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DIE ZEITUNG DER SOZIALISTISCHEN JUGEND ÖSTERREICH. REICHE BESTEUERN ! „Armer Mann trifft reichen Mann. Wärst du nicht reich, wär ich nicht arm.“ — Bertold Brecht. Die Finanz- und Wirtschaftskrise bringt Schulden und Einkom- mensverluste? Das trifft auf Staaten zu, auf ArbeitnehmerInnen und SozialhilfeempfängerInnen. Die Gruppe der Working Poor, also jener Menschen, die trotz Arbeit in Armut leben, beträgt in Öster- reich mittlerweile 492.000 Personen, das sind 6 % der österreichi- schen Bevölkerung. seite 4 LINKS IM DRUCK. Ausgabe 2/10 Juli 2010 www.sjoe.at Ein solidarisches Zusammenleben ist möglich ! Interview mit Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger seite 08 Also I find des NET supa ! Alles andere als super sind die Rechte der ArbeiterInnen in Unternehmen wie XXX-Lutz seite 12 Kampf der modernen Sklaverei Atypische Arbeitsverhältnisse, Teilzeitjobs, geringfügige Beschäftigung, Pflichtpraktika seite 14

Trotzdem 02/10

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Zweite Ausgabe im Jahr 2010

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DIE ZEITUNG DER SOZIALISTISCHEN JUGEND ÖSTERREICH.

REICHE BESTEUERN !

„Armer Mann trifft reichen Mann. Wärst du nicht reich, wär ich nicht arm.“ — Bertold Brecht.Die Finanz- und Wirtschaftskrise bringt Schulden und Einkom-mensverluste? Das trifft auf Staaten zu, auf ArbeitnehmerInnen und SozialhilfeempfängerInnen. Die Gruppe der Working Poor, also jener Menschen, die trotz Arbeit in Armut leben, beträgt in Öster-reich mittlerweile 492.000 Personen, das sind 6 % der österreichi-schen Bevölkerung. seite 4

LINKS IM DRUCK.

Ausgabe 2/10Juli 2010

www.sjoe.at

Ein solidarisches Zusammenleben ist möglich !Interview mit Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger

seite 08

Also I find des NET supa !

Alles andere als super sind die Rechte der ArbeiterInnen in Unternehmen wie XXX-Lutz

seite 12

Kampf der modernen Sklaverei

Atypische Arbeitsverhältnisse, Teilzeitjobs, geringfügige Beschäftigung, Pflichtpraktika

seite 14

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EDITORIAL 03EDITORIAL 03

ie schwerste Wirtschafts-krise der letzten 80 Jahre erreicht in ihrer dritten Welle, nach den Finanz-

märkten und der Realwirtschaft, mas-siv die öffentlichen Haushalte. Eine enorme Konsolidierungsnotwendig-keit trifft europaweit die Budgets aller Gebietskörperschaften. Da der bei weitem größte Teil öffentlicher Aus-gaben unmittelbar oder sehr rasch in Form von Transfers und Leistungen an die Bevölkerung zurück!ießt und den Sozialstaat erhält, gerät dieser sowie die Verteilungsgerechtigkeit allge-mein sukzessive stärker unter Druck. Jeder Einschnitt bei Sozialleistungen, Staatsausgaben oder der Bevölkerung wirkt sich aktuell besonders negativ auf die sich zögerlich erholende Kon-junktur aus. Um diese Entwicklung zu stoppen, um den öffentlichen Haus-halten und damit dem Sozialstaat das Überleben zu sichern, und letztlich auch um die Konjunktur zu beleben, fordert die SJ schon seit Jahren mehr Verteilungsgerechtigkeit und ein gerechteres Steuersystem.

Am 11. und 12. Juni tagte der Bundesparteitag der SPÖ. Was viele vor einem Jahr – als die SJ die Kam-pagne „Reiche müssen zahlen – Rei-che besteuern“ startete - noch für fast unmöglich gehalten haben, wurde dort nach hartem, langen Ringen beschlossen: Neben der Einführung einer Finanztransaktionssteuer (alternativ: Börsenumsatzsteuer), einer Finanzvermögenszuwachs-steuer (Spekulationsfristen streichen, Steuerschlup!öcher stopfen), einer Reform der Stiftungsbesteuerung, Managergagen–Absetzbarkeit nur bis 500.000 ", Reform der Gruppen-besteuerung, wurde auch die Erarbei-tung eines Modells für eine substan-zielle Vermögenssteuer beschlossen!

Diese inhaltliche Kehrtwende der Bundespartei ist jedoch nicht vom Himmel gefallen. Über ein Jahr lang haben fortschrittliche Kräfte auf den

unterschiedlichsten Ebenen in der Sozialdemokratie dafür gekämpft. Daher möchte ich an dieser Stelle jeder und jedem Einzelnen in der Sozialistischen Jugend danken, die

in ihren Orts-, Bezirks- oder Landes-parteien mit uns für diesen Kurswech-sel eingestanden sind. Dieser Erfolg bestärkt uns und zeigt, dass nicht nur die Arbeit in der SJ enorm bedeut-sam, sondern auch unser Anspruch richtig und erfolgreich ist, außer- und innerhalb der SPÖ für unsere eigenen Inhalte und Forderungen zu kämpfen. Wir wissen aber auch: Um unserem Anspruch langfristig gerecht werden zu können, reicht es nicht nur, als SJ in der Partei zu wirken. Ein tatsächlicher Kurswechsel braucht auch tatkräfti-ges und aktives Engagement unserer AktivistInnen und Mitglieder inner-halb der SPÖ. Der innerparteiliche Erfolg ist auch eine Motivation für die wichtige Parteiarbeit vor Ort.

Nun ist der Parteitag das Ende der Geschichte? De#nitiv nicht! Der Parteitag ist ein klarer, rasch abzu-handelnder Arbeitsauftrag für die Bundespartei. Diese darf keine Zeit verlieren, ein konkretes Vermögens-steuermodell auf den Tisch zu legen. Hierbei gibt es für uns eine ganz klare Präferenz: Wir und viele andere Kräf-te in der Sozialdemokratie wollen das GPA-DJP Vermögenssteuermodell und werden uns für dieses stark machen!

Außerdem müssen in den kom-menden Wochen und Monaten der inhaltliche Schwung vom Parteitag und die große Unterstützung der Bevölkerung – immerhin befürworten bereits 72% die Einführung von Ver-mögenssteuern – mitgenommen wer-den, um den Druck auf die Reichen und ihre Lobbypartei ÖVP zu ver-stärken. Nur wenn die SPÖ Druck auf die mitregierende ÖVP aufbaut, zeigt sich, dass es der Parteiführung ernst ist mit den erhobenen Forderungen und es sich nicht bloß um Taktik vor dem Parteitag handelte! Aber auch die SJ ist gefordert. Wir wollen Jugend-liche und ArbeitnehmerInnen mit unzähligen Aktionen in allen Bezir-ken Österreichs mit unserer Kampa-gne „Reiche müssen zahlen“ auf die verheerenden sozial-, arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Folgen der geplanten Sparmaßnahmen der ÖVP aufmerksam machen. Es sind die Zukunftschancen der Jungen, die von einer neoliberalen Sparpolitik zu Gra-be getragen werden. Für uns ist klar, dass die Sozialdemokratie in dieser entscheidenden Frage, wer die Fol-gekosten der Krise zahlt, ihrer Basis Erfolge schuldig ist. Ansonsten folgt der Plakatwelle „Zeit für Gerechtig-keit“ im Herbst eine Welle der Empö-rung, der sich auch die Sozialistische Jugend anschließen wird!

Vorwort von Wolfgang Moitzi

Der Grundstein istgelegt – die Nagelprobe kommt im Herbst !

Unsere Zukunftschancen dürfen nicht unter die Räder kommen – gemeinsam unzählige Aktionen für Vermögenssteuern umsetzen!

Erste Erfolge: SPÖ ist endlich auf Vermögens-

steuer-Linie umgeschwenkt!

Nun müssen Taten folgen!

Wolfgang MoitziVerbandsvorsitzender der SJÖ

D

Diese inhaltliche Kehrt-wende der Bundespartei ist jedoch nicht vom Himmel gefallen. Über ein Jahr lang haben fort-schrittliche Kräfte auf den unterschiedlichsten Ebenen in der Sozialde-mokratie dafür gekämpft.

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Die Reichen werden auch in der Krise noch reicher!

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Reiche besteuern !„Armer Mann trifft reichen Mann.

Wärst du nicht reich, wär ich nicht arm.“ — Bertold Brecht.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise bringt Schulden und Einkommensverluste? Das trifft auf Staaten zu, auf ArbeitnehmerInnen und SozialhilfeempfängerInnen. Die Gruppe der

Working Poor, also jener Menschen, die trotz Arbeit in Armut Leben, beträgt in Österreich mittlerweile 492.000 Personen, das sind 6 % der österreichischen Bevölkerung.

Reiche werden noch reicher!

ie Reichen dagegen wer-den immer reicher. Trotz Krise gibt es weltweit

immer mehr MillionärInnen. Die in Finanzmärkten veranlagten Werte (Aktien, Fonds, Anleihen) sind im Vorjahr alleine in Österreich um acht Prozent auf 676 Milliarden Dollar gewachsen. Dass die Veran-lagungen sogar über dem Vorkri-senniveau liegt, überrascht selbst die Autoren der Studie der Boston Consulting Group (BCG). Europa bleibt mit einem Vermögen von 37 Billionen Dollar reichste Region der Welt, knapp gefolgt von Nordameri-ka mit 35 Billionen Dollar.

Während der Krise erweitert sich also der Klub der Millionä-rInnen weltweit um 14 Prozent auf 11,2 Millionen Haushalte. In Österreich stieg die Zahl der Mil-

lionärInnen ebenfalls auf 39.077 im Vorjahr, also ein Plus von 3.495 Personen.

1 % hat soviel wie 90 % der Bevölkerung

Diese Tatsache ist auch bei der Ver-teilung des Vermögens in Österreich deutlich sichtbar. 37.000 Menschen, nicht einmal 1 Prozent der Bevölke-rung, verfügen über 5,7 Mrd. Euro. Hingegen bilden 739.000 Men-schen die untersten 20 % der Ein-kommen und verfügen nur über 2,1 Mrd. Euro. Wie ungerecht die Ver-teilung von Vermögen in Österreich ist zeigt, dass die reichsten 10 % der ÖsterreicherInnen etwa 70 % des Gesamtvermögens besitzen. Damit verfügt das reichste Prozent der Bevölkerung über dasselbe Ver-mögen wie die unteren 90 Prozent! Allein auf die 10 reichsten Perso-

nen bzw. Familien (Piëch, Flick, Mateschitz und KonsortInnen) entfallen unvorstellbare 59 Mrd. Euro. Nicht aber den Superreichen, sondern den ArbeitnehmerInnen, Jugendlichen und PensionistInnen

richten neoliberale ÖVP-Hardliner á la Karlheinz Kopf aus, sie hätten „über ihren Verhältnissen gelebt“ und müssten nun eben „den Gürtel enger schnallen“.

Österreich – Steuereldorado für Superreiche

Der weltweite Steuerwettlauf zwi-schen den Staaten führt dazu, dass Steuern auf Gewinne und Vermögen laufend gesenkt werden. Damit sol-len Unternehmen und Kapital ins Land gelockt werden. Österreich ist nicht Opfer dieser Entwicklungen, sondern Vorreiter und Täter: Die Besteuerung der Unternehmens-gewinne liegt deutlich unter dem EU-Schnitt, Vermögen werden in keinem andern Industrieland so gering besteuert wie bei uns. Der Beitrag der Steuern auf Vermögen zur Staats! nanzierung hat sich in

DNicht aber den Super-reichen, sondern den ArbeitnehmerInnen,

Jugendlichen und Pensi-onistInnen richten neoli-

berale ÖVP-Hardliner á la Karlheinz Kopf aus, sie

hätten „über ihren Ver-hältnissen gelebt“ und

müssten nun eben „den Gürtel enger schnallen“.

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den letzten 30 Jahren um 2/3 verringert, obwohl die Vermö-gen sehr stark angewachsen sind. Konkret wurde 1993 die Vermögensteuer abgeschafft, die Einheitswerte von Grundstü-cken, die als Grundlage für die Besteuerung dienen, wurden seit 1983 nicht mehr angepasst und entsprechen nur einem Zehn-tel der Marktpreise. Die 1993 geschaffene Rechtsform der „Privatstiftung“ ermöglicht es, dass in Österreich ausgerech-net die Reichsten die geringsten Steuersätze auf ihre Einkommen zahlen. Würden die Vermögens- und Gewinnsteuern nur so viel zur Staats!nanzierung beitragen wie im EU-Durchschnitt, dann hätte Österreich in den letzten Jahren rund 7 Mrd. Euro pro Jahr mehr eingenommen und damit satte Budgetüberschüsse – Sozialleistungen müssten nicht gekürzt werden .

Arbeit steuerlich überbelastet, Steuerzahlen wird unpopulär

Der Steuerausfall aus Gewinn und Vermögen ist so massiv, dass die FinanzministerInnen die nötigen Staatseinnahmen zunehmend von den Löhnen und Gehältern der ArbeitnehmerInnen holen „müssen“. Der Faktor Arbeit ist wenig mobil – nicht alle können ihren Arbeitsplatz kurzerhand nach Liechtenstein übersiedeln. EU-Kommissar Mario Monti hat 1998 vorgerechnet, dass in der EU die durchschnittliche Besteu-erung von Arbeit in den letzten 15 Jahren von 35 auf 42 % ange-stiegen ist, während die Kapi-talbesteuerung von 45 auf 35 % zurückging. In Österreich ist die Auseinanderentwicklung noch krasser: Der Anteil der Unter-nehmensgewinnsteuern am Gesamtsteueraufkommen hat sich seit 1965 von 27 auf 14 % halbiert. Gleichzeitig hat sich

der Anteil der Lohnsteuer am Gesamtsteueraufkommen von 10 auf 30 % verdreifacht.

Kein Wunder, dass die Bevöl-kerungsmasse vorm Steuerzah-len stöhnt und eine Senkung der Abgabenquote wie einen Wetter-sturz bei 42 Grad Sommerhitze herbeisehnt. Was die meisten aber nicht wissen: Wären Gewin-ne und Vermögen angemessen besteuert, könnte der Staat bei deutlich geringerer Lohn- und Einkommensteuer dieselben Leistungen und sogar noch mehr Investitionen erbringen, auf die schließlich niemand verzichten will: Schulen, Krankenhäuser, Straßen und Eisenbahnen.

Zeit für ehrliche Gerechtig- keit – Reiche besteuern!

Eine der wichtigsten Schritte zu einer Umverteilung von oben nach unten ist die Abschaffung

des Bankgeheimnisses. Von einer Abschaffung würden vor allem die österreichischen ArbeitnehmerInnen pro!tieren, da nur so wirkliche Kapitalsteu-ern eingehoben werden können. Wenn wir Gerechtigkeit und die Besteuerung von Vermögen wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass die über 39.000 MillionärInnen in Österreich ihr wahres Vermögen offenle-gen. Ein Fortbestand des Bank-geheimnisses begünstigt nur internationale Steuerhinter-zieherInnen und Superreiche, die das wahre Ausmaß ihres Vermögens verbergen wollen, um nicht angemessen zur Kasse gebeten werden zu können.

Vermögenssteuern – Wirkung

Neben der Beseitigung der ange-sprochenen Lücken im österrei-chischen Steuersystem wäre es wichtig eine Vermögenssteuer einzuheben.

Das wohl bekannteste Modell hierfür ist jenes der GPA-djp. Die-ses sieht vor, Vermögen ab einem Freibetrag bis 500.000 " stufen-artig zu besteuern. Auch der Ökonom Stephan Schulmeister schlägt eine einheitliche Besteu-erung von Vermögen mit 5 % ab dem Freibetrag von 100.000 " vor. Volkswirtschaftlich gesehen sind derartige Modelle sinnvoll. Der Staat kann sich so einen Teil des für die Budgetkonsolidie-rung notwendigen Geldes über reiche Gesellschaftsschichten ho-len. Gerade diese Schichten sind dazu geneigt, ihr Geld zu horten und entziehen es somit dem Wirtschaftskreislauf, was sich negativ auf das Wachstum auswirkt. Menschen mit gerin-gem oder mittlerem Einkommen hingegen sind wesentlich kons-umfreudiger und beleben die Wirtschaft stärker. Wird ihnen von ihren ohnehin schon dürfti-

gen Finanzmitteln noch zusätz-lich Geld entzogen, schadet dies den Personen direkt, aber auch dem Wirtschaftswachstum. Kurz gesagt: Haben die unteren Ein-kommensschichten weniger Geld in der Tasche, dann kaufen sie auch weniger. Das führt zu geringeren Einnahmen für die Unternehmen, was diese mit Arbeitsplatzreduzierung kom-pensieren, was aber in weiterer Folge noch weniger Konsum bedeutet! Budgetkonsolidie-rungen durch Sparpakete am Rücken der breiten Bevölkerung sind ein Garant für eine wirt-schaftliche Abwärtsspirale.

Deshalb ist es nötig, die Steueroase Österreich trocken-zulegen und anhand von Ver-mögenssteuern eine gerechtere Verteilung zu bewirken und zu garantieren, dass nicht jene, die schon im Zuge der Krise negativ betroffen waren nochmals zur Kasse gebeten werden!

COVERSTORY 05COVERSTORY 05

Wenn die 10 reichs-ten Personen bzw. Familien Öster-reichs den Gürtel enger schnallen, bleibt noch genü-gend Bauch über. (Vermögensreport 2010, Investment-gesellschaft Valluga, Liechtenstein)

Unser Land als Steueroase für Reiche

und Superreiche. Ein Missstand, der

schleunigst behoben gehört.

Andreas Beer

Das Vermögenssteuer-modell der GPA-djp (Gewerkschaft der Privatangestellten – Druck/Journalismus/Papier) kann unter www.fsg-gpa-djp.at/cms/uploads/steuern3.pdf abgerufen werden.

Julius, Ludwig, Fiona – die Anzahl der Superrei-chen ist nicht allzu groß, umso größer ist aber ihr Vermögen – auch und gerade nach der Finanzkrise.

