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Theoretische Grundlagen und Ergebnisse zum Projekt Erfolg und Misserfolg von Veränderungen Langfassung November 2003 Siegfried Greif, Bernd Runde und Ilka Seeberg 1 Lernen an Erfolgen und Misserfolgen Das Innovationstempo hat in allen Bereichen zugenommen. Die Veränderungen der Produkte und Dienstleistungen, Technik, Strukturen und Prozesse sind in Unternehmen und anderen Organisatio- nen nicht nur sehr viel häufiger und kurzzyklischer, sondern zugleich komplexer geworden. Nur dieje- nigen Unternehmen haben eine Zukunft, die sich erfolgreich verändern. Die Entwicklung der Fähigkei- ten und Kompetenzen zum Veränderungsmanagement zählt heute zu den wichtigsten Lernaufgaben in Organisationen. Veränderungsmanagement ist nach unserer Definition ein kontinuierlicher Prozess der Exploration, Analyse, Evaluation und des Managements vieler kleiner und manchmal auch großer vorhergesehener und nicht vor- hergesehener Probleme und Misserfolgsrisiken (Greif, Runde & Seeberg, im Druck, Kapitel 1). Ziel ist eine hohe Erfolgsrate beim Erreichen erwarteter Ziele und der als wichtig angesehenen Evaluationskriterien. Der Erfolg der Veränderungen kann nicht allein durch objektivierbare Wirtschaftlichkeitskriterien (z.B. verbesser- tem Return on Investments) gemessen und durch die offizielle Abschlussbewertung der Geschäftsführung festgestellt werden. Um als Erfolg Bestand zu haben, ist es erforderlich, dass die Veränderungen auch nach der informellen Bewertung durch die verschiedenen Leitungsebenen sowie alle einflussreichen Schlüsselper- sonen und Gruppen in- und außerhalb der Organisation das Etikett “ Erfolg” erhalten. Veränderungsmanagement ist eine Kernverantwortung der Leitungsebenen. Die resultierenden Auf- gaben müssen von den Leitungsebenen im Zusammenwirken mit den Mitarbeiter/innen bewältigt wer- den. Zur Planung und Durchführung der Veränderungen werden in größeren Unternehmen oft externe oder interne Unternehmensberater herangezogen, Projektleiter eingesetzt und Projektteams gebildet. Im Unterschied zum Projektmanagement bei zeitlich begrenzten Veränderungsprojekten sind die Mana- gementaufgaben bei langfristigen Veränderungsprozessen in der Regel komplexer. Ihr Erfolg hängt von der Unterstützung und Mitarbeit vieler Organisationsmitglieder ab. Starke organisationale Verän- derungen lösen bei den Betroffenen Verunsicherungen aus und rufen informelle und formelle Wider- stände hervor. Dadurch können weitere Probleme entstehen. Zum Veränderungsmanagement gehört nach unserer Definition deshalb auch eine kontinuierliche Exploration potentieller Probleme und Risi- ken sowie immer wieder neue Reanalyse und Bewertung der Veränderungen. Die Veränderungen müssen an neue Situationen angepasst und selbst auch kontinuierlich verändert werden. Neu erkann- te, beeinflussbare Probleme oder Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren müssen gemanaged werden Nicht alle Veränderungen sind erfolgreich. Nach einer Studie über Veränderungen im Bereich der Personalentwicklung bleibt die Mehrzahl der Projekte deutlich hinter den von den Auftraggebern vor- gegebenen Zielen zurück (Boonstra 2000). In kleinen und mittelständischen Unternehmen erreichen von 1.036 befragten Unternehmen im Durchschnitt nur etwa 26% die angestrebten Ziele der Innovati- onen „voll und ganz“, 62% „zum Großteil“, 16% „teilweise“ und weniger als 1% „eher nicht“ (Diekhoff, Hoffmann, Schreurs & Schröter 2001). „Vollkommene Misserfolge“ sind demnach sehr selten. In unse- rer Untersuchung gehen wir der Frage nach, ob die Investitionen in Veränderungen in Unternehmen von den Beteiligten bereits als „Erfolg“ gewertet werden, wenn ihre Ziele nur „zum Großteil“ erreicht werden. In unserer Untersuchung über Erfolge und Misserfolge organisationaler Veränderungen 1 waren Pra- xisexperten aus sieben Ländern bereit, jeweils die erfolgreichsten und am wenigsten erfolgreichen Projekte oder „größten Misserfolge“ zu beschreiben und zu analysieren, an denen sie mitgewirkt ha- ben. Dadurch konnten wir nicht nur beispielgebende, sehr erfolgreiche Veränderungen (Best-Practice- 1 Das vorliegende Projekt wurde im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Identifizierung und Bilanzierung erfolgreicher Veränderungen in der Arbeitsgestaltung und Unternehmensorganisation“ unter der Projektträgerschaft des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DRL) mit dem Förderkennzeichen 01HV0001 fi- nanziert und vom Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Osnabrück (Leitung Prof. Dr. Siegfried Greif) durchgeführt (Juli 2000 bis Februar 2002). 10-2003 - Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie (Prof. S. Greif) der Universität Osnabrück 1

Theoretische Grundlagen und Ergebnisse zum Projekt Erfolg und … 11-03 Endvers... · Theoretische Grundlagen und Ergebnisse zum Projekt Erfolg und Misserfolg von Veränderungen Langfassung

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Theoretische Grundlagen und Ergebnisse zum Projekt Erfolg und Misserfolg von Veränderungen

Langfassung November 2003

Siegfried Greif, Bernd Runde und Ilka Seeberg

1 Lernen an Erfolgen und Misserfolgen Das Innovationstempo hat in allen Bereichen zugenommen. Die Veränderungen der Produkte und Dienstleistungen, Technik, Strukturen und Prozesse sind in Unternehmen und anderen Organisatio-nen nicht nur sehr viel häufiger und kurzzyklischer, sondern zugleich komplexer geworden. Nur dieje-nigen Unternehmen haben eine Zukunft, die sich erfolgreich verändern. Die Entwicklung der Fähigkei-ten und Kompetenzen zum Veränderungsmanagement zählt heute zu den wichtigsten Lernaufgaben in Organisationen.

Veränderungsmanagement ist nach unserer Definition ein kontinuierlicher Prozess der Exploration, Analyse, Evaluation und des Managements vieler kleiner und manchmal auch großer vorhergesehener und nicht vor-hergesehener Probleme und Misserfolgsrisiken (Greif, Runde & Seeberg, im Druck, Kapitel 1). Ziel ist eine hohe Erfolgsrate beim Erreichen erwarteter Ziele und der als wichtig angesehenen Evaluationskriterien. Der Erfolg der Veränderungen kann nicht allein durch objektivierbare Wirtschaftlichkeitskriterien (z.B. verbesser-tem Return on Investments) gemessen und durch die offizielle Abschlussbewertung der Geschäftsführung festgestellt werden. Um als Erfolg Bestand zu haben, ist es erforderlich, dass die Veränderungen auch nach der informellen Bewertung durch die verschiedenen Leitungsebenen sowie alle einflussreichen Schlüsselper-sonen und Gruppen in- und außerhalb der Organisation das Etikett “ Erfolg” erhalten.

Veränderungsmanagement ist eine Kernverantwortung der Leitungsebenen. Die resultierenden Auf-gaben müssen von den Leitungsebenen im Zusammenwirken mit den Mitarbeiter/innen bewältigt wer-den. Zur Planung und Durchführung der Veränderungen werden in größeren Unternehmen oft externe oder interne Unternehmensberater herangezogen, Projektleiter eingesetzt und Projektteams gebildet. Im Unterschied zum Projektmanagement bei zeitlich begrenzten Veränderungsprojekten sind die Mana-gementaufgaben bei langfristigen Veränderungsprozessen in der Regel komplexer. Ihr Erfolg hängt von der Unterstützung und Mitarbeit vieler Organisationsmitglieder ab. Starke organisationale Verän-derungen lösen bei den Betroffenen Verunsicherungen aus und rufen informelle und formelle Wider-stände hervor. Dadurch können weitere Probleme entstehen. Zum Veränderungsmanagement gehört nach unserer Definition deshalb auch eine kontinuierliche Exploration potentieller Probleme und Risi-ken sowie immer wieder neue Reanalyse und Bewertung der Veränderungen. Die Veränderungen müssen an neue Situationen angepasst und selbst auch kontinuierlich verändert werden. Neu erkann-te, beeinflussbare Probleme oder Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren müssen gemanaged werden Nicht alle Veränderungen sind erfolgreich. Nach einer Studie über Veränderungen im Bereich der Personalentwicklung bleibt die Mehrzahl der Projekte deutlich hinter den von den Auftraggebern vor-gegebenen Zielen zurück (Boonstra 2000). In kleinen und mittelständischen Unternehmen erreichen von 1.036 befragten Unternehmen im Durchschnitt nur etwa 26% die angestrebten Ziele der Innovati-onen „voll und ganz“, 62% „zum Großteil“, 16% „teilweise“ und weniger als 1% „eher nicht“ (Diekhoff, Hoffmann, Schreurs & Schröter 2001). „Vollkommene Misserfolge“ sind demnach sehr selten. In unse-rer Untersuchung gehen wir der Frage nach, ob die Investitionen in Veränderungen in Unternehmen von den Beteiligten bereits als „Erfolg“ gewertet werden, wenn ihre Ziele nur „zum Großteil“ erreicht werden. In unserer Untersuchung über Erfolge und Misserfolge organisationaler Veränderungen1 waren Pra-xisexperten aus sieben Ländern bereit, jeweils die erfolgreichsten und am wenigsten erfolgreichen Projekte oder „größten Misserfolge“ zu beschreiben und zu analysieren, an denen sie mitgewirkt ha-ben. Dadurch konnten wir nicht nur beispielgebende, sehr erfolgreiche Veränderungen (Best-Practice-

1 Das vorliegende Projekt wurde im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm

„Identifizierung und Bilanzierung erfolgreicher Veränderungen in der Arbeitsgestaltung und Unternehmensorganisation“ unter der Projektträgerschaft des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DRL) mit dem Förderkennzeichen 01HV0001 fi-nanziert und vom Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Osnabrück (Leitung Prof. Dr. Siegfried Greif) durchgeführt (Juli 2000 bis Februar 2002).

10-2003 - Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie (Prof. S. Greif) der Universität Osnabrück 1

Modelle), sondern auch Fallbeispiele mit vielen Schwierigkeiten, Problemen, Managementfehlern und Misserfolgen (Bad-Practice-Beispiele) erfassen und untersuchen. Unsere Fallsammlung liefert eine Grundlage für Organisationen und Unternehmensberatungen, die anhand dieser Praxisbeispiele ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zum Veränderungsmanagement weiterentwickeln wollen. Best-Practice-Modelle dürfen in der Regel mit Nennung der Organisationen veröffentlicht werden. Bad-Practice-Beispiele müssen dagegen nach der Analyse anonymisiert aufbereitet werden, um sie zur Fortbildung von Geschäftsführern, Projektleitern und Unternehmensberatern verwenden zu können.

2 Theoretische und methodische Grundannahmen Nach Praxiserfahrungen unterscheiden wir bei organisationalen Veränderungen zwischen allgemei-nen und spezifischen Merkmalen. Nach unserer theoretischen Grundannahme liefern allgemeinen wissenschaftlichen Theorien der Veränderungen nur sehr abstrakte Klassifikationen und Analysen konkreter Veränderungsdynamiken in Organisationen liefern (Greif, Runde & Seeberg, im Druck, Ka-pitel 2). Jede Veränderung in einer Organisation wird durch ihre besondere Vorgeschichte, die jewei-lige aktuelle wirtschaftliche Situation, die Organisationskultur, -struktur, -technologie und Ablauforga-nisation und durch die individuellen Biografien sowie spezifische Stärken und Schwächen der einfluss-reichen Schlüsselpersonen im Veränderungsprozess geprägt. Für die Generierung konkreter prakti-scher Interventionen im Einzelfall sind konkrete, auf den Einzelfall bezogene Analysen nützlicher. Man kann zwar immer auch Vergleiche zu anderen Veränderungen ziehen, sollte dabei aber niemals die Besonderheiten und möglicherweise Einzigartigkeit des speziellen Falls vernachlässigen. Wenn nun aber jede Veränderung wesentlich durch Besonderheiten geprägt ist, brauchen wir Theorien zum Ver-änderungsmanagement und Methoden, mit denen wir sowohl die allgemeinen Merkmale, als auch die Besonderheiten von Einzelfällen Veränderungen systematisch untersuchen und beschreiben können. Ein Ziel unserer Untersuchung ist es, herauszufinden, ob sich diese postulierten gemeinsamen Be-wertungsmerkmale und Erfolgsfaktoren in unserer breit angelegten, internationalen Befragung vieler Praktiker/innen nachweisen lassen.

Unternehmensberater verwenden oft Beispiele aus anderen Unternehmen. Ihre Konzepte sind oft nicht sehr genau ausformuliert. Sie stützen sich oftmals nur auf Thesen und Zitate, untermauert mit passend ausgewähl-ten Best-Practice-Modellen aus Referenzfirmen. Wenn Spezialisten und Mitarbeiter/innen aus der Organisati-on präzise kritische Fragen zum Veränderungskonzept und dessen Übertragbarkeit stellen, geben Berater in der Anfangsphase oft nur ungenaue Antworten oder verweisen auf noch ausstehende künftige Analysen oder die Beteiligung der Spezialisten und Mitarbeiter/innen bei der Entwicklung von geeigneten Maßnahmen. Die-ses Verhalten soll hier nicht als Schwäche problematisiert werden, sondern als eine gängige Problemlösung, die durchaus praktisch nützlich ist und theoretisch genauer analysiert werden kann. Berater und andere Pra-xisexperten mit viel Erfahrung im Veränderungsmanagement haben es nämlich gelernt, mit kritischen Fragen und Problemen im Verlauf der Projekte, die sie beraten umzugehen. Unsere Hypothese ist, dass sie sich da-bei weniger auf die offiziell vertretenen, ausformulierten Theorien oder genaues Faktenwissen stützen (auf das sogenannte explizierte Wissen), sondern überwiegend auf beiläufig erworbenes (implizites) Verände-rungswissen. Fachleute wie Reichwald (2002) vertreten in Anlehnung an Nonaka (1998) die Auffassung, dass das implizite Wissen für den Erfolg und das Lernen in innovativen Organisationen besonders wichtig ist. Um es leichter weitergeben zu können, muss es sprachlich ausformuliert (expliziert) werden. Implizites Erfahrungswissen von anderen Personen lässt sich allerdings kaum vollständig sprachlich erfassen und wiedergeben. Erfahrungen muss man selbst machen. Aktuelle Konzepte zum Wissensmanagement stützen sich vorwiegend auf dem explizierten Wissen. Kluge (1999) erweitert die Konzepte und entwickelt ein theoretisches Konzept zum Erfah-rungsmanagement .

Unsere methodische Grundannahme ist, dass es zumindest teilweise möglich und praktisch nützlich ist, das Erfahrungswissen von Praktikern durch spezielle Interview-Methoden zu erfassen. Eines der Hauptziele unseres Projekts ist es, sowohl praxisrelevantes explizites als auch implizites Erfahrungs-wissen systematisch zu erfassen und zu beschreiben, soweit dies mit heutigen Methoden möglich erscheint und zur Entwicklung praxisbezogener Theorien zum Veränderungsmanagement heranzu-ziehen. Implizites Erfahrungswissen kann nur schwer sprachlich ausgedrückt werden. Um es zu expli-zieren, kann man versuchen, es sprachlich zu „übersetzen“ oder es zu visualisieren und bildlich dar-zustellen. Wir haben dazu eine Interviewmethode angewandt, die eine schrittweise Verbalisierung mit Visualisierung durch Kartentechniken und einfache Strukturlegetechniken ermöglicht. Auf diesem We-ge erarbeiten wir mit den befragten Praxisexperten gewissermaßen ihre subjektive Theorie zur Be-schreibung und Erklärung der Fallbeispiele für erfolgreiche und weniger erfolgreiche Veränderungen, an denen sie aktiv beteiligt waren.

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Unsere Interview- und Fragebogeninstrumentarium nennen wir Change Explorer (Greif, Runde & Seeberg, 2002). Es besteht aus einem Interview zur Exploration und Analyse der Besonderheiten des Einzelfalls und zwei Standardfragebögen (Bewertung der Ergebnisse und Überprüfung der Erfolgs-/Misserfolgsfaktoren) zur Analyse der typischen, verallgemeinerbaren Merkmale2. Dadurch können sowohl die Gemeinsamkeiten, als auch die Unterschiede in den subjektiven Bewertungen von Ergeb-nissen organisationaler Veränderungen aus Sicht der Beteiligten sowie deren Erklärung der Erfolge oder Misserfolge dieser Veränderungen erfasst werden.

Interviews zur Erhebung von Erfahrungen benötigen relativ viel Zeit (1½ bis 2 Stunden). Es war nicht leicht, 346 Praktikerinnen und Praktiker für zeitintensive Befragungen in einem Feld zu gewinnen, in dem durch die Veränderungen über die wir mit ihnen sprechen wollen, teilweise extremer Zeitdruck an der Grenze der Über-forderung entstanden ist. Es scheint sich jedoch zu lohnen, diese Zeit zu investieren, denn nach dem Inter-view äußerten viele der interviewten Personen spontan, dass es für sie sehr nützlich war, systematischer als zuvor über ihre Erfahrungen und Einschätzungen reflektiert zu haben. Die Ergebnisse können auf einem Auswertungsworkshop präsentiert und diskutiert werden, um explizite oder implizite Meinungsunterschiede und Bewertungskonflikte zu klären und eine gemeinsame Veränderungstheorie zu erarbeiten (Greif, Runde & Seeberg, in Vorber.). Dadurch können bisher unerkannte Misserfolgsrisiken entdeckt und gemeinsam prakti-sche Verbesserungsvorschläge generiert werden.

Um die Erfolgschancen weiter zu verbessern und einen „vollen Erfolg“ zu erzielen, ist es erforderlich, so früh wie möglich alle erkennbaren Schwierigkeiten, Probleme und Misserfolgsrisiken bei Verände-rungen zu analysieren und Maßnahmen zu ihrer Überwindung einzuleiten. Durch die Interviews und Fragebögen können wir herausfinden, welche Risiken aus der Sicht erfahrener Praktiker/innen auftre-ten und wie sie erkannt und bewältigt werden können. Unser Change Explorer kann dazu verwendet werden und ist deshalb nicht nur eine Analyseinstrument, sondern gleichzeitig auch ein Management-instrument.

3 Ausgangsfragen der Untersuchungen Jede Untersuchung über Erfolg und Misserfolg von Veränderungen provoziert sofort sehr grundsätzli-che Ausgangsfragen. Was ist eigentlich ein Erfolg und was ist ein Misserfolg bei Veränderungen? Gibt es allgemeinverbindliche Kriterien, die als Bewertungsmerkmale herangezogen werden? Gibt es Un-terschiede in den Bewertungsmerkmalen zwischen Geschäftsführer/innen, Unternehmensbera-ter/innen, Projektleiter/innen und Mitarbeiter/innen oder Mitgliedern des Betriebsrats bzw. Personal-rats? Lässt sich in Unternehmen und anderen Organisationen verschiedener Länder und Kulturen überhaupt ein übereinstimmendes Verständnis über Bewertungsmerkmale und Erfolgsfaktoren fin-den? In unseren Interviews haben wir die folgenden beiden offenen Fragen gestellt und mit Kategoriensys-temen ausgewertet: (1) Woran machen unterschiedliche beteiligte Personen in Veränderungsprojekten den Erfolg bzw.

Misserfolg fest (sie werden auch als Erfolgskriterien oder Bewertungsmerkmal bezeichnet)? (2) Auf welche Ursachen führen die Beteiligten den Erfolg bzw. den Misserfolg des Verände-

rungsprojektes zurück? (so genannte Erfolgsfaktoren)? Um eine differenzierte Erhebung und Analyse der Bewertungsmerkmale und Erfolgsfaktoren aus Sicht der befragten Personen zu ermöglichen, wurde der Interviewleitfaden in mehreren Schritten entwickelt und praktisch getestet. In den Interviews wurde nach Möglichkeit jeweils die relativ erfolgreichste or-ganisationale Veränderung der letzten Zeit (wir nennen sie „A-Projekt“) und im Kontrast dazu eine wenig erfolgreiche Veränderung (das „Z-Projekt“) erfasst, an dem die Interviewpartner/innen selbst beteiligt waren. Für beide Veränderungen wurden Strukturbilder entwickelt, in denen die subjektiv wichtigsten Merkmale und Zusammenhänge dargestellt werden. Diese Strukturbilder explizieren nach unserem Annahmen die subjektiven Veränderungstheorien der befragten Praktiker/innen (siehe Greif, Runde & Seeberg, im Druck, Kapitel 2 und 4).

