsmodus von sich spricht. Das Gesprch

    war schnell beendet.

    Die gesellschaftliche Kritik an Politikern, die nur an Macht interessiert seien, ist

    deshalb verlogen. Sie wird von Menschen gefhrt, die im Sprechen ber die Motive an-derer, im vermeintlichen Enthllen des anderen, ihren eigenen Machtausdruck erleben.

    Politiker, die keine Macht wollten, wren wie Vgel, die nicht fliegen wollten.

    Gesellschaften, die behaupten, dass die Gefge, die das Leben ihrer Individuen bestim-

    men, nicht zuvorderst von Macht geprgt seien, werden an mangelndem berlebens-

    willen eingehen oder zumindest ob der nicht vorhandenen Spannkraft zum Frchten

    langweilig sein.

    Wer behauptet, dass Macht ihn nicht interessiert, lgt oder hat sich schon kom-

    plett aufgegeben.

    DIE KRITIK AN MACHTPOLITIKERN

    IST VERLOGEN

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