Familie Swarovski — Swarovski

Gerhard Drexel & Familie — Spar

Heidemaria Horten — Erbin

Karl Wlaschek — Billa-Gründer, Immobilien

Erbprinz Alois v. Liechtenstein — LGT Bank, Kunst

Johann F. Graf — Novomatic

Dietrich Mateschitz — Red Bull

Familie Flick — Erben

Familien Porsche & Piech — Porsche

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INNENPOLITIK 07INNENPOLITIK 07

Nur noch wenige Seen sind in Kärnten

für die Öffentlich-keit zugänglich – und

dank ÖVP und FPK werden es noch

weniger.

Kärnten ist reich!“, ver-kündigte der damalige Landeshauptmann Hai-

der 2007 beim Verkauf der Hypo Group Alpe Adria an die Bayri-sche Landesbank. Was er damit genau gemeint hat, ist drei Jah-re später allerdings nur mehr durch Tischerlrücken in Erfah-rung zu bringen. Finanziell steht das Land mit dem Rücken zur Wand, reich ist Kärnten nur an Skandalen. Die meisten sind ja bereits hinlänglich bekannt, es lohnt aber allein aufgrund der zunehmenden Häu!gkeit ihres Auftretens in den letzten Jahren, eine Aufstellung ohne Anspruch auf Vollzähligkeit zu liefern.

So passiert es zwar gelegent-lich, dass gegen hochrangige PolitikerInnen wegen Korrup-tionsaffären ermittelt wird, im Fall von Uwe Scheuch, immer-hin Obmann der FPK, kommt aber auch noch ein ungarischer Haftbefehl wegen der Rolle des Mölltalers in einem Versiche-rungsbetrug hinzu. Da fallen

die 82.716 Euro an EU-Agrar-subventionen für ihren Betrieb, die die beiden Scheuch-Brüder an den Unvereinbarkeitsaus-schuss des Landes zu melden „vergessen“ haben, fast nicht mehr ins Gewicht- die Meldung wird den zwei deklarierten Europa-Gegnern wohl pein-lich gewesen sein. Ihr Kollege, Landesrat Christian Ragger, ist ebenfalls im Begriff, über die Meldep"icht zu stolpern. So hat er den Landtag nicht über seine Teilhaberschaft an einer Anwaltskanzlei informiert, die zu allem Über"uss auch noch Fälle übernommen haben soll, wo Ragger als Behörde den Letztentscheid hat.

Vergleichsweise wenig Probleme hat da Landeshaupt-mann Gerhard Dör"er: Seit ihm von der Justiz attestiert wurde, dass er nicht weiß, was er tut , tut er, was er will - miese Witze inbegriffen. Davon kann ÖVP-Landesrat Josef Martinz nur träumen: Nachdem öffentlich wurde, dass er einem mit ihm bekannten Steuerberater für ein Gutachten von sechs Seiten und fragwürdigem Inhalt 12 Millionen Euro an öffentlichen Geldern zuschanzen wollte , ist bei der ÖVP eine Obmann-Dis-kussion losgebrochen, von der sich Martinz wohl kaum erho-len wird.

Angesichts solcher Zustän-de ist es wenig überraschend, dass es um die Lösungskompe-

tenz dieser Koalition des Schre-ckens nicht zum Besten bestellt ist. So fällt ihr zur Sanierung des Landesbudgets wieder ein-mal nur der Ausverkauf öffentli-chen Eigentums ein. Besonders problematisch ist dies im Fall von drei bei der Bevölkerung beliebten Badeseen. Da sich ein Großteil der Seezugänge in Kärnten in Privatbesitz be!n-det, wäre es wichtig gewesen, zumindest diese verbliebenen, zu diesem Zweck angekauften Grundstücke für die Öffentlich-keit zu erhalten. Aber das Geld wird zweifellos an wichtigeren Stellen gebraucht, etwa um die Versorgung der Kärntner Bevölkerung mit Uwe-Scheuch-Hochglanzbroschüren sicher-zustellen.

Da es in Anbetracht der eigentümlichen Urteile, die zuletzt in Prozessen von demo-kratiepolitischem Interesse gefällt wurden eher unwahr-scheinlich erscheint, dass es bei den handelnden Personen zu Verurteilungen kommt und mit Sicherheit keinen Tag früher als notwendig gewählt werden wird, bleibt der Sozialdemokra-tie in Kärnten nicht viel übrig, als die Skandale beim Namen zu nennen. Ein Hoffnungsschim-mer ist zweifellos, dass auch viele KärntnerInnen, die zuletzt BZÖ/FPK gewählt haben, von der Eventpolitik grob gesagt die Schnauze voll haben- die SPÖ mit Peter Kaiser, der als seriöser Politiker wahrgenom-men wird, hat daher im Moment gute Karten, in Kärnten wieder zu punkten.

Heimo Maucka

Wird bald still umman SeeMit der bevorstehenden Privatisierung von drei Kärntner Seen ist ein neuer Tiefpunkt in dieser an solchen nicht gerade armen Regierungsperiode von Schwarz-Blau/Orange/Hellblau erreicht.

Hypo Alpe Adria:Kärntner Kreditinstitut, das vor 3 Jahren durch die Bayerische Lan-desbank übernommen wurde. Im Zuge der Übernahme haben zahl-reiche namhafte Indus-trielle aus Deutschland und Österreich fett profitiert, höchst-wahrscheinlich unter Inanspruchnahme von Insiderwissen. Bayern und dessen Landes-bank haben durch die Hypo über 3 Mrd. Euro verloren.

Kärnten

SJG und SPÖ Kärnten protestieren: „Letzte Grüße von den Kärntner Seen – jetzt zu 100 % privatisiert!“

Angesichts solcher Zustände ist es wenig überraschend, dass es um die Lösungs-

kompetenz dieser Koalition des Schreckens nicht zum Besten bestellt ist.

So fällt ihr zur Sanierung des Landes-budgets wieder einmal nur der Ausverkauf

öffent lichen Eigentums ein.

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08 INNENPOLITIK08 INNENPOLITIK

Trotzdem: In den Diskussionen über AsylwerberInnen und Integration wird vieles vermischt, das eigent-lich nicht zusammen gehört. Es wird suggeriert, dass es „schlechte“ und „gute“ AusländerInnen gibt. Die guten sind jene, die sich „anpassen“. Wie de!nierst du Integration und wie schätzt du diese Debatten ein?

Sandra: Mein integrationspolitisches Ziel ist, dass alle in Vielfalt respekt-voll zusammenleben, getragen von einer klaren Haltung gegen Rassis-mus und Fremdenfeindlichkeit. Ich sehe Vielfalt und damit Zuwande-rung als Chance und als Potenzial für eine sozial gerechte Zukunft. Dafür brauchen wir in erster Linie gleiche Chancen für alle auf allen Ebenen. Wir müssen den sozialen Aufstieg von MigrantInnen ebenso fördern wie von sozial Benachteiligten. Wir müssen vor allem den Jugendli-chen echte Ausbildungs- und damit Arbeitsmarktperspektiven geben. 50 Prozent der Kinder in Wien haben Migrationshintergrund. Auf dieses Potenzial zu verzichten hie-ße, auf die Hälfte unserer Zukunft zu verzichten! Bedauerlicherweise werden in der öffentlichen Ausein-andersetzung die Themen Zuwan-derung und Integration immer nur am Problem, am De!zit diskutiert, und weitab jeder Sachlichkeit. Dazu kommt: Asyl, Zuwanderung und Integration wird immer wieder mit Sicherheit und Kriminalitätsbe-kämpfung verquickt. Daher wäre es auch so wichtig, auf Bundesebene Sicherheit und Integration endlich voneinander zu entkoppeln. Das permanente Vermengen bereitet jedenfalls ein negatives Klima auf, in dem dann Hetzparolen auf frucht-baren Boden fallen. Umso wichtiger ist es, dass wir klar Haltung zeigen gegen rechts, für Vielfalt, für Soli-darität und Zivilcourage und das in einem breiten Bündnis mit der Bevölkerung. Das heißt: Vehement gegen Angstmache, „das Boot ist voll“- Mentalität, „ewige Gestrig-keit“ auftreten! Wir müssen deut-lich sagen: am Zusammenleben in Vielfalt führt kein Weg vorbei, dabei aber gleichzeitig signalisieren, dass wir niemanden zurücklassen!

Trotzdem: Welche Integrationsmaß-nahmen setzt die Stadt Wien? Was läuft dabei super und wo fehlt noch etwas?

Sandra: Wir haben in Wien ein fun-diertes Integrationskonzept. Maß-stäbe gesetzt hat Wien sicher mit der Einrichtung der Wiener Zuwan-derungskommission, die übrigens auch gezeigt hat wie wichtig und hilfreich ein breiter Diskurs und die Einbeziehung von ExpertInnen und NGO’s sind. Warum haben wir

das getan: Weil wir klare Regeln für Zuwanderung brauchen statt einer undurchsichtige Fekter-Novelle nach der anderen, die die Menschen nur verunsichert! Weil wir Zuwan-derung und Integration nicht dem Zufall überlassen wollen und weil wir mit Sachlichkeit den Ängsten der Menschen gegensteuern wol-len. Und das ist aufgegangen: Denn der Bericht der Kommission räumt genau mit jenen falschen Bildern auf, die in der öffentlichen Debatte permanent strapaziert werden. Wir werden eben nicht von unquali!-zierten ZuwanderInnen aus Dritt-staaten bzw. von AsylwerberInnen überschwemmt. Die Hauptzuwande-

rung kommt in den nächsten Jahren aus der EU, der Wettbewerb um die Hochquali!zierten wird zunehmen und die Drittstaatenzuwanderung wird stagnieren. Wir haben mit dem Bericht der Kommission ein bestens geeignetes Navigationsinstrument in der Hand! Derzeit arbeitet die Kommission an einem neuen klaren kriteriengeleiteten Zuwanderungs-

modell, das auch als Empfehlung für die Bundesebene gelten wird. Wien hat im Integrationsbereich aber auch auf der Maßnahmenebene eine Reihe von „Best-practice“-Modellen aufzuweisen. Mit dem umfassenden Programm zur Niederlassungsbe-gleitung „Start Wien“ werden Neu-zuwanderInnen vom ersten Tag an gezielt unterstützt, so rasch als möglich in Wien Fuß zu fassen – vom Erlernen der Sprache über den Einstieg in den Arbeitsmarkt bis hin zum Zusammenleben. „Start Wien“ wurde vor kurzem auch mit dem österreichischen Integrati-onspreis ausgezeichnet. Besonders erfolgreich ist auch die Initiative „Sei

Umso wichtiger ist es, dass wir klar Haltung zeigen gegen rechts, für Vielfalt, für Solidarität und Zivil-courage und das in einem breiten

Bündnis mit der Bevölkerung.

Integration — Interview mit Sandra Frauenberger

Ein solidarisches Zusammenleben ist möglich!

Integrationspolitik ist seit Jahren ein emotional diskutiertes The-ma, oftmals auch ein wahlentscheidendes. Aktuelle integrationspo-litische Maßnahmen in Wien können der Propaganda von Rechts, ein gemeinsames Zusammenleben sei aufgrund „unaufhebbarer kultureller Differenzen“ nicht möglich, entzaubern.

Sandra Frauenberger ist Wiener Stadträ-tin für Integration,

Frauenfragen, Konsu-mentInnenschutz

und Personal.

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INNENPOLITIK 09INNENPOLITIK 09

dabei“. Im Mittelpunkt steht dabei, die Kommunikation mit und zwischen den Menschen, egal ob schon lange ansässig oder zugewandert, zu verstär-ken. Denn es geht um ein neues „Wir“-Gefühl. Was zählt, ist das Finden gemeinsamer Interessen und das versuchen wir über „Sei dabei“ zu unterstützen! Wo wir nachrüsten müssen bzw. auch schon damit begonnen haben: Durch gezieltes Management beim Übergang von der Schule in den Beruf bzw. in weiterfüh-rende Ausbildungen, gilt es zu verhindern, dass die 15-Jähri-gen aus dem Bildungssystem

kippen und damit ein Teu-felskreis bis hin zur sozialen Abschottung beginnt. Was mir gerade in Zusammenhang mit Bildung besonders wichtig ist: Die gemeinsame, ganztägige Schule aller 10- bis 14-Jährigen ist nicht nur bildungs- sondern auch integrationspolitisch gese-hen ein absolutes Muss. Nur so kann es gelingen, die gläsernen Decken im Bildungssystem zu durchbrechen! Die Wiener Mit-telschule ist dafür das Modell. Auch bei älteren MigrantInnen gibt es noch Aufholbedarf. Die wollen wir durch aufsuchende Sozialarbeit erreichen und so auch für Deutschkurse gewin-nen. Vorbild dafür sind die Pariser Sozialcafés.

Trotzdem: Immer wieder fällt auf, dass das Kopftuch aus-schließlich als Symbol der Unterdrückung von Frauen gesehen werden kann – von lin-ken und rechten Parteien. Wie beurteilst du das Kopftuch? Welche dringenderen Maßnah-men als ein Verbot emp! ndest du als notwendig?

Sandra: Ja, es gibt dieses viel-fach vorherrschende Bild. Und es wird auch immer wieder benutzt, um mit Verbotsforde-rungen populistische Politik zu machen bzw. den Eindruck zu erwecken, mit solchen Ver-boten lösen wir alle Probleme mit einem Schlag. Wahr ist das Gegenteil: Ein Kopftuch-verbot ist kontraproduktiv. Denn es besteht die Gefahr,

dass die Frauen und Mädchen aus der offenen Gesellschaft hinaus, wieder in die Familien mit konservativem Frauenbild hinein gedrängt werden. Ver-schwinden Kopftuch tragende Mädchen und Frauen aus dem öffentlichen Leben, sind sie für uns nicht mehr greifbar. Der richtige Weg ist es daher, Frau-en für ein unabhängiges, selbst-bestimmtes, sicheres Leben zu unterstützen und sie bei Zugang zu Bildung, Weiterbildung und Job massiv zu fördern. Die Wie-ner Maßnahmen gehen daher gerade in Richtung Ausbildung und Unterstützung von Mig-rantinnen beim Einstieg in Arbeitsmarkt. Dennoch gilt es auch jene zu unterstützen und stärken, die das Kopftuch nicht tragen wollen. Es geht nicht um ein „Entweder-Oder“, sondern im Sinne des empowerments von Frauen und Mädchen, um ein „Sowohl-als-auch“! Was fest steht: Gleichstellung und Frau-enrechte sind mit uns ebenso wenig diskutierbar wie die Trennung zwischen Religion und Staat!

Trotzdem: Ein ziemlich großer Teil der SPÖ-WählerInnen in Wien hat einen Migrationshin-tergrund, in der Partei aktiv sind allerdings eher wenige MigrantInnen. Woran liegt das und wie können wir Migran-tInnen für die politische Arbeit motivieren?

Sandra: Das stimmt für Wien jedenfalls nicht. Wir sind mit

zahlreichen KandidatInnen sowohl für die Bezirksvertre-tungs- als auch für die Gemein-deratswahl gut aufgestellt. Die-se GenossInnen sind in engem Kontakt mit den communities, um noch mehr Frauen und Männer mit Migrationshinter-grund für unsere Bewegung zu gewinnen. Und da sind sie sehr erfolgreich! Generell muss es aber vor allem darum gehen, allen MitbürgerInnen mit Mig-rationshintergrund die Mög-lichkeit zur Mitbestimmung geben. Denn keine Integration, keine Gleichstellung ohne Par-tizipation. Nur wer mit gestal-ten kann, fühlt sich akzeptiert und ist auch bereit sich zu engagieren und politisch aktiv zu sein – „mit gestalten“, „mit-reden“, „mitbestimmen“ und damit auch wählen zu können, ist nicht nur demokratiepoli-tisch, sondern auch integra-tionspolitisch unabdingbar. Partizipation ist ohne Zweifel mehr als Wahlrecht: Daher unterstützen wir in Wien z. B. aktiv eine Vertretungsstruk-tur für ZuwanderInnenvereine in Wien als Plattform für Dia-log und Mitgestaltung. Fakt ist aber: gut zwei Drittel der Wiener Bevölkerung sind vom Wahlrecht ausgeschlossen! Daher kann es nur unser Ziel sein, weiter für das kommuna-le AusländerInnen–Wahlrecht zu kämpfen und es auch überall dort zu thematisieren, wo es um Partizipation geht.

Das Interview führte Laura Schoch.

Pariser Sozialcafés:Gemütliche Einrichtung

für Personen fortge-schrittenen Alters,

sowie älteren Migrant-Innen, betreut von

SozialarbeiterInnen, kul-turell und künstlerisch begabten HelferInnen

und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen. Die Sozialcafés stellen ein

vielfältiges Angebot zur Verfügung, inkludiert

sind etwa Unterhal-tungsmöglichkeiten,

Bildungs- und Gesund-heitseinrichtungen.

Empowerment:Strategien und Maßnah-men, die den Grad an Selbstbestimmung im Leben von Menschen erhöhen und sie darin unterstützen, ein eigen-mächtiges Leben unter Nutzung ihrer Gestal-tungsspielräume und Ressourcen zu führen.

Ein Kopftuchverbot ist kontraproduktiv. Denn es besteht die Gefahr, dass die

Frauen und Mädchen aus der offenen Gesellschaft hinaus, wieder in die

Familien mit konservativem Frauenbild hinein gedrängt werden.

