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1 Trägerbudget und Sozialraum Fachtagung zur Weiterentwicklung der ambulanten Sozialpsychiatrie am 21. März 2014 in der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie Hamburg Tagungsdokumentation Hamburg 2014

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Trägerbudget und Sozialraum Fachtagung zur Weiterentwicklung der

ambulanten Sozialpsychiatrie

am 21. März 2014 in der

Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie

Hamburg

Tagungsdokumentation

Hamburg 2014

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Inhalt

Prof. Dr. Matthias Nauerth

Begrüßung des Prorektors der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit &

Diakonie Hamburg .......................................................................................................................... 3

Anneke Wiese

Begrüßung der Mitorganisatorin und Dozentin der Evangelischen Hochschule

für Soziale Arbeit & Diakonie Hamburg ................................................................................ 5

Staatsrat Jan Pörksen

Die Sicht der Politik ........................................................................................................................ 7

Wolfgang Bayer

Die Sicht der Leistungserbringer_innen ............................................................................... 9

Axel Georg-Wiese

Vorstellung des Konzepts zur Umsteuerung der ambulanten Sozialpsychiatrie ............................................................................................................................................................... 11

Wolfgang Budde

Das Konzept unter dem Blickwinkel der sozialräumlichen Orientierung ............. 27

Prof. Dr. Ingmar Steinhart

Das Konzept unter dem Blickwinkel von Ausgrenzungs- und

Einschließungswirkungen ......................................................................................................... 32

Andrea Deuschle

Das Konzept unter dem Blickwinkel einer Personenzentrierung ............................ 33

Lothar Flemming

Das Konzept unter dem Blickwinkel seiner Finanzierungssystematik .................. 36

Dr. Reza F. Shafaei

Das Konzept unter dem Blickwinkel der Rechtsstellung der

Leistungsempfänger_innen ...................................................................................................... 40

Arbeitsgruppen zu den referierten Aspekten .................................................................... 41

AG I Sozialräumliche Orientierung .................................................................................. 41

AG II Ausgrenzungs- und Einschließungswirkungen ............................................... 42

AG III Personenzentrierung .................................................................................................. 44

AG IV Finanzierungssystematik ......................................................................................... 44

AG V Rechtsstellung der Leistungsempfänger_innen ............................................. 46

Burkhard Plemper

Moderation ....................................................................................................................................... 47

Vita der Referent_innen ............................................................................................................. 48

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Begrüßung des Prorektors der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie Hamburg

Prof. Dr. Matthias Nauerth

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Kommilito-

ninnen und Kommilitonen,

ich begrüße Sie zu dieser Fachtagung hier im Wichern-Saal auf dem Gelände des Rauhen

Hauses.

Mein Name ist Matthias Nauerth. Ich lehre und forsche an der Evangelischen Hochschule für

Soziale Arbeit und Diakonie des Rauhen Hauses und stehe vor Ihnen in einer doppelten

Funktion. Ich begrüße Sie als Prorektor der Evangelischen Hochschule, somit als Mitglied

der Leitung der Institution, bei der Sie zu Gast sind. Zudem begrüße ich Sie, zusammen mit

meiner Kollegin Anneke Wiese, die hier neben mir steht, als Mitglied der Arbeitsgruppe, die

diese Fachtagung geplant und vorbereitet hat.

Denn – sie haben es gelesen – diese Fachtagung ist das (durchaus ungewöhnliche) Produkt

der Zusammenarbeit von drei Institutionen: Es sind Axel Georg-Wiese von der Behörde für

Arbeit, Soziales, Familie und Integration, Wolfgang Bayer vom Stiftungsbereich Sozialpsy-

chiatrie des Rauhen Hauses sowie meine Kollegin Anneke Wiese und ich von der Evangeli-

schen Hochschule, die diese Fachtagung erdacht und geplant haben und ihre Durchführung

heute und hier verantworten.

Die große Resonanz auf den Fachtag hat uns sehr überrascht. Ursprünglich für 150 Perso-

nen gedacht, haben wir dann 200 Personen die Teilnahme ermöglicht, wohl wissend, dass

wir damit den räumlichen Rahmen erheblich ausreizen. Wir hätten tatsächlich auch einen

CCH-Saal füllen können und mussten vielen Menschen absagen. Das ist bedauerlich. Aber

schön ist es, dass sie da sind. Daher sagen ich stellvertretend für die Vorbereitungsgruppe:

herzlich Willkommen.

Zur Geschichte der Zusammenarbeit dieser Vorbereitungsgruppe ließen sich jetzt nette klei-

ne Geschichten erzählen, aber das passt hier nicht hin. Die Kurzfassung geht so:

Axel Georg-Wiese von der BASFI ist der Initiator jener Umsteuerungen, die wir mit dieser

Fachtagung heute thematisieren. Er verantwortet das neue Rahmenkonzept, um das es heu-

te im Kern gehen soll.

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Wolfgang Bayer vom Stiftungsbereich Sozialpsychiatrie des Rauhen Hauses sowie Anneke

Wiese und ich von der Evangelischen Hochschule hatten unseren jeweils eigenen Blick auf

diese geplanten Veränderungen, unsere Anmerkungen und auch spezifischen Fragen, die

wir mit Axel Georg-Wiese in verschiedenen Zusammenhängen auch diskutierten. Und dann

entstand die Idee, dass es doch gut und interessant wäre, diese Diskussion vielleicht mal

öffentlich zu führen, um in einem Fachdiskurs das auf den Prüfstand zu stellen, was von Be-

hördenseite geplant worden ist und jetzt seit Januar 2014 umgesetzt wird.

Und das wollen wir heute tun. Diese Fachtagung soll zu einem Diskursraum werden, zu einer

Fachwerkstatt, innerhalb der wir alle zusammen die Güte des Rahmenkonzeptes miteinan-

der überprüfen wollen. Das heißt, unsere Arbeit in dieser Werkstatt zielt darauf, die Chancen

und Risiken der geplanten Veränderungen zu identifizieren um hieraus Konsequenzen zie-

hen zu können für die Verantwortungsbereiche, innerhalb deren wir alle jeweils stehen. Das

gilt auch für die BASFI selbst. Axel Georg-Wiese legt uns sein Rahmenkonzept zur Überprü-

fung vor, weil die prozesshaft angelegte Umsteuerung auf Fachexpertise angewiesen ist.

Als Hochschule meinen wir, in dieser Situation genau dies zur Hamburger Debatte beisteu-

ern zu können: Die Schaffung eines Diskursraumes, der die Beteiligten zusammenführt, da-

mit sie die Verständigung über das voranbringen, was zum Teil unklar und auch strittig ist

und was alle angeht. Der Dialog als Form der Hervorbringung von Erkenntnisgewinn.

Um dies zu bewerkstelligen, werden wir als Veranstaltende - Gott sei Dank - nicht alleine

arbeiten müssen, sondern durch verschiedene Personen unterstützt, über deren Beteiligung

wir uns sehr freuen.

Ich begrüße zunächst Herrn Staatsrat Pörksen, der gleich zu Beginn einen Impuls zur

sozialräumlichen Entwicklung setzen wird.

Wir haben sodann 4 Referenten und eine Referentin gewinnen können, die diesen Arbeits-

prozess auf ihre Weise unterstützen, sowie einen Moderator, der unser aller Wirken in ge-

ordnete Bahnen lenkt und zu sicherbaren Ergebnissen führen wird.

Ich begrüße daher sehr herzlich, auch im Namen der Vorbereitungsgruppe

Andrea Deuschle, Unternehmensberaterin aus Ulm

Wolfgang Budde von der Hochschule Coburg.

Ingmar Steinhardt von der Universität Greifswald.

Lothar Flemming vom Landschaftsverband Rheinland.

Reza F. Shafaei von der Hochschule Neubrandenburg

Und ich begrüße sehr herzlich Burkhard Plemper, Soziologe, Journalist und erfahre-

ner Moderator von solchen Konferenzen, der uns durch diesen Tag leiten wird.

Bevor wir ihm das Zepter für die Gestaltung dieses Tages übergeben, wird ihnen nun meine

Kollegin Anneke Wiese noch einen Überblick über unser heutiges Programm verschaffen, so

dass ihnen klarer wird, was sie im Laufe des Tages erwartet.

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Begrüßung der Mitorganisatorin und Dozentin der Evange-lischen Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie

Anneke Wiese

Auch von meiner Seite herzlich Willkommen. Mein Name ist – sie haben es eben schon ge-

hört - Anneke Wiese. Ich bin Dozentin an der Evangelischen Hochschule Hamburg und Mit-

glied der Vorbereitungsgruppe für diesen Fachtag. Ich möchte Ihnen ein paar Infos zum

Konzept dieses Fachtages geben, damit Sie sich ein Bild machen können, was sie heute

erwartet.

Das Besondere an dieser Tagung ist zum einen die Zusammensetzung des Planungsteams,

- wie es Herr Nauerth eben schon erläuterte, - zum anderen die heutige Ausgestaltung. Wir

möchten das vorliegende Rahmenkonzept in all seinen Bestandteilen und Facetten anhand

von fünf zentralen Aspekten mit Ihnen fachlich und fachwissenschaftlich diskutieren und ana-

lysieren, - dies allerdings ohne Reproduktion der spezifischen hamburgischen Interessen-

konflikte der unterschiedlichen Anspruchsgruppen in diesem Feld. Aus diesem Grunde ha-

ben wir uns dafür entschieden, diese zentralen Aspekte des Konzepts von Expertinnen und

Experten aus anderen Bundesländern analysieren zu lassen, um diese – auch regional be-

dingten - Interessenkonflikte weitgehend vermeiden zu können.

Nach kurzen Impulsreferaten am Vormittag wird es heute Nachmittag Zeit und Raum für Dis-

kussion und Vertiefung aller brennenden Fragen in Arbeitsgruppen geben. Sie haben sich

mit Ihrer Tagungsanmeldung für eine Arbeitsgruppe entschieden, die Sie besonders interes-

siert. Diejenigen, die keine Wunscharbeitsgruppe angegeben haben, wurden von uns zuge-

ordnet.

Auf diese Art erhoffen wir uns einen fachlichen Diskurs, der die unterschiedlichen Sichtwei-

sen auf den jeweiligen Themenkomplex herausstellt, um diese zum Ausgangspunkt für wei-

tere Entwicklungen zu machen.

Diese Tagung ist Teil des aktuellen Diskurses zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe

für Menschen mit Behinderungen. Beginnend mit der Psychiatrie Enquete von 1975 und dem

Start der Ambulantisierung in den 90er Jahren hat dieser mit der Aufnahme des Themas auf

die Agenda der Arbeits- und Sozialminister_innenkonferenz (ASMK) seit 2007 noch mal

neue Fahrt aufgenommen.

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Der Reformgedanke einer fachlich-inhaltlichen Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für

Menschen mit Behinderungen entstand aus verschiedenen Beweggründen. Zum einen hat

sich ein gesellschaftlicher und sozialstaatlicher Paradigmenwechsel hin zu einer gleichbe-

rechtigten und selbstbestimmten Teilhabe aller Menschen vollzogen, sei es nun mit oder

ohne Behinderung: Das Stichwort lautet Inklusion, - der Leitgedanke der 2009 ratifizierten

UN-Behindertenrechtskonvention. Hier möchte ich die Personenzentrierung und die stärkere

sozialräumliche Gewichtung der Leistungsangebote als Leitlinien für die Eingliederungshilfe

hervorheben.

