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LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
LERNBEREICH 2
Unterstuumltzung alter Menschen bei der Lebensgestaltung
LF 21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen
Handeln beruumlcksichtigen 618
LF 22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
LF 23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten
unterstuumltzen 718
LERNBEREICH 3
Rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit
LF 31 Institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen beim altenpflegerischen
Handeln beruumlcksichtigen 758
LF 32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
LERNBEREICH 4
Altenpflege als Beruf
LF 41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
LF 42 Lernen lernen 882
LF 43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
LF 44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
2
3
4
1
Foto
Wer
ner K
ruumlpe
r T
hiem
e
THIEMEs AltenpflegeinLernfeldern
1200 Abbildungen
3aktualisierteAuflage
GeorgThiemeVerlagStuttgartNewYork
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschenNationalbibliografiedetailliertebibliografischeDatensindimInternetuumlberhttpdnbd-nbdeabrufbar
Wichtiger HinweisWiejedeWissenschaftistdieMedizinstaumlndigenEntwicklun-genunterworfenForschungundklinischeErfahrungerweiternunsereErkennt-nisseinsbesonderewasBehandlungundmedikamentoumlseTherapieanbelangtSo-weitindiesemWerkeineDosierungodereineApplikationerwaumlhntwirddarfderLeserzwardaraufvertrauendassAutorenHerausgeberundVerlaggroszligeSorgfaltdaraufverwandthabendassdieseAngabedem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entsprichtFuumlr Angaben uumlber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vomVerlag jedochkeineGewaumlhruumlbernommenwerden Jeder Benutzer ist angehal-tendurchsorgfaumlltigePruumlfungderBeipackzettelderverwendetenPraumlparateundgegebenenfallsnachKonsultationeinesSpezialistenfestzustellenobdiedortge-gebeneEmpfehlungfuumlrDosierungenoderdieBeachtungvonKontraindikationengegenuumlberderAngabeindiesemBuchabweichtEinesolchePruumlfungistbesonderswichtigbeiseltenverwendetenPraumlparatenodersolchendieneuaufdenMarktgebrachtwordensindJede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des BenutzersAutorenundVerlagappellierenanjedenBenutzerihmetwaauf-fallendeUngenauigkeitendemVerlagmitzuteilen
WirbittenumVerstaumlndnisdassausGruumlndenderLesbarkeitimBuchdiemaumlnn-lichenFormenzBPatientSchuumllerLehrerverwendetwerdenNatuumlrlichistunsbewusst dass die Pflege uumlberwiegend ein Frauenberuf ist ndash die Gleichberechti-gung der Frau ist jedoch selbstverstaumlndlich Grundlage der Konzeption und desMenschenbildessodasseineDopplungderBegriffeunnoumltigerscheint
DieVerantwortungfuumlrdieFilmeliegtbeimVerlagBittewendensiesichbeiFra-genandiePflegeredaktion
GeschuumltzteWarennamen(Warenzeichen)werdennicht besonderskenntlichge-machtAusdemFehleneinessolchenHinweiseskannalsonichtgeschlossenwer-dendassessichumeinenfreienWarennamenhandeltDas Werk einschlieszliglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschuumltzt JedeVerwertung auszligerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdesVerlagesunzulaumlssigundstrafbarDasgiltinsbesonderefuumlrVer-vielfaumlltigungenUumlbersetzungenMikroverfilmungenunddieEinspeicherungundVerarbeitunginelektronischenSystemen
1Auflage20082Auflage2012
copy2018GeorgThiemeVerlagKGRuumldigerstraszlige14Dndash70469StuttgartUnsereHomepagehttpwwwthiemede
PrintedinGermany
Fotografien
WernerKruumlperBielefeldRomanStoumlpplerGerlingenAlexanderFischerBadenBadenPflegefotoarchivThiemeVerlagsgruppe
Grafiken (Neuzeichnungen)
AngelikaBraunerHohenpeiszligenbergHelmutHoltermannDannenbergMitUumlbernahmenausSchuumlnkeMSchulteESchumacherUPrometheusLernAtlasderAnatomieIllustrationenvonMVollundKWeskerStuttgartThieme
Gestaltung und Layout
TinaHinkelStuttgart
UmschlaggestaltungThiemeVerlagsgruppeUmschlagillustrationSeinabDanboosMuumlnsterSatzL42AGBerlinSatzsystemAdobeIndesignCS6DruckAprintaDruckGmbHWemding
DOI101055b-004-140660
ISBN978-3-13-240270-6 123456
AucherhaumlltlichalsE-BookeISBN(PDF)978-3-13-240271-3
AlsAusgangsbasisdiesesBuchesdientenfolgendeWerke
AndreaeSHayekDWenigerJKrankheitslehre3AuflStuttgartThieme2011CharlierSHrsgSozialeGerontologie2AuflStuttgartThieme2010EkertBEkertCPsychologiefuumlrPflegeberufeStuttgartThieme2005HellWAllesWissenswerteuumlberStaatBuumlrgerRecht5Aufl StuttgartThieme2007KoumltherIHrsgAltenpflege3AuflStuttgartThieme2011KellnhauserEetalHrsgTHIEMEsPflege11AuflStuttgartThieme2009LauberAHrsgGrundlagenberuflicherPflege2AuflStuttgartThieme2007LauberASchmalstiegPHrsgWahrnehmenundBeobachten2AuflStuttgartThieme2007Lauber A Schmalstieg P Hrsg Praumlvention und Rehabilitation 2 Aufl StuttgartThieme2007Perrar KM et al Gerontopsychiatrie fuumlr Pflegeberufe 2 Aufl Stuttgart Thieme2011
V
VorwortLiebeLeserinnenliebeLeser
wie lernt es sich am besten ndash Die Antwort lautet strukturiert konzentriert und motiviert
Mit unserem ALF (bdquoAltenpflege in Lernfeldernldquo) uumlbersetzenwirdieseseinfacheErfolgsrezeptindieLernpraxisDieInhal-te von 3 Jahren Ausbildung (immerhin 4600 Stunden Theo-rieundPraxis)wollenwohldosiertgelerntwerdenWersichschon einmal auf eine groszlige Pruumlfung vorbereitet hat weiszligwiebeeindruckendwennnichtgarfurchteinfloumlszligenddieFuumll-ledesLernstoffswirkenkann
DieLoumlsungdiesesBuchesberuhtaufdreiStrategien1 klareStrkturen2 KonzentrationaufdasWichtigsteund3 dasLernensoangenehmundeinfachwiemoumlglichgestalten
Klare Strukturen
Neue Inhalte erschlieszligt man sich am besten wenn man zu-naumlchst einen groben Uumlberblick uumlber die Hauptbereiche ge-winntDannnaumlhertmansichdengroszligenThemendieserBe-reicheDiesegroszligenThemenwerdendannnochmalsinUnter-themenaufgeteiltbismaneinenUumlberblickuumlberdieeinzelnenkleinenThemenhatDaheristdiesesBuchaufgeteilt1 in4groszligeLernbereiche (sieentsprechenden4Lernberei-
chenderAusbildungs-undPruumlfungsverordnung)2 jederLernbereichwirdwiederumin14Unterbereicheauf-
geteilt(sieentsprechenden14Lernfeldern)3 jedesLernfeldwirdinUnterthemenunterteilt(ca700)
DamitwirddieriesigeInhaltsfuumlllederAusbildunginverdauli-cheHappenportioniertDerkleinsteLernhappenisteineSeitelangundsomitschnelluumlberschaubar
Konzentration auf das Wichtigste
WennSieindenUrlaubfliegenmoumlchtenbeschaumlftigtSiebeimEinchecken zunaumlchst mehr die Frage nach der Platzwahl alsdienachderOrganisationderFlugsicherungSietrennendasWichtigevomgroszligenGanzenDashabenwirfuumlrSiemitdie-semBuchgetanWirhabenvonallenThemennurdiewich-tigstenInhalteindiesemBuchaufgenommenDasheiszligtnichtdassdieanderenInhalteunwichtigsindesheiszligtnurdasswirden inhaltlichenKerngetrennthabenvonderFuumlllederwei-teren InformationendrumherumDenndasZiel istes ja zu-naumlchsteinensolidenUumlberblickzugewinnen
Das Lernen so angenehm und einfach wie moumlglich gestaltenJederweiszligwiemotivierendesistdasZielzumGreifennahzusehenundErfolgereihenweiseabhakenzukoumlnnenDieca700Themenwerdendaher imSeitenkonzeptbehandeltDiekleinsten Themen werden auf einer Seite vermittelt JedesThemabeginntaufeinerneuenSeitejedesThemaendetun-tenaufderSeiteundwirddurcheinenStopperbullmarkiert
SomithabenSienichtnurdeninhaltlichensondernauchdenvisuellenUumlberblickInkleinenSchrittennaumlhernSiesichdemZielamsicherstenGrafikenerklaumlrenaufvisuelleWeisekom-plexeSachverhalteFotosnehmenSiemit indiePraxisHer-vorhebungeninderMarginalspaltezeigenIhnen
B BeispieleausderPflegepraxis
DDefinitionenwichtigerBegriffe
MSachverhaltedieSiesichmerkensollten
PTippsfuumlrdiePraxis
IInfosuumlberweiterfuumlhrendeLiteraturundInternetadres-sen
Umfangreiche Querverweise zeigen Ihnen wo Sie innerhalbdesBuchesZusaumltzlicheszumThemafindenEinsehrdetaillier-tesSachverzeichniszeigtIhnendenWegzudengewuumlnschtenInhalten
AufdieseArtgelingtessichsaumlmtlicheInhaltederdreijaumlh-rigen Ausbildung Schrittchen fuumlr Schrittchen zu erschlieszligenHakenSiedieThemenabundalleswasSienaumlherinteressiertkoumlnnen Sie in den groszligen Nachschlagewerken vertiefendnachlesenzBinunseremKlassikerbdquoAltenpflegeldquo
Vertrauen und Sicherheit
WiekoumlnnenSiesicherseindassauchallewichtigenThemenbehandeltwurdenWirhabenverschiedeneSicherungssyste-meeingebaut1 Die Inhalte folgen dem Altenpflegegesetz und der Alten-
pflegeausbildungs-undpruumlfungsverordnung2 die Inhalte beruumlcksichtigen die Vorgaben der Laumlnder und
derenCurricula3 dieInhaltestammenvonanerkanntenAutoren
DasBuchwurdenachdemGesetzeswortlautstrukturiertDieAngabenfuumlrdieUnterrichtsstundenwurdenzudenSeitendesBuchesinsVerhaumlltnisgesetztSomithabendieThemenmehrUmfangdieauchmiteinerhoumlherenStundenzahlunterrichtetwerdenJedesBundeslandhatzudemseinespezifischenThe-men In einem groszligangelegten Abgleich wurden die InhaltedesCurriculumdesKDAunddieCurriculaausNRWSaarlandRheinland-PfalzundBaden-Wuumlrttembergmiteinandervergli-chen Besondere Themen wurden ergaumlnzend aufgenommenumdieWuumlnscheallerBundeslaumlnderbefriedigenzukoumlnnen
DieInhaltediesesBuchesstammenausderFederanerkann-terAutorenderTHIEME-VerlagsgruppeUumlberwiegendkonntebeiderEntstehungdiesesBuchesaufbereitsexistierendeIn-
VI
VoRWoRT
haltezuruumlckgegriffenwerdendiedann inderFachredaktionnochmals konzentriert und reduziert wurden um den Cha-rakterdesUumlberblickszuschaffenThemendienochnichtbe-schrieben wurden wurden neu verfasst Das Ergebnis ist ein
KonzentratausgeballtemWissenvonuumlber50FachautorenderPflegeszene
Wir wuumlnschen Ihnen viel Erfolg bei der Arbeit mit diesemBuch
VII
MitarbeiterverzeichnisGundulaGeist
KrankenschwesterPraxisanleiterin
KinaestheticsTrainerin
Ilsebaumlumen10
32469Petershagen
FelixHahn
BScAugenoptikundHoumlrakustik
HahnOptik+Akustik
HeilbronnerStr47
74211Leingarten
DrmedDominikvonHayek
FacharztfuumlrAllgemeinmedizinundGeriatrie
Konradinstr6b
81543Muumlnchen
HuumllyaHeinen
StaatlichanerkannteKrankenschwesterfuumlrLeitungsfunktionen
inEinrichtungenderPflegeimGesundheits-undSozialwesen
QualitaumltsauditorinTUumlV(PersCert)
TQM-CoachTQMCTUumlVEFQMAssessorTUumlV
TrainerinundDozentinimGesundheitswesen
FachkraftfuumlrArbeitssicherheit(SiFa)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
WernerHeinen
FachwirtfuumlrFinanzberatung(IHK)
zertifizierterSachverstaumlndiger(BDSH)fuumlr
Immobilien-undUnternehmensbewertungen
UnternehmensberaterfuumlrWirtschaftundSoziales
PersonalberaterimGesundheitswesen
Datenschutzbeauftragter(IHK)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
AnjaHeiszligenberg
Krankenschwester
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
AkademiefuumlrPflegeberufe
SanaKlinikumOffenbachGmbH
Starkenburgring66
63069OffenbachamMain
WalterHell
DirektordesAmtsgerichts
Schlossplatz9
86551Aichach
ProfLotteKaba-Schoumlnstein
DiplSozialwirtinDiplSozpaumld
HochschuleEsslingen
Flandernstr101
73732Esslingen
DrmedSusanneAndreae
niedergelasseneFachaumlrztinfuumlrAllgemeinmedizin
DozentinanKrankenpflegeschulen
aumlrztlicheBeisitzerinderGutachterkommissionLandesaumlrzte-
kammerSuumldbaden
LehrbeauftragtefuumlrAllgemeinmedizinanderUniversitaumltFreiburg
Laumlrchenweg26
78713Schramberg
ProfDrSabineBartholomeyczik
FakultaumltfuumlrGesundheitDepartmentfuumlrPflegewissenschaft
UniversitaumltWittenHerdecke
StockumerStr12
58453Witten
RenateBerner
KrankenschwesterDipl-Pflegewirtin(FH)
Max-Kirschner-Straszlige13
85126Muumlnchsmuumlnster
SiegfriedCharlier
Dipl-PaumldagogeDipl-Supervisor(DGSv)
AufdemKorb58a
51789Lindlar
EvaEissing
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
SozialwissenschaftlerinBA
ImSteelerRott22
45276Essen
DrphilBaumlrbelEkert
Dipl-PsychologinTheologin
Moumlrikestr13
72532Gomadingen
ProfDrMichaelEwersMPH
ChariteacuteUniversitaumltsmedizinBerlin
InstitutfuumlrGesundheits-undPflegewissenschaft
CampusVirchowKlinikum
AugustenburgerPlatz1
13353Berlin
DrphilRenateFischer
KrankenschwestermitFachweiterbildungfuumlrEndoskopie
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
SchulefuumlrGesundheits-undKrankenpflege
KatholischesKlinikumKoblenzndashMontabaur
Thielenstr13
56073Koblenz
MichaelaFlechsenberger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
stellvLeitungdesGesundheits-undBildungszentrumsOberberg
Barbarastr8
57548Kirchen(Sieg)
VIII
MITARBEITERVERzEICHNIS
OlafKirschnick
LehrerfuumlrPflegeberufeundEntbindungspflege
Lehrrettungsassistent
PraumldikantEvangKirchendashBaden
LeiterndashBildungszentrumbdquoGesundheitundPflegeldquo
amKrankenhausTauberbischofsheim
Albert-Schweitzer-Straszlige35
97941Tauberbischofsheim
MargareteKlimek
Krankenschwester
LehrerinfuumlrKrankenpflege-Kinderkrankenpflege-und
Altenpflegeberufe
TheologReferentin
Kastanienstr76
58332Schwelm
UrsulaKocs
Dipl-Psychologin
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
derDiakonie-Stiftung-Salem
Johannesstr6
32423Minden
DrrercurAnnetteLauber
Pflegewissenschaftlerin(MSc)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Irmgard-Bosch-Bildungszentrum
Auerbachstraszlige110
70376Stuttgart
SusanneMettrop
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
DiplPflegegutachterin(IBW)
Bitzenweg15a
51789Waldbroumll
MartinaMetzger
LehrerinfuumlrPflegeberufe
Eichenweg1
71134Aidlingen
GerlindeNowak
SozialpaumldagoginTrainerinfuumlrKommunikationundModeration
ImGrashof4
51789Lindlar
PeterNydahl
KrankenpflegerPraxisanleiterMScN
Kurs-undWeiterbildungsleiterfuumlr
BasaleStimulationinderPflege
PflegeexpertefuumlrMenschenimWachkoma
Sternstr2
24116Kiel
DrmedKlausMariaPerrar
FacharztfuumlrPsychiatriePsychotherapiePalliativmedizin
ZentrumfuumlrPalliativmedizinDrMildredScheelHaus
UniklinikKoumlln
Kerpenerstr62
50937Koumlln
JohannePlescher-Kramer
KrankenschwesterFachkrankenschwesterfuumlr
AnaumlsthesieuIntensivpflegeWundexpertin(ICW)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
DrrernatAntoniePost
Dipl-Ernaumlhrungswissenschaftlerin
Lutherstraszlige20
71576Burgstetten
BrigitteSachsenmaier
LehrerinfuumlrPflegeberufeStomatherapeutin
Ziegelstr42
73084Salach
SabineSappke-Heuser
Juristin
Klosterberg3
53804Much
AndreasSchilde
StaatlichanerkannterAltenpflegerundTQM-Beauftragter
Goldhaumlhnchenweg19
12359Berlin
PDDrhabilAndreasSchwarzkopf
FacharztfuumlrMikrobiologieundInfektionsepidemiologie
SachverstaumlndigerKrankenhaushygiene
InstitutSchwarzkopfGbR
Otto-von-Bamberg-Str10
99717AuraanderSaale
GabrieleSteinhaumluszliger
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Friedrichstr22
73614Schorndorf
RuthUessem
LehrerinfuumlrPflegeberufeQMB
stellvLeitung
AkademieGesundheitswirtschaftundSenioren
desOberbergischenKreises
Lebrechtstr27
51643Gummersbach
JuttaWeniger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Herdstr161
78050Villingen-Schwenningen
IX
MITARBEITERVERzEICHNIS
GuumlnterBaier
Dipl-Verwaltungswirt
ResperGasse17
51674Wiehl
ChristineBaumlumler
Sport-undGymnastiklehrerin
Kinaesthetics-Trainerin
TrainerinfuumlrSturzpraumlvention
Fliederweg13
73116Waumlschenbeuren
SieglindeDenzel
Dipl-Psychologin
Martinsberg14
78564ReichenbachamHeuberg
ChristianeEkertdagger
Dipl-Psychologin
Robert-Leicht-Str141b
70569Stuttgart
ChristinevonEltzdagger
Hagenstr7
31655Stadthagen
DrphilUrsulaGeiszligner
emProfessorinfuumlrFuumlhrungslehreundOrganisation
Feldbergstr5
79247Maumlrgen
ElseGnamm
AltenpflegerinLehrerinfuumlrAltenpflege
Schubertstr21
72800Eningen
MichaelHaas
KrankenpflegerDipl-Pflegepaumldagoge(FH)
DiakonieStiftungSalemgGmbH
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
Fachseminarleiter
Johansenstr6
32432Minden
AstridHammer
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
StaatlanerkannteSchulefuumlrGesundheits-und
KrankenpflegeundKrankenpflegehilfe
UniversitaumltsmedizinderJohannesGutenberg-UniversitaumltMainz
AmPulverturm13
55101Mainz
HenryKieschnick
Dipl-Pflegewirt(FH)
KulmerWeg3
30659Hannover
AndreasKutschkeBScN
KrankenpflegerfuumlrGeriatrischeRehabilitation
AbteilungQualitaumltsmanagementundPflegeberatung
StaumldtischeSeniorenheimeKrefeldgGmbH
De-Greiff-Str194
47803Krefeld
RainerOchel
Dipl-Verwaltungswirt
AmStockweg7
51645Gummersbach
UrsulaPfaumlfflin-Muumlllenhoff
UPfMAltenpflegerinLehrerinfuumlrGrund-undHauptschule
DozentininderAltenpflegeausbildung
Religionspaumldagogin
AmRennerweiher3
90562Heroldsberg
HartmutRolf
LehrerfuumlrPflegeberufe(Diplom)
BerufsfachschulefuumlrAltenpflege
Diakonisches-InstitutDr-Alfred-Schwab-Platz1
73033Goumlppingen
JoachimScholz
LehrerfuumlrPflegeberufePflegedienstleiter
Wiesenstr8
51766Engelskirchen
SilkeSchoolmann
Dipl-Paumldagogin(FH)
Gartenfeldstr12
55118Mainz
HanneloreSeibold
KrankenschwesterDipl-Sozialpaumldagogin
Manchesterstr36
33604Bielefeld
BirteStaumlhrmann
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Kommunikationswirtin
EvangDiakonissenanstaltStuttgart
Rosenbergstraszlige40
70176Stuttgart
RaimundStollbergdagger
Dipl-SozialarbeiterDipl-Gerontologe
Hauptstr36a
51519Odenthal
Mitarbeiter der vorigen Auflagen
XI
Inhaltsverzeichnis
Lernbereich 1 AufgabenundKonzepteinderAltenpflege
11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
111 Alter Gesundheit Krankheit Behinderung und Pflegebeduumlrftigkeit 2
WasistAlter 2
WelcheAltersmodellegibtes 3
PhysiologischeAlterungsprozesse 4
AlteralsLebensphaseundalsProzess 7
WelcheModellevonGesundheit
undKrankheitgibtes 8
WasbedeutenBehinderungundPflegebeduumlrftigkeit 10
112 Konzepte Modelle und Theorien der Pflege 11
WassindKonzepteModelleundTheorien 11
113 Handlungsrelevanz von Konzepten und Modellen der Pflege anhand konkreter Pflegesituationen 14
WasistprofessionellePflege 14
WiewerdenTheorienentwickelt 15
FoumlrderndeProzesspflegenachKrohwinkel 18
RoperLoganundTierneyndash
DieElementederKrankenpflege 20
PflegemodellvonOrem 22
AnwendungwissenschaftlicherErkenntnisse
inderPraxis 24
114 Pflegeforschung und Umsetzung von Forschungsergebnissen 25
WasistPflegeforschung 25
GeschichtlicheEntwicklungderPflegeforschung 26
Forschungsansaumltze 27
Forschungsdesigns 28
SchrittedesForschungsprozesses 30
PraktischeAnwendungderPflegeforschung 32
115 Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention 34
PraumlventionundGesundheitsfoumlrderung 34
116 Rehabilitation 38
WasistRehabilitation 38
WasistgeriatrischeRehabilitation 39
AufgabeundZielederPflegeinderRehabilitation 40
LeistungenundLeistungstraumlgerderRehabilitation 44
117 Biografiearbeit 45
PraumlgungdurchdieBiografie 45
LebensgeschichteundAltenpflege 46
BiografischeHaltungimPflegealltag 47
Biografiearbeitundbiografisch
orientiertePflegeplanung 48
ErhebungbiografischerInformationen
undDatenschutz 50
PsychobiografischesModellnachBoumlhm 51
Altersbilder 52
118 Pflegerelevante Grundlagen der Ethik 53
Menschenbilder 53
VorstellungenvomAltseinundvonaltenMenschen 54
EthischeGrundrichtungenundPrinzipien 56
WerteorientierteberuflicheBeziehungsgestaltung 59
12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
121 Wahrnehmung und Beobachtung 61
WasistWahrnehmung 61
BeeinflussungderWahrnehmung 64
WasistBeobachtung 66
BedeutungderBeobachtunginderPflege 70
122 Pflegeprozess 72
WasistderPflegeprozess 72
123 Pflegediagnostik 74
Informationssammlung 74
ErkennenvonPflegeproblemenundRessourcen 76
WassindPflegediagnosen 78
ArtenvonPflegediagnosen 79
KlassifikationvonPflegediagnosen 80
Assessmentinstrumente 81
124 Planung Durchfuumlhrung und Evaluation der Pflege 84
WiewerdenPflegezielegeplant 84
PlanungundDurchfuumlhrungderPflegemaszlignahmen 85
WassindPflegestandards 88
WiewirdPflegeevaluiert 90
Pflegevisite 91
125 Grenzen der Pflegeplanung 93
126 Pflegedokumentation EDV 94
InstrumentderPflegendashPflegedokumentation 94
EDV-SystemezurPflegedokumentation 97
ProgrammeinderAltenpflege 98
DigitaleLernmittel 100
Datenschutz 101
127 Pflegeuumlberleitung und Case Management 102
PflegeuumlberleitungundEntlassungsmanagement 102
Schnittstellenmanagement 105
CaseManagement 107
13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
131 Pflegerelevante Grundlagen 110
EinfuumlhrungindieAnatomieundPhysiologie 110
EinfuumlhrungindieGeriatrie 117
EinfuumlhrungindieGerontopsychiatrie 119
EinfuumlhrungindiePsychologie 121
EinfuumlhrungindieArzneimittellehre(Pharmakologie) 123
EinfuumlhrungindieHygiene 127
EinfuumlhrungindieErnaumlhrungslehre 132
1
XII
INHALTSVERzEICHNIS
132 Unterstuumltzung alter Menschen bei der Selbstpflege 140
Sichbewegenkoumlnnen 140
Sichpflegenkoumlnnen 148
Sichkleidenkoumlnnen 163
Essenundtrinkenkoumlnnen 169
Ausscheidenkoumlnnen 177
Ruhenschlafenundsichentspannenkoumlnnen 189
Fuumlreinesichereundfoumlrdernde
Umgebungsorgenkoumlnnen 196
MitexistenziellenErfahrungendes
Lebensumgehenkoumlnnen 200
133 Unterstuumltzung alter Menschen bei praumlventiven und rehab Maszlignahmen 204
ProphylaxenundPraumlvention 204
Dekubitusprophylaxe 205
Pneumonieprophylaxe 211
Thromboseprophylaxe 215
Sturzprophylaxe 220
Kontrakturenprophylaxe 229
Zystitisprophylaxe 231
Obstipationsprophylaxe 233
ProphylaxevonMundschleimhautveraumlnderungen 234
Kontinenzfoumlrderung 236
134 Mitwirkung bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Rehakonzepten 240
Kinaesthetics 240
BasaleStimulation 246
Realitaumltsorientierungstraining 251
Gedaumlchtnistraining 252
Validation 254
Snoezelen 257
Selbsterhaltungstherapie 258
10-Minuten-Aktivierung 259
135 Umgang mit Hilfsmitteln und Prothesen 260
GehhilfenundRollstuumlhle 260
AugenprothesenundKontaktlinsen 262
Houmlrsysteme 263
136 PaM mit eingeschraumlnkter Funktion von Sinnesorganen 264
ErkrankungendesAuges 264
Houmlrstoumlrungen 268
137 Pflege alter Menschen mit Behinderungen 272
AlteMenschenmitBehinderungen 272
138 Pflege alter Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen 274
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderHaut 274
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBewegungsapparates 289
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderAtmungsorgane 309
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHerz-Kreislauf-Systems 324
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBlut-undLymphsystems 349
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desStoffwechsels 356
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHormonsystems 358
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desVerdauungstraktes 370
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derNiereundHarnwege 395
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derGeschlechtsorgane 405
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desNervensystems 416
139 Pflege infektionskranker alter Menschen 436
InfektionsketteundInfektionserreger 436
Infektionskrankheiten 439
MRSAndashDerProblemkeim 443
1310 Pflege multimorbider alter Menschen 445
MultimorbidealteMenschen 445
1311 Pflege alter Menschen mit chronischen Schmerzen 448
AlteMenschenmitSchmerzen 448
1312 Pflege dementer und gerontopsychiatrisch veraumlnderter alter Menschen 457
VerwirrtheitszustaumlndealterMenschen 457
DemenzielleErkrankungen 459
DepressionbeialtenMenschen 473
SuizidhandlungenalterMenschen 478
1313 Pflege alter Menschen mit Suchtproblemen 481
SuchtbeialtenMenschen 481
1314 Pflege schwerstkranker und sterbender alter Menschen 484
Unterstuumltzungschwerstkrankerund
sterbenderMenschenbei
spezifischenProblemenundBeduumlrfnissen 484
UmfelddesSterbendenunddieBegleitung
derAngehoumlrigen 487
1315 Handeln in Notfaumlllen erste Hilfe 488
WassindNotfallsituationen 488
WieverhalteichmichinNotfallsituationen 489
NotfallspezifischeErste-Hilfe-Maszlignahmen 493
14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
141 Kommunikation und Gespraumlchsfuumlhrung 499
WiefunktioniertKommunikation 499
WievermeideichKommunikationsstoumlrungen 506