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Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:Empowerment:

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Pro / Contra

10 PRO / CONTRA10 PRO / CONTRA

Die Frage lautet hierbei kon-kret: „Glaube an Gott - Hinder-nis oder Motivation beim Kampf für eine bessere Gesellschaft?“ Ich denke, dass hier einige Wör-ter einer genaueren De!nition meinerseits bedürfen, damit die Frage seriös beantwortet werden kann. Ich mache hier-bei eine individuelle De!niti-on der Begriffe, wobei ich mir

durchaus bewusst bin, dass sie auf Widersprüche stoßen wird. Zunächst einmal will ich Glau-be de!nieren. Glaube hat nichts mit Vermutung zu tun, sondern Glaube ist aus meiner Sicht in diesem Zusammenhang eine intellektuelle Re"exion über die grundlegenden Fragen wie z.B. nach dem Sinn des Lebens, die dann individuell unter einem bestimmten sozialen, ökono-mischen, religiösen und kultu-rellen Kontext beantwortet wer-den. Gott ist überhaupt eines der am schwierigsten zu de!nieren-den Wörter, da dieses Wort je nach sozialem, kulturellem und religiösem Hintergrund unter-schiedlich interpretiert wird. Ich werde daher versuchen eine möglichst allgemeine – aber doch individuelle – De!nition von Gott hier wiederzugeben. Dies kann ich natürlich nicht frei von meiner religiösen Ein-stellung (katholisch) tun. Gott ist meiner Meinung nach der erste,

letzte und absolute Seinsgrund, der den „Anstoß“ für den Urknall gab und vor dem alles Andere relativ wird. Insbesondere im ChristInnentum – aber auch im Islam, im JüdInnentum und in den meisten Hindu-Religionen – wird Gott mit Wörtern wie Liebe und Wahrheit identi!ziert. Am Rande sei noch zu bemerken, dass Gott keine menschlichen Wesensmerkmale wie z. B. Alter oder Geschlecht besitzt. Ein Hin-dernis ist für mich übrigens eine unüberbrückbare Hürde. Unter Motivation verstehe ich eine innere Haltung, mit der man als gut befundene Ideen mit der not-wendigen Konsequenz weiter verfolgt. Unter Kampf verstehe ich im Kontext dieser Frage eine hingebungsvolle Entwicklung von Strategien zur Umsetzung von Ideen. Etwas Besseres ist für mich etwas „Mehr“ von Etwas und der Feind des Guten, der zwischen den Guten und dem Absoluten bzw. Besten steht. Eine Gesellschaft ist für mich eine Summe von Individuen, die in Klassengesellschaften wie der aktuellen kapitalistischen Gesellschaft durch Klassenge-gensätze gespalten ist. Als eine bessere Gesellschaft verstehe ich persönlich eine sozialisti-sche, klassenlose Gesellschaft, in der es ein „Mehr“ an Solida-rität, Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit, Individualität und Demokratie gibt. Meine Ant-wort auf die mir gestellte Frage lautet daher auf Grund meiner De!nitionen: Da ich an das Absolute (=Gott) glaube (=mit-tels intellektueller Re"exion eine Antwort gebe), strebe ich selbstverständlich in meinem Leben das Bessere an (obwohl ich natürlich genau weiß, dass auch das Bessere nicht das Absolute bzw. das Beste ist). Gesellschaftlich gesehen ist für mich das Bessere zur aktuellen kapitalistischen Gesellschaft ganz einfach der Sozialismus (so wie oben de!niert).

Glaube an GottStellt der Glaube an Gott einen Widerspruch zum Kampf für eine bessere Gesellschaft dar, wenn nicht ein Hindernis? Oder erweist er sich als zusätzliche Motivation?

PROPRO

Glaube hin oder her – der Urknall wurde wissenschaftlich als Ausgangspunkt des Seins identifiziert. Dies brachte die Kirche(n) mit ihren Thesen arg in Erklä-rungsnotstand. Heu-te heißt es vonseiten des Vatikans, die Urknall-Theorie sei mit der katholischen Lehre vereinbar.

Mir wurde die schwierige Aufgabe gestellt, in der Zeitung einer marxistischen

Jugendorganisation zu begründen wie der Glaube an Gott zu einer besseren

Gesellschaft führen kann.

Markus Gartner:Bundessprecher ACUS-Youth – Jugend der ARGE Christentum und Sozialdemokratie Markus Gartner

Page 9: Trotzdem 02/10

PRO / CONTRA 11PRO / CONTRA 11

„Religion ist Opium für das Volk“, ließ Marx die Welt wis-sen und sprach damit auf die reaktionäre, ausbeuterische und systemtreue Rolle der Kir-che im Gesamtkomplex einer Klassengesellschaft an. Ablass-handel, Kirchensteuer und Bußgelder gekoppelt an die seit jeher bewahrende Ideologie der Kirche erfüllten unter anderem die Funktion der Stabilisierung eines Machtungleichgewichts im Staat zu Ungunsten der unterdrückten ArbeiterInnen. Macht und Position der Kirche hingen zu einem Gutteil von der Naivität bildungsferner Schich-ten ab, denen im Tausch für eine untergebene, der Herrschaft dienende Existenz im Diesseits ein Paradies im Jenseits ver-sprochen wurde.

Einige Jahre später brach-te die bürgerliche Ikonefe-ministin Simone de Beauvoir Marx´ berühmt gewordene Allegorie mit anderen Worten auf den Punkt: „Unwissenheit ist eine Situation, die den Men-schen genauso hermetisch ein-schließt wie ein Gefängnis.“ Auf die Rolle der Kirche umgelegt, wird deutlich, dass ihre verlo-gene Moral eine wesentliche Stütze für die Gefangenhaltung unterdrückter Massen in ihrer klassenbedingten Unfreiheit bildete.

An diesem Punkt wird sich mancheR zurecht fragen: Ist nicht zum einen auch unter dem Deckmantel des Sozialismus so einiges an Unrechtfertigbarem begangen worden, und zum anderen: Kann sich der Sozia-lismus neben der begründeten Kritik an institutionalisierter, in hohem Maße politischer und in annähernd allen Belangen reaktionärer Religion auch grundlegend gegen den Glau-ben an einen wie auch immer gearteten Gott aussprechen?

Er kann. Wenn auch nicht in einer Form, die sich gegen den zu respektierenden persön-

lichen Glauben einzelner rich-tet, so doch zumindest in theo-retischer Hinsicht mit Blick auf diverse Werte, die grundlegend mit dem religiösen Glauben in Zusammenhang stehen.

„Gott“, absehend von sei-ner rein sprachlich impliziten Männlichkeit, verkörpert die Vorstellung einer natürlichen Ordnung, einer himmlischen Instanz, deren Sorgetragen für uns Schäfchenherde zugleich eine Rechtfertigung für wal-tende Verhältnisse und Unge-rechtigkeiten zu sein scheint. Schließlich, wenn ein System nicht von Menschen geschaf-fen, und damit gleichfalls durch Menschenhand wieder abschaff- und ersetzbar ist, sondern bestimmt ist von Vor-sehung, göttlicher Unveränder-lichkeit und Schicksal, droht einem diese Erkenntnis im Hinblick auf Kampfgeist, Orga-nisation und revolutionäre Ver-änderungen etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Vor wenigen Tagen inmit-ten friedlicher Boboidylle im Museumsquartier stieß ich im spontanen Gespräch mit einem Architekturstudenten, dessen Lebensunterhalt nach wie vor von Papa bestritten wurde, auf

interessante neue Argumente. Nicht nur, dass an der Armuts-grenze lebende Menschen sei-ner Ansicht nach besonders edler Natur und authentischen Charakters seien, auch die natürlichen Kräfte, die unser Leben regelten, und die er als eine besondere Form göttlichen Waltens betrachtete, machten mich stutzig. Selbst abgesehen von kirchlichen Ritualen war mir sein eher extravaganter Göttlichkeitsbegriff suspekt. Denn ist nicht der Gedanke an sich, eine unbestimmbare Ins-tanz sei verantwortlich für Ver-hältnisse, die allein uns betref-fen, ein Widerspruch zu unserer Eigenmächtigkeit, unserem Vermögen, ungerechte Systeme zu beseitigen und das Leben im Diesseits auf neue und bessere Weise zu organisieren? Gerade diese Überzeugung aber macht uns zu scharfen KritikerInnen der kapitalistischen Gesell-schaftsordnung, rebellischen GegnerInnen sexistischer und keineswegs natürlicher Geschlechterverhältnisse, AntirassistInnen und mutigen KämpferInnen. Kurzum: zu SozialistInnen, die wir sind!

CONTRACONTRA

Der Standpunkt einer linken Jugend-organisation gegenüber Religion

im Allgemeinen ist zu unterscheiden von ihrer Positionierung gegenüber

der Religiosität einzelner Mitglieder.

Anna Svec

Anna Svec:Bezirksvorsitzende Sozialistische Jugend Hernals

Glaube hin oder her – der Urknall wurde wissenschaftlich als Ausgangspunkt des Seins identifiziert. Dies brachte die Kirche(n) mit ihren Thesen arg in Erklä-rungsnotstand. Heu-te heißt es vonseiten des Vatikans, die Urknall-Theorie sei mit der katholischen Lehre vereinbar.

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Gewerkschaften

Also I find des NET supa !Wo ist die schöne Zeit hin, als die Gewerkschaften noch schlagkräftig und die Unternehmen noch beugsam waren? Ich habe mich auf die Suche nach ihr begeben, und musste bedauerlicher-weise feststellen, dass die Situation in österreichischen Großhandelskonzernen - als die Feinde jeglicher Art der Gewerkschaftsbewegung - ein Bild der Traurigkeit abgibt. Bei meiner Recherche über die „Betriebsratlosigkeit“ von Möbelmogul XXX-Lutz stieß ich deshalb hauptsächlich auf kurze Antworten, Desinteresse und allen voran auf eine Mauer des Schweigens.

chon komisch: Da hat die europäische ArbeiterInnen-bewegung jahrzehntelang

dafür gekämpft, dass es höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingun-gen, mehr Mitbestimmung und vor allem BetriebsrätInnen in jedem Unternehmen gibt. Nichtsdesto-trotz scheinen die Forderungen heute langsam aber sicher in der Versenkung zu verschwinden. Vor allem Großkonzerne scheinen den Gewerkschaften den Zutritt zum Unternehmen zu versagen und unterbinden ihren Angestellten jegliche Form von arbeitsrechtlicher Mitbestimmung. Wenn in diesem Artikel deshalb vor allem von XXX-Lutz gesprochen und die Situation in diesem Konzern geschildert wird,

muss im gleichen Atemzug erwähnt werden, dass dies bei weitem keinen Einzelfall darstellt. Nicht nur die Kette mit dem großen roten Stuhl, sondern auch der „Heidi-Klum-Douglas“, der „Geiz-ist-geil-Saturn“, der „Armin-Assinger-Hervis“, der „Ich-bin-doch-nicht-blöd-Mann-Mediamarkt“ und der eh schon lang bekannte „lohnt-sich-Lidl“ haben allesamt keine of!zielle Arbeitneh-merInnenvertretung.

Warum wird ein Betriebsrat unterbunden?

Der Betriebsrat stellt eines der wichtigsten institutionalisierten Vertretungsorgane der Arbeitneh-merInnen auf Unternehmensebe-

ne dar. Er greift in Kon"ikt- und Arbeitsstreitigkeiten ein, informiert und bietet rechtlichen Beistand. Als gewählte Instanz stehen ihm laut Arbeitsverfassungsrecht (ArbVG) gesetzliche Überwachungs- und Kontrollrechte (z. B. Einhaltung des Kollektivvertrages), Informations-rechte (z. B. über Beendigung von Dienstverhältnissen) und Interven-tionsrechte (z. B. Verbesserung der Arbeitsbedingungen) zu !. Gleich-zeitig verfügt der Betriebsrat selbst über verschärften Kündigungs- und Entlassungsschutz und besitzt Anspruch auf ausreichend Freizeit von der eigentlichen Arbeitsleis-tung ". Fakten, die ArbeitgeberInnen sicher nicht gefallen und die es des-halb (leider erfolgreich) zu demontie-

ren gilt. Nichtsdestotrotz darf ein/e ArbeitgeberIn das Entstehen eines Betriebsrats nicht verhindern und ist verp"ichtet, organisatorische Hilfe zu leisten #. Zwar ist die Installierung eines Betriebsrats Sache der Beleg-schaft und nicht des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin, jedoch muss vor einer of!ziellen Wahl immer eine Betriebsratsversammlung einberu-fen werden, die eine Verständigung des/der Betriebsinhabers/in bedarf und eine der wesentlichsten Hürden darstellt.

Die Gewerkschaft ist mundtot!

Das Privatunternehmen XXX-Lutz verfügt allein in Österreich über 46

S

So groß die roten Stühle der XXX-

Lutz-Konzernkette sind, so gering sind

die Rechte ihrer MitarbeiterInnen.

12 INNENPOLITIK12 INNENPOLITIK

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Standorte mit mehr als 16.000 MitarbeiterInnen und betreibt seit 1973 eine andauernde Expansionspolitik und besitzt auch Filialen in Deutschland. Dort hingegen ist die Kritik über die unzumutbaren Arbeitsbe-dingungen mit unbezahlten Überstunden und der Diskrimi-nierung von Frauen und Älteren sowie gehandicapten Menschen von Seiten der Gewerkschaften enorm und schlägt sich auch in der medialen Berichterstattung nieder. Gab es 2005 noch heftige Interventionen des ÖGB gegen die Drogeriekette „Schlecker“ 4, !nden sich bislang aber keine of!ziellen Stellungnahmen gegenüber XXX-Lutz und den angeführten Großunterneh-men.

Es ist nicht so einfach …

Auf meine telefonische Anfrage hin, warum es denn bislang nicht gelungen ist, sich als ÖGB in die Kette einzubringen, reagiert eine Mitarbeiterin der GPA-djp verhalten 5. Laut ihren Aussagen wäre es natürlich im Interesse der Gewerkschaft Betriebs-rätInnen zu installieren, und selbstverständlich laufen auch Gesprächen mit Verantwort-lichen, aber leider verzögere sich das Vorhaben kontinuier-lich. Weiters befänden sich nur wenige Gewerkschaftsmitglie-der unter den Angestellten, was entsprechende Handlun-gen zusätzlich erschwert. Im ArbVG !ndet sich aber unter § 45 (2), dass Gewerkschaft und AK über ein Einberufungsrecht einer Betriebsversammlung ab einer Betriebsgröße von mind. 20 ArbeitnehmerInnen verfü-gen 6. Warum von diesem Recht bislang aber kein Gebrauch gemacht wurde, antwortete man mir, „dass es von keinem Nutzen ist, wenn man vor Ort dann allein sitzt, weil niemand kommen würde“. Außerdem sei das Fehlen von Betriebsrät-Innen „sowieso ein allgemeines Problem im Handel“.

„Betriebsrat hamma nicht!“

Nach dieser ernüchternden Auskunft des ÖGB kontaktierte ich XXX-Lutz und versuchte von

ihrer Seite eine Stellungnahme einzuholen. Jedoch scheiterte meine Anfrage schon nach der zweiten Weiterleitung, wobei mir bereits die Vermittlung mit der knappen Antwort konterte: „Wir haben keinen Betriebs-rat. Aber ich verbinde Sie mal weiter“. Im Gespräch mit einer Zuständigen wurde ich dann mit folgenden Worten abgewim-melt: „Betriebsrat hamma nicht und ich glaube nicht, dass wir Ihnen da weiterhelfen können.“ Damit war das Telefonat been-det – aber das Problem noch lan-ge nicht behoben!

Nichts sagen, hören, sehen!

Die Situation mit der Aussa-ge „weil eh niemand kommt“ zu beschwichtigen, impliziert unmittelbar, dass dem ÖGB die Unterdrückungsmechanis-men, unter denen die Arbeit-nehmerInnen zu leiden haben, bewusst sind. Eine Misere, der sich der ÖGB schon lan-ge annehmen hätte müssen, aber anscheinend mangelt es an Mut, medial Druck aufzu-bauen. 16.000 ArbeiterInnen verbleiben damit ohne of!ziel-le Interessensvertretung. Das sind 16.000 ArbeiterInnen, die eigentlich das Klientel der Gewerkschaft wären, aber im Regen stehengelassen werden, weil sei (noch) keine of!ziel-len Gewerkschaftsmitglieder sind oder weil schlichtweg die Macht der Geschäftsführungen zu groß ist um dagegen anzu-kämpfen. Welche Motive wirk-

lich die tragende Rolle spielen und die Untätigkeit des ÖGB erklären, bleibt im Dunkeln und eine Aussicht auf Verbesserung fraglich.

Leonie-Maria Tanczer

Im Gespräch mit einer Zuständigen wurde ich dann mit folgenden Worten

abgewimmelt: „Betriebsrat hamma nicht und ich glaube nicht, dass wir Ihnen

da weiterhelfen können.“

INNENPOLITIK 13INNENPOLITIK 13

Eine Lehre in dem „erfolgreichen inter-nationalen Unter-nehmen“ bringe „nur Vorteile“, „ausge-zeichnete Zukunfts-chancen“ und „tolle Berufsaussichten“, wird in Werbetrai-lern von XXX-Lutz geschwärmt. Dass im Konzern nur mund-tote, zahme Arbeiter-Innen gefragt sind, wird klarerweise verschwiegen.

1 Wirtschaftskammer Österreich (2010):Arbeitsrecht – Betriebsräte, unter: http://portal.wko.at/wk/format_detail.wk?AngID=1&StID=537067&DstID=678&titel=Betriebsrat

2 Österreichischer Gewerkschaftsbund (2010):Ansprüche, Absicherung und Pflichten eines Mit-glieds des Betriebsrats, unter: www.betriebsraete.at

3 Wirtschaftskammer Österreich (2010):Arbeitsrecht – Betriebsräte, unter: http://portal.wko.at/wk/format_detail.wk?AngID=1&StID=537067&DstID=678&titel=Betriebsrat

4 GPA-djp (2010): Gemeinsam für bessere Arbeits-bedingungen bei Schlecker, unter: http://www.gpa-djp.at/servlet/ContentServer?pagename=GPA/Page/Index&n=GPA_45

5 telefonische Anfrage an den ÖGB am Donnerstag den 17. Juli 2010

6 Rechtsinformationssystem d. Bundes (RIS) (2010):Einberufung § 45., unter: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008329

Mehr Infos zu diesem Thema im Netz:www.betriebsraete.atwww.oegb.atportal.wko.at/wk/startseite.wkwww.ris.bka.gv.at

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14 GESELLSCHAFT14 GESELLSCHAFT

typisch bedeutet unselb-ständige Erwerbsarbeit, die nicht einem Normal-arbeitsverhältnis ent-

spricht (Vollzeit, unbefristet, gere-gelte Arbeitszeit und Einkommen, Interessensvertretung). Im Ver-gleich der letzten zehn Jahre stieg in Österreich die Zahl der Erwerbs-tätigen von 3,79 Mio. auf 4,25 Mio. (2008). Der überwiegende Anteil des Anstiegs mit 64% ent!el dabei auf Frauen. Die Zunahme der Frauen-erwerbsquote (von 1,65 Mio. Frauen 1998 auf 1,95 Mio. im Jahr 2008) ist allerdings zum größten Teil auf die Zunahme von Teilzeitarbeit zurück zu führen, während gleichzeitig ein Abbau von Vollzeitarbeitplätzen stattfand.