2 Der Interviewleitfaden und die Fragebögen werden bei Greif, Runde und Seeberg (in Vorber.) wiedergegeben und können auf

Anfrage zugesandt werden.

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4 Ergebnisse 4.1 Untersuchte Stichprobe Um zu überprüfen, ob es die postulierten verallgemeinerte Bewertungsmerkmale und Erfolgsfaktoren gibt, sind Untersuchungsstichproben geeignet, die möglichst heterogen zusammengesetzt sind. Um herauszufinden, ob die Unternehmensgröße, Branche oder der Bereich, in dem die Veränderungen angestrebt werden (z.B. in der Personalentwicklung oder im Qualitätsmanagement) eine Rolle spielen, haben wir in unseren Befragungen ein sehr breites Spektrum von Organisationen und Bereichen be-rücksichtigt. In den meisten bekannten Erfolgsfaktorenuntersuchungen werden nur einzelne Aus-kunftspersonen – meistens nur Projektleiter und Führungskräfte – befragt. In unserer Untersuchung haben wir unterschiedliche Personen (Geschäftsführer/innen, Projektleiter/innen, Mitarbeiter/innen, Betriebs- oder Personalräte und Unternehmensberater/innen) einbezogen. Im Zuge der Globalisie-rungs- und Internationalisierungsprozesse wird es bei Veränderungen künftig immer wichtiger, Sicht-weisen international und interkulturell zu vergleichen und miteinander zu integrieren. Aus diesem Grunde wurden neben einer großen und systematischen Erhebung in deutschen Organisationen exploratorisch auch Praktiker/innen aus Großbritannien, den Niederlanden, den USA, Griechenland, Spanien und Südkorea befragt3. Die Untersuchungsteilstandardisierten Interviews und schriftlichen Befragungen wurden an dieser internationalen und branchenübergreifenden Stichprobe erhoben. Neben einer großen systematischen Erhebung in deutschen Organisationen wurden exploratorisch auch US-amerikanische, britische, grie-chische, koreanische, niederländische und spanische Unternehmen befragt. Insgesamt wurden 346 Interviews in 211 Organisationen aus 7 Ländern durchgeführt. Mit 141 interviewten Personen stammte der größte Teil der Auskunftspersonen aus Deutschland. Aus Großbritannien kamen 27, aus Grie-chenland 18, Korea 29, aus den Niederlanden 41, aus Spanien 12 und den USA 36. Tabelle 1 gibt eine Übersicht zur Anzahl der Befragten in den einzelnen Branchen. Wie die Übersicht zeigt, wurde ein breites Branchenspektrum berücksichtigt.

Tab. 1: Anzahl der Befragten nach Branchen

Branche Anzahl Konsumgüter Industrie 29 Investitionsgüter 58 Informations- und Kommunikationsindustrie 25 Verkehr Handel 33 Banken Versicherungen 16 Gesundheit Pflege 22 Bildung 20 Beratung 40 andere Dienstleistungen 27 öffentlicher Dienst 73 Keine Angabe 3 Gesamt 346

Tabelle 2 zeigt, dass die meisten Auskunftspersonen deutscher und auch ausländischer Herkunft aus mittleren und großen Unternehmen stammen. Deutlich mehr als die Hälfte der deutschen Unterneh-men befindet sich in einer Konzernstruktur mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.

Tab. 2: Größe der Organisationen (Mitarbeiterzahl, Angaben in %)

3 Unsere universitären Kooperationspartner waren: Dr. Angela Carter, Institute of Work Psychology, University of Sheffield

(GBR), Prof. Dr. Celeste Wilderom, University of Twente (NL), Prof. Dr. Robert D. Pritchard, Director of the Indus-trial/Organizational Psychology Program, Texas A&M University (USA) und ihre Mitarbeiter(innen).

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1 - 49 50 - 249 250 - 999 > 1000 Deutschland 9,0% 18,0% 12,0% 60,9%

GB 10,7% 21,4% 3,6% 64,3%

Griechenland 11,8% 29,4% 11,8% 47,1%

Korea 10,3% 10,3% 48,3% 31,0%

Niederlande 12,8% 17,9% 23,1% 46,2 %

Spanien 8,3% 25,0% 16,7% 50,0%

USA 34,3% 28,6% 11,4% 25,7%

Wie Tabelle 3 wiedergibt, erzielen mehr als die Hälfte der einbezogenen Unternehmen einen kon-zernbezogenen Umsatz von wenigsten 250 Mio. Euro. Die britischen Auskunftspersonen stammen eher aus kleinen und mittleren Unternehmen mit einem durchschnittlichen Umsatz von ca. 125 Mio. Euro. Auch die griechischen und koreanischen Auskunftspersonen stammen eher aus kleineren und mittleren Unternehmen mit einem Umsatz am Standort von bis zu 250 Mio. Euro.

Tab. 3: Größe der Organisationen (Umsatz in Euro, Angaben in %) Non-Profit 0 – 249

Mio. 250 Mio. – 1,24 Mrd.

1,25 – 4,9 Mrd. > 5 Mrd.

Deutschland 18,5% 25,8% 27,4% 14,5% 13,7%

GB 9,1% 50,0% 22,7% 13,6 4,5%

Griechenland 71,4% 28,6%

Korea 69,0% 31,0%

Niederlande 6,9% 51,7% 10,3% 17,2% 13,8%

Spanien 75,0% 25,0%

USA 26,1% 69,6% 4,3%

Tabelle 4 stellt die Verteilung der Auskunftspersonen auf die unterschiedlichen Rollen in den Verände-rungsprojekten dar. In Deutschland ist das formulierte Ziel einer möglichst breiten Verteilung auf die verschiedenen Rollen erreicht worden. Aufgrund der geringen Stichprobengröße in den anderen Län-dern sind nicht alle Zellen der Tabelle besetzt bzw. nur sehr gering besetzt, was in der Folge eine perspektivenspezifische interkulturelle Auswertung unmöglich macht.

Die starke Häufung so genannter „Sonderfälle“ in der Tabelle resultiert durch eine „Vermischung“ von Funktionen in den Projekten. So kann der Geschäftsführer z.B. gleichzeitig Projektleiter sein, der Pro-jektleiter wiederum kann auch als interner Berater zumindest phasenweise eine übergeordnete Funk-tion innehaben.

Tab. 4: Rollen bzw. Funktionen der Auskunftspersonen (GF: Geschäftsführung, PL: Projektleitung, UB: Unternehmensberater, BR: Betriebs-/Personalrat , MA: Mitarbei-

ter)

GF PL UB BR MA Auftrag-geber Sonderfall

Deutschland 19 41 14 14 23 7 20

GB 8 9 8 1 2

Griechenland 3 2 3 10

Korea 4 9 3 2 8

Niederlande 8 15 4 2 12

Spanien 1 6 3 1 1

USA 3 6 5 7 15

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4.2 Welche Arten von Veränderungen wurden untersucht? Die Veränderungen lassen sich nach dem Bereich grob in drei Projektklassen einteilen: Veränderun-gen im Bereich Personalentwicklung, zur organisationalen Reorganisation (Veränderung der Struktu-ren und Prozesse) und Einführung oder Weiterführung von Total Quality Management (TQM). In Ta-belle 5 wird die Anzahl der Befragten nach diesen Klassen von Veränderungen wiedergegeben. Zu jeder Klasse konnte ein große Anzahl von Befragungen durchgeführt werden. Besonders viele Projek-te gehörten zum Bereich Reorganisation.

Tab. 5: Anzahl der Befragten nach Projektklassen Veränderungsklasse Anzahl Personalentwicklung 68 Reorganisation 337 TQM 126 Gesamt 432

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4.3 Wie hoch ist der Zielerreichung und der Erfolg? Der bewertete Zielerreichungsgrad der erfolgreichen A-Projekte ist über die Veränderungsklassen hinweg vergleichbar. Nach Abbildung 1 findet sich die niedrigste Zielerreichung (40%) im Bereich Per-sonalentwicklung (weniger erfolgreiche Z-Projekte) und die höchste (78%) bei den erfolgreichen Re-organisationen (A-Projekte). Die Auswertung zeigt, dass auch bei den weniger erfolgreichen Z-Projekten der Zielerreichungsgrad im Durchschnitt immerhin noch 40% (Personalentwicklung), 47% (Reorganisation) und 50% (TQM) erreicht, also keineswegs nahe bei Null liegt. Diese relativ niedrigen Prozentwerte werden jedoch von den Befragten als unzureichend angesehen. Die Unterschied des Zielerreichungsgrads pro Projektklasse sind statistisch signifikant (df=2; Chi-Quadrat=5,2 bzw. 4,9 bzw. 4,7).

72%

78%

74%

50%

47%

40%

0% 20% 40% 60% 80% 100%

TQM

Reorganisation

Personalenwicklung

Erfolgreiches Projekt Weniger erfolgreiches Projekt

Abb. 1: Erfolgsbewertung (Prozent der Zielerreichung) getrennt nach Projektklassen Zusätzlich zum Zielerreichungsgrad haben wir die Frage gestellt, inwieweit die Veränderungen insge-samt als „Erfolg“ oder als „Misserfolg“ bewertet werden. Dazu haben wir den Interviewten eine Skala von + 5 bis – 5 vorgelegt und sie gefragt, wo sie das Projekt auf dieser Skala als „Erfolg (positive Er-gebnisse, Vorteile, Verbesserung)“, als „Misserfolg (negative Ergebnisse, Nachteile, Verschlechte-rung) oder „weder/noch“ einschätzen. In Abbildung 2 werden diese signifikanten Unterschiede der Mittelwerte der Veränderungsklassen wiedergegeben (Reorganisation: df=328; t=25.3; p<.00; Perso-nalentwicklung: df=66; t=9,23; p<.00; TQM= df=123; t=16,3; p<.00).

-2 -1 0 1 2 3 4 5

Erfolgreiches Projekt Weniger erfolgreiches Projekt

Personalentwicklung

Reorganisation

TQM

Abb. 2: Erfolgsbewertung getrennt nach Projektklassen

(Vollkommener Erfolg= + 5, vollkommener Misserfolg= - 5):

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Veränderungen in der Personalentwicklung werden in den Erfolgschancen und Misserfolgsrisiken „extremer“ beurteilt als TQM- und Reorganisationsprojekte. D.h. erfolgreiche Personalentwicklungs-projekte werden positiver bewertet als erfolgreiche Reorganisationsprojekte und diese wiederum po-sitiver als erfolgreiche TQM-Projekte. Das umgekehrte Muster zeigt sich für Misserfolgsprojekte. Per-sonalentwicklungsprojekte bekommen die schlechtesten Bewertungen, gefolgt von Reorganisations- und TQM-Projekten (vergleiche Abbildung 2). Geschäftsführer, Projektleiter und Unternehmensberater schätzen erfolgreiche Veränderungen – un-abhängig von der Veränderungsklasse – positiver ein als die Mitarbeiter. Auch auf die Frage nach der Zielerreichung sind die Projektleiter und Unternehmensberater wesentlich positiver eingestellt als die Mitarbeiter. Sie schätzen die Zielerreichung im Durchschnitt um 15 Prozentpunkte höher ein. Für die Gruppe der weniger erfolgreichen Veränderungen ergibt sich hingegen ein anderes Muster. Die Geschäftsführer beurteilen diese Veränderungen deutlich schlechter als Unternehmensberater und Projektleiter. Auch die Mitarbeiter und die Personalvertretung kommen hier zu einem deutlich kritischeren Urteil. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Projektleitung und die Unter-nehmensberater zu positiveren Bewertungen neigen wohingegen die Geschäftsführung und Mitarbei-ter tendenziell eher kritischer über die Projekte urteilen.

4.4 Bewertungsmerkmale und Erfolgsfaktoren 4.4.1 Interviewauswertung Zur Auswertung der qualitativen Antworten aus den Interviews wurden inhaltliche Kategoriensysteme und Manuals erstellt (102 Kategorien für die Bewertungsmerkmale und 96 für die Erfolgsfaktoren). Die Auswertungskräfte erhielten eine systematische Ausbildung und ihre Kodierungen wurden stichpro-benartig auf ihre Reliabilität (Beobachterübereinstimmung) überprüft. Die mit Kappa-Koeffizienten erfassten Reliabilitäten erreichten Werte zwischen .69 und .92, mit einem Mittelwert bei .79. Die Beobachterübereinstimmungen sind nicht optimal, aber hinreichend für die Verwendbarkeit der mit dem Kategoriensystem gewonnenen Ergebnisse. Für derart umfangreiche Kategoriensysteme kann man kaum höhere Koeffizienten erzielen.

Auf die Frage nach den Bewertungsmerkmalen, an denen sie – unabhängig von der Erfolgseinschät-zung – den Erfolg oder Misserfolg festmachen, beziehen sich die mit Abstand häufigsten Antworten auf die Folgen für die Mitarbeiter (ca. 38%). An zweiter Stelle werden Merkmale der Projektorganisati-on (ca.20%) genannt und danach qualitativ wirtschaftlichen Merkmale (ca. 15%). Unter qualitativ wirt-schaftlichen Merkmalen werden u. a. Reduzierungen von Schnittstellen und Verbesserungen der Pro-zessabläufe genannt. Erfolge von Veränderungen werden also weniger an monetären/finanziellen Aspekten festgemacht, sondern an dem, was sich für die Mitarbeiter im konkreten Arbeitsablauf posi-tiv ändert. Wie einige Interviewpartner herausstellten, ist es „selbstverständlich“, dass die Verände-rungen auch an quantitativen Kriterien der Wirtschaftlichkeit gemessen (Kosteneinsparungen, Renta-bilität oder Return on Investment) erfolgreich sind. Wichtiger, weil kritischer für die Erfolgsbewertung, sind jedoch die oben genannten Merkmale. Die Ursachen für den Erfolg oder Misserfolg eines Projektes werden vor allem in Merkmalen der Pro-jektorganisation (ca. 24%), Merkmalen der Mitarbeiter und unteren Führung (ca. 23%), qualitativ wirt-schaftlichen Merkmalen (ca. 14%) und Merkmalen der Geschäftsführung (ca. 12%) gesehen. Ein be-sonders interessantes Ergebnis betrifft die Rolle der Geschäftsführung. Bei erfolgreichen Projekten wurde die Geschäftsführung nur in 8% aller Fälle als Ursache für den Erfolg genannt. Bei Misserfolgs-projekten wird sie jedoch in 16% der Nennungen für das Misslingen verantwortlich gemacht.

4.4.2 Analysen der Fragebögen Zur Untersuchung der Mehrdimensionalität der Fragebögen wurden für die Bewertungsmerkmale und Erfolgsfaktoren jeweils getrennte multiple Faktorenanalysen durchgeführt. Die Vielfalt der einzelnen Bewertungsmerkmale kann trotz der sehr heterogen zusammengesetzten internationalen Stichprobe jeweils auf wenige gemeinsame Faktoren reduziert werden4. Dies bestätigt unsere theoretische

4 Bei den Bewertungsmerkmalen lassen sich nach einer Hauptkomponentenanalyse nach dem Scree-Test 7 Faktoren finden. In

der mit Varimax zur Einfachstruktur rotierten Faktorenanalyse erklären sie 55% der Varianz. Die entsprechenden Ergebnisse der Erfolgsfaktoren sind 8 Faktoren und 49% der Varianz.

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Grundannahme, dass Praktiker/innen zur Bewertung der Veränderungen und Erklärung der Ursachen für Erfolge und Misserfolge auf gemeinsame Merkmale zurückgreifen. Auf der Grundlage der multiplen Faktorenanalyse der Bewertungsmerkmale haben wir Subskalen zur Erfassung der Dimensionen konstruiert und auf ihre Reliabilität (Cronbachs Alpha) hin überprüft. Ta-belle 6 gibt die Subskalen und Reliabilitäten zu den Subskalen der Bewertungsmerkmale wieder. Die Werte sind durchweg befriedigend bis sehr hoch und in zwei per Zufall getrennten Teilstichproben sehr stabil5. Der Fragebogen kann als Instrument zur schnellen Einschätzung der Bewertungsmerk-male eingesetzt werden6.

5 Um die Stabilität der Ergebnisse durch eine so genannte Kreuzvalidierung überprüfen zu können, haben wir die Gesamtstich-

probe per Zufall in zwei Teilstichproben mit gleichen Anteilen von A- und Z-Projekten geteilt. (Wir danken Ines Kemmelmeier für die hierfür erforderliche, aufwendige Transformation der Datensätze.) Wie unten dargelegt wird, wurden die multiplen Fak-torenanalysen, die darauf aufbauende Skalenkonstruktion, die multiplen Regressionen, linearen Modelle und regelbasierten Analysen zunächst nur an der ersten Unterstichprobe durchgeführt. Alle Ergebnisse konnten in der zweiten Stichprobe stabil wieder gefunden werden.

6 Erfahrungsgemäß dauert das Ausfüllen des Fragebogens nur ca. 10-15 Minuten.

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Tab. 6: Subskalen und Reliabilitäten des Fragebogens zur Bewertung der Veränderungen (MA: Mitarbeiter/innen; Reliabilität: Cronbachs Alpha)

Subskala Item-Anzahl

Beispiel-Fragen (unvollständige Auswahl) Reliabilität Stichprobe

1

Reliabilität Stichprobe

2 Impr: Viele verschiedene

Verbesserungen 8 - Verbesserung der Motivation der MA

- Verbesserung der Zufriedenheit der MA - Verbesserung der Qualifizierung der MA - Verbesserung der Zufriedenheit der Kunden - Positive Kundenentwicklung - Verbesserung der Flexibilität der Organisation - Verbesserung der Innovationsbereitschaft - Entwicklung einer innovativen und lernenden Organisation - Eigene Zufriedenheit und Erfolgserlebnisse

0.93 0.91

Econ: Quantitative Wirt-schaftlichkeitskennzif-fern7

2 - Höherer Return on Investments - Positive Umsatzentwicklung

0.85 0.84

Arb: Sicherung von Ar-beitsplätzen

3 - Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region - Sicherung von Arbeitsplätzen auf überregionalen Arbeitsmärk-ten

0.81 0.81

PInnov: Produktinnovati-on

2 - Herstellung von Produkten bzw. Lieferung von Dienstleistun-gen für morgen

- Technische Verbesserungen von Produkten

0.75 0.91

Soz: Soziale und kulturel-le Verbesserungen

5 - Positive Folgen für die allgemeine Kultur und Bildung - Verbesserung der Frauenförderung - Positive Folgen für die interkulturellen Beziehungen - Förderung junger Mitarbeiter/innen - Förderung der körperlichen und psychosozialen Gesundheit

0.90 0.89

Umw: Umweltverbes-serungen

5 - Verbesserung der Umwelt - Verringerung des Energieverbrauchs und Nutzung umwelt-schonender und ungefährlicher Energiequellen

- Verwendung umweltverträglicher Rohstoffe für die Produkte - Verbesserungen im Recycling von Material und Produkten

0.92 0.96

Nach: Nachhaltigkeit 4 - Verbesserung der Langlebigkeit/ Reparaturfreundlichkeit von Produkten

- Aufklärungsprogramme zum nachhaltigen Konsum - Rücknahme von ge- und verbrauchten Produkten - Erhöhung der Gerechtigkeit zwischen den heute lebenden Menschen und zukünftigen Generationen

0.96 0.85

Auss: Ausschuss-verringerung

2 - Geringere Ausschussquoten - Niedrigere Nachbearbeitungskosten

0.89 0.92

Interessant ist, dass sich in der Faktorenanalyse ein starker Faktor ergibt, fast ein Generalfaktor, in dem sich viele unterschiedliche positive Folgen sammeln. Wir haben ihn „Viele verschiedene Verbes-serungen (Impr)“ genannt. Auch die Fragen zur Einschätzung der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit (Return on Investment, Umsatzentwicklung sowie Verringerung der Kosten) und die Optimierung der Prozesse laden auf diesem Faktor. Lediglich die Frage zur Verbesserung des Shareholder Values korreliert nicht substanziell. Dieses Ergebnis zeigt, dass die subjektive Bewertung der Ergebnisse der Veränderungen per Fragebogen eher ganzheitlich und wenig differenzierend erfolgt. Die beiden Fra-gen zum Return on Investment und zur Umsatzentwicklung korrelieren miteinander sehr hoch und laden auch auf anderen Faktoren. Da es Sinn macht, sie trotz ihrer hohen Korrelation zum Hauptfaktor getrennt einzuschätzen, haben wir aus ihnen eine „Subskala“ (mit nur zwei Items) gebildet und die aus der anderen Skala herausgenommen. In der weiteren Auswertung der Ergebnisse zeigen sich Unter-schiede, die diese methodisch angreifbare Entscheidung nachträglich stützen. Hier wären allerdings weitere Untersuchungen und erforderlich oder eine Überarbeitung der Items zur Wirtschaftlichkeit. In der Faktorenanalyse ließen sich allerdings die Items zur Erfassung der Wirtschaftlichkeit und der

7 Im untersuchten Fragebogen sind zwei sehr hoch korrelierende Frage zur Wirtschaftlichkeit enthalten (Höherer Return on

Investments und positive Umsatzentwicklung), deren Reliabilität durchaus bereits hoch erscheint. Die Fragen zur Wirtschaft-lichkeit ließen sich allerdings durch die Faktorenanalysen nicht vom Faktor „Viele verschiedene Verbesserungen“ trennen. Dennoch haben wir sie aus probeweise als gesonderte Subskala in den weiteren Berechnungen mitlaufen lassen, weil dieses Kriterium in der Fachliteratur oft gesondert erfasst wird und weil sie in den Interviews eine gut trennbare Oberkategorie bilden. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Entscheidung durchaus sinnvoll war. Im Fragebogen wurden hier zwei ähnliche, bisher nicht untersuchte Fragen ergänzt (Rentabilität der Investition und höherer Gewinn nach Steuern), um die Konsistenz der Skala zu erhöhen. Dies bedarf allerdings einer empirischen Überprüfung.

