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Begegnung mit Theda Borde Der Hörsaal, in dem sie in fünf Minuten einen Vortrag halten soll, ist leer. Kein Student weit und breit. Theda Borde bleibt gelassen. Eine Stunde später – die Uhrzeit wurde falsch über- mittelt – steht die Rektorin der Alice Salomon Hochschule (ASH) als Gastdozentin bei der Begrüßung des Erstsemesters im Bachelor- studiengang Gesundheitswissenschaften an der Berliner Charité vor den Studenten.

Theda Borde

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Begegnung mit

Theda BordeDer Hörsaal, in dem sie in fünf Minuten einen Vortrag halten soll, ist leer. Kein Student weit und breit. Theda Borde bleibt gelassen. Eine Stunde später – die Uhrzeit wurde falsch über-mittelt – steht die Rektorin der Alice Salomon Hochschule (ASH) als Gastdozentin bei der Begrüßung des Erstsemesters im Bachelor-studiengang Gesundheitswissenschaften an der Berliner Charité vor den Studenten.

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Prof. Dr. Theda Borde

▶ 56 Jahre, verheiratet, zwei Kinder

▶ Studium der Politologie an der FU Berlin

▶ Leiterin des Internationalen Bildungs- und Beratungszentrums für Frauen und ihre Familien „Hinbun“

▶ Master of Public Health (MPH)

▶ Forschungsprojekte: u.a. Analyse der Versorgung gynäkolo-gisch erkrankter deutscher und türkischer Frauen im Kranken-haus, Inanspruchnahme klinischer Notfallambulanzen durch Migranten und Deutsche

▶ 2002 Promotion in Gesundheitswissenschaften/Public Health an der TU Berlin

▶ Seit 2004 Professorin für Medizinische Grundlagen der Sozia-len Arbeit an der Alice Salomon Hochschule (ASH) Berlin

▶ Seit 2010 Rektorin der ASH

ZU R PE R SO N

Vor den Studenten ist Theda Borde jetzt in mehrfacher Hinsicht in ihrem Element. Sie spricht zu einem Thema, das ihr Forschungsschwerpunkt ist und ihr schon lange

am Herzen liegt: „Migration und Gesundheit“. Im Virchow-Klinikum bewegt sie sich dabei auf „heimatlichem Terrain“ – in der hiesigen Frauenklinik war vor einigen Jahren ein von ihr betreutes Forschungsprojekt zur Versorgung deutscher und türkischer Frauen angesiedelt. Und schließlich mag sie es, vor Studenten zu stehen; als Rektorin der Alice Salomon Hochschu-le (ASH) ist für die Lehre an ihrer eigenen Einrichtung momen-tan keine Zeit.

Mit der ASH ist die in Ostfriesland Geborene mittlerweile über zehn Jahre verbunden: zunächst als Lehrbeauftragte, später be-wirbt sie sich für eine Professur und kandidiert schließlich er-folgreich für das Amt der Rektorin. Ihr Antrieb damals und heute: an der Hochschule mit Bachelor- und Masterstudiengän-gen der Sozialen Arbeit, Gesundheit sowie Erziehung und Bil-