Teilzeit, oder eine Sonderform davon, die geringfügige Beschäfti-

gung, wurde lange Zeit als „Allheil-mittel“ für die Doppel- bzw. Dreifach-belastung von Frauen propagiert, anstatt bezahlte und unbezahlte Arbeit neu zu verteilen. Übersehen wurde meist, dass diese Einkommen in der Regel nicht existenzsichernd sind und auch die Systeme der sozi-alen Sicherung (z. B. Pensionsver-sicherung) nicht auf längerfristige atypische Beschäftigung ausgerich-tet sind.

Die Zunahme von Beschäfti-gungsformen, die zu Problemen der sozialen Absicherung führen und die damit verbundenen Unsicher-heiten, werden auch als „Prekarisie-rung einer Gesellschaft“ bezeichnet. Darunter fällt auch die Zunahme von Mischformen zwischen unselb-ständiger und selbständiger Arbeit. Freie Dienstverträge, Werkverträge und Freelancing sind dabei die häu-!gsten Erscheinungsformen. Auch diese sind geprägt durch oft nicht ausreichende soziale Absicherung, Planungsunsicherheit für die Betrof-fenen oder fehlende Mindeststan-dards im Bereich von Arbeitsrecht und Interessensvertretung.

Eine grundlegende Verände-rung im Hinblick auf die Preka-risierung, ist auch eine Zunahme des Arbeitsdrucks. Technologische Veränderungen haben begonnen in vielen Branchen die Grenze zwi-schen Erwerbsabeit und Privatleben zu verwischen. ArbeitnehmerIn-

nen, die 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche für das Unternehmen erreichbar und auf Abruf sind, sind keine Seltenheit mehr. All-in Verträ-ge, die pauschal Arbeitszeit, Über-stunden und teilweise sogar auch Spesen abgelten, !ndet man nicht mehr nur in Chefetagen. Der Output pro Arbeitsstunde ist in den letzten zehn Jahren massiv angestiegen, während die Anzahl an Kranken-standstagen sinkt bzw. Arbeitneh-merInnen, die ihren Urlaub nicht mehr (voll) konsumiere, wächst. Immer mehr ArbeitnehmerInnen, selbst wenn diese selbst noch nicht von prekären Beschäftigungen oder

Arbeitslosigkeit bedroht sind, sind bereit Abstriche zu machen, selbst wenn das Unternehmen Rekordge-winne verzeichnet, aus Angst um den Arbeitsplatz. Verschärfungen im Bereich der Arbeitslosenversi-cherung, im Sinne einer „aktivie-renden“ Arbeitsmarktpolitik, tragen ebenfalls dazu bei, dass ganz beson-ders junge Menschen, MigrantInnen und Frauen mit Betreuungsp"ich-ten trotz Erwerbsarbeit verstärkt armutsgefährdet sind (Stichwort: „Generation Praktikum“, „Working Poor“).

Fazit? Individuell sind diese Probleme schwer lösbar, weshalb

auch die Bedeutung von Gewerk-schaften noch stärker ansteigt. Die Integrierung freier Dienstverträge in die Sozialversicherung war ein wichtiger Schritt, dennoch müssen noch viele andere Fragen wie die Bewertung von Tätigkeiten (Frauen-berufe, besonders Gesundheits- und Sozialbereich), die Zukunftspers-pektive von jungen Menschen und vieles andere dringend diskutiert und angegangen werden! Wandel bedeutet Veränderung, aber nicht zwangsläu!g den Verlust von hart erkämpften Rechten!

Teilzeit, oder eine Sonder-form davon, die geringfügige

Beschäftigung, wurde lange Zeit als „Allheilmittel“

für die Doppel- bzw. Dreifach-belastung von Frauen

propagiert, anstatt bezahlte und unbezahlte Arbeit

neu zu verteilen.

Europacamp

Fair statt prekär !Ende der 1960er Jahre begann in Österreich der Wandlungsprozess von einer Industrie- zur Dienstleistungs-gesellschaft. Die Ausweitung atypischer Beschäftigung ist ein charakteristi-sches Merkmal dieses Wandels.

A

Barbara Marx

Moderne Sklaverei blüht nicht nur in

der mexikanischen Maquiladora-

Industrie. Auch die heimische atypische

Beschäftigung gilt als moderne Armutsquel-le: Hier ist Arbeitneh-

merInnen kaum bis gar keine sozialrechtliche Absicherung gegönnt.

Hauptbetroffene der schleichenden Prekarisierung der

Arbeitsverhältnisse sind Frauen.

Page 13: Trotzdem 02/10

Arbeitswelten

enschliche Arbeit konnte durch den gigantischen technischen Fortschritt

produktiver und ef!zienter genutzt werden. Offen bleibt aber die unersetzbare Grundla-ge für die Schaffung von Gütern und Dienstleistungen: Nicht der Großmut und die Entscheidungs-kraft einiger Konzernherren, sondern die Arbeit von Fabriks-arbeiterInnen, Büroangestellten, BusfahrerInnen, LehrerInnen, ÄrztInnen, Krankenp"egerInnen etc. und nicht zuletzt die zumeist unbezahlte Haus- und P"egear-beit schafften und schaffen den

uns bekannten gesellschaftli-chen Wohlstand.

Demokratie? Nicht in der Wirtschaft.

Die entscheidende Rolle, die den Menschen zukommt, die durch ihre Arbeit unseren Lebensstan-dard ermöglichen, spiegelt sich in unserem Wirtschaftssystem allerdings keineswegs wider. Die wichtigsten wirtschaftlichen Entscheidungen über Produkti-on, Arbeitsbedingungen, Inves-titionen und Arbeitsverteilung liegen im Kapitalismus nicht bei

den direkt davon Betroffenen, sondern bei den Unternehme-rInnen, ob als EigentümerInnen oder als ManagerInnen. Demo-kratische Grundprinzipien sind aus einem unserer wichtigsten Lebensbereiche, dem Wirt-schaftsleben, noch immer weit-gehend ausgeschlossen.

Ausbeutung? Im Kapitalismus auf der Tagesordnung.

Der Kapitalismus teilt die Men-schen in solche, die über Kapi-tal verfügen und andere für

So ruft : Die Arbeit sie erhält, Die Arbeit, sie bewegt die Welt !

In der Geschichte der Menschheit haben die letzten 200 Jahre wohl den raschesten und einschneidendsten Wandel von Wirtschaft und Arbeitswelt gebracht. Durch die indust-riellen Revolutionen konnte sich die Wirtschaftsleistung in einem bis dahin ungeahnten Tempo vervielfachen.

M

SCHWERPUNKT 15SCHWERPUNKT 15

Schon bei den Roten Jugendtagen 1930 in Villach demons-trierten unsere GenossInnen aus der Sozialistischen Arbeiter-Jugend gegen die „Lehrlings-schinder“.

Page 14: Trotzdem 02/10

sich arbeiten lassen können und solche, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt erbringen zu können. In der den ArbeiterInnen abverlangten Arbeitszeit erzeugen sie in der Regel mehr, als sie in Form von Löhnen (zuzüglich aller staat-lichen Abgaben) erhalten. Den Überschuss schöpfen die Unter-nehmerInnen als „Gewinn“ ab. Tatsächlich handelt es sich bei diesem „Gewinn“ aber um den Beschäftigten vorenthaltene Lohnteile. Reichtum einiger weniger setzt deshalb immer die Ausbeutung und relati-ve Armut einer viel größeren Gruppe voraus.

Neue Unsicherheiten am Arbeitsmarkt

Nicht zuletzt die derzeitige Wirtschaftskrise, die durch eine Überproduktion und einer immer größerer werdenden Ungleichverteilung des Vermö-gens ausgelöst wurde, übt einen enormen Druck auf Arbeitneh-merInnen aus. Durch Rationa-lisierungsmaßnahmen sind die Erhöhung des Drucks auf die arbeitenden Menschen, die Absenkung von Lohnkosten und ein Abbau sozialstaatli-cher Leistungen zu befürchten. In diesem Zusammenhang ist

die – von Neoliberalen häu! g als „Zukunftskonzept“ gefeierte – Forcierung atypischer Beschäf-tigungsverhältnisse, Teilzeitar-beit, Scheinselbstständigkeit etc. zu sehen, mit der ein Groß-teil der Jugendlichen mittler-weile konfrontiert ist. Ebenso wie bei der „Flexibilisierung“ von Arbeitsrecht bzw. Arbeits-zeiten, beim Abbau sozialer Leistungen und bei der Förde-rung des „Niedriglohnsektors“ geht es darum, den Druck auf die Beschäftigten zu erhöhen und ihren Anteil am Wirt-schaftsprodukt zugunsten der Pro! te nieder zu drücken.

Sanieren am Rücken der NiedrigverdienerInnen?

Dazu kommt, dass viele – wenn nicht alle – öffentliche Haus-halte durch die Wirtschafts-krise erhebliche zusätzliche Ausgaben (zur Unterstützung der Banken, durch die höhere Arbeitslosigkeit, durch notwen-dige Konjunkturbelebungsmaß-nahmen usw.) bzw. Minderein-nahmen durch Steuerausfälle haben. Und nun wollen Kon-servative vorschnell die Haus-haltsde! zite wieder konsolidie-ren. Das Wie ist dabei die Frage, die politisch zu beantworten ist. Wenn die Budgets über Kürzun-gen der Staatsausgaben saniert werden sollen (wie etwa in Grie-

chenland), trifft dies vor allem die Niedrigverdienenden. Neue Massensteuern würden eben-falls die unteren Schichten stärker belasten. Eine weitere Verschärfung der Ungleich-verteilung wäre damit vorpro-grammiert.

Auf in die Offensive!

Als ArbeiterInnenbewegung dürfen wir jetzt nicht in die Defensive gehen. Es ist not-wendig, erkämpfte Errungen-schaften zu erhalten und offen-siv weitere Verbesserungen zu erkämpfen. Die ArbeiterInnen und Angestellten dürfen nicht die Zeche für die Unterneh-mensleitungen zahlen, die sich am Finanzmarkt verspeku-liert haben, wenn sie jetzt mit Gehaltseinbußen in Kurzarbeit geschickt oder überhaupt ent-lassen werden. Ganz im Gegen-teil braucht es endlich einen wirklichen Kurswechsel!

Wir kämpfen für eine bessere Zukunft!

Vermögen gerecht verteilen — Auch bei der Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse spielt die bereits mehrmals in dieser Trotzdem-Ausgabe erwähnte ungleiche Vermö-gensverteilung eine Rolle. Über 90 % aller Steuern kommen aus den (jährlich etwa 200 Mrd. Euro) Erwerbseinkommen und ihrer Verwendung (also beim Ausgeben), nur 5 % aller Steu-ern kommen von den etwa 3.500 Mrd. Euro an Geld- und Sach-vermögen in Österreich. Dieses Ungleichgewicht muss endlich verändert werden, da die Ver-mögensbesteuerung in Öster-reich zudem die niedrigste in

Niedriglohnsektor:Erwerbstätige in diesem Sektor verfügen, obwohl oft vollzeitbe-schäftigt, über keine angemessene Existenz-sicherung und liegen knapp oberhalb oder unter der Armutsgrenze. Der Niedriglohnsektor ist geprägt von schlech-ten Arbeitsbedingun-gen, unzureichender sozialer Absicherung und bietet kaum Chan-cen auf Weiterbildung. Seit den 1980er Jahren ist in Europa ein deut-licher Anstieg dieses Sektors zu beobachten – der vor allem Frauen, Jüngere oder Gering-qualifi zierte trifft.

Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:Niedriglohnsektor:„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“„Niedriglohnsektors“ Niedriglohnsektor:„Niedriglohnsektors“

Vom Billigjob zur Minirente –

die prekär und aty-pisch Beschäftigten

von heute sind die Armen von morgen.

16 SCHWERPUNKT16 SCHWERPUNKT

Arbeitszeitver-kürzung auf eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnaus-gleich – eine alte SJ-Forderung, die aktu-eller denn je ist. 1958 betrug die Arbeitszeit noch 48 Std.(!), in den 1970ern wurde sie auf 40 Std. herabgesenkt. Real arbeiten heute viele dank prekärer Arbeitsverhältnisse und oft mehrerer Teil-zeitjobs weit mehr.

Page 15: Trotzdem 02/10

der gesamten OECD ist. Dies wäre der Start einer sozial, aber eben auch ökonomisch sinnvol-len Umverteilung.

Arbeit gerecht verteilen — Eine weitere wichtige Maßnah-me ist, eine Verkürzung der gesetzlich geregelten wöchent-lichen Höchstarbeitszeit bei gleichzeitigem vollem Lohnaus-gleich („kollektive Arbeitszeit-verkürzung“) zu starten. Diese hat mehrere Ziele: erstens wer-den durch die Verkürzung der Arbeitszeit Arbeitsplätze gesi-chert und neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Arbeitslosigkeit geht zurück, die Einkommens-situation der ArbeitnehmerIn-nen verbessert sich, die Mas-senkaufkraft steigt und kurbelt so die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen an, was sich positiv auf die Konjunktur auswirkt und den Aufwärts-trend auf dem Arbeitsmarkt verstärkt. Arbeitszeitverkür-zung bei vollem Lohnausgleich ist also ein wichtiges Instru-ment für die Erreichung des Vollbeschäftigungsziels. Neben den positiven Effekten für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Volkswirt-schaft bedeutet die Arbeitszeit-verkürzung auch ein Mehr an Freizeit und damit ein Mehr an Lebensqualität für die Arbeit-nehmerInnen. Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass die Mehrheit der Erwerbstäti-gen ihre Arbeitszeit reduzieren möchte.

Gerechte Arbeitsverhältnisse — P" ichtpraktika bilden in vielen schulischen und hochschu-lischen Ausbildungen einen wichtigen Bestandteil, der den Auszubildenden praktische Erfahrungen in der Arbeits-welt und im facheinschlägi-gen Tätigkeitsbereich vermit-teln soll. Dabei ist der Wert einer praktischen Tätigkeit als Ergänzung zur überwiegend theoretischen Ausbildung im schulischen Bereich als Ele-ment der Berufsbildung prin-zipiell anerkannt und wird von den Jugendlichen auch wertge-schätzt. Rund 130.000 Schüle-rInnen absolvieren in Österreich während der Ferien ein P" icht- oder fakultatives Praktikum oder üben einen Ferienjob aus. Auch in die Studienpläne der Hochschulen sickerten P" icht-praktika nach und nach ein. Für viele AbsolventInnen von Schu-len oder Unis ist der Einstieg in den Arbeitsmarkt in bestimm-ten Feldern (z.B. kreative und soziale Berufe, Medien, NGOs) gar nur über ein oder sogar mehrere unbezahlte Praktika möglich. Das Problem: Bei den Praktika handelt es sich oftmals um Hilfstätigkeiten, für die mit-unter nicht einmal ein Entgelt oder wenn, dann lediglich ein Taschengeld ausgezahlt wird. Zudem fehlt es an jeglichen sozial- oder arbeitsrechtlichen Absicherungen und mangelt es an Vor- und Nachbereitung seitens der Bildungsinstitutio-nen, sowie an einer adäquaten Betreuung seitens des Prakti-kumsanbieters. Deshalb setzen wir uns für ein entsprechendes

Praktikumsgesetz ein, welches wir auch am Bundesparteitag durchgesetzt haben!

Gerechte Wirtschaftsordnung —Wir sehen in der Verstaatli-chung von Banken und stra-tegisch wichtiger Industrien einen wichtigen Schritt, um auf das Wirtschaftsleben und damit auf die Arbeitswelt pla-nend Ein" uss zu nehmen. Sozi-alistische Verstaatlichungspo-litik darf sich aber nicht darin erschöpfen, einige Schlüssel-unternehmen (vorübergehend) unter die Kontrolle staatlicher Bürokratie zu stellen, sondern muss vielmehr darauf abzielen, immer weitere Teile der Wirt-schaft unter die direkte demo-kratische Verwaltung durch die arbeitenden Menschen zu stellen.

Ihre Krise, unsere Chance!Millionen Menschen erwarten zu Recht, dass der Staat Ein-" uss auf die Wirtschaft nimmt. Die entscheidende Frage ist längst nicht mehr, ob die öffent-liche Hand sich wirtschaftlich engagiert, sondern in wessen Interesse, mit welchen Zielen und auf wessen Kosten das geschieht. Eine Demokratie funktioniert nur dann, wenn sie die Ziele demokratischer Mehrheiten auch gegenüber wirtschaftlicher Macht durch-setzen kann. Die Schaffung einer neuen, besseren Wirt-schafts- und Sozialordnung scheint unausweichlich. Und dafür kämpfen wir!

Wolfgang Moitzi

SCHWERPUNKT 17SCHWERPUNKT 17

Eine Demokratie funktioniert nur dann, wenn sie die Ziele demokratischer Mehr-

heiten auch gegenüber wirtschaftlicher Macht durchsetzen kann. Die Schaffung einer neuen, besseren Wirtschafts- und Sozialordnung scheint unausweichlich.

Und dafür kämpfen wir!

Vollbeschäftigungsziel:Für PolitikerInnen, die sich das Ziel der Voll-beschäftigung setzen, steht die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Vordergrund – etwa mittels Ausweitung öffentlicher Beschäf-tigung, Ausbau des Bildungssystems und Investitionen. Während der Ära Kreisky etwa gab es in Österreich praktisch Vollbeschäfti-gung mit Arbeitslosen-quoten von unter 2 %.