KommunikationundPflege 510
WasistklientenzentrierteGespraumlchsfuumlhrung 513
TechnikderGespraumlchsfuumlhrung 515
WelcheVoruumlberlegungenmuumlssen
fuumlrGespraumlchegetroffenwerden 517
WelcheGespraumlchsartengibtes 521
142 Beratung und Anleitung alter Menschen 526
ZieleundInhaltederBeratung 526
PrinzipienundMethodenderBeratung 528
BeratunginderPflege 530
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
Foto
Wer
ner K
ruumlpe
r T
hiem
e
THIEMEs AltenpflegeinLernfeldern
1200 Abbildungen
3aktualisierteAuflage
GeorgThiemeVerlagStuttgartNewYork
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschenNationalbibliografiedetailliertebibliografischeDatensindimInternetuumlberhttpdnbd-nbdeabrufbar
Wichtiger HinweisWiejedeWissenschaftistdieMedizinstaumlndigenEntwicklun-genunterworfenForschungundklinischeErfahrungerweiternunsereErkennt-nisseinsbesonderewasBehandlungundmedikamentoumlseTherapieanbelangtSo-weitindiesemWerkeineDosierungodereineApplikationerwaumlhntwirddarfderLeserzwardaraufvertrauendassAutorenHerausgeberundVerlaggroszligeSorgfaltdaraufverwandthabendassdieseAngabedem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entsprichtFuumlr Angaben uumlber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vomVerlag jedochkeineGewaumlhruumlbernommenwerden Jeder Benutzer ist angehal-tendurchsorgfaumlltigePruumlfungderBeipackzettelderverwendetenPraumlparateundgegebenenfallsnachKonsultationeinesSpezialistenfestzustellenobdiedortge-gebeneEmpfehlungfuumlrDosierungenoderdieBeachtungvonKontraindikationengegenuumlberderAngabeindiesemBuchabweichtEinesolchePruumlfungistbesonderswichtigbeiseltenverwendetenPraumlparatenodersolchendieneuaufdenMarktgebrachtwordensindJede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des BenutzersAutorenundVerlagappellierenanjedenBenutzerihmetwaauf-fallendeUngenauigkeitendemVerlagmitzuteilen
WirbittenumVerstaumlndnisdassausGruumlndenderLesbarkeitimBuchdiemaumlnn-lichenFormenzBPatientSchuumllerLehrerverwendetwerdenNatuumlrlichistunsbewusst dass die Pflege uumlberwiegend ein Frauenberuf ist ndash die Gleichberechti-gung der Frau ist jedoch selbstverstaumlndlich Grundlage der Konzeption und desMenschenbildessodasseineDopplungderBegriffeunnoumltigerscheint
DieVerantwortungfuumlrdieFilmeliegtbeimVerlagBittewendensiesichbeiFra-genandiePflegeredaktion
GeschuumltzteWarennamen(Warenzeichen)werdennicht besonderskenntlichge-machtAusdemFehleneinessolchenHinweiseskannalsonichtgeschlossenwer-dendassessichumeinenfreienWarennamenhandeltDas Werk einschlieszliglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschuumltzt JedeVerwertung auszligerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdesVerlagesunzulaumlssigundstrafbarDasgiltinsbesonderefuumlrVer-vielfaumlltigungenUumlbersetzungenMikroverfilmungenunddieEinspeicherungundVerarbeitunginelektronischenSystemen
1Auflage20082Auflage2012
copy2018GeorgThiemeVerlagKGRuumldigerstraszlige14Dndash70469StuttgartUnsereHomepagehttpwwwthiemede
PrintedinGermany
Fotografien
WernerKruumlperBielefeldRomanStoumlpplerGerlingenAlexanderFischerBadenBadenPflegefotoarchivThiemeVerlagsgruppe
Grafiken (Neuzeichnungen)
AngelikaBraunerHohenpeiszligenbergHelmutHoltermannDannenbergMitUumlbernahmenausSchuumlnkeMSchulteESchumacherUPrometheusLernAtlasderAnatomieIllustrationenvonMVollundKWeskerStuttgartThieme
Gestaltung und Layout
TinaHinkelStuttgart
UmschlaggestaltungThiemeVerlagsgruppeUmschlagillustrationSeinabDanboosMuumlnsterSatzL42AGBerlinSatzsystemAdobeIndesignCS6DruckAprintaDruckGmbHWemding
DOI101055b-004-140660
ISBN978-3-13-240270-6 123456
AucherhaumlltlichalsE-BookeISBN(PDF)978-3-13-240271-3
AlsAusgangsbasisdiesesBuchesdientenfolgendeWerke
AndreaeSHayekDWenigerJKrankheitslehre3AuflStuttgartThieme2011CharlierSHrsgSozialeGerontologie2AuflStuttgartThieme2010EkertBEkertCPsychologiefuumlrPflegeberufeStuttgartThieme2005HellWAllesWissenswerteuumlberStaatBuumlrgerRecht5Aufl StuttgartThieme2007KoumltherIHrsgAltenpflege3AuflStuttgartThieme2011KellnhauserEetalHrsgTHIEMEsPflege11AuflStuttgartThieme2009LauberAHrsgGrundlagenberuflicherPflege2AuflStuttgartThieme2007LauberASchmalstiegPHrsgWahrnehmenundBeobachten2AuflStuttgartThieme2007Lauber A Schmalstieg P Hrsg Praumlvention und Rehabilitation 2 Aufl StuttgartThieme2007Perrar KM et al Gerontopsychiatrie fuumlr Pflegeberufe 2 Aufl Stuttgart Thieme2011
V
VorwortLiebeLeserinnenliebeLeser
wie lernt es sich am besten ndash Die Antwort lautet strukturiert konzentriert und motiviert
Mit unserem ALF (bdquoAltenpflege in Lernfeldernldquo) uumlbersetzenwirdieseseinfacheErfolgsrezeptindieLernpraxisDieInhal-te von 3 Jahren Ausbildung (immerhin 4600 Stunden Theo-rieundPraxis)wollenwohldosiertgelerntwerdenWersichschon einmal auf eine groszlige Pruumlfung vorbereitet hat weiszligwiebeeindruckendwennnichtgarfurchteinfloumlszligenddieFuumll-ledesLernstoffswirkenkann
DieLoumlsungdiesesBuchesberuhtaufdreiStrategien1 klareStrkturen2 KonzentrationaufdasWichtigsteund3 dasLernensoangenehmundeinfachwiemoumlglichgestalten
Klare Strukturen
Neue Inhalte erschlieszligt man sich am besten wenn man zu-naumlchst einen groben Uumlberblick uumlber die Hauptbereiche ge-winntDannnaumlhertmansichdengroszligenThemendieserBe-reicheDiesegroszligenThemenwerdendannnochmalsinUnter-themenaufgeteiltbismaneinenUumlberblickuumlberdieeinzelnenkleinenThemenhatDaheristdiesesBuchaufgeteilt1 in4groszligeLernbereiche (sieentsprechenden4Lernberei-
chenderAusbildungs-undPruumlfungsverordnung)2 jederLernbereichwirdwiederumin14Unterbereicheauf-
geteilt(sieentsprechenden14Lernfeldern)3 jedesLernfeldwirdinUnterthemenunterteilt(ca700)
DamitwirddieriesigeInhaltsfuumlllederAusbildunginverdauli-cheHappenportioniertDerkleinsteLernhappenisteineSeitelangundsomitschnelluumlberschaubar
Konzentration auf das Wichtigste
WennSieindenUrlaubfliegenmoumlchtenbeschaumlftigtSiebeimEinchecken zunaumlchst mehr die Frage nach der Platzwahl alsdienachderOrganisationderFlugsicherungSietrennendasWichtigevomgroszligenGanzenDashabenwirfuumlrSiemitdie-semBuchgetanWirhabenvonallenThemennurdiewich-tigstenInhalteindiesemBuchaufgenommenDasheiszligtnichtdassdieanderenInhalteunwichtigsindesheiszligtnurdasswirden inhaltlichenKerngetrennthabenvonderFuumlllederwei-teren InformationendrumherumDenndasZiel istes ja zu-naumlchsteinensolidenUumlberblickzugewinnen
Das Lernen so angenehm und einfach wie moumlglich gestaltenJederweiszligwiemotivierendesistdasZielzumGreifennahzusehenundErfolgereihenweiseabhakenzukoumlnnenDieca700Themenwerdendaher imSeitenkonzeptbehandeltDiekleinsten Themen werden auf einer Seite vermittelt JedesThemabeginntaufeinerneuenSeitejedesThemaendetun-tenaufderSeiteundwirddurcheinenStopperbullmarkiert
SomithabenSienichtnurdeninhaltlichensondernauchdenvisuellenUumlberblickInkleinenSchrittennaumlhernSiesichdemZielamsicherstenGrafikenerklaumlrenaufvisuelleWeisekom-plexeSachverhalteFotosnehmenSiemit indiePraxisHer-vorhebungeninderMarginalspaltezeigenIhnen
B BeispieleausderPflegepraxis
DDefinitionenwichtigerBegriffe
MSachverhaltedieSiesichmerkensollten
PTippsfuumlrdiePraxis
IInfosuumlberweiterfuumlhrendeLiteraturundInternetadres-sen
Umfangreiche Querverweise zeigen Ihnen wo Sie innerhalbdesBuchesZusaumltzlicheszumThemafindenEinsehrdetaillier-tesSachverzeichniszeigtIhnendenWegzudengewuumlnschtenInhalten
AufdieseArtgelingtessichsaumlmtlicheInhaltederdreijaumlh-rigen Ausbildung Schrittchen fuumlr Schrittchen zu erschlieszligenHakenSiedieThemenabundalleswasSienaumlherinteressiertkoumlnnen Sie in den groszligen Nachschlagewerken vertiefendnachlesenzBinunseremKlassikerbdquoAltenpflegeldquo
Vertrauen und Sicherheit
WiekoumlnnenSiesicherseindassauchallewichtigenThemenbehandeltwurdenWirhabenverschiedeneSicherungssyste-meeingebaut1 Die Inhalte folgen dem Altenpflegegesetz und der Alten-
pflegeausbildungs-undpruumlfungsverordnung2 die Inhalte beruumlcksichtigen die Vorgaben der Laumlnder und
derenCurricula3 dieInhaltestammenvonanerkanntenAutoren
DasBuchwurdenachdemGesetzeswortlautstrukturiertDieAngabenfuumlrdieUnterrichtsstundenwurdenzudenSeitendesBuchesinsVerhaumlltnisgesetztSomithabendieThemenmehrUmfangdieauchmiteinerhoumlherenStundenzahlunterrichtetwerdenJedesBundeslandhatzudemseinespezifischenThe-men In einem groszligangelegten Abgleich wurden die InhaltedesCurriculumdesKDAunddieCurriculaausNRWSaarlandRheinland-PfalzundBaden-Wuumlrttembergmiteinandervergli-chen Besondere Themen wurden ergaumlnzend aufgenommenumdieWuumlnscheallerBundeslaumlnderbefriedigenzukoumlnnen
DieInhaltediesesBuchesstammenausderFederanerkann-terAutorenderTHIEME-VerlagsgruppeUumlberwiegendkonntebeiderEntstehungdiesesBuchesaufbereitsexistierendeIn-
VI
VoRWoRT
haltezuruumlckgegriffenwerdendiedann inderFachredaktionnochmals konzentriert und reduziert wurden um den Cha-rakterdesUumlberblickszuschaffenThemendienochnichtbe-schrieben wurden wurden neu verfasst Das Ergebnis ist ein
KonzentratausgeballtemWissenvonuumlber50FachautorenderPflegeszene
Wir wuumlnschen Ihnen viel Erfolg bei der Arbeit mit diesemBuch
VII
MitarbeiterverzeichnisGundulaGeist
KrankenschwesterPraxisanleiterin
KinaestheticsTrainerin
Ilsebaumlumen10
32469Petershagen
FelixHahn
BScAugenoptikundHoumlrakustik
HahnOptik+Akustik
HeilbronnerStr47
74211Leingarten
DrmedDominikvonHayek
FacharztfuumlrAllgemeinmedizinundGeriatrie
Konradinstr6b
81543Muumlnchen
HuumllyaHeinen
StaatlichanerkannteKrankenschwesterfuumlrLeitungsfunktionen
inEinrichtungenderPflegeimGesundheits-undSozialwesen
QualitaumltsauditorinTUumlV(PersCert)
TQM-CoachTQMCTUumlVEFQMAssessorTUumlV
TrainerinundDozentinimGesundheitswesen
FachkraftfuumlrArbeitssicherheit(SiFa)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
WernerHeinen
FachwirtfuumlrFinanzberatung(IHK)
zertifizierterSachverstaumlndiger(BDSH)fuumlr
Immobilien-undUnternehmensbewertungen
UnternehmensberaterfuumlrWirtschaftundSoziales
PersonalberaterimGesundheitswesen
Datenschutzbeauftragter(IHK)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
AnjaHeiszligenberg
Krankenschwester
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
AkademiefuumlrPflegeberufe
SanaKlinikumOffenbachGmbH
Starkenburgring66
63069OffenbachamMain
WalterHell
DirektordesAmtsgerichts
Schlossplatz9
86551Aichach
ProfLotteKaba-Schoumlnstein
DiplSozialwirtinDiplSozpaumld
HochschuleEsslingen
Flandernstr101
73732Esslingen
DrmedSusanneAndreae
niedergelasseneFachaumlrztinfuumlrAllgemeinmedizin
DozentinanKrankenpflegeschulen
aumlrztlicheBeisitzerinderGutachterkommissionLandesaumlrzte-
kammerSuumldbaden
LehrbeauftragtefuumlrAllgemeinmedizinanderUniversitaumltFreiburg
Laumlrchenweg26
78713Schramberg
ProfDrSabineBartholomeyczik
FakultaumltfuumlrGesundheitDepartmentfuumlrPflegewissenschaft
UniversitaumltWittenHerdecke
StockumerStr12
58453Witten
RenateBerner
KrankenschwesterDipl-Pflegewirtin(FH)
Max-Kirschner-Straszlige13
85126Muumlnchsmuumlnster
SiegfriedCharlier
Dipl-PaumldagogeDipl-Supervisor(DGSv)
AufdemKorb58a
51789Lindlar
EvaEissing
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
SozialwissenschaftlerinBA
ImSteelerRott22
45276Essen
DrphilBaumlrbelEkert
Dipl-PsychologinTheologin
Moumlrikestr13
72532Gomadingen
ProfDrMichaelEwersMPH
ChariteacuteUniversitaumltsmedizinBerlin
InstitutfuumlrGesundheits-undPflegewissenschaft
CampusVirchowKlinikum
AugustenburgerPlatz1
13353Berlin
DrphilRenateFischer
KrankenschwestermitFachweiterbildungfuumlrEndoskopie
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
SchulefuumlrGesundheits-undKrankenpflege
KatholischesKlinikumKoblenzndashMontabaur
Thielenstr13
56073Koblenz
MichaelaFlechsenberger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
stellvLeitungdesGesundheits-undBildungszentrumsOberberg
Barbarastr8
57548Kirchen(Sieg)
VIII
MITARBEITERVERzEICHNIS
OlafKirschnick
LehrerfuumlrPflegeberufeundEntbindungspflege
Lehrrettungsassistent
PraumldikantEvangKirchendashBaden
LeiterndashBildungszentrumbdquoGesundheitundPflegeldquo
amKrankenhausTauberbischofsheim
Albert-Schweitzer-Straszlige35
97941Tauberbischofsheim
MargareteKlimek
Krankenschwester
LehrerinfuumlrKrankenpflege-Kinderkrankenpflege-und
Altenpflegeberufe
TheologReferentin
Kastanienstr76
58332Schwelm
UrsulaKocs
Dipl-Psychologin
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
derDiakonie-Stiftung-Salem
Johannesstr6
32423Minden
DrrercurAnnetteLauber
Pflegewissenschaftlerin(MSc)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Irmgard-Bosch-Bildungszentrum
Auerbachstraszlige110
70376Stuttgart
SusanneMettrop
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
DiplPflegegutachterin(IBW)
Bitzenweg15a
51789Waldbroumll
MartinaMetzger
LehrerinfuumlrPflegeberufe
Eichenweg1
71134Aidlingen
GerlindeNowak
SozialpaumldagoginTrainerinfuumlrKommunikationundModeration
ImGrashof4
51789Lindlar
PeterNydahl
KrankenpflegerPraxisanleiterMScN
Kurs-undWeiterbildungsleiterfuumlr
BasaleStimulationinderPflege
PflegeexpertefuumlrMenschenimWachkoma
Sternstr2
24116Kiel
DrmedKlausMariaPerrar
FacharztfuumlrPsychiatriePsychotherapiePalliativmedizin
ZentrumfuumlrPalliativmedizinDrMildredScheelHaus
UniklinikKoumlln
Kerpenerstr62
50937Koumlln
JohannePlescher-Kramer
KrankenschwesterFachkrankenschwesterfuumlr
AnaumlsthesieuIntensivpflegeWundexpertin(ICW)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
DrrernatAntoniePost
Dipl-Ernaumlhrungswissenschaftlerin
Lutherstraszlige20
71576Burgstetten
BrigitteSachsenmaier
LehrerinfuumlrPflegeberufeStomatherapeutin
Ziegelstr42
73084Salach
SabineSappke-Heuser
Juristin
Klosterberg3
53804Much
AndreasSchilde
StaatlichanerkannterAltenpflegerundTQM-Beauftragter
Goldhaumlhnchenweg19
12359Berlin
PDDrhabilAndreasSchwarzkopf
FacharztfuumlrMikrobiologieundInfektionsepidemiologie
SachverstaumlndigerKrankenhaushygiene
InstitutSchwarzkopfGbR
Otto-von-Bamberg-Str10
99717AuraanderSaale
GabrieleSteinhaumluszliger
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Friedrichstr22
73614Schorndorf
RuthUessem
LehrerinfuumlrPflegeberufeQMB
stellvLeitung
AkademieGesundheitswirtschaftundSenioren
desOberbergischenKreises
Lebrechtstr27
51643Gummersbach
JuttaWeniger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Herdstr161
78050Villingen-Schwenningen
IX
MITARBEITERVERzEICHNIS
GuumlnterBaier
Dipl-Verwaltungswirt
ResperGasse17
51674Wiehl
ChristineBaumlumler
Sport-undGymnastiklehrerin
Kinaesthetics-Trainerin
TrainerinfuumlrSturzpraumlvention
Fliederweg13
73116Waumlschenbeuren
SieglindeDenzel
Dipl-Psychologin
Martinsberg14
78564ReichenbachamHeuberg
ChristianeEkertdagger
Dipl-Psychologin
Robert-Leicht-Str141b
70569Stuttgart
ChristinevonEltzdagger
Hagenstr7
31655Stadthagen
DrphilUrsulaGeiszligner
emProfessorinfuumlrFuumlhrungslehreundOrganisation
Feldbergstr5
79247Maumlrgen
ElseGnamm
AltenpflegerinLehrerinfuumlrAltenpflege
Schubertstr21
72800Eningen
MichaelHaas
KrankenpflegerDipl-Pflegepaumldagoge(FH)
DiakonieStiftungSalemgGmbH
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
Fachseminarleiter
Johansenstr6
32432Minden
AstridHammer
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
StaatlanerkannteSchulefuumlrGesundheits-und
KrankenpflegeundKrankenpflegehilfe
UniversitaumltsmedizinderJohannesGutenberg-UniversitaumltMainz
AmPulverturm13
55101Mainz
HenryKieschnick
Dipl-Pflegewirt(FH)
KulmerWeg3
30659Hannover
AndreasKutschkeBScN
KrankenpflegerfuumlrGeriatrischeRehabilitation
AbteilungQualitaumltsmanagementundPflegeberatung
StaumldtischeSeniorenheimeKrefeldgGmbH
De-Greiff-Str194
47803Krefeld
RainerOchel
Dipl-Verwaltungswirt
AmStockweg7
51645Gummersbach
UrsulaPfaumlfflin-Muumlllenhoff
UPfMAltenpflegerinLehrerinfuumlrGrund-undHauptschule
DozentininderAltenpflegeausbildung
Religionspaumldagogin
AmRennerweiher3
90562Heroldsberg
HartmutRolf
LehrerfuumlrPflegeberufe(Diplom)
BerufsfachschulefuumlrAltenpflege
Diakonisches-InstitutDr-Alfred-Schwab-Platz1
73033Goumlppingen
JoachimScholz
LehrerfuumlrPflegeberufePflegedienstleiter
Wiesenstr8
51766Engelskirchen
SilkeSchoolmann
Dipl-Paumldagogin(FH)
Gartenfeldstr12
55118Mainz
HanneloreSeibold
KrankenschwesterDipl-Sozialpaumldagogin
Manchesterstr36
33604Bielefeld
BirteStaumlhrmann
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Kommunikationswirtin
EvangDiakonissenanstaltStuttgart
Rosenbergstraszlige40
70176Stuttgart
RaimundStollbergdagger
Dipl-SozialarbeiterDipl-Gerontologe
Hauptstr36a
51519Odenthal
Mitarbeiter der vorigen Auflagen
XI
Inhaltsverzeichnis
Lernbereich 1 AufgabenundKonzepteinderAltenpflege
11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
111 Alter Gesundheit Krankheit Behinderung und Pflegebeduumlrftigkeit 2
WasistAlter 2
WelcheAltersmodellegibtes 3
PhysiologischeAlterungsprozesse 4
AlteralsLebensphaseundalsProzess 7
WelcheModellevonGesundheit
undKrankheitgibtes 8
WasbedeutenBehinderungundPflegebeduumlrftigkeit 10
112 Konzepte Modelle und Theorien der Pflege 11
WassindKonzepteModelleundTheorien 11
113 Handlungsrelevanz von Konzepten und Modellen der Pflege anhand konkreter Pflegesituationen 14
WasistprofessionellePflege 14
WiewerdenTheorienentwickelt 15
FoumlrderndeProzesspflegenachKrohwinkel 18
RoperLoganundTierneyndash
DieElementederKrankenpflege 20
PflegemodellvonOrem 22
AnwendungwissenschaftlicherErkenntnisse
inderPraxis 24
114 Pflegeforschung und Umsetzung von Forschungsergebnissen 25
WasistPflegeforschung 25
GeschichtlicheEntwicklungderPflegeforschung 26
Forschungsansaumltze 27
Forschungsdesigns 28
SchrittedesForschungsprozesses 30
PraktischeAnwendungderPflegeforschung 32
115 Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention 34
PraumlventionundGesundheitsfoumlrderung 34
116 Rehabilitation 38
WasistRehabilitation 38
WasistgeriatrischeRehabilitation 39
AufgabeundZielederPflegeinderRehabilitation 40
LeistungenundLeistungstraumlgerderRehabilitation 44
117 Biografiearbeit 45
PraumlgungdurchdieBiografie 45
LebensgeschichteundAltenpflege 46
BiografischeHaltungimPflegealltag 47
Biografiearbeitundbiografisch
orientiertePflegeplanung 48
ErhebungbiografischerInformationen
undDatenschutz 50
PsychobiografischesModellnachBoumlhm 51
Altersbilder 52
118 Pflegerelevante Grundlagen der Ethik 53
Menschenbilder 53
VorstellungenvomAltseinundvonaltenMenschen 54
EthischeGrundrichtungenundPrinzipien 56
WerteorientierteberuflicheBeziehungsgestaltung 59
12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
121 Wahrnehmung und Beobachtung 61
WasistWahrnehmung 61
BeeinflussungderWahrnehmung 64
WasistBeobachtung 66
BedeutungderBeobachtunginderPflege 70
122 Pflegeprozess 72
WasistderPflegeprozess 72
123 Pflegediagnostik 74
Informationssammlung 74
ErkennenvonPflegeproblemenundRessourcen 76
WassindPflegediagnosen 78
ArtenvonPflegediagnosen 79
KlassifikationvonPflegediagnosen 80
Assessmentinstrumente 81
124 Planung Durchfuumlhrung und Evaluation der Pflege 84
WiewerdenPflegezielegeplant 84
PlanungundDurchfuumlhrungderPflegemaszlignahmen 85
WassindPflegestandards 88
WiewirdPflegeevaluiert 90
Pflegevisite 91
125 Grenzen der Pflegeplanung 93
126 Pflegedokumentation EDV 94
InstrumentderPflegendashPflegedokumentation 94
EDV-SystemezurPflegedokumentation 97
ProgrammeinderAltenpflege 98
DigitaleLernmittel 100
Datenschutz 101
127 Pflegeuumlberleitung und Case Management 102
PflegeuumlberleitungundEntlassungsmanagement 102
Schnittstellenmanagement 105
CaseManagement 107
13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
131 Pflegerelevante Grundlagen 110
EinfuumlhrungindieAnatomieundPhysiologie 110
EinfuumlhrungindieGeriatrie 117
EinfuumlhrungindieGerontopsychiatrie 119
EinfuumlhrungindiePsychologie 121
EinfuumlhrungindieArzneimittellehre(Pharmakologie) 123
EinfuumlhrungindieHygiene 127
EinfuumlhrungindieErnaumlhrungslehre 132
1
XII
INHALTSVERzEICHNIS
132 Unterstuumltzung alter Menschen bei der Selbstpflege 140
Sichbewegenkoumlnnen 140
Sichpflegenkoumlnnen 148
Sichkleidenkoumlnnen 163
Essenundtrinkenkoumlnnen 169
Ausscheidenkoumlnnen 177
Ruhenschlafenundsichentspannenkoumlnnen 189
Fuumlreinesichereundfoumlrdernde
Umgebungsorgenkoumlnnen 196
MitexistenziellenErfahrungendes
Lebensumgehenkoumlnnen 200
133 Unterstuumltzung alter Menschen bei praumlventiven und rehab Maszlignahmen 204
ProphylaxenundPraumlvention 204
Dekubitusprophylaxe 205
Pneumonieprophylaxe 211
Thromboseprophylaxe 215
Sturzprophylaxe 220
Kontrakturenprophylaxe 229
Zystitisprophylaxe 231
Obstipationsprophylaxe 233
ProphylaxevonMundschleimhautveraumlnderungen 234
Kontinenzfoumlrderung 236
134 Mitwirkung bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Rehakonzepten 240
Kinaesthetics 240
BasaleStimulation 246
Realitaumltsorientierungstraining 251
Gedaumlchtnistraining 252
Validation 254
Snoezelen 257
Selbsterhaltungstherapie 258
10-Minuten-Aktivierung 259
135 Umgang mit Hilfsmitteln und Prothesen 260
GehhilfenundRollstuumlhle 260
AugenprothesenundKontaktlinsen 262
Houmlrsysteme 263
136 PaM mit eingeschraumlnkter Funktion von Sinnesorganen 264
ErkrankungendesAuges 264
Houmlrstoumlrungen 268
137 Pflege alter Menschen mit Behinderungen 272
AlteMenschenmitBehinderungen 272
138 Pflege alter Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen 274
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderHaut 274
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBewegungsapparates 289
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderAtmungsorgane 309
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHerz-Kreislauf-Systems 324
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBlut-undLymphsystems 349
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desStoffwechsels 356
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHormonsystems 358
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desVerdauungstraktes 370
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derNiereundHarnwege 395
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derGeschlechtsorgane 405
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desNervensystems 416
139 Pflege infektionskranker alter Menschen 436
InfektionsketteundInfektionserreger 436
Infektionskrankheiten 439
MRSAndashDerProblemkeim 443
1310 Pflege multimorbider alter Menschen 445
MultimorbidealteMenschen 445
1311 Pflege alter Menschen mit chronischen Schmerzen 448
AlteMenschenmitSchmerzen 448
1312 Pflege dementer und gerontopsychiatrisch veraumlnderter alter Menschen 457
VerwirrtheitszustaumlndealterMenschen 457
DemenzielleErkrankungen 459
DepressionbeialtenMenschen 473
SuizidhandlungenalterMenschen 478
1313 Pflege alter Menschen mit Suchtproblemen 481
SuchtbeialtenMenschen 481
1314 Pflege schwerstkranker und sterbender alter Menschen 484
Unterstuumltzungschwerstkrankerund
sterbenderMenschenbei
spezifischenProblemenundBeduumlrfnissen 484
UmfelddesSterbendenunddieBegleitung
derAngehoumlrigen 487
1315 Handeln in Notfaumlllen erste Hilfe 488
WassindNotfallsituationen 488
WieverhalteichmichinNotfallsituationen 489
NotfallspezifischeErste-Hilfe-Maszlignahmen 493
14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
141 Kommunikation und Gespraumlchsfuumlhrung 499
WiefunktioniertKommunikation 499
WievermeideichKommunikationsstoumlrungen 506
KommunikationundPflege 510
WasistklientenzentrierteGespraumlchsfuumlhrung 513
TechnikderGespraumlchsfuumlhrung 515
WelcheVoruumlberlegungenmuumlssen
fuumlrGespraumlchegetroffenwerden 517
WelcheGespraumlchsartengibtes 521
142 Beratung und Anleitung alter Menschen 526
ZieleundInhaltederBeratung 526
PrinzipienundMethodenderBeratung 528
BeratunginderPflege 530
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
THIEMEs AltenpflegeinLernfeldern
1200 Abbildungen
3aktualisierteAuflage