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In unserem überarbeiteten Fragebogen haben wir eine Subskala zur Verbesserung der Prozesse (Proz) er-gänzt. Hier war im ursprünglichen Fragebogen nur ein einzelnes Item vorhanden. In der Fachliteratur und in unseren Interviews ist die Optimierung der Prozesse und Abläufe eine als sehr wichtig angesehene Kategorie (dort unter dem Oberbegriff „Qualitative Wirtschaftlichkeit“). In den Faktorenanalysen finden wir hierzu aller-dings keinen trennbaren Faktor. Das Einzelitem, das dieses Bewertungsmerkmal inhaltlich am besten reprä-sentiert („Optimierung von Fertigungsverfahren/Arbeitsabläufen“) haben wir als Einzelitem in die weiteren Be-rechnungen aufgenommen, um seine Zusammenhänge nicht zu vernachlässigen. Im neuen Fragebogen ha-ben wir hier probeweise weitere ähnliche Fragen ergänzt (Kürzere Prozesse/ geringere Zykluszeiten und effi-zientere Abläufe). Ob diese Fragen zusammen eine reliable Subskala bilden, muss noch empirisch überprüft werden.

In Tabelle 7a und b werden die ebenfalls nach einer multiplen Faktorenanalyse konstruierten Subska-len zur Erfassung der Erfolgsfaktoren mit ihren Reliabilitäten wiedergegeben. Die Werte sind durch-weg hoch bis sehr hoch und in unseren beiden per Zufall getrennten Teilstichproben sehr stabil. Der Fragebogen kann als Instrument zur schnellen Screening der Erfolgsfaktoren eingesetzt werden8. Nach unseren theoretischen Annahmen hängt der Erfolg der Veränderungen von den jeweiligen Kon-textbedingungen (z.B. Marktsituation), Organisationsstrukturen und Prozessen, ständigen Situations-analysen und gemeinsamen Problemlösungen oder Maßnahmen sowie der informellen Bewertung der Maßnahmen durch einflussreiche Schlüsselpersonen und -gruppen auf allen Ebenen ab (Greif, Run-de & Seeberg, im Druck, Kapitel 2). Die Kontextbedingungen und Veränderungsmöglichkeiten müssen dabei allerdings immer auch von Personen erkannt, vermittelt und umgesetzt werden. Wie wir nach unserer Theorie erwartet haben, finden wir starke personenbezogene Faktoren (siehe Tab. 7a). So bilden alle Items zur Beschreibung der Merkmale und Verhaltensweisen der obersten Führungsebene oder Geschäftsführung einen Faktor, wie auch jeweils die Fragen zur Projektleitung, zum Projektteam und zur Unternehmensberatung. Unerwartet ist, dass die Fragen zur Einbeziehung und Information der Mitarbeiter/innen nicht zusammen mit den übrigen mitarbeiterbezogenen Items so hoch korrelie-ren, dass sie einen Faktor konstituieren. Sie korrelieren interessanterweise hoch und nicht trennbar mit den übrigen Fragen zur Führung. Hohes Engagement oder Commitment der Führung und eine „perfekte Führung“ ist demnach aus der Sicht der Befragten gleichzeitig eng mit aktiver Einbeziehung und Beteiligung sowie guten Information der Mitarbeiter/innen über die Veränderungen verbunden. Genau betrachtet ist dieses Ergebnis sehr plausibel, Die Mitarbeiter/innen zu informieren und zu betei-ligen, gehört bei organisationalen Veränderungen zunächst einmal zur Verantwortung der Führung. Bei den Fragen zu den Mitarbeiter/innen korrelieren die Items untereinander hoch, in denen negative Erfahrungen, Misstrauen, Furcht vor Veränderungen, Angst vor Arbeitsplatzverlust oder Zusatzbelas-tungen durch die Veränderungen thematisiert werden und ergeben zusammen einen konsistenten Faktor. Wir haben sie zur Subskala „Misstrauen (Miss)“ zusammengefasst (siehe Tab. 7b). Dieser Faktor kann als Negativ-Pol der Offenheit der Mitarbeiter/innen für die Veränderungen angesehen werden. Interessant ist, dass hier auch das Item „Großer Problem- und ‚Leidendruck“ lädt. Es korre-liert umgekehrt zur Erwartung, dass „Problem- und ‚Leidendruck“ für erfolgreiche Veränderungen för-derlich sind. Um diesen veränderungsförderlichen Druck zu erfassen wären vermutlich genauere For-mulierungen erforderlich.

8 Erfahrungsgemäß dauert das Ausfüllen des Fragebogens nur ca. 5 Minuten.

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Tab. 7a: Subskalen und Reliabilitäten des Fragebogens zur Einschätzung der Erfolgs-/Misserfolgsfaktoren (GF: Geschäftsführung, PL: Projektleiter, PT: Projektteam, MA: Mitarbeiter/innen, UB: Unter-nehmensberater. Reliabilität: Cronbachs in Stichprobe S1 und S2)

Erfolgsfaktoren Items Beispiele (unvollständige Auswahl) Alpha S1 Alpha S2 Führ: Führung und Ein-

beziehung der MA 16 - Glaubwürdigkeit der Informationen der GF

- Eindeutiges Engagement der GF - Perfekte Führung durch GF - Gute Zusammenarbeit zwischen den Ebenen - Vorbildfunktion der GF für die MA - Aktive Einbeziehung und Beteiligung der MA - Klare Ziele und Rahmenbedingungen - Information über Ziele und Projektverlauf - Erforderlichkeit der Veränderungen war allen klar - Große Offenheit der GF für Innovationen

0,92 0,91

PL: Projektleiter u. Pro-jektmanagement

13 - Große Problemlösekompetenz des PL - Gute Projektmanagementerfahrungen und Kompetenzen des PL

- Glaubwürdigkeit des PL - Engagement des PL - Perfektes Management durch PL - Vorbildliches Verhalten des PL - Exakte Zielvorgaben durch PL - Genaue Kenntnisse von Abläufen und Strukturen des Unter-nehmens

- Offenheit des PL für Innovationen - Erfolgreiche Bewältigung von Konfliktsituationen durch PL - Gutes Beziehungsnetzwerk des PL zu den Beteiligten

0,94 0,94

PT: Projektteam 8 - Sorgfältige Auswahl der PT-Mitglieder - Hohe Akzeptanz in ihren Arbeitsbereichen - Ausbildung des PT für Projektaufgaben - Häufige Reflexion im PT über Arbeitsweise und Methoden - Gute Informationskontakte im PT - Übereinstimmung in den Zielen - Sehr harmonische Beziehungen im PT

0,88 0,74

UB: Unternehmensbera-ter

15 - Glaubwürdigkeit des UB - Engagement des UB - Hilfreiche Außenperspektive durch UB - UB hat Problem genau erfasst - Großer Erfahrungs- und Wissensvorsprung des UB - Genaue Kenntnisse des UB von Abläufen und Strukturen des Unternehmens

- Anpassen des Vorgehens an Situation - Gutes Beziehungsnetzwerk des UB zu den Beteiligten - UB half beim Bewältigen von Konfliktsituationen

0,96 0,96

In unserer Untersuchung können wir zwei weitere personenbezogene Misserfolgsfaktoren isolieren, die sich allerdings nicht einzelnen Personen oder Gruppen, sondern den Beziehungen der Personen untereinander zuzuordnen sind (siehe Tab. 7b). Sie werden im Folgenden behandelt. Die Fragen über die Existenz von Kommunikationsproblemen gruppieren sich, wie zu erwarten war, zu einem statistisch isolierbaren Misserfolgsfaktor. Wir haben ihn nach Items mit den höchsten Lö-sungen als „Kommunikationsprobleme (Komm)“ bezeichnet. Plausibel ist, dass sich hier gleichzeitig ein enger Zusammenhang zum personellen Wechsel in der Projektleitung und im Projektteam ergibt. Ein typisches Symptom für Kommunikationsprobleme ist anscheinend auch eine sofortige Suche nach Schuldigen, wenn sich Probleme ergeben. Außerdem werden hier die Entscheidungen in der Ge-schäftsführung nicht sorgfältig ausdiskutiert, sondern, wie Praktiker/innen dies nennen, nur „abge-nickt“. Die resultierenden Kommunikationsprobleme zeigen sich sehr klar in der Itemformulierung, dass derartige Beschlüsse „privat sofort wieder in Frage gestellt“ werden. Dies verweist sehr klar auf die nach unseren ersten Praktikerbefragungen (vgl. Greif et al., 1998) eingearbeitete Bedeutung nega-tiver informellen Kommunikation und Bewertung der Veränderungen als Misserfolgsfaktor. In unseren Erhebungen haben wir nur wenige Veränderungsprojekte, an denen Personen aus ver-schiedenen Ländern und Kulturen beteiligt sind. Aber bei diesen Veränderungen zeigt sich, dass Di-versifität (diversity) ein trennbarer Misserfolgsfaktor ist, bzw. ein Problem, zu dem es bisher in den von uns untersuchten Veränderungen, wie wir befürchtet haben, keine im Allgemeinen als erfolgreich ein-geschätzten Lösungen gibt. Wir konnten deshalb aus diesem Fragen einen Faktor bilden, den wirt „Kulturelle Unterschiede (Div)“ genannt haben. Allerdings wären bei der hier sehr kleinen Stichprobe weitere Erhebungen erforderlich.

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Tab. 7b (Fortsetzung): Subskalen und Reliabilitäten des Fragebogens zur Einschätzung der

Erfolgs-/Misserfolgsfaktoren Erfolgsfaktoren Items Beispiele (unvollständige Auswahl) Alpha S1 Alpha S2 Miss: Misstrauen, Be-

fürchtungen und Druck 7 - Negative Erfahrungen aus früheren Projekten machten die

Betroffenen misstrauisch - Viele fürchteten sich vor den Veränderungen - Viele hatten Angst um ihren Arbeitsplatz - Großer Problem- und ‚Leidendruck - Erhebliche zusätzliche Arbeitsbelastungen

0,78 0,80

Komm: Kommunikations-probleme im Verlauf

7 - Zwischen PL und GF gab es Kommunikationsprobleme - Zwischen PL und PT gab es Kommunikationsprobleme - Sofortige Schuldigensuche, wenn etwas schief ging - Entscheidungen in der GF wurden nur ‚abgenickt’, aber privat sofort wieder in Frage gestellt

- Wechsel in der Projektleitung - Wechsel im PT

0,81 0,74

Div: Kulturelle Unter-schiede

10 - Kulturelle Unterscheide haben die Kommunikation schwierig gemacht

- Unterschiedliche kulturelle Herkunft:(Einzelfragen zur GF, PT und den übrigen Beteiligten)

- Projekt betraf Unternehmensbereiche unterschiedlicher Länder

0,91 0,91

Res: Genügend Ressour-cen

5 - Genügend Personal für Projekt - Genügend Zeit für Projekt - Genügend Geld für Projekt - PT hatte genügend Zeit - PL hatte genügend Personen und Ressourcen

0,78 0,81

Obwohl wir im ursprünglichen Fragebogen unterschiedliche nicht-personenbezogene Fragen etwa zur Ausgangs- und Konkurrenzsituation und zu den erforderlichen Ressourcen aufgenommen hatten, konnten wir mit der multiplen Faktorenanalyse einzig zu den Ressourcen einen gemeinsamen Faktor finden. Dieser Faktor wird durch eine Subskala „Genügende Ressourcen (Res)“ mit 5 Fragen erfasst, ob genügend Personal, Zeit und Geld vorhanden war. Das Ergebnis entspricht im Übrigen unserer Erwartung (siehe Greif, Runde und Seeberg. Im Druck, Kap. 2), dass bei subjektiven Befragungen Praktiker/innen vorwiegend verallgemeinerte personenbezogene Merkmale als Erfolgsfaktoren heran-ziehen. verwenden. Eine Auswertung der Unterschiede zwischen den relativ erfolgreichen A- und den weniger erfolgrei-chen Z-Projekten mit den in Tabelle 6 und 7 aufgeführten Subskalen und der Einzelfrage zur Prozess-optimierung, ergibt durchgängig bei allen Variablen hochsignifikante Unterschiede, jeweils in der er-warteten Richtung (p<0.01, parameterfreie Wilcoxon-Tests, Gesamtstichprobe). Die beiden überarbeiteten Fragebögen, mit denen die angesprochenen Subskalen erfasst werden können, werden von Greif, Runde und Seeberg (im Druck, Anhang) publiziert. Wir sind sehr daran interessiert, dass sie in weiteren Erhebungen eingesetzt und überprüft werden und schicken gern auf Anfrage die deutschen oder englischsprachigen, niederländischen oder spanischen Versionen der Fragebögen zu. Wir empfehlen, jeweils nur die Subskalen auszuwählen, die für die Bewertung der Veränderungen anwendbar sind. Wenn z.B. bei einem Projekt keine externe Unternehmensberatung beteiligt war, macht es keinen Sinn die Subskala zur Einschätzung der Berater zu verwenden. Wenn nur der Fragebogen ohne Interview eingesetzt wird, empfehlen wir, als „Oberkriterien“ aus dem Inter-viewleitfaden, die oben angesprochenen Fragen zum Erfolgsrating und zum Prozentsatz der Zielerrei-chung als Items zu ergänzen.

4.5 Vorhersage der Zielerreichung mit den Subskalen der Fragebögen Nach den Annahmen unserer Theorie (Greif, Runde und Seeberg, im Druck, Kapitel 2) erwarten wir, dass der von den Praktiker/innen eingeschätzte Erfolg oder Misserfolg der Veränderungen durch die oben aufgeführten personenbezogenen Erfolgsfaktoren statistisch vorhergesagt werden können, wie sie durch die Subskalen des unseres Fragebogens erfasst werden, insbesondere durch die Subskalen zur Führung und Projektleitung. Diese Hypothese haben wir mit drei verschiedenen statistischen Ver-fahren überprüft: (1) multiple Regressionsanalysen, (2) lineare Strukturgleichungsmodelle und (3) regelbasierte Methoden. Diese Methodenkombination erscheint uns hier zweckmäßig, wie im Folgen-den erläutert wird.

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Ein großes Problem in unserem Untersuchungsfeld ist, dass bei organisationalen Veränderungen relativ sel-ten sämtliche Erfolgsfaktoren und Bewertungsmerkmale gleichzeitig vorkommen, die wir mit unseren Subska-len erfassen. Bei den Bewertungsmerkmalen ist beispielsweise eine Verbesserung des Shareholder Values nur selten ein sinnvolles Zielkriterium. Kann aber in Einzelfällen ein besonders wichtiges Merkmal sein. Das allgemeiner gefasste Merkmal „Verbesserung der Wirtschaftlichkeit“ wird von Praktiker/innen zwar wesentlich häufiger, aber keineswegs immer als wichtiges Kriterium für die Definition des Erfolgs der Veränderungen an-gesehen (siehe Greif, Runde und Seeberg, im Druck, Kapitel 1 und 2). Sehr selten wird wiederum die „Pro-duktinnovation (PInnov)“ oder die „Nachhaltigkeit (Nach)“ als verwendbares Kriterium eingeschätzt. Die selte-ner verwendeten Bewertungsmerkmale können aber für bestimmte Projekte zentral sein und dürfen nicht ver-nachlässigt werden. Bei den Erfolgsfaktoren können nach unseren Erfahrungen alle Veränderungen mit unse-rer Subskala zur „Führung und Einbeziehung der Mitarbeiter/innen (Führ)“ eingeschätzt werden und nahezu alle mit der Subskala „Projektleiter und Projektmanagement (PL)“. Wenn allerdings keine externen Unterneh-mensberater beteiligt sind, können sie nicht mit der betreffenden Subskala eingeschätzt werden. Wenn kein Projektteam gebildet wurde oder wenn es keine Beteiligten aus verschiedenen Ländern stammen, können die betreffenden Subskalen nicht verwendet werden. Die Stichprobe würde extrem schrumpfen, wenn wir nur die Fälle beibehalten, bei denen sämtliche Subskalen (Bewertungsmerkmale und Erfolgsfaktoren) von den Be-fragten verwendet werden konnten. Sie wäre auch sehr speziell und nicht mehr sehr aussagekräftig für häufi-ge Veränderungskonstellationen. Im Folgenden erläutern wir die Verwendung der einzelnen Methoden. (1) Mit multiplen Regressionsanalysen können wir schrittweise Gesamtmodelle mit sämtlichen Variablen erstellen, indem wir fehlende Daten jeweils nur paarweise ausschließen. Multiple und einfache Produkt-Moment-Korrelationen gelten als statistisch robuste Zusammenhangsmaße und können auch für kleine Stich-proben berechnet werden. Allerdings können bei dieser Methode die Kovarianzen zwischen den Variablen nicht mehr zuverlässig ermittelt und nicht kontrolliert werden. Diese eher induktive Methode ist deshalb me-thodisch angreifbar und lediglich zur Erkundung möglicher Zusammenhänge geeignet, die durch zusätzliche empirische Erhebungen statistisch gesichert überprüft werden müssen. (2) Wenn man, wie in unserem Fall, eine Theorie über die durch den Fragebogen erfassbaren theoretischen Konstrukte und ihre Zusammenhänge entwickelt hat (vgl. Greif, Runde & Seeberg, in Vorber., Kapitel 2) und annehmen kann, dass die Zusammenhänge linear sind, kann man die Güte der Anpassung (den so genann-ten Fit) der Daten an diese Theorie mit linearen Strukturgleichungsmodellen, Maximum-Likelihood-Schätzungen und statistischen Fit-Indikatoren überprüfen. Wir würden zwar nicht annehmen, dass alle Zu-sammenhänge linear sind, aber wir können erwarten, dass dies zumindest partiell der Fall ist. Das bekannteste Verfahren ist LISREL (Jöreskog, 1984). Mit diesen Methoden können konfirmatorische Fak-torenanalysen durchgeführt werden. Im Unterschied zur klassischen multiplen Faktorenanalyse kann man hier, wie der Name sagt, den Fit einer theoretisch angenommen Faktorenstruktur statistisch testen. Genauso kann auch im Unterschied zur herkömmlichen multiplen Regressionsanalyse die Güte der Anpassung eines theoretisch erwarteten Vorhersagemodells überprüfen. Dabei werden sehr präzise alle Kovarianzen ge-schätzt. Aus allen Kovarianzen werden die übrigen wechselseitigen Zusammenhänge herauspartialisiert. Un-ten werden die Ergebnisse konfirmatorischer Faktorenanalysen und linearer Vorhersagemodelle zur Überprü-fung unserer theoretischen Annahmen wiedergegeben. Wenn man allerdings wie in unserem Fall viele Variab-len erfasst, benötigt man bei diesen Verfahren sehr große Stichproben. Zudem müssen wir, selbst wenn wir für kleinere Stichproben wie unsere geeignete, relativ robuste Verfahren, wie sie in EQS angeboten werden verwenden (Bentler & Woodward, 1979, Byrne, B.M., Ullmann, 2001), fehlende Daten jeweils listenweise aus-scheiden. Wie dargelegt, ist es in unserer Stichprobe nicht möglich, dies unter Beibehaltung aller theoreti-schen Konstrukte zu realisieren, weil die Stichprobe extrem schrumpfen würde. Wir können daher nur ein „Basis-Modell“ mit den Hauptkonstrukten testen und bei den konfirmatorischen Faktorenanalysen nur wenige Items einbeziehen. (3) Die Artefaktgefahr ist bei linearen Strukturgleichungsmodellen groß, unter anderem weil bei den Kovarian-zen Varianzanteile herauspartialisiert werden. Manches Strukturgleichungsmodell hat sich nicht replizieren lassen. Es empfiehlt sich deshalb, die Vorhersagen aus diesen Modelle mit Kreuztabellierungen und robusten Vorhersagemodellen zu überprüfen. Hier empfehlen sich so genannte regelbasierte Methoden (Mitchell, 1997; Winston, 1992)9. Dabei wird nach einer optimalen Regel gesucht, durch die Untergruppen einer Stichprobe – in unserem Fall Gruppen mit unterschiedlichen Zielerreichungsgrad – optimal vorhergesagt werden können. An unserem Beispiel unten kann diese elementare Methode leicht nachvollzogen werden. Der Vorteil dieser Methode ist, dass sie auch zur Erfassung nicht-linearer Zusammenhänge geeignet sind. Wie wir sehen wer-den, kann dadurch die Vorhersage des Zielerreichungsgrads verbessert werden. Ähnlich wie die Strukturglei-chungsmodelle erfordert die Methode allerdings vollständige Datensätze. Wir können sie deshalb ebenfalls nur auf ein Basismodell anwenden.

