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TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
BM ‚Politische Systeme‘
Massenmedien und Politik
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
Gliederung der Vorlesung
I. Was ist Politik?II. Was ist ein ‚politisches System‘?III. Warum und wie vergleicht man politische Systeme?IV. Wie läßt sich politische Macht ausüben und
bändigen? V. Welche Arten politischer Systeme gibt es?
VI. Wie wandeln sich politische Systeme? VII. Welche Strukturen und Funktionen besitzen die
zentralen Elemente moderner politischer Systeme?
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zentrale Elemente moderner politischer Systeme
politische Kultur politische
Sozialisation politische Eliten Interessengruppen Parteien Wahlsysteme,
Wahlkämpfe, Wahlverhalten
Parlament Regierung und
Verwaltung Massenmedien Föderalismus
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
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Massenmedien
Gesellschaft
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Entscheidungs-system
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Rückkoppelung
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Entscheidungen /
Regeln
Das politische System
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
(politische) Funktionen von Massenmedien
Information über Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur
Hilfestellung für persönliche Meinungs- und Urteilsbildung
Kontrolle politischer Akteure
Unterhaltung (‚Infotainment‘)
Mit all dem wirken die Massenmedien ein auf die ...- politische Soziokultur- politische Deutungskultur
... und entfalten DEUTUNGSMACHT
Medien sind nicht einfach Beobachter, sondern Mitakteure des politischen Prozesses!
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
Macht hat drei ‚Gesichter‘ :
etwas durchsetzenDurchsetzungsmacht
eine Entscheidung verhindernVerhinderungsmacht
jene Begriffe prägen, anhand welcher erörtert wird, was durchgesetzt oder verhindert werden sollkommunikative Macht
= wichtigste Macht von Massen-
medien und von Journalisten
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politisch folgenreichste Medien
für jedermann:HörfunknachrichtenFernsehnachrichtenLokalzeitung / sonstige
Tageszeitungzusätzlich für politisch Aktive
und für politische Meinungsführer:politische Qualitätspresse (FAZ, SZ, FR, WELT, ZEIT ...)politische Wochenmagazine (SPIEGEL, FOCUS, STERN)politische Fernsehmagazine
Weiterwirkung des Informations-
verhaltens und der Informations-
quellen von Meinungsführern im
zweistufigen politischen
Kommunikationsprozeß
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
sind Mitkonstrukteure von Wirklichkeit formen öffentliche Meinung – und zwar
weitgehend ‚hinter dem Rücken‘ der Öffentlichkeit Mediennutzung, Medienkompetenz
ändern ‚normale‘ politische Prozesse allein schondurch ihre Existenz
durch ‚Medialisierung‘ (auch: ‚Mediatisierung‘) derPolitik entsteht Pseudo-Politik graduelle Abkoppelung des wechselbezüglichen
Medien- und Politiksystem von realen Problemlagen
Worin besteht die politische Macht von Massenmedien?
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
verschärft durch ‚anwaltschaftlichen Journalismus‘: Macht ohne Mandat
massenmediale Mitkonstruktion von Wirklichkeit
Massenmedien sind nicht einfach ‚Spiegel von Wirklichkeit‘, sondern ... Konstrukteure von (überaus selbstbezüglicher [ Details])
Medienwirklichkeit= für fast jedermann wichtigste Informationsquelle über die Operationswirklichkeit außerhalb der eigenen Lebenswelt
Mitkonstrukteure jener Perzeptions- und Redewirklichkeit, von der ausgehend Menschen ihre Operationswirklichkeit (um-) prägen
Wirkungsweise des Thomas-Theorems Problem: Operationswirklichkeit und Medienwirklichkeit weichen
aufgrund der Funktionslogik der Konstruktion von Medienwirklichkeit deutlich voneinander ab!