Die wirklichen „Leis-tungsträgerInnen“ in der Gesellschaft, die Masse der arbeiten-

den Bevölkerung, ist mit immer katastro-phaleren Arbeitsbe-

dingungen kon-frontiert, während

UnternehmerInnen Gewinne in Rekord-höhe scheffeln und den Produktivitäts-gewinn der letzten Jahre nicht in Form

von Lohnerhöhungen an ihre Beschäftigten

weitergegeben haben.

Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:Vollbeschäftigungsziel:den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-den Jugendlichen auch wertge-Vollbeschäftigungsziels. 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„Superpraktikum für alle!“, forderte die SJ als Antwort auf die miese ÖVP-Politshow „Wer wird Österreichs Superpraktikant?“. Die siegreiche Super-praktikantin durfte eine Woche lang Josef Pröll begleiten – ohne einen Cent Bezahlung.

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18 GASTKOMMENTAR18 GASTKOMMENTAR

Derivatmärkte:Auf Derivatmärkten wird mit Derivaten gehandelt. Das sind Finanzinstrumente, deren Wert von Kursen oder Preisen anderer Güter oder Vermögens-gegenstände abhängt. Derivate sind auch an Ereignissen oder bestimmten Preisen gekoppelte Verträge. Derivatgeschäfte sind eines der am schnells-ten wachsenden und sich verändernden Seg-mente des modernen Finanzwesens.

Finanztransaktionssteuer

ie Zeit der Ausreden ist vorbei. Die Regierun-gen haben hunderte

Milliarden mobilisiert, um die Banken und das Finanzsystem zu retten. Höchste Zeit, dass die Finanzindustrie, die jahr-zehntelang von mangelhafter Regulierung pro!tierte, einen angemessenen Anteil an den von ihr verursachten Krisen-kosten übernimmt. Eine Steuer auf Finanztransaktionen (FTS) wäre das wirkungsvollste Inst-rument dafür. Die FTS ist eine sehr niedrige Steuer auf alle spekulationsrelevanten Finanz-transaktionen wie Währungen, Aktien oder Derivate. Sie trägt zu mehr Stabilität des Finanz-systems bei, indem sie Spekula-tion und Überliquidität zurück-drängt. Schon ein Steuersatz von 0,1 Prozent könnte EU-weit 270 Milliarden Euro einbringen – das Doppelte des derzeitigen EU-Budgets! Geld, mit dem die sozialen Folgen der Krise und globale öffentliche Güter wie z.B. Gesundheitsversorgung !nan-ziert und die Armut in der Welt sowie die Klimaerwärmung bekämpft werden könnten. Die Steuer wäre im Euro-Raum so problemlos einhebbar wie die Gebühren für Girokonten. Sie zu umgehen wäre nur bei einem Verzicht auf elektronische Han-delsplattformen möglich - das aber wäre letztendlich viel teu-rer als die Steuer selbst.

Jahrelang vorgebrach-te Argumente (die FTS ist die Gründungsforderung von Attac) und eine weltweite Finanzkrise waren nicht genug – erst jetzt, wo den Euro-Staaten das Was-ser selbst bis zum Hals steht ist eine Umsetzung der FTS in greifbare Nähe gerückt. Doch der Finanzsektor lässt nichts unversucht, jegliche Ansätze von Regulierung durch massi-ves Lobbying zu verwässern. Eine internationale Banken-

steuer alleine wäre jedenfalls kein Ersatz für die FTS. Sie würde die Weltwirtschaft kei-nesfalls weniger krisenanfällig machen, und die Einnahmen daraus wären unvergleichlich geringer. Mit einem politischen Kuhhandel „Bankensteuer ja – FTS nein“ würden die Regierun-gen eine ernsthafte Reform des Finanzsystems blockieren und der Finanzindustrie einen wei-teren Wunsch erfüllen. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierungen diesem Druck nicht nachgeben.

Die internationale Zivil-gesellschaft lässt daher nicht locker und hat eine globale Unter-schriftenaktion für die Einfüh-rung einer Finanztransaktions-steuer gestartet. Europaweit haben vor dem G20-Gipfel Ende Juni in Toronto bereits mehr als 160.000 Menschen die Petition an die G20 unterschrieben. In

Österreich beteiligen sich daran unter www.steuergegenarmut.at zahlreiche Organisationen wie Attac, ÖGB, AK und SJ.

Die Finanztransaktions-steuer ist unverzichtbar. Den-noch löst sie nicht mit einem Schlag alle Probleme des Finanz-sektors. Viel weiterreichende Regulierungen sind nötig. Von umfassenden Reformen ist jedoch leider nichts zu hören. Die vordringliche Zerteilung systemrelevanter Banken („too big to fail“) und die Schrump-fung der spekulativen Kredit- und Derivatmärkte wurde bis-her nicht in Angriff genommen. Steueroasen dürfen weiter offen halten, UNO-Vorschläge für eine globale Finanzmarktaufsicht oder eine Weltreservewährung werden totgeschwiegen und auch eine weltweite Vermögens-steuer steht derzeit nicht auf der Agenda. Kaum ein Bereich der Weltwirtschaft ist derart unde-mokratisch und intransparent wie der Finanzsektor – kaum einer wird so stark von mächti-gen Einzelinteressen dominiert. Große Veränderungen sind nur gegen diese Interessen und mit breitem öffentlichem und inter-nationalem Druck zu erreichen.

David Walch

D

Regierungen müssenden Sack jetzt zumachen

Der Finanzsektor lässt nichts unversucht, durch massives Lobbying die zartesten Ansätze einer Finanzmarktregulierung zu verwässern. Die politische Debatte hinkt den Notwendigkeiten um Jahre hinterher.

David Walch ist Pressesprecher

von Attac Österreich

Transaktionsvolumen auf den globalen Finanzmärkten: (Quellen: BIS, WEF, WIFO)

Die Geschäfte in der realen Wirtschaft (globales Brut-toinlandsprodukt) machen mittlerweile nur noch einen unbe-deutenden Bruchteil des Handelsvolu-mens der Finanz-märkte aus.

Die Finanztransaktions-steuer ist unverzichtbar.

Dennoch löst sie nicht mit einem Schlag alle Probleme des Finanzsektors. Viel wei-terreichende Regulierungen sind nötig. Von umfassen-den Reformen ist jedoch

leider nichts zu hören.

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ie Bestrebungen, in Paläs-tina eine Heimatstätte für Jüdinnen und Juden zu errichten, gehen auf

die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurück und sind stets mit der Etab-lierung der zionistischen Bewegung verbunden. Der britische Unterneh-mer Sir Moses Monte!ore war einer der ersten Vordenker des Zionismus, der die Emigration der Jüdinnen und Juden nach Palästina !nanziell, und durch landwirtschaftliche und industrielle Ansiedlungen zu forcie-ren begann. Das erste Stück Land erwarb er 1855 zu einem symbo-lischen Preis, nicht minder als vom Statthalter Jerusalems, dem Grund-besitzer Ahmad Agha Duzdar (1838–1869), welcher der Legende nach zu Monte!ore gesagt haben soll: „Du bist mein Freund, mein Bruder, der Apfel meines Auges. Nimm es auf einmal. Dieses Stück Land gehört meinen Vor-fahren. Ich würde es niemanden für 1000 Pfund geben, aber dir gebe ich es ohne Geld, es ist deines.“

Die Grabstätte meines Urgroßva-ters befand sich auf dem über 1000 Jahre alten Mamilla Friedhof in Jeru-salem, welcher 2004 auf Bescheid der israelischen Stadtregierung mit Bulldozern abgetragen wurde, um ein amerikanisch-israelisches Pro-jekt in Kooperation mit dem Simon-Wiesenthal-Center zur Errichtung eines „Museum of Tolerance“ zu ver-wirklichen. Es steht mir möglicher-weise nicht zu, einen Artikel dafür zu missbrauchen, um auf die Zerstörung eines Jahrtausendalten Kulturguts in Jerusalem aufmerksam zu machen. Unterlasse ich dies, besteht aber die Gefahr, dass derartige Mitteilungen Europa nicht erreichen, denn die Berichterstattung über den Nahost-kon"ikt in europäischen Breitenkrei-sen lässt oft mehr als zu wünschen über. Einen Friedhof zur Gänze zu zerstören ist mehr als nur ein paar Grabsteine verschwinden zu lassen, es ist das Verwischen von histori-schen Beweisen!

Gaza und die sozialen und wirtschaft-lichen Probleme der Palästinense-rInnen in dem dichtest besiedelten Gebiet der Welt sind in Vergessenheit geraten und wären wohl vergessen geblieben, wären diese hunderten NGO-AktivistInnen mit ihren 7 Gaza Solidaritäts"otten nicht gewesen. Die Auseinandersetzung darüber, ob das

israelische Militär nun in Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsat-zes oder aus berechtigter Notwehr die 9 NGO-AktivistInnen am 31. Mai erschossen hat, werde ich bestimmt nicht führen, zumal m. E. nur eine internationale Untersuchungskom-mission in der Lage gewesen wäre, die Geschehnisse in objektives Licht zu führen. Das ist aber nicht gesche-hen, weil die israelische Regierung der Einsetzung einer derartigen Kommission nicht zugestimmt hat.

Die traurige Wahrheit in diesem Kon"ikt: Die Zweistaatenlösung – oft als wahres Friedensprojekt unter den Linken gepriesen – ist tot. Die isra-elische Regierung betreibt seit Jahr-zehnten eine Siedlungspolitik, die einen souveränen palästinensischen

Staat verunmöglicht. Die Mauer, isra-elische Siedlungen, israelische Stra-ßen (welche nur von den SiedlerInnen befahren werden dürfen) auf dem palästinensischen Territorium (oder was davon übriggeblieben ist) haben das Gebiet derart zerstückelt und aus-einandergerissen, dass ein einheitli-cher überlebensfähiger palästinen-sischer Staat nur mehr eine Illusion ist. Die im Westjordanland und in Jerusalem lebenden PalästinenserIn-nen führen ein Leben als Menschen zweiter Klasse und der tagtäglichen Erniedrigung: zwischen Checkpoints und willkürlichen Gebietssperren. Ob der Besuch der Schule, der Arbeit, der Uni oder von Verwandten im nächs-ten Dorf etc. möglich sein wird, kann niemand im voraussagen und liegt

auch nicht in ihrer Entscheidung, sondern allein in der Entscheidung der israelischen Politik.

In Europa ist die mediale Wahr-nehmung leider auf wenige banale Kategorien beschränkt: Diskutiert wird nach dem Motto „Sein oder nicht Sein“, „TerroristIn oder nicht TerroristIn“, „AntisemitIn oder Isra-elfreundIn“, „FundamentalistIn oder nicht FundamentalistIn“, „Gut oder Böse“ – und die Schwarzweiß-Ma-lereien könnte man in alle Ewigkeit fortsetzen. Bei einer solchen Darstel-lung eines Kon"iktes darf es daher nicht weiter verwundern, dass die wirklichen Probleme des Kon"iktes noch gar nicht erkannt wurden.

Die Mauer, israelische Siedlun-gen, israelische Straßen auf dem palästinensischen Territorium

haben das Gebiet derart zerstü-ckelt und auseinandergerissen, dass ein einheitlicher überle-bensfähiger palästinensischer Staat nur mehr eine Illusion ist.

Nahostkon!ikt

Zerteilt, zerstückelt, auseinandergerissen

Die Vision einer Zweistaatenlösung in Israel/Palästina rückt in weite Ferne. Der Kon"ikt ist nach dem Angriff der Gaza-Hilfs"otte durch die israelische Armee erneut aufge"ackert. Seine Wurzeln reichen weit in die Vergangenheit zurück – bis hin zu den ersten Emigrations-strömen Hunderttausender europäischer Jüdinnen und Juden nach Palästina, als Palästina nach dem Zerfall des osmanischen Reiches 1917 unter britische Mandatsherrschaft (1920–1948) gestellt wurde.

Xxxxxx Xxxxxxxxxx

INTERNATIONALES 19INTERNATIONALES 19

DDer Israel-Palästina-Konflikt ist von einer starken Radika-lisierung auf beiden Seiten geprägt. Gegenseitige Provo-kationen und Angriffe führten zu einer Polarisierung, deren Resultat ein Rechtsruck auf beiden Seiten war.

Während die israelische Regie-rung zunehmend aus rechten HardlinerInnen besteht, konnte sich unter den Palästi-nenserInnen die radikalislami-sche Hamas-Bewegung an die Macht spülen.

Beide Seiten profitieren poli-tisch von einer Zuspitzung des Konflikts.

Israel-Palästina-KonfliktJugend ohne Zu-kunftsperspektiven:Die Jugend Gazas wächst in einem Trümmerhaufen auf.

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Obsorge

Den Frauen ihr Recht !Männerrechtler gehen für die automatische gemeinsame Obsorge auf die Barrikaden. Nicht mit uns!

iskussionen um eine automa-tische gemeinsame Obsorge sind spätestens seit der par-

lamentarischen Enquete „Kon!ikten konstruktiv begegnen – aktuelle Her-ausforderungen im Familienrecht (Unterhalt und Obsorge) vom 24. Juni in aller Munde. Was steht eigentlich dahinter? Und warum müssen sich Feministinnen lautstark gegen eine derartige Reform des Familienrechts wehren?

Woher der Wind weht …

Konservative, die Volkspartei und die FPÖ, teilen eine Vorstellung: mit einer gemeinsamen Obsorge beider Eltern-teile sollen Kon!ikte, die während den meisten Scheidungen auftreten und natürlich – so gut wie immer – auch vor dem „of"ziellen“ Ende der Beziehung aktuell sind, entschärft werden. Sie meinen, dass es um das Wohl der Kinder geht. Vätern sollen mehr Rechte zugesprochen werden, Frauen dürfen nicht mehr „alleine“ entscheiden, immerhin wollen Män-

ner mittlerweile Verantwortung in Sachen Erziehung übernehmen. Die-se PolitikerInnen gehen davon aus, dass Frauen ihre Ex-Männer nach einer Scheidung fertig machen, ihnen ihre Kinder böswillig unterschlagen und ihnen nebenbei noch das letzte Hemd für den Unterhalt nehmen. Die Bezeichnung „Besuchsrecht“ muss schleunigst verschwinden und „män-nerfreundlicher“ gemacht werden – Vorschläge gibt es noch keine.

Falsche Tatsachen

In dieser Debatte läuft einiges falsch. Tatsachen werden verfälscht und die Situationen von geschiedenen Frau-en zu wenig bedacht, problemloser gemacht als sie sind oder einfach ignoriert. Sogenannte Väterrechtler – selbst nennen sie sich gerne eine „Männerbewegung“ – haben sicht-lich gute Lobbyarbeit geleistet. Sie nennen sich „Väter ohne Rechte“, „humanes Recht“, „Kindergefühle“ „Vaterverbot“ oder „Die Männerpar-tei“. Mittlerweile sind in Österreich

an die 10 Organisationen aktiv, deren Forderungen Männer stärken sollen. Die Gruppen sind klein, es handelt sich um eine geringe Zahl an Aktivis-ten (und Aktivistinnen) und trotzdem gestalten sie die österreichische Fami-lienpolitik mit. Teilweise geben sie sich fortschrittlich: Der Forderungskatalog der Männerpartei reicht von „Gleiche Rechte und P!ichten für Frauen und Männer“ über „Sozialer Wohnbau für getrennt lebende Familien“ bis zu „Ganztagsbetreuung in Kindergärten und Schulen“. So wie alle dieser Klein-Organisationen gibt auch die Männer-partei vor, dass es ihr in erster Linie um die Kinder geht – „Kinder haben das Recht auf Vater und Mutter, „humanes Recht“ zementiert diesen Ansatz schon im Namen der Gruppe. Wer genauer hinschaut, merkt schnell worum es der Partei geht, die bei der Wiener Gemeinderatswahl am 10.10.2001 antreten will. Mit Punkten, die die Abschaffung jeglicher Quoten – obwohl wir von richtigen Quoten ja noch weit entfernt sind – oder die Schaffung von Männerhäusern fordern, zeigen sie

ihr wahres Gesicht. In Linz wurden einige Männer nach dem Paragrafen § 278 a angeklagt. Sie werden verdäch-tigt eine terroristische Organisation zu gründen – für die Rechte der Väter.

Weg mit dem Familienoberhaupt!

Das gültige Familienrecht hat ein paar Veränderungen notwendig. Es muss auf die Lebensrealitäten der Menschen eingegangen werden, dazu dürfen nicht mehr nur Mutter-Vater-Kind Konstellationen berücksichtigt werden. Von fortschrittlichen Neu-erungen ist allerdings derzeit nicht ansatzweise die Rede. Das Gesetz, das das Zusammenleben regelt, ist erst knapp 30 Jahre alt. Davor war es Usus, dass Männer Oberhaupt der Familie waren, Frauen weder den Wohnort von ihren Kindern, noch von sich selbst bestimmen konnten oder Mitteilungen der Schule unterschrei-ben durften. Bis Anfang der 1990er Jahre waren Vergewaltigungen in der Ehe kein Delikt, sondern wurden

20 FRAUEN20 FRAUEN

D

Diejenigen, die nun verpflichtend

Halbe-Halbe bei der Obsorge fordern, sind meist diesel-ben, die sich seit

jeher mit Händen und Füßen gegen

Halbe-Halbe in Sachen Hausarbeit

und Kindererzie-hung wehren.

Page 19: Trotzdem 02/10

FRAUEN 21FRAUEN 21

10 Organisationen:Gemeinsam organi-sierten sie am 12. Juni 2010 eine Demo zum Frauenministerium in Wien, um Druck auf die Politik auszuüben. Unter den RednerInnen waren nicht nur Männer aus den beteiligten Organisationen, sie ins-trumentalisierten auch ihre Kinder.

§ 278 a:Der viel kritisierte Para-graf, auch Mafiaparagraf genannt, wurde geschaf-fen, um Tierschützer-Innen zu stigmatisieren. Jetzt sorgt er dafür, dass eine radikale Männer-organisation unter Terrorverdacht steht.

Laura Schoch

vom Staat geduldet und galten als normal. Für alle Verände-rungen, die Frauen mehr Rechte und Macht sicherten, wurde hart gekämpft – von Feministinnen, durchgesetzt wurden sie von der Sozialdemokratie. Auch die Schaffung von Frauenhäusern und Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt im häus-lichen Nahbereich, waren nicht plötzlich da, sondern sind Ergeb-nis feministischer Kämpfe.

