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Zeitschrift fur angewandte Chemie und Zentralblatt fur technische Chemie. XXII. Jahrgang. Heft 48. Uber antiken Purpurl). Von P. FRIEDLAENDER, (Eingeg. 17.10. 1609.) Unsere Kenntnisse iiber den wertvollsten und am nieisten geschatzten Farbstoff der alten Welt, den aus gewissen Meeresschnecken gewonnenen P u r p u I, griindeten sich bisher im wesentlichen auf die Angaben, die wir der alten Literatur der griechischen und romischen Zeit entnehmen konnen. In kulturhistorischer Beziehung recht ergiebig, ver- sagen diese Quellen nahezu vollsGndig, wenn wir uns von der technischen Seite der Purpurfarberei ein Bild zu machen versuchen. Die Ursache fur diese auffallende Lucke in den antiken fiberliefe- rungen ist vermutlich in der geringen Wertschat- zung zu suchen, deren sich die Farber als Stand nllgemein in der antiken Welt zu erfreuen hatten, und die wohl auch der Grund ist, weshalb wir iiher die zweifellos sehr hoch entwickelte altigyptische Farberei so iiberaus sparliche Angaben besitzen. An geheim gehaltene Verfahren ist kaum zii denken, denn mit der Kunst, mit Meeresschnecken zu firben, waren in der romischen Zeit bereits fast alle Mittelnieervolker vertraut, nnd Purpurfarbe- reien sind an zahlreichen Kiistenorten nachweisbar, wo sich nur die betreffenden Schnecken in geniigen- der Menge fanden, von Kleinasien, den griechischen Inseln und Lakonien bis Sudspanien, von Nord- afrika his znr Adria nnd Siidfrankreich. Auch han- delte es sich damals bereits keineswegs um eine neu gegrundete Industrie; die Purpurfarberei ist zweifellos sehr alten Datums. Schon im Altertum wurde ihre Entdeckung in eine mythische Vorzeit verlegt und dem phonicischen, von den Griechen Herakles genannten Melkart zugeschrieben, dessen Hund am Meeresstrande eine Purpurschnecke zer- biB und dadurch auf ihre farbenden Eigenschaften aufmerksam machte. Die praktische Unmoglich- keit dieser Fabel begreift jeder, der nur einmal eine Purpurschnecke id der Hand gehabt hat, richtig ist daran nur die Zuriickfuhrung der Purpurfarberei auf die Phonizier, die sie wohl von allen Mittelmeer- nationen zuerst ausubten und in ihre zahlreichen Kolonien verpflanzten. Noch lange nach dem staat- lichen Niedergange der Nation blieb Tyrus eine be- sonders geschitzte Bezugsquelle fur Purpurwolle. Bei den semitischen Volkern finden sich auch die iiltesten urkundlichen Andeutungen uber den Gebranch von purpurgefkrbten Geweben, der sich in eine sehr friihe Zeit zuriickverfolgen 1aBt. So ist nach D e d e k i n d eine Stelle eines altagyptischen Gedichts von ca. 1400 v. Chr., in welchem die Nach- teile der verschiedenen Handwerke geschildert wcr- 1) Vortrag, gehalten in der 2. allgemeinen Sitzung auf der Hauptversammlung zii Frank- furt a. M. Ch. 1809. 26. November 1909. den, wohl auf den Purpurfiirber zu beziehen, von dem es heiiat: seine HLnde stipken, sie haben den Geruch fauler Fische . . . er verabscheut alles Tuch. (Der spezifische sehr unangenehme und stark an- haftende Deruch, der sich beim Farben mit Purpur- schnecken entwickelt, wird wiederholt in der alten Literatur als charakteristisch hervorgehoben.) Nicht selten sind ferner die Stellen des alten Testaments, in denen von purpurgefiirbten Stoffen die Rede ist. Sie bildeten als Vorhinge am Eingang zum Allerheiligsten einen wesentlichen Schmuck im Salomonischen Tempel, spielten eine Rolle in den Kultgewandern der Hohenpriester u. a. m. AUS derselben Quelle erfahren wir von Purpurmlnteln als konigliches Abzeichen hoher Wiirdentrager bei den Persern; nur die Konige umwickelten ihrc fiaupter mit purpurnen Binden; in ihren Schatz- kammern hauften sie Purpurvorrate auf, die die Bewunderung der griechischen Eroberer erregten und noch durch viele Generationen hindurch kon- serviert wurden. Mit der zunehmenden Kultur der Mittelmeer- volker in romischer Zeit und dem steigenden all- gemeinen Wohlstand wurde naturgemaia auch die Verwendung von Purpurstoffen eine sehr vie1 all- gemeinere und artete in der Kaiserzeit bald zu Luxus aus. Doch blieb auch dann das Tragen be- stimmter Formen von Purpurgeweben das Vorrecht und gesetzlich fixierte Abzcichen gewisser vorneh- men Stande (purpurati). So hatten nur die Sena- toren das Recht, einen breiten Purpurstreifen, la- tus clavus, urn den Ausschnitt der Tnnika zu tragen; der Ritterstand begniigte sich rnit dem schmileren angustus clavus; die purpurumsaumte Toga prae- texta war die Amtvtracht der hoheren Staats- und stadtischen Beamten und verschiedener Priester; in g a n z purpurnen mit Goldstickerei geschmuck- ten Gewandern, dem Ornat des kapitolinischen Ju- piters, zogen anfanglich nur siegreiche Feldherren im Triumph ein, die durch diese Tracht iiber das memchliche Niveau hinausgehoben erachienen. Diese Anschauung war auch fur die Folge die maBgebende, und schon in der romischen Kaiser- zeit wurde durch immer mehr verschirfte Purpur- gesesetze von Nero bei zu den drakonischen Erlassen des Theodosius (401) mit Erfolg darauf hingewirkt, das Tragen g a n z purpurner Gewander bei Privat- leuten auszuschlieiaen und auf die geheiligte Person des Herrschers, spiiter auch der hohen Kirchen- fiirsten zu beschranken. Bereits im romischen Weltreich waren mehrerc der wichtigsten Purpurfarbereien in den Privat- besitz der Kaiser ubergegangen; als nach dem Ein- bruch der Barbaren sich die antike Kultur zuni groBten Teil nach Ryzanz konzentrierte, wurde die Purpurfarberei ganzlich verstaatlicht, und die kai- serlichen Farbereien in Byzanz, Tyrus, Lakonien und anderen Orten arbeiteten in erster Linie fiir die Garderobe der kaiserlichen Familie und des Klerus, 291