GeorgThiemeVerlagStuttgartNewYork
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschenNationalbibliografiedetailliertebibliografischeDatensindimInternetuumlberhttpdnbd-nbdeabrufbar
Wichtiger HinweisWiejedeWissenschaftistdieMedizinstaumlndigenEntwicklun-genunterworfenForschungundklinischeErfahrungerweiternunsereErkennt-nisseinsbesonderewasBehandlungundmedikamentoumlseTherapieanbelangtSo-weitindiesemWerkeineDosierungodereineApplikationerwaumlhntwirddarfderLeserzwardaraufvertrauendassAutorenHerausgeberundVerlaggroszligeSorgfaltdaraufverwandthabendassdieseAngabedem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entsprichtFuumlr Angaben uumlber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vomVerlag jedochkeineGewaumlhruumlbernommenwerden Jeder Benutzer ist angehal-tendurchsorgfaumlltigePruumlfungderBeipackzettelderverwendetenPraumlparateundgegebenenfallsnachKonsultationeinesSpezialistenfestzustellenobdiedortge-gebeneEmpfehlungfuumlrDosierungenoderdieBeachtungvonKontraindikationengegenuumlberderAngabeindiesemBuchabweichtEinesolchePruumlfungistbesonderswichtigbeiseltenverwendetenPraumlparatenodersolchendieneuaufdenMarktgebrachtwordensindJede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des BenutzersAutorenundVerlagappellierenanjedenBenutzerihmetwaauf-fallendeUngenauigkeitendemVerlagmitzuteilen
WirbittenumVerstaumlndnisdassausGruumlndenderLesbarkeitimBuchdiemaumlnn-lichenFormenzBPatientSchuumllerLehrerverwendetwerdenNatuumlrlichistunsbewusst dass die Pflege uumlberwiegend ein Frauenberuf ist ndash die Gleichberechti-gung der Frau ist jedoch selbstverstaumlndlich Grundlage der Konzeption und desMenschenbildessodasseineDopplungderBegriffeunnoumltigerscheint
DieVerantwortungfuumlrdieFilmeliegtbeimVerlagBittewendensiesichbeiFra-genandiePflegeredaktion
GeschuumltzteWarennamen(Warenzeichen)werdennicht besonderskenntlichge-machtAusdemFehleneinessolchenHinweiseskannalsonichtgeschlossenwer-dendassessichumeinenfreienWarennamenhandeltDas Werk einschlieszliglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschuumltzt JedeVerwertung auszligerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdesVerlagesunzulaumlssigundstrafbarDasgiltinsbesonderefuumlrVer-vielfaumlltigungenUumlbersetzungenMikroverfilmungenunddieEinspeicherungundVerarbeitunginelektronischenSystemen
1Auflage20082Auflage2012
copy2018GeorgThiemeVerlagKGRuumldigerstraszlige14Dndash70469StuttgartUnsereHomepagehttpwwwthiemede
PrintedinGermany
Fotografien
WernerKruumlperBielefeldRomanStoumlpplerGerlingenAlexanderFischerBadenBadenPflegefotoarchivThiemeVerlagsgruppe
Grafiken (Neuzeichnungen)
AngelikaBraunerHohenpeiszligenbergHelmutHoltermannDannenbergMitUumlbernahmenausSchuumlnkeMSchulteESchumacherUPrometheusLernAtlasderAnatomieIllustrationenvonMVollundKWeskerStuttgartThieme
Gestaltung und Layout
TinaHinkelStuttgart
UmschlaggestaltungThiemeVerlagsgruppeUmschlagillustrationSeinabDanboosMuumlnsterSatzL42AGBerlinSatzsystemAdobeIndesignCS6DruckAprintaDruckGmbHWemding
DOI101055b-004-140660
ISBN978-3-13-240270-6 123456
AucherhaumlltlichalsE-BookeISBN(PDF)978-3-13-240271-3
AlsAusgangsbasisdiesesBuchesdientenfolgendeWerke
AndreaeSHayekDWenigerJKrankheitslehre3AuflStuttgartThieme2011CharlierSHrsgSozialeGerontologie2AuflStuttgartThieme2010EkertBEkertCPsychologiefuumlrPflegeberufeStuttgartThieme2005HellWAllesWissenswerteuumlberStaatBuumlrgerRecht5Aufl StuttgartThieme2007KoumltherIHrsgAltenpflege3AuflStuttgartThieme2011KellnhauserEetalHrsgTHIEMEsPflege11AuflStuttgartThieme2009LauberAHrsgGrundlagenberuflicherPflege2AuflStuttgartThieme2007LauberASchmalstiegPHrsgWahrnehmenundBeobachten2AuflStuttgartThieme2007Lauber A Schmalstieg P Hrsg Praumlvention und Rehabilitation 2 Aufl StuttgartThieme2007Perrar KM et al Gerontopsychiatrie fuumlr Pflegeberufe 2 Aufl Stuttgart Thieme2011
V
VorwortLiebeLeserinnenliebeLeser
wie lernt es sich am besten ndash Die Antwort lautet strukturiert konzentriert und motiviert
Mit unserem ALF (bdquoAltenpflege in Lernfeldernldquo) uumlbersetzenwirdieseseinfacheErfolgsrezeptindieLernpraxisDieInhal-te von 3 Jahren Ausbildung (immerhin 4600 Stunden Theo-rieundPraxis)wollenwohldosiertgelerntwerdenWersichschon einmal auf eine groszlige Pruumlfung vorbereitet hat weiszligwiebeeindruckendwennnichtgarfurchteinfloumlszligenddieFuumll-ledesLernstoffswirkenkann
DieLoumlsungdiesesBuchesberuhtaufdreiStrategien1 klareStrkturen2 KonzentrationaufdasWichtigsteund3 dasLernensoangenehmundeinfachwiemoumlglichgestalten
Klare Strukturen
Neue Inhalte erschlieszligt man sich am besten wenn man zu-naumlchst einen groben Uumlberblick uumlber die Hauptbereiche ge-winntDannnaumlhertmansichdengroszligenThemendieserBe-reicheDiesegroszligenThemenwerdendannnochmalsinUnter-themenaufgeteiltbismaneinenUumlberblickuumlberdieeinzelnenkleinenThemenhatDaheristdiesesBuchaufgeteilt1 in4groszligeLernbereiche (sieentsprechenden4Lernberei-
chenderAusbildungs-undPruumlfungsverordnung)2 jederLernbereichwirdwiederumin14Unterbereicheauf-
geteilt(sieentsprechenden14Lernfeldern)3 jedesLernfeldwirdinUnterthemenunterteilt(ca700)
DamitwirddieriesigeInhaltsfuumlllederAusbildunginverdauli-cheHappenportioniertDerkleinsteLernhappenisteineSeitelangundsomitschnelluumlberschaubar
Konzentration auf das Wichtigste
WennSieindenUrlaubfliegenmoumlchtenbeschaumlftigtSiebeimEinchecken zunaumlchst mehr die Frage nach der Platzwahl alsdienachderOrganisationderFlugsicherungSietrennendasWichtigevomgroszligenGanzenDashabenwirfuumlrSiemitdie-semBuchgetanWirhabenvonallenThemennurdiewich-tigstenInhalteindiesemBuchaufgenommenDasheiszligtnichtdassdieanderenInhalteunwichtigsindesheiszligtnurdasswirden inhaltlichenKerngetrennthabenvonderFuumlllederwei-teren InformationendrumherumDenndasZiel istes ja zu-naumlchsteinensolidenUumlberblickzugewinnen
Das Lernen so angenehm und einfach wie moumlglich gestaltenJederweiszligwiemotivierendesistdasZielzumGreifennahzusehenundErfolgereihenweiseabhakenzukoumlnnenDieca700Themenwerdendaher imSeitenkonzeptbehandeltDiekleinsten Themen werden auf einer Seite vermittelt JedesThemabeginntaufeinerneuenSeitejedesThemaendetun-tenaufderSeiteundwirddurcheinenStopperbullmarkiert
SomithabenSienichtnurdeninhaltlichensondernauchdenvisuellenUumlberblickInkleinenSchrittennaumlhernSiesichdemZielamsicherstenGrafikenerklaumlrenaufvisuelleWeisekom-plexeSachverhalteFotosnehmenSiemit indiePraxisHer-vorhebungeninderMarginalspaltezeigenIhnen
B BeispieleausderPflegepraxis
DDefinitionenwichtigerBegriffe
MSachverhaltedieSiesichmerkensollten
PTippsfuumlrdiePraxis
IInfosuumlberweiterfuumlhrendeLiteraturundInternetadres-sen
Umfangreiche Querverweise zeigen Ihnen wo Sie innerhalbdesBuchesZusaumltzlicheszumThemafindenEinsehrdetaillier-tesSachverzeichniszeigtIhnendenWegzudengewuumlnschtenInhalten
AufdieseArtgelingtessichsaumlmtlicheInhaltederdreijaumlh-rigen Ausbildung Schrittchen fuumlr Schrittchen zu erschlieszligenHakenSiedieThemenabundalleswasSienaumlherinteressiertkoumlnnen Sie in den groszligen Nachschlagewerken vertiefendnachlesenzBinunseremKlassikerbdquoAltenpflegeldquo
Vertrauen und Sicherheit
WiekoumlnnenSiesicherseindassauchallewichtigenThemenbehandeltwurdenWirhabenverschiedeneSicherungssyste-meeingebaut1 Die Inhalte folgen dem Altenpflegegesetz und der Alten-
pflegeausbildungs-undpruumlfungsverordnung2 die Inhalte beruumlcksichtigen die Vorgaben der Laumlnder und
derenCurricula3 dieInhaltestammenvonanerkanntenAutoren
DasBuchwurdenachdemGesetzeswortlautstrukturiertDieAngabenfuumlrdieUnterrichtsstundenwurdenzudenSeitendesBuchesinsVerhaumlltnisgesetztSomithabendieThemenmehrUmfangdieauchmiteinerhoumlherenStundenzahlunterrichtetwerdenJedesBundeslandhatzudemseinespezifischenThe-men In einem groszligangelegten Abgleich wurden die InhaltedesCurriculumdesKDAunddieCurriculaausNRWSaarlandRheinland-PfalzundBaden-Wuumlrttembergmiteinandervergli-chen Besondere Themen wurden ergaumlnzend aufgenommenumdieWuumlnscheallerBundeslaumlnderbefriedigenzukoumlnnen
DieInhaltediesesBuchesstammenausderFederanerkann-terAutorenderTHIEME-VerlagsgruppeUumlberwiegendkonntebeiderEntstehungdiesesBuchesaufbereitsexistierendeIn-
VI
VoRWoRT
haltezuruumlckgegriffenwerdendiedann inderFachredaktionnochmals konzentriert und reduziert wurden um den Cha-rakterdesUumlberblickszuschaffenThemendienochnichtbe-schrieben wurden wurden neu verfasst Das Ergebnis ist ein
KonzentratausgeballtemWissenvonuumlber50FachautorenderPflegeszene
Wir wuumlnschen Ihnen viel Erfolg bei der Arbeit mit diesemBuch
VII
MitarbeiterverzeichnisGundulaGeist
KrankenschwesterPraxisanleiterin
KinaestheticsTrainerin
Ilsebaumlumen10
32469Petershagen
FelixHahn
BScAugenoptikundHoumlrakustik
HahnOptik+Akustik
HeilbronnerStr47
74211Leingarten
DrmedDominikvonHayek
FacharztfuumlrAllgemeinmedizinundGeriatrie
Konradinstr6b
81543Muumlnchen
HuumllyaHeinen
StaatlichanerkannteKrankenschwesterfuumlrLeitungsfunktionen
inEinrichtungenderPflegeimGesundheits-undSozialwesen
QualitaumltsauditorinTUumlV(PersCert)
TQM-CoachTQMCTUumlVEFQMAssessorTUumlV
TrainerinundDozentinimGesundheitswesen
FachkraftfuumlrArbeitssicherheit(SiFa)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
WernerHeinen
FachwirtfuumlrFinanzberatung(IHK)
zertifizierterSachverstaumlndiger(BDSH)fuumlr
Immobilien-undUnternehmensbewertungen
UnternehmensberaterfuumlrWirtschaftundSoziales
PersonalberaterimGesundheitswesen
Datenschutzbeauftragter(IHK)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
AnjaHeiszligenberg
Krankenschwester
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
AkademiefuumlrPflegeberufe
SanaKlinikumOffenbachGmbH
Starkenburgring66
63069OffenbachamMain
WalterHell
DirektordesAmtsgerichts
Schlossplatz9
86551Aichach
ProfLotteKaba-Schoumlnstein
DiplSozialwirtinDiplSozpaumld
HochschuleEsslingen
Flandernstr101
73732Esslingen
DrmedSusanneAndreae
niedergelasseneFachaumlrztinfuumlrAllgemeinmedizin
DozentinanKrankenpflegeschulen
aumlrztlicheBeisitzerinderGutachterkommissionLandesaumlrzte-
kammerSuumldbaden
LehrbeauftragtefuumlrAllgemeinmedizinanderUniversitaumltFreiburg
Laumlrchenweg26
78713Schramberg
ProfDrSabineBartholomeyczik
FakultaumltfuumlrGesundheitDepartmentfuumlrPflegewissenschaft
UniversitaumltWittenHerdecke
StockumerStr12
58453Witten
RenateBerner
KrankenschwesterDipl-Pflegewirtin(FH)
Max-Kirschner-Straszlige13
85126Muumlnchsmuumlnster
SiegfriedCharlier
Dipl-PaumldagogeDipl-Supervisor(DGSv)
AufdemKorb58a
51789Lindlar
EvaEissing
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
SozialwissenschaftlerinBA
ImSteelerRott22
45276Essen
DrphilBaumlrbelEkert
Dipl-PsychologinTheologin
Moumlrikestr13
72532Gomadingen
ProfDrMichaelEwersMPH
ChariteacuteUniversitaumltsmedizinBerlin
InstitutfuumlrGesundheits-undPflegewissenschaft
CampusVirchowKlinikum
AugustenburgerPlatz1
13353Berlin
DrphilRenateFischer
KrankenschwestermitFachweiterbildungfuumlrEndoskopie
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
SchulefuumlrGesundheits-undKrankenpflege
KatholischesKlinikumKoblenzndashMontabaur
Thielenstr13
56073Koblenz
MichaelaFlechsenberger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
stellvLeitungdesGesundheits-undBildungszentrumsOberberg
Barbarastr8
57548Kirchen(Sieg)
VIII
MITARBEITERVERzEICHNIS
OlafKirschnick
LehrerfuumlrPflegeberufeundEntbindungspflege
Lehrrettungsassistent
PraumldikantEvangKirchendashBaden
LeiterndashBildungszentrumbdquoGesundheitundPflegeldquo
amKrankenhausTauberbischofsheim
Albert-Schweitzer-Straszlige35
97941Tauberbischofsheim
MargareteKlimek
Krankenschwester
LehrerinfuumlrKrankenpflege-Kinderkrankenpflege-und
Altenpflegeberufe
TheologReferentin
Kastanienstr76
58332Schwelm
UrsulaKocs
Dipl-Psychologin
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
derDiakonie-Stiftung-Salem
Johannesstr6
32423Minden
DrrercurAnnetteLauber
Pflegewissenschaftlerin(MSc)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Irmgard-Bosch-Bildungszentrum
Auerbachstraszlige110
70376Stuttgart
SusanneMettrop
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
DiplPflegegutachterin(IBW)
Bitzenweg15a
51789Waldbroumll
MartinaMetzger
LehrerinfuumlrPflegeberufe
Eichenweg1
71134Aidlingen
GerlindeNowak
SozialpaumldagoginTrainerinfuumlrKommunikationundModeration
ImGrashof4
51789Lindlar
PeterNydahl
KrankenpflegerPraxisanleiterMScN
Kurs-undWeiterbildungsleiterfuumlr
BasaleStimulationinderPflege
PflegeexpertefuumlrMenschenimWachkoma
Sternstr2
24116Kiel
DrmedKlausMariaPerrar
FacharztfuumlrPsychiatriePsychotherapiePalliativmedizin
ZentrumfuumlrPalliativmedizinDrMildredScheelHaus
UniklinikKoumlln
Kerpenerstr62
50937Koumlln
JohannePlescher-Kramer
KrankenschwesterFachkrankenschwesterfuumlr
AnaumlsthesieuIntensivpflegeWundexpertin(ICW)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
DrrernatAntoniePost
Dipl-Ernaumlhrungswissenschaftlerin
Lutherstraszlige20
71576Burgstetten
BrigitteSachsenmaier
LehrerinfuumlrPflegeberufeStomatherapeutin
Ziegelstr42
73084Salach
SabineSappke-Heuser
Juristin
Klosterberg3
53804Much
AndreasSchilde
StaatlichanerkannterAltenpflegerundTQM-Beauftragter
Goldhaumlhnchenweg19
12359Berlin
PDDrhabilAndreasSchwarzkopf
FacharztfuumlrMikrobiologieundInfektionsepidemiologie
SachverstaumlndigerKrankenhaushygiene
InstitutSchwarzkopfGbR
Otto-von-Bamberg-Str10
99717AuraanderSaale
GabrieleSteinhaumluszliger
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Friedrichstr22
73614Schorndorf
RuthUessem
LehrerinfuumlrPflegeberufeQMB
stellvLeitung
AkademieGesundheitswirtschaftundSenioren
desOberbergischenKreises
Lebrechtstr27
51643Gummersbach
JuttaWeniger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Herdstr161
78050Villingen-Schwenningen
IX
MITARBEITERVERzEICHNIS
GuumlnterBaier
Dipl-Verwaltungswirt
ResperGasse17
51674Wiehl
ChristineBaumlumler
Sport-undGymnastiklehrerin
Kinaesthetics-Trainerin
TrainerinfuumlrSturzpraumlvention
Fliederweg13
73116Waumlschenbeuren
SieglindeDenzel
Dipl-Psychologin
Martinsberg14
78564ReichenbachamHeuberg
ChristianeEkertdagger
Dipl-Psychologin
Robert-Leicht-Str141b
70569Stuttgart
ChristinevonEltzdagger
Hagenstr7
31655Stadthagen
DrphilUrsulaGeiszligner
emProfessorinfuumlrFuumlhrungslehreundOrganisation
Feldbergstr5
79247Maumlrgen
ElseGnamm
AltenpflegerinLehrerinfuumlrAltenpflege
Schubertstr21
72800Eningen
MichaelHaas
KrankenpflegerDipl-Pflegepaumldagoge(FH)
DiakonieStiftungSalemgGmbH
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
Fachseminarleiter
Johansenstr6
32432Minden
AstridHammer
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
StaatlanerkannteSchulefuumlrGesundheits-und
KrankenpflegeundKrankenpflegehilfe
UniversitaumltsmedizinderJohannesGutenberg-UniversitaumltMainz
AmPulverturm13
55101Mainz
HenryKieschnick
Dipl-Pflegewirt(FH)
KulmerWeg3
30659Hannover
AndreasKutschkeBScN
KrankenpflegerfuumlrGeriatrischeRehabilitation
AbteilungQualitaumltsmanagementundPflegeberatung
StaumldtischeSeniorenheimeKrefeldgGmbH
De-Greiff-Str194
47803Krefeld
RainerOchel
Dipl-Verwaltungswirt
AmStockweg7
51645Gummersbach
UrsulaPfaumlfflin-Muumlllenhoff
UPfMAltenpflegerinLehrerinfuumlrGrund-undHauptschule
DozentininderAltenpflegeausbildung
Religionspaumldagogin
AmRennerweiher3
90562Heroldsberg
HartmutRolf
LehrerfuumlrPflegeberufe(Diplom)
BerufsfachschulefuumlrAltenpflege
Diakonisches-InstitutDr-Alfred-Schwab-Platz1
73033Goumlppingen
JoachimScholz
LehrerfuumlrPflegeberufePflegedienstleiter
Wiesenstr8
51766Engelskirchen
SilkeSchoolmann
Dipl-Paumldagogin(FH)
Gartenfeldstr12
55118Mainz
HanneloreSeibold
KrankenschwesterDipl-Sozialpaumldagogin
Manchesterstr36
33604Bielefeld
BirteStaumlhrmann
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Kommunikationswirtin
EvangDiakonissenanstaltStuttgart
Rosenbergstraszlige40
70176Stuttgart
RaimundStollbergdagger
Dipl-SozialarbeiterDipl-Gerontologe
Hauptstr36a
51519Odenthal
Mitarbeiter der vorigen Auflagen
XI
Inhaltsverzeichnis
Lernbereich 1 AufgabenundKonzepteinderAltenpflege
11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
111 Alter Gesundheit Krankheit Behinderung und Pflegebeduumlrftigkeit 2
WasistAlter 2
WelcheAltersmodellegibtes 3
PhysiologischeAlterungsprozesse 4
AlteralsLebensphaseundalsProzess 7
WelcheModellevonGesundheit
undKrankheitgibtes 8
WasbedeutenBehinderungundPflegebeduumlrftigkeit 10
112 Konzepte Modelle und Theorien der Pflege 11
WassindKonzepteModelleundTheorien 11
113 Handlungsrelevanz von Konzepten und Modellen der Pflege anhand konkreter Pflegesituationen 14
WasistprofessionellePflege 14
WiewerdenTheorienentwickelt 15
FoumlrderndeProzesspflegenachKrohwinkel 18
RoperLoganundTierneyndash
DieElementederKrankenpflege 20
PflegemodellvonOrem 22
AnwendungwissenschaftlicherErkenntnisse
inderPraxis 24
114 Pflegeforschung und Umsetzung von Forschungsergebnissen 25
WasistPflegeforschung 25
GeschichtlicheEntwicklungderPflegeforschung 26
Forschungsansaumltze 27
Forschungsdesigns 28
SchrittedesForschungsprozesses 30
PraktischeAnwendungderPflegeforschung 32
115 Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention 34
PraumlventionundGesundheitsfoumlrderung 34
116 Rehabilitation 38
WasistRehabilitation 38
WasistgeriatrischeRehabilitation 39
AufgabeundZielederPflegeinderRehabilitation 40
LeistungenundLeistungstraumlgerderRehabilitation 44
117 Biografiearbeit 45
PraumlgungdurchdieBiografie 45
LebensgeschichteundAltenpflege 46
BiografischeHaltungimPflegealltag 47
Biografiearbeitundbiografisch
orientiertePflegeplanung 48
ErhebungbiografischerInformationen
undDatenschutz 50
PsychobiografischesModellnachBoumlhm 51
Altersbilder 52
118 Pflegerelevante Grundlagen der Ethik 53
Menschenbilder 53
VorstellungenvomAltseinundvonaltenMenschen 54
EthischeGrundrichtungenundPrinzipien 56
WerteorientierteberuflicheBeziehungsgestaltung 59
12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
121 Wahrnehmung und Beobachtung 61
WasistWahrnehmung 61
BeeinflussungderWahrnehmung 64
WasistBeobachtung 66
BedeutungderBeobachtunginderPflege 70
122 Pflegeprozess 72
WasistderPflegeprozess 72
123 Pflegediagnostik 74
Informationssammlung 74
ErkennenvonPflegeproblemenundRessourcen 76
WassindPflegediagnosen 78
ArtenvonPflegediagnosen 79
KlassifikationvonPflegediagnosen 80
Assessmentinstrumente 81
124 Planung Durchfuumlhrung und Evaluation der Pflege 84
WiewerdenPflegezielegeplant 84
PlanungundDurchfuumlhrungderPflegemaszlignahmen 85
WassindPflegestandards 88
WiewirdPflegeevaluiert 90
Pflegevisite 91
125 Grenzen der Pflegeplanung 93
126 Pflegedokumentation EDV 94
InstrumentderPflegendashPflegedokumentation 94
EDV-SystemezurPflegedokumentation 97
ProgrammeinderAltenpflege 98
DigitaleLernmittel 100
Datenschutz 101
127 Pflegeuumlberleitung und Case Management 102
PflegeuumlberleitungundEntlassungsmanagement 102
Schnittstellenmanagement 105
CaseManagement 107
13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
131 Pflegerelevante Grundlagen 110
EinfuumlhrungindieAnatomieundPhysiologie 110
EinfuumlhrungindieGeriatrie 117
EinfuumlhrungindieGerontopsychiatrie 119
EinfuumlhrungindiePsychologie 121
EinfuumlhrungindieArzneimittellehre(Pharmakologie) 123
EinfuumlhrungindieHygiene 127
EinfuumlhrungindieErnaumlhrungslehre 132
1
XII
INHALTSVERzEICHNIS
132 Unterstuumltzung alter Menschen bei der Selbstpflege 140
Sichbewegenkoumlnnen 140
Sichpflegenkoumlnnen 148
Sichkleidenkoumlnnen 163
Essenundtrinkenkoumlnnen 169
Ausscheidenkoumlnnen 177
Ruhenschlafenundsichentspannenkoumlnnen 189
Fuumlreinesichereundfoumlrdernde
Umgebungsorgenkoumlnnen 196
MitexistenziellenErfahrungendes
Lebensumgehenkoumlnnen 200
133 Unterstuumltzung alter Menschen bei praumlventiven und rehab Maszlignahmen 204
ProphylaxenundPraumlvention 204
Dekubitusprophylaxe 205
Pneumonieprophylaxe 211
Thromboseprophylaxe 215
Sturzprophylaxe 220
Kontrakturenprophylaxe 229
Zystitisprophylaxe 231
Obstipationsprophylaxe 233
ProphylaxevonMundschleimhautveraumlnderungen 234
Kontinenzfoumlrderung 236
134 Mitwirkung bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Rehakonzepten 240
Kinaesthetics 240
BasaleStimulation 246
Realitaumltsorientierungstraining 251
Gedaumlchtnistraining 252
Validation 254
Snoezelen 257
Selbsterhaltungstherapie 258
10-Minuten-Aktivierung 259
135 Umgang mit Hilfsmitteln und Prothesen 260
GehhilfenundRollstuumlhle 260
AugenprothesenundKontaktlinsen 262
Houmlrsysteme 263
136 PaM mit eingeschraumlnkter Funktion von Sinnesorganen 264
ErkrankungendesAuges 264
Houmlrstoumlrungen 268
137 Pflege alter Menschen mit Behinderungen 272
AlteMenschenmitBehinderungen 272
138 Pflege alter Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen 274
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderHaut 274
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBewegungsapparates 289
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderAtmungsorgane 309
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHerz-Kreislauf-Systems 324
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBlut-undLymphsystems 349
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desStoffwechsels 356
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHormonsystems 358
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desVerdauungstraktes 370
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derNiereundHarnwege 395
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derGeschlechtsorgane 405
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desNervensystems 416
139 Pflege infektionskranker alter Menschen 436
InfektionsketteundInfektionserreger 436
Infektionskrankheiten 439
MRSAndashDerProblemkeim 443
1310 Pflege multimorbider alter Menschen 445
MultimorbidealteMenschen 445
1311 Pflege alter Menschen mit chronischen Schmerzen 448
AlteMenschenmitSchmerzen 448
1312 Pflege dementer und gerontopsychiatrisch veraumlnderter alter Menschen 457
VerwirrtheitszustaumlndealterMenschen 457
DemenzielleErkrankungen 459
DepressionbeialtenMenschen 473
SuizidhandlungenalterMenschen 478
1313 Pflege alter Menschen mit Suchtproblemen 481
SuchtbeialtenMenschen 481
1314 Pflege schwerstkranker und sterbender alter Menschen 484
Unterstuumltzungschwerstkrankerund
sterbenderMenschenbei
spezifischenProblemenundBeduumlrfnissen 484
UmfelddesSterbendenunddieBegleitung
derAngehoumlrigen 487
1315 Handeln in Notfaumlllen erste Hilfe 488
WassindNotfallsituationen 488
WieverhalteichmichinNotfallsituationen 489
NotfallspezifischeErste-Hilfe-Maszlignahmen 493
14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
141 Kommunikation und Gespraumlchsfuumlhrung 499
WiefunktioniertKommunikation 499
WievermeideichKommunikationsstoumlrungen 506
KommunikationundPflege 510
WasistklientenzentrierteGespraumlchsfuumlhrung 513
TechnikderGespraumlchsfuumlhrung 515
WelcheVoruumlberlegungenmuumlssen
fuumlrGespraumlchegetroffenwerden 517
WelcheGespraumlchsartengibtes 521
142 Beratung und Anleitung alter Menschen 526
ZieleundInhaltederBeratung 526
PrinzipienundMethodenderBeratung 528
BeratunginderPflege 530
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschenNationalbibliografiedetailliertebibliografischeDatensindimInternetuumlberhttpdnbd-nbdeabrufbar