Systematische und politisch überaus folgenreiche Verzerrung der Medienwirklichkeit im Vergleich mit der Operationswirklichkeit
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
Selbstbezüglichkeit von Massenmedien Politiker richten sich genau darauf ein:
‚aufschaukelnde‘ Rückkopplung
nur wenige Medien unterhalten ausgedehnte Korrespondentennetze, was sie überwiegend abhängig macht von einer recht kleinen Gruppe von Nachrichtenagenturen und Bilder- bzw. Filmdiensten
Journalisten sind oft nicht weniger unsicher als ihr Publikum in ihren Prioritätensetzungen und Bewertungen, was dazu führt, daß sie sich überaus stark orientieren ... an der ‚herrschenden Meinung‘ unter Journalisten an (nationalen) Leitmedien (etwa: SPIEGEL, BILD).
Wirtschaftlicher Wettbewerb der Medien führt dazu, daß sich immer wieder die meisten Redaktionen und Journalisten denselben Themen widmen, um nicht der Konkurrenz ein wirkungsvolles Thema zu überlassen (‚Rudeljournalismus‘)
Gefahr: Entkoppelung von Medienwirklichkeitund Operationswirklichkeit
Bevölkerung sieht die (politische) Welt durch die
(politische) Brille der Meinungsführer unter den Journalisten
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Entkoppelung von Realentwicklung einerseits und Nachrichtengebung sowie öffentlicher Meinung andererseits: Arbeitsmarkt
MedienTenor 100 / 2000, S. 6
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
typische Verzerrungsquellen der Medienwirklichkeit
Thema verschwindet – Problem bleibt
Problem gelöst – niemand erfährt‘s
Thema wird aufgedrängt –
zu Lasten eines anderen ThemasThema wird entwunden -
wem zum Vorteil?
ungleiche Ausgangslage im
Kampf um die diskursive
Hegemonie bei den
Meinungsführern
Durchsetzung ‚
politisch korrekter‘
Äußerungen; Folge: Risse
zwischen öffentlicher
und privater Kommunikation
Nötig:‚Dekodierungskompetenz‘(durch Medienpädagogik)
Nachrichtenwerte (Def.) Vorrang des Außer-gewöhnlichen Negativismus Neophilie
Eigendynamik von Themenkarrieren Linksverschiebung des politischen
Einstellungsspektrums vonJournalisten im Vergleich mit demBevölkerungsdurchschnitt
Agenda setting und Agenda cutting(verschärft durch anwaltschaftlichen Journalismus)
medienspezifischeDarstellungszwänge
ins Negative und sich rasch
Wandelnde
verzerrtes Bild der
Operationswirklichkeit
Details: Selbststudium!
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Nachrichtenfaktoren ... sind Merkmale von Ereignissen, die deren
Nachrichtenwert bestimmen Der Nachrichtenwert eines Ereignisses ist um so höher,
je mehr der folgenden Merkmale das Ereignis aufweist: Status: Macht oder Rang eines Akteurs, der in das Ereignis involviert ist Relevanz: besonders große Tragweite, gerade auch für Rezipienten;
etwa: regionaler Bezug, Bedeutung für eigene Lebenslage ... ‚Abnormalität‘: skandalträchtig, besonders neu, besonders gut ... Dynamik: überraschender, offener oder zur Erscheinungsperiodik der
Medien passender Ereignisablauf Konsonanz: Affinität des berichteten Ereignisses zu wichtigen Themen
nicht alle dieser Merkmale machen ein Ereignis auch
‚an sich‘ wichtig und wegen seiner Wichtigkeit
berichtenswert!
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Die ‚Linksverschiebung‘ der Journalistenschaft
Verteilung der politischen Selbsteinstufungvon Journalisten auf dem links-rechts-Spektrum
Internationale Journalistenumfrage
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Links Rechts
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Verteilung der
politischen
Selbsteinstufung der
deutschen Bevölkerung
auf dem links-rechts-
Spektrum
‚Linksdrall‘ der Massenmedien
anwaltschaftliche Beeinflussung der Bevölkerung bei aktuellen Themen
internationaleJournalistenumfrage
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Vorrang des Außergewöhnlichen
„Hund beißt Mann“ ist KEINE Meldung!
„Mann beißt Hund“ IST eine Meldung!
alte Journalistenregel:
Perzeptionswirklichkeit des naiven Mediennutzers:
‚Die Welt ist voll von hundebeißenden Männern!‘ Dringendes politisches Problem:
‚Schützt die Hunde endlich vor den Männern!‘
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
Nah- und Fernbild I: innerhalb und außerhalb der Lebenswelt
zur persönlichen wirtschaftlichen Lage
zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage
allgemeine wirt
schaftliche Lage =
Summe der persönlichen
wirtschaftli
chen Lagen !!