Über Dichtung …

Uns soll vermittelt werden, dass Frauen mittlerweile gleichbe-rechtigt sind, dass sie eh alles erreichen können, und dass Frau-enpolitik durch Gender Main-streaming und ähnliches ersetzt werden kann. Die Väterrechtler meinen gar, dass für Frauen nun genug getan wurde und jetzt end-lich Männer an der Reihe sein müssen, sind sie doch mit der Zeit viel stärker von Diskriminierun-gen betroffen. ÖVP, FPÖ und BZÖ mischen in diesen Debatten auf der Seite der realitätsfernen rück-schrittlichen „Männerbewegung“ mit – sie unterstützen sie ideell und teilweise auch "nanziell.

… und Realität.

Die Forderungen und Meinun-gen, die mit solchen Diskussio-nen manifestiert werden und sich immer weiter in die Köpfe der Bevölkerung schleichen, haben mit der Realität wenig zu tun und verschleiern die Situation, mit der eine Vielzahl von Frauen täglich konfrontiert sind. Noch immer leisten Frauen 2/3 der unbe-zahlten Hausarbeit. Dazu zählt: kochen, putzen, waschen, Kin-dererziehung, P!egearbeit und vieles mehr. Trotzdem kann man nicht mehr von dem alten Modell der „Hausfrauenehe“ spre-chen, demzufolge Frauen keine Erwerbsarbeit leisten, sondern ausschließlich für Mann, Haus und Kinder zur Verfügung stehen.

Frauen arbeiten, so wie Männer auch, schon seit Jahrzehnten für Geld. Männer sind nicht mehr die alleinigen Ernährer der Familie. Die Aufgaben, die Frauen zusätz-lich erfüllen müssen, zwingen sie in schlechter bezahlte Arbeitsver-hältnisse – 85 % der Teilzeitbe-schäftigten sind Frauen. Teilzeit heißt geringe Entlohnung, so gut wie keine Aufstiegschancen und "nanzielle Probleme im Alter oder im Fall einer Trennung. 60 % der

Frauen, die nur 24,5 Stunden pro Woche arbeiten, geben an, dass die Kinderbetreuungsp!ichten sie zu dieser Teilzeitbeschäfti-gung quasi zwingen.

Wer erzieht denn?

Kommt es zu einer Scheidung, wird in den meisten Fällen der Frau das Sorgerecht für die Kin-der zugesprochen. Zu Recht: immerhin sind sie es, die tagtäg-lich Versorgungsarbeit für ihre Kinder leisten. Sie wissen, was ihnen schmeckt, weil sie jene sind, die kochen. Sie sind es auch, die angerufen werden, wenn das Kind aus dem Kindergarten abge-holt werden muss, weil es sich nicht gut fühlt. Sie helfen bei den Hausaufgaben. Und so weiter und so fort – diese Liste ließe sich ewig fortführen. Die Männer, die mei-nen auf die Barrikaden steigen zu müssen, um für ihre Kinder zu kämpfen, zählen wahrscheinlich auch zu jenen, die sich weigern einen entsprechenden Unterhalt für ihre Kinder zu bezahlen. Für all jene, die noch immer nicht verstehen wollen, warum die Basis der derzeitigen Regelungen sinnvoll ist, gibt es eine prägnante Zahl: 1 % aller AlleinerzieherIn-nen sind Männer.

Das Private ist politisch!

Seit mehr als 30 Jahren, also seit der so genannten zweiten Welle der Frauenbewegungen in Euro-pa, thematisieren Frauen diese

Schie!age. Männer müssen in die P!icht genommen werden, aller-dings nicht nach einer Trennung, sondern schon während der auf-rechten Beziehung. Wenn Väter sich wünschen, beziehungswei-se fordern, dass ihre Kinder zu ihnen ein Vertrauensverhältnis p!egen, müssen sie laut Studien auch 42 % der Erziehungs- und P!egearbeit für sie leisten. Für Kinder ist es erwiesener Weise wichtig, erwachsene Bezugs-

personen in der Nähe zu haben, denen sie vertrauen können. Ob ein Vater dazu gehört oder nicht, ist im Prinzip irrelevant. Auch Verwandte oder FreundInnen können diese Rolle einnehmen und auch Kinder, die in funktio-nierenden gleichgeschlechtlichen Beziehungen aufwachsen, fühlen sich wohl und können sich gut entwickeln.

Gewalt ist immer noch allgegenwärtig

Gewalt von Männern gegen Frauen und Kinder ist immer noch allgegenwärtig. Jede 5. Frau ist davon betroffen, die Existenz von Frauenhäusern darf also nicht in Frage gestellt werden. Ganz im Gegenteil: Ein Ausbau des bestehenden Ange-bots ist dringend notwendig. Wenn in einer Familie Männer-gewalt zum Alltag gehört, macht es Sinn, dass Väter von ihren Kindern ferngehalten werden, auch nach einer Trennung. Dass der Staat hier eingreifen will und das Leben von Frauen und Kindern nach oftmals trauma-tischen Erlebnissen mit einer automatischen gemeinsamen Obsorge dermaßen beein!us-sen möchte, ist nicht nur anma-ßend sondern auch gefährlich. In der Debatte geht es nicht um mehr Rechte für Männer, son-dern um weniger Macht für Frauen. Nicht mit uns!

Nach Jahren der Ver-schlechterungen für Frauen holt nun die Väterrechtsbewe-gung zu einem neuen Gegenschlag aus.

Wenn in einer Familie Männergewalt zum Alltag gehört, macht es Sinn, dass Väter

von ihren Kindern ferngehalten werden, auch nach einer Trennung. Dass der Staat

hier eingreifen will und das Leben von Frauen und Kindern nach oftmals trauma-

tischen Erlebnissen mit einer automati-schen gemeinsamen Obsorge dermaßen

beeinflussen möchte, ist nicht nur anmaßend sondern auch gefährlich.

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Alle gegen PIGS1 ?! Portugal, Italien, Griechenland, Spanien.Aber die wahren Schweinderl im europäischen Wirtschaftsraum liegen doch weiter nördlich!

n den letzten Wochen war Griechenlands Schuldenkri-se in aller Munde. Die Euro-

päische Union und der IWF stellten schließlich 110 Mrd. Euro bereit um den Staatsbankrott der GriechIn-nen zu verhindern. Durch die Medi-en ging ein Raunen der Empörung: Im Gegensatz zu den brav und hart arbeitenden Menschen im Nord-Westen Europas hätten es sich die GriechInnen allesamt in ihrer sozia-len Hängematte gemütlich gemacht, Steuern hinterzogen und Budgetzah-len manipuliert! Die ArbeiterInnen im Nord-Westen müssen nun für die Krise Griechenlands zahlen, so die plumpe Meinung mancher Medien und Politeliten.

Wer wurde gerettet?

Wahr ist, dass die Europäische Union Griechenland nicht Pleite gehen las-sen konnte, da vor allem französische

und deutsche Banken verstärkt in griechische Staatsanleihen inves-tierten. Würde Griechenland Pleite gehen, könnte der Staat seine Anlei-hen – also Kreditzahlungen – nicht mehr bedienen und die gerade erst geretteten Banken würden erneut vor einem Desaster stehen. Griechenland ist natürlich nicht das einzige Land, das verschuldet ist. Insbesondere der wirtschaftlich schwächere Süden Europas schreibt rote Zahlen und hat enorme Staatsde!zite angehäuft. Aber auch im reichen Nord-Westen Europas haben Bankenrettungs- und Konjunkturpakete massive Löcher ins Budget gerissen.

Die üblen Machenschaften der Ratingagenturen …

Hier kommen die Finanzmärkte und Ratingagenturen ins Spiel: Sie bewerten nämlich, ob die Chance groß oder eben nicht groß ist, dass ein

Land – in diesem Fall Griechenland – seine Schulden zurückzahlt („Kre-ditwürdigkeit“). Bei den Griech Innen waren sie plötzlich pessimistisch und daher müssen wegen dem vermeint-lichen Risiko noch höhere Zinsen als bisher für Kredite gezahlt werden. Kurz gesagt: Für den griechischen Staat werden Kredite teurer, was es schwieriger macht, sie zurückzu-zahlen. Wie bei einem überschulde-ten Unternehmen geht’s in Richtung Bankrott.

… und der Bundesrepublik Deutschland

Aber warum sind Griechenland bzw. der Süden Europas stark verschuldet? Weil die Leute dort fauler sind, liest man in der deutschen Bild-Zeitung. Aber stimmt das? Das wirkliche Pro-blem besteht darin, dass es in der EU Länder mit verschiedenen Produk-tionsniveaus, also verschiedener

wirtschaftlicher Stärke und Orien-tierung, gibt. Vor allem Deutschland gilt als „Exportweltmeister“, produ-ziert konkurrenzfähige Waren und Dienstleistungen und versucht diese massenhaft zu exportieren, also ins Ausland zu verkaufen. Anbieter in wirtschaftlich schwächeren Ländern können dieser Konkurrenz oft nicht Stand halten. Ihre Märkte werden von den Produkten aus dem Nord-Westen überschwemmt, die Gewinne "ießen aber über die exportierenden Unter-nehmen zurück in die Länder, deren Wirtschaft erfolgreicher exportiert. Die privaten Haushalte und die Staa-

I

Heftige Proteste rief der von EU und IWF diktierte Spar-wahn in Griechen-land hervor – dass der Konflikt eine

europäische Dimension erfasst hat, sehen (leider) nur die wenigsten.

Wahr ist, dass die Europäische Union Griechenland nicht Pleite

gehen lassen konnte, da vor allem französische und deutsche Banken verstärkt in griechische

Staatsanleihen investierten.

22 INTERNATIONALES22 INTERNATIONALES

Eurokrise

Page 21: Trotzdem 02/10

ten im Süden müssen sich für den Konsum der konkurrenzfä-higen Waren immer weiter ver-schulden, was das wirtschaft-liche Ungleichgewicht weiter verschärft.

Die Katze beißt sich in den Schwanz

Länder wie Deutschland, Öster-reich oder auch die Niederlande verfolgen eine so genannte neo-merkantilistische Strategie. Sie zielen darauf ab, hohe Export-überschüsse und damit Gewin-ne und Zinsen zu erzielen. Die Überschüsse der einen sind aber natürlich die De!zite der ande-ren. Dadurch entstehen Abhän-gigkeiten: die Exportländer sind darauf angewiesen, dass andere Länder ihre Waren, Maschinen

oder Dienstleistungen kaufen, die Importländer andererseits müssen am Kapitalmarkt das nötige Geld ausleihen, um die Importe zu !nanzieren. Dieses Geld kommt aber – wie das Bei-spiel Griechenland zeigt – häu!g von Banken der Exportländer selbst. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz.

Des einen Freud’, des andren Leid

Weder der auf kreditgestützte Konsum und die Importüber-schüsse noch die extensive neo-merkantlistische Orientierung sind wirtschaftlich nachhaltig. Dass Länder wie Österreich und Deutschland ihre Produkte am europäischen Markt so gut ver-kaufen können, hängt keines-wegs nur mit der Beschaffenheit der Güter zusammen. Das hängt vor allem auch damit zusammen, dass beide in den letzten 10 Jah-ren eine extrem restriktive Lohn-politik umgesetzt haben. Das heißt: Die Produktivitätszuwäch-se der Wirtschaft wurden nicht in Form von Lohnerhöhungen an die ArbeiterInnen weitergegeben, sondern wurden dazu eingesetzt, die Güter am Markt billiger anbie-ten zu können. Im Klartext: Der – nicht freiwillige – Verzicht der ArbeiterInnen auf angemesse-nen Lohn führt zu einem Wettbe-werbsvorteil der deutschen und österreichischen Firmen.

Im Teufelskreis gefangen

In Ländern wie Griechenland, aber auch Portugal, Italien und Spanien, führt der Import-überschuss hingegen zu einem chronischen Leistungsbilanz-de!zit – die Volkswirtschaft „verbraucht“ weit mehr, als sie in Summe „produziert“ (gemessen an der gesamten Wertschöpfung). Diese Leis-tungsbilanzde!zite führen zu einer hochgradigen (Auslands-)Verschuldung. Dieses Ungleich-gewicht kann nur solange auf-rechterhalten werden, solange am internationalen Finanz-markt genug billiges Kapital mit niedrigen Zinsen vorhanden ist. Ist dem nicht so, wie im Fall einer Finanzmarktkrise, stürzt das Kartenhaus in sich zusam-men. Die Importländer können aufgrund der negativen Leis-tungsbilanz ihre Schulden nicht zurückzahlen und auch keine neuen Schulden aufnehmen, weil das Vertrauen der Banken nicht vorhanden ist, dass sie das Geld je zurückerhalten werden. Ein Teufelskreis beginnt.

„Lösungen“ der EU

Spätestens jetzt müsste der Staat massiv eingreifen, die Wirtschaft stärken und Arbeits-plätze schaffen. Doch dies ist im neoliberalen Regelwerk der EU nur schwer zu bewerkstel-ligen. Die EU und der IWF for-dern, ganz dem Feindbild der „überbezahlten Beamten“ und des zu großen Staatsapparats getreu, Staatsausgaben zu kür-zen, um das Budgetde!zit zu begrenzen. Diese restriktiven, prozyklischen Maßnahmen würden die Rezession aber nur weiter verschärfen und zu Ein-nahmenausfällen führen. Sie würden vielleicht kurzfristig

die Haushaltszahlen aufbes-sern, hingegen nichts an dem strukturellen Leistungsbilanz-de!zit ändern. Vielerorts wer-den mit großem Verve massive Lohnkürzungen im europä-ischen Süden gefordert, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Viel weniger laut sind jedoch die Stimmen, Druck auf die eigentlichen „Schwein-derl“ Deutschland und Öster-reich auszuüben, den unfairen Lohnwettlauf nach unten zu beenden.

Strukturelle Probleme beheben

Solange die strukturellen Ursa-chen dieser Ungleichgewichte nicht bekämpft oder überhaupt anerkannt werden, wird sich an der grundsätzlichen Krisenan-fälligkeit zulasten der Lohnab-hängigen nichts ändern. Das Problem der außenwirtschaftli-chen Disparitäten betrifft nicht nur Griechenland, sondern ganz Europa – und die Gefahr, dass sich diese Situation wiederholt und die Kluft innerhalb der EU verschlimmert, ist groß. Die EU kann mit ihrem begrenzten Budget zwar wenig eigenständi-ge antizyklische Politik machen, sie muss aber vom grenzen-losen Konkurrenzdenken auf dem Rücken der ArbeiterInnen abkehren. Es fehlen zudem die institutionellen Voraussetzun-gen, um an wirtschaftspoliti-schen Ursachen viel zu ändern – hier braucht es das Bekennt-nis der Mitgliedsstaaten, ihre oft widersprüchlichen und an nationalen Interessen ausge-richteten Wirtschaftspolitiken zumindest teilweise zu europä-isieren.

Das deutsche Regierungspaar Merkel/Westerwelle setzt weiter auf spru-delnde Exportgewin-ne, Zurückhalten der Löhne und Wettbe-werbsvorteile. DenGriechInnen wird indessen ein neolibe-rales Sparprogramm verordnet.

Alexander Strobl,Sebastian Schublach

INTERNATIONALES 23INTERNATIONALES 23

Im Klartext: Der – nicht freiwillige– Verzicht der ArbeiterInnen auf

angemessenen Lohn führt zu einem Wettbewerbsvorteil der deutschen und

österreichischen Firmen.

Der Wirtschaftskreis-lauf ist von Zyklen

geprägt, z. B. Konjunk-turaufschwung (Wirt-

schaftswachstum), Hochkonjunktur und Konjunkturabschwä-chung (Wirtschafts-

rückgang), Depression. Eine prozyklische Politik

verstärkt die jeweilige Bewegung (sparen in

Krisenzeiten, massive Investitionen während der Hochkonjunktur).

Antizyklische Politikheißt, in Krisenzeiten nicht zu sparen und damit zusätzlich Kauf-kraft und Konsum der Bevölkerung abzu-würgen, sondern erst recht zu investieren, um wiederum Impulse für neues Wirtschafts-wachstum und höhere Beschäftigung zu setzen.

Disparität:Gegenteiligkeit, Missverhältnis

Page 22: Trotzdem 02/10

pätestens seit den 1980er Jahren ist auch in Öster-reich eine Bevölkerungs-bewegung Richtung Städ-

te oder Stadtumland zu registrieren, während ländliche Bezirke deutlich an EinwohnerInnen verloren haben. Während etwa die niederösterrei-chische Bevölkerung seit 1869 um 40 Prozent gewachsen ist, sank sie bis 2006 in den Waldviertler Bezirken Gmünd (-18%), Waidhofen/Thaya (-32%) und Zwettl (-25%) deutlich !. Auch einst stolze steirische Indus-triebezirke, etwa in der Mur-Mürz-Furche, „rinnen“ zunehmend Rich-tung Graz und andere Städte aus. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene sehen keine Zukunft mehr in ihren ländlichen Heimatre-gionen und verlassen meist schon zu Ausbildungszwecken ihre Gemein-de. Damit stellt sich generell die Frage der Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums. Ins Zentrum politischer Debatten rückte dieses Thema wieder in der Ära Schüssel, ausgelöst von einer beispiellosen Schließungs- und Kürzungswelle.

Schwarzblau – eine Ära des Kahlschlags

Ob Postämter, Polizeiposten oder Bahnstrecken der ÖBB – während der 7-jährigen Amtszeit der schwarz-blauen Bundesregierung tobte ein wahrer Kahlschlag, der den länd-lichen Raum bis heute nachhaltig ausgedünnt hat. Auch Kleinschulen, Buslinien und Bezirksgerichte !elen der Schließungswelle zum Opfer. Zusätzlich dazu wurde der kleinbäu-erlichen Struktur, die immer noch in weiten Teilen des Landes vorhanden ist, Schaden zugefügt, indem z.B. die von den konservativen Parteien propagierten EU-Agrarfördergelder (eigentlich für die Förderung des ländlichen Raums gedacht) haupt-sächlich in die Taschen weniger Agrarkonzerne oder Großgrundbe-sitzerInnen wandern ". Kahlschlag am Land, federführend betrieben von der „Bürgermeisterpartei“ ÖVP, deren Mandatsanteil im Par-lament ohne die Stimmen aus den Landbezirken wohl auf BZÖ-Niveau schrumpfen würde?