Parallel zu diesem Paradigmenwechsel lassen sich zum anderen demografische und sozial-

staatlich-monetäre Veränderungen beobachten, die eine Reform notwendig machen. Die

Zunahme der Nachfrage nach Leistungen der Eingliederungshilfe hat einerseits fachliche

Konsequenzen, da auf veränderte Bedarfslagen reagiert werden muss und zum anderen

finanzielle Konsequenzen, weil diese sozialstaatlichen Leistungen auch künftig bedarfsge-

recht finanziert werden müssen. Denn darauf hat der Mensch mit geistigen oder seelischen

Behinderung einen Rechtsanspruch.

Die fachliche Herausforderung auf operationaler Ebene lautet daher, ein System zu entwi-

ckeln, dass ausgehend von den Bedarfen der Menschen mit einem Eingliederungshilfebe-

darf, Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht, deren Selbststimmungsrecht stärkt

und durch den Sozialstaat finanzierbar ist. Klingt wie die Quadratur des Kreises…

Nötig ist dafür, bestehende Konzepte zu hinterfragen und die Entwicklung neuer Konzepte

angemessen aufmerksam und kritisch zu begleiten. Das wollen wir heute gemeinsam ma-

chen.

Entlang dieser hier kurz umrissenen Aspekte, die den Diskurs um die Weiterentwicklung der

Eingliederungshilfe maßgeblich beeinflussen, also

die sozialräumliche Orientierung

die Ausgrenzungs- und Einschließungswirkungen

die Personenzentrierung,

die Finanzierungssystematik

und

die Rechtsstellung der Leistungsempfänger_innen

wollen wir heute mit Ihnen am Beispiel des vorliegenden Rahmenkonzepts der ambulanten

Sozialpsychiatrie in Hamburg diskutieren.

Bevor wir nun starten, möchte ich im Namen der Vorbereitungsgruppe noch denjenigen dan-

ken, die im Hintergrund agieren und ohne die diese Tagung nicht hätte stattfinden können. In

der Vorbereitung und der heutigen Durchführung wurden und werden wir tatkräftig unter-

stützt: Den Kolleginnen in den Verwaltungen von Hochschule und Stiftungsbereich sowie

den studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken wir herzlich. Ganz besonderer

Dank gilt Rosemarie Milbradt, die in den letzten Wochen intensiv mit der Tagungsorganisati-

on befasst war.

So, nun aber genug der einleitenden Worte. Nochmals im Namen der Vorbereitungsgruppe:

herzlich Willkommen! Ich wünsche uns allen einen spannenden und erkenntnisreichen Tag.

Und damit übergebe ich jetzt die weitere Gestaltung an Burkhard Plemper.

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Die Sicht der Politik

Staatsrat Jan Pörksen

Die Tagung „Weiterentwicklung der ambulanten Sozialpsychiatrie“ markiert ein Ende und

einen Anfang: Das Ende eines seit gut zwei Jahren laufenden Vorbereitungsprozesses und

den Anfang der konkreten Umsetzung. Es ist insofern ein guter Zeitpunkt um das gemein-

sam entwickelte Konzept sowohl mit Experten von außen als auch mit denjenigen zu disku-

tieren, die es in der Praxis mit Leben füllen. Vielen Dank daher allen, die diese Tagung vor-

bereitet haben, vor allem aber vielen Dank an alle diejenigen, die an der Erarbeitung des

Konzeptes in der Behörde oder im Fachamt, bei Trägern oder in den Verbänden mitgewirkt

haben. Von den ersten Ideen bis zur Umsetzung war es ein längerer Weg – mitunter eine

„Echternach’sche Springprozession“ mit zwei Schritten nach vorn und dann wieder einem

zurück. Nun sind die Vereinbarungen unter Dach und Fach und es kann – bzw. geht schon

los.

Die Reform der Sozialpsychiatrie reiht sich ein in andere Reformvorhaben der Behörde für

Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Teilhabe für alle, unabhängig von der sozialen oder

kulturellen Herkunft, unabhängig auch von Behinderung – das ist eines unserer wesentlichen

Ziele. So viel Normalität wie möglich und so wenig Sondersysteme wie nötig – das ist unser

Leitsatz. In diesem Sinn ist Inklusion unser Ziel nicht nur bei der Umsetzung der UN-

Behindertenkonvention, sondern auch in der Arbeitsmarktpolitik, der Integrationspolitik oder

in der Jugendhilfe. Im Bereich der Jugendhilfe haben wir die stärkere Sozialraumorientierung

bereits seit einigen Jahren entwickelt, mit dem Ziel Hilfen aus einer Hand, niedrigschwellig

und säulenübergreifend anzubieten. Als wir vor gut zwei Jahren darüber sprachen, wohin es

mit der Sozialpsychiatrie in Zukunft gehen soll, wie wir mehr Teilhabe realisieren können und

wie wir bedarfsgerechtere und differenziertere Angebote schaffen können, statt vorrangig

über die Zahl der Fachleistungsstunden der PPM zu steuern – da haben wir uns die Sozial-

raumprojekte in der Jugendhilfe als Vorbild genommen. So entstand die Zielsetzung, „ange-

dockt“ an die bestehenden psychosozialen Kontaktstellen und Bewo-Treffpunkte eine stärke-

re Zusammenarbeit mit dem Sozialraum zu erreichen und ein flexibleres Hilfesystem aufzu-

bauen, das ein niedrigschwelliges Basisangebot bietet, aber auch die Möglichkeit gibt, in

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Krisensituationen oder bei Bedarf intensivere Hilfen anzubieten. Gleichzeitig sollte für die

Träger und für die Behörde Planungssicherheit geschaffen werden. Wie das im Einzelnen

funktionieren soll und wird – soll an anderer Stelle der Tagung vorgestellt und sodann in den

Gruppen diskutiert werden. Eines ist mir dabei besonders wichtig und das habe ich auch

gerade noch einmal mit dem Angehörigenverband besprochen: Wir werden ganz genau da-

rauf achten, dass die Hilfebedarfe, insbesondere derer, die sie besonders nötig haben, auch

tatsächlich erfüllt werden. Das ist eine besondere Verantwortung, zu der sich Träger und

Behörde verpflichtet haben und die durch das Begleitmanagement, bei dem auch die Ange-

hörigen und Betroffenen beteiligt sind, sorgsam beobachtet werden soll.

Wichtig ist mir darüber hinaus, dass deutlich wird, welche sonstigen Veränderungen mit die-

ser Reform verbunden sind: Wir haben das Fachamt Eingliederungshilfe im Bezirksamt

Wandsbek personell verstärkt. Wir zentralisieren dort auch die ärztliche Begutachtung, um

eine bessere Verzahnung zwischen Begutachtung und Bewilligung zu ermöglichen und die

Fachärzte vor Ort beteiligen zu können. Denn eine zielgenaue Hilfeplanung ist entscheidend

dafür, dass wir es in Zukunft noch besser schaffen, bedarfsgenaue Hilfen zu bewilligen.

Maßstab ist dabei nicht mehr die Zeit der Hilfegewährung – denn auch die sagt über Qualität

und Ziel wenig bis nichts aus, sondern die Frage, was mit der Hilfe erreicht werden, was sich

Leistungsberechtigter und Leistungserbringer gemeinsam vornehmen und wozu bzw. wobei

die Hilfe erfolgen soll. Darum geht es – und das wird am Ende darüber entscheiden, ob diese

Reform erfolgreich sein wird oder nicht.

Allen, die an dieser Tagung mitwirken – und wir hatten mehr Anmeldungen als wir annehmen

konnten – danke ich schon jetzt für Ihr Interesse und Ihr Engagement und ihren Beitrag da-

zu, diese Weiterentwicklung der Sozialpsychiatrie gemeinsam voranzutreiben und wünsche

uns gemeinsam viel Erfolg.

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Die Sicht der Leistungserbringer_innen

Wolfgang Bayer

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Mitorganisator auch von meiner Seite noch ein herzliches Willkommen, hier im Rauhen

Haus. 200 Teilnehmende und die darüber hinaus sehr große Resonanz auf unsere Aus-

schreibung bestätigt mich in der Richtigkeit unserer Idee, die aktuellen Entwicklungen in der

Sozialpsychiatrie Hamburg in dieser Form zu diskutieren. Es wird heute nicht um die Erklä-

rung von Detailfragen gehen, es geht auch nicht um den Nachweis, „dass das alles so gar

nicht geht“ sondern, wir wollen mit Ihnen und den eingeladenen Expert_innen diskutieren, in

wie weit dieses Konzept einer trägerbudget-finanzierten Organisation der ambulanten psy-

chiatrischen Hilfen den formulierten fachlichen Anforderungen genügt.

In wie weit Sozialraumorientierung, Stärkung von Inklusion, Nutzerbeteiligung und eine güns-

tige Finanzierung berücksichtigt und verbessert werden. Ich halte es für mutig und unseren

Respekt fordernd, dass die Kollegen der Hamburger Sozialbehörde sich dieser Bewertung

ihres favorisierten Modells von außen stellen.

Ein paar grundsätzliche Anmerkungen vorneweg:

Einzelfallfinanzierung war eine der Entwicklungen die die Auflösung von Institutions- und

Anstaltsstrukturen, Entwicklung individueller Hilfen enorm beförderte. Sie ist an sich kei-

ne Fehlentwicklung.

Alle bisherigen Arbeitsstrukturen wurden gemeinsam von Leistungsträgern und Leis-

tungsanbietern entwickelt und deren Auswirkungen sind daher auch von allen zu verant-

worten.

Alle Modelle der Finanzierung und der Organisation bieten Anreize zur Entwicklung und

auch Fehlanreize. Es gibt kein Modell, das dieses per se ausschließen kann.

Für Leistungsanbieter sind Budgets aus verschiedenen Gründen attraktiv und bieten fachli-

chen Weiterentwicklungen gute Chancen. Daher wurden und werden sie von einer Vielzahl

angesehener Träger von Beginn der Debatten an auch unterstützt und mitentwickelt. Bud-

gets bieten in besonderer Weise ökonomische Sicherheit, Planungssicherheit für Personal

und Strukturen sowie Stabilität der Entwicklung. Sie bieten einer Sozialbehörde ebenso Pla-

nungssicherheit und damit auch Finanzierungssicherheit.

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Aber, als Leistungsanbieter sind wir darüber hinaus auch der Sicherung der Qualität, Siche-

rung erreichter Professionalität verpflichtet, zu der auch die Umsetzung UN-BRK und die

Mitgestaltung der Klient_innen zählt. Wir versprechen uns darüber hinaus von Budgets den

Abbau von überzogener Bürokratie und eine gesicherte Qualität der Hilfe bei Erhalt der Per-

sonenbezogenheit.

Die Abkehr von der strikten Einzelfallfinanzierung schafft innerhalb der Strukturen eine grö-

ßere Variabilität, Unterstützung kann und soll dort erbracht werden, wo sie benötigt wird. Die

gewissen Absurditäten von Fachleistungsstunden könnten damit überwunden werden. Auch

stellt dies Budget uns als Träger vor die Anforderung, stärker als bisher Kriterien der Qualität

zu entwickeln, mit den Mitarbeitenden und den Klient_innen fachlich zu entwickeln, wie wir

schwankenden Unterstützungsbedarfen gerecht werden können, ohne dass dies in Beliebig-

keit oder Hilfe nach Kassenlage abgleitet.

Aber die Leistungsanbieter sehen auch Risiken: pauschale Finanzierungssysteme bergen

das Risiko Menschen mit komplexen/schwierigen Hilfebedarfen hinaus zu drängen, sie kön-

nen falsche De-professionalisierung fördern und Rechtsansprüche der Klienten schwächen.