über antiken Purpur

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Page 1: über antiken Purpur

Zeitschrift fur angewandte Chemie und

Zentralblatt fur technische Chemie. XXII. Jahrgang. Heft 48.

Uber antiken Purpurl). Von P. FRIEDLAENDER,

(Eingeg. 17.10. 1609.)

Unsere Kenntnisse iiber den wertvollsten und am nieisten geschatzten Farbstoff der alten Welt, den aus gewissen Meeresschnecken gewonnenen P u r p u I , griindeten sich bisher im wesentlichen auf die Angaben, die wir der alten Literatur der griechischen und romischen Zeit entnehmen konnen. In kulturhistorischer Beziehung recht ergiebig, ver- sagen diese Quellen nahezu vollsGndig, wenn wir uns von der technischen Seite der Purpurfarberei ein Bild zu machen versuchen. Die Ursache fur diese auffallende Lucke in den antiken fiberliefe- rungen ist vermutlich in der geringen Wertschat- zung zu suchen, deren sich die Farber als Stand nllgemein in der antiken Welt zu erfreuen hatten, und die wohl auch der Grund ist, weshalb wir iiher die zweifellos sehr hoch entwickelte altigyptische Farberei so iiberaus sparliche Angaben besitzen.

An geheim gehaltene Verfahren ist kaum zii denken, denn mit der Kunst, mit Meeresschnecken zu firben, waren in der romischen Zeit bereits fast alle Mittelnieervolker vertraut, nnd Purpurfarbe- reien sind an zahlreichen Kiistenorten nachweisbar, wo sich nur die betreffenden Schnecken in geniigen- der Menge fanden, von Kleinasien, den griechischen Inseln und Lakonien bis Sudspanien, von Nord- afrika his znr Adria nnd Siidfrankreich. Auch han- delte es sich damals bereits keineswegs um eine neu gegrundete Industrie; die Purpurfarberei ist zweifellos sehr alten Datums. Schon im Altertum wurde ihre Entdeckung in eine mythische Vorzeit verlegt und dem phonicischen, von den Griechen Herakles genannten Melkart zugeschrieben, dessen Hund am Meeresstrande eine Purpurschnecke zer- biB und dadurch auf ihre farbenden Eigenschaften aufmerksam machte. Die praktische Unmoglich- keit dieser Fabel begreift jeder, der nur einmal eine Purpurschnecke id der Hand gehabt hat, richtig ist daran nur die Zuriickfuhrung der Purpurfarberei auf die Phonizier, die sie wohl von allen Mittelmeer- nationen zuerst ausubten und in ihre zahlreichen Kolonien verpflanzten. Noch lange nach dem staat- lichen Niedergange der Nation blieb Tyrus eine be- sonders geschitzte Bezugsquelle fur Purpurwolle.