Wie bei der oben beschriebenen Konstruktion und Überprüfung der Reliabilität der Subtestskalen wurden alle Berechnungen zuerst an einer der beiden per Zufall getrennten Substichproben durchge-

9 Wie danken Günther Gediga für die methodische Beratung und Durchführung der Berechnungen.

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führt und anschließend an der zweiten Substichprobe kreuzvalidiert. Dadurch können wir herausfin-den, ob die Parameter und Modelle stabil sind und generalisiert werden können.

4.5.1 Multiple Regressionsanalysen

Zur Vorhersage des Metakriteriums „Prozentsatz der Zielerreichung“ mit möglichst allen Prädiktoren, haben wir an der ersten Teilstichprobe schrittweise multiple Regressionsanalysen durchgeführt. 1. Zunächst wurde dazu die multiple Regression mit dem Prozentsatz der Zielerreichung als abhängige Variable und mit den 8 Subskalen der Bewertungsmerkmale (BM siehe oben Tab. 6, Impr, Econ, Arb, PInnov, Soz, Umw, Nach und Auss) und den beiden Einzelitems zum Shareholder Value und zur Pro-zessoptimierung (Proc) als Prädiktoren ermittelt. 2. Danach haben wir zur Vorhersage der Zielerrei-chung die 8 Erfolgsfaktoren-Subskalen (EF, siehe oben, Tab. 7a und b, Führ, PL, PT, UB, Miss, Komm, Div und Res) als Prädiktoren in einer weiteren multiplen Regressionsanalyse verwendet. 3. Zusätzlich haben wir anschließend mit diesen Erfolgsfaktoren als Prädiktoren 10 multiple Regressi-onsanalysen zur Vorhersage aller 8 Bewertungsmerkmal-Faktoren (Impr usw.) und der beiden Einzeli-tems (Shareholder Value und Proc) als abhängige Variable errechnet. Abbildung 3 gibt die Ergebnisse wieder. In den Kästchen der abhängigen Variablen wird „R²korr“, das Quadrat der korrigierten multip-len Korrelation, wiedergegeben. Es zeigt den Anteil der durch das Vorhersagemodell erklärten Varianz (z.B. entspricht .38 einem erklärten Varianzanteil von 38%). Die Verbindungslinien geben die signifi-kanten Zusammenhänge (5%-Niveau) wieder (die Koeffizienten an den Verbindungen zeigen vor dem Schrägstrich die Partialkorrelationen und danach die einfachen Produkt-Moment-Korrelationen). Die Werte an den rund gezeichneten Verbindungsbögen geben Produkt-Moment-Korrelationen wieder.

Prozent Zielerreichung (korr R²EF=.24/ BM=.38)

Proc: Verb. derProzesse

(R²korr=.40)

Econ: Wirtschaftlichkeit

(R²korr=.29)

Shareholder Value

Impr: Viele versch. Verbesserungen

(R²korr=.29)

Umw: Umwelt

Nach: Nachhaltigkeit

Soz: Soziale u. kultur. Verbess.

(R²korr= .35)

PInnov: Produktinnovation

Arb: Sicherung von Arbeitsplätzen(R²korr= .26)

Auss: Ausschuss-Verringerung(R²korr=.38)

Beta/Korrel

UB: Unternehmensberater

PL: Projektleiter u. Projektmanagment

Führ: Führung u. Einbeziehung der MA

Div: Kultur. Unterschiede

Miss: Misstrauen

PT: Projektteam

Komm: Kommunikationsprobleme

Res: Genügend Ressourcen

.61

.57

Korrel

.61

.36/.58.33/.58

.36/.58

18/.41

.40/.58

.47/.47

.23/.51 .20/.32

.38/.52

.22/.46

.53/.67

.19/.53.13/.27

.46/.46

.57/.57

.37/.55

.24/.50

.17/.29

-.25/.04

.47/.45

.-28/-.25-20/.06

.19/.23

.68/.60

.45/.39

.67

Abb. 3: Vorhersage des Zielerreichungsgrads

durch multiple Regressionsanalysen (Stichprobe 1)

1. Mit der ersten Regressionsanalyse können wir untersuchen, welche allgemeinen Bewertungs-merkmale die Befragten mit dem Zielerreichungsgrad verbinden. Das multiple Regressionsmodell zur Vorhersage der Zielerreichung (Kasten ganz rechts in der Abb. 3) durch Bewertungsmerkmale (Käs-ten in der mittleren Spalte) ist sehr einfach. Wie die Abbildung wiedergibt, wird die Zielereichung nur durch zwei Bewertungsmerkmale, das Einzelitem „Verbesserung der Prozesse“ (Proc) und die Sub-skala „Viele verschiedene Verbesserungen“(Impr) vorhergesagt. Aber das R² BM =.38 zeigt, dass

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immerhin 38% der Varianz der Zielerreichung durch diese beiden Skalen erklärt werden. Obwohl die-se beiden Prädiktoren untereinander mit r= 0.67 hoch korrelieren, finden sich bei beiden Prädiktoren jeweils signifikante Zusammenhänge zur Zielerreichung (5% Irrtumswahrscheinlichkeit). Die einfachen Korrelationen der beiden Bewertungsmerkmale mit der Zielerreichung sind gleich und bereits sehr hoch (jeweils r=0.58). Anscheinend enthalten die nicht korrelierten Varianzanteile der beiden Merkma-le aber unterschiedliche, für die multiple Vorhersage nutzbare Komponenten. Sehr interessant ist, dass die eingeschätzte Wirtschaftlichkeit zwar ebenfalls mit dem Zielerreichungsgrad korreliert (in der Abbildung nicht wiedergegeben), liefert aber im Allgemeinen keinen zusätzlichen statistischen Beitrag zur Vorhersage. Dies passt zu unserer Annahme, dass die quantitative Wirtschaftlichkeit aus der Sicht der Praktiker nicht das wichtigste Bewertungsmerkmal ist, an dem sie den Erfolg festmachen, sondern dass eher die konkreten Folgen für Mitarbeiter/innen und Kunden beachtet werden, wie sie in der Ska-la Impr abgefragt werden.

2. Die zweite multiple Regressionsanalyse liefert das wichtigste Ergebnis und untersucht die Vorher-sage des Zielerreichungsgrads durch die Erfolgsfaktoren-Subskalen (EF). Das Zusammenhangsmo-dell ist sehr einfach. Nur zwei Subskalen „Führung und Einbeziehung der Mitarbeiter/innen (Führ)“ und „Projektteam (PT)“ liefern einen signifikanten Beitrag zur multiplen Korrelation von immerhin R² EF =.24 (24% der erklärten Varianz). Sie korrelieren mit r=.61 hoch untereinander, scheinen aber den-noch jeweils teilweise unterschiedliche Varianzanteile erklären zu können. Die Skala zur „Projektlei-tung und Projektmanagement“ (PL) korreliert mit beiden hoch und kann möglicherweise deshalb hier keinen unabhängigen signifikanten Zusammenhang im Modell bilden (einzeln betrachtet, korreliert es relativ hoch signifikant mit r=.36 mit der Zielerreichung). In unserer Theorie hatten wir erwartet, dass die Projektleiter-Skala zusammen mit der Führungsskala die wichtigsten Prädiktoren sind. Durch die linearen Strukturgleichungsmodelle unten wird überprüft, ob die Skala PL einen partiell unabhängigen Beitrag zur Vorhersage des Erfolgs der Veränderungen liefern kann oder ob die Kollinearität so groß ist, dass dies nicht modellierbar ist.

3. Sehr viel differenzierter wird das Bild, wenn wir die multiplen Regressionen zur Vorhersage der verschiedenen einzelnen Bewertungsmerkmale betrachten. Je nach Bewertungsmerkmal zeigen hier unterschiedliche Erfolgsfaktoren-Kombinationen die höchsten multiplen Zusammenhänge. So wird die Varianz des Shareholder Values nach signifikant einzig durch die Führungsskala (Führ) erklärt und ebenso auch die Nachhaltigkeit als Zielkriterium.

Die Verbesserung der quantitativen Wirtschaftlichkeit hängt dagegen neben der „Führung und Einbe-ziehung der Mitarbeiter/innen (Führ)“ auch mit einer guten Projektleitung (PL) zusammen. Bei den Bewertungsmerkmalen „Verbesserung der Prozesse (Proc)“ und „Viele verschiedenen Verbesserun-gen (Impr)“ finden sich zusätzlich Verbindungen zur Tätigkeit der Unternehmensberater (UB). Diese Kombination finden wir interessanterweise auch für die „sozialen und kulturellen Verbesserungen (Soz)“ als abhängige Variable.

Die „Sicherung der Arbeitsplätze (Arb)“ ist positiv mit guter Projektleitung (PL) korreliert und negativ mit „Misstrauen, Befürchtungen und Druck (Miss)“. Allerdings könne eine vorhergesehene Unsicher-heit der Arbeitsplätze der Grund für das Misstrauen und die Befürchtungen der Mitarbeiter/innen ist und nicht etwa umgekehrt die Befürchtungen, die Arbeit zu verlieren, die Ursache für Arbeitslatzunsi-cherheit, im Sinne einer Art selbst erfüllende Prophezeiung, durch die sich solche Befürchtungen be-wahrheiten, wenn sie entstanden sind.

Plausibel erscheint der multiple Zusammenhang, wonach sich die „Produktinnovation (PInnov)“ zu-sammen durch gute „Führung und Einbeziehung der Mitarbeiter/innen (Führ)“, kompetente Unterneh-mensberater (UB) und zusätzlich hinreichende Ressourcen (Res), wie Zeit, Geld und Personal vor-hersagen lässt, auch wenn hier die erklärte Varianz niedriger ist, als bei den anderen abhängigen Variablen. Auch bei Verringerung des Ausschusses spielen anscheinend die Ressourcen neben der Führungsskala als Prädiktoren eine signifikante Rolle.

Zwei Misserfolgsfaktoren sind nach Abbildung 3 anscheinend relativ unverbunden mit den anderen, die „kulturellen Unterschiede (Div)“ und die „Kommunikationsprobleme (Komm)“. Die „kulturellen Un-terschiede“ korrelieren mit allen anderen Merkmalen mit Werten nahe bei Null. Eine einzige, sehr plausible signifikante Korrelation (r=.26) findet sich mit den „Kommunikationsproblemen“. Hier können wird demnach vermuten, dass das Merkmal Div nach den Erfahrungen der Befragten eine relativ ge-ringe Bedeutung für die Vorhersage von Erfolgsmerkmalen hat. Möglicherweise kann sich dies in der

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Zukunft aber ändern, wenn in internationalen Unternehmen mehr Veränderungen gemeinsam mit kulturell heterogenen Teams durchgeführt werden müssen.

Die Skala „Kommunikationsprobleme“ ist dagegen durchaus korrelativ mit vielen anderen Merkmalen verbunden, z.B. auch deutlich negativ mit der Zielerreichung (r=-.30) und „Vielen Verbesserungen“ (r=-.37), was sich aber nicht in einem signifikanten Beitrag zu den in Abbildung 3 wiedergegebenen multiplen Regressionen niederschlägt, weil diese Zusammenhänge auch durch andere Variablen er-klärt werden können.

Prozent Zielerreichung (korr R²EF=.24/ .34

BM=.38/.46)

Proc: Verb. der Prozesse

(R²korr=.40/.44)

Econ: Quantitative Wirtschaftlichkeit

(R²korr=.29/.34)

Shareholder Value(R² korr=.21/.28

Imp: Viele versch. Verbesserungen (R²korr=.47/.34)

Umw: Umwelt (R²=.19/.28)

Nach: Nachhaltig-keit ( .31/.28

Soz: Soziale u. kultur. Verbess.(R²korr= .35/.31)

PInnov: Produktinnovation

(R²korr=.20/.25)

Arb: Sicherung der Arbeitsplätze

(R²korr= .26/.27)

Auss: Ausschuss-verringerung

(R²korr=.38/.26)

UB: Unternehmensberater

PL: Projektleiter u. Projektmanagement

Führ: Führung u. Einbeziehung der MA

Div: Kultur. Unterschiede

Miss: Misstrauen

PT: Projektteam

Komm: Kommunikationsprobleme

Res: Genügend Ressourcen

.61/.71

.57/.29

Korre S1/ Korrel S2

.61/.16

.67/.69

(R² S1/R² S2)

Abb. 4: Kreuzvalidierung des Vorhersagemodells des Zielerreichungsgrads

durch multiple Regressionsanalysen (Stichprobe 1 und 2)

Multiple Regressionsmodelle sollten möglichst immer an mehreren Stichproben nachgewiesen wer-den. In Wiederholungsuntersuchungen (so genannten Replikationen zur Kreuzvalidierung) können die Zusammenhänge leicht zusammenbrechen. Um die Replizierbarkeit unseres Modells zu prüfen, ha-ben wir, wie oben beschrieben, unsere Gesamtstichprobe per Zufall in zwei Teilstichproben mit einem gleichen Anteil von A- und Z-Projekten geteilt. (Da hier sowohl die A-, als auch die Z-Projekte zusam-men berücksichtigt wurden und fehlende Daten jeweils nur paarweise ausgeschlossen werden, ist die Ausgangsanzahl für die N für Stichprobe 1 mit 308 und für Stichprobe 2 mit 307 jeweils groß genug für die durchgeführten multiplen Regressionsanalysen). Bei der Kreuzvalidierung kann überprüft werden, ob die Ergebnisse mit den in der ersten Stichprobe ermittelten Werten der Vorhersagegleichungen reproduziert werden können. Abbildung 4 gibt die Ergebnisse wieder. Wie die durchweg hoch über-einstimmenden multiplen Korrelationen aus beiden Stichproben (siehe die in Klammern wiedergege-benen die R²-Werte für S1 und S2) belegen, konnten die Modelle sehr eindeutig repliziert werden.

4.5.2 Lineare Strukturgleichungsmodelle Die Darstellung der multiplen Regressionsanalysen in den in Abbildung 3 und 4 wiedergegebenen Zusammenhangsmodellen ist methodisch angreifbar, weil sie die Analysen nicht als Gesamtmodelle überprüft werden können und weil die Partialkorrelationen nicht exakt geschätzt werden können. Ver-fahren zur Entwicklung linearer Strukturgleichungsmodelle mit Tests für die Güte der Anpassung (Goodness of Fit) der erhobenen Daten an die Modelle sind weiterentwickelte und zweifellos die bes-sere Methoden. In unserem Projekt wurde dazu EQS (Version 5.7b) verwendet, das robuste Verfah-

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ren für nicht normalverteilte und kleinere bis mittlere Stichproben, ab einem Umfang von N=120 anbie-tet (Satorra & Bentler χ2 Statistik, vgl. Hu, Bentler & Kano, 1992; Ullmann, 2001)10. Wie oben beschrieben, mussten wir allerdings die einbezogenen Faktoren stark reduzieren, um die Stichprobe nicht zu sehr zu schrumpfen. Wir haben deshalb zunächst nur ein Basismodell mit weni-gen Variablen und Faktoren aus unseren theoretischen Annahmen (Greif, Runde & Seeberg, in Vor-ber., Kapitel 2) abgeleitet, die in den meisten Fällen ohne Missings eingeschätzt wurden. Bei den Er-folgsfaktoren sind nach unserer Theorie „Führung und Einbeziehung der Mitarbeiter/innen (Führ)“ und „Projektleitung und Projektmanagement (PL)“ die Prädiktoren, von denen wir eine besonders hohe Vorhersage des Erfolgs der Veränderungen erwarten würden. In der Terminologie der Methode wer-den diese Faktoren auch als „latente Variablen“ bezeichnet. (Sie existieren nur „latent“, weil sie aus beobachteten Variablen geschätzt werden müssen. Sie können auch als nicht direkt erfassbare theo-retische Konstrukte eingeordnet werden.) In der Abbildung werden latente Variablen oder Faktoren als Kreise eingezeichnet und die empirisch erfassten Variablen als Kästchen. In Abbildung 5 entspricht Faktor F1 unserem Konstrukt „Führung und Einbeziehung der Mitarbeiter/innen (Führ)“ und F2 der latenten Variablen „Projektleitung und Projektmanagement (PL)“. Von den mit Fragebogenitems er-fassten Bewertungsmerkmal-Faktoren haben wir nur den universellen Faktor „Viele verschiedene Verbesserungen (Impr)“ aufgenommen. In der Abbildung 5 ist dies der latente Faktor F3.

Bei der geringen Stichprobengröße musste die große Zahl der Items (siehe Tab. 6 und 7 oben) zur Erfassung der latenten Faktoren reduziert werden. Um die Vorzüge von Modellen mit latenten Konstrukten optimal nut-zen zu können, wurde auf die Methode des Parceling zurückgegriffen (partial disaggregation model Bagozzi & Edwards, 1998; MacCallum, 2000). Wir haben dazu jeweils die 6 Items mit den höchsten Ladungen nach den konventionellen Faktorenanalysen ausgewählt und aus jeweils 3 Items ausbalancierte und gemittelte Subtest-indikatoren gebildet. Diese Indikatoren für Faktor F1 (Führ) werden in Abbildung 5 FUEIND1C und FUEIND2C bezeichnet, für F2 (PL) als PMIND1C und PMIND2C, sowie für den Bewertungsmerkmal-Faktor F3 (Impr) als BMIND1B und BMIND2B. Die Ergebnisse der simultanen Schätzung der auf diese Weise spezifizierten Messmodelle wird im Anhang berichtet.

Nach unseren Annahmen (Greif, Runde & Seeberg, in Vorber., Kapitel 1 und 2) sind der eingeschätz-te Zielerreichungsgrad und das Erfolgsrating (siehe oben) allgemeine Meta- oder Oberkriterien für den latenten Faktor 4, Erfolg der Veränderungen. (Der Zielerreichungsgrad bezieht sich eher auf eine rati-onale, weniger persönliche Betrachtung der Ergebnisse, das Erfolgsrating auf die persönliche Bewer-tung.) In unserem Strukturgleichungsmodell in Abbildung 5 werden diese beiden Einzelvariablen als ZPROZ und ZRATERF2 gekennzeichnet. (Um die für die Methode möglicherweise ungünstige leichte Schiefe der Verteilungen zu kompensieren, haben wir sie in z-Werte transformiert und normalisiert.) Wir erwarten, dass mit diesen beiden Einzelvariablen unser theoretisches Konstrukt „Erfolg der Ver-änderungen“ gemessen werden kann.

Die Anwendbarkeit unserer durch die Ergebnisse multipler Faktorenanalysen konstruierten Indikatoren lässt sich auch durch konfirmatorische Faktorenanalysen absichern, wie die im Anhang wiedergegebenen Ergeb-nis-Auszüge zeigen. Wie bei Ullmann (2001, p.660) beschrieben wurde ein Screening der Modellvariablen mit Blick auf multivariate Ausreißer durchgeführt. (Dabei mussten nur sehr wenige Fälle ausgeschieden werden.) Die Modellschätzung erfolgte über Strukturgleichungsanalysen auf der Basis von Varianz-Kovarianzen mit Maximum-Likelihood-Schätzung und auf der Basis von Rohdaten und robusten Schätzern (Satorra & Bentler χ2 Statistik).

In der Abbildung 5 werden die an der ersten Teilstichprobe gewonnenen Ergebnisse zur Vorhersage des Erfolgs organisationaler Veränderungen durch unser Basismodell wiedergegeben. (Aufgrund von Missings sinkt die Stichprobengröße auf N= 170 komplette Datensätze.) Die latenten Faktoren F1 bis F4 werden als Kreise und die empirisch erfassten Variablen (Indikatoren und Items) als Kästen darge-stellt. Die Buchstaben E1 bis E8 bezeichnen die Fehlerwerte der Variablen. Die Pfeile zeigen die er-warteten Zusammenhänge. An den Pfeilen werden jeweils die multiplen Korrelationen (bzw. R² als Quadrate der Koeffizienten) oder Partialkorrelationen wiedergegeben (Kovarianzen nach Auspartiali-sierung der übrigen Zusammenhänge für den jeweiligen Pfad).