Es sind eher solche un-heimlichen Mechanismen wie Einzelfallhilfe nach Kassenlage,

Schwächung der Klient_innenposition und „nebulöse“ unklare fachliche Positionierung der

Leistungsanbieter (weil Pauschalbudgets es in gewisser Weise an Transparenz fehlen las-

sen). Schließlich erscheint mir auch offen, wie kommunale SozialraumSteuerung praktiziert

und weiterhin verfolgt wird, wenn denn die Verantwortung – nun auch im Sozialbereich –

weitgehend auf Anbieter von Dienstleistungen verlagert wird. Die Gefahr einer noch stärke-

ren Ökonomisierung sozialer Arbeit sollten wir bewusst wahrnehmen und ihr unsere Fach-

lichkeit und unsere Grundsätze entgegenhalten.

Ich bin gespannt, was die von uns eingeladenen Expert_innen zu diesen Punkten sagen

werden und welche Kritiken und möglicherweise auch Änderungsbedarfe sie sehen. Für die

Hamburger Sozialpsychiatrie stellen sich erst danach die entscheidenden Herausforderun-

gen: von uns als Leistungsanbieter erwarte ich, das eine positive Beurteilung zu einer kon-

struktiven und engagierten Mitgestaltung der Umsetzung führt und von der BASFI ist zu er-

warten, dass sich hier formulierte grundsätzliche Bedenken auch in einer entsprechenden

Anpassung des Modells niederschlagen.

In diesem Sinne wünsche ich uns spannende, kontroverse und anregende Diskussionen.

Vielen Dank

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Vorstellung des Konzepts zur Umsteuerung der ambulan-ten Sozialpsychiatrie

Axel Georg-Wiese

Ausgangspunkt

1.Ziel

Mit den vorhandenen sozialpsychiatrischen Angeboten hält Hamburg ein gut ausgebautes

Leistungsangebot vor, das im bundesrepublikanischen Vergleich einen oberen Platz ein-

nimmt. Durch die Weiterentwicklung der bestehenden Leistungsangebote soll sowohl eine

qualitative Verbesserung des Angebots als auch eine größere Leistungsfähigkeit erreicht wer-

den.

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2. Ziel

Die Situation der Eingliederungshilfe ist gekennzeichnet durch die seit Jahren anhaltende

steigende Nachfrage nach Leistungen und die damit verbundenen steigenden Aufwendungen

der öffentlichen Hand. So sind die Kosten für die ambulanten sozialpsychiatrischen Hilfen in

Hamburg innerhalb von 4 Jahren von 47,6 Mio. € (2008) auf 63,6 Mio. € (2012), also um 33,6

Prozent, gestiegen. Hält dieser Trend an, steht zu befürchten, dass die Eingliederungshilfe als

Leistung der Sozialhilfe an die Grenzen ihrer Finanzierbarkeit stoßen wird. Um die Leistungs-

fähigkeit der Eingliederungshilfe zu erhalten, sind Veränderungen erforderlich.

Es geht um die qualitative Verbesserung der Leistungsangebote bei gleichzeitiger Beachtung

der finanziellen Rahmenbedingungen. Am Beispiel der Neukonzeptionierung der ambulanten

Sozialpsychiatrie in Hamburg wird in vier Schritten erläutert, wie beide Ziele erreicht werden

können.

Grundsätzliche Überlegungen (Schlagworte)

zu 1.

Es ist möglich, mit den im System vorhandenen Geldmitteln mehr Menschen bedarfsgerecht

zu betreuen als bisher. Dazu bedarf es allerdings einer grundsätzlichen Veränderung der Fi-

nanzierung des Hilfesystems.

Das System der bisherigen Einzelfallfinanzierung setzt falsche Anreize. Der Träger muss eine

bestimmte jährliche Einnahme erzielen, um seine Aufwendungen refinanzieren zu können.

Rund 80 Prozent der Vergütung dienen der Refinanzierung seiner Personalkosten.

Im üblichen vergütungsfinanzierten Hilfesystem sind Leistung (Leistungsumfang) und Geld

unmittelbar miteinander verbunden. Je höher der Hilfebedarf, desto höher die Einnahme des

Trägers. Insbesondere wenn die personenbezogenen Einnahmen, wie z.B. bei Fachleistungs-

stunden oder im Bedarfsgruppensystem, flexibel sind, kann der Träger die Jahreseinnahmen

nicht exakt kalkulieren. Dies führt zwangsläufig zum Anreiz, Fälle in hohen Bedarfsgruppen zu

halten und niedrige Bedarfsgruppeneinstufungen zu vermeiden. So gesehen lohnt sich effekti-

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ve Arbeit im Sinne der Zielstellung der Maßnahme der Eingliederungshilfe, also Unabhängig-

keit von der sozialen Dienstleistung zu erzeugen, für den Träger nicht, denn dies führt

zwangsläufig zur Reduzierung des Leistungsumfangs und damit zur Reduzierung der Ein-

nahme. Die bestehende Finanzierungssystematik führt im Gegenteil zum Anreiz große Be-

treuungsbedarfe darzustellen um die Einnahmen zu sichern.

Im Unterschied dazu die beispielhafte Betrachtung der Finanzierung eines Fitnessstudios: Mit

dem monatlichen Pauschalbetrag kann das Angebot im Monat ohne Begrenzung in Anspruch

genommen werden. Es besteht zwar weiterhin eine Verbindung zwischen Geld und Pauschal-

leistung, entscheidend ist aber, dass Geld und die Häufigkeit der Inanspruchnahme entkop-

pelt sind. Dass zusätzliche über die Pauschalleistung hinausgehende Extraleistungen, wie z.B.

besondere TrainerInnenstunden, zusätzlich zu finanzieren sind, widerspricht nicht dem grund-

sätzlichen Ansatz.

zu 2

Ziel der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII ist es, Menschen mit Behinderungen eine

selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Im eigenen Wohn-

raum ist die Förderung der Teilhabe bzw. der Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesell-

schaft nicht möglich, denn diese setzt die Möglichkeit der Interaktion mit anderen unterschied-

lichen sich in einer Gesellschaft befindlichen Menschen voraus. Zwar findet Interaktion auch

während der Betreuung im eigenen Wohnraum statt, allerdings, im Rahmen der Betreuung

ausschließlich mit der Betreuungsperson. Diese spezielle Interaktion ist vor Allem gekenn-

zeichnet durch eine Ungleichheit zwischen den Rollen BetreuerIn und betreute Person. Die-

ses besondere Setting birgt darüber hinaus die Gefahr der Bildung von Abhängigkeiten. Dar-

aus folgt, dass Teilhabemöglichkeiten wie bspw. soziale Treffpunkte (Begegnungsstätten) ge-

schaffen werden müssen.

Zum Begriff Teilhabe1, der in diesem Kontext verwandt wird, folgende Gedanken:

1. Gesichtspunkt

Evolutionsbiologisch hat sich der Mensch stets in Gruppen organisiert. Seine kognitiven

und emotionalen Fähigkeiten, die Entwicklung der Sprache und der Empathie- Fähigkeit

dienen der Verbesserung der Überlebensfähigkeit der Gruppe und ihrer einzelnen Mitglie-

der. Auch wenn es heute nicht mehr um den Überlebenskampf geht, so ist unbestritten,

dass der Mensch auf den Kontakt mit anderen Menschen aus vielerlei Gründen angewie-

sen ist.

2. Gesichtspunkt

Leitlinie des Teilhabebegriffs in der Eingliederungshilfe ist die UN- Behindertenkonvention.

Danach kann eine Behinderung als ein sich verändernder Zustand beschrieben werden,

der aus der Interaktion zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und Barrieren in der

Einstellung und der Umwelt entsteht und die gleichberechtigte, uneingeschränkte und

wirksame Teilnahme an der Gesellschaft verhindert. Unabhängig von der Frage, ob die

1 Die WHO versteht unter „Teilhabe“ lediglich „das Einbezogensein in eine Lebenssituation“ (ICF 2001: 16). Das

Leben im eigenen Wohnraum (Putzen, Einkaufen, Alltägliches) fällt ebenfalls unter den Teilhabebegriff. Deut-lich wird, dass der so verstandene Teilhabebegriff sowohl eine individuelle als auch eine kollektive Komponente hat. Dies ist in diesem Falle zu trennen von der „Teilhabe am Leben in der Gesellschaft“, denn Gesellschaft beschreibt ein kollektives Gefüge.

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Behinderung Folge gesellschaftlichen Verhaltens ist, kann Behinderung nur dann über-

wunden werden, wenn beide Seiten miteinander interagieren. Das dürfte das zentrale Ziel

jeder Maßnahme der Eingliederungshilfe sein.

Zu 3

Selbsthilfe und die Erweiterung vorhandener Fähigkeiten entwickeln sich vor Allem im ge-

meinsamen Handeln mit Anderen, indem jede/r Einzelne ihre bzw. seine Fähigkeiten und Er-

fahrungen einbringen kann. Im Kontext mit Anderen ist Selbsterfahrung, die Entwicklung vor-

handener Fähigkeiten und damit die Entwicklung von Selbstwert möglich.

Die Erfahrung mit den niedrigschwelligen zuwendungsfinanzierten Psychosozialen Kontakt-

stellen (PSK) zeigt, dass bei rund 15 Prozent der durchschnittlich 360 Personen pro PSK

(nach fachlicher Einschätzung) ein Betreuungsbedarf vorhanden ist, der, - würde es das An-

gebot der PSK´n nicht geben, - üblicherweise zur Inanspruchnahme von betreuungs- und kos-

tenintensiver vergütungsfinanzierter Hilfen führen würde. Für diese Personen realisiert sich

bedarfsgerechte Hilfe vor allem durch die Nutzung des sog. „Offenen Treffs“ (als Teil der

PSK’n) und der Gruppenangebote, denn: Gruppe bzw. Teilhabe wirkt stabilisierend und ent-

wicklungsfördernd, wodurch der Einstieg dieser Personengruppe in das vergütungsfinanzierte

und damit kostenintensivere Hilfesystem abgewendet werden kann. Dies Übrigens mit der für

sie positiven Folge, nicht zu einem seelisch behinderten „Fall“ und zum/r EmpfängerIn einer

Maßnahme der Eingliederungshilfe zu werden, wodurch auch das eigene Einkommen oder

Vermögen zur Beseitigung oder Milderung der Krankheitsfolgen nicht eingesetzt werden

muss.

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Die Finanzierung erfolgt im Rahmen einer täglichen Vergütung.

Die Begegnungsstätte des BeWo-Angebots („Betreutes Wohnen“ – Gegenstand des Leis-

tungsangebots ist nur die Betreuung nicht das Wohnen) finanziert sich Anteilig aus den perso-

nenbezogenen bewilligten Vergütungen. Allerdings besteht im Rahmen der BeWo-Betreuung

keine Verpflichtung, das Angebot der Begegnungsstätte in Anspruch zu nehmen. Die Begeg-

nungsstätten (insgesamt 35 flächendeckend über Hamburg verteilt) sind als Bestandteil der

Vergütungsfinanzierung ausfinanziert. Selbst wenn alle durchschnittlich 46 Personen pro Be-

Wo-Standort die BeWo-Begegnungsstätten in Anspruch nehmen würden, könnten diese bei

einer Größe zwischen 250 qm bis 350 qm mehr als nur die durchschnittlich 46 Personen er-

reichen. Es gilt, die Ressource mehr als bisher zu nutzen und im Sinne sozialräumlichen

Handelns für die Region zu öffnen.