Bei den semitischen Volkern finden sich auch die iiltesten urkundlichen Andeutungen uber den Gebranch von purpurgefkrbten Geweben, der sich in eine sehr friihe Zeit zuriickverfolgen 1aBt. So ist nach D e d e k i n d eine Stelle eines altagyptischen Gedichts von ca. 1400 v. Chr., in welchem die Nach- teile der verschiedenen Handwerke geschildert wcr-

1) Vortrag, gehalten in der 2. allgemeinen Sitzung auf der Hauptversammlung zii Frank- furt a. M.

Ch. 1809.

26. November 1909.

den, wohl auf den Purpurfiirber zu beziehen, von dem es heiiat: seine HLnde stipken, sie haben den Geruch fauler Fische . . . er verabscheut alles Tuch. (Der spezifische sehr unangenehme und stark an- haftende Deruch, der sich beim Farben mit Purpur- schnecken entwickelt, wird wiederholt in der alten Literatur als charakteristisch hervorgehoben.)

Nicht selten sind ferner die Stellen des alten Testaments, in denen von purpurgefiirbten Stoffen die Rede ist. Sie bildeten als Vorhinge am Eingang zum Allerheiligsten einen wesentlichen Schmuck im Salomonischen Tempel, spielten eine Rolle in den Kultgewandern der Hohenpriester u. a. m. AUS derselben Quelle erfahren wir von Purpurmlnteln als konigliches Abzeichen hoher Wiirdentrager bei den Persern; nur die Konige umwickelten ihrc fiaupter mit purpurnen Binden; in ihren Schatz- kammern hauften sie Purpurvorrate auf, die die Bewunderung der griechischen Eroberer erregten und noch durch viele Generationen hindurch kon- serviert wurden.

Mit der zunehmenden Kultur der Mittelmeer- volker in romischer Zeit und dem steigenden all- gemeinen Wohlstand wurde naturgemaia auch die Verwendung von Purpurstoffen eine sehr vie1 all- gemeinere und artete in der Kaiserzeit bald zu Luxus aus. Doch blieb auch dann das Tragen be- stimmter Formen von Purpurgeweben das Vorrecht und gesetzlich fixierte Abzcichen gewisser vorneh- men Stande (purpurati). So hatten nur die Sena- toren das Recht, einen breiten Purpurstreifen, la- tus clavus, urn den Ausschnitt der Tnnika zu tragen; der Ritterstand begniigte sich rnit dem schmileren angustus clavus; die purpurumsaumte Toga prae- texta war die Amtvtracht der hoheren Staats- und stadtischen Beamten und verschiedener Priester; in g a n z purpurnen mit Goldstickerei geschmuck- ten Gewandern, dem Ornat des kapitolinischen Ju- piters, zogen anfanglich nur siegreiche Feldherren im Triumph ein, die durch diese Tracht iiber das memchliche Niveau hinausgehoben erachienen.

Diese Anschauung war auch fur die Folge die maBgebende, und schon in der romischen Kaiser- zeit wurde durch immer mehr verschirfte Purpur- gesesetze von Nero bei zu den drakonischen Erlassen des Theodosius (401) mit Erfolg darauf hingewirkt, das Tragen g a n z purpurner Gewander bei Privat- leuten auszuschlieiaen und auf die geheiligte Person des Herrschers, spiiter auch der hohen Kirchen- fiirsten zu beschranken.

Bereits im romischen Weltreich waren mehrerc der wichtigsten Purpurfarbereien in den Privat- besitz der Kaiser ubergegangen; als nach dem Ein- bruch der Barbaren sich die antike Kultur zuni groBten Teil nach Ryzanz konzentrierte, wurde die Purpurfarberei ganzlich verstaatlicht, und die kai- serlichen Farbereien in Byzanz, Tyrus, Lakonien und anderen Orten arbeiteten in erster Linie fiir die Garderobe der kaiserlichen Familie und des Klerus,

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{ Zeltachrlft fllr angewandte Chemle. 2322 Friodlaeadm aber antigen Purpur.

und nur verhkltnismaI3ig selten gelangten Purpur- gewander als Geschenk an befreundete Fursten nach dem Occident.