10 Wir danken Andreas Stolberg aus Marburg für die sehr gute methodische Beratung, Durchführung der statistischen Berech-

nungen, Erstellung der Abbildungen und korrekte Hilfe bei der korrekten Darstellung der Ergebnisse. Die Beschreibungen und tabellarischen Zusammenstellung zu den Strukturgleichungsmodellen im Anhang wurden von ihm verfasst.

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E1 E2

Abb. 5: EQS-Modell zur Vorhersage des Erfolgs der Veränderungen (Stichprobe 1, N = 170; Chi-Quadrat = 15.84, df =16, p = .46; CFI = 1.00; RMSEA=.00; SRMR = .02;

Robust-Chi-Quadrat = 13.52, df=16; Robust-p = .63; Robust-CFI = 1.00)

Mit dem einfachen Basismodell können die beiden theoretischen Faktoren F3 und F4 recht gut vor-hergesagt werden. Am Faktor 3 (Impr) und 4 (Erfolg) beschreiben die mit D3 und D4 gekennzeichne-ten Pfeile und R²-Werte die jeweils durch das Modell aufgeklärten Varianzanteile. Der summarische Fragebogenfaktor 3 „Viele verschiedene Veränderungen (Impr)“ zeigt danach trotz der wenigen Vari-ablen, mit einem R²=0.57, dass immerhin 57% der Varianz durch die beiden Erfolgsfaktoren F1 (Führ) und F2 (PL) erklärt werden können. (Wie erwartet, korrelieren beide miteinander.) Die Partialkorrelati-onen zur Vorhersage von F3 durch die beiden Erfolgsfaktoren sind etwa gleich stark, wobei ein etwas engerer Zusammenhang mit 045 zu F1 (Führ) gefunden werden kann. Beim Faktor 4 (Erfolgs) sind es mit R²=0.69 sogar 69% der Varianz des Faktors. Die Partialkorrelation zu F3 ist dabei mit 0.83 sehr hoch.

Die R²-Werte an den geschätzten residualen Fehlern der Variablen (E1 bis E8) beziffern die durch das Modell aufgeklärte Varianz der empirischen Variablen. Beim Zielerreichungsgrad (ZPROZ) liegt sie mit 63% etwas niedriger, bei allen übrigen vielen liegt sie zwischen 72% und 97%.

Die Überprüfung der Indikatoren für die Güte der Anpassung (zum Goodness of Fit vgl. z.B. Ulmann, 2001, S. 749 ff.; Hu & Bentler, 1999) des Basismodells an die Daten der ersten Teilstichprobe fällt durchweg sehr gut aus. Das wichtigste Kriterium ist das Verhältnis von df und Chi-Quadrat. Es soll nicht größer als 1:2 - 1:3 sein und ist mit fast 1:1 nahezu perfekt. Der zugehörige p-Wert soll keine überzufällige Abweichung zeigen, also möglichst über =.05 liegen, was deutlich der Fall ist. Der CFI (Comparative Fit Index) erfasst die Güte der Anpassung des Modells nach einem Vergleich der hie-rarchische strukturierten linearen Modellierung mit einer Modellierung durch vollkommen unabhängige Variablen. Der Index variiert von 0 bis 1 und sollte größer als .90 sein (Bentler, 1990), in neueren Are-biten wird ein Wert > .95 als indikativ für ein gut angepasstes Modell angesehen (Hu & Bentler, 1999). Hier ist der Wert mit 1.0 ideal. Der RMSEA (Root Mean Square Error of Approximation) schätzt die Fehlanpassung eines Modells im Vergleich zu einem perfekt an die Daten angepassten Modells. Der Index ist auf den Wertebereich von 0 bis 1 standardisiert und soll möglichst unter .05 liegen. Der Wert von 0.00 könnte nicht besser sein. Der SRMR (Standardized Root Mean Square Residual) ist ein auf einer Analyse der Residuen basierter Fit-Index. Er zeigt den durchschnittlichen Unterschied zwischen den Stichprobenvarianzen und Kovarianzen sowie den geschätzten Populationsvarianzen und Kovari-

F1: Führung /

Einbeziehung

F2: Projektleitung /management

F3: Viele Verbesse-

rungen (Bewertung)

F4: Bewertung

des Erfolgs

Führ-Ind1 Führ-Ind2

Impr-Ind1 Impr–Ind2 ZRATERF2 ZPROZ

PL-Ind1 PL–Ind2

.88 .94

.85 .98

.79 .94 .92 .90

.40

.45 .83

.56

R2 = .57 R2 = .69

.48 R2 = .77 R2 = .88 .35

E5 E7 E6 E8 R2 = .81 R2 = .38

E3 E4

D3 D4

.43 .85 .35 R2 = .88 R2 = .63 .61

.56 .65

.53 R2 = .72 R2 = .97 .18

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anzen. Der Index variiert von 0 bis 1 und soll möglichst unter .08 liegen. Der Wert von 0.02 ist eben-falls sehr gut.

E1 E2

Abb. 6: EQS-Modell zur Vorhersage des Erfolgs der Veränderungen (Stichprobe 2, N= 174; Chi-Quadrat = 33.73; df =16; p = .01; CFI = .98; RMSEA=.08; SRMR=.04;

Robust-Chi-Quadrat = 27.64, df=16; Robust-p = .03; Robust-CFI = .98) Abbildung 6 zeigt die Ergebnisse der Kreuzvalierung des Basismodells an der zweiten Stichprobe. (Auf Grund von Missings sinkt die Fallzahl auf N= 174 komplette Datensätze.) Die wiedergegebenen Fit-Statistiken des Modells für die zweite Stichprobenhälfte sind nicht mehr optimal, aber insgesamt noch als akzeptabel zu bezeichnen. Sehr positiv ist dabei das Verhältnis von df und Chi-Quadrat mit einer Relation von etwa 1:2 und fast perfekte CFI-Wert von .98. Der p-Wert liegt allerdings mit .01 unter dem 5%-Niveau und weist auf überzufällige Abweichungen hin. Auch der quadrierte durch-schnittliche Fehler der Modellanpassung (RMSEA) liegt mit .08 etwas oberhalb der kritischen Grenze von .05 für ein als gut angepasst zu bezeichnenden Modell (Hu & Bentler, 1999, setzen die Grenze bei ≤ .06 an). Allerdings weist dieser Index noch nicht auf ein schlecht angepasstes Modell hin, das nach Brown & Cudeck, (1993) erst ab .10 indiziert wäre. Der SRMR weist dagegen wieder einen gu-ten Kenwert auf. Bei einer Gesamtbewertung kann man vor allem das sehr positive Verhältnis von df und Chi-Quadrat als ausschlaggebend betrachten. Dass das Modell insgesamt gut an die Daten angepasst ist, bestätigen auch die hohen erklärten Vari-anzanteile der vorherzusagenden latenten Faktoren F3 mit R²= .52 für F3 und sogar R²= .80 für F4. Die R²-Werte für die nicht durch Fehlerresiduen sondern durch das Modell aufgeklärten Varianzanteile der empirischen Variablen sind durchweg über 0.70 und damit ziemlich hoch. Zur Überprüfung der Güte der Anpassung der Daten aus mehreren Stichproben an das Modell kann eine so genannte Multi Sample Analyse durchgeführt werden. Die schrittweise mit dem EQS-Programm ermittelten Indikatoren werden im Anhang abgedruckt. Insgesamt ist die Modellanpassung für beide Stichproben gut. Mit einem χ2 von 66.17 bei 52 Freiheitsgraden und p = .09 darf von invari-anter Modellstruktur, Faktorladungen (Indikatorenladungen) und Fehlertermen ausgegangen werden. Die Modelle unterscheiden sich zwischen den beiden Stichprobenhälften nicht. Das Basismodell ist demnach sehr eindeutig auf beide Stichproben anwendbar. Die Kreuzvalidierung unseres Modells ist demnach positiv ausgefallen.

F1: Führung /

Einbeziehung

F2: Projektleitung /management

F3: Viele Verbesse-

rungen (Bewertung)

F4: Bewertung

des Erfolgs

Führ-Ind1 Führ-Ind2

Impr-Ind1 Impr–Ind2 ZRATERF2 ZPROZ

PL-Ind1 PL–Ind2

.89 .88

.88 .92

.84 .89 .89 .91

.28

.52 .90

.66

R2 = .57 R2 = .80

.46 R2 = .79 R2 = .77 .47

E5 E7 E6 E8 R2 = .83 R2 = .79

E3 E4

D3D4

.41 .45 .45 R2 = .80 R2 = .70 .55

.44 .65

.47 R2 = .78 R2 = .84 .40

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4.5.3 Überprüfung der Vorhersagemodells durch ein robustes regelbasiertes Verfahren Strukturgleichungsmodelle basieren auf Methoden der Analyse linearer Zusammenhänge. Ihre mess-theoretischen Voraussetzungen sind kaum überprüfbar. Die Analysen basieren auf Zerlegungen von Kovarianzen, die untereinander sehr komplex zusammenhängen und leicht artifizielle Koeffizienten hervorbringen können. Es empfiehlt sich deshalb, unser Modell auch durch voraussetzungsarme und robustere Methoden zu überprüfen. Sehr geeignet erscheinen hier so genannte regelbasierte Metho-den11 (C4.5-Algorithmus zur Regelgenierung nach Quinlan, 1993; vgl. auch Mitchell, 1997; Winston, 1992). Bei diesen Methoden sucht man nach einer optimalen Regel, mit der bestimmte Untergruppen einer Stichprobe – in unserem Fall Gruppen mit unterschiedlichen Zielerreichungsgrad – durch eine Kombination der Werte anderer Merkmale optimal vorhergesagt werden können – hier wären dies die Erfolgsfaktoren. Durch die folgenden Ergebnisse kann die Methode und Regel sehr einfach erklärt werden.

Für die Gruppenbildung wurde unser Meta-Kriterium „Prozentsatz der Zielerreichung“ durch die Ver-änderungen gewählt. Nach dem im Interview eingeschätzten Zielerreichungsgrad haben wir die fol-genden, in Tabelle 8 für Stichprobe 1 (N= 286) wiedergegebenen vier Gruppen unterschieden:

Tab. 8: Untergruppen zum Zielerreichungsgrad (Teilstichprobe 1, N= 286) Untergruppe/ Zielerreichungsgrad Anzahl der Fälle

/Prozentsatz (1) niedrige Zielerreichung / 0 bis 33% Ziel-

erreichungsgrad 51 /18%

(2) mittel / 34% bis 66% 47 /16% (3) hoch / 67% bis 85% 111 /39% (4) sehr hoch / über 85% 77 /27%

In den nächsten Schritten wurde stufenweise nach den Erfolgsfaktoren-Subskalen und Skalenwerten gesucht, durch die diese vier Gruppen am effektivsten vorhergesagt oder getrennt werden können. In der ersten Stufe war dies, wie theoretisch erwartet, die Subskala „Führung und Einbeziehung der Mit-arbeiter/innen (Führ)“. Die Methoden liefern den Skalenwert 3,03 als Wert, durch den sich die beste Vorhersage der Untergruppen ergibt. Die Regel wäre demnach: “Die effektivste Vorhersage der vier Untergruppen – niedrige bis sehr hohe Zielerreichung – ergibt sich, wenn der Trennwert der Subskala Führ bei 3,03 festgelegt wird.“ In Tabelle 9 werden die resultierenden Ergebnisse wiedergegeben. Die jeweils höchsten Prozentwerte in den Zeilen werden durch Fettdruck hervorgehoben.

Wie oben dargestellt, besteht die Subskala „Führ“ (siehe Tabelle 7a oben, aus insgesamt 16 Items zu positiv formulierten Führungsmerkmalen der Geschäftsführung und zur Einbeziehung der Mitarbeiter/innen (z.B. „Die Informationen der Geschäftsführung waren für die Mitarbeiter/innen glaubwürdig.“), die auf 5stufigen Antwort-skalen eingeschätzt werden mussten (1: „triff nicht zu“ 3: „teils/teils“, 5: „trifft voll zu“). Der Gesamtwert der Skala Führung wurde als Mittelwert der einzelnen Itemwerte gebildet. Das bedeutet, dass mittlere Skalenwer-te unter 3.03 für den Zielerreichungsgrad kritisch sind.

11 Wir danken Günther Gediga für die methodische Beratung und Durchführung der Berechnungen.

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Tab. 9: Erste Stufe der Vorhersage der Untergruppen zum

Zielerreichungsgrad (Teilstichprobe 1) durch die Sub-skala „Führung und Einbeziehung der Mitarbei-ter/innen (Führ)“ (Trennwert: 3,03)

Zielerreichung Führ unter 3,03 Führ über 3,02 (1) niedrig 38 /45% 13 /6% (2) mittel 22 /16% 25 /12% (3) hoch 16 /19% 95 /47% (4) sehr hoch 8 /10% 69 /34%

Nach den Ergebnissen aus Tabelle 8 würden wir statistisch vorhersagen, dass, wenn der Wert der Subskala „Führung und Einbeziehung der Mitarbeiter/innen (Führ)“ bei den organisationalen Verände-rungen unter 3,03 liegt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 45% die Zielerreichung der Veränderungen niedrig und mit 16% mittel ist (zusammengenommen 61%). Wenn dagegen in der Subskala Führ ein Wert von 3.03 und darüber erreicht wird, erzielen 47% eine hohe und 34% eine sehr hohe Zielerrei-chung (zusammengenommen 81%). Sofern wir diese Ergebnissen generalisieren (siehe dazu unten die Ergebnisse der Kreuzvalidierung an der zweiten Stichprobe), ließen sich durch die Trennregel immerhin schätzungsweise 61% der beiden Untergruppen mit niedrigeren Zielerreichungsgrade und 81% der Gruppen mit hohen und sehr hoher Zielerreichung eine mittleren Skalenwert bei der „Führ“ statistisch recht effektiv trennen. Das hieße, dass wir problematische Zielerreichungsgrade (unter 67%) erwarten können, wenn die Einschätzungen der Führungsmerkmale mit den Items der Subskala im Mittel nicht mindestens bei „teils/teils“ liegen. Wenn sie dagegen im Mittel bei 3,03 und darüber sind, würden wir mit großer Sicherheit hohe bis sehr hohe Zielerreichungsgrade (67% und darüber) vorhersagen.

Die beschriebenen Vorhersagen sind allerdings nur Wahrscheinlichkeitsaussagen, die im Einzelfall durchaus falsch sein können und darauf basieren, dass die Ergebnisse aus unserer Stichprobe kreuz-validiert und generalisiert werden können. Wie die Zahlen in Tabelle 9 zeigen, erreichen immerhin 10% der Fälle mit schwachen Führungswerten bei den Veränderungen einen sehr hohen und 19% einen mittleren Zielerreichungsgrad. Umgekehrt ist trotz positiver Führungswerte die Zielerreichung bei 6% der Fälle niedrig und bei 12% nur im mittleren Bereich.

In der folgenden Stufe wurde überprüft, ob die Untergruppen durch zusätzliche Berücksichtigung des zweiten Erfolgsfaktors „Projektleitung und Projektmanagement (PL)“ besser getrennt werden können. Dazu wurden weitere Trennwerte ermittelt. Für die Untergruppe mit schwachen Werten in der Subska-la zu den Führungskräften ergab sich der Trennwert 3,04 und für die Gruppe mit positiven Führungs-werten 3,66.

Tab. 10: Zweite Stufe der Vorhersage der Vorhersage der Untergruppen zum Zielerreichungsgrad (Teilstich-probe 1) durch die Subskala „Führung und Einbe-ziehung der Mitarbeiter/innen (Führ)“ (Trennwert: 3,03) und durch „Projektleitung und -management (PM)“ (Trennwerte 3,04 und 3,66)

Zielerreichung Führ unter 3,03 Führ über 3,02 PM unter

3,04 PM über

3,03 PM unter

3,66 PM über

3,65 (1) niedrig 31 /61% 7 /21% 4 /9% 9 /6% (2) mittel 10 /20% 12 /36% 4 /9% 21 /13% (3) hoch 8 /16% 8 /24% 32 /71% 63 /40%

(4) sehr hoch 2 /4% 6 /18% 6 /11% 64 /41%

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Die in Tabelle 10 dargestellten Ergebnisse verwenden die gleichen Erfolgsfaktoren, wie das lineare Strukturgleichungsmodell oben. Als vorherzusagende abhängige Variable wurde allerdings nur das Item „Prozentsatz der Zielerreichung“ herangezogen. Wie die durch Fettdruck hervorgehobenen je-weils höchsten Prozentwerte der Zeilen zeigen, ist wie erwartet durch die Kombination der beiden Faktoren eine klare Vorhersage aller Ungergruppen zur Zielerreichung möglich. Ein niedriger Zieler-reichungsgrad (0 bis 33%) resultiert aus schwachen Werten sowohl in der Führungsskala, als auch der Projektleitungsskala (61% Wahrscheinlichkeit). Ein mittlere Zielerreichungsgrad (34 bis 66) wür-den wir erwarten, wenn die Führungswerte schwach, aber die Projektleitung positiv eingeschätzt wird (allerdings nur mit 36% Wahrscheinlichkeit). Ein hoher Zielerreichungsgrad (67 bis 85%) entsteht bei einer Kombination von positiv bewerteter Führung und schwacher Projektleitung (71% Wahrschein-lichkeit). Ein sehr hoher Zielerreichungsgrad (über 85%) ergibt sich schließlich, wenn sowohl die Füh-rung, als auch die Projektleitung positiv eingeschätzt werden (nur 41% Wahrscheinlichkeit). Auch wenn bei zwei Untergruppen (mittlere und sehr hohe Zielerreichung) die Wahrscheinlichkeiten noch nicht sehr hoch sind, bestätigen sich mit dieser robusten Methode sehr eindeutig die Vorhersagen nach dem Strukturgleichungsmodell. Wenn sie sich, wie unten gezeigt wird in der zweiten Stichprobe kreuzvalidieren lassen, können wir sie als sehr robuste Vorhersagen ansehen.

Probeweise haben wir erweiterte Strukturgleichungsmodelle mit dem zusätzlichen Faktor „Projektteam (PT)“ mit seinen Items zur Einschätzung des Projektteams (siehe oben, Tab. 7a) gerechnet. Dabei entsteht aber kein Modell mit befriedigenden Fit-Indizes. Das mag daran liegen, dass die Stichprobe zu klein wird oder auch daran, dass die Vorhersage-Zusammenhänge komplexer sind und durch ein lineares Modell nicht mehr vollständig abgebildet werden können. Hier bietet die regelbasierte Metho-de Vorteile, wie die in Tabelle 11 vorgestellten Ergebnisse unter Einschluss der Subskala Projektteam (PT) zeigen. Bei dieser Subskala ergaben sich die Trennwerte 2,94 und 3,34. In der Spalte PM unter 3,66 war eine effektivere Untergruppentrennung durch die zusätzliche Skala nicht möglich. Aus die-sem Grunde wurden hier die Werte aus der vorigen Stufe beibehalten.

Tab. 11: Dritte Stufe der Vorhersage der Untergruppen der Vorhersage der Un-

tergruppen zum Zielerreichungsgrad (Teilstichprobe 1) durch die Subskala Führ (Trennwert: 3,03), durch PM, (Trennwerte 3,04 und 3,66) und durch „Projektteam (PT)“ (Trennwerte 2,94 und 3,34)

Zielerreichung Führ unter 3,03 Führ über 3,02 PM unter 3,04 PM über 3,03 PM unter

3,66 PM über 3,65

PT unter 2,94

PT über 2,93

PT unter 2,94

PT über 2,93

PT unter 3,34

PT über 3,34

(1) niedrig 25 /69% 6 /40% 1 /11% 6 /25% 4 /9% 4 /14% 5 /4% (2) mittel 5 /14% 5 /33% 3 /33% 9 /38% 4 /9% 10 /35% 11 /9% (3) hoch 5 /14% 3 /20% 2 /22% 6 /25% 32 /71% 8 /29% 55 /43%

(4) sehr hoch 1 /3% 1 /7% 3 /33% 3 /13% 5 /11% 8 /21% 58 /45%

Die Erweiterung des Vorhersagemodells mit der Subskala "Projektteam (PT)" bringt nur leichte Ver-besserungen bei den beiden Extremgruppen niedrige und sehr hohe Zielerreichung. Hier werden auch nur einige schlecht klassifizierbare Veränderungen von denen mit sehr hohem oder niedrigem Zieler-reichungsgrad getrennt. Bei der Gruppe mit mittlerer Zielerreichung zeigt sich dagegen, dass hier sehr unterschiedliche Kombinationen ähnliche Wahrscheinlichkeiten aufweisen. Derartige Differenzierun-gen sind in einer linearen Modellierung nicht darstellbar.