Der sozialräumlichen Öffnung der BeWo-Begegnungsstätte steht dem bisherigen personen-

bezogenen Vergütungssystem, dass die über die bewilligte Vergütung finanzierten vorzuhal-

tenden personellen Ressourcen ausschließlich für die personenbezogene Betreuung einzu-

setzen sind, entgegen. Damit sind personenunabhängige in den Sozialraum wirkende Leistun-

gen nicht finanziert.

(Wobei ein „Mehr“ an bisheriger Nutzung durch das neue Konzept ausgestaltet wird.)

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Die Finanzierung erfolgt im Rahmen von Fachleistungsstunden.

Die im PPM-Angebot („Personenbezogene Hilfen für psychisch kranke Menschen“) betreuten

Menschen wohnen im eigenen Wohnraum. Eine Begegnungsstätte gehört nicht zum PPM-

Angebot. Die Betreuung erfolgt regelhaft im Wohnraum der zu betreuenden Personen. Einige

Träger bieten themenzentrierte und auch offene Gruppen (z.B. Frühstücksgruppe) in ihren

Büroräumen an.

Die Vergütung für die Gruppenstunde beträgt ¼ Fachleistungsstunde.

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Mit der Zusammenführung der drei vorgenannten Angebote zu einer integrierten Hilfe, der

„ambulanten Sozialpsychiatrie“, sollen zum einen alle bedarfsgerechten Hilfen aus einer Hand

organisiert werden können, zum anderen soll die sozialräumliche Gewichtung der Hilfe mit der

im Zentrum des neuen Angebots stehenden regionalen Begegnungsstätte gestärkt werden.

Ihn der Begegnungsstätte werden Leistungen auf Grundlage einer Individualbewilligung sowie

niedrigschwellige Leistungen angeboten, für die eine Bewilligung nicht erforderlich ist.

Die bewilligten Leistungen beinhalten die sog. Grundleistung und die Intensivbetreuung.

Auf Der Leistungsbewilligungsebene für die personenzentrierte Leistung wird nicht zwischen

der Grundleistung und Intensivbetreuung unterschieden. Eine Intensivbetreuung wird insofern

nicht zusätzlich bewilligt. Es handelt sich lediglich um eine methodische Differenzierung des

möglichen Leistungsspektrums. Auch wenn die Betreuungsleistung möglichst in der Begeg-

nungsstätte erbracht werden soll, ist die bedarfsgerechte Hilfe an einem anderen geeigneten

Ort (z.B. die eigene Wohnung) damit nicht ausgeschlossen.

Angebote der Grundleistung sind vor allem lebenspraktische Unterstützung rund um die

Themen Wohnen, Selbstsorge und soziale Kontakte sowie Gruppenangebote. Es handelt sich

um lebenspraktische, begleitende, regelnde, unterstützende Hilfen, um mit den Anforderun-

gen des selbständigen und eigenverantwortlichen Wohnens und der Selbstsorge, mit den An-

forderungen der selbständigen Tagesgestaltung und Tagesstrukturierung sowie der Gestal-

tung der Freizeit und den Anforderungen an Bildung und Teilhabe am Arbeitsleben zurecht-

kommen zu können und damit auch den Wohnraum und den Status als MieterIn zu sichern.

Dazu zählen beispielhaft: Die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte, Pflichten und

formalen Notwendigkeiten wie z.B. Unterstützung bei der Erledigung der Post, der Einteilung

des Geldes, bei Behördenangelegenheiten, und die sich aus der Selbstversorgungsnotwen-

digkeit ergebenden Anforderungen.

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Wenn der Bedarf durch die Grundleistung z.B. wegen der Schwere der Behinderung nicht

ausreichend gedeckt werden kann, kann sie um die Intensivbetreuung ergänzt werden. Sie

erfolgt regelhaft in Form von Einzelangeboten in der Regel an dem Ort, der die Intimität ge-

währleistet, der der Thematik und den Möglichkeiten der betroffenen Person angemessen ist.

Bei der Intensivbetreuung geht es inhaltlich um die Klärung bzw. Bearbeitung krankheitsbe-

dingter Konflikte oder Ängste, die nicht im Rahmen der Grundleistung erfolgen kann. Konkret

beispielsweise um die Akzeptanz der psychischen Erkrankung, und/oder damit zusammen-

hängende Verhaltensänderungen, die Förderung der Einsicht für notwendige die Erkrankung

berücksichtigende Verhaltensänderungen, die mit der Erkrankung verbundenen Einschrän-

kungen und deren soziale Folgen (Partnerschafts- und Beziehungsprobleme, soziale Ängste

etc.).

Dazu dienen methodisch geführte Einzelgespräche.

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Im Vorfeld der bewilligten personenzentrierten Angebote erfolgen niedrigschwellige Leis-

tungen, vor allem in der Begegnungsstätte und hier insbesondere im „Offenen Treff“. Er ist

ein der Vereinzelung entgegenwirkender Treffpunkt sowie Ort für Einzel- und Gruppenange-

bote. Personenzentrierte Leistungen können präventiv erbracht werden, wenn aktuell z.B.

krankheitsbedingte Gründe der Inanspruchnahme von bewilligten Leistungen entgegenste-

hen.

Typische Angebote sind kurzfristige Information/Klärung, Beratung über Unterstützungsmög-

lichkeiten sowie Beratung von Angehörigen von Menschen aus der Zielgruppe. Die Hilfen um-

fassen insbesondere: Gespräche mit einzelnen Ratsuchenden sowie mit Angehörigen von

Menschen aus den Zielgruppen, Gruppenangebote (fortlaufend/Projekt) mit unterschiedlichen

Methoden und inhaltlichen Schwerpunkten, offene Angebote sowie Aufenthaltsmöglichkeiten.

Eine Krisenintervention ist dann ein niedrigschwelliges Angebot, wenn eine zwingend erforder-

liche zeitnahe Reaktion nicht anders möglich ist. Darüber hinaus ist das niedrigschwellige An-

gebot auch der Rahmen für eine Nachbetreuung. Bei der Nachbetreuung handelt es sich um

ein Angebot, bei dem es vor insbesondere darum geht, dass sich die AdressatInen im Be-

darfsfall zeitnah auf ein vertrautes und verlässliches Setting verlassen können.

Typische Angebote der Nachbetreuung sind u.a. die Begegnungsmöglichkeiten und Aktivitä-

ten des „Offene Treffs“ sowie die Gruppenangebote. Dies schließt personenzentrierte Einzel-

gespräche nicht aus. Sofern intensivere Kontakte erforderlich sind, ist regelhaft die Inan-

spruchnahme personenzentrierter Leistungen anzustreben.

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Der Träger erhält zur Deckung seiner Aufwendungen (zum Betrieb der Begegnungsstätte und

für die Erbringung der Betreuungsleistungen) ein finanzielles Jahresbudget.

Sozialhilfeträger und Träger schließen eine Budgetvereinbarung ab, die Teil der Vereinbarung

nach § 75 Abs. 3 SGB XII ist. Sie beinhaltet u.a. Angaben darüber, für wie viel Geld der Träger

welche Leistung in Stunden erbringt und wie hoch der Anteil des Budgets für das nied-

rigschwellige Angebot ist.

Die Budgetvereinbarung ist Teil der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII. Es handelt sich

nicht um eine Zuwendung, sondern nach wie vor um die Erbringung gesetzlicher Leistungen

auf Grundlage eines individuellen Rechtsanspruchs nach §§ 53 ff SGB XII.

Mit dem Jahresbudget erhalten beide Vertragspartner Planungssicherheit. Mit der einzelfallbe-

zogenen Entkopplung von Betreuung und Finanzierung entfallen die mit der Einzelfallfinanzie-

rung bedingten Fehlanreize.

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Ermittlung des finanziellen Jahresbudgets

Ausgangspunkt des trägerbezogenen Erstbudgets ist die Summe der abgerechneten Einnah-

men des Trägers aus Bewilligungen des Vorjahres zuzüglich, sofern vorhanden, der Zuwen-

dung für den Betrieb einer oder mehrerer Psychosozialer Kontaktstellen.

Beispiel: Ambulantes Angebot mit 40 Personen. Jede Person ist aufgrund der Reha- Gesamt-

planung einer Bedarfsgruppe (HBG 1 bis HBG 5) zugeordnet. Jeder Bedarfsgruppe sind eine

Vergütung sowie eine Zeit pro Woche hinterlegt. Aus der Anzahl der Personen und der jeder

Person bewilligten Vergütung errechnet sich das finanzielle Jahresbudget. Die angenomme-

nen fünf Prozent sind der Budgetanteil für den niedrigschwelligen Teil.

Diese Rechnung gilt in gleicher Weise für das auf Fachleistungsstunden basierende Leis-

tungsangebot.

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Ermittlung des Jahreszeitbudgets (in Std.)

Beispiel: Ambulantes Angebot mit 40 Personen. Jede Person ist aufgrund der Reha- Gesamt-

planung einer Bedarfsgruppe (HBG 1 bis HBG 5) zugeordnet. Jeder Bedarfsgruppe sind eine

Vergütung sowie eine Zeit pro Woche hinterlegt. Aus der Anzahl der Personen und der jeder

Person bewilligten Betreuungszeit errechnet sich das Jahreszeitbudget.

Zum Faktor „zuzüglich x Prozent“ oder wie es möglich sein kann mit dem im System vorhan-

denen Geld mehr Menschen bedarfsgerecht zu betreuen als bisher.

Anhand der fiktiven Annahme, dass ein Träger 40 Personen jeweils 1 Std./Wo betreut wird

das Prinzip erläutert:

Der Träger muss für diese Personen bei einer 1:1 Betreuung 40 Std/Wo Betreuungsleistung

erbringen. Die Berechnung des finanziellen Budgets geht von der bisherigen Leistungserbrin-

gung (mit einem hohen Anteil einer 1:1 Leistung) aus, d.h., dass das finanzielle Jahresbudget

bei diesem Betreuungsverhältnis gefixt wird. In diesem Beispiel wird bei der Berechnung des

Jahresbudgets des Trägers davon ausgegangen, dass er 40 Personen im Verhältnis 1:1 be-

treut.

Wenn sich, weil mit der Begegnungsstätte jetzt die Voraussetzungen geschaffen wurden, das

Verhältnis von 1:1 Betreuung und Gruppenbetreuung zu Gunsten der Gruppenbetreuung ver-

ändert, dann reduzieren sich die vom Träger aufzubringenden Betreuungsstunden, ohne dass

das Budget in gleicher Weise reduziert wird. Je mehr sich der Anteil der 1:1 Betreuungsleis-

tung reduziert, desto mehr „freie Stunden“ verbleiben beim Träger.

So ist es dem Träger möglich, die bei ihm verbleibenden Stunden so einzusetzen, dass mehr

Menschen als bisher bedarfsgerecht erreicht werden können. Er erklärt sich damit auf der

Budgetebene bereit, mehr Verrechnungsstunden zu vereinbaren als im bisherigen 1:1 Setting

erbracht wurden. Die Höhe des Faktors „zuzüglich X“ ist Gegenstand der Budgetvereinbarung,

die zwischen Einrichtungs- und Sozialhilfeträger verhandelt werden (die hier generell mit 1: 4

angesetzt ist, im „Offenen Treff“ ist das Betreuungsverhältnis noch anders).

(Auf der Budgetebene sind die vereinbarten Stunden Verrechnungseinheiten und nicht Leis-

tungsstunden!)

Anteil Pers Gruppe1:4 Ges.Std.