Wichtiger HinweisWiejedeWissenschaftistdieMedizinstaumlndigenEntwicklun-genunterworfenForschungundklinischeErfahrungerweiternunsereErkennt-nisseinsbesonderewasBehandlungundmedikamentoumlseTherapieanbelangtSo-weitindiesemWerkeineDosierungodereineApplikationerwaumlhntwirddarfderLeserzwardaraufvertrauendassAutorenHerausgeberundVerlaggroszligeSorgfaltdaraufverwandthabendassdieseAngabedem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entsprichtFuumlr Angaben uumlber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vomVerlag jedochkeineGewaumlhruumlbernommenwerden Jeder Benutzer ist angehal-tendurchsorgfaumlltigePruumlfungderBeipackzettelderverwendetenPraumlparateundgegebenenfallsnachKonsultationeinesSpezialistenfestzustellenobdiedortge-gebeneEmpfehlungfuumlrDosierungenoderdieBeachtungvonKontraindikationengegenuumlberderAngabeindiesemBuchabweichtEinesolchePruumlfungistbesonderswichtigbeiseltenverwendetenPraumlparatenodersolchendieneuaufdenMarktgebrachtwordensindJede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des BenutzersAutorenundVerlagappellierenanjedenBenutzerihmetwaauf-fallendeUngenauigkeitendemVerlagmitzuteilen
WirbittenumVerstaumlndnisdassausGruumlndenderLesbarkeitimBuchdiemaumlnn-lichenFormenzBPatientSchuumllerLehrerverwendetwerdenNatuumlrlichistunsbewusst dass die Pflege uumlberwiegend ein Frauenberuf ist ndash die Gleichberechti-gung der Frau ist jedoch selbstverstaumlndlich Grundlage der Konzeption und desMenschenbildessodasseineDopplungderBegriffeunnoumltigerscheint
DieVerantwortungfuumlrdieFilmeliegtbeimVerlagBittewendensiesichbeiFra-genandiePflegeredaktion
GeschuumltzteWarennamen(Warenzeichen)werdennicht besonderskenntlichge-machtAusdemFehleneinessolchenHinweiseskannalsonichtgeschlossenwer-dendassessichumeinenfreienWarennamenhandeltDas Werk einschlieszliglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschuumltzt JedeVerwertung auszligerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdesVerlagesunzulaumlssigundstrafbarDasgiltinsbesonderefuumlrVer-vielfaumlltigungenUumlbersetzungenMikroverfilmungenunddieEinspeicherungundVerarbeitunginelektronischenSystemen
1Auflage20082Auflage2012
copy2018GeorgThiemeVerlagKGRuumldigerstraszlige14Dndash70469StuttgartUnsereHomepagehttpwwwthiemede
PrintedinGermany
Fotografien
WernerKruumlperBielefeldRomanStoumlpplerGerlingenAlexanderFischerBadenBadenPflegefotoarchivThiemeVerlagsgruppe
Grafiken (Neuzeichnungen)
AngelikaBraunerHohenpeiszligenbergHelmutHoltermannDannenbergMitUumlbernahmenausSchuumlnkeMSchulteESchumacherUPrometheusLernAtlasderAnatomieIllustrationenvonMVollundKWeskerStuttgartThieme
Gestaltung und Layout
TinaHinkelStuttgart
UmschlaggestaltungThiemeVerlagsgruppeUmschlagillustrationSeinabDanboosMuumlnsterSatzL42AGBerlinSatzsystemAdobeIndesignCS6DruckAprintaDruckGmbHWemding
DOI101055b-004-140660
ISBN978-3-13-240270-6 123456
AucherhaumlltlichalsE-BookeISBN(PDF)978-3-13-240271-3
AlsAusgangsbasisdiesesBuchesdientenfolgendeWerke
AndreaeSHayekDWenigerJKrankheitslehre3AuflStuttgartThieme2011CharlierSHrsgSozialeGerontologie2AuflStuttgartThieme2010EkertBEkertCPsychologiefuumlrPflegeberufeStuttgartThieme2005HellWAllesWissenswerteuumlberStaatBuumlrgerRecht5Aufl StuttgartThieme2007KoumltherIHrsgAltenpflege3AuflStuttgartThieme2011KellnhauserEetalHrsgTHIEMEsPflege11AuflStuttgartThieme2009LauberAHrsgGrundlagenberuflicherPflege2AuflStuttgartThieme2007LauberASchmalstiegPHrsgWahrnehmenundBeobachten2AuflStuttgartThieme2007Lauber A Schmalstieg P Hrsg Praumlvention und Rehabilitation 2 Aufl StuttgartThieme2007Perrar KM et al Gerontopsychiatrie fuumlr Pflegeberufe 2 Aufl Stuttgart Thieme2011
V
VorwortLiebeLeserinnenliebeLeser
wie lernt es sich am besten ndash Die Antwort lautet strukturiert konzentriert und motiviert
Mit unserem ALF (bdquoAltenpflege in Lernfeldernldquo) uumlbersetzenwirdieseseinfacheErfolgsrezeptindieLernpraxisDieInhal-te von 3 Jahren Ausbildung (immerhin 4600 Stunden Theo-rieundPraxis)wollenwohldosiertgelerntwerdenWersichschon einmal auf eine groszlige Pruumlfung vorbereitet hat weiszligwiebeeindruckendwennnichtgarfurchteinfloumlszligenddieFuumll-ledesLernstoffswirkenkann
DieLoumlsungdiesesBuchesberuhtaufdreiStrategien1 klareStrkturen2 KonzentrationaufdasWichtigsteund3 dasLernensoangenehmundeinfachwiemoumlglichgestalten
Klare Strukturen
Neue Inhalte erschlieszligt man sich am besten wenn man zu-naumlchst einen groben Uumlberblick uumlber die Hauptbereiche ge-winntDannnaumlhertmansichdengroszligenThemendieserBe-reicheDiesegroszligenThemenwerdendannnochmalsinUnter-themenaufgeteiltbismaneinenUumlberblickuumlberdieeinzelnenkleinenThemenhatDaheristdiesesBuchaufgeteilt1 in4groszligeLernbereiche (sieentsprechenden4Lernberei-
chenderAusbildungs-undPruumlfungsverordnung)2 jederLernbereichwirdwiederumin14Unterbereicheauf-
geteilt(sieentsprechenden14Lernfeldern)3 jedesLernfeldwirdinUnterthemenunterteilt(ca700)
DamitwirddieriesigeInhaltsfuumlllederAusbildunginverdauli-cheHappenportioniertDerkleinsteLernhappenisteineSeitelangundsomitschnelluumlberschaubar
Konzentration auf das Wichtigste
WennSieindenUrlaubfliegenmoumlchtenbeschaumlftigtSiebeimEinchecken zunaumlchst mehr die Frage nach der Platzwahl alsdienachderOrganisationderFlugsicherungSietrennendasWichtigevomgroszligenGanzenDashabenwirfuumlrSiemitdie-semBuchgetanWirhabenvonallenThemennurdiewich-tigstenInhalteindiesemBuchaufgenommenDasheiszligtnichtdassdieanderenInhalteunwichtigsindesheiszligtnurdasswirden inhaltlichenKerngetrennthabenvonderFuumlllederwei-teren InformationendrumherumDenndasZiel istes ja zu-naumlchsteinensolidenUumlberblickzugewinnen
Das Lernen so angenehm und einfach wie moumlglich gestaltenJederweiszligwiemotivierendesistdasZielzumGreifennahzusehenundErfolgereihenweiseabhakenzukoumlnnenDieca700Themenwerdendaher imSeitenkonzeptbehandeltDiekleinsten Themen werden auf einer Seite vermittelt JedesThemabeginntaufeinerneuenSeitejedesThemaendetun-tenaufderSeiteundwirddurcheinenStopperbullmarkiert
SomithabenSienichtnurdeninhaltlichensondernauchdenvisuellenUumlberblickInkleinenSchrittennaumlhernSiesichdemZielamsicherstenGrafikenerklaumlrenaufvisuelleWeisekom-plexeSachverhalteFotosnehmenSiemit indiePraxisHer-vorhebungeninderMarginalspaltezeigenIhnen
B BeispieleausderPflegepraxis
DDefinitionenwichtigerBegriffe
MSachverhaltedieSiesichmerkensollten
PTippsfuumlrdiePraxis
IInfosuumlberweiterfuumlhrendeLiteraturundInternetadres-sen
Umfangreiche Querverweise zeigen Ihnen wo Sie innerhalbdesBuchesZusaumltzlicheszumThemafindenEinsehrdetaillier-tesSachverzeichniszeigtIhnendenWegzudengewuumlnschtenInhalten
AufdieseArtgelingtessichsaumlmtlicheInhaltederdreijaumlh-rigen Ausbildung Schrittchen fuumlr Schrittchen zu erschlieszligenHakenSiedieThemenabundalleswasSienaumlherinteressiertkoumlnnen Sie in den groszligen Nachschlagewerken vertiefendnachlesenzBinunseremKlassikerbdquoAltenpflegeldquo
Vertrauen und Sicherheit
WiekoumlnnenSiesicherseindassauchallewichtigenThemenbehandeltwurdenWirhabenverschiedeneSicherungssyste-meeingebaut1 Die Inhalte folgen dem Altenpflegegesetz und der Alten-
pflegeausbildungs-undpruumlfungsverordnung2 die Inhalte beruumlcksichtigen die Vorgaben der Laumlnder und
derenCurricula3 dieInhaltestammenvonanerkanntenAutoren
DasBuchwurdenachdemGesetzeswortlautstrukturiertDieAngabenfuumlrdieUnterrichtsstundenwurdenzudenSeitendesBuchesinsVerhaumlltnisgesetztSomithabendieThemenmehrUmfangdieauchmiteinerhoumlherenStundenzahlunterrichtetwerdenJedesBundeslandhatzudemseinespezifischenThe-men In einem groszligangelegten Abgleich wurden die InhaltedesCurriculumdesKDAunddieCurriculaausNRWSaarlandRheinland-PfalzundBaden-Wuumlrttembergmiteinandervergli-chen Besondere Themen wurden ergaumlnzend aufgenommenumdieWuumlnscheallerBundeslaumlnderbefriedigenzukoumlnnen
DieInhaltediesesBuchesstammenausderFederanerkann-terAutorenderTHIEME-VerlagsgruppeUumlberwiegendkonntebeiderEntstehungdiesesBuchesaufbereitsexistierendeIn-
VI
VoRWoRT
haltezuruumlckgegriffenwerdendiedann inderFachredaktionnochmals konzentriert und reduziert wurden um den Cha-rakterdesUumlberblickszuschaffenThemendienochnichtbe-schrieben wurden wurden neu verfasst Das Ergebnis ist ein
KonzentratausgeballtemWissenvonuumlber50FachautorenderPflegeszene
Wir wuumlnschen Ihnen viel Erfolg bei der Arbeit mit diesemBuch
VII
MitarbeiterverzeichnisGundulaGeist
KrankenschwesterPraxisanleiterin
KinaestheticsTrainerin
Ilsebaumlumen10
32469Petershagen
FelixHahn
BScAugenoptikundHoumlrakustik
HahnOptik+Akustik
HeilbronnerStr47
74211Leingarten
DrmedDominikvonHayek
FacharztfuumlrAllgemeinmedizinundGeriatrie
Konradinstr6b
81543Muumlnchen
HuumllyaHeinen
StaatlichanerkannteKrankenschwesterfuumlrLeitungsfunktionen
inEinrichtungenderPflegeimGesundheits-undSozialwesen
QualitaumltsauditorinTUumlV(PersCert)
TQM-CoachTQMCTUumlVEFQMAssessorTUumlV
TrainerinundDozentinimGesundheitswesen
FachkraftfuumlrArbeitssicherheit(SiFa)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
WernerHeinen
FachwirtfuumlrFinanzberatung(IHK)
zertifizierterSachverstaumlndiger(BDSH)fuumlr
Immobilien-undUnternehmensbewertungen
UnternehmensberaterfuumlrWirtschaftundSoziales
PersonalberaterimGesundheitswesen
Datenschutzbeauftragter(IHK)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
AnjaHeiszligenberg
Krankenschwester
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
AkademiefuumlrPflegeberufe
SanaKlinikumOffenbachGmbH
Starkenburgring66
63069OffenbachamMain
WalterHell
DirektordesAmtsgerichts
Schlossplatz9
86551Aichach
ProfLotteKaba-Schoumlnstein
DiplSozialwirtinDiplSozpaumld
HochschuleEsslingen
Flandernstr101
73732Esslingen
DrmedSusanneAndreae
niedergelasseneFachaumlrztinfuumlrAllgemeinmedizin
DozentinanKrankenpflegeschulen
aumlrztlicheBeisitzerinderGutachterkommissionLandesaumlrzte-
kammerSuumldbaden
LehrbeauftragtefuumlrAllgemeinmedizinanderUniversitaumltFreiburg
Laumlrchenweg26
78713Schramberg
ProfDrSabineBartholomeyczik
FakultaumltfuumlrGesundheitDepartmentfuumlrPflegewissenschaft
UniversitaumltWittenHerdecke
StockumerStr12
58453Witten
RenateBerner
KrankenschwesterDipl-Pflegewirtin(FH)
Max-Kirschner-Straszlige13
85126Muumlnchsmuumlnster
SiegfriedCharlier
Dipl-PaumldagogeDipl-Supervisor(DGSv)
AufdemKorb58a
51789Lindlar
EvaEissing
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
SozialwissenschaftlerinBA
ImSteelerRott22
45276Essen
DrphilBaumlrbelEkert
Dipl-PsychologinTheologin
Moumlrikestr13
72532Gomadingen
ProfDrMichaelEwersMPH
ChariteacuteUniversitaumltsmedizinBerlin
InstitutfuumlrGesundheits-undPflegewissenschaft
CampusVirchowKlinikum
AugustenburgerPlatz1
13353Berlin
DrphilRenateFischer
KrankenschwestermitFachweiterbildungfuumlrEndoskopie
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
SchulefuumlrGesundheits-undKrankenpflege
KatholischesKlinikumKoblenzndashMontabaur
Thielenstr13
56073Koblenz
MichaelaFlechsenberger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
stellvLeitungdesGesundheits-undBildungszentrumsOberberg
Barbarastr8
57548Kirchen(Sieg)
VIII
MITARBEITERVERzEICHNIS
OlafKirschnick
LehrerfuumlrPflegeberufeundEntbindungspflege
Lehrrettungsassistent
PraumldikantEvangKirchendashBaden
LeiterndashBildungszentrumbdquoGesundheitundPflegeldquo
amKrankenhausTauberbischofsheim
Albert-Schweitzer-Straszlige35
97941Tauberbischofsheim
MargareteKlimek
Krankenschwester
LehrerinfuumlrKrankenpflege-Kinderkrankenpflege-und
Altenpflegeberufe
TheologReferentin
Kastanienstr76
58332Schwelm
UrsulaKocs
Dipl-Psychologin
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
derDiakonie-Stiftung-Salem
Johannesstr6
32423Minden
DrrercurAnnetteLauber
Pflegewissenschaftlerin(MSc)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Irmgard-Bosch-Bildungszentrum
Auerbachstraszlige110
70376Stuttgart
SusanneMettrop
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
DiplPflegegutachterin(IBW)
Bitzenweg15a
51789Waldbroumll
MartinaMetzger
LehrerinfuumlrPflegeberufe
Eichenweg1
71134Aidlingen
GerlindeNowak
SozialpaumldagoginTrainerinfuumlrKommunikationundModeration
ImGrashof4
51789Lindlar
PeterNydahl
KrankenpflegerPraxisanleiterMScN
Kurs-undWeiterbildungsleiterfuumlr
BasaleStimulationinderPflege
PflegeexpertefuumlrMenschenimWachkoma
Sternstr2
24116Kiel
DrmedKlausMariaPerrar
FacharztfuumlrPsychiatriePsychotherapiePalliativmedizin
ZentrumfuumlrPalliativmedizinDrMildredScheelHaus
UniklinikKoumlln
Kerpenerstr62
50937Koumlln
JohannePlescher-Kramer
KrankenschwesterFachkrankenschwesterfuumlr
AnaumlsthesieuIntensivpflegeWundexpertin(ICW)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
DrrernatAntoniePost
Dipl-Ernaumlhrungswissenschaftlerin
Lutherstraszlige20
71576Burgstetten
BrigitteSachsenmaier
LehrerinfuumlrPflegeberufeStomatherapeutin
Ziegelstr42
73084Salach
SabineSappke-Heuser
Juristin
Klosterberg3
53804Much
AndreasSchilde
StaatlichanerkannterAltenpflegerundTQM-Beauftragter
Goldhaumlhnchenweg19
12359Berlin
PDDrhabilAndreasSchwarzkopf
FacharztfuumlrMikrobiologieundInfektionsepidemiologie
SachverstaumlndigerKrankenhaushygiene
InstitutSchwarzkopfGbR
Otto-von-Bamberg-Str10
99717AuraanderSaale
GabrieleSteinhaumluszliger
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Friedrichstr22
73614Schorndorf
RuthUessem
LehrerinfuumlrPflegeberufeQMB
stellvLeitung
AkademieGesundheitswirtschaftundSenioren
desOberbergischenKreises
Lebrechtstr27
51643Gummersbach
JuttaWeniger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Herdstr161
78050Villingen-Schwenningen
IX
MITARBEITERVERzEICHNIS
GuumlnterBaier
Dipl-Verwaltungswirt
ResperGasse17
51674Wiehl
ChristineBaumlumler
Sport-undGymnastiklehrerin
Kinaesthetics-Trainerin
TrainerinfuumlrSturzpraumlvention
Fliederweg13
73116Waumlschenbeuren
SieglindeDenzel
Dipl-Psychologin
Martinsberg14
78564ReichenbachamHeuberg
ChristianeEkertdagger
Dipl-Psychologin
Robert-Leicht-Str141b
70569Stuttgart
ChristinevonEltzdagger
Hagenstr7
31655Stadthagen
DrphilUrsulaGeiszligner
emProfessorinfuumlrFuumlhrungslehreundOrganisation
Feldbergstr5
79247Maumlrgen
ElseGnamm
AltenpflegerinLehrerinfuumlrAltenpflege
Schubertstr21
72800Eningen
MichaelHaas
KrankenpflegerDipl-Pflegepaumldagoge(FH)
DiakonieStiftungSalemgGmbH
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
Fachseminarleiter
Johansenstr6
32432Minden
AstridHammer
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
StaatlanerkannteSchulefuumlrGesundheits-und
KrankenpflegeundKrankenpflegehilfe
UniversitaumltsmedizinderJohannesGutenberg-UniversitaumltMainz
AmPulverturm13
55101Mainz
HenryKieschnick
Dipl-Pflegewirt(FH)
KulmerWeg3
30659Hannover
AndreasKutschkeBScN
KrankenpflegerfuumlrGeriatrischeRehabilitation
AbteilungQualitaumltsmanagementundPflegeberatung
StaumldtischeSeniorenheimeKrefeldgGmbH
De-Greiff-Str194
47803Krefeld
RainerOchel
Dipl-Verwaltungswirt
AmStockweg7
51645Gummersbach
UrsulaPfaumlfflin-Muumlllenhoff
UPfMAltenpflegerinLehrerinfuumlrGrund-undHauptschule
DozentininderAltenpflegeausbildung
Religionspaumldagogin
AmRennerweiher3
90562Heroldsberg
HartmutRolf
LehrerfuumlrPflegeberufe(Diplom)
BerufsfachschulefuumlrAltenpflege
Diakonisches-InstitutDr-Alfred-Schwab-Platz1
73033Goumlppingen
JoachimScholz
LehrerfuumlrPflegeberufePflegedienstleiter
Wiesenstr8
51766Engelskirchen
SilkeSchoolmann
Dipl-Paumldagogin(FH)
Gartenfeldstr12
55118Mainz
HanneloreSeibold
KrankenschwesterDipl-Sozialpaumldagogin
Manchesterstr36
33604Bielefeld
BirteStaumlhrmann
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Kommunikationswirtin
EvangDiakonissenanstaltStuttgart
Rosenbergstraszlige40
70176Stuttgart
RaimundStollbergdagger
Dipl-SozialarbeiterDipl-Gerontologe
Hauptstr36a
51519Odenthal
Mitarbeiter der vorigen Auflagen
XI
Inhaltsverzeichnis
Lernbereich 1 AufgabenundKonzepteinderAltenpflege
11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
111 Alter Gesundheit Krankheit Behinderung und Pflegebeduumlrftigkeit 2
WasistAlter 2
WelcheAltersmodellegibtes 3
PhysiologischeAlterungsprozesse 4
AlteralsLebensphaseundalsProzess 7
WelcheModellevonGesundheit
undKrankheitgibtes 8
WasbedeutenBehinderungundPflegebeduumlrftigkeit 10
112 Konzepte Modelle und Theorien der Pflege 11
WassindKonzepteModelleundTheorien 11
113 Handlungsrelevanz von Konzepten und Modellen der Pflege anhand konkreter Pflegesituationen 14
WasistprofessionellePflege 14
WiewerdenTheorienentwickelt 15
FoumlrderndeProzesspflegenachKrohwinkel 18
RoperLoganundTierneyndash
DieElementederKrankenpflege 20
PflegemodellvonOrem 22
AnwendungwissenschaftlicherErkenntnisse
inderPraxis 24
114 Pflegeforschung und Umsetzung von Forschungsergebnissen 25
WasistPflegeforschung 25
GeschichtlicheEntwicklungderPflegeforschung 26
Forschungsansaumltze 27
Forschungsdesigns 28
SchrittedesForschungsprozesses 30
PraktischeAnwendungderPflegeforschung 32
115 Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention 34
PraumlventionundGesundheitsfoumlrderung 34
116 Rehabilitation 38
WasistRehabilitation 38
WasistgeriatrischeRehabilitation 39
AufgabeundZielederPflegeinderRehabilitation 40
LeistungenundLeistungstraumlgerderRehabilitation 44
117 Biografiearbeit 45
PraumlgungdurchdieBiografie 45
LebensgeschichteundAltenpflege 46
BiografischeHaltungimPflegealltag 47
Biografiearbeitundbiografisch
orientiertePflegeplanung 48
ErhebungbiografischerInformationen
undDatenschutz 50
PsychobiografischesModellnachBoumlhm 51
Altersbilder 52
118 Pflegerelevante Grundlagen der Ethik 53
Menschenbilder 53
VorstellungenvomAltseinundvonaltenMenschen 54
EthischeGrundrichtungenundPrinzipien 56
WerteorientierteberuflicheBeziehungsgestaltung 59
12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
121 Wahrnehmung und Beobachtung 61
WasistWahrnehmung 61
BeeinflussungderWahrnehmung 64
WasistBeobachtung 66
BedeutungderBeobachtunginderPflege 70
122 Pflegeprozess 72
WasistderPflegeprozess 72
123 Pflegediagnostik 74
Informationssammlung 74
ErkennenvonPflegeproblemenundRessourcen 76
WassindPflegediagnosen 78
ArtenvonPflegediagnosen 79
KlassifikationvonPflegediagnosen 80
Assessmentinstrumente 81
124 Planung Durchfuumlhrung und Evaluation der Pflege 84
WiewerdenPflegezielegeplant 84
PlanungundDurchfuumlhrungderPflegemaszlignahmen 85
WassindPflegestandards 88
WiewirdPflegeevaluiert 90
Pflegevisite 91
125 Grenzen der Pflegeplanung 93
126 Pflegedokumentation EDV 94
InstrumentderPflegendashPflegedokumentation 94
EDV-SystemezurPflegedokumentation 97
ProgrammeinderAltenpflege 98
DigitaleLernmittel 100
Datenschutz 101
127 Pflegeuumlberleitung und Case Management 102
PflegeuumlberleitungundEntlassungsmanagement 102
Schnittstellenmanagement 105
CaseManagement 107
13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
131 Pflegerelevante Grundlagen 110
EinfuumlhrungindieAnatomieundPhysiologie 110
EinfuumlhrungindieGeriatrie 117
EinfuumlhrungindieGerontopsychiatrie 119
EinfuumlhrungindiePsychologie 121
EinfuumlhrungindieArzneimittellehre(Pharmakologie) 123
EinfuumlhrungindieHygiene 127
EinfuumlhrungindieErnaumlhrungslehre 132
1
XII
INHALTSVERzEICHNIS
132 Unterstuumltzung alter Menschen bei der Selbstpflege 140
Sichbewegenkoumlnnen 140
Sichpflegenkoumlnnen 148
Sichkleidenkoumlnnen 163
Essenundtrinkenkoumlnnen 169
Ausscheidenkoumlnnen 177
Ruhenschlafenundsichentspannenkoumlnnen 189
Fuumlreinesichereundfoumlrdernde
Umgebungsorgenkoumlnnen 196
MitexistenziellenErfahrungendes
Lebensumgehenkoumlnnen 200
133 Unterstuumltzung alter Menschen bei praumlventiven und rehab Maszlignahmen 204
ProphylaxenundPraumlvention 204
Dekubitusprophylaxe 205
Pneumonieprophylaxe 211
Thromboseprophylaxe 215
Sturzprophylaxe 220
Kontrakturenprophylaxe 229
Zystitisprophylaxe 231
Obstipationsprophylaxe 233
ProphylaxevonMundschleimhautveraumlnderungen 234
Kontinenzfoumlrderung 236
134 Mitwirkung bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Rehakonzepten 240
Kinaesthetics 240
BasaleStimulation 246
Realitaumltsorientierungstraining 251
Gedaumlchtnistraining 252
Validation 254
Snoezelen 257
Selbsterhaltungstherapie 258
10-Minuten-Aktivierung 259
135 Umgang mit Hilfsmitteln und Prothesen 260
GehhilfenundRollstuumlhle 260
AugenprothesenundKontaktlinsen 262
Houmlrsysteme 263
136 PaM mit eingeschraumlnkter Funktion von Sinnesorganen 264
ErkrankungendesAuges 264
Houmlrstoumlrungen 268
137 Pflege alter Menschen mit Behinderungen 272
AlteMenschenmitBehinderungen 272
138 Pflege alter Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen 274
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderHaut 274
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBewegungsapparates 289
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderAtmungsorgane 309
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHerz-Kreislauf-Systems 324
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBlut-undLymphsystems 349
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desStoffwechsels 356
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHormonsystems 358
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desVerdauungstraktes 370
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derNiereundHarnwege 395
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derGeschlechtsorgane 405
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desNervensystems 416
139 Pflege infektionskranker alter Menschen 436
InfektionsketteundInfektionserreger 436
Infektionskrankheiten 439
MRSAndashDerProblemkeim 443
1310 Pflege multimorbider alter Menschen 445
MultimorbidealteMenschen 445
1311 Pflege alter Menschen mit chronischen Schmerzen 448
AlteMenschenmitSchmerzen 448
1312 Pflege dementer und gerontopsychiatrisch veraumlnderter alter Menschen 457
VerwirrtheitszustaumlndealterMenschen 457
DemenzielleErkrankungen 459
DepressionbeialtenMenschen 473
SuizidhandlungenalterMenschen 478
1313 Pflege alter Menschen mit Suchtproblemen 481
SuchtbeialtenMenschen 481
1314 Pflege schwerstkranker und sterbender alter Menschen 484
Unterstuumltzungschwerstkrankerund
sterbenderMenschenbei
spezifischenProblemenundBeduumlrfnissen 484
UmfelddesSterbendenunddieBegleitung
derAngehoumlrigen 487
1315 Handeln in Notfaumlllen erste Hilfe 488
WassindNotfallsituationen 488
WieverhalteichmichinNotfallsituationen 489
NotfallspezifischeErste-Hilfe-Maszlignahmen 493
14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
141 Kommunikation und Gespraumlchsfuumlhrung 499
WiefunktioniertKommunikation 499
WievermeideichKommunikationsstoumlrungen 506
KommunikationundPflege 510
WasistklientenzentrierteGespraumlchsfuumlhrung 513
TechnikderGespraumlchsfuumlhrung 515
WelcheVoruumlberlegungenmuumlssen
fuumlrGespraumlchegetroffenwerden 517
WelcheGespraumlchsartengibtes 521
142 Beratung und Anleitung alter Menschen 526
ZieleundInhaltederBeratung 526
PrinzipienundMethodenderBeratung 528
BeratunginderPflege 530
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
V
VorwortLiebeLeserinnenliebeLeser
wie lernt es sich am besten ndash Die Antwort lautet strukturiert konzentriert und motiviert
Mit unserem ALF (bdquoAltenpflege in Lernfeldernldquo) uumlbersetzenwirdieseseinfacheErfolgsrezeptindieLernpraxisDieInhal-te von 3 Jahren Ausbildung (immerhin 4600 Stunden Theo-rieundPraxis)wollenwohldosiertgelerntwerdenWersichschon einmal auf eine groszlige Pruumlfung vorbereitet hat weiszligwiebeeindruckendwennnichtgarfurchteinfloumlszligenddieFuumll-ledesLernstoffswirkenkann
DieLoumlsungdiesesBuchesberuhtaufdreiStrategien1 klareStrkturen2 KonzentrationaufdasWichtigsteund3 dasLernensoangenehmundeinfachwiemoumlglichgestalten
Klare Strukturen
Neue Inhalte erschlieszligt man sich am besten wenn man zu-naumlchst einen groben Uumlberblick uumlber die Hauptbereiche ge-winntDannnaumlhertmansichdengroszligenThemendieserBe-reicheDiesegroszligenThemenwerdendannnochmalsinUnter-themenaufgeteiltbismaneinenUumlberblickuumlberdieeinzelnenkleinenThemenhatDaheristdiesesBuchaufgeteilt1 in4groszligeLernbereiche (sieentsprechenden4Lernberei-
chenderAusbildungs-undPruumlfungsverordnung)2 jederLernbereichwirdwiederumin14Unterbereicheauf-
geteilt(sieentsprechenden14Lernfeldern)3 jedesLernfeldwirdinUnterthemenunterteilt(ca700)