Wie erklärt sich der Widerspruch?
Lebenswelt = Information aus eigener ErfahrungOperationswirklichkeit außerhalb der eigenen Lebenswelt = Information aus MassenmedienMassenmedien: geprägt durch ‚Negativismus‘
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Nah- und Fernbild II: innerhalb und außerhalb der Lebenswelt
zur persönlichen wirtschaftlichen Lage
zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage
allgemeine wirtschaftlic
he Lage =
Summe der persönlichen
wirtschaftlic
hen Lagen !!
Wie erklärt sich der Widerspruch?
Lebenswelt = Information aus eigener ErfahrungOperationswirklichkeit außerhalb der eigenen Lebenswelt = Information aus MassenmedienMassenmedien: geprägt durch ‚Negativismus‘
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politische Korrektheit – Grundgedanken und Motive Grundgedanken:
Man schreibt durch (informelle) Hinweise und Sanktionen vor, wie jemand etwas bezeichnen oder von etwas sprechen soll, wenn er sich nicht als Außenseiter, Ignorant oder Schlechtmensch zu erkennen geben und anschließend ausgrenzen lassen will.
Motive: Kommunikationshygiene: ‚Verwendet keine schlechten Worte,
Begriffe, Argumente!‘ Volkspädagogik: ‚Was man nicht auf eine bestimmte Weise
ansprechen darf, wird man auch nicht auf eine bestimmte Weise ansehen und verstehen!‘
Machtsicherung: ‚Wer die Begriffe besetzt hält, besitzt die kommunikative und diskursive Hegemonie!‘
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politische Korrektheit – Probleme
Freiheitsbeschränkung durch freiwillige oder nahegelegte Selbstzensur
Heuchelei im öffentlichen Diskurs: ‚Redekitsch‘
Trennung zwischen privatem und öffentlichem Diskurs – fatal für eine offene Gesellschaft und ihre diskursbegründete Demokratie!
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medienspezifische Darstellungszwänge
Platzmangel in Printmedien, Zeitmangel in Fernsehen und Hörfunk Komplexes wird fragmentarisch dargestellt und bleibt darum
in seiner Gesamtstruktur unverstanden Trivialisierung des verläßlich Mitgeteilten und Verstandenen
unterschiedliche Darstellungschancen selbst gleichermaßen des Berichtenswerten gute Chancen: Skandalisierbares, Dramatisierbares,
Personalisierbares, Visualisierbares schlechte Chancen: Strukturelles, langfristig Wirkendes,
nur anhand systematisch-abstrakter Begriffe angemessen Beschreibbares; darunter auch: Sachpolitik
Sonderproblem dessen im Fernsehen: Bild/Ton-Schere adressatenorientierte Darstellungsgrenzen bei nötiger
Zielgruppenbindung
reale Wichtigkeit
der Kenntnisnahme
meist genau anders herum!
Massenmedien ‚desinformieren‘ auch
ohne Absicht und aus guten Gründen!
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Effekte der Formung öffentlicher Meinung durch Massenmedien
Prägung der Wahrnehmung dessen,was ein Problem ist (‚Themenkarriere‘)was wie zu bewerten wärewas andere denken (‚sozialoptische Täuschungen‘)
wirklichkeitskonstruktiver Anschlußmechanismus: Schweigespirale / Redespirale
Negativismus bei der Wahrnehmung von Wirklichkeit außerhalb der eigenen Lebenswelt (= negativeres Fernbild, positiveres Nahbild)
d.h.: von jenem Teil Operationswirklichkeit, für dessen Ausgestaltung die Verantwortung nicht bei einem selbst, sondern bei ‚den Politikern‘ liegt!