dung im Kindesalter einiges voranzubringen. Ein wichtiges Anliegen ist ihr dabei, studiengangsübergreifende Module zu etablieren, Strukturen für Forschungsförderung zu verbessern sowie die Studiengänge auszubauen. Insbesondere für die weitere Akademisierung der Gesundheitsberufe macht sie sich stark. Stichwort Pflege: „Bei der Forderung des Wissenschaftsrates nach 20 Prozent Akademisierung würde ich vielleicht sogar etwas höher rangehen“ – wobei eine so große Berufsgruppe wie die Pflege sicherlich gestufte Qualifikationen brauche. Absolven-tinnen des „ASH-eigenen“ sehr gefragten Bachelorstudiengangs Gesundheits- und Pflegemanagement haben später Leitungspo-sitionen inne, bauen private Pflegedienste auf oder qualifizieren sich für wissenschaftliche Tätigkeiten weiter. „Neben dem be-stehenden interdisziplinären Bachelorstudiengang Physio-/Er-gotherapie würden wir gern auch Studiengänge für Hebammen und Logopädie anbieten, aber die Ressourcen sind halt knapp.“ Kein Verständnis hat sie dafür, wenn Studierende für diese An-gebote zur Kasse gebeten werden. Und sie ärgert sie auch, wenn sich manche mit dem Blick über den berühmten Tellerrand so schwer tun, bei politischen Diskussionen, aber auch an der ei-genen Hochschule. Einen stärkeren Blick auf die Hochschule als Ganzes würde sie sich manchmal wünschen. „Alle unsere Ab-solventen werden im multiprofessionellen Kontext tätig sein“, betont sie. „Dem müssen wir gerecht werden.“

Von der Berlin School of Public Health (BSPH) erhofft sie sich dabei einen richtigen Schub. Bei diesem Zukunftskonzept werden die Alice Salomon Hochschule Berlin mit der Charité – Univer-sitätsmedizin Berlin, der Freien Universität Berlin (FU), der Humboldt Universität zu Berlin (HU) und der Technischen Uni-versität Berlin (TU) hochschulübergreifend zusammenarbeiten. Ein Kooperationsvertrag der fünf Partner steht kurz vor der Unterzeichnung. Die neue BSPH ist auch die Chance, den Ge-

danken der Multiprofessionalität und Interdisziplinarität in Leh-re und Forschung zu stärken – „das war bisher alles etwas halb-herzig“, meint Theda Borde.

Bei solchen und anderen Prozessen fällt es ihr mitunter schwer, geduldig zu bleiben. In ihrem Umfeld an der ASH Berlin hat jemand formuliert: „Du bist eher ein Schnellboot, aber denke daran, es ist ein Dampfer, den du steuern musst.“ Zweifellos ist das Rektorat eine interessante, facettenreiche Tätigkeit und die „Teamplayerin“ möchte möglichst viele mitnehmen, „aber da ist der Diskussionsbedarf mitunter sehr groß“. Sie sagt von sich, dass sie gut abschalten kann: An Wochenenden gelingt ihr das mit ihrem Mann auf einem Bauernhof in Brandenburg. Da ist immer etwas im Haus zu renovieren oder im Garten zu graben. Das Internet ist dort tabu – es sei denn, ein Termin aus ihren zahlreichen Verpflichtungen drängt.

Es freut sie, wenn Projekte laufen, Initiativen Gestalt annehmen. Das jüngste Beispiel: Seit wenigen Tagen veranstaltet die ASH

regelmäßig Lehrveranstaltungen für Studierende in der unweit der Hochschule gelegenen neuen Flüchtlingsun-terkunft in Berlin-Hellersdorf. Nach den unschönen Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen, von denen tagelang in allen Nachrichtensendungen berichtet wurde, wollte die Hochschule mit den fast 600 Mitarbei-

tern und rund 3.000 Studierenden ein positives Zeichen setzen und Präsenz zeigen. Es gab Gespräche mit den Verantwortlichen, die aus Sicht von Theda Borde sehr unkompliziert verliefen. Im Ergebnis steht der Hochschule nun ein Seminarraum zur Ver-fügung, der mit Tafel, Beamer und PC mit Internetzugang aus-gestattet ist. Aber auch die ASH öffnet sich. So kann das Computerzentrum ab sofort jeden Freitagnachmittag von den Flüchtlingen genutzt werden. Wenn solche Ideen schnell in die Tat umgesetzt werden können, ist für Theda Borde ein Tag ge-lungen. Ute Burtke

Alle unsere Absolventen werden im multiprofessionellen Kontext tätig sein. Dem müssen wir gerecht werden.

37Heilberufe / Das P� egemagazin 2013; 65 (11)

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