DamitwirddieriesigeInhaltsfuumlllederAusbildunginverdauli-cheHappenportioniertDerkleinsteLernhappenisteineSeitelangundsomitschnelluumlberschaubar
Konzentration auf das Wichtigste
WennSieindenUrlaubfliegenmoumlchtenbeschaumlftigtSiebeimEinchecken zunaumlchst mehr die Frage nach der Platzwahl alsdienachderOrganisationderFlugsicherungSietrennendasWichtigevomgroszligenGanzenDashabenwirfuumlrSiemitdie-semBuchgetanWirhabenvonallenThemennurdiewich-tigstenInhalteindiesemBuchaufgenommenDasheiszligtnichtdassdieanderenInhalteunwichtigsindesheiszligtnurdasswirden inhaltlichenKerngetrennthabenvonderFuumlllederwei-teren InformationendrumherumDenndasZiel istes ja zu-naumlchsteinensolidenUumlberblickzugewinnen
Das Lernen so angenehm und einfach wie moumlglich gestaltenJederweiszligwiemotivierendesistdasZielzumGreifennahzusehenundErfolgereihenweiseabhakenzukoumlnnenDieca700Themenwerdendaher imSeitenkonzeptbehandeltDiekleinsten Themen werden auf einer Seite vermittelt JedesThemabeginntaufeinerneuenSeitejedesThemaendetun-tenaufderSeiteundwirddurcheinenStopperbullmarkiert
SomithabenSienichtnurdeninhaltlichensondernauchdenvisuellenUumlberblickInkleinenSchrittennaumlhernSiesichdemZielamsicherstenGrafikenerklaumlrenaufvisuelleWeisekom-plexeSachverhalteFotosnehmenSiemit indiePraxisHer-vorhebungeninderMarginalspaltezeigenIhnen
B BeispieleausderPflegepraxis
DDefinitionenwichtigerBegriffe
MSachverhaltedieSiesichmerkensollten
PTippsfuumlrdiePraxis
IInfosuumlberweiterfuumlhrendeLiteraturundInternetadres-sen
Umfangreiche Querverweise zeigen Ihnen wo Sie innerhalbdesBuchesZusaumltzlicheszumThemafindenEinsehrdetaillier-tesSachverzeichniszeigtIhnendenWegzudengewuumlnschtenInhalten
AufdieseArtgelingtessichsaumlmtlicheInhaltederdreijaumlh-rigen Ausbildung Schrittchen fuumlr Schrittchen zu erschlieszligenHakenSiedieThemenabundalleswasSienaumlherinteressiertkoumlnnen Sie in den groszligen Nachschlagewerken vertiefendnachlesenzBinunseremKlassikerbdquoAltenpflegeldquo
Vertrauen und Sicherheit
WiekoumlnnenSiesicherseindassauchallewichtigenThemenbehandeltwurdenWirhabenverschiedeneSicherungssyste-meeingebaut1 Die Inhalte folgen dem Altenpflegegesetz und der Alten-
pflegeausbildungs-undpruumlfungsverordnung2 die Inhalte beruumlcksichtigen die Vorgaben der Laumlnder und
derenCurricula3 dieInhaltestammenvonanerkanntenAutoren
DasBuchwurdenachdemGesetzeswortlautstrukturiertDieAngabenfuumlrdieUnterrichtsstundenwurdenzudenSeitendesBuchesinsVerhaumlltnisgesetztSomithabendieThemenmehrUmfangdieauchmiteinerhoumlherenStundenzahlunterrichtetwerdenJedesBundeslandhatzudemseinespezifischenThe-men In einem groszligangelegten Abgleich wurden die InhaltedesCurriculumdesKDAunddieCurriculaausNRWSaarlandRheinland-PfalzundBaden-Wuumlrttembergmiteinandervergli-chen Besondere Themen wurden ergaumlnzend aufgenommenumdieWuumlnscheallerBundeslaumlnderbefriedigenzukoumlnnen
DieInhaltediesesBuchesstammenausderFederanerkann-terAutorenderTHIEME-VerlagsgruppeUumlberwiegendkonntebeiderEntstehungdiesesBuchesaufbereitsexistierendeIn-
VI
VoRWoRT
haltezuruumlckgegriffenwerdendiedann inderFachredaktionnochmals konzentriert und reduziert wurden um den Cha-rakterdesUumlberblickszuschaffenThemendienochnichtbe-schrieben wurden wurden neu verfasst Das Ergebnis ist ein
KonzentratausgeballtemWissenvonuumlber50FachautorenderPflegeszene
Wir wuumlnschen Ihnen viel Erfolg bei der Arbeit mit diesemBuch
VII
MitarbeiterverzeichnisGundulaGeist
KrankenschwesterPraxisanleiterin
KinaestheticsTrainerin
Ilsebaumlumen10
32469Petershagen
FelixHahn
BScAugenoptikundHoumlrakustik
HahnOptik+Akustik
HeilbronnerStr47
74211Leingarten
DrmedDominikvonHayek
FacharztfuumlrAllgemeinmedizinundGeriatrie
Konradinstr6b
81543Muumlnchen
HuumllyaHeinen
StaatlichanerkannteKrankenschwesterfuumlrLeitungsfunktionen
inEinrichtungenderPflegeimGesundheits-undSozialwesen
QualitaumltsauditorinTUumlV(PersCert)
TQM-CoachTQMCTUumlVEFQMAssessorTUumlV
TrainerinundDozentinimGesundheitswesen
FachkraftfuumlrArbeitssicherheit(SiFa)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
WernerHeinen
FachwirtfuumlrFinanzberatung(IHK)
zertifizierterSachverstaumlndiger(BDSH)fuumlr
Immobilien-undUnternehmensbewertungen
UnternehmensberaterfuumlrWirtschaftundSoziales
PersonalberaterimGesundheitswesen
Datenschutzbeauftragter(IHK)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
AnjaHeiszligenberg
Krankenschwester
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
AkademiefuumlrPflegeberufe
SanaKlinikumOffenbachGmbH
Starkenburgring66
63069OffenbachamMain
WalterHell
DirektordesAmtsgerichts
Schlossplatz9
86551Aichach
ProfLotteKaba-Schoumlnstein
DiplSozialwirtinDiplSozpaumld
HochschuleEsslingen
Flandernstr101
73732Esslingen
DrmedSusanneAndreae
niedergelasseneFachaumlrztinfuumlrAllgemeinmedizin
DozentinanKrankenpflegeschulen
aumlrztlicheBeisitzerinderGutachterkommissionLandesaumlrzte-
kammerSuumldbaden
LehrbeauftragtefuumlrAllgemeinmedizinanderUniversitaumltFreiburg
Laumlrchenweg26
78713Schramberg
ProfDrSabineBartholomeyczik
FakultaumltfuumlrGesundheitDepartmentfuumlrPflegewissenschaft
UniversitaumltWittenHerdecke
StockumerStr12
58453Witten
RenateBerner
KrankenschwesterDipl-Pflegewirtin(FH)
Max-Kirschner-Straszlige13
85126Muumlnchsmuumlnster
SiegfriedCharlier
Dipl-PaumldagogeDipl-Supervisor(DGSv)
AufdemKorb58a
51789Lindlar
EvaEissing
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
SozialwissenschaftlerinBA
ImSteelerRott22
45276Essen
DrphilBaumlrbelEkert
Dipl-PsychologinTheologin
Moumlrikestr13
72532Gomadingen
ProfDrMichaelEwersMPH
ChariteacuteUniversitaumltsmedizinBerlin
InstitutfuumlrGesundheits-undPflegewissenschaft
CampusVirchowKlinikum
AugustenburgerPlatz1
13353Berlin
DrphilRenateFischer
KrankenschwestermitFachweiterbildungfuumlrEndoskopie
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
SchulefuumlrGesundheits-undKrankenpflege
KatholischesKlinikumKoblenzndashMontabaur
Thielenstr13
56073Koblenz
MichaelaFlechsenberger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
stellvLeitungdesGesundheits-undBildungszentrumsOberberg
Barbarastr8
57548Kirchen(Sieg)
VIII
MITARBEITERVERzEICHNIS
OlafKirschnick
LehrerfuumlrPflegeberufeundEntbindungspflege
Lehrrettungsassistent
PraumldikantEvangKirchendashBaden
LeiterndashBildungszentrumbdquoGesundheitundPflegeldquo
amKrankenhausTauberbischofsheim
Albert-Schweitzer-Straszlige35
97941Tauberbischofsheim
MargareteKlimek
Krankenschwester
LehrerinfuumlrKrankenpflege-Kinderkrankenpflege-und
Altenpflegeberufe
TheologReferentin
Kastanienstr76
58332Schwelm
UrsulaKocs
Dipl-Psychologin
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
derDiakonie-Stiftung-Salem
Johannesstr6
32423Minden
DrrercurAnnetteLauber
Pflegewissenschaftlerin(MSc)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Irmgard-Bosch-Bildungszentrum
Auerbachstraszlige110
70376Stuttgart
SusanneMettrop
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
DiplPflegegutachterin(IBW)
Bitzenweg15a
51789Waldbroumll
MartinaMetzger
LehrerinfuumlrPflegeberufe
Eichenweg1
71134Aidlingen
GerlindeNowak
SozialpaumldagoginTrainerinfuumlrKommunikationundModeration
ImGrashof4
51789Lindlar
PeterNydahl
KrankenpflegerPraxisanleiterMScN
Kurs-undWeiterbildungsleiterfuumlr
BasaleStimulationinderPflege
PflegeexpertefuumlrMenschenimWachkoma
Sternstr2
24116Kiel
DrmedKlausMariaPerrar
FacharztfuumlrPsychiatriePsychotherapiePalliativmedizin
ZentrumfuumlrPalliativmedizinDrMildredScheelHaus
UniklinikKoumlln
Kerpenerstr62
50937Koumlln
JohannePlescher-Kramer
KrankenschwesterFachkrankenschwesterfuumlr
AnaumlsthesieuIntensivpflegeWundexpertin(ICW)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
DrrernatAntoniePost
Dipl-Ernaumlhrungswissenschaftlerin
Lutherstraszlige20
71576Burgstetten
BrigitteSachsenmaier
LehrerinfuumlrPflegeberufeStomatherapeutin
Ziegelstr42
73084Salach
SabineSappke-Heuser
Juristin
Klosterberg3
53804Much
AndreasSchilde
StaatlichanerkannterAltenpflegerundTQM-Beauftragter
Goldhaumlhnchenweg19
12359Berlin
PDDrhabilAndreasSchwarzkopf
FacharztfuumlrMikrobiologieundInfektionsepidemiologie
SachverstaumlndigerKrankenhaushygiene
InstitutSchwarzkopfGbR
Otto-von-Bamberg-Str10
99717AuraanderSaale
GabrieleSteinhaumluszliger
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Friedrichstr22
73614Schorndorf
RuthUessem
LehrerinfuumlrPflegeberufeQMB
stellvLeitung
AkademieGesundheitswirtschaftundSenioren
desOberbergischenKreises
Lebrechtstr27
51643Gummersbach
JuttaWeniger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Herdstr161
78050Villingen-Schwenningen
IX
MITARBEITERVERzEICHNIS
GuumlnterBaier
Dipl-Verwaltungswirt
ResperGasse17
51674Wiehl
ChristineBaumlumler
Sport-undGymnastiklehrerin
Kinaesthetics-Trainerin
TrainerinfuumlrSturzpraumlvention
Fliederweg13
73116Waumlschenbeuren
SieglindeDenzel
Dipl-Psychologin
Martinsberg14
78564ReichenbachamHeuberg
ChristianeEkertdagger
Dipl-Psychologin
Robert-Leicht-Str141b
70569Stuttgart
ChristinevonEltzdagger
Hagenstr7
31655Stadthagen
DrphilUrsulaGeiszligner
emProfessorinfuumlrFuumlhrungslehreundOrganisation
Feldbergstr5
79247Maumlrgen
ElseGnamm
AltenpflegerinLehrerinfuumlrAltenpflege
Schubertstr21
72800Eningen
MichaelHaas
KrankenpflegerDipl-Pflegepaumldagoge(FH)
DiakonieStiftungSalemgGmbH
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
Fachseminarleiter
Johansenstr6
32432Minden
AstridHammer
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
StaatlanerkannteSchulefuumlrGesundheits-und
KrankenpflegeundKrankenpflegehilfe
UniversitaumltsmedizinderJohannesGutenberg-UniversitaumltMainz
AmPulverturm13
55101Mainz
HenryKieschnick
Dipl-Pflegewirt(FH)
KulmerWeg3
30659Hannover
AndreasKutschkeBScN
KrankenpflegerfuumlrGeriatrischeRehabilitation
AbteilungQualitaumltsmanagementundPflegeberatung
StaumldtischeSeniorenheimeKrefeldgGmbH
De-Greiff-Str194
47803Krefeld
RainerOchel
Dipl-Verwaltungswirt
AmStockweg7
51645Gummersbach
UrsulaPfaumlfflin-Muumlllenhoff
UPfMAltenpflegerinLehrerinfuumlrGrund-undHauptschule
DozentininderAltenpflegeausbildung
Religionspaumldagogin
AmRennerweiher3
90562Heroldsberg
HartmutRolf
LehrerfuumlrPflegeberufe(Diplom)
BerufsfachschulefuumlrAltenpflege
Diakonisches-InstitutDr-Alfred-Schwab-Platz1
73033Goumlppingen
JoachimScholz
LehrerfuumlrPflegeberufePflegedienstleiter
Wiesenstr8
51766Engelskirchen
SilkeSchoolmann
Dipl-Paumldagogin(FH)
Gartenfeldstr12
55118Mainz
HanneloreSeibold
KrankenschwesterDipl-Sozialpaumldagogin
Manchesterstr36
33604Bielefeld
BirteStaumlhrmann
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Kommunikationswirtin
EvangDiakonissenanstaltStuttgart
Rosenbergstraszlige40
70176Stuttgart
RaimundStollbergdagger
Dipl-SozialarbeiterDipl-Gerontologe
Hauptstr36a
51519Odenthal
Mitarbeiter der vorigen Auflagen
XI
Inhaltsverzeichnis
Lernbereich 1 AufgabenundKonzepteinderAltenpflege
11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
111 Alter Gesundheit Krankheit Behinderung und Pflegebeduumlrftigkeit 2
WasistAlter 2
WelcheAltersmodellegibtes 3
PhysiologischeAlterungsprozesse 4
AlteralsLebensphaseundalsProzess 7
WelcheModellevonGesundheit
undKrankheitgibtes 8
WasbedeutenBehinderungundPflegebeduumlrftigkeit 10
112 Konzepte Modelle und Theorien der Pflege 11
WassindKonzepteModelleundTheorien 11
113 Handlungsrelevanz von Konzepten und Modellen der Pflege anhand konkreter Pflegesituationen 14
WasistprofessionellePflege 14
WiewerdenTheorienentwickelt 15
FoumlrderndeProzesspflegenachKrohwinkel 18
RoperLoganundTierneyndash
DieElementederKrankenpflege 20
PflegemodellvonOrem 22
AnwendungwissenschaftlicherErkenntnisse
inderPraxis 24
114 Pflegeforschung und Umsetzung von Forschungsergebnissen 25
WasistPflegeforschung 25
GeschichtlicheEntwicklungderPflegeforschung 26
Forschungsansaumltze 27
Forschungsdesigns 28
SchrittedesForschungsprozesses 30
PraktischeAnwendungderPflegeforschung 32
115 Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention 34
PraumlventionundGesundheitsfoumlrderung 34
116 Rehabilitation 38
WasistRehabilitation 38
WasistgeriatrischeRehabilitation 39
AufgabeundZielederPflegeinderRehabilitation 40
LeistungenundLeistungstraumlgerderRehabilitation 44
117 Biografiearbeit 45
PraumlgungdurchdieBiografie 45
LebensgeschichteundAltenpflege 46
BiografischeHaltungimPflegealltag 47
Biografiearbeitundbiografisch
orientiertePflegeplanung 48
ErhebungbiografischerInformationen
undDatenschutz 50
PsychobiografischesModellnachBoumlhm 51
Altersbilder 52
118 Pflegerelevante Grundlagen der Ethik 53
Menschenbilder 53
VorstellungenvomAltseinundvonaltenMenschen 54
EthischeGrundrichtungenundPrinzipien 56
WerteorientierteberuflicheBeziehungsgestaltung 59
12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
121 Wahrnehmung und Beobachtung 61
WasistWahrnehmung 61
BeeinflussungderWahrnehmung 64
WasistBeobachtung 66
BedeutungderBeobachtunginderPflege 70
122 Pflegeprozess 72
WasistderPflegeprozess 72
123 Pflegediagnostik 74
Informationssammlung 74
ErkennenvonPflegeproblemenundRessourcen 76
WassindPflegediagnosen 78
ArtenvonPflegediagnosen 79
KlassifikationvonPflegediagnosen 80
Assessmentinstrumente 81
124 Planung Durchfuumlhrung und Evaluation der Pflege 84
WiewerdenPflegezielegeplant 84
PlanungundDurchfuumlhrungderPflegemaszlignahmen 85
WassindPflegestandards 88
WiewirdPflegeevaluiert 90
Pflegevisite 91
125 Grenzen der Pflegeplanung 93
126 Pflegedokumentation EDV 94
InstrumentderPflegendashPflegedokumentation 94
EDV-SystemezurPflegedokumentation 97
ProgrammeinderAltenpflege 98
DigitaleLernmittel 100
Datenschutz 101
127 Pflegeuumlberleitung und Case Management 102
PflegeuumlberleitungundEntlassungsmanagement 102
Schnittstellenmanagement 105
CaseManagement 107
13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
131 Pflegerelevante Grundlagen 110
EinfuumlhrungindieAnatomieundPhysiologie 110
EinfuumlhrungindieGeriatrie 117
EinfuumlhrungindieGerontopsychiatrie 119
EinfuumlhrungindiePsychologie 121
EinfuumlhrungindieArzneimittellehre(Pharmakologie) 123
EinfuumlhrungindieHygiene 127
EinfuumlhrungindieErnaumlhrungslehre 132
1
XII
INHALTSVERzEICHNIS
132 Unterstuumltzung alter Menschen bei der Selbstpflege 140
Sichbewegenkoumlnnen 140
Sichpflegenkoumlnnen 148
Sichkleidenkoumlnnen 163
Essenundtrinkenkoumlnnen 169
Ausscheidenkoumlnnen 177
Ruhenschlafenundsichentspannenkoumlnnen 189
Fuumlreinesichereundfoumlrdernde
Umgebungsorgenkoumlnnen 196
MitexistenziellenErfahrungendes
Lebensumgehenkoumlnnen 200
133 Unterstuumltzung alter Menschen bei praumlventiven und rehab Maszlignahmen 204
ProphylaxenundPraumlvention 204
Dekubitusprophylaxe 205
Pneumonieprophylaxe 211
Thromboseprophylaxe 215
Sturzprophylaxe 220
Kontrakturenprophylaxe 229
Zystitisprophylaxe 231
Obstipationsprophylaxe 233
ProphylaxevonMundschleimhautveraumlnderungen 234
Kontinenzfoumlrderung 236
134 Mitwirkung bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Rehakonzepten 240
Kinaesthetics 240
BasaleStimulation 246
Realitaumltsorientierungstraining 251
Gedaumlchtnistraining 252
Validation 254
Snoezelen 257
Selbsterhaltungstherapie 258
10-Minuten-Aktivierung 259
135 Umgang mit Hilfsmitteln und Prothesen 260
GehhilfenundRollstuumlhle 260
AugenprothesenundKontaktlinsen 262
Houmlrsysteme 263
136 PaM mit eingeschraumlnkter Funktion von Sinnesorganen 264
ErkrankungendesAuges 264
Houmlrstoumlrungen 268
137 Pflege alter Menschen mit Behinderungen 272
AlteMenschenmitBehinderungen 272
138 Pflege alter Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen 274
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderHaut 274
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBewegungsapparates 289
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderAtmungsorgane 309
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHerz-Kreislauf-Systems 324
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBlut-undLymphsystems 349
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desStoffwechsels 356
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHormonsystems 358
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desVerdauungstraktes 370
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derNiereundHarnwege 395
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derGeschlechtsorgane 405
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desNervensystems 416
139 Pflege infektionskranker alter Menschen 436
InfektionsketteundInfektionserreger 436
Infektionskrankheiten 439
MRSAndashDerProblemkeim 443
1310 Pflege multimorbider alter Menschen 445
MultimorbidealteMenschen 445
1311 Pflege alter Menschen mit chronischen Schmerzen 448
AlteMenschenmitSchmerzen 448
1312 Pflege dementer und gerontopsychiatrisch veraumlnderter alter Menschen 457
VerwirrtheitszustaumlndealterMenschen 457
DemenzielleErkrankungen 459
DepressionbeialtenMenschen 473
SuizidhandlungenalterMenschen 478
1313 Pflege alter Menschen mit Suchtproblemen 481
SuchtbeialtenMenschen 481
1314 Pflege schwerstkranker und sterbender alter Menschen 484
Unterstuumltzungschwerstkrankerund
sterbenderMenschenbei
spezifischenProblemenundBeduumlrfnissen 484
UmfelddesSterbendenunddieBegleitung
derAngehoumlrigen 487
1315 Handeln in Notfaumlllen erste Hilfe 488
WassindNotfallsituationen 488
WieverhalteichmichinNotfallsituationen 489
NotfallspezifischeErste-Hilfe-Maszlignahmen 493
14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
141 Kommunikation und Gespraumlchsfuumlhrung 499
WiefunktioniertKommunikation 499
WievermeideichKommunikationsstoumlrungen 506
KommunikationundPflege 510
WasistklientenzentrierteGespraumlchsfuumlhrung 513
TechnikderGespraumlchsfuumlhrung 515
WelcheVoruumlberlegungenmuumlssen
fuumlrGespraumlchegetroffenwerden 517
WelcheGespraumlchsartengibtes 521
142 Beratung und Anleitung alter Menschen 526
ZieleundInhaltederBeratung 526
PrinzipienundMethodenderBeratung 528
BeratunginderPflege 530
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
VI
VoRWoRT
haltezuruumlckgegriffenwerdendiedann inderFachredaktionnochmals konzentriert und reduziert wurden um den Cha-rakterdesUumlberblickszuschaffenThemendienochnichtbe-schrieben wurden wurden neu verfasst Das Ergebnis ist ein
KonzentratausgeballtemWissenvonuumlber50FachautorenderPflegeszene
Wir wuumlnschen Ihnen viel Erfolg bei der Arbeit mit diesemBuch
VII
MitarbeiterverzeichnisGundulaGeist
KrankenschwesterPraxisanleiterin
KinaestheticsTrainerin
Ilsebaumlumen10
32469Petershagen
FelixHahn
BScAugenoptikundHoumlrakustik
HahnOptik+Akustik
HeilbronnerStr47
74211Leingarten
DrmedDominikvonHayek
FacharztfuumlrAllgemeinmedizinundGeriatrie
Konradinstr6b
81543Muumlnchen
HuumllyaHeinen
StaatlichanerkannteKrankenschwesterfuumlrLeitungsfunktionen
inEinrichtungenderPflegeimGesundheits-undSozialwesen
QualitaumltsauditorinTUumlV(PersCert)
TQM-CoachTQMCTUumlVEFQMAssessorTUumlV
TrainerinundDozentinimGesundheitswesen
FachkraftfuumlrArbeitssicherheit(SiFa)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
WernerHeinen
FachwirtfuumlrFinanzberatung(IHK)
zertifizierterSachverstaumlndiger(BDSH)fuumlr
Immobilien-undUnternehmensbewertungen
UnternehmensberaterfuumlrWirtschaftundSoziales
PersonalberaterimGesundheitswesen
Datenschutzbeauftragter(IHK)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
AnjaHeiszligenberg
Krankenschwester
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
AkademiefuumlrPflegeberufe
SanaKlinikumOffenbachGmbH
Starkenburgring66
63069OffenbachamMain
WalterHell
DirektordesAmtsgerichts
Schlossplatz9
86551Aichach
ProfLotteKaba-Schoumlnstein
DiplSozialwirtinDiplSozpaumld
HochschuleEsslingen
Flandernstr101
73732Esslingen
DrmedSusanneAndreae
niedergelasseneFachaumlrztinfuumlrAllgemeinmedizin
DozentinanKrankenpflegeschulen
aumlrztlicheBeisitzerinderGutachterkommissionLandesaumlrzte-
kammerSuumldbaden
LehrbeauftragtefuumlrAllgemeinmedizinanderUniversitaumltFreiburg
Laumlrchenweg26
78713Schramberg
ProfDrSabineBartholomeyczik
FakultaumltfuumlrGesundheitDepartmentfuumlrPflegewissenschaft
UniversitaumltWittenHerdecke
StockumerStr12
58453Witten
RenateBerner
KrankenschwesterDipl-Pflegewirtin(FH)
Max-Kirschner-Straszlige13
85126Muumlnchsmuumlnster
SiegfriedCharlier
Dipl-PaumldagogeDipl-Supervisor(DGSv)
AufdemKorb58a
51789Lindlar
EvaEissing
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
SozialwissenschaftlerinBA
ImSteelerRott22
45276Essen
DrphilBaumlrbelEkert
Dipl-PsychologinTheologin
Moumlrikestr13
72532Gomadingen
ProfDrMichaelEwersMPH
ChariteacuteUniversitaumltsmedizinBerlin
InstitutfuumlrGesundheits-undPflegewissenschaft
CampusVirchowKlinikum
AugustenburgerPlatz1
13353Berlin
DrphilRenateFischer
KrankenschwestermitFachweiterbildungfuumlrEndoskopie
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
SchulefuumlrGesundheits-undKrankenpflege
KatholischesKlinikumKoblenzndashMontabaur
Thielenstr13
56073Koblenz
MichaelaFlechsenberger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
stellvLeitungdesGesundheits-undBildungszentrumsOberberg
Barbarastr8
57548Kirchen(Sieg)
VIII
MITARBEITERVERzEICHNIS
OlafKirschnick
LehrerfuumlrPflegeberufeundEntbindungspflege
Lehrrettungsassistent
PraumldikantEvangKirchendashBaden
LeiterndashBildungszentrumbdquoGesundheitundPflegeldquo
amKrankenhausTauberbischofsheim
Albert-Schweitzer-Straszlige35
97941Tauberbischofsheim
MargareteKlimek
Krankenschwester
LehrerinfuumlrKrankenpflege-Kinderkrankenpflege-und
Altenpflegeberufe
TheologReferentin
Kastanienstr76
58332Schwelm
UrsulaKocs
Dipl-Psychologin
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
derDiakonie-Stiftung-Salem
Johannesstr6
32423Minden
DrrercurAnnetteLauber
Pflegewissenschaftlerin(MSc)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Irmgard-Bosch-Bildungszentrum
Auerbachstraszlige110
70376Stuttgart
SusanneMettrop
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
DiplPflegegutachterin(IBW)
Bitzenweg15a
51789Waldbroumll
MartinaMetzger
LehrerinfuumlrPflegeberufe
Eichenweg1
71134Aidlingen
GerlindeNowak
SozialpaumldagoginTrainerinfuumlrKommunikationundModeration
ImGrashof4
51789Lindlar
PeterNydahl
KrankenpflegerPraxisanleiterMScN
Kurs-undWeiterbildungsleiterfuumlr
BasaleStimulationinderPflege
PflegeexpertefuumlrMenschenimWachkoma
Sternstr2
24116Kiel
DrmedKlausMariaPerrar
FacharztfuumlrPsychiatriePsychotherapiePalliativmedizin
ZentrumfuumlrPalliativmedizinDrMildredScheelHaus
UniklinikKoumlln
Kerpenerstr62
50937Koumlln
JohannePlescher-Kramer
KrankenschwesterFachkrankenschwesterfuumlr
AnaumlsthesieuIntensivpflegeWundexpertin(ICW)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
DrrernatAntoniePost
Dipl-Ernaumlhrungswissenschaftlerin
Lutherstraszlige20
71576Burgstetten
BrigitteSachsenmaier
LehrerinfuumlrPflegeberufeStomatherapeutin
Ziegelstr42
73084Salach
SabineSappke-Heuser
Juristin
Klosterberg3
53804Much
AndreasSchilde
StaatlichanerkannterAltenpflegerundTQM-Beauftragter
Goldhaumlhnchenweg19
12359Berlin
PDDrhabilAndreasSchwarzkopf
FacharztfuumlrMikrobiologieundInfektionsepidemiologie
SachverstaumlndigerKrankenhaushygiene
InstitutSchwarzkopfGbR
Otto-von-Bamberg-Str10
99717AuraanderSaale
GabrieleSteinhaumluszliger
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Friedrichstr22
73614Schorndorf
RuthUessem
LehrerinfuumlrPflegeberufeQMB
stellvLeitung
AkademieGesundheitswirtschaftundSenioren
desOberbergischenKreises
Lebrechtstr27
51643Gummersbach
JuttaWeniger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Herdstr161
78050Villingen-Schwenningen
IX
MITARBEITERVERzEICHNIS
GuumlnterBaier
Dipl-Verwaltungswirt
ResperGasse17
51674Wiehl
ChristineBaumlumler
Sport-undGymnastiklehrerin
Kinaesthetics-Trainerin
TrainerinfuumlrSturzpraumlvention
Fliederweg13