Als notwendige Folge dieses Monopols ver- schlechterte sich auch allmiihlich die QualiUt der Farbungen; mit den1 Niedergang des byzanhinischen Reichs ging es auch mit der Purpurfarberei bergab, die wichtigsten Zentren der Industrie gingen nach- einander an Araber und Turken verloren, und mit der Einnahnie Konstantinopeh erlosch die jahr- tausend alte Kunst so vollstiindig, daU sich die Kirche entschlieben muUte, neue Fiirbevorschriften fur die Heratellung der Kardinalgewiinder zu er- lassen (14G4).

NaturgemaU das gleiche Schicksal hatte ein anderer weitaus bescheidenerer und jungerer Zweig der Purpurfarberei. Als mit zunehmender Be- schrankung der Ausfuhr von Bgyptischem Papyrus Pergament als Schreibmaterial mehr und mehr in Aufnahmc kam, wurden Manuskripte von besonderer Wertscliatzung, anfanglich nur in einzelnen Ein- legebliittern, etwa vom 4. oder 5. Jahrhundert an auch vollstandig, auf purpurgefiirbtem Pergament hergestellt, auf welchem man rnit silberner oder goldener Tusche schrieb. Verschiedene dieser iiber- aus kostbaren Codices purpurei haben sich bis heute erhalten, so in Upsala der beriihmte codex argenteus, die gotische Bibelversion, ferner die sog. Wiener Genesis u. a. und einige andere Handschriften geist- lichen Inhalts, doch auch weltliche Schenkungsur- kunden, die bis ins 12. und 13. Jahrhundert herab- reichen und in der Herstellung nachweisbar byzan- tinischer oder siiditalischer Provenienz sind.

Uber die auBerordentlichc Wkrtschatzung, dessen sich der durch Herkunft, Echtheit und Schonheit dcr Nuance in gleicher Weise isoliert da- stehende Farbstoff wahrend mehr als 2000 Jahren in der alten Welt und bis ins Mittelalter erfreute, kiinnen nach allen Angaben - und die Relege dafiir lieBen sich leicht noch auDerordentlicii vermehren - gar keine Zweifel bestehen; stets wurde er be- nutzt, wenn es galt, einem Stoffe den Stempel des AuBergewolinlichen, Vornehmen, Kostbaren aufzu- drucken. In sehr vie1 groBere Verlegenheit geraten wir, wenn wir denselben Quellen entnelimen sollen, wie denn eigentlich die Purpurfarbungen aussahen, oder wie sie hergestellt wurden. Auch in dieser Hinsicht sind wir leider auf die alte Literat.ur an- gewiesen. Die auf uns gekommenen Reste von Stoffen und Pergamentenl) zeigen sehr verschieden- artige Xuancen von Violet,tschwarz bis Hellblau- violett. und Rotviolett; sie haben aber im Laufe der Jahrliunderte offenbar sehr stark gelit,ten, und auI3erdeni muB nachdrucklich hervorgehoben wer- den, daB noch in keinem e i n z i g e n F a 1 1 e durch chemische Analyse erwiesen wurde, daB sie in der Tat mit P u r p u r gefarbt wurden und nicht viel- m e h mit den verschiedenen schon im Altertum sohr gangbaren Surrogatenz). Eine kritische Kom-

1) Vgl.dieZusanimenstellungvon K. F a y m o n - v i 11 ( 5 , Inaugural-Dissertation, Heidel bcrg 1900.

2 ) Ich bin niit dieser Untersuchung beschaftigt, soweit mir das kostbarc Material zur Verfiigung gestellt werden konntc, und in der Tat hat sich bereits ergeben, daR einige der bisher fur Purpur- farbungen gehaltenen St,offe keine Spur des Farb- stoffes enthalten.

bination der Angaben griccliischer und romischer Schriftsteller ergibt mit einiger Sicherheit folgendes.

Auch im Altertum existierten verschiedene Arten von Purpurfarbungen, die verschieden hoch geschatzt und mit sehr verschiedenen Preisen be- zahlt wurden.

Am wertvollsten waren der doppelt gefarbte (dibapha) tyrische und der lakonische Purpur, ferner der sog. Amethyst-, Janthin- oder Hyazinth- purpur, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daB es sich hier um sehr dunkle, in der A u f - s i c h t fa s t s c h w a r z e Tihe handelte (adspectu nigricans, Plinius, ater, lividum, Vitruv), die nur in der ubersicht (suspectu) einen blauvioletten his rotvioletten Schein zeigten. Gold- und Silber- schmuck hob sich von diesen Farbungen besonders prachtig ab.