100% 50 50

90% 45 5 46,25

80% 40 10 42,5

70% 35 15 38,75

60% 30 20 35

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Der Sozialhilfeträger bewilligt die Leistung auf Grundlage des Reha-Gesamtplans nach § 58

SGB XII. Bestandteile des Bewilligungsbescheids sind:

• Die Ziele laut Reha-Gesamtplan, die in der Maßnahme erreicht bzw. verfolgt werden

sollen,

• der Hinweis, dass mit dem Bewilligungsbescheid die bedarfsgerechte Hilfe gewährt wird

der Einheitskostensatz laut Vergütungsvereinbarung als Teil der Vereinbarung nach §

75 Abs. 3 SGB XII,

• ein Bewilligungszeitraum (in der Regel 6 Monate),

• der Hinweis, dass mit dem Bewilligungsbescheid die bedarfsgerechte Hilfe gewährt

wird.

Die Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII weist weiterhin eine Vergütung aus in Form eines

Einheitssatzes pro Stunde und pro Monat. Dieser Betrag wird gegenüber SelbstzahlerInnen

und außerhamburgischen Kostenträgern abgerechnet. Für Personen zu Lasten des Sozialhil-

feträgers Hamburg gilt die Budgetvereinbarung als Zusatz zur Vergütungsvereinbarung. Auch

für die „Budgetfälle“ gilt, dass der Sozialhilfeträger Hamburg zur Realisierung des individuellen

Rechtsanspruches auf Leistungen der Eingliederungshilfe ein Gesamtplanverfahren zur Er-

mittlung des individuellen Hilfebedarfs durchführt und die Maßnahme entsprechend bewilligt.

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1. Regelkreis: Sicherung der Qualität der bedarfsgerechten Hilfe

Mit der Annahme des Bewilligungsbescheids erklärt der Träger die bedarfsgerechte Hilfe im

Sinne der Ziele des Reha-Gesamtplans zu erbringen.

Die Ziele des Reha-Gesamtplans werden im Rahmen der individuellen Hilfeplanung zwischen

der Bezugsbetreuung des Trägers und der zu betreuenden Person operationalisiert und im

Rahmen eines schriftlichen Kontrakts vereinbart.

Der Träger berichtet nach Ablauf des Bewilligungszeitraums im Sozialbericht über die Zieler-

reichung und, sofern dies der Fall ist, über die Gründe der Abweichung. Der Sozialbericht wird

regelhaft durch die zu betreuende Person gegengezeichnet. Sofern die Maßnahme fortgeführt

werden soll, ist der Sozialbericht Grundlage der erneuten Reha- Gesamtplanung.

Für den Träger geht damit nicht mehr darum bewilligte Stunden „abzuleisten“ um sie abrech-

nen zu können, sondern um die erforderliche Leistung für die vereinbarte Zielerreichung zu

erbringen.

Aus Sicht der zu betreuenden Person besteht weder ein individueller Rechtsanspruch auf eine

bestimmte Vergütungshöhe noch auf einen zeitlichen Umfang. Beide Elemente sind aus-

schließlich Bestandteile der Preiskalkulation. Ein individueller Rechtsanspruch besteht auf

eine bedarfsgerechte Hilfe.

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Ergebnis der Reha-Gesamtplanung ist auch eine Einschätzung des wöchentlichen Betreu-

ungsumfangs in Zeit, die allerdings nicht im Bewilligungsbescheid ausgewiesen wird. Sie dient

lediglich als Verrechnungsgröße für den Verbrauch der vereinbarten Zeitbudgets.

In einem dreimonatlichen Controlling werden pro Träger die durch die einzelnen Bewilligungs-

fälle gebundenen bzw. bereits verbrauchten Verrechnungsstunden verglichen mit den An-

nahmen, die dem Zeitbudget zugrunde liegen.

Über- oder Unterschreitungen des Zeitbudgets sind Folgen einer veränderten durchschnittli-

chen Betreuungsintensität und/oder der Nachfrage. Gegenstand des Controllings ist die Be-

wertung dieser Abweichungen gegenüber den fachlichen Annahmen, die der Budgetvereinba-

rung zugrunde lagen.

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Über- bzw. Unterschreitungen des Zeitbudgets werden in die Budgetbildung des Folgejahres

übertragen. Zur Vermeidung falscher Anreize (vermehrte Anstrengung, um das „Budgetziel“

zu erreichen) erfolgt keine Spitzabrechnung zum Ende des Budgetzeitraums. Hat der Träger

mehr Betreuungsstunden erbracht als der Budgetvereinbarung zugrunde lagen, dann werden

diese Mehrstunden in die Budgetberechnung des Folgejahres eingerechnet. Gleiches gilt im

umgekehrten Fall, wenn der Träger weniger Stunden erbracht hat. Durch die Übertragung der

Abweichung in die Budgetbildung des Folgejahres gewinnen beide Seiten Anpassungsspiel-

räume.

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Das Konzept unter dem Blickwinkel der sozialräumlichen Orientierung

Wolfgang Budde

Im Rahmen meines Beitrages soll ich zu den folgenden Fragen Stellung nehmen.

1. Welche Entwicklungen sind fachlich begründet und wünschenswert?

2. Befördert oder behindert das Konzept solche Entwicklungen?

3. Welche Effekte in Hinblick auf das Ziel der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII sind

durch dieses Konzept allgemein erwartbar?

4. Kann der Sozialraum mit den regionalen Begegnungsstätten angesprochen und er-

schlossen werden? Bietet das Instrument die Möglichkeit, einen Sozialraum zu erschlie-

ßen?

Ich beantworte die Fragen 1 – 3 verkürzt und zusammenfassend. Die Idee verschiedene

Angebote zu bündeln und dezentral anzubieten ist fachlich begründet und wünschenswert.

Grundsätzlich kann der SR mit den Begegnungsstätten angesprochen werden.

Ob in dem o.g. Rahmen der Sozialraum erschlossen werden kann, ist an Voraussetzungen

gebunden.

Ausgangspunkt meiner Überlegungen sind die beiden folgenden Konzeptaussagen:

1. Teilhabe findet im Sozialraum statt.

2. Damit ist nicht die Teilhabe in Fachkräfte‐ Adressaten Interaktion gemeint

Zur Klarstellung: Was ist mit SR gemeint? Ihr Konzept konstruiert SR vor allem als den

räumlichen Zuständigkeitsbereich eines Begegnungszentrums? Im Zentrum sozialräumlicher

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Eingliederungshilfe steht aber nicht nur diese Raumkonstruktion sondern auch und m.E. zu-

allererst der Soziale Raum von Adressaten, also der Raum, der die Beziehungsnetze und

organisationsgebundenen Ressourcen von Adressaten umgreift?

Diese Differenz lässt sich mit dem Bild Breughels „Der Kampf zwischen Karneval und Fasten

darstellen“.

Pieter Brueghel d.Ä. (1559): Der Kampf zwischen Karneval und Fasten

Identifizieren Sie sich in der Beschreibung des Marktplatzes auf diesem Bild mit einzelnen

Akteuren, dann kommen Sie zu ganz verschiedenen Beschreibungen:

Aus der Perspektive der Fischverkäuferinnen ist der Marktplatz Ort ihres Gewerbes, die an-

deren Menschen Ressourcen im Sinne von potenziellen oder faktischen Kunden. Marktplatz

bedeutet aber auch Hitze im Sommer, Frost im Winter, beidem können die Verkäuferinnen

nicht ausweichen. Denn hier lässt sich Umsatz machen.

Aus der Perspektive der Menschen mit Behinderungen wird die Ambivalenz öffentlicher

Räume für Benachteiligte deutlich. Der Marktplatz bedeutet bisweilen Hohn und Spott, Ge-

fährdung, Schutzlosigkeit, aber auch Chancen. Evtl. winkt in der Gaststätte Arbeit, evtl. nur

ein Getränk, bei den Verkäuferinnen ein geschenkter Fisch, in der Freizeitgesellschaft am

unteren Rande Zugehörigkeit.

Welche Ressourcen der Marktplatz bietet, können wir als Fachkräfte nur erschliessen, wenn

uns Adressaten in „ihren Sozialraum hineinnehmen“.

Aus der Perspektive von Fachkräften stellen die Fischverkäuferinnen, die Gaststätte oder die

Freizeitgesellschaft ebenfalls Ressourcen dar, Inklusionschancen evtl. als Praktikums‐ oder

Arbeitsstellen für unsere Adressaten.

An welche Raumkonstruktion schließen wir wann an? In der Fallarbeit mittels Ressourcen

mobilisierenden Techniken an die Raumkonstruktion von Adressaten. Im Rahmen fallunspe-

zifischer Arbeit an unsere, die Raumkonstruktion der Fachkräfte.

In der Mobilisierung von Ressourcen des Stadtteils gilt grundsätzlich:

1. Das Erobern von Ressourcen des SR ist das Ergebnis von Investition in den SR.

Oder: „Vor dem Ernten kommt das Säen!“ Entsprechend erforderlich sind methodische

Kompetenzen der Fachkräfte in Techniken der Ressourcenmobilisierung des Feldes:

(O2O, Organisationen gewinnen, SR‐Projekte, Kompetenzkartierungen)

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2. Teilhabechancen, die sich aus vorhandenen Ressourcen ergeben, lassen sich nicht ziel-

gerichtet herstellen.

Wolfgang Hinte hat dazu mal eine kleine Fallgeschichte erzählt.

Eine sozialpsychiatrische Einrichtung eines kirchlichen Trägers gründet eine Gemeinde of-

fenen Wohngemeinschaft in einem Stadtteil. Das bietet Chancen, denn in jedem Stadtteil ist

meist eine Kirchengemeinde, in der ein Seniorenclub und so ein Seniorenclub verspricht

eine Inklusionschance.

Die Fachkräfte sprechen erst mit dem Pfarrer, dann mit dem Seniorenkreis. Das sind gute

Christen und können sich das Dabeisein von Menschen mit geistigen oder körperlichen Be-

hinderungen gut vorstellen.

Nach drei Treffen taucht plötzlich ein neues Thema auf: „Früher war doch alles schöner, die

Sommer waren noch Sommer, die Winter noch Winter usw.“ Beim nächsten Treffen fehlt ein

bisher treues Mitglied des Kreises, zwei Wochen später weitere. Der Kreis löst sich auf. In-

klusionsprojekt gescheitert.

Das Problem ist klar. Inklusion lässt sich von außen nicht instruieren. Darüber, wer inkludiert

wird, entscheiden die Zielsysteme, hier der Seniorenkreis. Hinter der Planung der Fachkräfte

steht eine, ich nenne das mal alttestamentarische Planungsidee: Ziel „Inklusion“ von Men-

schen mit Handicaps – Mittel „Seniorenkreis – das bringen wir zusammen ‐ Erfolg

Die Umsetzung eines Konzepts, das im Kern soziale Prozesse zum Gegenstand hat, so

meine These, läuft anders: evolutionär.

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Das wird an diesem Slide vielleicht deutlich. Die Natur produziert Variation. Zum Zeitpunkt

der Variation ist noch nicht deutlich, ob die Variation erfolgreich ist. Darüber entscheidet die

Prozesszukunft. Doch je grösser die Variationsbreite ist, desto grösser ist die Chance, dass

davon etwas funktioniert.

Das lässt sich auf Statteilarbeit, Ressourcenmobilisierung und Schaffung von Inklusions-

chancen übertragen. Je mehr Ressourcen Fachkräfte kennen, desto grösser ist die Chance,

dass in einer bekannten Ressource in einer konkreten Fallsituation eine Gelegenheit steckt,

die eine Inklusionschance beinhaltet.