Wenn wir die besten betrachten, können wir mit niedrigen Werten in den Skalen Führ (unter 3,03), PL (unter 3,04) und PT den niedrigsten Zielerreichungsgrad innerhalb dieser Kombination mit einer Wahr-scheinlichkeit von 69% relativ sicher vorhersagen (69%). Wenn alle drei Subskalen Führ, PL und PT positiv eingeschätzt werden (Führ über 3,02, PL über 3,65 und PT über 2,93) würde man mit 45% Wahrscheinlichkeit sehr hohe Zielerreichung erwarten, aber immerhin mit 43% noch einen hohen

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Zielerreichungsgrad. Aber auch wenn Führ hoch und PM niedrig ist, wäre mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit von 71% eine hohe Zielerreichung vorherzusehen. Es bleiben immer Restgruppen, die wir entsprechend unserer Theorie als die Besonderheiten der Einzelfälle oder „Spezifität„ einord-nen lassen, die sich nicht einfach durch die generellen Erfolgsfaktoren vorhersagen lassen.

Zur Validierung der Regel und Trennwerte wurden die nach der ersten Stichprobe ermittelten Trenn-werte in einer zweiten Teilstichprobe (N=99 vollständige Datensätze) eingesetzt. Die vier Untergrup-pen zur Zielerreichung können mit diesen Trennwerten wiederum recht gut vorhergesagt werden (mit den statistisch zu erwartenden Abweichungen). So zeigen beispielsweise von den 43 Fällen, bei de-nen eine sehr hohe Zielerreichung vorhergesagt wird, nach den Daten der Validierungsstichprobe tatsächlich 23 eine sehr hohe Zielerreichung, 12 eine hohe, 8 eine mittlere und keine eine niedrige Zielerreichung. Bei nach dem Modell als niedrig angesetzter Zielerreichung, sind von 16 empirisch 9 niedrig, 4 mittel, 3 hoch und keine sehr hoch (siehe alle Werte im Anhang).

4.6 Mitarbeiterbezogene Bewertungsmerkmale und Erfolgsfaktoren in den Interviews

Im Folgenden werden die inhaltlichen Ergebnisse aus den Interviews ausgewertet. Die Auswertung mit dem von uns entwickelten Kategoriensystem zeigen, dass sehr häufig personenbezogene Merk-male angesprochen werden. Insgesamt werden insbesondere mitarbeiterbezogene Merkmale sowohl zur Bewertung des Erfolgs oder Misserfolgs der Veränderungen, als auch zur Erklärung der Ursachen für die Ergebnisse von Veränderungen herangezogen. Innerhalb der mitarbeiterbezogenen Bewer-tungsmerkmale werden in den Interviews als wichtige Merkmale vor allem die Zufriedenheit mit und Akzeptanz der Maßnahmen, Motivationsveränderungen, sowie die Qualifizierung und Zusammenar-beit untereinander bzw. mit den direkten Vorgesetzten genannt. Bei den Veränderungsklassen und den verschiedenen Rollen in den Veränderungen ergeben sich hier einige interessante Differen-zierungen. Positive Folgen für die Mitarbeiter/innen sind deutlich häufiger der Grund für eine positive Bewertung bei Veränderungen im Bereich TQM und in der Personalentwicklung als bei Veränderun-gen zur Reorganisation. Dieser Befund ist leicht nachvollziehbar, da TQM und Personalentwicklung auf positive Folgen für die Mitarbeiter/innen abzielen. Wohingegen die Zielrichtung von Reorganisatio-nen vor allem darin besteht, die internen Abläufe und Strukturen zu optimieren. Unternehmensberater/innen machen Folgen für die Mitarbeiter/innen wesentlich seltener zum Kriteri-um für ihre Erfolgsbewertung der Veränderungen als dies die anderen Funktionsträger, besonders die Mitarbeiter/innen und die Personalvertretung tun. Dies ist ein interessanter Befund, weil die Berater von den Mitarbeiter/innen eher kritisch betrachtet werden. Das verbreitete Klischee, dass die Berater organisationale Veränderungen eher einseitig ohne Berücksichtigung der Mitarbeiter/innen bewerten, muss jedoch korrigiert werden: Auch für Unternehmensberater gilt, dass ihre Bewertung von Erfolgs-projekten umso besser ausfällt, je zahlreicher die positiven Folgen für die Mitarbeiter/innen sind. Pro-jektleiter/innen, Unternehmensberater/innen und die Personalvertretung zeigen ein analoges Bewer-tungsmuster für Misserfolgsprojekte. Sie schätzen diese Veränderungen deutlich weniger erfolgreich ein, wenn die negativen Folgen für die Mitarbeiter/innen zunehmen. Für die Geschäftsführung konnte ein solches Bewertungsmuster interessanterweise nicht festgestellt werden. Geschäftsführung und Unternehmensberater sehen außerdem die Ursachen für den Erfolg einer Veränderung weniger stark in Merkmalen der Mitarbeiter/innen und unteren Führungsebene, als dies Projektleiter/innen, Mitarbei-ter/innen und die Personalvertretung tun.

4.6.1 Qualitative Wirtschaftlichkeit und Projektorganisation Innerhalb der qualitativen wirtschaftlichen Bewertungsmerkmale werden in den Interviews vor allem Veränderungen von Strukturen und Abläufen in Unternehmen sowie Veränderungen in der Qualität der Dienstleistungen angeführt. Merkmale der Projektorganisation beziehen sich vor allem auf zeit- und strukturbezogene Planung sowie mangelnde Weitsicht in der Umsetzbarkeit der Maßnahmen bzw. Arbeitsschritte.

10-2003 - Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie (Prof. S. Greif) der Universität Osnabrück 24

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

Merkmale der Projektorganisation Qualitative wirtschaftliche Merkmale

Schwächen des Projektes

Stärken des Projektes

Abb. 7: Unterschiede in Abhängigkeit von den Stärken und Schwächen der Veränderungen

Eine interessante Differenzierung ergibt sich, wenn man die Bewertungsmerkmale in diesen beiden Kategorien nach Stärken und Schwächen der Veränderungen unterteilt. Wie Abbildung 7 wiedergibt, werden Merkmale der Projektorganisation wesentlich häufiger zur Beschreibung von Schwächen ei-nes Projektes genannt, wohingegen qualitativ wirtschaftliche Merkmale wesentlich häufiger für die Beschreibung der Stärken verwendet werden. Die Personalvertretung nennt kaum Merkmale der Pro-jektorganisation als erfolgsrelevant. Qualitativ wirtschaftliche Merkmale, die sich vor allem auf effektive und effiziente Abläufe und Strukturen im Unternehmen beziehen spielen primär bei der kritischen Be-trachtung von Reorganisationsprojekten eine starke Rolle.

4.6.2 Die eigene Rolle wird als wichtig für den Erfolg angesehen Die Interviewten schätzen bei relativ erfolgreichen Veränderungen die Bedeutung ihrer eigenen Per-son für den Erfolg als sehr hoch ein. Für Misserfolge wird dagegen von keiner Gruppe eine besonders hohe Verantwortung übernommen. Es ist nachvollziehbar, wenn besonders die Unternehmensberater aus Marketinggründen den eigenen Beitrag bei erfolgreichen Veränderungen besonders hervorheben. Sie schätzen die eigene Rolle als wesentlich erfolgsrelevanter ein, als dies alle anderen Funktionsträger tun. Aber auch die Projektleiter schätzen den eigenen Beitrag höher ein, als dies der Betriebsrat und die Mitarbeiter/innen tun. Die Personalvertretung sieht ebenfalls ihre Bedeutung bei Erfolgen.

4.6,3 Die Rolle der Geschäftsführung Besonders interessante Erkenntnisse ergibt eine differenzierte Betrachtung der Rolle der Geschäfts-führung. So beurteilen sie Erfolge positiver und Misserfolge negativer als die anderen Auskunftsper-sonen. Außerdem lässt sich feststellen, dass sie besonders bei Misserfolgen eine differenziertere Ursachenzuschreibung vornehmen. D.h. sie neigen dazu, mehr Ursachen als misserfolgsrelevant anzusehen, als dies die anderen Gruppen tun. Des Weiteren stellen sie die einzige Gruppe von Funk-tionsträgern dar, die quantitativ wirtschaftliche Merkmale mit hoher Priorität zur Erfolgsbewertung der Projekte heranzieht. Merkmale der Mitarbeiter/innen werden von der Geschäftsführung hingegen we-niger häufig als Ursache für den Erfolg und Misserfolg gesehen, als dies andere Befragte (ausge-nommen die Unternehmensberater) tun. Gleichzeitig schätzen sie den Erfolg von Veränderungen nicht als weniger groß ein, wenn die negativen Folgen für die Mitarbeiter/innen zunehmen, wie dies bei Unternehmensberatern, der Projektleitung und dem Betriebsrat der Fall ist. Ein solches Defizit in der Berücksichtigung mitarbeiterbezogener Aspekte seitens der Geschäftsführung, kann zu Bewer-tungskonflikten und Umsetzungsproblemen führen. Hier ist ein Zusammenhang zu einem weiteren Ergebnis interessant. Aus Sicht der übrigen Beteiligten ist ein unterstützendes Verhalten der Ge-schäftsführung häufig mit positiven Folgen für die Mitarbeiter/innen verbunden und stellt eine wichtige Grundlage für eine optimale Projektorganisation dar. Bei der Bedeutung, die der Rolle der Geschäftführung für den Erfolg oder Misserfolg eines Verände-rungsprojektes zugeschrieben wird, zeigt sich eine weitere besonders interessante Differenzierung. Bei Misserfolgsprojekten wird die Rolle und damit die Verantwortung der Geschäftführung als beson-

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ders bedeutsam eingeschätzt. Interessanterweise mit Ausnahme der Mitglieder des Betriebsrates, ist diese primäre Verantwortungszuweisung für Misserfolge an die Geschäftsleitung bei allen übrigen Gruppen sehr übereinstimmend. Geschäftsführer versuchen mitunter die Verantwortung für Misserfol-ge bei Veränderungen anderen zuzuschreiben und sich selbst eher mit Erfolgen zu verbinden. Wenn ihnen aber von Projektleitern, Beratern und Mitarbeiter/innen vor allem die Misserfolge zugeschrieben werden und unsere Annahme richtig ist, dass sich langfristig die informelle Bewertungskommunikation durchsetzt, können zu viele Misserfolge für sie sehr kritisch werden.

4.7 Verschiedene Länder im Vergleich Wir haben in unserer Befragung insgesamt 315 Veränderungen erfasst (pro Person 1 bis 2 organisati-onale Veränderungen, nahezu immer ein A-Projekt, nicht immer aber ein Z-Projekt). Befragt wurden 141 Personen in Deutschland, 27 in Großbritannien, 41 in den Niederlanden, 36 in den USA, 12 in Griechenland, 18 in Spanien und 29 in Korea. Zusätzlich hat Komaromi (2002) im Rahmen einer Dip-lomarbeit 15 Interviews in Ungarn durchgeführt. Nach einer unserer theoretischen Grundannahmen gibt es Bewertungsmerkmale und Erfolgsfaktoren, die trotz der Besonderheiten des Einzelfalls relativ allgemeingültig gefunden werden können. Eine besonders spannende Frage war, ob wir trotz der sehr heterogen zusammengesetzten internationalen Stichprobe im Vergleich zwischen den Ländern ähnli-che Mittelwerte und Verteilungen in der Verwendung verallgemeinerter Bewertungsmerkmale und Erfolgsfaktoren finden können.

Ein Vergleich der Mittelwerte der Erfolgsratings und Zielerreichungsgrade zwischen den verschiede-nen Ländern, ergibt, wie Abbildung 8 für die A- und Z-Projekte zeigt, ein sehr homogenes Muster. Wie Tabelle 12 wiedergibt, liegen die Werte überwiegend in einem relativ schmalen Bereich. Wir interpre-tieren dies als Bestätigung für die Annahme, dass es auch in internationalen Stichproben verallgemei-nerte Bewertungsranges für Erfolge u Misserfolge gibt. Dies schließt nicht aus, dass systematische Länder- und Kulturunterschiede nachgewiesen werden können (hierfür wären größere und sorgfältig parallelisierte Stichproben erforderlich).

Wir. erwarten, dass in Ländern mit ausgeprägten Höflichkeits- und Freundlichkeitsstandards negative Bewer-tungen auf der Erfolgs-/Misserfolgsskala eher freundlicher vermittelt werden. Nur vereinzelt finden sich aller-dings in unserem Vergleich überzufällige Unterschiede zwischen den Ländern, etwa bei der deutlich positive-ren Bewertung der Z-Projekte in Großbritannien und Griechenland (5% Irrtumswahrscheinlichkeit, T-Tests und parameterfreier Kruskal-Wallis-Tests). Möglicherweise zögern die Befragten in diesen Ländern, negative Wer-te zu vergeben und Veränderungen als „Misserfolge“ zu bezeichnen. Um dieses Ergebnis abzusichern, müss-ten aber weitere vergleichende Befragungen durchgeführt werden. In unserer Erhebung könnte dies auch durch Unterschiede in der Stichprobenzusammensetzung zurückgeführt werden.

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-2

-1

0

1

2

3

4

5

Erfolg A Erfolg Z Zielerr A Zielerr Z

D GBR NL USA Griech Span S-Korea Gesamt

Abb. 8: Mittelwerte Erfolgsrating und Zielerreichungsgrad für die A-

und Z-Projekte (Erfolgsratings von -5 bis 5, Zielerreichungsgrade von p=0 bis 1.0, 1=100%)

Tab. 12: Mittelwerte Erfolgsrating und Zielerreichungsgrad

D GBR NL USA Gr Span S

Korea Gesamt

A 3,26 3,57 3,61 3,72 4,05 3,50 4,12 3,53 Erfolgs-rating Z -0,85 -0,05 -1,82 -1,94 0,13 -1,91 -1,30 -1,07

A 77% 79% 82% 86% 82% 84% 77% 80% % Ziel-errei-chung Z 51% 53% 47% 47% 43% 26% 45% 48%

4.7.1 Fragebogenerhebung

Bewertungsmerkmale

Trotz dieser Vorbehalte sind die Unterschiede der Mittelwerte zwischen den Ländern in den Subska-len der Bewertungsmerkmale für die A- und Z-Projekte von einzelnen plausiblen „Ausreißern“ abge-sehen, marginal gering, wie Abb. 9 und 10 sowie Tabelle 13 zeigen. Wir können nur darüber spekulie-ren, ob etwa die besseren Ökonomischen Ratings bei den Z-Projekten in Süd-Korea für die arbeitsa-men Koreaner typisch sind oder auf die Stichprobenzusammensetzung zurückzuführen sind.

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012345

Share Proc Econ Impr Umw Nach Soz Arb Auss PInn

D GBR NL USA Griech Spanien S Korea

Abb.9: Mittelwerte der Bewertungsmerkmale A-Projekte

012345

Share Proc Econ Impr Umw Nach Soz Arb Auss PInn

D GBR NL USA Griech Spanien S Korea

Abb. 10: Mittelwerte der Bewertungsmerkmale Z-Projekte

Tab. 13: Fragebogen: Bewertungsmerkmale A- und Z-Projekte (% der Befragten, die Merkmale zu den Kategorien genannt haben)

D GBR NL USA Griech Span S Korea Gesamt

A 3,62 3,46 3,79 3,50 4,00 4,14 4,29 3,74 Sharehol-der-Value Z 2,47 2,80 2,46 3,00 1,67 2,50 3,67 2,71

A 3,82 3,85 4,09 3,85 3,81 4,42 4,36 3,95 Prozess-Optimie-rung Z 2,79 2,92 2,88 2,32 2,77 2,08 3,53 2,77

A 3,64 3,56 4,02 3,95 4,21 3,95 3,75 3,79 Econ (Wirt-schaftlich-keit) Z 2,51 2,83 2,13 2,52 2,50 2,06 3,44 2,55

A 3,72 3,57 3,94 3,93 4,06 4,07 4,27 3,85 Impr (Viele kleine Ver-bess.) Z 2,59 2,68 2,64 2,16 3,14 2,11 3,42 2,64

A 3,26 2,85 3,23 2,89 3,73 3,80 3,53 4,06 Umwelt Z 2,93 1,63 3,05 1,75 2,75 3,50 3,51 2,83 A 3,02 3,72 3,21 3,13 3,69 3,78 3,94 3,41 Nachhal-

tigkeit Z 2,09 2,63 2,57 1,68 3,30 2,50 3,14 2,54 A 3,09 3,19 3,23 3,67 3,90 3,84 3,43 3,32 Soziales Z 2,38 2,61 2,40 1,89 3,16 2,46 3,18 2,52 A 3,57 3,22 3,27 3,18 3,74 3,56 3,39 3,45 Arbeits-

plätze Z 2,85 3,03 2,58 1,95 3,24 2,08 3,38 3,31 A 3,52 3,09 3,34 3,90 4,11 4,28 3,98 3,63 Ausschuss Z 2,59 3,20 2,34 2,00 2,83 2,13 3,34 2,61 A 3,50 3,70 4,15 3,79 3,95 4,14 4,00 3,76 Produkt-

Innova-tion Z 2,99 3,21 3,19 2,65 3,71 2,25 3,61 3,08

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Erfolgsfaktoren Βei den Mittelwerten der Erfolgsfaktoren-Subskalen sind die Länderunterschiede ebenfalls im Allge-meinen eher gering, wie Abbildung 11 für die A-Projekte und Abbildung 11 für die Z-Projekte und Tabelle 14 für beide zeigen.

0

1

2

3

4

5

UB PL Führ Div Miss PT Komm Ress

D GBR NL USA Griech Span S-Korea

Abb. 11: Mittelwerte der Erfolgsfaktoren A-Projekte

012345

UB PL Führ Kult Miss Team Komm Ress

D GB NL USA Griech Span S-Korea

Abb. 12: Mittelwerte der Erfolgsfaktoren Z-Projekte

Interessant sind die in Tabelle 14 wiedergegebenen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ska-len. Die konsistent höchsten Mittelwerte finden sich hier in allen Ländern im Erfolgsfaktor „Projektlei-tung und Projektmanagement (PL)“. Bei den erfolgreicheren A-Projekten schwanken die Länderwerte in einem sehr positiven Bereich zwischen 3,65 (USA) und 4,35 (Süd-Korea) um den Gesamtmittelwert von 3,98. (Der mögliche Bestwert wäre 5.) Auch bei den weniger erfolgreichen Z-Projekten liegen die Einschätzungen mit einem Mittelwert von 3,27 noch sehr hoch. Am Niedrigsten ist der Wert für Spa-nien mit 2,76 und am Höchsten wiederum für Süd-Korea mit 3,91.

Die numerisch durchgängig niedrigsten Werte sind bei den „Kulturellen Unterschieden(Div)“ zu finden. Da große kulturelle Unterschiede im Allgemeinen die Misserfolgsrisiken erhöhen, ist ein niedriger Wert jedoch kein gutes Zeichen. Wie bereits oben angesprochen, ist es bisher offensichtlich noch eher selten, dass die aktiv an Veränderungen Beteiligten aus verschiedenen Ländern und Kulturen kom-men. Es ist deshalb nicht verwunderlich, die Mittelwerte der A- und Z-Projekte nahe beieinander lie-gen (und sich nicht signifikant unterscheiden, Wilcoxon-Test, 5% Irrtumswahrscheinlichkeit).

Die schlechtesten Noten erhalten bei den Z-Projekten die Unternehmensberater mit durchschnittlich 2,75 die Unternehmensberater und fast gleichauf die Geschäftsführer mit 2,93. Dies passt zur prakti-schen Beobachtung, dass für Misserfolge relativ häufiger die Berater oder die Führung verantwortlich gemacht werden. Die besten Werte erhalten dabei die Berater aus GBR (3,29) und die Schlechtesten mit 2,06 die Berater in den USA. (In der USA-Teilstichprobe ist allerdings der Berateranteil relativ am Höchsten, was möglicherweise den Extremwert eher erklärt, als die Landesherkunft.) Mit großer Si-cherheit wäre als ein kulturell beeinflusster Wert der sehr positive Wert der Führung von 3,55 bei den Z-Projekten in Süd-Korea zu nennen. In dieser Kultur wäre es nach traditionellen Normen sehr unhöf-lich, schlecht über die eigene Führung zu sprechen. Auch bei den A-Projekten ist die Bewertung der Geschäftsführung mit 4,06 deutlich positiver, als in anderen Ländern. Bei den niedrigen Werten für die Misserfolge liegen mehrere der (USA, die Niederlande und Spanien) mit 2,61, 2,64 und 2,65 relativ nahe beieinander. Es ist schwer abzuschätzen, ob dies auf interpretierbare kulturelle Unterschiede hinweist.