Geriihmt wird an ihnes ferner ein eigentiim- liches namentlich in der Sonne hervortretendev Farbenspiel , vermutlich ahnlich dem kupferigen Glanz starker Indigofarbungen oder dem Bronzieren moderner Teerfarbstoffe.

Diese beriihmtesten Farbungen, die init dem eingekochten Saft der Hchneckenmaterie ohne wei- tere Zusatze hergestellt wurden, hatten offenbar mit dem, was wir heute unter Purpur verstehen, nicht die geringste Ahnlichkeit. Das Dunkle uber- wog zunachst jeden Farbeneindruck, daher bei H o m e r Bezeichnungen. nie die ,,purpurne Nacht", in ubertragenem Sinne auch der ,,purpurne Tod"; auch das ,,purpurne Meer" hat dann nichts befremdendes.

Xeben diesen weitaus teuersten dunklen wur- den aber auch hellerc Nuancen hergestellt durch Verdiinnen des Farbebades mit Wasser, Urin, aber auch mit anderen Farbstoffextrakten, wie Orseille, oder man kombiniertc derartige Farbungen mit bil- ligeren F'flanzen- oder Kermesfarbungen. ijber die so crhaltlichen Nuancen, die fur die vestes conohy- liatae verwendet wurden, kann kein Zweifel herr- schen, denn sie werden wiederholt mit iins zugang- lichen Objekten verglichen, so mit der Farbe des Heliotrop, der Malve, der Herbstveilchen, de,n Dampfen des Indigo u. a. m. Sie waren also mehr oder weniger rotstichig blau bis violettblau. und wir haben hierin den augenfklligen Beweis, wie wesent- liche Modifikationen der Begriff .,Purpur" im Lauf der Zeit erfahren hat. allerdings bei verschiedenen Kationen in verschiedenem MaBe, wie denn z. B. in England heute unter ,,purple" noch et,was we- sentlich Rlaueres verstanden wird, als bei uns.

Jeder Zweifel iiber die antiken Nuancen ware naturlich am einfachsten zu. beheben, wenn wir einige der alten Fiirbcvorschriften nacharbeiten konnten; aber leider sind gerade hierfiir die Angaben, namentlicli die des P 1 i n i 11 s . zii ungenau, zum Teil geradezu unverstandlich. Mit einiger Sicher- heit I a B t sich nur folgendes festlegen.

Einmal die Species der ver vendeten Purpur- schnecken, die identifiziert werden konnen, sowohl ails den Reschreibungen des P 1 i n i u s (nach L a - c a z e - D u t h i e r s), wie aus den uberresten zer- schlagener Muscheln, die wir heute noch an ver- schiedenen Stiitten antiker Fkbereien an der Kiiste angehauft finden. Die wichtigsten groBeren Arten der von P 1 i n i u s als purpura bezeichneten Piir- purschnecken fiihren jetzt zoalogisch die Bezeich-

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Friedleender: fiber antiken Purpur. 2323 XXII. Jahrgang. Heft&. %.November 1909]

nung murex brandaris und murex trunculus, die von ihm bucinlim genannte kleinere Trompetenschnecke gehort zur Gattung purpura, und zwar scheint, purpura haemostoma die am haufigsten angewandte gcwesen zu sein. Beide Gattungen wurden mit etwas abweichendem Endresultat teils fur sich allein (namentlich murex), teils in Mischung oder nacheinander verarbeitet. Bekannt war ferner, daB nicht die ganze Schnecke, sondern nur ein klei- lies (schon von A r i s t o t e 1 e s beschriebenes) Organ, von P 1 i n i u s vena genannt, Farbstoff lic- fert, der in ihm in ,,unreifer Form" als weiBlicher schleimiger Saft etwa in der Menge eines kleinen Tropfchens enthalten ist. Dieser wurde fur sich ge- sammelt, ev. unter Zusatz von Salz durch mehr- tagiges gelindes Erwarmen in nicht naher ersicht- lichen Weise prapariert und Wolle und Seide damit direkt impragniert, worauf die Farbung beim Liegen an der Luft (?), besonders schon aber in der Sonne hervortrat.

ifber die Mengenverhaltnisse, uber die Zahl der Schnecken, die zum Farben von einem Pfund Wolle oder Seide notig waren, erfahren wir nichts sicheres; jedenfalls waren erstaunlich viele erforder- lich, und hierin liegt wohl auch der Hauptgrund fur den hohen Preis der Purpurwolle, die stets in unversponnenem Zustande gefarbt wurde. I n dem Maximaltarif des D i o c 1 e t i a n aus dem Jahre 301 finden wir die besten Qualitaten mit ca. 950 M pro Pfund angesetzt, wahrend die ahnlich aus- sehende und unechtere niit coccus ilicis (Kermes) gefarbte schon fur ca. 30 M zu haben war. Beruck- sichtigt man, daB die Farbungen scliwerlich mehr als 4-5% Farbstoff enthalten haben konnen, so ergibt sich fur letzteren (der allerdings als solcher nicht isoliert wurde) ein Preis, der den lebhaften Neid unserer Farbenfabriken erregen diirfte (1 kg na. 40-50 OOO M).