Erfolgreiche Sozialraumarbeit im Sinne Ihres Konzepts, dass Teilhabe im SR und nicht in der

Fachkräfte‐Adressaten‐Interaktion stattfindet, erfordert ein evolutionäres Verständnis von-

Prozessgestaltung. Und nebenbei bemerkt: das fällt uns, die wir doch mehr oder weniger in

der Tradition der Einzelfallarbeit groß geworden sind, schwer.

Die Chance solche Gelegenheiten zu entdecken, lässt sich aber – wie gesagt – wahrschein-

licher machen.

In Anlehnung an Jullien (1993) können wir Ressourcen als das Spektrum der in einem be-

stimmten Arrangement vorhandenen Möglichkeiten begreifen, wovon die jeweils entdeckten

Ressourcen nur eine zweckrational gewonnene Selektion darstellen, also ihre Grenzen in

der Beobachtung des Beobachters, also der Fachkraft findet.

Die Wahrscheinlichkeit Teilhabechancen zu entdecken, steigt mit

Im Feld

1. wenn Fachkräfte Techniken der Ressourcenmobilisierung im Feld kennen und einsetzen

2. sie über eine passende Haltung verfügen (Stärkeorientierung, Überzeugung, dass der

SR Ressourcen zur Verfügung stellen kann, die professionell nicht herstellbar sind)

3. kollegiale Beratung inspirierend sind und Querdenken provozieren.

Im Fall

Inwieweit das Potenzial von Adressaten genutzt werden kann, ist grundsätzlich davon ab-

hängig, ob das Unterstützungsangebot

1. räumlich gesehen dort gemacht wird, wo Adressaten ihr Netzwerke und soziales Kapital

haben.

2. wo es aus der Perspektive der Adressaten eine biographische Kontinuität gibt

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3. ob es gelingt, wenn in einem Unterstützungsprozess ein Settingwechsel (von ambulanter

Unterstützung in Richtung Hilfe mit Bett, also stationär) ansteht, diesen Settingwechsel

im oder in der Nähe des Sozialraums des Adressaten zu organisieren.

Sie wissen, wie schnell Netzwerke erodieren, wenn Adressaten aus ihrem Sozialraum in

professionelle Systeme exportiert werden.

Damit wird, wenn wir die Chancen des Konzeptes Teilhabe zu organisieren einschätzen, so

ganz nebenbei die Organisation selbst und ihre Fähigkeit zu flexiblen Lösungen zum Thema.

Auf der Fallebene und hier der Nutzung des Sozialen Kapitals der Adressaten wächst die

Chance Gelegenheiten zu entdecken und zu nutzen

1. Wenn die Fachkräfte Techniken der Ressourcenmobilisierung im Fall (Netzwerkarten,

Ressourcenchecks, Methoden der Netzwerk mobilisierenden Hilfeplanung) beherrschen

und anwenden

2. sie über eine passende Haltung (siehe oben) verfügen

Und das alles auf der Ebene der Organisation unterstützt wird, in dem

3. die Organisation die Fähigkeit hat Lösungen vor Ort und quer zu den Säulen stationäre,

teilstationär und ambulant zu organisieren und damit verhindert, dass Adressaten bei Hil-

fen mit Bett aus ihren sozialen Netzwerken herausgeschnitten werden.

Hier meine dringliche Empfehlung: holen Sie Ihr Konzept aus dem Korsett der ambulanten

Hilfe heraus.

Fazit

Was kann ich positiv nachvollziehen?

1. Mit Hilfen aus einer Hand sind Sie auf dem richtigen Weg. Das bedeutet aber, dass die

Freien Träger auch für außergewöhnliche „Intensivbedarfe“ und Hilfen mit Bett im regio-

nalen Steuerungsraum zuständig sind

2. Verringerten Verwaltungsaufwand und Gestaltungsfreiheit

3. Ich kann noch nicht erkennen, dass Sie so den SR erschließen. Dazu brauchen Sie

Fachkräfte, die konsequent sozialräumlich arbeiten, die erkennen können, dass diese

Arbeit für sie ein fachlicher Gewinn ist.

4. Gelingt das nicht, geraten Sie in Gefahr, dass Sie zwar neue Organisationstrukturen auf-

gebaut haben, in denen sich aber fachlich wenig geändert hat.

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Das Konzept unter dem Blickwinkel von Ausgrenzungs- und Ein-schließungswirkungen

Prof. Dr. Ingmar Steinhart

siehe Anlage auf der Homepage der Ev. Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie

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Das Konzept unter dem Blickwinkel einer Personenzentrie-rung

Andrea Deuschle

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn Sie auf die Referentenliste in der Ausschreibung schauen, dann ist Frau Prof. Dr.

Gromann als Referentin zum Blickwinkel „Personenzentrierung“ angekündigt. Leider ist sie

verhindert, so dass ich sie hier heute vertrete. Mein Name ist Andrea Deuschle und ich arbei-

te in Thüringen und Hessen an der Umsetzung des ITP (Integrierter Teilhabeplan) mit.

Seit drei Monaten gilt in Hamburg das neue Modell der ambulanten Sozialpsychiatrie. Eine

Veranstaltung, in der ein neues Modell nach so kurzer Zeit reflektiert wird, findet auffällig früh

statt. Die grundsätzliche Bedeutung wurde erkannt und auch das ist gut so.

Mein Blickwinkel auf das Trägerbudget und die Sozialraumorientierung ist der der Personen-

zentrierung. Dabei steht der Mensch, der seinen Unterstützungsbedarf formuliert, im Mittel-

punkt. Die Interessen von Leistungsträgern und Leistungserbringern treten in den Hinter-

grund.

Inhaltliche Ausgangspunkte für den Weiterentwicklungsprozess der ambulanten Sozial-

psychiatrie sind folgende:

die fachliche Diskussion zur Inklusion

die UN BRK und

die Beschlüsse der ASMK seit 2007

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zu hinterfragen, ob die uns so geläufigen Begriffe „sta-

tionär – teilstationär – ambulant“ die neuen Sachverhalte noch abbilden. Wir reden von

Durchlässigkeit und Übergängen in den Hilfeformen und wir reden über die Entwicklung der

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Sozialpsychiatrie im Sozialraum. Und aus meiner Sicht gehört die Personenzentrierung un-

abdingbar dazu, wenn die Realisierung des Konzepts ASMK-konform erfolgen soll.

Das vorliegende Konzept steht jedoch mehr in der Tradition der Diskussion von Sozialraum-

budgets oder Trägerbudgets und nicht in der Tradition des ASMK-Prozesses. Dabei steht

aus meiner Sicht besonders die Frage des Wunsch- und Wahlrechts von Menschen mit Psy-

chiatrieerfahrung und deren Rechtsposition in einem Budgetverfahren für Träger in Frage.

Dennoch gibt es auch aus Sicht der Personenzentrierung positive Aspekte im Hamburger

Weg der ambulanten Sozialpsychiatrie. Folgende Gesichtspunkte möchte ich dabei hervor-

heben:

1. Die Trägerbudgets stehen für eine gewisse Planungssicherheit hinsichtlich des finanziel-

len Rahmens in einem definierten Zeitraum. Dies gilt für Leistungserbringer und Leis-

tungsträger.

2. Von außen betrachtet sieht es so aus, als sei dieser finanzielle Rahmen für die Leis-

tungserbringer auskömmlich.

3. Die Sozialräume werden zugeordnet, der Leistungserbringer übernimmt vertraglich die

Versorgungsverpflichtung für die dort lebenden Menschen.

4. Der Leistungsträger hat die Ausgaben gedeckelt, eine verbindliche Versor-gungsstruktur

vereinbart und kann seinen Verwaltungsaufwand reduzieren, weil die Einzelfallbewilli-

gung entfällt.

5. Für die Menschen, die Unterstützungsleistungen im Rahmen der ambulanten Sozialpsy-

chiatrie in Anspruch nehmen wollen, geht das ohne hohe Hemm-schwellen. Hier wird

Bewährtes erhalten.

Für weitergehende individuelle Unterstützungsleistungen wie bspw. für das BeWo überwie-

gen aus meiner Sicht die unbeantworteten Fragen. Und damit komme ich genau zu den Fra-

gen, die ich im Folgenden stellen möchte:

1. Das Trägerbudget ist m. E. bisher sozialhilferechtlich nicht verankert und somit können

eigentlich keine rechtskonformen Vereinbarungen nach dem SGB XII geschlossen wer-

den

2. Das Trägerbudget ermöglicht den Leistungsbringern eine große Freiheit in der Ausgestal-

tung ihrer Arbeit, ohne dass eine Verbindlichkeit über klar definierte Inhalte (prospektive

individuelle Leistungen zur Teilhabe) und mit Klienten vereinbarte Inhalte entsteht.

3. Grundsätzlich besteht aus meiner Sicht auch die Gefahr, dass Unterstützungs-leistungen

an die finanziellen Rahmenbedingungen angepasst werden, damit die Gesamtwirtschaft-

lichkeit erhalten bleibt. Ob damit die Wirtschaftlichkeits-aspekte im Zweifelsfall über den

tatsächlichen Unterstützungsbedarf der Menschen siegen, bleibt abzuwarten.

4. Die neue Systematik bleibt im institutionellen Denken und lässt die Personen-zentrierung

vermissen. Und ob sich ein Umdenken hin zur „individuellen Nach-frage von Unterstüt-

zungsleistungen von nicht-professioneller und/oder professioneller Assistenz“ daraus

entwickeln kann, wird sich zu einer spannenden Frage entwickeln.

5. Der stationäre Bereich ist nicht Bestandteil der Veränderungen. Damit wird dort weiterhin

der Hilfebedarf nach Metzler (G-Bereich) bzw. mit dem IBRP (P-Bereich) ermittelt. Scha-

de, dass die Chance, die Vereinheitlichung solcher Instrumente voranzubringen, noch

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nicht genutzt werden konnte. Damit bleibt die Trennung in „ambulant – teilstationär - sta-

tionär“ weiterhin bestehen.

6. Das Anliegen des Sozialhilfeträgers, die Ausgaben zu steuern, kann auch über perso-

nenzentrierte Leistungen erreicht werden. Personenzentrierte Leistungen ermöglichen

eine individuelle Unterstützungsplanung, verbunden mit der Klarheit über Ziele und Maß-

nahmen in einen bestimmten Zeitabschnitt – und das unter Einhaltung der sozialhilfe-

rechtlichen Regelungen. Der Ressource „Sozialraum“ kann jederzeit als Teil des Unter-

stützungssystems aktiviert und genutzt werden z. B. über nicht-professionelle Unterstüt-

zer_innen. Werden professionelle Ressourcen benötigt, so sind die Anforderungen an

Personen, Räume, Material etc. im Vorfeld völlig transparent.

7. Bei der Personenzentrierung geht es nicht so sehr darum, wer die Leistung erbringt,

sondern ob die vereinbarte Maßnahme wirksam ist, die vereinbarten Ziele des Be-

troffenen zu erreichen. An dieser Stelle sehe ich eine deutliche Spannung zur Re-

gelung in Hamburg, Unterstützungsleistungen über Budgets für Träger zu regeln.

8. Im Konstrukt des Trägerbudgets gibt es noch eine weitere Unbekannte – die Frage,

wie mit schwankenden Leistungsmengen umgegangen wird. Wenn die Basisdaten zu

den Einzelfällen fehlen: wie sieht dann Controlling aus? Wie kann gegengesteuert

werden, wenn der Fall der schwankende Leistungsmengen eintritt? Wenn diese Fra-

gen nicht beantwortet werden, können in der Folge Über- und Unterversorgungszei-

ten entstehen, die nicht dem Bedarf und dem Willen der Betroffenen entsprechen.