Folgen: Politik- und
Politikerverdrossenheit, abnehmendes
Systemvertrauen, Entlegitimierung
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
Berichterstattung und Bevölkerungsmeinung: Arbeitslosigkeit
MedienTenor 107 / 2001, S. 60
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Prägung politischer Bewertungen durch Massenmedien: George Bush
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
Prägung politischer Bewertungen durch Massenmedien: Gerhard Schröder
MedienTenor 100 / 2000, S. 7
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Beispiel einer sozialoptischen Täuschung
Abschlußmechanismu
s: Schweigespirale
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Die Schweigespirale Menschen wollen sich nicht gerne isolieren. Sie haben gutes Gespür für Mehrheitsmeinungen in der sie
umgebenden Redewirklichkeit (‚Meinungsklima‘, ‚Meinungsdruck‘). Redewirklichkeit speist sich stark aus Medienwirklichkeit. Letztere
kann falsche Eindrücke von Minderheits- und Mehrheitsmeinung vermitteln (‚sozialoptische Täuschung‘).
Wer seine Meinung in der Minderheit empfindet, wird sich mit deren Äußerung eher zurückhalten, um sich nicht (weiter) zu isolieren.
Wer sich auf unabsehbare Zeit isoliert fühlt, wird er seine Minderheits-meinung oft in Richtung auf die Mehrheitsmeinung ‚korrigieren‘.
Zunächst nur vermeintliche Minderheitsmeinungen werden so zu realen Minderheitsmeinungen.
Über diese realen Meinungsveränderungen können die Massenmedien objektiv informieren, was den Meinungswandel verstärkt und besiegelt.
Zusammenwirken von individuellen
psychischen Prozessen und massen-
medialer Wirklichkeitskonstruktion
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Mediennutzung der Bürger
hochgradig selektiv: meist nur eine einzige Zeitung
(in der Regel: die Lokalzeitung) hauptsächliche allgemeine politische Information aus
Hörfunk- und Fernsehnachrichten
überwiegend so, daß vor allem der eigenen Meinung Entsprechendes zur Kenntnis und ernstgenommen wird
akzeptiert und behalten werden eher Bilder als Argumente und Fakten (‚Traue nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast!‘)
reale Pluralität der Medien kommt
beim Großteil der Bürger nicht an
Darstellungsdifferenziertheit der
Qualitätsmedien kommt beim Großteil der
Bürger nicht an
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Medienkompetenz der Bürger In der Regel kaum Wissen über ...
die Konstruktionseigentümlichkeiten von Medienwirklichkeit Rollenverständnis und Rollenverhalten von Journalisten Besitzverhältnisse von Medienunternehmen und deren potentielle
politische Folgen Prägung politischer Prozesse durch Politiker/Journalisten-Symbiosen
typische Folgen: geringe ‚Dekodierungskompetenz‘ und geringe ‚Resistenz‘
gegenüber Medienwirklichkeit statt differenzierter Kritikfähigkeit viel eher:
Generalverdacht gegenüber Meldungen und Fakten, die nicht ins politische Bild Passendes berichten (‚lügt wie gedruckt‘, ‚traue nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast!‘)
oft naiver Glaube an die Richtigkeit von Meldungen, welche die eigene Ansicht bekräftigen; dabei ‚Bildgläubigkeit‘ (‚mit eigenen Augen gesehen!‘)
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politische Veränderungswirkungen von Massenmedien I
Allein schon das Aufkommen und die Existenz freier und kritischer Massenmedien wirkt(e) verändernd auf Politik:
der öffentlichen Erörterung entzogenes Regierungshandeln ist seither nicht mehr möglich bzw. gilt nicht mehr als rechtens (‚legitim‘)
Einbeziehung eines (großen) Teils der Regierten in den politischen Diskurs die Regierenden haben auch kein Monopol mehr auf die Ausgestaltung
politischer Kommunikation, sondern konkurrieren mit Journalisten um Darstellungs- und Deutungsmuster
Ende ‚obrigkeitlichen‘ Politikerverhaltens dergestalt entsteht unabweisbare öffentliche Verantwortlichkeit der
Regierenden in Verbindung mit dem Wiederwahlmechanismus: wirksame demokratische
Kontrolle in deren Folge wird es rational, Handlungen zu unterlassen, die man vor
Journalisten oder Öffentlichkeit nicht überzeugend rechtfertigen kann. Überdies werden Versuche rational, Journalisten und Massenmedien für die
eigenen politischen Zwecke zu funktionalisieren.