Gürtel enger schnallen!

Warum nicht? Als Triebkraft des Neo-liberalismus setzte die Volkspartei in den letzten Jahrzehnten perma-nent auf Sparpolitik. BürgerInnen in dicht bebautem Gebiet (Stadt) kosten nun einmal weniger als Bewohne-rInnen eines Einfamilienhauses in einer kleinen Ortschaft. Die Aus-gaben für Infrastruktur (Wasser-versorgung, Abwasserentsorgung, Straßenanbindung, Zugstrecken etc.) sind am Land um ein Vielfa-

ches höher als in Städten. Je weni-ger Leute am Land leben, desto mehr öffentliche Einrichtungen können eingespart werden. Lebensräume erfordern ausreichende Infrastruk-tur (von der Kleinkindbetreuung bis zur Altenp"ege, Arbeitsplätze, Bildungseinrichtungen, Freizeitan-gebote). Wenn nicht einmal die All-tagsversorgung zureichend gewähr-leistet werden kann und permanent !nanzielle Engpässe zu weiteren Einschnitten drängen, be!ndet sich eine Gemeinde bereits im negativen Kreislauf der Land"ucht.

Mobil und flexibel!

Vor allem Junge zieht es verstärkt in die Städte – die Hauptmotive dafür sind zumeist Aus- und Weiterbil-

dung, Erweiterung beru"icher Mög-lichkeiten oder das Bedürfnis nach einer eigenen Wohnung. Am Arbeits-markt fehlt es gerade in ländlichen Gebieten an attraktiven Lehr- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Jenen Jungen, die dort bleiben, blüht meist eine PendlerInnenkarriere. Mobile

und "exible Arbeitskräfte braucht die Wirtschaft – wer nicht mobil ist, hat ein Problem. Das trifft beson-ders junge Frauen, deren Einkom-men bereits ab den ersten Lehr- und Arbeitsjahren deutlich unter jenem der Männer liegt. Aufgrund der star-ken geschlechtsspezi!schen Unter-schiede in der Lehrausbildung (Frau wird am Hungertuch nagende Friseu-rin, Mann wird doch deutlich besser bezahlter Elektriker) haben Frauen erst recht schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt, weil das zur Mobilität nötige Auto (Öf!s sind Mangelware) !nanziell nicht drin ist.

Kein Geld, kein Spielraum

Zusammengeschrumpft ist in den letzten Jahr(zehnt)en auch der !nan-

Die Ausgaben für Infrastruktur (Wasserversorgung, Abwas-

serentsorgung, Straßenanbin-dung, Zugstrecken etc.) sind am Land um ein Vielfaches

höher als in Städten. Je weniger Leute am Land leben, desto

mehr öffentliche Einrichtun-gen können eingespart werden.

Land!ucht

Is’ das Land am Sand ?Massenabwanderung aus ländlichen Gebieten und unaufhalt-sames Städtewachstum? Dies mag manche an explodierende Megametropolen wie Mumbai oder Delhi erinnern – trifft aber, freilich in abgeschwächter Form, auch auf Österreich zu.

24 GESELLSCHAFT24 GESELLSCHAFT

S

Der Wegfall der ÖBB-Nebenbahnen

– hier am Bild die Mariazellerbahn – würde ländlichen Kleingemeinden

den Todesstoß versetzen.

Page 23: Trotzdem 02/10

GESELLSCHAFT 25GESELLSCHAFT 25

zielle Spielraum der (Klein-)Gemeinden. Viele Gemeinden, ja selbst Bezirkshauptstädte, stehen knapp vor dem Bank-rott und sind hoch verschuldet. Dazu beigetragen haben auch Einnahmeausfälle – wie etwa der Wegfall der Getränkesteu-er vor knapp 10 Jahren. Wenn die Abwanderung nicht aufge-halten werden kann, weil kein Geld da ist, bleibt nur noch der Tourismus als Einnahmequelle. Auch der ist aber nicht kosten-los „an Land zu ziehen“, sondern erfordert Investitionen, z.B. in Wellness-Angebote oder andere Attraktionen.

Trotzdem: Lieber Christian, du bist Bürgermeister einer Kleingemeinde im südlichen Mostviertel. Wie sehr ist Abwan-derung und Land!ucht ein The-ma und seit wann?

Christian: Die Abwanderung ist in der Ötscherregion und im Mariazellerland bereits seit den 1970er Jahren ein Thema. Im letzten Jahrzehnt wurde die negative Bevölkerungsentwick-lung für kleine Gemeinden wie Puchenstuben, Annaberg oder Mitterbach zum existenziellen Problem. Die EinwohnerInnen-zahl sinkt und die Überalterung wird immer größer.

Trotzdem: Mit welchen Metho-den versuchst du als Bürger-meister, deine Gemeinde auch für Jugendliche interessanter zu machen und als künftigen Lebensraum zu gestalten?

Christian: Die Gemeinde hat nicht die !nanziellen Möglich-keiten um interessante Projekte umzusetzen. Auch die Unter-stützung der Landesregierung wurde auf das unbedingt Not-wendige reduziert. Im Vor-dergrund steht der Kampf, die bestehende Infrastruktur zu erhalten, und die Jungen durch ein reges Vereinsleben emotio-nal an den Ort zu binden.

Trotzdem: Welche Probleme führen, deiner Meinung nach, zur starken Abwanderung aus entlegenen Gebieten und dem ländlichen Raum überhaupt?

Christian: In den letzten Jahr-zehnten wurde in den Bal-lungszentren die Infrastruktur ausgebaut und verbessert. Im gleichen Zeitraum wurde der ländliche Raum ausgehöhlt und die Infrastruktur zerstört. Lei-der ist es gerade der Staat, der mit dem Zusperren von Buslini-en, Polizeidienststellen, Bahn-linien, Postämtern etc. diese Negativspirale immer wieder in Gang setzt.

Trotzdem: Infrastruktur und Nahversorgung am Land sind spätestens seit der schwarz-blauen Regierung akute Man-gelware. Was müsste, deiner Meinung nach, auf politischer Ebene umgesetzt werden, um der Land!ucht entgegenzu-wirken?

Christian: Ein klares politisches Bekenntnis, die hochwertigen Natur- und Kulturlandschaften unseres Landes zu erhalten. Dazu brauchen wir lebendige Orte mit Nahversorgung, Schule, Postamt, Gasthaus, öffentlichem Verkehrsnetz und einem vielfäl-tigen Vereinsleben.

Trotzdem: Wie sieht in deinen Augen sozialistische Politik für den ländlichen Raum aus und was vermisst du?

Christian: Es ist die Aufgabe des Staates, Rahmenbedienungen zu schaffen die jedem Menschen die gleichen Chancen bietet. Egal ob alt oder jung, ob Mann oder Frau oder auch ob man in der Stadt oder am Land lebt. Als Bürgermeister einer Kleingemeinde fordere ich eine Umverteilung, von der die Landbevölkerung pro!tiert. Zum Beispiel brauchen wir Steuerer-leichterungen oder Steuerbefrei-ung für NahversorgerInnen und andere KleinstunternehmerIn-nen in strukturschwachen Regi-onen bei gleichzeitiger Einfüh-rung von vermögensbezogenen Steuern. Auch für das Bildungs- und Gesundheitswesen am Land müssen Mittel aus Finanz- oder Börsenumsatzsteuern freige-macht werden. Unternehmen wie Post oder Bahn gehören mehrheitlich verstaatlicht, damit auch die Versorgung am Land sichergestellt ist. Zudem ist es wichtig, nachhaltige Umwelt-, Tourismus- und Sozialprojekte in ländlichen Regionen zu initiieren und zu !nanzieren.

„Wie den ländlichen Raum retten?“

Interview mit Christian Kogler, SPÖ

Boris Ginner

Christian KoglerSPÖ-Bürgermeister in der

Gemeinde Puchenstuben (NÖ)

Es ist die Aufgabe des Staates, Rahmenbe-dienungen zu schaffen die jedem Menschen

die gleichen Chancen bietet. Egal ob alt oder jung, ob Mann oder Frau oder auch ob

man in der Stadt oder am Land lebt.

Reicher und armer Bürgermeister am Bundesparteitag – Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat gänzlich andere Voraussetzungen wie Puchenstubens Gemeindeoberhaupt Christian Kogler.

1 http://www.wvblog.at/einwohnerentwick-lung/

2 80 % der EU-Agrar-fördergelder wandern in die Tasche von 20 % der Bauern/Bäuerinnen.

Page 24: Trotzdem 02/10

26 GESELLSCHAFT26 GESELLSCHAFT

or 60 Jahren, am 1. Juli 1950, wurde der Zeltla-gerplatz „Europa“ der Sozialistischen Jugend

Österreich in Weißenbach am Atter-see eröffnet. „Europa“ gab SJ-Mit-gliedern die Möglichkeit, günstig Urlaub am Attersee zu verbringen, was ansonsten nur Wohlhabenden möglich war. Der Lagerplatz sollte das Gemeinschaftsgefühl unter den Jugendlichen stärken und vor allem internationalen Austausch mit Genos-sen und Genossinnen der Schwes-terorganisationen der SJ möglich machen. SJ-Verbandsvorsitzender zu dieser Zeit war Peter Strasser, der für den Wiederaufbau der SJ nach dem 2. Weltkrieg verantwortlich war. Internationale Politik war immer ein wichtiger Teil Strassers Arbeit.

Die große Wiese im Weißenbach-tal lag ca. 1,5 km vom Attersee ent-

fernt und war zu Beginn tatsächlich nur eine reine Zeltwiese. SJlerInnen machten sich daran, ehrenamtlich in vielen schweißtreibenden Stunden ihren Zeltlagerplatz aufzubauen. Da wurden Brücken und Dämme gebaut und dem Weißenbach ein neues Bett gegraben. Im Laufe der Zeit ent-standen auch die Küchen- und die Lagerbaracken, sowie eine Straße durch den Lagerplatz. Generell war aber das Lager in den ersten Jahren recht spärlich ausgestattet. Da es kein !ießendes Wasser gab, diente der bit-terkalte Weißenbach als Waschstätte. Ebenfalls zum Platz gehörte eine gro-ße Liegewiese direkt am Attersee.

Von Beginn an wurde die direkte Nähe zum Weißenbach „Europa“ zum Verhängnis, mehrmals während der Saison kam es zu Überschwemmun-gen, des Öfteren musste das Camp evakuiert werden. Besonders stark hat es das Lager bei einem Hochwas-ser 1959 getroffen. Danach wurde der Beschluss gefasst, nach einem sicheren Platz Ausschau zu hal-ten, der auch bald gefunden wurde. Bereits ab 1961 wurde die Fläche, wo sich das heutige Europacamp noch immer be"ndet, genutzt. Von Vorteil war auch, dass der neue Standort näher an der Badewiese und somit viel näher am Attersee gelegen ist, als der alte Zeltlagerplatz.

Eröffnet wurde das neue Euro-pacamp 1964, nachdem dort das Hauptgebäude, der Personaltrakt und das Verwalterhaus errichtet waren und kleine Strohhütten als feste Unterkünfte zur Verfügung standen. 2 Jahre zuvor wurde das Europabad neu eröffnet und stand fortan allen Badelustigen zur Verfü-gung. War der Eintritt ins Strandbad am Anfang für Nicht-Camp-Gäste noch gegen Gebühr, ist er seit eini-gen Jahrzehnten für alle kostenlos.

Seit der Eröffnung des Euro-pacamps wurde es immer wieder erweitert und an die jeweils aktu-ellen Gegebenheiten angepasst. Mit dem Bau der ersten Jugendherberge 1968 wurde eine Öffnung des Camps auch an Nicht-SJlerInnen eingelei-tet, zuvor war das Camp ja nur für

SJ-Mitglieder und befreundete Orga-nisationen geöffnet. Mit der Öffnung an Nicht-Organisierte wurde auch mit dem Bau der bei Jugendlichen noch immer total beliebten Holzbun-galows begonnen.

Große Bau- und Renovie-rungsetappen wurden in den 1990er-Jahren durchgeführt. So wurde dabei das Haupthaus gänz-lich renoviert und erweitert, die Holzbungalows saniert, die alte musste einer neuen Jugendherberge weichen und das Campcenter wurde geschaffen. Seither werden immer wieder neue Angebote für die Gäste geschaffen, um den Aufenthalt so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten.

Generationen von SJlerInnen verbinden mit dem Europacamp

auch viele nette und aufregende Erin-nerungen an die eigene Jugendzeit. Die Geschichte des Europacamps ist eine sehr durchwachsene und war immer eng mit der Entwicklung der Sozialistischen Jugend verbunden. Sie ist aber auch das Fundament, auf dem aktuelle und zukünftige SJ-Generationen ihr Camp gestal-ten werden.

Generationen von SJlerInnen verbinden mit dem Europa-camp auch viele nette und

aufregende Erinnerungen an die eigene Jugendzeit. Die

Geschichte des Europacamps ist eine sehr durchwachsene

und war immer eng mit der Ent-wicklung der Sozialistischen

Jugend verbunden.

Europacamp

Mit 60 Jahren fängt das Leben an !

Generationen von SJlerinnen und SJlern pilgern seit 60 Jahren an den Attersee, um dort Erholung und Spaß zu "nden, an Seminaren teilzunehmen und Sport zu betreiben, vor allem aber um neue Freundschaften zu schließen und Gleichgesinnte aus anderen Ländern kennen zu lernen. Das Europacamp der SJ feiert heuer einen runden Geburtstag! Ein Anlass, um auf eine bewegte Geschichte zurückzublicken.

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Darf bei keinem SJ-Sommersportfest

mehr fehlen: Der Soap-Slide-Bewerb!

Oben: Das ursprüngliche Lager Europa. Unten: Trotzdem-Titelseite Juli 1955: Blick auf das 1950 eröffnete Lager Europa.

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Heidi stattet peinli-chen Burschenschaf-tern einen Besuch ab.

Heidi der Antifa-Hai

Trotzdem: Du bist sozusagen das Markenzeichen der SJÖ und damit gleichzeitig aller bisheri-gen Antifa-Kampagnen. Wie kam es eigentlich dazu?

Heidi: Ich bin das Ergebnis ei-nes langen Diskussionsprozes-ses und habe mich vor allem durch meine Fähigkeit, den Rechten die Zähne zu zeigen, für diesen Job quali!ziert. Seit meiner „Geburt“ im Jahre 2004 im Zuge der damaligen „Netz-werk gegen Rechts“-Kampag-ne war ich deshalb Mitträge-rin aller Antifa-Aktionen. Erst dieses Jahr durch die „Laut ge-gen Rassismus“-Kampagne ha-be ich es mir aber erstmals er-laubt meinen Namen öffentlich zu machen – ich hatte bis dahin einfach zu viel Angst vor der Pu-blicity und dem ganzen Presse-rummel.

Trotzdem: Was hat dich eigent-lich dazu bewegt, gegen Rechts aktiv zu werden?

Heidi: Als Hai!sch erlebt man häu!g Diskriminierungen – es ist praktisch unmöglich durch die Straßen Wiens zu gehen oh-ne blöd angesehen zu werden. Ich !nde es einfach unmöglich, dass man nur weil man anders aussieht und vielleicht einen an-deren kulturellen Hintergrund

hat schlichtweg von der Gesell-schaft ausgeschlossen wird. Die Menschen haben einfach Scheu-klappen, laufen durch die Ge-gend und fürchten sich vor al-lem was nicht in den vorgegebe-nen Mainstream passt – dage-gen anzukämpfen hat mich zur aktiven Mitarbeit motiviert.

Trotzdem: Was rätst du Jugend-lichen, die nicht länger still-schweigend dem Aufblühen von rechtem Gedankengut zusehen wollen?

Heidi: Ganz einfach: Nazis fres-sen! Nein ehrlich. Ich sage im-mer allen, die zu mir kommen und mich um Hilfe bitten, dass sie mich jederzeit zu sich in die Orts- oder Bezirksgruppe ein-laden können, um gemeinsam Ideen zu entwickeln. Am wich-tigsten ist aber vor allem die ständige Diskussion und Wei-terbildung – man muss diesen Wahnsinnigen einfach hand-feste Argumente entgegen-brüllen können. Ich !nde aber auch Übermal- bzw. Überkle-baktionen toll. Auf alle Fälle gilt es aber, weitere Jugendli-che dazu zu motivieren mitzu-arbeiten und sie in diesen Pro-zess mit ein zu beziehen. Des-halb plädiere ich immer wieder für mehr Straßen- und Medien-aktionen, zu denen ich immer

wieder gerne – sogar in die ent-legensten Gegenden – komme. Außerdem "iegt die Presse auf mich, mit mir kommt man sogar in den schwärzesten Lokalme-dien unter!

Trotzdem: Apropos Medien. Du bist ja gerade im Web vor allem durch deinen Facebook-Account und mit Kurzvideos auf YouTu-be stark vertreten. Ist es Medi-engeilheit, oder was steckt da dahinter?

Heidi: Nein, das hab ich ja wirk-lich nicht notwendig! Ich be-komme schon genug Fanpost. Ich möchte einfach nur auf das Thema aufmerksam machen, und ich denke mit solchen Vi-deos ist das am einfachsten. Das Video mit den Burschenschaf-tern auf der Uni-Wien Rampe zum Beispiel soll dazu aufru-fen, dass die Leute rechte Um-triebe nicht einfach als gegeben hinnehmen dürfen.

Trotzdem: Was kann man ihn Zukunft von Heidi erwarten?

Heidi: Auf alle Fälle wird sich noch einiges auf der Facebook-Seite und im Zuge der „Laut gegen Rassismus“-Kampag-ne tun. Ansonsten hoffe stark ich auf die Mitarbeit von vie-len SJlerInnen, die mich jeder-zeit kontaktieren können, um gemeinsam den Rechten den Kampf anzusagen!