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Tab. 14: Fragebogen: Erfolgsfaktoren A- und Z-Projekte (% der Befragten, die Merk-male zu den Kategorien genannt haben)

D GBR NL USA Griech Spanien S Korea Gesamt

A 3,45 3,40 2,90 2,35 3,27 3,73 2,39 3,14 1 Unter-nehmens-berater Z 2,98 3,29 2,58 2,06 2,83 2,72 2,74 2,75

A 3,97 4,01 3,97 3,65 3,85 4,15 4,35 3,98 2 Projekt-leitung Z 3,33 3,33 3,19 2,87 3,04 2,76 3,91 3,27

A 3,71 3,52 3,55 3,83 3,76 3,96 4,06 3,75 3 Führung u. Einbezie-hung Z 2,93 2,88 2,64 2,61 3,22 2,65 3,55 2,93

A 1,48 2,01 1,35 1,76 1,59 2,20 1,32 1,56 4 Kult Unter-schiede (Div) Z 1,44 1,93 1,24 1,58 1,78 1,81 1,54 1,54

A 2,63 2,85 2,26 2,20 2,02 2,51 2,90 2,54 5 Misstrauen Z 2,90 3,03 2,28 2,89 2,40 2,00 3,04 2,78

A 3,58 3,79 3,61 3,83 3,57 3,52 4,08 3,68 6 Projektteam (PT) A

Z 2,99 3,95 3,02 2,89 2,84 2,92 3,53 3,20

A 1,86 2,42 1,84 1,88 2,10 2,32 1,73 1,93 7 Komm-Probleme Z 2,36 2,90 2,28 2,64 2,33 2,41 1,99 2,40

A 3,65 3,57 3,55 3,90 3,61 3,44 3,04 3,58 8 Ressourcen Z 3,13 2,82 3,16 3,16 3,00 3,65 2,85 3,10

4.7.2 Interviewergebnisse

Es ist interessant, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Interviews und Fragebogen-erhebungen zu untersuchen. In den Fragebögen wurden Ergebnisse aus früheren Pilotstudien und Interviews mit Praktiker/innen sowie wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt (vgl. Greif et al., 1998; Greif, Runde & Seeberg, in Vorber., Kapitel 2). In der Pilotstudie wurde im Interview generell gefragt, woran sie den Erfolg oder Misserfolg der Veränderungen festmachen (Bewertungsmerkmale) und worauf er zurückgeführt werden kann. Insofern ist es kein unerwartetes Ergebnis, wenn sich zwi-schen den generell gestellten Interviewfragen in unserer systematischeren Stichprobe inhaltliche Ähn-lichkeiten finden. Allerdings haben wir im Unterschied zur Pilotstudie (Greif et al., 1998) zu den Er-folgs- und Misserfolgsfaktoren sehr viel spezifischer gefragt. Hier wurde genau gefragt, worauf die Befragten ein bestimmtes Ergebnis oder Bewertungsmerkmal (z.B. Motivierung oder Qualifizierung der Mitarbeiter/innen) zurückführen. Bei den subjektiven Ursachen ist zu erwarten, dass zwischen den generellen Fragebogenfaktoren und den Kategorien Unterschiede bestehen, weil seltener allgemeiner Ursachen und mehr konkretere Gründe für die Ergebnisse genannt werden.

Alle Antworten wurden mit dem oben kurz beschriebenen umfassenden Kategoriensystem ausgewer-tet. Zusätzlich haben wir die Ergebnisse von 15 Interviews aufgenommen, die Komaromi (2002) in ihrer Diplomarbeit mit unserem Leitfaden in Ungarn (in ungarischer Sprache) durchgeführt hat.

Bewertungsmerkmale

Abbildung 13 gibt Verteilung der relativen Häufigkeiten (Prozentwerte) wieder, mit denen die meistbe-setzten Kategorien in den verschiedenen Ländern als wichtige Bewertungsmerkmale in den A-Projekten genannt wurden und Abbildung 14 die entsprechenden Werte der Z-Projekte. In Tabelle 15 werden die Prozentwerte der Bewertungsmerkmale in den A- und Z-Projekten zusammen aufgeführt.

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0%10%20%30%40%50%

QuantWirtsch

QualWirtsch

Kunden Mitarb Proj-Man

D GBR NL USA Griech

Spanien Ungarn S Korea

Abb. 13: Bewertungsmerkmale A-Projekte

0%10%20%30%40%50%60%

QuantWirtsch

QualWirtsch

Kunden Mitarb Proj-Man

D GBR NL USA Griech

Spanien Ungarn S Korea

Abb.14: Bewertungsmerkmale Z-Projekte

In den relativ erfolgreichen A-Projekten wird in allen Ländern der Erfolg an erster Stelle an den positi-ven Folgen für die Mitarbeiter/innen (z.B. Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation oder ihrer Qualifikation und Beteiligung an Veränderungen) festgemacht. Die quantitativen Wirtschaft-lichkeitskriterien (quant Wirtsch) werden dagegen relativ selten als wichtig angesehen. Im Fragebogen entsprechen sie den Item, die mit Econ bezeichnet werden. Auch hier werden sie keineswegs als die wichtigsten Bewertungsmerkmale angesehen. Dieses nach unserer Theorie erwartete Ergebnis mag für diejenigen überraschend sein, die meinen, dass Praktiker/innen wirtschaftliche Indikatoren für die wichtigsten Kriterien halten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass wir nach der persönlichen Definiti-on von Erfolg gefragt haben. Die Kommentare der Mitarbeiter/innen über die Folgen der für sie liefern den Beteiligten eine sehr konkrete und unmittelbare Rückmeldung. Wie wir bereits oben dargestellt haben, werden sie nicht nur von den Mitarbeiter/innen selbst, sondern auch vom Projektleiter oder auch (etwas schwächer) von der Geschäftsführung und den Unternehmensberatern wahrgenommen und als wichtig angesehen. Wenn eine Veränderung deutliche wahrgenommene, konkrete positive Folgen für die Mitarbeiter/innen und andere Personen hat, erwarten wir nach unseren Annahmen über den Einfluss der informellen Bewertungskommunikation (siehe Greif, Runde & Seeberg, in Vorber., Kapitel 2), dass dies in der Organisation zu sozialen Vergleichsprozessen mit einer sehr klaren positi-ven Gesamtbewertung (Erfolgs-Labeling) führt und umgekehrt dass konkrete negative personenbezo-gene Folgen Misserfolgsbewertungen. Unterstrichen wird diese theoretische Erklärung durch die in-terkulturelle Übereinstimmung in der Wichtigkeit dieses Bewertungsmerkmals. Auch in der umfassen-den Fragebogenskala „Viele verschiedene Verbesserungen (Impr)“ finden wir ähnliche (z.B. Verbes-serung der Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation oder Qualifizierung), die sehr hohe Trennschärfe-koeffizienten zum Kern der Subskala zeigen. Wie oben dargestellt, ist dies der beste Prädiktor für die Zielerreichung und noch deutlicher für das persönliche Erfolgsrating.

Wie Tabelle 15 wiedergibt, gibt es bei der Gewichtung der Folgen für die Mitarbeiter/innen zwischen den verschiedenen Ländern signifikante und starke Unterschiede. Die Prozentwerte variieren zwi-schen 24,9% (GBR) und 47% (Süd-Korea). Mit 40,5% ist der Prozentsatz in Deutschland ebenfalls sehr hoch. Es erschiene plausibel, die genannten Unterschiede als kulturell bedingt zu sehen.

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Auch bei den Z-Projekten werden häufig – hier allerdings negative – Folgen für die Mitarbeiter/innen als besonders wichtige Bewertungsmerkmale genannt. In den meisten Ländern liegen die Anteile wie-derum zwischen etwa einem Viertel (Spanien, Deutschland und USA) bis zu einem Drittel (GBR, Nie-derlande und Griechenland). Ausreißer mit 10% sind hier Ungarn und mit 10% und Süd-Korea mit 15,6%.

Bei den relativen Misserfolgen sind es ebenfalls häufig eine schlechtes Projektmanagement (GBR =36,5%, NL=31,4% und Griechenland 30%) oder auch Kundenprobleme, die in vielen Ländern als wichtige Bewertungsmerkmale aufgeführt werden. Absoluter Spitzenreiter ist hier Süd-Korea mit 54,1%. Dies unterstreicht die bekannte, extreme Kundenabhängigkeit der Industrie in diesem Land. Aber auch in den USA (35,6%), Deutschland (33,1%), Spanien (32,6%) und Griechenland (32,5%) werden die nicht erreichten kundenbezogenen Ziele oft zur Definition von Misserfolgen herangezogen. Bei erfolgreichen Veränderungen werden Verbesserungen für die Kunden merkwürdigerweise dage-gen eher selten aufgeführt (zwischen 1,8 bis 8%).

Tab. 15: Interviews: Bewertungsmerkmale A- und Z-Projekte (% der Befragten, die Merkmale zu den Kategorien genannt haben)

D GBR NL USA Griech Span Ungarn S Korea

A 5,9 8,8 8,8 10,6 14,9 8,5 23 6,8 Quant Wirtsch Z 5,1 0 5,8 4,5 0 2,3 23 2,8

A 17 32,6 27,6 23,1 17,5 30,5 21 24,3 Qual Wirtsch Z 13,9 13,5 25,6 9,8 10,0 27,9 33 8,3

A 3 3,1 6 1,9 1,8 7,3 2 8 Kunden

Z 33,1 28,4 23,3 35,6 32,5 32,6 10 54,1

A 40,5 24,9 36,4 35,6 36 36,6 29 47 Mitarb

Z 24,3 36,5 31,4 25,0 30,0 23,3 10 15,6

A 15 10,4 10 15,4 14,9 2,4 5 2,8 Proj-Man

Z 24,3 36,5 31,4 25 30 23,3 10 15,6

Bemerkenswert ist ferner, dass quantitative Indikatoren der Wirtschaftlichkeit nur in der kleinen unga-rischen Stichprobe von 23% sowohl bei den A-, als auch den Z-Projekten (auch von den Mitarbei-ter/innen) als wichtig angesprochen werden. Wie Komaromi (2002) nach ihren Befragungen annimmt, mag dies auf die aktuelle harte internationale wirtschaftliche Konkurrenzsituation und intensive Dis-kussion ökonomischer Erfolgskriterien in den Pressmedien rückführbar sein.

Häufiger als die quantitative ökonomischen Zielwerte werden von 17% und mehr insbesondere bei A-Projekten qualitative wirtschaftliche Veränderungen (z.B. Optimierung der Abläufe und Kernprozesse) erwähnt (GBR = 32,6% und Spanien = 30,5%).

Erfolgsfaktoren

Die Abbildungen 15 und 16 geben die häufig genannten Erfolgsfaktoren wieder. Tabelle 16 stellt die dazugehörigen Zahlenwerte zusammen. Im Unterschied zu üblichen Fragebögen – auch zu unserem Fragebogen zur Erfassung von Erfolgsfaktoren – haben wir im Interview konkreter nach den Ursachen für die vorher genannten wichtigsten spezifischen Ergebnisse der aktuellen Veränderungen (A- und Z-Projekte) gefragt. Deshalb werden hier teilweise andere und vor allem auch spezifischere Erfolgs- oder Misserfolgsfaktoren beschrieben. Wir meinen, dass diese Beschreibungen praktisch aussage-kräftiger und für Verbesserungsvorschläge nützlicher sind, als die durch Fragebögen erfassbaren, allgemeinen Erfolgsfaktoren. Das Kategoriensystem zur Auswertung der Interviews liefert allerdings ebenfalls nur eine sehr allgemeine Zusammenfassung der spezifischen Beschreibungen der Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren.

10-2003 - Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie (Prof. S. Greif) der Universität Osnabrück 32

0%

10%

20%

30%

40%

Top Man Proj-Man Untere Ebenen Qual Wirtsch

D GBR NL USA Griech

Spanien Ungarn S Korea

Abb. 15: Erfolgsfaktoren A-Projekte

0%

10%

20%

30%

40%

50%

Top Man Proj-Man Untere Ebenen Qual Wirtsch

D GBR NL USA Griech

Spanien Ungarn S Korea

Abb. 16: Erfolgsfaktoren Z-Projekte

Während in der Fragebogenerhebung (siehe oben) die Merkmale und Verhaltensweisen der für die Veränderungen verantwortlichen obersten Führungsebene (Subskala Führ) der wichtigste Erfolgsfak-tor sind und die Projektleitung sowie das Projektmanagement (PL) erst an zweiter Stelle folgen, wird in den Interviews die verantwortliche Führung nicht mehr an erster Stelle genannt. Verhalten und Merk-male der Führung sind demnach eher als wichtige generelle Hintergrundfaktoren einzuordnen. Wenn man sehr konkret nach den Gründen für bestimmte positive Ergebnisse fragt, ist der Einfluss der wahrgenommene Einfluss der Projektleitung und des Projektmanagements jedoch wesentlich wichti-ger. Am häufigsten werden entsprechend sehr durchgängig in fast allen Ländern Erfolge und Misser-folge auf die Oberkategorie gutes oder schlechtes Projektmanagement oder die aktive Unterstützung der unteren Ebenen (untere Führungskräfte und Mitarbeiter/innen) zurückgeführt. Obwohl wir auch zu dieser Führungsebene Fragen in den Fragenbogen aufgenommen haben, bilden sie dort interessan-terweise keinen eigenständigen Faktor. Eine psychologische Interpretation wäre, dass bei hier die konkreten praktischen Leistungen oder Probleme wahrgenommen werden, während die Geschäftsfüh-rungsebene im Veränderungsalltag eher im Hintergrund bleibt.

Im Interview werden Merkmale und Verhaltensweisen des Top-Managements (Geschäftsführung und oberste Leitung) nur von 2,9% (Griechenland) bis 11,3% (USA) aus der Sicht der Befragten aller Län-der als Ursache für den Erfolg gesehen werden. Bei relativen Misserfolgen werden sie allerdings mit kulturell plausiblen, deutlichen Ausnahmen (Griechenland = 0% und Süd-Korea = 2,8%) etwas häufi-ger verantwortlich gemacht. Den höchsten Wert mit 16,5% erreichen hier die Führungskritiker aus Deutschland. Dieser relativ hohe Wert passt zur Direktheit der Kritikkultur in Deutschland (Thomas, 1996), wie auch die sehr niedrigen Werte in Süd-Korea den dortigen Kulturstandards entsprechen.

Der höchste Wert beim Projektmanagement mit 50% findet sich bei der Erklärung der Misserfolge in der griechischen Stichprobe. Alle übrigen Prozentwerte für A- und Z-Projekte liegen zwischen 20 und 33%, mit Ausnahme eines Werts von 10,8% in der Süd-Koreanischen Befragung über A-Projekte. Beim Faktor „Untere Ebenen“ ist die Variation größer. Die relativ höchsten Prozentwerte sowohl bei

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den A-, also auch Z-Projekten zeigen Süd-Korea (33,6% und 30,5%), Spanien (25,3% und 39,2%) und Holland (25,8% und 31,6%).

Tab.16: Interviews: Erfolgsfaktoren A- und Z-Projekte (% der Befragten, die Merkmale zu den Kategorien genannt haben)

D GBR NL USA Griech Span Ungarn S Korea

A 8,3 5,9 2,5 11,3 2,9 9,1 6 9 Top Man

Z 16,5 6,5 5,3 13,9 0 14,9 10 2,8

A 23,3 29,8 25 30, 20,1 27,3 20 10,8 Proj-Man

Z 25,1 27,7 29,8 25 50 23 33 23,2

A 26,6 21,0 25,8 21,2 33,8 25,3 14 26,9 Untere Ebenen Z 20,8 25,2 31,6 25 12,5 39,2 10 33,6

A 14 21,4 27,5 15,6 19,4 26,3 37 30,5 Qual Wirtsch Z 9,6 14,8 21,1 13 37,5 9,5 20 4,8

Positive oder negative qualitative wirtschaftliche Veränderungen (z.B. Verbesserungen oder Ver-schlechterungen der Abläufe und Kernprozesse) werden nicht nur als Ergebnisse von Veränderungen und Bewertungsmerkmale gesehen, sondern können plausiblerweise auch Ursachen für Erfolge sein. So nennen, wie die Abbildungen und die Tabelle 16 wiedergibt, allerdings mit einer großen, schwer interpretierbaren Variationsbreite in den verschieden Teilstichproben, zwischen 4,8% (Süd-Korea) und 37,5% (Griechenland) unzureichende qualitative wirtschaftliche Veränderungen als wichtige Ursache für Misserfolge und 14% (Deutschland) und 30,5% (Süd-Korea) umgesetzte qualitative Verbesserun-gen der Wirtschaftlichkeit als Erfolgsfaktor.

Während wir in Deutschland eine systematisch ausgewählte Stichprobe befragen konnten, in der wir alle Branchen, Unternehmensgrößen und ein breites Spektrum an Veränderungen einbezogen haben, mussten wir uns in den anderen Ländern mit kleinen Stichproben begnügen, die von unseren Koope-rationspartnern bei den Interviews ausgewählt wurden. Diese eher exploratorischen Erhebungen soll-ten lediglich dazu dienen, zu überprüfen, ob unsere Interview- und Fragebogenmethoden in anderen Ländern und Kulturen anwendbar sind. Vergleichende Interpretationen der Mittelwertsunterschiede sind allerdings angreifbar, weil die Stichproben nicht vergleichbar sind. Interpretierbar sind dagegen eher die deutlichen Übereinstimmungen in der Struktur und Häufigkeit der verwendeten Merkmale, die sich trotz unterschiedlicher Länder und Stichproben-Zusammensetzungen zeigen. Dies kann als Be-leg für die von uns in den theoretischen Grundannahmen postulierten gemeinsamen Bewertungs-merkmale und Erfolgsfaktoren gelten. Nur vereinzelt finden sich überzufällige Unterschiede zwischen den Ländern (5% Irrtumswahrscheinlichkeit, T-Tests und parameterfreier Kruskal-Wallis-Tests).

5 Folgerungen und Forschungsperspektiven

5.1 Personenbezogene Bewertungen und Erfolgsfaktoren Nach unserer integrativen Theorie (siehe Kapitel 2 in diesem Buch) hatten wir erwartet, dass Prakti-ker/innen die Erfolge und Misserfolge organisationaler Veränderungen, an denen sie aktiv beteiligt waren, nicht ausschließlich und primär an wirtschaftlichen Kennwerten festmachen, sondern an den erlebbaren Folgen für die Mitarbeiter/innen und sie selbst. Außerdem hatten wir angenommen, dass sie als Ursachen für die erzielten Ergebnisse nach ihrem Erfahrungswissen auf das Verhalten und Merkmale der obersten Führungsebene und des Projektleiters oder andere Schlüsselpersonen/-gruppen, wie das Projektteam oder Unternehmensberater verweisen. Nicht personenbezogene Ursa-chen oder Erfolgsfaktoren werden nach unseren Erwartungen dagegen selten als wichtig und einfluss-reich wahrgenommen.

Die Ergebnisse unserer Untersuchung bestätigen diese Hypothesen sehr eindeutig. Wir finden sie methodenunabhängig, sowohl in der Fragebogen-, als auch der Interviewauswertung. Wir hätten nicht zu hoffen gewagt, dass sie sich in unseren sehr heterogenen Untergruppen so stabil zeigen würden,

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in allen acht Ländern, bei allen einbezogenen Personengruppen (Führungskräften, Projektleitern, Mit-arbeiter/innen, Betriebs- und Personalräten sowie Unternehmensberater/innen und auch in den Pro-jektklassen (Reorganisation, Total Quality Management und Personalentwicklung). Dies unterstreicht unsere theoretische Grundposition, dass weil bei organisationalen Veränderungen, angefangen von der Wahrnehmung der Notwendigkeit der Veränderung, über die Zielbildung und Planung, bis hin zur Auswahl der einzelnen Maßnahmen immer Menschen involviert sind und mit ihren besonderen Vorer-fahrungen, Stärken und Schwächen die Veränderungsprozesse und ihre Ergebnisse wesentlich prä-gen.

5.2 Zukünftige interkulturelle Vergleiche Es ist bietet sich an, die gefundenen Resultate durch systematischer ausgewählte und vergleichbar zusammengesetzte Quotenstichproben aus den einbezogenen und weiteren Ländern zu überprüfen. In unserer Studie und Auswertung haben wir uns zunächst darauf konzentriert, die Anwendbarkeit der Interview- und Fragebogeninstrumente in den einbezogenen Ländern zu überprüfen. Wir konnten zunächst nur die gefundenen gemeinsamen Vorhersagemodelle und Ähnlichkeiten der groben Mittel-werteprofile interpretieren, weil die Teilstichproben in den einzelnen Ländern klein und in ihrer Zu-sammensetzung nicht vergleichbar sind. Wir erwarten, dass mit unseren Fragebögen und in größeren Stichproben plausible kulturelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern nachgewiesen werden können.