73116Waumlschenbeuren
SieglindeDenzel
Dipl-Psychologin
Martinsberg14
78564ReichenbachamHeuberg
ChristianeEkertdagger
Dipl-Psychologin
Robert-Leicht-Str141b
70569Stuttgart
ChristinevonEltzdagger
Hagenstr7
31655Stadthagen
DrphilUrsulaGeiszligner
emProfessorinfuumlrFuumlhrungslehreundOrganisation
Feldbergstr5
79247Maumlrgen
ElseGnamm
AltenpflegerinLehrerinfuumlrAltenpflege
Schubertstr21
72800Eningen
MichaelHaas
KrankenpflegerDipl-Pflegepaumldagoge(FH)
DiakonieStiftungSalemgGmbH
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
Fachseminarleiter
Johansenstr6
32432Minden
AstridHammer
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
StaatlanerkannteSchulefuumlrGesundheits-und
KrankenpflegeundKrankenpflegehilfe
UniversitaumltsmedizinderJohannesGutenberg-UniversitaumltMainz
AmPulverturm13
55101Mainz
HenryKieschnick
Dipl-Pflegewirt(FH)
KulmerWeg3
30659Hannover
AndreasKutschkeBScN
KrankenpflegerfuumlrGeriatrischeRehabilitation
AbteilungQualitaumltsmanagementundPflegeberatung
StaumldtischeSeniorenheimeKrefeldgGmbH
De-Greiff-Str194
47803Krefeld
RainerOchel
Dipl-Verwaltungswirt
AmStockweg7
51645Gummersbach
UrsulaPfaumlfflin-Muumlllenhoff
UPfMAltenpflegerinLehrerinfuumlrGrund-undHauptschule
DozentininderAltenpflegeausbildung
Religionspaumldagogin
AmRennerweiher3
90562Heroldsberg
HartmutRolf
LehrerfuumlrPflegeberufe(Diplom)
BerufsfachschulefuumlrAltenpflege
Diakonisches-InstitutDr-Alfred-Schwab-Platz1
73033Goumlppingen
JoachimScholz
LehrerfuumlrPflegeberufePflegedienstleiter
Wiesenstr8
51766Engelskirchen
SilkeSchoolmann
Dipl-Paumldagogin(FH)
Gartenfeldstr12
55118Mainz
HanneloreSeibold
KrankenschwesterDipl-Sozialpaumldagogin
Manchesterstr36
33604Bielefeld
BirteStaumlhrmann
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Kommunikationswirtin
EvangDiakonissenanstaltStuttgart
Rosenbergstraszlige40
70176Stuttgart
RaimundStollbergdagger
Dipl-SozialarbeiterDipl-Gerontologe
Hauptstr36a
51519Odenthal
Mitarbeiter der vorigen Auflagen
XI
Inhaltsverzeichnis
Lernbereich 1 AufgabenundKonzepteinderAltenpflege
11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
111 Alter Gesundheit Krankheit Behinderung und Pflegebeduumlrftigkeit 2
WasistAlter 2
WelcheAltersmodellegibtes 3
PhysiologischeAlterungsprozesse 4
AlteralsLebensphaseundalsProzess 7
WelcheModellevonGesundheit
undKrankheitgibtes 8
WasbedeutenBehinderungundPflegebeduumlrftigkeit 10
112 Konzepte Modelle und Theorien der Pflege 11
WassindKonzepteModelleundTheorien 11
113 Handlungsrelevanz von Konzepten und Modellen der Pflege anhand konkreter Pflegesituationen 14
WasistprofessionellePflege 14
WiewerdenTheorienentwickelt 15
FoumlrderndeProzesspflegenachKrohwinkel 18
RoperLoganundTierneyndash
DieElementederKrankenpflege 20
PflegemodellvonOrem 22
AnwendungwissenschaftlicherErkenntnisse
inderPraxis 24
114 Pflegeforschung und Umsetzung von Forschungsergebnissen 25
WasistPflegeforschung 25
GeschichtlicheEntwicklungderPflegeforschung 26
Forschungsansaumltze 27
Forschungsdesigns 28
SchrittedesForschungsprozesses 30
PraktischeAnwendungderPflegeforschung 32
115 Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention 34
PraumlventionundGesundheitsfoumlrderung 34
116 Rehabilitation 38
WasistRehabilitation 38
WasistgeriatrischeRehabilitation 39
AufgabeundZielederPflegeinderRehabilitation 40
LeistungenundLeistungstraumlgerderRehabilitation 44
117 Biografiearbeit 45
PraumlgungdurchdieBiografie 45
LebensgeschichteundAltenpflege 46
BiografischeHaltungimPflegealltag 47
Biografiearbeitundbiografisch
orientiertePflegeplanung 48
ErhebungbiografischerInformationen
undDatenschutz 50
PsychobiografischesModellnachBoumlhm 51
Altersbilder 52
118 Pflegerelevante Grundlagen der Ethik 53
Menschenbilder 53
VorstellungenvomAltseinundvonaltenMenschen 54
EthischeGrundrichtungenundPrinzipien 56
WerteorientierteberuflicheBeziehungsgestaltung 59
12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
121 Wahrnehmung und Beobachtung 61
WasistWahrnehmung 61
BeeinflussungderWahrnehmung 64
WasistBeobachtung 66
BedeutungderBeobachtunginderPflege 70
122 Pflegeprozess 72
WasistderPflegeprozess 72
123 Pflegediagnostik 74
Informationssammlung 74
ErkennenvonPflegeproblemenundRessourcen 76
WassindPflegediagnosen 78
ArtenvonPflegediagnosen 79
KlassifikationvonPflegediagnosen 80
Assessmentinstrumente 81
124 Planung Durchfuumlhrung und Evaluation der Pflege 84
WiewerdenPflegezielegeplant 84
PlanungundDurchfuumlhrungderPflegemaszlignahmen 85
WassindPflegestandards 88
WiewirdPflegeevaluiert 90
Pflegevisite 91
125 Grenzen der Pflegeplanung 93
126 Pflegedokumentation EDV 94
InstrumentderPflegendashPflegedokumentation 94
EDV-SystemezurPflegedokumentation 97
ProgrammeinderAltenpflege 98
DigitaleLernmittel 100
Datenschutz 101
127 Pflegeuumlberleitung und Case Management 102
PflegeuumlberleitungundEntlassungsmanagement 102
Schnittstellenmanagement 105
CaseManagement 107
13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
131 Pflegerelevante Grundlagen 110
EinfuumlhrungindieAnatomieundPhysiologie 110
EinfuumlhrungindieGeriatrie 117
EinfuumlhrungindieGerontopsychiatrie 119
EinfuumlhrungindiePsychologie 121
EinfuumlhrungindieArzneimittellehre(Pharmakologie) 123
EinfuumlhrungindieHygiene 127
EinfuumlhrungindieErnaumlhrungslehre 132
1
XII
INHALTSVERzEICHNIS
132 Unterstuumltzung alter Menschen bei der Selbstpflege 140
Sichbewegenkoumlnnen 140
Sichpflegenkoumlnnen 148
Sichkleidenkoumlnnen 163
Essenundtrinkenkoumlnnen 169
Ausscheidenkoumlnnen 177
Ruhenschlafenundsichentspannenkoumlnnen 189
Fuumlreinesichereundfoumlrdernde
Umgebungsorgenkoumlnnen 196
MitexistenziellenErfahrungendes
Lebensumgehenkoumlnnen 200
133 Unterstuumltzung alter Menschen bei praumlventiven und rehab Maszlignahmen 204
ProphylaxenundPraumlvention 204
Dekubitusprophylaxe 205
Pneumonieprophylaxe 211
Thromboseprophylaxe 215
Sturzprophylaxe 220
Kontrakturenprophylaxe 229
Zystitisprophylaxe 231
Obstipationsprophylaxe 233
ProphylaxevonMundschleimhautveraumlnderungen 234
Kontinenzfoumlrderung 236
134 Mitwirkung bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Rehakonzepten 240
Kinaesthetics 240
BasaleStimulation 246
Realitaumltsorientierungstraining 251
Gedaumlchtnistraining 252
Validation 254
Snoezelen 257
Selbsterhaltungstherapie 258
10-Minuten-Aktivierung 259
135 Umgang mit Hilfsmitteln und Prothesen 260
GehhilfenundRollstuumlhle 260
AugenprothesenundKontaktlinsen 262
Houmlrsysteme 263
136 PaM mit eingeschraumlnkter Funktion von Sinnesorganen 264
ErkrankungendesAuges 264
Houmlrstoumlrungen 268
137 Pflege alter Menschen mit Behinderungen 272
AlteMenschenmitBehinderungen 272
138 Pflege alter Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen 274
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderHaut 274
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBewegungsapparates 289
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderAtmungsorgane 309
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHerz-Kreislauf-Systems 324
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBlut-undLymphsystems 349
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desStoffwechsels 356
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHormonsystems 358
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desVerdauungstraktes 370
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derNiereundHarnwege 395
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derGeschlechtsorgane 405
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desNervensystems 416
139 Pflege infektionskranker alter Menschen 436
InfektionsketteundInfektionserreger 436
Infektionskrankheiten 439
MRSAndashDerProblemkeim 443
1310 Pflege multimorbider alter Menschen 445
MultimorbidealteMenschen 445
1311 Pflege alter Menschen mit chronischen Schmerzen 448
AlteMenschenmitSchmerzen 448
1312 Pflege dementer und gerontopsychiatrisch veraumlnderter alter Menschen 457
VerwirrtheitszustaumlndealterMenschen 457
DemenzielleErkrankungen 459
DepressionbeialtenMenschen 473
SuizidhandlungenalterMenschen 478
1313 Pflege alter Menschen mit Suchtproblemen 481
SuchtbeialtenMenschen 481
1314 Pflege schwerstkranker und sterbender alter Menschen 484
Unterstuumltzungschwerstkrankerund
sterbenderMenschenbei
spezifischenProblemenundBeduumlrfnissen 484
UmfelddesSterbendenunddieBegleitung
derAngehoumlrigen 487
1315 Handeln in Notfaumlllen erste Hilfe 488
WassindNotfallsituationen 488
WieverhalteichmichinNotfallsituationen 489
NotfallspezifischeErste-Hilfe-Maszlignahmen 493
14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
141 Kommunikation und Gespraumlchsfuumlhrung 499
WiefunktioniertKommunikation 499
WievermeideichKommunikationsstoumlrungen 506
KommunikationundPflege 510
WasistklientenzentrierteGespraumlchsfuumlhrung 513
TechnikderGespraumlchsfuumlhrung 515
WelcheVoruumlberlegungenmuumlssen
fuumlrGespraumlchegetroffenwerden 517
WelcheGespraumlchsartengibtes 521
142 Beratung und Anleitung alter Menschen 526
ZieleundInhaltederBeratung 526
PrinzipienundMethodenderBeratung 528
BeratunginderPflege 530
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
VII
MitarbeiterverzeichnisGundulaGeist
KrankenschwesterPraxisanleiterin
KinaestheticsTrainerin
Ilsebaumlumen10
32469Petershagen
FelixHahn
BScAugenoptikundHoumlrakustik
HahnOptik+Akustik
HeilbronnerStr47
74211Leingarten
DrmedDominikvonHayek
FacharztfuumlrAllgemeinmedizinundGeriatrie
Konradinstr6b
81543Muumlnchen
HuumllyaHeinen
StaatlichanerkannteKrankenschwesterfuumlrLeitungsfunktionen
inEinrichtungenderPflegeimGesundheits-undSozialwesen
QualitaumltsauditorinTUumlV(PersCert)
TQM-CoachTQMCTUumlVEFQMAssessorTUumlV
TrainerinundDozentinimGesundheitswesen
FachkraftfuumlrArbeitssicherheit(SiFa)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
WernerHeinen
FachwirtfuumlrFinanzberatung(IHK)
zertifizierterSachverstaumlndiger(BDSH)fuumlr
Immobilien-undUnternehmensbewertungen
UnternehmensberaterfuumlrWirtschaftundSoziales
PersonalberaterimGesundheitswesen
Datenschutzbeauftragter(IHK)
GroszligmachnowerStr79
15834Rangsdorf
AnjaHeiszligenberg
Krankenschwester
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
AkademiefuumlrPflegeberufe
SanaKlinikumOffenbachGmbH
Starkenburgring66
63069OffenbachamMain
WalterHell
DirektordesAmtsgerichts
Schlossplatz9
86551Aichach
ProfLotteKaba-Schoumlnstein
DiplSozialwirtinDiplSozpaumld
HochschuleEsslingen
Flandernstr101
73732Esslingen
DrmedSusanneAndreae
niedergelasseneFachaumlrztinfuumlrAllgemeinmedizin
DozentinanKrankenpflegeschulen
aumlrztlicheBeisitzerinderGutachterkommissionLandesaumlrzte-
kammerSuumldbaden
LehrbeauftragtefuumlrAllgemeinmedizinanderUniversitaumltFreiburg
Laumlrchenweg26
78713Schramberg
ProfDrSabineBartholomeyczik
FakultaumltfuumlrGesundheitDepartmentfuumlrPflegewissenschaft
UniversitaumltWittenHerdecke
StockumerStr12
58453Witten
RenateBerner
KrankenschwesterDipl-Pflegewirtin(FH)
Max-Kirschner-Straszlige13
85126Muumlnchsmuumlnster
SiegfriedCharlier
Dipl-PaumldagogeDipl-Supervisor(DGSv)
AufdemKorb58a
51789Lindlar
EvaEissing
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
SozialwissenschaftlerinBA
ImSteelerRott22
45276Essen
DrphilBaumlrbelEkert
Dipl-PsychologinTheologin
Moumlrikestr13
72532Gomadingen
ProfDrMichaelEwersMPH
ChariteacuteUniversitaumltsmedizinBerlin
InstitutfuumlrGesundheits-undPflegewissenschaft
CampusVirchowKlinikum
AugustenburgerPlatz1
13353Berlin
DrphilRenateFischer
KrankenschwestermitFachweiterbildungfuumlrEndoskopie
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
SchulefuumlrGesundheits-undKrankenpflege
KatholischesKlinikumKoblenzndashMontabaur
Thielenstr13
56073Koblenz
MichaelaFlechsenberger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
stellvLeitungdesGesundheits-undBildungszentrumsOberberg
Barbarastr8
57548Kirchen(Sieg)
VIII
MITARBEITERVERzEICHNIS
OlafKirschnick
LehrerfuumlrPflegeberufeundEntbindungspflege
Lehrrettungsassistent
PraumldikantEvangKirchendashBaden
LeiterndashBildungszentrumbdquoGesundheitundPflegeldquo
amKrankenhausTauberbischofsheim
Albert-Schweitzer-Straszlige35
97941Tauberbischofsheim
MargareteKlimek
Krankenschwester
LehrerinfuumlrKrankenpflege-Kinderkrankenpflege-und
Altenpflegeberufe
TheologReferentin
Kastanienstr76
58332Schwelm
UrsulaKocs
Dipl-Psychologin
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
derDiakonie-Stiftung-Salem
Johannesstr6
32423Minden
DrrercurAnnetteLauber
Pflegewissenschaftlerin(MSc)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Irmgard-Bosch-Bildungszentrum
Auerbachstraszlige110
70376Stuttgart
SusanneMettrop
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
DiplPflegegutachterin(IBW)
Bitzenweg15a
51789Waldbroumll
MartinaMetzger
LehrerinfuumlrPflegeberufe
Eichenweg1
71134Aidlingen
GerlindeNowak
SozialpaumldagoginTrainerinfuumlrKommunikationundModeration
ImGrashof4
51789Lindlar
PeterNydahl
KrankenpflegerPraxisanleiterMScN
Kurs-undWeiterbildungsleiterfuumlr
BasaleStimulationinderPflege
PflegeexpertefuumlrMenschenimWachkoma
Sternstr2
24116Kiel
DrmedKlausMariaPerrar
FacharztfuumlrPsychiatriePsychotherapiePalliativmedizin
ZentrumfuumlrPalliativmedizinDrMildredScheelHaus
UniklinikKoumlln
Kerpenerstr62
50937Koumlln
JohannePlescher-Kramer
KrankenschwesterFachkrankenschwesterfuumlr
AnaumlsthesieuIntensivpflegeWundexpertin(ICW)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
DrrernatAntoniePost
Dipl-Ernaumlhrungswissenschaftlerin
Lutherstraszlige20
71576Burgstetten
BrigitteSachsenmaier
LehrerinfuumlrPflegeberufeStomatherapeutin
Ziegelstr42
73084Salach
SabineSappke-Heuser
Juristin
Klosterberg3
53804Much
AndreasSchilde
StaatlichanerkannterAltenpflegerundTQM-Beauftragter
Goldhaumlhnchenweg19
12359Berlin
PDDrhabilAndreasSchwarzkopf
FacharztfuumlrMikrobiologieundInfektionsepidemiologie
SachverstaumlndigerKrankenhaushygiene
InstitutSchwarzkopfGbR
Otto-von-Bamberg-Str10
99717AuraanderSaale
GabrieleSteinhaumluszliger
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Friedrichstr22
73614Schorndorf
RuthUessem
LehrerinfuumlrPflegeberufeQMB
stellvLeitung
AkademieGesundheitswirtschaftundSenioren
desOberbergischenKreises
Lebrechtstr27
51643Gummersbach
JuttaWeniger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Herdstr161
78050Villingen-Schwenningen
IX
MITARBEITERVERzEICHNIS
GuumlnterBaier
Dipl-Verwaltungswirt
ResperGasse17
51674Wiehl
ChristineBaumlumler
Sport-undGymnastiklehrerin
Kinaesthetics-Trainerin
TrainerinfuumlrSturzpraumlvention
Fliederweg13
73116Waumlschenbeuren
SieglindeDenzel
Dipl-Psychologin
Martinsberg14
78564ReichenbachamHeuberg
ChristianeEkertdagger
Dipl-Psychologin
Robert-Leicht-Str141b
70569Stuttgart
ChristinevonEltzdagger
Hagenstr7
31655Stadthagen
DrphilUrsulaGeiszligner
emProfessorinfuumlrFuumlhrungslehreundOrganisation
Feldbergstr5
79247Maumlrgen
ElseGnamm
AltenpflegerinLehrerinfuumlrAltenpflege
Schubertstr21
72800Eningen
MichaelHaas
KrankenpflegerDipl-Pflegepaumldagoge(FH)
DiakonieStiftungSalemgGmbH
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
Fachseminarleiter
Johansenstr6
32432Minden
AstridHammer
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
StaatlanerkannteSchulefuumlrGesundheits-und
KrankenpflegeundKrankenpflegehilfe
UniversitaumltsmedizinderJohannesGutenberg-UniversitaumltMainz
AmPulverturm13
55101Mainz
HenryKieschnick
Dipl-Pflegewirt(FH)
KulmerWeg3
30659Hannover
AndreasKutschkeBScN
KrankenpflegerfuumlrGeriatrischeRehabilitation
AbteilungQualitaumltsmanagementundPflegeberatung
StaumldtischeSeniorenheimeKrefeldgGmbH
De-Greiff-Str194
47803Krefeld
RainerOchel
Dipl-Verwaltungswirt
AmStockweg7
51645Gummersbach
UrsulaPfaumlfflin-Muumlllenhoff
UPfMAltenpflegerinLehrerinfuumlrGrund-undHauptschule
DozentininderAltenpflegeausbildung
Religionspaumldagogin
AmRennerweiher3
90562Heroldsberg
HartmutRolf
LehrerfuumlrPflegeberufe(Diplom)
BerufsfachschulefuumlrAltenpflege
Diakonisches-InstitutDr-Alfred-Schwab-Platz1
73033Goumlppingen
JoachimScholz
LehrerfuumlrPflegeberufePflegedienstleiter
Wiesenstr8
51766Engelskirchen
SilkeSchoolmann
Dipl-Paumldagogin(FH)
Gartenfeldstr12
55118Mainz
HanneloreSeibold
KrankenschwesterDipl-Sozialpaumldagogin
Manchesterstr36
33604Bielefeld
BirteStaumlhrmann
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Kommunikationswirtin
EvangDiakonissenanstaltStuttgart
Rosenbergstraszlige40
70176Stuttgart
RaimundStollbergdagger
Dipl-SozialarbeiterDipl-Gerontologe
Hauptstr36a
51519Odenthal
Mitarbeiter der vorigen Auflagen
XI
Inhaltsverzeichnis
Lernbereich 1 AufgabenundKonzepteinderAltenpflege
11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
111 Alter Gesundheit Krankheit Behinderung und Pflegebeduumlrftigkeit 2
WasistAlter 2
WelcheAltersmodellegibtes 3
PhysiologischeAlterungsprozesse 4
AlteralsLebensphaseundalsProzess 7
WelcheModellevonGesundheit
undKrankheitgibtes 8
WasbedeutenBehinderungundPflegebeduumlrftigkeit 10
112 Konzepte Modelle und Theorien der Pflege 11
WassindKonzepteModelleundTheorien 11
113 Handlungsrelevanz von Konzepten und Modellen der Pflege anhand konkreter Pflegesituationen 14
WasistprofessionellePflege 14
WiewerdenTheorienentwickelt 15
FoumlrderndeProzesspflegenachKrohwinkel 18
RoperLoganundTierneyndash
DieElementederKrankenpflege 20
PflegemodellvonOrem 22
AnwendungwissenschaftlicherErkenntnisse
inderPraxis 24
114 Pflegeforschung und Umsetzung von Forschungsergebnissen 25
WasistPflegeforschung 25
GeschichtlicheEntwicklungderPflegeforschung 26
Forschungsansaumltze 27
Forschungsdesigns 28
SchrittedesForschungsprozesses 30
PraktischeAnwendungderPflegeforschung 32
115 Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention 34
PraumlventionundGesundheitsfoumlrderung 34
116 Rehabilitation 38
WasistRehabilitation 38
WasistgeriatrischeRehabilitation 39
AufgabeundZielederPflegeinderRehabilitation 40
LeistungenundLeistungstraumlgerderRehabilitation 44
117 Biografiearbeit 45
PraumlgungdurchdieBiografie 45
LebensgeschichteundAltenpflege 46
BiografischeHaltungimPflegealltag 47
Biografiearbeitundbiografisch
orientiertePflegeplanung 48
ErhebungbiografischerInformationen
undDatenschutz 50
PsychobiografischesModellnachBoumlhm 51
Altersbilder 52
118 Pflegerelevante Grundlagen der Ethik 53
Menschenbilder 53
VorstellungenvomAltseinundvonaltenMenschen 54
EthischeGrundrichtungenundPrinzipien 56
WerteorientierteberuflicheBeziehungsgestaltung 59
12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
121 Wahrnehmung und Beobachtung 61
WasistWahrnehmung 61
BeeinflussungderWahrnehmung 64
WasistBeobachtung 66
BedeutungderBeobachtunginderPflege 70
122 Pflegeprozess 72
WasistderPflegeprozess 72
123 Pflegediagnostik 74
Informationssammlung 74
ErkennenvonPflegeproblemenundRessourcen 76
WassindPflegediagnosen 78
ArtenvonPflegediagnosen 79
KlassifikationvonPflegediagnosen 80
Assessmentinstrumente 81
124 Planung Durchfuumlhrung und Evaluation der Pflege 84
WiewerdenPflegezielegeplant 84
PlanungundDurchfuumlhrungderPflegemaszlignahmen 85
WassindPflegestandards 88
WiewirdPflegeevaluiert 90
Pflegevisite 91
125 Grenzen der Pflegeplanung 93
126 Pflegedokumentation EDV 94
InstrumentderPflegendashPflegedokumentation 94
EDV-SystemezurPflegedokumentation 97
ProgrammeinderAltenpflege 98
DigitaleLernmittel 100
Datenschutz 101
127 Pflegeuumlberleitung und Case Management 102
PflegeuumlberleitungundEntlassungsmanagement 102
Schnittstellenmanagement 105
CaseManagement 107
13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
131 Pflegerelevante Grundlagen 110
EinfuumlhrungindieAnatomieundPhysiologie 110
EinfuumlhrungindieGeriatrie 117
EinfuumlhrungindieGerontopsychiatrie 119
EinfuumlhrungindiePsychologie 121
EinfuumlhrungindieArzneimittellehre(Pharmakologie) 123
EinfuumlhrungindieHygiene 127
EinfuumlhrungindieErnaumlhrungslehre 132
1
XII
INHALTSVERzEICHNIS
132 Unterstuumltzung alter Menschen bei der Selbstpflege 140
Sichbewegenkoumlnnen 140
Sichpflegenkoumlnnen 148
Sichkleidenkoumlnnen 163
Essenundtrinkenkoumlnnen 169
Ausscheidenkoumlnnen 177
Ruhenschlafenundsichentspannenkoumlnnen 189
Fuumlreinesichereundfoumlrdernde
Umgebungsorgenkoumlnnen 196
MitexistenziellenErfahrungendes
Lebensumgehenkoumlnnen 200
133 Unterstuumltzung alter Menschen bei praumlventiven und rehab Maszlignahmen 204
ProphylaxenundPraumlvention 204
Dekubitusprophylaxe 205
Pneumonieprophylaxe 211
Thromboseprophylaxe 215
Sturzprophylaxe 220
Kontrakturenprophylaxe 229
Zystitisprophylaxe 231
Obstipationsprophylaxe 233
ProphylaxevonMundschleimhautveraumlnderungen 234
Kontinenzfoumlrderung 236
134 Mitwirkung bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Rehakonzepten 240
Kinaesthetics 240
BasaleStimulation 246
Realitaumltsorientierungstraining 251
Gedaumlchtnistraining 252
Validation 254
Snoezelen 257
Selbsterhaltungstherapie 258
10-Minuten-Aktivierung 259
135 Umgang mit Hilfsmitteln und Prothesen 260
GehhilfenundRollstuumlhle 260
AugenprothesenundKontaktlinsen 262
Houmlrsysteme 263
136 PaM mit eingeschraumlnkter Funktion von Sinnesorganen 264
ErkrankungendesAuges 264
Houmlrstoumlrungen 268
137 Pflege alter Menschen mit Behinderungen 272
AlteMenschenmitBehinderungen 272
138 Pflege alter Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen 274
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderHaut 274
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBewegungsapparates 289
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderAtmungsorgane 309
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHerz-Kreislauf-Systems 324
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBlut-undLymphsystems 349
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desStoffwechsels 356
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHormonsystems 358
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desVerdauungstraktes 370
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derNiereundHarnwege 395
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derGeschlechtsorgane 405
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desNervensystems 416
139 Pflege infektionskranker alter Menschen 436
InfektionsketteundInfektionserreger 436
Infektionskrankheiten 439
MRSAndashDerProblemkeim 443
1310 Pflege multimorbider alter Menschen 445
MultimorbidealteMenschen 445
1311 Pflege alter Menschen mit chronischen Schmerzen 448
AlteMenschenmitSchmerzen 448
1312 Pflege dementer und gerontopsychiatrisch veraumlnderter alter Menschen 457
VerwirrtheitszustaumlndealterMenschen 457
DemenzielleErkrankungen 459
DepressionbeialtenMenschen 473
SuizidhandlungenalterMenschen 478
1313 Pflege alter Menschen mit Suchtproblemen 481
SuchtbeialtenMenschen 481
1314 Pflege schwerstkranker und sterbender alter Menschen 484
Unterstuumltzungschwerstkrankerund
sterbenderMenschenbei
spezifischenProblemenundBeduumlrfnissen 484
UmfelddesSterbendenunddieBegleitung
derAngehoumlrigen 487
1315 Handeln in Notfaumlllen erste Hilfe 488
WassindNotfallsituationen 488
WieverhalteichmichinNotfallsituationen 489
NotfallspezifischeErste-Hilfe-Maszlignahmen 493
14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
141 Kommunikation und Gespraumlchsfuumlhrung 499
WiefunktioniertKommunikation 499
WievermeideichKommunikationsstoumlrungen 506
KommunikationundPflege 510
WasistklientenzentrierteGespraumlchsfuumlhrung 513
TechnikderGespraumlchsfuumlhrung 515
WelcheVoruumlberlegungenmuumlssen
fuumlrGespraumlchegetroffenwerden 517
WelcheGespraumlchsartengibtes 521
142 Beratung und Anleitung alter Menschen 526
ZieleundInhaltederBeratung 526
PrinzipienundMethodenderBeratung 528
BeratunginderPflege 530
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
VIII