... nur bei Fehlen von
Zensur!
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
politische Veränderungswirkungen von Massenmedien II
erhöhte Notwendigkeiten politischer Kompromißbildung, da die Medien politischem Pluralismus und seinen Vetogruppen eine massenwirksame Plattform schaffen gute Folge: besonders breite und belastungsfähige Basis für
Politik, die aus solcher Kompromißbildung hervorgeht (‚Legitimation durch Kommunikation‘)
schlechte Folge: Politikstillstand (‚Politiker-Mikado‘), wo solcher öffentlich vermittelbarer Kompromiß nicht erreichbar scheint
besondere Wichtigkeit von Wahlkämpfen als Verdichtung aktiver politischer Kommunikation seitens von Politikern gute Folge: Im Zusammenhang mit Wahlkämpfen steigt das
Politiker- und Systemvertrauen meist an, weil die politische Kommunikation sich aus rein journalistischer Prägung löst.
schlechte Folge: Vor Wahlen unterbleibt viel sinnvolle Politik, sofern sie als ‚den Medien und dem Wähler nicht vermittelbar‘ gilt.
... nur bei Fehlen von
Zensur!
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
politische Veränderungswirkungen von Massenmedien III
Folge massenmedialer Berichterstattung ist in einzelnen Fällen, doch immer wieder:
Stimulation von Nachahmungstaten
Gründe: Nachahmung Wunsch, nun um so leichter die bereits erregte
öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen
Fazit: Massenmedien sind nicht einfach nur Beobachter
und Berichterstatter, sondern auch Kristallisationspunkte
weitergehenden Handelns!
journalistische Verantwortung
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
Der ‚Wiederwahlmechanismus‘
Er verdankt sein Amt freien Wahlen.
Er möchte so gerne wiedergewählt werden.
Er ist aber abhängig von der freien Entscheidung der Wähler.
Er kann wiedergewählt werden.
Also fühlt er starken Anreiz sein Amt so führen,
daß ihn die Wähler wirklich wiederwählen
wollen.
... hat ein Amt auf Zeit.
Und darum kann er während seiner Amtszeit nicht allzu lange oder allzu weit von dem abweichen, was die Wähler zu akzeptieren bereit sind!
TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
‚Verantwortlichkeit‘
ist die Grundlage von politischer Kontrolle besteht aus folgenden Wirkungszusammenhängen:
A muß B auf seine Fragen antworten; er ist ihm ‚verantwortlich‘.
B ist völlig frei, mit A‘s Antworten und damit, was er dabei hört, zufrieden zu sein – oder mit den Antworten bzw. mit dem unzufrieden zu sein, was er von A hört .
B kann als Reaktion auf A‘s Antworten Dinge tun, die A wünscht oder fürchtet.
Also wird A solche Reaktionen antizipieren und – wenn er schon B‘s Fragen nicht ausweichen kann – solche Dinge möglichst unterlassen, über die zu berichten sich für A nachteilig auswirken kann (‚Antizipationsschleife‘, ‚Vorauswirkung der Kontrolle‘)
Grundsatz: ‚Verantwortlichkeit darf nicht versickern!‘
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Pseudo-Politik
geplantes Kommunikationsmanagement und bewußte, nicht selten überlegt gestylte Kommunikationsdramaturgie (‚spin doctoring‘) von vorbereitenden Hintergrundgesprächen über ein
vereinbartes Timing von Artikeln und Interviews bis hin zur ‚Lichtregie‘ auf Parteitagen
Schaffung von Pseudoereignissen von ‚Sommerreisen‘ über als wichtig avisierte
Pressekonferenzen bis hin zu Gipfeltreffen als Medienspektakeln
Inszenierung symbolischer Politik Ersetzung (nicht nur Begleitung) instrumentell wirksamen
Handelns durch kommunikativ beeindruckendes HandelnSo entsteht: ‚Mediokratie‘
idealerweise bewerkstelligt ...- auf demoskopischer Grundlage- durch ‚bestellte‘ journalistische Begleitung
Folge: Zeit und Kraft werden vom Umgang
mit Realproblemen abgezogen!