Schon lange vor dem vollstandigeu Erloschen der Purpurfiirberei versiegen auch die zeitgenossi- schen literarischen Angaben fast vollstandig, und erst im spaten Mittelalter la& sich wieder ein be- ginnendes Interesse fur den antiken Purpur nach- weisen, zunachst in philologisch - antiquarischer Richtung. Naturwissenschaftlictie Beobachtungen beginnen erst im 18. Jahrhundert und sind vorersb zoologischer Katur. Ich verweise hier auf das aus- fuhrliche Sammelwerk von R. D e d e k i n d. Dasselbe enthalt auch die wichtigen Arbeiten des groBen franzosischen Zoologcn L a c a z e - D u - t h i e r s , der als erster mit Sicherheit nachwies, daB sich der Purpur gewisser Murex- und Purpura- arten nur am Licht bildet, so daB man mit dcr un- getarbten lichtempfindlichen Driisensu bstanz far- bige Photographien herstellen kann.

Untersuchungen chemischer Natur brachteir B i z i o (1833-1835), A. und G. d e N e g r i (1875) und S c h n n c k (1879); die sehr kleinen Mengen Farbstoff, die ihnen zur Verfiigung standen. reich- ten jedoch nur zu einigen qualitativen (Farhen)- Reaktionen aus, die auf eine gewisse Analogie mit Indigblau oder Indirubin schlieBen lieBen. Es folgen Arbeiten van R. D u b o i s , der die Anwesen- heit eines bei der Farbstoffbildung betciligten En- zyms, der sog. Purpurase, wahracheinlich machte und von L e T e l l i e r , welcher versuchte, die charakteristisch riechende Verbindung zu isolieren,

die bei der Farbstoffbildung in Spuren auftritt, und den Purpurfarbungdn den schon im Altertum als sehr unangenehm empfundenen Geruch verleiht. L e T e I 1 i e r glaubte, denselben auf die Abspaltung von fluchtigen Mercaptanen oder Sulfiden zuriick- fuhren zu konnen, erhielt aber selbst bei Verarbei- tung von 6000 Stuck purpura lapillus nur auiuBerst geringe, kaum charakterisierbare Quantitaten.

Speziell diese Angaben im Verein rnit den Beob- achtungen von S c h u n c k veranlaBten mich, das Studium der Purpurschnecken wieder aufzunehmen, da es mir nicht ausgeschlossen schien, daD hier zur Thioindigoreihe gehorige Farbstoffe vorlagen. Er- moglicht wurde mir die Arbeit durch die liberale Unterstiitzung der K. Akademie der Wissenschaf- ten in Wien, sowie durch das iiberaus liebenswiirdige Entgegenkommen einer Anzahl zoologischer- Sta- tionen des Mittelmeeres. Zu speziellem Dank ver- pflichtet bin ich namentlich Herrn Prof. C o r i - Triest , ferner Herrn Dr. H e r m e s - Rovigno, Prof. D u b o i.s - Toulon, Prof. D e 1 a g e - Roscoff. die mir die Hilfsmittel ihrer Institute zur Verfiigung stellten. Der unbequemste Teil der Untersuchung, die Beschaffung des genugenden Ausgangsmate- rials, konnte dadurch wesentlich erleichtert werden; wahrend die Purpurschnecken im Altertum durch Koder gefangen wurden, der in Korben fur einige Zeit auf den Meeresgrund versenkt wwde - eine Arbeit, die die spezielle Beschaftigung der murile- guli bildete - lassen sich murex brandaris und murex trunculus heute bequemer mittels Schlepp- netz heraufholen, und man kann an ergiebigen Stellen leicht einige Hundert an einem Tage fangen.