MITARBEITERVERzEICHNIS
OlafKirschnick
LehrerfuumlrPflegeberufeundEntbindungspflege
Lehrrettungsassistent
PraumldikantEvangKirchendashBaden
LeiterndashBildungszentrumbdquoGesundheitundPflegeldquo
amKrankenhausTauberbischofsheim
Albert-Schweitzer-Straszlige35
97941Tauberbischofsheim
MargareteKlimek
Krankenschwester
LehrerinfuumlrKrankenpflege-Kinderkrankenpflege-und
Altenpflegeberufe
TheologReferentin
Kastanienstr76
58332Schwelm
UrsulaKocs
Dipl-Psychologin
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
derDiakonie-Stiftung-Salem
Johannesstr6
32423Minden
DrrercurAnnetteLauber
Pflegewissenschaftlerin(MSc)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Irmgard-Bosch-Bildungszentrum
Auerbachstraszlige110
70376Stuttgart
SusanneMettrop
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
DiplPflegegutachterin(IBW)
Bitzenweg15a
51789Waldbroumll
MartinaMetzger
LehrerinfuumlrPflegeberufe
Eichenweg1
71134Aidlingen
GerlindeNowak
SozialpaumldagoginTrainerinfuumlrKommunikationundModeration
ImGrashof4
51789Lindlar
PeterNydahl
KrankenpflegerPraxisanleiterMScN
Kurs-undWeiterbildungsleiterfuumlr
BasaleStimulationinderPflege
PflegeexpertefuumlrMenschenimWachkoma
Sternstr2
24116Kiel
DrmedKlausMariaPerrar
FacharztfuumlrPsychiatriePsychotherapiePalliativmedizin
ZentrumfuumlrPalliativmedizinDrMildredScheelHaus
UniklinikKoumlln
Kerpenerstr62
50937Koumlln
JohannePlescher-Kramer
KrankenschwesterFachkrankenschwesterfuumlr
AnaumlsthesieuIntensivpflegeWundexpertin(ICW)
Dipl-Pflegepaumldagogin(FH)
DrrernatAntoniePost
Dipl-Ernaumlhrungswissenschaftlerin
Lutherstraszlige20
71576Burgstetten
BrigitteSachsenmaier
LehrerinfuumlrPflegeberufeStomatherapeutin
Ziegelstr42
73084Salach
SabineSappke-Heuser
Juristin
Klosterberg3
53804Much
AndreasSchilde
StaatlichanerkannterAltenpflegerundTQM-Beauftragter
Goldhaumlhnchenweg19
12359Berlin
PDDrhabilAndreasSchwarzkopf
FacharztfuumlrMikrobiologieundInfektionsepidemiologie
SachverstaumlndigerKrankenhaushygiene
InstitutSchwarzkopfGbR
Otto-von-Bamberg-Str10
99717AuraanderSaale
GabrieleSteinhaumluszliger
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Friedrichstr22
73614Schorndorf
RuthUessem
LehrerinfuumlrPflegeberufeQMB
stellvLeitung
AkademieGesundheitswirtschaftundSenioren
desOberbergischenKreises
Lebrechtstr27
51643Gummersbach
JuttaWeniger
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
Herdstr161
78050Villingen-Schwenningen
IX
MITARBEITERVERzEICHNIS
GuumlnterBaier
Dipl-Verwaltungswirt
ResperGasse17
51674Wiehl
ChristineBaumlumler
Sport-undGymnastiklehrerin
Kinaesthetics-Trainerin
TrainerinfuumlrSturzpraumlvention
Fliederweg13
73116Waumlschenbeuren
SieglindeDenzel
Dipl-Psychologin
Martinsberg14
78564ReichenbachamHeuberg
ChristianeEkertdagger
Dipl-Psychologin
Robert-Leicht-Str141b
70569Stuttgart
ChristinevonEltzdagger
Hagenstr7
31655Stadthagen
DrphilUrsulaGeiszligner
emProfessorinfuumlrFuumlhrungslehreundOrganisation
Feldbergstr5
79247Maumlrgen
ElseGnamm
AltenpflegerinLehrerinfuumlrAltenpflege
Schubertstr21
72800Eningen
MichaelHaas
KrankenpflegerDipl-Pflegepaumldagoge(FH)
DiakonieStiftungSalemgGmbH
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
Fachseminarleiter
Johansenstr6
32432Minden
AstridHammer
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
StaatlanerkannteSchulefuumlrGesundheits-und
KrankenpflegeundKrankenpflegehilfe
UniversitaumltsmedizinderJohannesGutenberg-UniversitaumltMainz
AmPulverturm13
55101Mainz
HenryKieschnick
Dipl-Pflegewirt(FH)
KulmerWeg3
30659Hannover
AndreasKutschkeBScN
KrankenpflegerfuumlrGeriatrischeRehabilitation
AbteilungQualitaumltsmanagementundPflegeberatung
StaumldtischeSeniorenheimeKrefeldgGmbH
De-Greiff-Str194
47803Krefeld
RainerOchel
Dipl-Verwaltungswirt
AmStockweg7
51645Gummersbach
UrsulaPfaumlfflin-Muumlllenhoff
UPfMAltenpflegerinLehrerinfuumlrGrund-undHauptschule
DozentininderAltenpflegeausbildung
Religionspaumldagogin
AmRennerweiher3
90562Heroldsberg
HartmutRolf
LehrerfuumlrPflegeberufe(Diplom)
BerufsfachschulefuumlrAltenpflege
Diakonisches-InstitutDr-Alfred-Schwab-Platz1
73033Goumlppingen
JoachimScholz
LehrerfuumlrPflegeberufePflegedienstleiter
Wiesenstr8
51766Engelskirchen
SilkeSchoolmann
Dipl-Paumldagogin(FH)
Gartenfeldstr12
55118Mainz
HanneloreSeibold
KrankenschwesterDipl-Sozialpaumldagogin
Manchesterstr36
33604Bielefeld
BirteStaumlhrmann
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Kommunikationswirtin
EvangDiakonissenanstaltStuttgart
Rosenbergstraszlige40
70176Stuttgart
RaimundStollbergdagger
Dipl-SozialarbeiterDipl-Gerontologe
Hauptstr36a
51519Odenthal
Mitarbeiter der vorigen Auflagen
XI
Inhaltsverzeichnis
Lernbereich 1 AufgabenundKonzepteinderAltenpflege
11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
111 Alter Gesundheit Krankheit Behinderung und Pflegebeduumlrftigkeit 2
WasistAlter 2
WelcheAltersmodellegibtes 3
PhysiologischeAlterungsprozesse 4
AlteralsLebensphaseundalsProzess 7
WelcheModellevonGesundheit
undKrankheitgibtes 8
WasbedeutenBehinderungundPflegebeduumlrftigkeit 10
112 Konzepte Modelle und Theorien der Pflege 11
WassindKonzepteModelleundTheorien 11
113 Handlungsrelevanz von Konzepten und Modellen der Pflege anhand konkreter Pflegesituationen 14
WasistprofessionellePflege 14
WiewerdenTheorienentwickelt 15
FoumlrderndeProzesspflegenachKrohwinkel 18
RoperLoganundTierneyndash
DieElementederKrankenpflege 20
PflegemodellvonOrem 22
AnwendungwissenschaftlicherErkenntnisse
inderPraxis 24
114 Pflegeforschung und Umsetzung von Forschungsergebnissen 25
WasistPflegeforschung 25
GeschichtlicheEntwicklungderPflegeforschung 26
Forschungsansaumltze 27
Forschungsdesigns 28
SchrittedesForschungsprozesses 30
PraktischeAnwendungderPflegeforschung 32
115 Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention 34
PraumlventionundGesundheitsfoumlrderung 34
116 Rehabilitation 38
WasistRehabilitation 38
WasistgeriatrischeRehabilitation 39
AufgabeundZielederPflegeinderRehabilitation 40
LeistungenundLeistungstraumlgerderRehabilitation 44
117 Biografiearbeit 45
PraumlgungdurchdieBiografie 45
LebensgeschichteundAltenpflege 46
BiografischeHaltungimPflegealltag 47
Biografiearbeitundbiografisch
orientiertePflegeplanung 48
ErhebungbiografischerInformationen
undDatenschutz 50
PsychobiografischesModellnachBoumlhm 51
Altersbilder 52
118 Pflegerelevante Grundlagen der Ethik 53
Menschenbilder 53
VorstellungenvomAltseinundvonaltenMenschen 54
EthischeGrundrichtungenundPrinzipien 56
WerteorientierteberuflicheBeziehungsgestaltung 59
12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
121 Wahrnehmung und Beobachtung 61
WasistWahrnehmung 61
BeeinflussungderWahrnehmung 64
WasistBeobachtung 66
BedeutungderBeobachtunginderPflege 70
122 Pflegeprozess 72
WasistderPflegeprozess 72
123 Pflegediagnostik 74
Informationssammlung 74
ErkennenvonPflegeproblemenundRessourcen 76
WassindPflegediagnosen 78
ArtenvonPflegediagnosen 79
KlassifikationvonPflegediagnosen 80
Assessmentinstrumente 81
124 Planung Durchfuumlhrung und Evaluation der Pflege 84
WiewerdenPflegezielegeplant 84
PlanungundDurchfuumlhrungderPflegemaszlignahmen 85
WassindPflegestandards 88
WiewirdPflegeevaluiert 90
Pflegevisite 91
125 Grenzen der Pflegeplanung 93
126 Pflegedokumentation EDV 94
InstrumentderPflegendashPflegedokumentation 94
EDV-SystemezurPflegedokumentation 97
ProgrammeinderAltenpflege 98
DigitaleLernmittel 100
Datenschutz 101
127 Pflegeuumlberleitung und Case Management 102
PflegeuumlberleitungundEntlassungsmanagement 102
Schnittstellenmanagement 105
CaseManagement 107
13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
131 Pflegerelevante Grundlagen 110
EinfuumlhrungindieAnatomieundPhysiologie 110
EinfuumlhrungindieGeriatrie 117
EinfuumlhrungindieGerontopsychiatrie 119
EinfuumlhrungindiePsychologie 121
EinfuumlhrungindieArzneimittellehre(Pharmakologie) 123
EinfuumlhrungindieHygiene 127
EinfuumlhrungindieErnaumlhrungslehre 132
1
XII
INHALTSVERzEICHNIS
132 Unterstuumltzung alter Menschen bei der Selbstpflege 140
Sichbewegenkoumlnnen 140
Sichpflegenkoumlnnen 148
Sichkleidenkoumlnnen 163
Essenundtrinkenkoumlnnen 169
Ausscheidenkoumlnnen 177
Ruhenschlafenundsichentspannenkoumlnnen 189
Fuumlreinesichereundfoumlrdernde
Umgebungsorgenkoumlnnen 196
MitexistenziellenErfahrungendes
Lebensumgehenkoumlnnen 200
133 Unterstuumltzung alter Menschen bei praumlventiven und rehab Maszlignahmen 204
ProphylaxenundPraumlvention 204
Dekubitusprophylaxe 205
Pneumonieprophylaxe 211
Thromboseprophylaxe 215
Sturzprophylaxe 220
Kontrakturenprophylaxe 229
Zystitisprophylaxe 231
Obstipationsprophylaxe 233
ProphylaxevonMundschleimhautveraumlnderungen 234
Kontinenzfoumlrderung 236
134 Mitwirkung bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Rehakonzepten 240
Kinaesthetics 240
BasaleStimulation 246
Realitaumltsorientierungstraining 251
Gedaumlchtnistraining 252
Validation 254
Snoezelen 257
Selbsterhaltungstherapie 258
10-Minuten-Aktivierung 259
135 Umgang mit Hilfsmitteln und Prothesen 260
GehhilfenundRollstuumlhle 260
AugenprothesenundKontaktlinsen 262
Houmlrsysteme 263
136 PaM mit eingeschraumlnkter Funktion von Sinnesorganen 264
ErkrankungendesAuges 264
Houmlrstoumlrungen 268
137 Pflege alter Menschen mit Behinderungen 272
AlteMenschenmitBehinderungen 272
138 Pflege alter Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen 274
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderHaut 274
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBewegungsapparates 289
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderAtmungsorgane 309
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHerz-Kreislauf-Systems 324
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBlut-undLymphsystems 349
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desStoffwechsels 356
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHormonsystems 358
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desVerdauungstraktes 370
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derNiereundHarnwege 395
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derGeschlechtsorgane 405
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desNervensystems 416
139 Pflege infektionskranker alter Menschen 436
InfektionsketteundInfektionserreger 436
Infektionskrankheiten 439
MRSAndashDerProblemkeim 443
1310 Pflege multimorbider alter Menschen 445
MultimorbidealteMenschen 445
1311 Pflege alter Menschen mit chronischen Schmerzen 448
AlteMenschenmitSchmerzen 448
1312 Pflege dementer und gerontopsychiatrisch veraumlnderter alter Menschen 457
VerwirrtheitszustaumlndealterMenschen 457
DemenzielleErkrankungen 459
DepressionbeialtenMenschen 473
SuizidhandlungenalterMenschen 478
1313 Pflege alter Menschen mit Suchtproblemen 481
SuchtbeialtenMenschen 481
1314 Pflege schwerstkranker und sterbender alter Menschen 484
Unterstuumltzungschwerstkrankerund
sterbenderMenschenbei
spezifischenProblemenundBeduumlrfnissen 484
UmfelddesSterbendenunddieBegleitung
derAngehoumlrigen 487
1315 Handeln in Notfaumlllen erste Hilfe 488
WassindNotfallsituationen 488
WieverhalteichmichinNotfallsituationen 489
NotfallspezifischeErste-Hilfe-Maszlignahmen 493
14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
141 Kommunikation und Gespraumlchsfuumlhrung 499
WiefunktioniertKommunikation 499
WievermeideichKommunikationsstoumlrungen 506
KommunikationundPflege 510
WasistklientenzentrierteGespraumlchsfuumlhrung 513
TechnikderGespraumlchsfuumlhrung 515
WelcheVoruumlberlegungenmuumlssen
fuumlrGespraumlchegetroffenwerden 517
WelcheGespraumlchsartengibtes 521
142 Beratung und Anleitung alter Menschen 526
ZieleundInhaltederBeratung 526
PrinzipienundMethodenderBeratung 528
BeratunginderPflege 530
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
IX
MITARBEITERVERzEICHNIS
GuumlnterBaier
Dipl-Verwaltungswirt
ResperGasse17
51674Wiehl
ChristineBaumlumler
Sport-undGymnastiklehrerin
Kinaesthetics-Trainerin
TrainerinfuumlrSturzpraumlvention
Fliederweg13
73116Waumlschenbeuren
SieglindeDenzel
Dipl-Psychologin
Martinsberg14
78564ReichenbachamHeuberg
ChristianeEkertdagger
Dipl-Psychologin
Robert-Leicht-Str141b
70569Stuttgart
ChristinevonEltzdagger
Hagenstr7
31655Stadthagen
DrphilUrsulaGeiszligner
emProfessorinfuumlrFuumlhrungslehreundOrganisation
Feldbergstr5
79247Maumlrgen
ElseGnamm
AltenpflegerinLehrerinfuumlrAltenpflege
Schubertstr21
72800Eningen
MichaelHaas
KrankenpflegerDipl-Pflegepaumldagoge(FH)
DiakonieStiftungSalemgGmbH
EvFachseminarfuumlrAltenpflege
Fachseminarleiter
Johansenstr6
32432Minden
AstridHammer
KrankenschwesterDipl-Pflegepaumldagogin(FH)
StaatlanerkannteSchulefuumlrGesundheits-und
KrankenpflegeundKrankenpflegehilfe
UniversitaumltsmedizinderJohannesGutenberg-UniversitaumltMainz
AmPulverturm13
55101Mainz
HenryKieschnick
Dipl-Pflegewirt(FH)
KulmerWeg3
30659Hannover
AndreasKutschkeBScN
KrankenpflegerfuumlrGeriatrischeRehabilitation
AbteilungQualitaumltsmanagementundPflegeberatung
StaumldtischeSeniorenheimeKrefeldgGmbH
De-Greiff-Str194
47803Krefeld
RainerOchel
Dipl-Verwaltungswirt
AmStockweg7
51645Gummersbach
UrsulaPfaumlfflin-Muumlllenhoff
UPfMAltenpflegerinLehrerinfuumlrGrund-undHauptschule
DozentininderAltenpflegeausbildung
Religionspaumldagogin
AmRennerweiher3
90562Heroldsberg
HartmutRolf
LehrerfuumlrPflegeberufe(Diplom)
BerufsfachschulefuumlrAltenpflege
Diakonisches-InstitutDr-Alfred-Schwab-Platz1
73033Goumlppingen
JoachimScholz
LehrerfuumlrPflegeberufePflegedienstleiter
Wiesenstr8
51766Engelskirchen
SilkeSchoolmann
Dipl-Paumldagogin(FH)
Gartenfeldstr12
55118Mainz
HanneloreSeibold
KrankenschwesterDipl-Sozialpaumldagogin
Manchesterstr36
33604Bielefeld
BirteStaumlhrmann
KrankenschwesterLehrerinfuumlrPflegeberufe
Kommunikationswirtin
EvangDiakonissenanstaltStuttgart
Rosenbergstraszlige40
70176Stuttgart
RaimundStollbergdagger
Dipl-SozialarbeiterDipl-Gerontologe
Hauptstr36a
51519Odenthal
Mitarbeiter der vorigen Auflagen
XI
Inhaltsverzeichnis
Lernbereich 1 AufgabenundKonzepteinderAltenpflege
11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
111 Alter Gesundheit Krankheit Behinderung und Pflegebeduumlrftigkeit 2
WasistAlter 2
WelcheAltersmodellegibtes 3
PhysiologischeAlterungsprozesse 4
AlteralsLebensphaseundalsProzess 7
WelcheModellevonGesundheit
undKrankheitgibtes 8
WasbedeutenBehinderungundPflegebeduumlrftigkeit 10
112 Konzepte Modelle und Theorien der Pflege 11
WassindKonzepteModelleundTheorien 11
113 Handlungsrelevanz von Konzepten und Modellen der Pflege anhand konkreter Pflegesituationen 14
WasistprofessionellePflege 14
WiewerdenTheorienentwickelt 15
FoumlrderndeProzesspflegenachKrohwinkel 18
RoperLoganundTierneyndash
DieElementederKrankenpflege 20
PflegemodellvonOrem 22
AnwendungwissenschaftlicherErkenntnisse
inderPraxis 24
114 Pflegeforschung und Umsetzung von Forschungsergebnissen 25
WasistPflegeforschung 25
GeschichtlicheEntwicklungderPflegeforschung 26
Forschungsansaumltze 27
Forschungsdesigns 28
SchrittedesForschungsprozesses 30
PraktischeAnwendungderPflegeforschung 32
115 Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention 34
PraumlventionundGesundheitsfoumlrderung 34
116 Rehabilitation 38
WasistRehabilitation 38
WasistgeriatrischeRehabilitation 39
AufgabeundZielederPflegeinderRehabilitation 40
LeistungenundLeistungstraumlgerderRehabilitation 44
117 Biografiearbeit 45
PraumlgungdurchdieBiografie 45
LebensgeschichteundAltenpflege 46
BiografischeHaltungimPflegealltag 47
Biografiearbeitundbiografisch
orientiertePflegeplanung 48
ErhebungbiografischerInformationen
undDatenschutz 50
PsychobiografischesModellnachBoumlhm 51
Altersbilder 52
118 Pflegerelevante Grundlagen der Ethik 53
Menschenbilder 53
VorstellungenvomAltseinundvonaltenMenschen 54
EthischeGrundrichtungenundPrinzipien 56
WerteorientierteberuflicheBeziehungsgestaltung 59
12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
121 Wahrnehmung und Beobachtung 61
WasistWahrnehmung 61
BeeinflussungderWahrnehmung 64
WasistBeobachtung 66
BedeutungderBeobachtunginderPflege 70
122 Pflegeprozess 72
WasistderPflegeprozess 72
123 Pflegediagnostik 74
Informationssammlung 74
ErkennenvonPflegeproblemenundRessourcen 76
WassindPflegediagnosen 78
ArtenvonPflegediagnosen 79
KlassifikationvonPflegediagnosen 80
Assessmentinstrumente 81
124 Planung Durchfuumlhrung und Evaluation der Pflege 84
WiewerdenPflegezielegeplant 84
PlanungundDurchfuumlhrungderPflegemaszlignahmen 85
WassindPflegestandards 88
WiewirdPflegeevaluiert 90
Pflegevisite 91
125 Grenzen der Pflegeplanung 93
126 Pflegedokumentation EDV 94
InstrumentderPflegendashPflegedokumentation 94
EDV-SystemezurPflegedokumentation 97
ProgrammeinderAltenpflege 98
DigitaleLernmittel 100
Datenschutz 101
127 Pflegeuumlberleitung und Case Management 102
PflegeuumlberleitungundEntlassungsmanagement 102
Schnittstellenmanagement 105
CaseManagement 107
13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
131 Pflegerelevante Grundlagen 110
EinfuumlhrungindieAnatomieundPhysiologie 110
EinfuumlhrungindieGeriatrie 117
EinfuumlhrungindieGerontopsychiatrie 119
EinfuumlhrungindiePsychologie 121
EinfuumlhrungindieArzneimittellehre(Pharmakologie) 123
EinfuumlhrungindieHygiene 127
EinfuumlhrungindieErnaumlhrungslehre 132
1
XII
INHALTSVERzEICHNIS
132 Unterstuumltzung alter Menschen bei der Selbstpflege 140
Sichbewegenkoumlnnen 140
Sichpflegenkoumlnnen 148
Sichkleidenkoumlnnen 163
Essenundtrinkenkoumlnnen 169
Ausscheidenkoumlnnen 177
Ruhenschlafenundsichentspannenkoumlnnen 189
Fuumlreinesichereundfoumlrdernde
Umgebungsorgenkoumlnnen 196
MitexistenziellenErfahrungendes
Lebensumgehenkoumlnnen 200
133 Unterstuumltzung alter Menschen bei praumlventiven und rehab Maszlignahmen 204
ProphylaxenundPraumlvention 204
Dekubitusprophylaxe 205
Pneumonieprophylaxe 211
Thromboseprophylaxe 215
Sturzprophylaxe 220
Kontrakturenprophylaxe 229
Zystitisprophylaxe 231
Obstipationsprophylaxe 233
ProphylaxevonMundschleimhautveraumlnderungen 234
Kontinenzfoumlrderung 236
134 Mitwirkung bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Rehakonzepten 240
Kinaesthetics 240
BasaleStimulation 246
Realitaumltsorientierungstraining 251
Gedaumlchtnistraining 252
Validation 254
Snoezelen 257
Selbsterhaltungstherapie 258
10-Minuten-Aktivierung 259
135 Umgang mit Hilfsmitteln und Prothesen 260
GehhilfenundRollstuumlhle 260
AugenprothesenundKontaktlinsen 262
Houmlrsysteme 263
136 PaM mit eingeschraumlnkter Funktion von Sinnesorganen 264
ErkrankungendesAuges 264
Houmlrstoumlrungen 268
137 Pflege alter Menschen mit Behinderungen 272
AlteMenschenmitBehinderungen 272
138 Pflege alter Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen 274
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderHaut 274
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBewegungsapparates 289
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderAtmungsorgane 309
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHerz-Kreislauf-Systems 324
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBlut-undLymphsystems 349
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desStoffwechsels 356
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHormonsystems 358
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desVerdauungstraktes 370
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derNiereundHarnwege 395
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derGeschlechtsorgane 405
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desNervensystems 416
139 Pflege infektionskranker alter Menschen 436
InfektionsketteundInfektionserreger 436
Infektionskrankheiten 439
MRSAndashDerProblemkeim 443
1310 Pflege multimorbider alter Menschen 445
MultimorbidealteMenschen 445
1311 Pflege alter Menschen mit chronischen Schmerzen 448
AlteMenschenmitSchmerzen 448
1312 Pflege dementer und gerontopsychiatrisch veraumlnderter alter Menschen 457
VerwirrtheitszustaumlndealterMenschen 457
DemenzielleErkrankungen 459
DepressionbeialtenMenschen 473
SuizidhandlungenalterMenschen 478
1313 Pflege alter Menschen mit Suchtproblemen 481
SuchtbeialtenMenschen 481
1314 Pflege schwerstkranker und sterbender alter Menschen 484
Unterstuumltzungschwerstkrankerund
sterbenderMenschenbei
spezifischenProblemenundBeduumlrfnissen 484
UmfelddesSterbendenunddieBegleitung
derAngehoumlrigen 487
1315 Handeln in Notfaumlllen erste Hilfe 488
WassindNotfallsituationen 488
WieverhalteichmichinNotfallsituationen 489
NotfallspezifischeErste-Hilfe-Maszlignahmen 493
14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
141 Kommunikation und Gespraumlchsfuumlhrung 499
WiefunktioniertKommunikation 499
WievermeideichKommunikationsstoumlrungen 506
KommunikationundPflege 510
WasistklientenzentrierteGespraumlchsfuumlhrung 513
TechnikderGespraumlchsfuumlhrung 515
WelcheVoruumlberlegungenmuumlssen
fuumlrGespraumlchegetroffenwerden 517
WelcheGespraumlchsartengibtes 521
142 Beratung und Anleitung alter Menschen 526
ZieleundInhaltederBeratung 526
PrinzipienundMethodenderBeratung 528
BeratunginderPflege 530
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
XI
Inhaltsverzeichnis
Lernbereich 1 AufgabenundKonzepteinderAltenpflege
11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
111 Alter Gesundheit Krankheit Behinderung und Pflegebeduumlrftigkeit 2
WasistAlter 2
WelcheAltersmodellegibtes 3
PhysiologischeAlterungsprozesse 4
AlteralsLebensphaseundalsProzess 7
WelcheModellevonGesundheit
undKrankheitgibtes 8
WasbedeutenBehinderungundPflegebeduumlrftigkeit 10
112 Konzepte Modelle und Theorien der Pflege 11
WassindKonzepteModelleundTheorien 11
113 Handlungsrelevanz von Konzepten und Modellen der Pflege anhand konkreter Pflegesituationen 14
WasistprofessionellePflege 14
WiewerdenTheorienentwickelt 15
FoumlrderndeProzesspflegenachKrohwinkel 18
RoperLoganundTierneyndash
DieElementederKrankenpflege 20
PflegemodellvonOrem 22
AnwendungwissenschaftlicherErkenntnisse
inderPraxis 24
114 Pflegeforschung und Umsetzung von Forschungsergebnissen 25
WasistPflegeforschung 25
GeschichtlicheEntwicklungderPflegeforschung 26
Forschungsansaumltze 27
Forschungsdesigns 28
SchrittedesForschungsprozesses 30
PraktischeAnwendungderPflegeforschung 32
115 Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention 34
PraumlventionundGesundheitsfoumlrderung 34
116 Rehabilitation 38
WasistRehabilitation 38
WasistgeriatrischeRehabilitation 39
AufgabeundZielederPflegeinderRehabilitation 40
LeistungenundLeistungstraumlgerderRehabilitation 44
117 Biografiearbeit 45
PraumlgungdurchdieBiografie 45
LebensgeschichteundAltenpflege 46
BiografischeHaltungimPflegealltag 47
Biografiearbeitundbiografisch
orientiertePflegeplanung 48
ErhebungbiografischerInformationen
undDatenschutz 50
PsychobiografischesModellnachBoumlhm 51
Altersbilder 52
118 Pflegerelevante Grundlagen der Ethik 53
Menschenbilder 53
VorstellungenvomAltseinundvonaltenMenschen 54
EthischeGrundrichtungenundPrinzipien 56
WerteorientierteberuflicheBeziehungsgestaltung 59
12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
121 Wahrnehmung und Beobachtung 61
WasistWahrnehmung 61
BeeinflussungderWahrnehmung 64
WasistBeobachtung 66
BedeutungderBeobachtunginderPflege 70
122 Pflegeprozess 72
WasistderPflegeprozess 72
123 Pflegediagnostik 74
Informationssammlung 74
ErkennenvonPflegeproblemenundRessourcen 76
WassindPflegediagnosen 78
ArtenvonPflegediagnosen 79
KlassifikationvonPflegediagnosen 80
Assessmentinstrumente 81
124 Planung Durchfuumlhrung und Evaluation der Pflege 84
WiewerdenPflegezielegeplant 84
PlanungundDurchfuumlhrungderPflegemaszlignahmen 85
WassindPflegestandards 88
WiewirdPflegeevaluiert 90
Pflegevisite 91