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Medialisierung / Mediatisierung
= politische Klasse paßt sich den neuen Rahmenbedingungen an, welche das Mediensystems setzt, zumal in demokratischen Systemen. Das heißt:
Differenzierung nach Arbeits-, Durchsetzungs- und Darstellungskommunikation
Selektion von Personen und Positionen nach Gesichtspunkten massenmedialer Vermittelbarkeit (‚Ersetzung von Demokratie durch Demoskopie‘)
Politiker/Journalisten-Symbiosen Erscheinungsform abhängig vom (zu erwartenden)
Rangplatz in der Kommunikationshierarchie
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Warum wird die politische Macht der Massenmedien oft übersehen?
Die machtpolitische Rolle der Massenmedien ist selbst überaus selten Gegenstand massenmedialer Berichterstattung. Folge: Sie fällt nicht auf.
Wird diese Rolle von Politikern thematisiert, wird dies als ‚billige Medienschelte‘ hingestellt und übel genommen, mitunter auch durch besonders kritische Berichterstattung über solche ‚Diffamierer‘ bestraft. Folge: Politiker kuschen lieber vor wichtigen Journalisten und Medien
Journalisten gelten sich selbst und anderen in erster Linie als Beobachter und Berichterstatter, nicht aber als Akteure, und dieses Selbst- und Fremdbild wird auch nachdrücklich verteidigt. Folge: Die Rolle von Journalisten als (Mit-) Akteuren wird leicht übersehen.
Es bedarf analytischer Distanz, geeigneter analytischer Kategorien und entsprechender Forschungsergebnisse, um die Machtrolle von Medien und Journalisten angemessen erkennen und beschreiben zu können. Folge: Wer – wie die meisten – solche Kategorien oder Befunde weder kennt
noch zu nutzen weiß, bleibt selbst blind und dem (Vor-) Urteil anderer gegenüber hilflos.
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Medienmacht als Faktum Medienmacht ist – wie wirtschaftliche Macht – zwar große, doch
keine demokratisch legitimierte Macht. ‚Macht ohne entziehbares Mandat – ganz im Unterschied zur
politischen Macht! Im freiheitlichen Staat ...
verbieten sich ... Zensur zensurähnliche Journalistenkontrolle
gibt es keine massenwirksam kontrollierende Gegengewalt, weil die zu kontrollierenden Journalisten doch selbst den Zugang zur ihnen Macht spendenden Öffentlichkeit kontrollieren
funktionales Äquivalent zur fehlenden ‚Kontrolle der Kontrolleure‘: ‚Geschäfte auf Gegenseitigkeit‘ zwischen Politik und Journalismus:
gute Behandlung gegen gute Information wirtschaftliche und administrative Einflußnahme von (gewählten!)
Politikern auf Medienunternehmen
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Medienmacht als Problem Medienmacht verzerrt den politischen Willensbildungsprozeß...
durch die Eigentümlichkeiten der Konstruktion von Medienwirklichkeit durch eher anwaltschaftlichen als moderierenden Journalismus durch die Anpassung der politischen Klasse an diesen (neuen)
Machtfaktor Dennoch gibt es keine ...
mit Pluralismus und Freiheit vereinbaren institutionellen Mechanismen zur Korrektur jener Verzerrungen
sinnvolle Alternative zu jener Rolle, die Massenmedien derzeit spielen.
einzige ‚Aushilfen‘: politische Bildung der Bürgerschaft mit Medienkompetenz als Ziel Pflege eines journalistischen Professionsethos, welches die
behandelten Probleme ernstnimmt und gering hält
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Damit sollte klar sein,
auf welche Weise und warum sich Medienwirklichkeit von politischer Operationswirklichkeit unterscheidet
über welche Mechanismen Medienwirklichkeit und öffentliche Meinung zusammenhängen
Wie Politiker – mit welchen Folgen – auf die Medialisierung ihre Handlungsfeldes reagieren
eine wie große wirklichkeitskonstruktive und machtpolitische Rolle Massenmedien als politische (Mit-)Akteure spielen
was angesichts dessen sinnvollerweise zu tun ist