Fisch essen – Nazis fressen!Ein Hai!sch bewegt die Gemüter auf Facebook und erfreut dabei die Menge mit lustigen Kurzvideos und Überraschungsauftritten auf SJ-Veranstaltungen quer durch ganz Österreich. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, um euch Heidi in einem Interview näher vorzustellen!

Hol dir Heidi!Du willst Heidi zu dir in die Orts- oder Bezirks-gruppe holen? Schreib einfach ein E-Mail an [email protected] oder gib Bescheid, was du vorhast, wann du Heidi brauchst und sie kommt zu dir! Außerdem kannst du FreundIn mit Heidi auf Facebook werden – einfach adden!

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Heidi beim Bad in der Menschenmenge.

Page 26: Trotzdem 02/10

as Buch, über das ich schreiben soll, trägt den Titel „Nachrichten vom Ableben der SPÖ sind

stark übertrieben“. Es enthält Bei-träge von 15 tollen Frauen und Män-nern, die eines gemeinsam haben: Sie leiden still mit, wenn es der SPÖ schlecht geht, wenn die Partei sich vom politischen Mitbewerb über-dribbeln und ins Out stellen lässt. Sie sind darüber hinaus allesamt erfahrene Fachleute, in der Sozi-alforschung, in der Diplomatie, in der Öffentlichkeitsarbeit, in den Medien, in der Frauenpolitik. Dazu kommt noch ein Text eures Obmanns Wolfgang Moitzi, und von Barbara Blaha, die sich eine Auszeit von der SPÖ nimmt.

Entstanden ist der Plan zu die-sem Buch im September 2009, nach der katastrophalen SP-Niederlage in Oberösterreich. Das war die Zeit des Großen Nachgebens. SPÖ-Obmann Werner Faymann glaubte offenbar wirklich, dass auch die ÖVP der Mei-nung sei, es sei „genug gestritten“ wor-den – sein Plakatslogan bei der NR-Wahl 2008. Aber das war nicht so.

Der allgemeine Befund damals war, SozialdemokratInnen würden – in ganz Europa – auch deshalb inmitten der größten Krise des Kapi-talismus nicht gewählt, weil sie auf diese keine glaubhaften Antworten hätten. Und wenn es bloß um die Reparatur des Hier und Jetzt geht, seien die Konservativen einfach glaubwürdiger – da sind sie schließ-lich daheim.

Mein Buch sollte helfen, Ant-worten zu !nden, neue Wege zu zeigen. Margaretha Kopeinig (vom „Kurier“) und Wolfgang Petritsch (Botschafter bei der OECD) rieten

dazu, offensive europäische Sozial-politik zu machen, statt weiter den Nationalstaat als Bollwerk gegen die böse EU zu de!nieren. Herbert Lack-ner („pro!l“) erzählte aus täglicher

Erfahrung über die handwerklich schlechte Betreuung der Journa-listInnen durch die Medienleute in der Parteizentrale. Markus Mar-terbauer (WIFO) entwickelte Pläne,

wie die steuerliche Schie"age besei-tigt werden könnte—wichtig, wenn wir wollen, dass der Sozialstaat in Österreich Zukunft hat.

Drei Autoren gehen der Fra-ge nach, wie es passieren konnte, dass die SPÖ nach dem Höhen"ug der Kreisky-Jahre so viel Vertrauen und Zustimmung in der Bevölke-rung verloren hat. Günther Ogris, Chef des SORA-Institutes, meint, SozialdemokratInnen hätten es in der komplexen, widersprüchlichen Welt von heute viel schwerer. Chris-tian Cap listet die Stationen des Niedergangs auf. Verlust der Ver-staatlichten Industrie, die auch ein alternatives Wirtschaftsmodell war. Verlust des Konsums, der damals größer war als BILLA. Verlust der Bank Austria, einmal Österreichs größte Bank, heute Anhängsel eines italienischen Finanz-Multis. Verlust der BAWAG. Verloren ging aber, und das beschreibt Harald Katzmair, auch die Verankerung der SPÖ in der Gesellschaft. Sie kann heute weder Wohnungen zur Verfügung stellen, noch Karrieremöglichkeiten, noch sichere Jobs in Großbetrieben. Sie ist auch in der Zivilgesellschaft weit schwächer vertreten als früher.

Sonja Ablinger vertritt die Sache der Frauen. Eine Forderung von ihr, dass auf den Wahllisten Frauen und Männer einander ablösen müssen, ist seit dem Parteitag vor ein paar Wochen Parteigesetz. Andere Anlie-gen bleiben weiter offen, werden drängender.

Ich hoffe, ich habe der Einen oder dem Anderen von euch Appetit auf das Buch gemacht!

Buch von Josef Broukal

Nachrichten vomAbleben der SPÖ sind stark übertrieben !

Fürs „Trotzdem“ schreiben ist etwas Besonderes für mich. Ich war 1971/72 sein Chefredakteur. Seither ist fast ein Menschen-leben vergangen. Die Welt von heute hat wenig gemein mit der Welt meiner Kindheit und Jugend. Trotzdem bin ich über meine Söhne, neun und elf, und meine 22-jährige Tochter mit eurer Welt verbun-den, der Welt der Jungen.

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Josef Broukal

Das neue Buch von Josef Broukal

– eine empfehlens-werte Lektüre für

Interessierte!

Page 27: Trotzdem 02/10

MUSIK / FILM / BUCH 29MUSIK / FILM / BUCH 29

Der geplünderte Staat – Oder was gegen den

freien Markt spricht von James K. Galbraith

RotpunktverlagZürich 2010

345 Seiten, ! 25,20

BUCHBUCH Galbraith:Der geplünderte StaatDas neue Buch des renommierten Ökonomen James K. Galbraith ist eine einzige Abrech-nung mit dem neoliberalen Wirtschaftsmodell.

Auf 345 Seiten beschäftigt sich Galbraith ausführlich und in sehr kurzweiliger Art mit der Entwicklung des Wirt-

schaftssystems, stark Bezug nehmend auf die USA. Er beleuchtet die Bilanz des in den 1970er Jahren von monetaristischen Theore-tikerInnen und konservativen HardlinerInnen

präsentierten Rezepts „Steuern senken, In!a-tion stoppen, Markt liberalisieren“. Unter US-Präsident Reagan wurde zum groß!ächigen Angriff auf Staat, Wirtschaftsregulierung und Gewerkschaften geblasen. Davon ausgehend entwickelte sich ein Raubtierstaat, in dem pri-vate AkteurInnen staatliche Gelder plündern und Krankenversicherung oder Sozialhilfe am Altar der „wirtschaftlichen Freiheit“ geopfert werden. 30 Jahre später sieht Galbraith Mone-tarismus und Freihandel im „Abfalleimer der Geschichte“ und die Ansichten der Neolibera-len widerlegt.

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Weblink:www.miauk.com

Quelle:http://en.wikipedia.org/

wiki/M.I.A._(artist)

M.I.A (Mathangi „Maya“ Arulpragrasam)Mehr als Paper Planes

Mathangi Arulpragasam, alias M.I.A, ist in vieler Hinsicht eine politisch und künstlerisch sehr interessante

Persönlichkeit. Die in London geborene Sän-gerin (Rapperin, Modedesignerin, Produ-zentin, politische Aktivistin …) und Tochter zweier TamilInnen aus Sri Lanka verbrach-te ihre Kindheit nach den ersten Monaten in London in Sri Lanka und Indien. Mit 11 !üch-

tete ihre Familie wieder nach Großbritanni-en. Nachdem „Maya“ dort am Saint Martins College of Arts and Design einen Abschluss in Kunst, Film und Video gemacht hatte, wurde sie zuerst als Malerin, Graf"ti- und visuelle Künstlerin bekannt.

Inzwischen hat sie sie sich auf teils hoch-politische Musik spezialisiert, weltberühmt wurde sie mit dem Song Paper Planes und der Filmmusik zu Slumdog Millionaire. Ende Juni hat M.I.A ihr drittes Album unter dem Titel /\/\/\Y/\ (Maya) herausgebracht – reinhören lohnt sich de"nitiv!

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MUSIKMUSIK

M.I.A – Born Freevon Romain Gavras

Weblink:http://vimeo.com/11219730

Romain Gavras:M.I.A – Born FreePolizeigewalt, Völkermord, Rassismus und eine Kamera.

Mit Born Free hat M.I.A, zusammen mit dem berühmt-berüchtigten Regisseur Romain Gavras – bekannt durch den

Videoclip zu Justice’ „Stress“ – ordentlichen Wirbel geschlagen. Eine kurze Zusammenfas-sung des Clips zum Verständnis: US-amerika-nische SWAT-Polizisten sammeln rothaarige Menschen (eine Anspielung auf die „Gingers“-Episoden bei South Park?) in Bussen, bringen

sie in eine abgelegene Gegend und exekutie-ren sie, ohne Skrupel und in einer regelrechten Hetzjagd.

YouTube ließ den Clip innerhalb der letz-ten Monate wiederholte Male sperren und ent-fernen, trotzdem "ndet sich das Video immer noch auf der größten Online-Videoplattform. In sämtlichen Musik-Blogs und Zeitungen der Welt wurde diskutiert: übertriebene Gewalt zu Werbezwecken oder relevantes politi-sches Statement? Mit dem untenstehenden Link kannst du dir selbst eine Meinung bil-den – allerdings ist das Video sicher nichts für schwache Nerven!

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FILMFILM

Born Free: http://www.spex.de/2010/04/27/m-i-a-video-born-free-mit-suicide-sample- neues-album-tracklist/ http://www.aufgemischt.com/wp/2010/04/m-i-a-born-free/?lang=de http://www.guardian.co.uk/music/2010/apr/28/mia-born-freeSWAT: http://de.wikipedia.org/wiki/SWATRomain Gavras: http://en.wikipedia.org/wiki/Romain_Gavras http://de.wikipedia.org/wiki/Romain_Gavras

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30 WAS WAR / WAS KOMMT30 WAS WAR / WAS KOMMT

Seminar

FemSem 2010Wie jedes Jahr, fand auch heuer wieder kurz nach dem Weltfrauentag, dem 8. März, das feministische Seminar (FemSem) der SJ statt. In 5 ver-schiedenen Workshops konn-ten sich Mädchen und junge Frauen aus ganz Österreich austauschen, vernetzen und gemeinsam auf neuen Wegen Wissen sammeln.

Enquete

Johanna Dohnal weiterdenken = kämpfenGemeinsam mit den SPÖ-Bundesfrauen, den Wiener Frauen und Vertreterinnen der Jugendorganisationen VSStÖ, AKS, JG und ÖGJ orga-nisierte die SJ eine Enquete: „Johanna Dohnal weiterden-ken = kämpfen“. In Workshops zu den Themen Arbeit, Quote, Gewalt gegen Frauen, Fris-tenlösung/Verhütung und Sexismus in der Werbung gab es die Möglichkeit, auf Kämpfe, Positionen und Erfolge der wichtigsten feministischen Politikerin Österreichs zurückzublicken und neue, zeitgerechte Forderungen zu erarbeiten. Im Anschluss fand eine Podiumsdiskussion u. a. mit BM Gabriele Heinisch-Hosek statt.

Kampagne

Laut gegen Rassismus!Im Zuge des heurigen Antifaschismus-Schwerpunkts tourte die SJ durch viele Bezirke Österreichs, um auf den immer noch in der Bevölkerung allgegenwärtigen Rassismus aufmerksam zu machen. Mit Aktionstagen und Heidi, dem Antifa-Hai, machte die SJ vor Schulen und auf öffentlich frequentierten Plätzen Station.

Seminar

Antifa-Seminar 2010Groß war heuer der Ansturm aufs Antifa-Seminar: über 180 Jugendliche aus dem gesam-ten Bundesgebiet reisten ins Europacamp am Attersee, um in verschiedenen Workshops über antirassistische Arbeit, Faschismus und Rechtsext-remismus in Österreich und in Europa zu diskutieren. Mit dabei waren zahlreiche inter-nationale Gäste von Schwes-terorganisationen der SJ aus Deutschland, Serbien oder Belgien. Höhepunkt war auch 2010 die Befreiungsfeier im ehemaligen KZ Mauthausen.

Diskussion

DenkfabrikenAntrags-kongressIm prall gefüllten Wiener Bildungszentrum wurden mit 200 Denk-fabrikantinnen und Denkfabrikanten Positionen erarbeitet, die in Form von Initiativanträgen beim Bundesparteitag eingebracht wurden. Im Zentrum dabei stand einmal mehr die Frage der Ver-teilungsgerechtigkeit. Unter dem Motto „Vermögenssteuern statt ÖVP-Sparwahn“ starteten die AktivistInnen der Denkfabrik eine Petition: www.reichebesteuern.at

Bundesparteitag

SJ setzt Vermögens-steuern durch!Linksruck in der SPÖ? Das monatelange Ringen vieler fortschritt-licher Kräfte um das Bekenntnis zu Verteilungsgerechtigkeit und Vermögenssteuern hat sich ausgezahlt. Am Bundesparteitag der SPÖ wurde SpekulantInnen, Banken, Großkonzernen und Super-reichen der Kampf angesagt. Die SJ setzte damit ihre Forderung innerparteilich durch.

Veranstaltung

Festival des politischen LiedesMusikalischer Höhepunkt des Jahres war auch heuer das bereits legendäre Festival des politischen Liedes im Europacamp am Attersee. Hunderte Gäste genossen die Darbietungen von Sigi Maron, Modena City Ramblers und zahlreichen weiteren Musik-gruppen aus In- und Ausland.

Feier

60 Jahre Europacamp!Eine Geburtstagsparty der Superlative ging am 3. Juli im Camp der Sozialistischen Jugend am Attersee über die Bühne. Neben Filmvorfüh-rungen, Fotopräsentationen und Ansprachen erwartete die BesucherInnen auch ein abend-liches Konzert mit Politpark.

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Foto: Siegfried Gallhofer

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WAS WAR / WAS KOMMT 31WAS WAR / WAS KOMMT 31

Seminar

Aktiv gegen Strache

Die perfekte Mischung aus Diskussionen, Workshops, Politik und Party können über hundert Jugendliche beim Aktiv gegen Strache Seminar der SJ Wien erleben. In 9 Workshops kannst du alles zur Kampagne „Aktiv gegen Strache“ erfahren und dir einen Überblick über die FPÖ und andere rechtsextreme Par-teien verschaffen.

Wann? Mittwoch, 7. Juli – Sonntag, 11. Juli 2010Wo? Jugendgästehaus Sigmundsberg (Mariazell/Steiermark)

TeilnehmerInnenbeitragFür SJ-Neumitglieder: kostenlosFür SJ-Mitglieder: 35 !Für Nicht-Mitglieder: 55 !

Veranstaltung

Sun Bash 2010

Eines der Highlights des SJ-Jahrs, das Sun Bash, wird im Euro-pacamp in Weissenbach am Attersee über die Bühne gehen. Wie in den letzten Jahren wartet auf die BesucherInnen ein abwechslungsreiches Wochenende mit zahlreichen Funsport-Aktivitäten, Workshops, Baden im wunderschönen Attersee, über 300 Jugendliche und natürlich ausreichend Party. Am Freitagabend steht die 80ies Mottoparty an, am Samstagabend werden die Gäste von SJ-Bands mit ihrem musikalischen Kön-nen verwöhnt.

Wann? Freitag, 16. Juli – Sonntag, 18. Juli 2010Wo? Europacamp Weißenbach/Attersee

TeilnehmerInnenbeitragFür SJ-Neumitglieder: 19 !Für SJ-Mitglieder: 34 !Für Nichtmitglieder: 49 !

Aktion

Pro-Choice-Tour

Abtreibungsverbot heißt nicht weniger Abtreibungen, sondern mehr Frauen, die bei Abtreibungen sterben. Fundamentalis-tische AbtreibungsgegnerInnen haben das leider immer noch nicht verstanden und begeben sich auch diesen Sommer wieder mit ihren frauenfeindlichen und rückschrittlichen Forderungen auf „Pro-Life-Tour“ durch Österreich. Die SJ wird ihnen dabei Gesellschaft leisten in Form einer Pro-Choice-Tour. Die Tour geht heuer von Graz nach Wien – nähere Infos gibt’s bald auf der Homepage.

Aktion

Zukunftschancen erneuern, Reiche besteuern!

Im Herbst entscheidet sich, wer für die Folgekosten der Kri-se aufkommen muss. Um bereits im Sommer Stimmung für Vermögenssteuern zu machen und gegen die von der ÖVP geplanten Sparpakete auf dem Rücken der breiten Bevölke-rung, insbesondere der Jugend, wird die SJ Aktionen vor allen ÖVP-Bezirkssekretariaten abhalten. Motto: Zukunftschancen erneuern, Reiche besteuern! Wir hoffen auf eure aktive Unter-stützung!

WAS KOMMTWAS KOMMT

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ein Trotzdem-Aboaktiv werden! Kontaktiert mich!mehr über eure Aktivitäten wissen! Schickt mir Infos!ein Infopackage www.reichebesteuern.atden Aufkleber Reiche müssen zahlen.

An die

Sozialistische JugendÖsterreichAmtshausgasse 41050 Wien

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wir!

ZUKUNFTSCHANCEN ERNEUERN REICHE BESTEUERN

VERMÖGENSSTEUERN STATT ÖVP–SPARWAHN

WWW.REICHEBESTEUERN.AT

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Jetzt massiv zu sparen heißt, den Wirtschaftsaufschwung abzuwürgen, die Arbeitslosigkeit in die Höhe zu treiben, und Bud-getsanierung am Rücken der sozial Schwächsten.

1. Reiche besteuern – Vermögenssteuern einführen und damit Budget sanieren!2. Einstieg in eine dauerhafte Arbeitszeitverkürzung – Arbeit gerecht verteilen!3. Bildungssystem reformieren statt Bildungsbudget reduzieren4. Neue Arbeitsplätze schaffen durch Sozialmilliarde5. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – Lohnschere zwischen Männern und Frauen beseitigen!

UNTERSTÜTZE UNSERE FORDERUNGEN!UNTERSCHREIBE UNSERE PETITION:

Trotzdem 1/2010 – Die Zeitung der Sozialistischen JugendVerlagspostamt: 1050 Wien – Aufgabepostamt: 3432 Tulln

P.b.b. Zulassungsnummer: GZ 02Z032957 S