Um spezifische kulturelle Besonderheiten erfassen zu können, empfiehlt sich eine qualitative Auswer-tung vergleichbarer Einzelfälle. Hoffmann (2002) zwei Veränderungsprojekte zur Personalentwicklung in England und Deutschland gegenübergestellt und theoretisch plausible Gemeinsamkeiten und Un-terschiede gefunden. So wird von den befragten Praktikerinnen in Deutschland der Projektorganisati-on ein deutlich größeres Gewicht zugewiesen, als in England. Sie interpretiert dies vor dem Hinter-grund der Theorie von Hofstede (1980) und der auch in anderen Studien empirisch gefunden Unter-schiede als Hinweis auf eine größere Unsicherheitsvermeidung in Deutschland, die durch gute Pro-jektorganisation erreicht werden soll.

5.3 Zur Bedeutung nicht-personaler Voraussetzungen Die gefundenen hypothesenkonformen Ergebnisse interpretieren wir keineswegs als Nachweis dafür, dass nicht-personale Voraussetzungen, Faktoren und Bewertungsmerkmale keine Bedeutung haben. Wie wir in unserer Theorie ausgeführt haben, sehen wir darin wichtige subjektive Bewertungen und Überzeugungen, von denen die Bewertungen, Handlungen der Beteiligten bei Veränderungen abhän-gen. Die allgemeine wirtschaftliche Situation, das vorhandene flüssige Kapital und andere Ressourcen sowie die Marktchancen und die Eignung der Methoden und Maßnahmen können nach unseren An-nahmen ebenfalls jeweils einzeln oder zusammen über Erfolg und Misserfolg entscheiden. In den Erfahrungen der Beteiligten bilden sich diese weniger augenfälligen und komplexen Wirkungen aber nicht so klar und konsistent ab.

5.4 Bedeutung der Führung und des Managements der Veränderungen In unseren methodischen Grundannahmen haben wir in Kapitel 1 (siehe Abschnitt 2.2.6) formuliert, dass unstandardisierte oder teilstandardisierte Befragungsmethoden, wie unser Interview besonders geeignet sind, das spezifische Veränderungswissen zu konkreten Veränderungen zu erfassen. Zur Erfassung und Beschreibung des verallgemeinerten Veränderungswissens können dagegen standar-disierte Fragebögen, wie unser Instrument herangezogen werden. Die Unterschiede, die wir in den Interviews im Vergleich zu den Fragebogenergebnissen gefundenen haben, lassen sich auf dieser Grundlage interpretieren. So erscheint es plausibeln, wenn die Bedeutung der obersten Führungs-ebene nur in den Vorhersagemodellen und Mittelwertsvergleichen der allgemeinen Fragebogenaus-wertung als stärkster Faktor aufscheint, aber in den spezifischeren und konkreteren Fragen der Inter-views nur einen relativ geringen zugeschriebenen Einfluss hat. Wichtiger sind nach den Interviews die Einflüsse der Projektleiter und der unteren Ebenen in der Organisation. Dies sehen wir nicht als wi-dersprüchliches Ergebnis, sondern als Hinweis dafür, dass die oberste Führungsebene nach dem Erfahrungswissen der befragten Praktiker/innen einen die Veränderungen fördernden oder erschwe-

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renden Einfluss hat. Die konkreten Pläne, Maßnahmen und Umsetzungen werden dagegen von den direkt involvierten Personen(gruppen) am Ort des praktischen Geschehens beeinflusst.

Diese theoretische und methodische Erklärung und unsere Ergebnisse führen zu einer Differenzierung der Annahmen von Burke (2002) und anderen über die Bedeutung der Führung bei Veränderungen (siehe Abschnitt 2.3.5). Burke (2002, S. 291) unterscheidet strikt zwischen Führung und Management. Führung bezieht er eher auf Veränderung und Management eher auf Stabilität und Routinehandlun-gen. In Zeiten großen organisationalen Wandels ist nach seiner Auffassung Führung für den Erfolg wesentlich wichtiger. Wie wir dargelegt haben, teilen wir diese Auffassung keineswegs (siehe Ab-schnitt 2.3.6). Projektleiter oder andere Personen, können mit Methoden und Konzepten, die auf Sta-bilität und Routine ausgerichtet sind, komplexe Veränderungen kaum erfolgreich managen. Verände-rungsmanagement ist nach unserer Erfahrung und Definition (siehe Kapitel 1) ein außerordentlich flexibler Prozess der kontinuierlichen Exploration, Analyse, Evaluation und Lösung vieler kleiner und manchmal großer, vorhersehbarer und unvorhersehbarer Probleme, an dem verschiedene Schlüssel-personen und -gruppen mit ihren Veränderungspotenzialen in unterschiedlichen Funktionen und Rol-len zusammenwirken.

5.5 Offene Evaluation des praktischen Nutzens Hypothesen zum praktischen Nutzen unserer Theorie für die Verbesserung und Optimierung des Er-folgs bei organisationalen Veränderungen haben wir in der Annahmengruppe 5 (Abschnitt 2.3.11) ausformuliert. Danach können wichtige Probleme und Misserfolgsrisiken oder Erfolgschancen ent-deckt werden, wenn die Schlüsselpersonen oder -gruppen ihre spezifischen subjektiven Verände-rungstheorien zu konkreten Veränderungen explizieren und systematisch reflektieren und sich dabei besonders auf die durch sie beeinflussbaren Faktoren konzentrieren. Unsere Interviewmethode kann dabei, wie erste weiterführende praktische Anwendungen zeigen (siehe Abschnitt 2.3.11) sehr nützlich sein, weil mit ihr sie sehr konkretes und spezifisches Veränderungswissen erfasst werden kann. Die wiedergegebenen Unterschiede zwischen Fragebogen- und Interviews passen zu dieser Hypothese. Es fehlen aber Untersuchungen zur Evaluation der Nützlichkeit der mit den Methoden entwickelten Interventionen, wie sie in Kapitel 2 gefordert und skizziert werden (siehe Abschnitt 2.4.3). Eine Mög-lichkeit wäre es, etwa in Change-Management-Seminaren zur Weiterbildung von Projektleitern oder Beratern (siehe dazu Kapitel 5 in diesem Buch) zu untersuchen, ob die Teilnehmer/innen mit oder ohne die beschriebenen Interventionen und spezifischen Methoden in der Analyse konkreter Fallbei-spielen mehr Probleme, Risiken und Erfolgschancen identifizieren und Problemlösungen generieren, die nach Einschätzung erfahrener Praktiker/innen nützlich sind, als durch Reflexion über allgemeine und unspezifische Erfolgsfaktoren.

Der empirischen Forschung wird es allerdings kaum jemals gelingen, alle Annahmen komplexer Theorien E-videnz umfassend und vollkommen zweifelsfrei abzusichern. Wie wir gezeigt haben, kann durch unsere Unter-suchungen die Anwendbarkeit unserer theoretischer Annahmen und Modelle sehr klar nachgewiesen werden. Aber es bleibt ungewiss, ob sich dies auch in unabhängigen Untersuchen zeigt. Die geschilderten Ergebnisse liefern wichtige weiterführende Hinweise und Fragen. Wir haben versucht aufzuzeigen, wie sie empirisch über-prüft werden können und laden Kolleg/innen zusammen mit Praktiker/innen dazu ein, hier weiter zu gehen.

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Anhang

Konfirmatorische Faktorenanalysen der im Modell verwendeten Skalen auf Itemebene (Andreas Stolberg) Zur Überprüfung der in vorausgegangen Faktorenanalysen ermittelten Skalen zur Erfassung der laten-ten Konstrukte, die im Basis-Model zur Vorhersage des Erfolgs der Veränderungen, eingesetzt wer-den sollen wurde eine konfirmatorische Faktorenanalyse (EQS, 5.7b Varianz-Kovarianzen, Maximum-Likelihood Schätzer; Raw Data, ML-Robust Schätzer) gerechnet. Um die Stichproben für die Fakto-renanalysen zu schonen wurden missing values durch die jeweiligen Mittelwerte ersetzt. Nebenladun-gen der Items und korrelierende Fehler wurden nicht zugelassen. Wie die Zusammenfassung der Goodness of Fit-Werte in beiden Stichproben zeigt, ist die Anpassung des faktoriellen Modells akzep-tabel: Stichprobe 1 (S1): Chi-Quadrat = 460.00; df= 203; p < .01; CFI = .91; RMSEA = .08; SRMR=.06; Stichprobe 2 (S2): Chi-Quadrat = 477.73; df= 203; p < .01; CFI = .90; RMSEA = .08;SRMR=.06

Faktorladungen und Kommunalitäten: Variablen Faktor 1 Faktor 2 Faktor 3 Faktor 4 R² S1 S2 S1 S2 S1 S2 S1 S2 S1 S2 Führung und Einbeziehung der MitarbeiterInnen

EFCG5 =V1 .70 .76 .49 .58 EFCG6 =V2 .81 .84 .65 .71 EFCG7 =V3 .74 .68 .55 .46 EFCG8 =V4 .81 .77 .66 .59 EFCG14 =V5 .75 .62 .57 .39 EFB24 =V6 .57 .65 .33 .42 Projektleitung u. -management EFCP2 =V7 .79 .69 .62 .48 EFCP3 =V8 .80 .70 .64 .49 EFCP4 =V9 .84 .85 .70 .72 EFCP15 =V10 .75 .68 .56 .46 EFCP17 =V11 .83 .82 .69 .66 EFCP19 =V12 .81 .81 .65 .66 Viele Verbesserungen (Bewer-tung der Veränderungen)

BM12 =V13 .68 .67 .46 .45 BM17 =V14 .83 .87 .69 .76 BM18 =V15 .86 .87 .73 .75 BM46 =V16 .72 .82 .51 .67 BM20 =V17 .73 .76 .53 .57 BM27 =V18 .76 .73 .58 .53 BM28 =V19 .81 .74 .66 .55 BM47 =V20 .67 .71 .46 .50 Erfolg ZRATERF =V21 .91 .82 .83 .68 ZPROZ =V22 .77 .88 .59 .77

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Faktor-Interkorrelationen S1: Faktor 1 Faktor 2 Faktor 3 Faktor 2 .60 Faktor 3 .67 .63 Faktor 4 .55 .58 .80

Faktor-Interkorrelationen- S2: Faktor 1 Faktor 2 Faktor3 Faktor 2 .64 Faktor 3 .65 .57 Faktor 4 .59 .67 .81

Simultane Schätzung der spezifizierten Messmodelle (Andreas Stolberg) Wie zuvor berichtet haben wir für die Modellschätzungen auf die Methode des parceling zurück gegrif-fen (vgl. Bagozzi & Edwards, 1998). Zur Prüfung der faktoriellen Struktur der gebildeten Indikatoren werden wiederum konfirmatorische Faktorenanalysen eingesetzt. Nebenladungen der Items und kor-relierende Fehler wurden nicht zugelassen. Der Modell-Fit für die so spezifizierten Messmodelle fällt für beide Stichproben (S1,S2) gut aus: Stichprobe 1 (S1): Chi-Quadrat = 15.25; df= 14; p = .36; CFI = 1.00; RMSEA = .02; SRMR=.02 Stichprobe 2 (S2): Chi-Quadrat = 27.14; df= 14; p = .02; CFI = .99; RMSEA = .08; SRMR=.03

Faktorladungen und Kommunalitäten: Variablen Faktor 1 Faktor 2 Faktor 3 Faktor 4 R² S1 S2 S1 S2 S1 S2 S1 S2 S1 S2 Führung und Einbeziehung der MitarbeiterInnen

Führ-Ind1 = V1 .88 .89 .78 .80 Führ-Ind2 = V2 .93 .87 .86 .76 Projektleitung – management Pl-Ind1 = V3 .85 .89 .72 .79 Pl-Ind2 = V4 .98 .91 .97 .83 Bewertung der Veränderungen Impr-Ind1 = V5 .90 .92 .82 .84 Impr-Ind2 = V6 .92 .89 .85 .80 Erfolg ZRATERF = V7 .94 .88 .88 .77 ZPROZ = V8 .79 .85 .63 .73

Faktor-Interkorrelationen S1:

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Faktor 1 Faktor 2 Faktor 3 Faktor 2 .56 Faktor 3 .68 .65 Faktor 4 .54 .55 .82

Faktor-Interkorrelationen- S2:

Faktor 1 Faktor 2 Faktor3 Faktor 2 .66 Faktor 3 .69 .59 Faktor 4 .62 .64 .89

Ergebnisse der Multi-Sample-Analyse (Andreas Stolberg) Im Sinne einer Kreuzvalidierung wurde das Modell für die beiden unabhängigen Substichproben über-prüft. Hierzu wurde in einem Multi-Sample-Vergleich eine aufsteigende Testprozedur eingesetzt (Ba-gozzi, 1983; Byrne et all, 1989; Ullman, 2001). Die nachstehende Tabelle gibt die Ergebnisse für Vergleiche von Modellen mit zunehmend restringier-ten Annahmen wieder. Im ersten Schritt wurde ein Modell geschätzt, das für beide Substichproben lediglich die gleiche Mo-dellstruktur und ansonsten frei variierende Modellparameter annimmt. In den folgenden Schritten wur-de die Annahme frei variierende Modellparameter zunehmend zu Gunsten invarianter Modellparame-ter aufgegeben. Das abschließend berechnete Modell geht von der Annahme vollständig gleicher Modellparameter aus. Die Analysen zeigen, dass das Modell für beide Stichproben angenommen werden kann. Mit einem χ2 von 66.17 bei 52 Freiheitsgraden kann die Nullhypothese, bei der Invarianz der Mess- und Struktur-komponenten der Modelle für beide Stichproben angenommen werden (p = .09). Es darf demnach von invarianter Modellstruktur, Faktorladungen (Indikatorenladungen) und Fehlertermen ausgegangen werden.

Modelle Χ2 df CFI Delta Χ2 (df; p) Gleiche Modellstruktur 49.57 32 .99 (p = .03) Faktorladungen inv. (λx,λy) 54.22 36 .99 4.65 ; (df= 4; p >.05) Faktorvarianzen u. –Kovarianzen (φ) inv. 57.69 39 .99 3.47; (df= 3; p > .05) Regressionskoeffizienten Inv. (β, γ,) 59.92 42 .99 2.23 ; (df= 3; p > .05) Varianzen der Faktorresiduen inv. (ζ) 62.22 44 .99 2.30 ; (df= 2; p > .05) Varianzen der Indikatorresiduen inv. (δ,ε) 66.17 52 .99 3.95 ; (df= 8; p > .05)

Detail Ergebnisse für das für das Modell mit Annahme gleicher Modellparameter werden im Folgen-den berichtet. Fit Statistik der Modellanpassung

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CHI-SQUARE = 66.173 BASED ON 52 DEGREES OF FREEDOM PROBABILITY VALUE FOR THE CHI-SQUARE STATISTIC IS 0.09 CFI = .99; SRMR = .05; RMSEA = .03

CONSTRAINTS FROM GROUP 2 UNIVARIATE TEST STATISTICS CONSTRAINT CONSTRAINTS TO BE RE-

LEASED ARE CHI-SQUARE PROBABILITY

CONSTR: 1 (1,V2,F1)-(2,V2,F1)=0; 0.346 0.557 CONSTR: 2 (1,V4,F2)-(2,V4,F2)=0; 0.280 0.597 CONSTR: 3 (1,V6,F3)-(2,V6,F3)=0; 1.440 0.230 CONSTR: 4 (1,V8,F4)-(2,V8,F4)=0; 0.488 0.485 CONSTR: 5 (1,F1,F1)-(2,F1,F1)=0; 1.895 0.169 CONSTR: 6 (1,F2,F2)-(2,F2,F2)=0; 0.681 0.409 CONSTR: 7 (1,F2,F1)-(2,F2,F1)=0; 1.501 0.221 CONSTR: 8 (1,F3,F1)-(2,F3,F1)=0; 0.208 0.648 CONSTR: 9 (1,F3,F2)-(2,F3,F2)=0; 1.869 0.172 CONSTR: 10 (1,F4,F3)-(2,F4,F3)=0; 0.225 0.635 CONSTR: 11 (1,E1,E1)-(2,E1,E1)=0; 0.022 0.883 CONSTR: 12 (1,E2,E2)-(2,E2,E2)=0; 0.445 0.505 CONSTR: 13 (1,E3,E3)-(2,E3,E3)=0; 0.011 0.915 CONSTR: 14 (1,E4,E4)-(2,E4,E4)=0; 1.929 0.165 CONSTR: 15 (1,E5,E5)-(2,E5,E5)=0; 0.088 0.766 CONSTR: 16 (1,E6,E6)-(2,E6,E6)=0; 0.012 0.912 CONSTR: 17 (1,E7,E7)-(2,E7,E7)=0; 0.289 0.591 CONSTR: 18 (1,E8,E8)-(2,E8,E8)=0; 0.783 0.376 CONSTR: 19 (1,D3,D3)-(2,D3,D3)=0; 0.042 0.838 CONSTR: 20 (1,D4,D4)-(2,D4,D4)=0; 2.561 0.110 CUMULATIVE MULTIVARIATE STATISTICS UNIVARIATE INCREMENT STEP PARAMETER CHI-

SQUARE D.F. PROBABILITY CHI-

SQUARE ROBABILITY

1 CONSTR:20 2.561 1 0.110 2.561 0.110 2 CONSTR:14 4.495 2 0.106 1.934 0.164 3 CONSTR:5 6.727 3 0.081 2.232 0.135 4 CONSTR:3 8.311 4 0.081 1.584 0.208 5 CONSTR:4 9.310 5 0.097 0.999 0.318 6 CONSTR:9 10.329 6 0.111 1.019 0.313 7 CONSTR:18 11.253 7 0.128 0.925 0.336 8 CONSTR:17 12.251 8 0.140 0.998 0.318 9 CONSTR:12 13.051 9 0.160 0.800 0.371 10 CONSTR:8 13.746 10 0.185 0.695 0.404 11 CONSTR:6 14.294 11 0.217 0.548 0.459 12 CONSTR:13 14.915 12 0.246 0.621 0.431 13 CONSTR:2 15.368 13 0.285 0.453 0.501 14 CONSTR:1 15.659 14 0.335 0.291 0.589 15 CONSTR:7 16.036 15 0.380 0.377 0.539 16 CONSTR:11 16.413 16 0.425 0.377 0.539 17 CONSTR:16 16.571 17 0.484 0.158 0.691 18 CONSTR:15 16.783 18 0.538 0.212 0.645 19 CONSTR:19 16.951 19 0.593 0.168 0.682 20 CONSTR:10 16.970 20 0.655 0.019 0.890

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Kreuzvalidierung der Regelbasierten Vorhersagen Die nach der ersten Stichprobe ermittelten Trennwerte wurde als Modell in der Validierungsstichprobe (N=99 vollständige Datensätze) eingesetzt. Die folgenden Tabellen zeigen die Ergebnisse bei der Vorhersage der vier Untergruppen zur Zielerreichung. Zunächst werden die absoluten Zahlen, danach die absoluten Prozentsätze (Anzahl im Verhältnis zur Gesamtstichprobe) und die relativen Prozent-sätze (Anzahl in Relation zur Anzahl in den jeweiligen Zeilen). Die Abbildung am Schluss gibt die Ab-weichungen von den idealen Werten in grafischer Form wieder. Absolute Zahlen in der Validierungsstichprobe 2 Zielerrei-chungsgra-de nach Modell Daten Niedrig Mittel Hoch Sehr hoch

Niedrig 9 6 2 17 Mittel 4 5 3 8 20 Hoch 3 6 7 12 28 Sehr hoch 5 6 23 34 16 22 18 43 99

Absolute Prozente in der Validierungsstichprobe 2 Zielerrei-chungsgra-de nach Modell Daten Daten Niedrig Mittel Hoch Sehr hoch

Niedrig Schlecht 9,09% 6,06% 2,02% 0,00% 17,17%Mittel Mittel 4,04% 5,05% 3,03% 8,08% 20,20%Hoch Gut 3,03% 6,06% 7,07% 12,12% 28,28%Sehr hoch Sehr gut 0,00% 5,05% 6,06% 23,23% 34,34% 16,16% 22,22% 18,18% 43,43% 100,00%

Relative Prozente in der Validierungsstichprobe 2 Zielerrei-chungsgra-de nach Modell Daten Daten Niedrig Mittel Hoch Sehr hoch

Niedrig Schlecht 52,94% 35,29% 11,76% 0,00% 100,00%Mittel Mittel 20,00% 25,00% 15,00% 40,00% 100,00%Hoch Gut 10,71% 21,43% 25,00% 42,86% 100,00%Sehr hoch Sehr gut 0,00% 14,71% 17,65% 67,65% 100,00%

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Verteilung der Zielerreichungsprozente in den vorhergesagten Katego-

rien (Validierungsstichprobe 2)

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