Meine Damen und Herren, ich habe den Weg der ambulanten Sozialpsychiatrie unter dem

Blickwinkel der Personenzentrierung betrachtet und holzschnittartig verschiede-ne Aspekte

dargestellt.

Zusammenfassend lässt sich aus meiner Sicht sagen, dass Trägerbudgets und Personen-

zentrierung unterschiedliche Ausgangspunkte haben und nicht wirklich zusammenpassen.

Die grundsätzliche Problematik des Sozialhilfedreiecks wird mit dem Trägerbudget nicht be-

seitigt.

Gerne vertiefe ich diese Aspekte mit Ihnen heute Nachmittag in der entsprechenden Arbeits-

gruppe.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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Das Konzept unter dem Blickwinkel seiner Finanzierungs-

systematik

Lothar Flemming

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Stichworte für Impulsbeitrag Fachtagung Hamburg 21.03.2014

Handlungsfeld ambulante Sozialpsychiatrie

= sehr hohe Fallzahlsteigerungen

= hoher Anteil ambulanter Unterstützungssettings

= innovative fachliche Entwicklungen seit 1980er Jahren

= ausgehend von der klinischen Psychiatrie, nicht von der Gemeinwesenarbeit oder

bürgerschaftlichem Protest

= Erkenntnis: „aus leeren Kassen Kapital schlagen“ und Sozialpsychiatrie muss

kommunalpolitisch handeln (Dörner)

Logik psychosozialer Dienstleistungen

= entstehen und werden verbraucht im Ergebnis gemeinsamen Handelns = Spezifik Fitnessclub = Spezifik Massagepraxis ꜜ ꜜ

Kundenautonomie, selbst Arzt stellt Problem fest,

definierte Ziele verordnet Therapie

ꜜ ꜜ

Beitritt per Vertrag Pat. bringt Verordnung in

Praxis (empfohlen/gesucht)

ꜜ ꜜ

Vorhalteleistung, Praxis führt Verordnung

Nutzung nach Wunsch durch

ꜜ ꜜ

Problem: Kalkulation Problem: Erfüllen der Erfolgs-

der Geräte und Trainer erwartung (= Problem weg)

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ꜜ ꜜ

Bester Kunde ist der, Bester Kunde ist chronisch

der Vertrag unterschreibt oder so zufrieden, dass er das

und nicht mehr kommt weiter erzählt

Das neue Modell verknüpft Elemente beider Logiken, insbesondere hinsichtlich der Risiken bei den Trägern

Fachliche Herausforderung: individuell erforderliche Leistungen (Rechtsanspruch!) mit Wirken im Sozialraum verknüpfen („fallunspezifische Arbeit“)

Ziel: Teilhabe an den im Quartier verfügbaren oder herzustellenden Angeboten (auch vorrangige Leistungen!), dafür die erforderliche Assistenz gewährleisten (Art. 19 VN-BRK)

Konzept bleibt Träger-und Profizentriert, unterstützt Spezialangebote (Begegnungs-stätten)

Argumentiert von einem „Generalverdacht“ aus = Träger arbeiten bei einer individuel-len Finanzierung nicht ziel- und bedarfsbezogen

Erhöht Steuerungsmöglichkeiten der Behörde bzgl. eines Finanzcontrol-lings/Mitteleinsatz

Verleitet zur Auswahl der „guten Risiken“ oder der extensiven Belagerung weniger

Erhöht die Kundenbindung = „Alles aus einer Hand“

Verspricht mehr Flexibilität – Begründung?

Verhältnis Auftraggeber Behörde – Auftragnehmer Träger – Leistungsberechtigte bleibt unklar

Anreize beider Systeme fast identisch

Effekte: ggf. bei Budgetlösung mehr Einsparmöglichkeiten

Rolle institutioneller Förderung zu klären

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Das Konzept unter dem Blickwinkel der Rechtsstellung der Leistungsempfänger_innen

Dr. Reza F. Shafaei

Beitrag folgt

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Arbeitsgruppen zu den referierten Aspekten

AG I Sozialräumliche Orientierung

Als Einstieg des Workshops sammelte der Moderator Fragen der Teilnehmer_innen:

Wird durch das Konzept der Sozialraumorientierung neue Stigmatisierung und Ausgren-

zung gefördert?

Wie kann das Konzept der Sozialraumorientierung gelingen und wollen wir das über-

haupt?

Wie kann die Schnittstellenarbeit zwischen ambulanten, teilstationären und stationären

Einrichtungen verbessert werden?

Wie müssen Sozialarbeiter_innen ausgebildet werden, um das Konzept kompetent um-

zusetzen?

Was muss an Spezialdiensten bleiben?

Wie können Gelegenheiten geschaffen werden?

Was bedeutet Sozialraum?

In der Gruppe wurde lange über den Begriff des Sozialraums diskutiert. Konsens war, dass

Sozialraum immer von den Adressat_innen aus gedacht werden muss. Es sind die Versor-

gungsnetzwerke und Ressourcenzugänge der Adressat_innen, die deren Sozialraum kon-

struieren. Leistungserbringer_innen sind nicht (mehr) die Institutionen sondern die Kli-

ent_innen selber. Auch die Haltung in Bezug auf die Klient_innen muss sich ändern. Die

Perspektive weg von Institutionen und hin zur/m Klient_in muss geschärft werden – das ist

eine Herausforderung des Konzepts der Sozialraumorientierung.

Herr Budde gab einige Beispiele, wie fallunspezifische Arbeit im Sozialraum praktisch aus-

sehen kann. Das Netzwerken ist einer der wichtigste Bausteine: Mit Menschen in Kontakt

kommen, aktive Befragung durchführen und soziale Schuld aufbauen.

Das Problem ist dabei: Im Privaten wird so etwas automatisch gemacht, aber es auf die

professionelle Ebene zu heben, fällt vielen Sozialarbeiter_innen schwer. Nicht jede/r ist

ein „Netzwerktyp“

Das Problem der Stigmatisierung wurde ebenfalls lange diskutiert. Klient_innen wollen oft

kein „outing“, wie soll dann Sozialraumorientierung gelingen? Es sind doch gerade die

Schutzräume, die von den Klient_innen aufgesucht und genutzt werden.

Man war sich darüber einig, dass beides Bestand haben müsse. Es wird immer die Schutz-

räume geben (müssen) aber um Ausgrenzung langfristig abzubauen, können nur Begegnun-

gen helfen. Da kann das Konzept des Sozialraumorientierunge helfen.

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Fazit:

Das neue Konzept hat glühende Verfechter_innen und pessimistische Kritiker_innen. In ei-

nem waren sich aber alle einig:

Eine kostenneutrale Umstrukturierung kann nicht gelingen. Das Konzept ist zu zeitauf-

wenig und kostet zu viel Geld - die Träger brauchen mehr Geld um das Konzept der So-

zialraumorientierung umzusetzen!

Die Angst, das neue Konzept gehe zu Lasten der Einzelfallbetreuung und somit zu Las-

ten der Klient_innen ist immer noch groß.

Einige Teilnehmer_innen befürchteten, dass durch das neue Konzept der Einzelfall zu

kurz käme und die Klient_innen am Ende die Leidtragenden seien

Andere Teilnehmer_innen befürworten das Konzept und forderten andere auf, wieder

mehr Lust am neuen zu entwickeln.

AG II Ausgrenzungs- und Einschließungswirkungen

Unter der Fragestellung „War das alte System inkludierend? Ist es das neue?“ wurden fol-

gende Themen diskutiert:

Interessen, Vormittagsreflexion, Diskussion

Warum sind keine Betroffenen anwesend oder nur sehr wenige? > Exklusion?

Wo ist die/er Klient_in? Wann kommt sie/er zu Wort?

Wenig Vertretung durch die sozial-psychiatrischen Dienste!

Beschränkung durch Betrachtung der ambulanten Sozialpsychiatrie

o Problematik der geschlossenen Systeme: Exklusionsproblematik

o Mangelnde Vernetzung/ Schnittstellenproblematik

Transparenz/Leistungsbescheide

Leistungsbescheide sind unspezifisch – Wirkung?

Leistungsbescheide als „Black Box“

Hilfeplanerstellung als individuelle Leistung

„Metzler“ als hilfreiches Arbeitsargument? Definitiv ungeeignet!

Qualität

Wie verändert sich die Fachlichkeit vor Ort? Ist Arbeit ohne spezifische Ausbildung mög-

lich? Wird Qualität nur durch Fachkräfte gewährleistet?

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Behörde treibt Träger vor sich her: Warum nicht anders herum? > Position drehen: Leis-

tungsverbesserungen einfordern!

Leistungsmenge und Strukturqualität oder Wirkung? Wo will man hin?

Neues System stellt das alte in Frage: Wie wird Qualität gemessen?

Schutzbedürfnisse wahren, Sozialräume wahren? Verbindung ermöglichen! Keine Dog-

matiken, Sozialraumdebatte neu beleben

Was bedeutet eigentlich „Teilhabe“? Werteunsicherheit, Leitbildermangel im neuen wie

im alten System. Das ändert sich durch das Budget!? Neues System als Herausforde-

rung: Aktiv werden!

Ökonomisches

Motivation für neues System: Kostenreduzierung

7% Rendite als Zwang zur Verdichtung, Unmöglichkeit des Bezugs

Große Befürchtung: Im neuen System fallen Menschen mit großem Hilfebedarf raus!

Pauschalisiertes neues System könnte massiv ausgrenzen (v. a. bei komplexem Hilfebe-

darf)

Ökonomischer Vorteil durch fachlichen Schwenk über Fortbildungen. Das setzt Kosten

voraus. Investment in Personalentwicklung und Weiterbildung nötig („in die Köpfe“ nicht

in die Infrastruktur) > Einpreisung vorhanden?

ASP

Werte des Modells Trägersystem?

Haltung als Trägeraufgabe: Wird sie übernommen bzw. ausgeübt?

Was ist der Kreis (beim bekannten Schaubild: Inklusion)? Inklusion als Endzustand? Sind

wir alle in der Inklusion gefangen? Oder ist Inklusion eine Passage?

Begegnungsstätte als niedrigschwelliger Partner – ein positiver Aspekt

Prinzip „offene Tür“ als willkommenes Element und Chance

Zum neuen Modell besteht kein Konsens in der Trägerlandschaft

Kommt eine Trägerallianz wirklich erst zustande wenn die Träger „kaum noch atmen

können“?

Wie viel Öffnung ist für Träger und Klient_innenen möglich und nötig? „Entlassung“ in

den Sozialraum in dem die Klientin vorher nicht zurecht kam nach der Hilfe?

Neutarierung von offener und geschlossener Arbeit als Evolution

Schnittstellen: Heimsystem, Hartz IV, Wohnungslosenhilfe, Suchthilfe, SGB XI

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AG III Personenzentrierung

Für diese Gruppe wurde kein Protokoll erstellt.

AG IV Finanzierungssystematik

Lothar Flemming befragt die Teilnehmer_innen, aus welchen jeweiligen Bereichen sie in

Hamburg und Umgebung kommen. Bis auf zwei Ausnahmen, Berlin und Storman, komme

alle anderen Beteiligten aus Einrichtungen in Hamburg.

Es gibt einige Nachfragen zu dem Vortrag vom Vormittag, die als Fragen am Flipchart ge-

sammelt werden:

1) Große Probleme werden von den Teilnehmer_innen im Bereich der Finanzierung gese-

hen. Während des laufenden Jahres können sie nicht bei den finanziellen Möglichkeiten

nachjustieren. Es müssen mehr Klient_innen betreut werden, ohne dass die Träger mehr

Geld dafür zu erhalten.

o Zentral sind Fragen wir: Welche finanzielle Mittel habe ich als Träger für das

kommende Jahr zu erwarten? Warum gibt es ein Jahresbudget?