Die weitere Verarbeitung nahm ich so vor, da8 nach Zertriimmerung der Schale die Purpurdriise herausgenommen und ihr Inhalt, auf Filtrierpapier gestrichen, der Sonne exponiert wurde. Man be- freit hierauf den entwickelten Farbstoff nach dem Mercerisieren des Papiers durch verd. heiBe Schwe- felsaure von leichter Ioslichen Verunreinigungen und extrahiert ihn schlieBlich mittels hochsiedender Losungsmittel, wie Chinolin oder Benzoesaureester. Durch Umkrystallisieren daraus ist er leicht rein zu erhalten; immerhin ist die Beschaffung einer etww grol3eren Menge eine recht miihsame Arbeit; aus 12 000 Stuck murex brandaris erhielt ich nur 1.5 g.

Die Analyse ergab uberraschenderweise einen stamen B r o m gehalt und die Zusammensetzung eines Dibroniindigos, womit auch die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Farbstoffs durch- aus ubereinstimmen.

Jeder Zweifel an dieser Annahme wird beseitigt durch einen direkten Vergleich mit dem (zuerst von R. S a c h s) erhaltenen 66- D i b r o m i n d i g 0 ,

der sich leicht nach verschiedenen Methoden syn- thetisch darstellen 1aBt und zu einem Preiee fabri- ziert werden konnte, der der heutigen Mensehheit etwa lOOOmal niedriger kame als der alten Welt.

Aber es ist kaum anzunehmen, daB wir heute davon Gebrauch machen werden. Die Nuance des antiken Purpurs ist ein ziemlich triibes rotstichiges

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2324 Ephraim: Reform der formalen Bestimmungen des Patentgesetzes. [ R n ~ & ! ~ ~ ~ ~ f ~ ~ m , e .

Violett, das unseren verwohnten Augen keinen son- derlichen Eindruck macht. uberdies lieDe sich dieser Ton in derselben Echtlieit durch verschiedene Thio- indigoderivate Ieicht wiedergeben.

Wir sind um eine Illusion armer; aber der merkn iirdige Orpanismus der Purpurschnecken stellt uns noch andere Probleme, deren Lijsung gegenwiirtig ein grofieres Interesse bietet, als das der Konstitution des Farbstoffes. Die oben ange- gebene Zusammensetzung ist mit voller Sicherheit bisher nur fur murex brandaris festgestellt worden; allerdings scheinen auch die Purpuraarten den gleichen Farbstoff zu produzieren; aber bei der naheverwanclten murex trunculus liiBt sich leicht neben dcm rotvioletten auch ein dunkelblauer nach- weisen, der abweichend von jenem nur durch Oxy- dationswirkung und nicht durch Licht aus einem farblosen Bestandteil der Wise entsteht. Seine Zu- sammensetzung konnte noch nicht ermittel t werden. Weitaus interessanter sind aber die farblosen Sub- stanzen der Driisen selbst, aus denen teils durch rein chemische, teils durch photochemische Einwir- kungen erst die Farbstoffe entstehen. Fur diese Verbindungen sind Analoga im lebenden Organismus bisher ganz unbekannt, und die Aufklarung ihrer Zusammcnsetzung, ihrer Entstehung und ihrer bio- chemischen Rolle werden uns fiir die Enttauschung entschadigen, die uns ihre Farbstoffderivate be- reitet haben. [A. 185.1

Die Reform der formalen Bestimmungen des Patentgesetzesl).

Von Patentanwalt Dr. JULIUS EPHRAIM. Bei den Erorterungen iiber die Reform des

Patentgesetzes sind bisher naturgemal3,vorwiegend allgemeine Fragen materiellrechtlicher Art in den Vordergrund getreten. Wenn man aber an eine Revision des Patentgesetzes herantritt, mu8 man auch priifen, inwieweit bei dem Verfahren der Patenterteilung eine Abanderung der bestehenden Restimmungen wiinschenswert ist.

Allerdings haben sich im allgemeinen die for- malen Vorschriften des Patentgesetzes bewahrt. Man mu13 aber beriicksichtigen, daB naturgemafi bei der immer hgufiger werdenden Handhabung des Patentgesetzes im Laufe der Zeit Fragen auf- tauchen miissen, an die man friiher nicht gedacht hat. Auch die stcigende wissemchaftliche Erorte- rung des Patentgesetzes muR rnanche Streitfrage aufrollen, die bisher unbeachtet war. Unter diesen Umstandcn ist es unvermeidlich, daR L ii c k e n i m G e s e t z e auftreten, deren Ausfullung not- wendig wird. Es mussen sich U n k 1 a r h e i t e n e r g e b e n , deren R e s e i t i g u n g u n d E r - I e d i g u n g wiinschenswert ist. Schliealich zeigen sich auch einzelne V o r s c h r i f t e n , d i e v e r - a 1 t e t s i n d und deshalb beseitigt werden miissen.

In vielen Fallen, namentlich bei manchen Lucken und Unklarheiten, ist ea von geringerer Bedeutung, in welcher Richtung die h d e r u n g vor- genommen wird. Es kommt vielmehr iiberhaupt nur darauf an, daB Klarheit geschaffen wird, und

1) Vortrag gehalten am 17./9. in der Fach- gruppe fur gewerblichen Rechtsschutz.

eine Bcseitigung der bestandenen Zweifel erfolgt. Ebenso hat es geringere Redeutung, ob die frag- liche Bestimmung im Gesetze selbst oder in den Ausfuhrungsbestimmungen gctroffen wird. Es han- delt sich stets nur darum, daR in irgendeiner Weise den aich geltend machenden Bediirfnissen Rech- nung getragen wird, gleichgiiltig in welcher gesetz- lichen Form dies geschieht. Aus dicscn Griinden wird im folgenden auch von dem Vorschlage einer bestimmten Fassung des Gesetzes abgeuehen. Zu- nachst handelt es sich darum, auf einige Fragen hinzuweisen und deren Erorterung anzuregen, ohne da5 eine bestimmte Erledigung stcts zu empfeh- len ist.

1. In den Vordergrund des Interesses diirfte die Ordnung des I n s t a n z e n z u g e s treten. Schon seit langer Zeit ist man sich wohl dariibcr einig, daB es unbillig ist, dem Anmelder nur zwei Instanzen zur Erlangung dcs Patentrechtes zu ge- wlhren, wiihrend fur die Rekampfung des Patent- rechtes. gleichsam vier Instanzen zur Verfiigung stehen. Es ist wohl als zienilich sicher anzunehmen, daB fiir den Anmelder eine weitere Instanz zur Erlangung der Bekanntmachung geschaffen wird. Fast allgemein wird vorgeschlagen, daB diese neu eingefiihrte Instanz der Vorpriifer sein soll, der selbstiindig die Bekanntmachung der Patentanmel- dung (und gegebenenfalls auch die Erteilung des Patentes) verfiigt, falls keine Beanstandungen und Entgegenhaltungen vorliegen. Die 0 r g a n i s a - t i o n d e s I I? s t a n z e n 7 u g c s bednrf einer eingehenden Erorterung, an der sich in erster Linie die Industrie zu beteiligen haben wird.

Bei der Bekanntmachung der Anmeldung nnd der Erteilung des Patentes kommt es ja nicht nur darauf an, daR auf bestimnitc Merkmale ein PaLent erteilt wird. Die erforderlichen Angaben. um den1 Sachveistandigen die Ausfuhrung der Erfindiing moglich zu machen (§ 20 Satz 4 Pat.-Ges.), haben ganz besondere Bedeutung sowohi fiir die Reurtei- lung des erteilten Schutzes wie fur die Aufrecht- erhaltung desselben. Die Abfassung der Beschrei- bung ist von dcr hochrtcn Bedeutiing, nicht nur fiir die dem Anmelder gegeniiberstehende Allge- meinheit, sondern auch ,n nicht geringerem Grade fur den Patentinhaber selbst. Bei dern heritigen System dcr Patenterteilung wird daher mit vollstem Rechte dem Wortlaute der Dcschrcibunr; dic groRt,e Reachtung geschenkt. Nioht, nur der Voypriifer, sonclern auch die Abteilunp untrrzieht die Be- schreibung einrtr gcnauen I’riifung. Gerade hier ciiirfte die Teiinahinr vtrscliicdener Pereonen an der Kritik von tiesondcrcr Redeutung scin. Dem Vorpriifer. der sich langere Zeit mit den1 einzelncn Gesuch beschaftigt hat, ist die Beschreibung und die Bedeutung der einzelnen Darlegungen derselben besonders vertraut, zumal cr ja die Erklkungen aus den Eingaben als Erlauterung und ErgHnzung grundlich studiert hat. I n einem solehen Falle kann leicht eine Stelle der Beschreibung fur geniigend angesehen werden, wahrend der mit der Vor- geschichte der Anmeldung nicht Vertraete Lucken und Unklarheiten erkennt. Die Kritik durch dritte, der Anmeldung gleichsam fernerstehende Sachver- 3tindige hat also fiir die Abfassung der Beffihrei- bung besondere Wichtigkeit. Gibt man nun dern Vorpriifer fur die Bekanntmachung und Rrteilnng