2) Es wird nach einer Planungssicherheit aus den Reihen der Verantwortlichen gesucht.

Sind Dreijahresbudgetkalkulationen hilfreich oder sollte eher auf eine fünf Jahresbudget-

kalkulation erweitert werden?

3) Wie sollen die fallunspezifischen Arbeiten von den Mitarbeiter_innen umgesetzt werden?

4) Wie können die Übergange von den ambulanten Hilfen zu den stationären Hilfen gestal-

tet werden?

5) Wie kann gegen Fehlleistungen gegengesteuert werden?

6) Ein Teilnehmer zeigt auf, dass die vermeidlich neuen Probleme alte Muster sind, die auf-

gegriffen werden. Ist die neue Steuerung und die damit verbundenen Probleme ein Rück-

fall in die Pflegesatzsystematik?

7) Wie kann die Steuerungsleistung intern gelöst werden?

8) Das Geld bleibt im System, aber die Fallzahlen werden weiter steigen. Gleiches Geld und

mehr Klient_innen, wie soll das funktionieren?

9) Nach welchem System wird der Hilfebedarf bemessen? Bedarfsbemessung?

10) Anbieterentwicklung? (Marktorientierung) Kleine PPM Träger sehen die einzige Lösung

darin, eine Kooperation mit anderen Trägern einzugehen. Für größere Träger ist das kei-

ne zwingende Option.

11) Es wird zukünftig gleiche Leistung mit unterschiedlichen Preisangeboten geben und so-

mit zu einem Preiszerfall bei den Anbieter_innen führen. Wie sind die Auswirkungen der

unterschiedlichen Preise?

12) Klärung offener Fragen?

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Direkt beantwortete Fragen:

Die Mitarbeiter_innen der PPM Einrichtungen erhalten 80% Patient_innenbetreuung

und 20% nichtpersonenbezogene Leistung. Wird es die Leistung noch so zukünftig

geben? Die 20% Bemessung sowie die zweistündigen Sockelbeträge wird es nicht

mehr geben. Ob prozentuale Angaben oder Minutensätze festgelegt werden, ist noch

nicht geklärt. In der Kalkulation der Bewilligung ist die nichtpersonenbezogene Leis-

tung enthalten und wird vom Träger verhandelt.

Hat der Kreis Storman irgendwelche Veränderungen zu erwarten? Mit dem Träger

werden die Leistungen verhandelt, ansonsten kommen keine Veränderungen auf ex-

terne Einrichtungen zu.

Klient_innen melden sich bei den Trägern auch zukünftig mit ihren Gutscheinen. Der

Gedanke ist, dass diese weiterhin bei den Behörden (Fachdienst) ihren Bedarf ermit-

teln lassen, um danach passende Träger empfohlen zu bekommen. Die/der Klient_in

sucht sich einen Bedarfsgeeigneten Träger aus. Die Realität zeigt, dass die betroffe-

nen Menschen erst zum Träger gehen und nicht zur Behörde. Menschen mit psychi-

schen Erkrankungen haben eine unterschiedliche Einstellung gegenüber ihrem Un-

terstützungsbedarf. Es ist ein Aushandlungsprozess, der dort gestaltet werden muss,

aber nicht nur in der Hand der/des Klient_in liegen kann. Inhalt und Umfang der Leis-

tung muss von Klient_in, Träger und Kostenträger gemeinsam geplant werden.

Grundsätzlicher Weg von einem Bedarf zu einer Leistung

Vorfeldarbeit wird meistens von den Mitarbeiter_innen der Träger geleistet

Klient_in kommt zum Träger

Es wird gemeinsam ein Antrag gestellt, wobei die/der Mitarbeiter_in häufig Mitspra-

cherecht hat

Ist kein Gutachten der Erkrankung vorhanden muss dieses erst beim Gesundheitsamt

oder eines Amtsarztes erstellt werden

Mit dem Material kann die/der Klient_in mit einer Person ihrer/seiner Wahl (meist

der/m Mitarbeiter_in des Träger) zur Behörde (Fachamt Eingliederungshilfe) gehen,

um die Bedarfsleistung feststellen zu lassen.

Es findet ein Verhandlungsprozess von Behörde, Träger und Klient_in statt.

Der Versuch der Beantwortung der Flipchart-Fragen

Es liegt in der Verantwortung der Träger auszuhandeln, wie viel er an Stunden für

die/den Klienten leistet und wie der Bedarf laut Gutschein bedient wird. Es herrscht

eine Risikobelastung für den Träger. Im alten System konnte der Träger klar ablesen

wie viel Stunden er pro Klient_in zu leisten hatte.

Die Bedarfsgerechte Leistung ist nicht immer übereinstimmend mit dem Bedarf der/s

Klient_in auf dem Gutschein. Aus dem Gutschein ist nicht ersichtlich, wie viele Stun-

den den Bedarf darstellen. Erst nach einer Weile werden die „Sollzahlen“ für den Trä-

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ger klar. Weitergehend kann der Träger seine Mitarbeiter_innen nicht darauf einstel-

len, da er nicht sicher ist, wie viel Stundenbedarf einzelne Klient_innen haben. Hier

muss auch angemerkt werden, dass Klient_innen einen unterschiedlichen Bedarf an

Stunden wollen. Einige Klient_innen sind mit weniger Betreuungsstunden der Einrich-

tung zufrieden als ihr Gutschein hergeben würde.

Die Festlegung von festen Standards z.B. für eine Begegnungsstätte wäre für die

Träger hilfreich. In dem neuen System sind keine Standards vorhanden an denen

sich die Träger festhalten können. Den Akteur_innen vor Ort wird selber überlassen,

wie mit dem Bedarf umgegangen wird. So ist der naheliegende Ausweg die Koopera-

tion mit anderen Einrichtungen, um weiter bestehen zu können. Hingegen ist es so,

dass wenn es keine vorformulierten Standards gibt, die Träger mehr Handlungsfrei-

räume haben.

Die neue Steuerung könnte dazu führen, dass einige kleinere Träger ohne Zwangs-

kooperation nicht weiter arbeiten können. Dies wäre ein hinderlicher Ansatz dem eher

angespannten Verhältnis zwischen Behörden und Trägern in Hamburg entgegen zu

wirken.

Das zentrale Thema dieser Diskussion ist die Bedarfsbemessung. Es geht um die

Bemessung des Bedarfs einer/s Klient_in. Die Bedarfsbemessung muss transparent

werde. Es handelt sich um ein vereinbartes Verfahren, welches alle Beteiligte mit ein-

bezieht.

Aus der Perspektive der/s Klient_in ist das neue System (Gutschein) undurchsichtig.

Die Klient_innen sollen informiert und nicht übergangen werden.

AG V Rechtsstellung der Leistungsempfänger_innen

Beitrag folgt.

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Moderation

Die Veranstaltung wurde moderiert von Burkhard Plemper. Burkhard Plemper ist Soziologe

und Journalist, Moderator zahlreicher Tagungen und Kongresse, er berichtet für Hörfunk und

Fernsehen über Gesundheits- und Sozialpolitik. Im Jahr 2002 wurde er für ein Hörfunk-

Feature über das Leben und Sterben auf einer Palliativstation mit dem Deutschen Sozial-

preis ausgezeichnet.

Burkhard Plemper arbeitet im Vorstand der „Aktion Demenz“ und ist Lehrbeauftragter an der

Ev. Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie Hamburg.

mehr unter http://www.plemper-hamburg.de/

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Vita der Referent_innen

Wolfgang Bayer, geb. 1958, Dipl. Pädagoge, Sozialmanager Univ., tätig als Stiftungsbe-

reichsleiter für Sozialpsychiatrie und Altenhilfe im Rauhen Haus in Hamburg. Fachlich-

wissenschaftliche Schwerpunkte: u.a. Entwicklung und Praxis sozialraumorientierter Unter-

stützungsformen für Menschen mit komplexen Störungen, Theorie-Praxis-Transfer in Praxis

und Ausbildung, Personalentwicklung,

[email protected]

Wolfgang Budde, geb. 1953, Dipl. Sozialarbeiter, Supervisor DGSv., tätig als Dozent an der

Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit der „Hochschule für angewandte Wissenschaften“ in

Coburg. Fachlich-wissenschaftliche Schwerpunkte: u.a. Theorie und Praxis sozialraumorien-

tierter Arbeit im Fall und im Feld, Begleitung von sozialräumlichen Umbauprozessen von

öffentlichen und freien Trägern in der Jugendhilfe und Eingliederungshilfe.

[email protected]

Andrea Deuschle, geb. 1966, Dipl.-Haushaltsökonomin, tätig als selbstständige Unterneh-

mensberaterin im Non-Profit-Bereich mit den Schwerpunkten Organisationsberatung, Chan-

ge-Management und Interimsmanagement sowie als freie Mitarbeiterin am Institut Perso-

nenzentrierte Hilfen, Fulda, und Fortbildungsreferentin/ Trainerin für Integrierte Teilhabepla-

nung (ITP).

[email protected]

Lothar Flemming, geb. 1954, Diplom-Soziologe, Supervisor DGSv, tätig als Fachbereichs-

leiter Sozialhilfe II im LVR-Dezernat Soziales und Integration in Köln; Fachliche Schwerpunk-

te: u.a. Steuerung der Eingliederungshilfen sowie Konzeptionierung der Leistungen zum

Wohnen beim überörtlichen Sozialhilfeträger.

[email protected]

Axel Georg-Wiese, geb. 1951, Dipl.–Soz.päd.; Paar- und Familientherapeut, Supervisor;

langjährige Tätigkeit in einer Beratungsstelle für erwachsene Männer mit sozialen und psy-

chischen Schwierigkeiten; seit 1996 Referent für Sozialpsychiatrie, seit 2013 Leitung des

Referats berufliche Eingliederungshilfe in der Abt. Rehabilitation und Teilhabe in der Behörde

für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg.

[email protected]

Jan Pörksen, geb. 1964, Volljurist, seit 2011 Staatsrat der Behörde für Arbeit, Soziales,

Familie und Integration der Freien und Hansestadt Hamburg und damit auch zuständig für

den Bereich Rehabilitation und Teilhabe.

[email protected]

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Reza F. Shafaei, Dr., geb. 1975, Volljurist, Rechtsanwalt, tätig als Rechtsanwalt in der

Kanzlei Dr. Shafaei & Partner sowie als Vertretungsprofessor für Öffentliches Recht und So-

zialrecht an der „Hochschule Neubrandenburg“. Fachlich-wissenschaftliche Schwerpunkte:

u.a. Sozial- , Rehabilitations-, Heim-, Gesundheits- und Medizinrecht, Eingliederungshilfe;

Servicestellen für Rehabilitation, Föderalismusreform und Behindertenhilfe, Betriebliches

Eingliederungsmanagement.

[email protected]

Ingmar Steinhart, Prof. Dr, geb. 1955, Dipl. Psychologe, tätig als Geschäftsführer der

Bethel.regional in Westfalen, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Sozialpsychiatrie

Mecklenburg-Vorpommern (AN-Institut der Universität Greifswald), Leitung von Modellprojek-

ten LV Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern. Fachlich-wissenschaftliche Schwer-

punkte: u.a. Heim-ersetzende ambulante Hilfen, Versorgungsstrukturen für Menschen mit

psychischen Erkrankungen, Verbindung von Ökonomie und Fachlichkeit.

[email protected]; [email protected]