125 Grenzen der Pflegeplanung 93
126 Pflegedokumentation EDV 94
InstrumentderPflegendashPflegedokumentation 94
EDV-SystemezurPflegedokumentation 97
ProgrammeinderAltenpflege 98
DigitaleLernmittel 100
Datenschutz 101
127 Pflegeuumlberleitung und Case Management 102
PflegeuumlberleitungundEntlassungsmanagement 102
Schnittstellenmanagement 105
CaseManagement 107
13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
131 Pflegerelevante Grundlagen 110
EinfuumlhrungindieAnatomieundPhysiologie 110
EinfuumlhrungindieGeriatrie 117
EinfuumlhrungindieGerontopsychiatrie 119
EinfuumlhrungindiePsychologie 121
EinfuumlhrungindieArzneimittellehre(Pharmakologie) 123
EinfuumlhrungindieHygiene 127
EinfuumlhrungindieErnaumlhrungslehre 132
1
XII
INHALTSVERzEICHNIS
132 Unterstuumltzung alter Menschen bei der Selbstpflege 140
Sichbewegenkoumlnnen 140
Sichpflegenkoumlnnen 148
Sichkleidenkoumlnnen 163
Essenundtrinkenkoumlnnen 169
Ausscheidenkoumlnnen 177
Ruhenschlafenundsichentspannenkoumlnnen 189
Fuumlreinesichereundfoumlrdernde
Umgebungsorgenkoumlnnen 196
MitexistenziellenErfahrungendes
Lebensumgehenkoumlnnen 200
133 Unterstuumltzung alter Menschen bei praumlventiven und rehab Maszlignahmen 204
ProphylaxenundPraumlvention 204
Dekubitusprophylaxe 205
Pneumonieprophylaxe 211
Thromboseprophylaxe 215
Sturzprophylaxe 220
Kontrakturenprophylaxe 229
Zystitisprophylaxe 231
Obstipationsprophylaxe 233
ProphylaxevonMundschleimhautveraumlnderungen 234
Kontinenzfoumlrderung 236
134 Mitwirkung bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Rehakonzepten 240
Kinaesthetics 240
BasaleStimulation 246
Realitaumltsorientierungstraining 251
Gedaumlchtnistraining 252
Validation 254
Snoezelen 257
Selbsterhaltungstherapie 258
10-Minuten-Aktivierung 259
135 Umgang mit Hilfsmitteln und Prothesen 260
GehhilfenundRollstuumlhle 260
AugenprothesenundKontaktlinsen 262
Houmlrsysteme 263
136 PaM mit eingeschraumlnkter Funktion von Sinnesorganen 264
ErkrankungendesAuges 264
Houmlrstoumlrungen 268
137 Pflege alter Menschen mit Behinderungen 272
AlteMenschenmitBehinderungen 272
138 Pflege alter Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen 274
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderHaut 274
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBewegungsapparates 289
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderAtmungsorgane 309
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHerz-Kreislauf-Systems 324
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBlut-undLymphsystems 349
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desStoffwechsels 356
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHormonsystems 358
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desVerdauungstraktes 370
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derNiereundHarnwege 395
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derGeschlechtsorgane 405
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desNervensystems 416
139 Pflege infektionskranker alter Menschen 436
InfektionsketteundInfektionserreger 436
Infektionskrankheiten 439
MRSAndashDerProblemkeim 443
1310 Pflege multimorbider alter Menschen 445
MultimorbidealteMenschen 445
1311 Pflege alter Menschen mit chronischen Schmerzen 448
AlteMenschenmitSchmerzen 448
1312 Pflege dementer und gerontopsychiatrisch veraumlnderter alter Menschen 457
VerwirrtheitszustaumlndealterMenschen 457
DemenzielleErkrankungen 459
DepressionbeialtenMenschen 473
SuizidhandlungenalterMenschen 478
1313 Pflege alter Menschen mit Suchtproblemen 481
SuchtbeialtenMenschen 481
1314 Pflege schwerstkranker und sterbender alter Menschen 484
Unterstuumltzungschwerstkrankerund
sterbenderMenschenbei
spezifischenProblemenundBeduumlrfnissen 484
UmfelddesSterbendenunddieBegleitung
derAngehoumlrigen 487
1315 Handeln in Notfaumlllen erste Hilfe 488
WassindNotfallsituationen 488
WieverhalteichmichinNotfallsituationen 489
NotfallspezifischeErste-Hilfe-Maszlignahmen 493
14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
141 Kommunikation und Gespraumlchsfuumlhrung 499
WiefunktioniertKommunikation 499
WievermeideichKommunikationsstoumlrungen 506
KommunikationundPflege 510
WasistklientenzentrierteGespraumlchsfuumlhrung 513
TechnikderGespraumlchsfuumlhrung 515
WelcheVoruumlberlegungenmuumlssen
fuumlrGespraumlchegetroffenwerden 517
WelcheGespraumlchsartengibtes 521
142 Beratung und Anleitung alter Menschen 526
ZieleundInhaltederBeratung 526
PrinzipienundMethodenderBeratung 528
BeratunginderPflege 530
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
XII
INHALTSVERzEICHNIS
132 Unterstuumltzung alter Menschen bei der Selbstpflege 140
Sichbewegenkoumlnnen 140
Sichpflegenkoumlnnen 148
Sichkleidenkoumlnnen 163
Essenundtrinkenkoumlnnen 169
Ausscheidenkoumlnnen 177
Ruhenschlafenundsichentspannenkoumlnnen 189
Fuumlreinesichereundfoumlrdernde
Umgebungsorgenkoumlnnen 196
MitexistenziellenErfahrungendes
Lebensumgehenkoumlnnen 200
133 Unterstuumltzung alter Menschen bei praumlventiven und rehab Maszlignahmen 204
ProphylaxenundPraumlvention 204
Dekubitusprophylaxe 205
Pneumonieprophylaxe 211
Thromboseprophylaxe 215
Sturzprophylaxe 220
Kontrakturenprophylaxe 229
Zystitisprophylaxe 231
Obstipationsprophylaxe 233
ProphylaxevonMundschleimhautveraumlnderungen 234
Kontinenzfoumlrderung 236
134 Mitwirkung bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Rehakonzepten 240
Kinaesthetics 240
BasaleStimulation 246
Realitaumltsorientierungstraining 251
Gedaumlchtnistraining 252
Validation 254
Snoezelen 257
Selbsterhaltungstherapie 258
10-Minuten-Aktivierung 259
135 Umgang mit Hilfsmitteln und Prothesen 260
GehhilfenundRollstuumlhle 260
AugenprothesenundKontaktlinsen 262
Houmlrsysteme 263
136 PaM mit eingeschraumlnkter Funktion von Sinnesorganen 264
ErkrankungendesAuges 264
Houmlrstoumlrungen 268
137 Pflege alter Menschen mit Behinderungen 272
AlteMenschenmitBehinderungen 272
138 Pflege alter Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen 274
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderHaut 274
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBewegungsapparates 289
PflegealterMenschen
mitErkrankungenderAtmungsorgane 309
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHerz-Kreislauf-Systems 324
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desBlut-undLymphsystems 349
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desStoffwechsels 356
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desHormonsystems 358
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desVerdauungstraktes 370
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derNiereundHarnwege 395
PflegealterMenschenmitErkrankungen
derGeschlechtsorgane 405
PflegealterMenschenmitErkrankungen
desNervensystems 416
139 Pflege infektionskranker alter Menschen 436
InfektionsketteundInfektionserreger 436
Infektionskrankheiten 439
MRSAndashDerProblemkeim 443
1310 Pflege multimorbider alter Menschen 445
MultimorbidealteMenschen 445
1311 Pflege alter Menschen mit chronischen Schmerzen 448
AlteMenschenmitSchmerzen 448
1312 Pflege dementer und gerontopsychiatrisch veraumlnderter alter Menschen 457
VerwirrtheitszustaumlndealterMenschen 457
DemenzielleErkrankungen 459
DepressionbeialtenMenschen 473
SuizidhandlungenalterMenschen 478
1313 Pflege alter Menschen mit Suchtproblemen 481
SuchtbeialtenMenschen 481
1314 Pflege schwerstkranker und sterbender alter Menschen 484
Unterstuumltzungschwerstkrankerund
sterbenderMenschenbei
spezifischenProblemenundBeduumlrfnissen 484
UmfelddesSterbendenunddieBegleitung
derAngehoumlrigen 487
1315 Handeln in Notfaumlllen erste Hilfe 488
WassindNotfallsituationen 488
WieverhalteichmichinNotfallsituationen 489
NotfallspezifischeErste-Hilfe-Maszlignahmen 493
14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
141 Kommunikation und Gespraumlchsfuumlhrung 499
WiefunktioniertKommunikation 499
WievermeideichKommunikationsstoumlrungen 506
KommunikationundPflege 510
WasistklientenzentrierteGespraumlchsfuumlhrung 513
TechnikderGespraumlchsfuumlhrung 515
WelcheVoruumlberlegungenmuumlssen
fuumlrGespraumlchegetroffenwerden 517
WelcheGespraumlchsartengibtes 521
142 Beratung und Anleitung alter Menschen 526
ZieleundInhaltederBeratung 526
PrinzipienundMethodenderBeratung 528
BeratunginderPflege 530
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
XIII
INHALTSVERzEICHNIS
SelbstpflegekompetenzendesaltenMenschen 531
KommunikationsproblemeaumlltererMenschen 533
AnleitungalterMenschen 535
143 Beratung und Anleitung von Angehoumlrigen und Bezugspersonen 539
BedeutungderAngehoumlrigenimPflegeprozess 539
144 Anleiten von Pflegenden die nicht Pflegefachkraumlfte sind 542
AnleitungvonPflegehilfskraumlften 542
15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
151 Durchfuumlhrung aumlrtzlicher Verordnungen 545
UmgangmitGeraumlten(Medizinproduktegesetz) 545
WickelundAuflagen 546
AnlegeneinerUnterschenkelprothese 548
Verbandwechsel 549
Wundbehandlung 551
AnlegenvonKompressionsverbandund
medizinischerThromboseprophylaxestruumlmpfe 556
Inhalation 560
Sauerstoffgabe 561
AbsaugenderoberenAtemwege 562
WechselundPflegederTrachealkanuumlle 564
Pulskontrolle 566
Blutdruckmessen 567
Blutzuckermessen 568
Fluumlssigkeitbilanzieren 569
OrganisationderMedikamentenversorgung 570
Medikamenterichtenundverabreichen 571
Injektionen 574
RichtenundAnschlieszligenvonivInfusionen 577
UmgangmitzentralenVenenkathetern 579
UmgangmitPortsystemen 581
LegenundZieheneinerMagensonde 582
Sondennahrungverabreichen 584
Sondenpflege 586
EinlaumlufeunddigitaleAusraumlumung 587
VersorgungeinesKolostomasundUrostomas 590
Irrigation 593
GewinnungvonMittelstrahlurin 594
Urinuntersuchung 595
Blasenspuumllung 596
KatheterisierungderHarnblase 597
152 Rechtliche Grundlagen 600
VoraussetzungenfuumlrdieUumlbertragungaumlrztlicher
AufgabenaufPflegekraumlfte 600
Verweigerungsrecht 601
Dokumentation 602
Haftungsrecht 603
Betaumlubungsmittelrecht 607
153 Rahmenbedingungen 609
RahmenbedingungenKrankenhaus
stationaumlreundambulanteAltenpflege 609
154 Zusammenarbeit mit Aumlrztinnen und Aumlrzten 612
BesonderheitenderZusammenarbeit 612
BeideraumlrztlichenVisitemitwirken 613
155 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Mitwirkung im therapeutischen Team 614
InterdisziplinaumlreZusammenarbeit 614
156 Mitwirkung an Rehabilitationskonzepten 616
UnterstuumltzungpflegenderAngehoumlrigerbei
praumlventivenMaszlignahmen 616
Lernbereich 2 UnterstuumltzungalterMenschenbeiderLebensgestaltung
GestaltenundSichernsozialerBeziehungen
beiMigranten 638
Bekleidungs-undEssgewohnheiten 639
MaszlignahmenderGrundpflegebeiMigranten 640
TagesstrukturierungbeiMigranten 641
RegelnethniespezifischerKommunikation
undGespraumlchsfuumlhrung 642
214 Glaubens- und Lebensfragen 643
Lebensbilanz 643
AuseinandersetzungmitVerlusten 645
AuseinandersetzungmitdereigenenVergaumlnglichkeit 647
BedeutungvonGlaubenundReligiositaumlt 649
BedeutungvonLebenssinnundLebenswert 651
215 Alltag und Wohnen im Alter 653
BegriffeundAspektederGerontologie 653
AlltagundWohnenimAlterzuHause 654
AlltagundWohnenimAlterimHeim 656
PflegearbeitinderHaumluslichkeitdesaltenMenschen 658
PflegearbeitimHeim 659
21 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 618
211 Altern als Veraumlnderungsprozess 618
EntwicklungdesMenschen 618
SubjektiveWahrnehmungdesAlternsund
desAlters 624
AlternalssozialerVeraumlnderungsprozess 625
212 Demografische Entwicklungen und Strukturwandel 629
DemografischeEntwicklungeninDeutschland 629
StrukturwandelinderaumllterenBevoumllkerung 631
BedeutungderdemografischenEntwicklung 632
213 Ethniespezifische und interkulturelle Aspekte 634
VerstaumlndnisinanderenKulturen 634
FamilienbeziehungeninanderenKulturen 635
FamilienbeziehungenbeituumlrkischenMigranten 636
BelastungsfaktorenfuumlrerfolgreichesAltern
beiMigranten 637
2
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
XIV
INHALTSVERzEICHNIS
ArmutimAlter 660
Alterskriminalitaumlt 661
216 Familienbeziehungen und soziale Netzwerke alter Menschen 662
Altseinfruumlherundheute 662
EinsamkeitundIsolation 663
GesellschaftlicheIntegrationalterMenschen 664
FamilienformenundFamilienbeziehungen
zwischendenGenerationen 665
EheundPartnerschaftimAlter 668
PflegendeAngehoumlrigendashstatistischeDaten 669
PflegendeAngehoumlrigendashMotivationundSituation 670
FamilienorientierteAltenpflege 671
SozialeBeziehungenundFreundschaftenimAlter 674
EhrenamtlicharbeiteninderAltenpflege 676
217 Sexualitaumlt im Alter 677
BedeutungderSexualitaumltimAlter 677
NeueBeziehungenimAlter 678
SexualitaumltundKrankheit 679
UmgangmitAlterssexualitaumlt 680
218 Menschen mit Behinderungen im Alter 682
Lebenswelten 682
SozialerStatus 684
SpezielleWohnangeboteundDienste 685
22 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstuumltzen 687
221 Ernaumlhrung Haushalt 687
EssenswuumlnscheundEssverhalten 687
EssenzuHauseundimHeim 688
ErnaumlhrungsanamneseundBiografie 689
ErnaumlhrungsverhaltenbeiBettlaumlgerigen 690
Ernaumlhrungsfehler 691
ErnaumlhrungbeidemenziellerkranktenMenschen 692
EssplatzgestaltungGetraumlnkeangebotEssenreichen 693
Verpflegungssysteme 694
GrundlagenderHaushaltshygieneund-organisation 695
DiensteundAssistenzleistungen 696
222 Schaffung eines foumlrderlichen und sicheren Wohnraums und Wohnumfelds 697
EinefoumlrderlicheAtmosphaumlreschaffen 697
GesundheitsfoumlrderndeGestaltungderWohnung 699
Alten-undbehindertengerechte
Wohn-undUmfeldgestaltung 702
SicherheitinderWohnung 705
VerhuumltungvonUnfaumlllenundStuumlrzen 707
BarrierefreiesWohnen 709
Brandschutz 710
TechnischeAusstattung 712
223 Wohnformen im Alter 714
BedeutungdesWohnens 714
23 Alte Menschen bei der Tagesgestaltung und bei selbst organisierten Aktivitaumlten unterstuumltzen 718
231 Tagesstrukturierende Maszlignahmen 718
HilfebeiderAlltagsstrukturierung 718
232 Musische kulturelle und handwerkliche Beschaumlftigungsangebote 722
SportwissenschaftlicheBewegungsfoumlrderung 722
SeniorengymnastikSeniorentanz 725
Bewegungs-undTanzspiele 728
ThemenorientierteAktivierungsangebote 730
Gesundheits-undentspannungsfoumlrderndeVerfahren 732
KreativesWerkenMalenArbeiten
mitTonundHandarbeiten 735
SpieleSingenMusizieren 736
GedaumlchtnistrainingundGehirnjogging 739
TierhaltungundTierbetreuung 740
233 Feste und Veranstaltungsangebote 743
FesteundVeranstaltungen 743
234 Medienangebote 745
KlassischeundneueMedien 745
AngebotefuumlrMenschenmitbeeintraumlchtigten
FunktionenderSinnesorgane 748
235 Freiwilliges Engagement alter Menschen 750
FreiwilligesEngagementalterMenschen 750
236 Selbsthilfegruppen 753
FormenderSelbsthilfe 753
237 Seniorenvertretungen Seniorenbeiraumlte 755
WassindSeniorenvertretungen 755
Lernbereich 3 RechtlicheundinstitutionelleRahmenbedingungenaltenpflegerischerArbeit
Pflegeversicherung 764
Sozialhilfe 768
312 Traumlger Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens 770
WohlfahrtsverbaumlndeundTraumlger 770
DiensteundEinrichtungenderAltenhilfe 772
Leitbilder 773
Konzepte 775
31 Institutionelle und rechtliche Rahmen-bedingungen beim altenpflegerischen Handeln beruumlcksichtigen 758
311 Systeme sozialer Sicherung 758
AufgabenundFunktionendesSozialstaats 758
SaumlulenderSozialversicherung 759
Krankenversicherung 761
Rentenversicherung 763
3
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
XV
INHALTSVERzEICHNIS
AktuelleEntwicklungeninderambulanten
undstationaumlrenAlten-undKrankenpflege 777
313 Vernetzung Koordination und Kooperation im Gesundheits- und Sozialwesen 778
Koordinierungs-undVermittlungsstellen 778
Pflegekonferenzen 779
314 Pflegeuumlberleitung Schnittstellenmanagement 780
Uumlberleitung 780
315 Rechtliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 781
Grundrechte 781
SchweigepflichtundDatenschutz 783
Arbeitsrecht 784
Zivilrecht 789
Vorsorgemoumlglichkeiten 792
HeimrechtundHeimaufsicht 793
316 Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit 794
FinanzierungvonLeistungen 794
Personal-undSachkosten 796
WirtschaftlichesHandelninderAltenpflege 798
ArbeitsorganisationsformeninderPflege 799
Stellenbeschreibung 801
Dienstplangestaltung 804
32 An qualitaumltssichernden Maszlignahmen in der Altenpflege mitwirken 806
321 Rechtliche Grundlagen 806
QualitaumltssicherungimSozialgesetzbuch 806
322 Konzepte und Methoden der Qualitaumltsentwicklung 808
KriterienzurMessungderPflegequalitaumlt 808
ExterneQualitaumltssicherungdurch
VerbraucherschutzundBeschwerdestellen 809
ExterneQualitaumltssicherung
durchBerufsorganisationen
QualitaumltskonferenzenZertifizierungen 810
ExterneQualitaumltssicherung
durchHeimaufsichtundMDK 812
InterneQualitaumltssicherung
durchinnerbetrieblicheStrategienArbeits-undEinsatz-
planungStellenbeschreibung 813
InterneQualitaumltssicherungdurchPflegekonzeptund-mo-
dellPflegedokumentation 814
InterneQualitaumltssicherung
durchLeitbildundLeitbildentwicklung 815
InterneQualitaumltssicherung
durchPflegevisiteundPflegestandards 816
QualitaumltssicherungdurchQualitaumltszirkelundKundenbe-
fragung 817
AusgewaumlhlteModelledesQM
imambulantenBereich 819
AusgewaumlhlteModelledesQMim
stationaumlrenBereich 822
323 Fachaufsicht 826
WasistFachaufsicht 826
Lernbereich 4 AltenpflegealsBeruf
41 Berufliches Selbstverstaumlndnis entwickeln 830
411 Geschichte der Pflegeberufe 830
ChristlichmotiviertePflege 830
PflegeimMittelalter 831
PflegeinderNeuzeit 832
Pflegeim19Jahrhundert 833
Pflegeim1WeltkriegundinderWeimarerRepublik 835
PflegeimNationalsozialismusundim2Weltkrieg 836
Pflegenach1945 837
Pflegeim21Jahrhundert 838
GeschichtederVersorgungalterMenschen 839
PflegeausbildungimWandel 840
412 Berufsgesetze der Pflegeberufe 841
WelcheBerufsgesetzegibtes 841
413 Professionalisierung der Altenpflege Berufsbild und Arbeitsfelder 845
BerufProfessionalisierungProfession 845
WasistKompetenz 846
WelcheKompetenzenbrauchteineAltenpflegerin 847
StufenderKompetenzentwicklung 849
MerkmaleundHandlungsspielraumlume
professionellerAltenpflege 851
FehlerquellenprofessionellenHandelns 854
Fort-undWeiterbildungStudium 856
BerufsbildAltenpflege 858
414 Berufsverbaumlnde und Organisationen der Altenpflege 860
GewerkschaftenundPflegeberufsverbaumlnde 860
KonfessionelleBerufsorganisationen 863
RepraumlsentationundImagederPflege
inderGesellschaft 864
415 Teamarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 865
WasisteinTeam 865
TeamfaumlhigkeitundTeamentwicklung 866
KommunikationimTeam 867
WorausbestehenTeamsinderAltenpflege 868
Informations-Anlauf-undVermittlungsstellen 869
416 Ethische Herausforderungen der Altenpflege 870
EthischeKonfliktsituationen 870
EthischeKonfliktsituationSexualitaumlt 871
4
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
XVI
INHALTSVERzEICHNIS
Betreuungs-undAufsichtspflichtndashDemenz 872
Nahrungsverweigerung 873
MoumlglichkeitenundGrenzen
deraktivierendenPflege 874
SuizidalterMenschen 875
EthischeKonfliktezwischenpersoumlnlichen
undprofessionellenWertenundNormen 876
417 Reflexion der beruflichen Rolle und des eigenen Handelns 877
MotivationundBerufswahl 877
RolleinderAusbildung 878
BeruflicheRolle 879
42 Lernen lernen 882
421 Lernen und Lerntechniken 882
GrundlagendesLernens 882
WasistIntelligenz 885
Lerntechniken 888
GestaltungundPraumlsentationvonTexten 889
LernenimAlter 891
422 Lernen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 892
EDVundInternet 892
423 Arbeitsmethodik 894
GrundmodellmenschlichenHandelns 894
Technikenfuumlreinstrukturiertesund
zielorientiertesHandeln 895
424 Zeitmanagement 896
43 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen 898
431 Berufstypische Konflikte und Befindlichkeiten 898
WassindKonflikte 898
KonfliktsituationeninderAltenpflege 899
KonflikteskalationundKonfliktbewaumlltigung 902
Konfliktmanagementdurchthemenzentrierte
InteraktionundSupervision 904
WandelundVeraumlnderung 907
BerufstypischeBefindlichkeiten 908
Burn-out-Syndrom 910
Mobbing 917
432 Spannungen in der Pflegebeziehung 922
SympathieundAntipathie 922
NaumlheundDistanz 923
MachtundOhnmacht 924
IntimitaumltSchamEkel 926
433 Gewalt in der Pflege 928
AggressionundGewalt 928
GewaltimPflegealltag 929
UrsachenvonGewalt 931
Interventionsstrategien 932
44 Die eigene Gesundheit erhalten und foumlrdern 934
441 Persoumlnliche Gesundheitsfoumlrderung 934
LebensgeschichteundKonfliktloumlsungsverhalten 934
PsychohygienischeStrategien 935
KontaktstrategienundKontaktvermeidungsstrategien 936
PersoumlnlicheGrenzenundGrenzerfahrungen 937
Suchtgefaumlhrdung 938
442 Arbeitsschutz 940
Arbeitsschutz 940
RuumlckenschonendesArbeitenRuumlckenschule
undKinaumlsthetik 943
443 Stresspraumlvention und -bewaumlltigung 949
StresspraumlventionundStressbewaumlltigung 949
444 Kollegiale Beratung und Supervision 951
Supervision 951
Literaturverzeichnis 955
Sachverzeichnis 972
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
1
LERNBEREICH 1
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
LF 11 Theoretische Grundlagen in das altenpflegerische Handeln einbeziehen 2
LF 12 Pflege alter Menschen planen durchfuumlhren dokumentieren und evaluieren 61
LF 13 Alte Menschen personen- und situationsbezogen pflegen 110
LF 14 Anleiten beraten und Gespraumlche fuumlhren 499
LF 15 Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken 545
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
2
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Da Alter eine willkuumlrliche Festlegung ist unter-
scheidetmanzwischendemchronologischen(bio-
grafischen) Alter in Lebensjahren und dem biolo-
gischenAlterwelchesdiekoumlrperlicheundgeistige
Leistungsfaumlhigkeit sowie die gesundheitliche Situ-
ationeinesMenschenbeinhaltetBiologischesund
chronologischesAlterkoumlnnenvoneinanderabwei-
chenUnterdenBegriffenbdquovorgealtertldquooderbdquogrei-
senhaftldquoverstehtmanMenschenmiteinemhoumlhe-
ren biologischen als chronologischen Lebensalter
Mit den Begriffen bdquoruumlstigldquo oder bdquojuumlnger wirkendldquo
bezeichnet man Menschen mit einem niedrigeren
biologischen als chronologischen Lebensalter Al-
ternistalsokeinexaktfestlegbarerBegriffsondern
ein biologischer psychischer und sozialer Prozess
(Abb 11)
GeradeindenletztenJahrhundertenhabensich
die Vorstellungen uumlber den Altersbegriff enorm
veraumlndertunteranderemdurchdieextremgestie-
gene Lebenserwartung der Bevoumllkerung die ge-
wandelten Lebensbedingungen und den erheblich
veraumlndertenAltersaufbauderGesellschaft
Wir wissen ndash und darauf weisen die fuumlr die Al-
tersmedizin (Geriatrie) zustaumlndigen Fachleute hin
ndash dass obwohl Alter und Altern nicht einfach mit
Krankheit gleichzusetzen sind diese Lebensphase
mit einer Reihe von bdquoGefaumlhrdungenldquo verbunden
istDazuzaumlhlennichtnurKrankheitenkoumlrperliche
oderpsychischeEinbuszligensondernauchderVerlust
vonKontaktpersonennachdemRuumlckzugausdem
aktivenErwerbslebenoderderVerlustdesPartners
durchTododerScheidungAlteMenschensindalso
verglichenmitallenanderenAltersgruppeneinem
houmlherenRisikostatusausgesetzt
LebenserwartungDie mittlere Lebenserwartung in Deutschland ist
von 47 Jahren bei Frauen und 44 Jahren bei Maumln-
nernimJahre1900auf82JahrebeiFrauenund77
JahrebeiMaumlnnernimJahre2009angestiegenDies
hat nicht nur eine generelle Zunahme des Anteils
an alten Menschen in der Gesellschaft sondern
auchVeraumlnderungenindieserGruppezurFolgeSo
M Ein Mensch gilt als bdquoaltldquo
wenn er das 61 Lebens-
jahr begonnen hat Es wird zwi-
schen bdquojungem Alterldquo (Menschen
zwischen 60 und 74) und bdquohouml-
herem Alterldquo (ab 75 Jahren) un-
terschieden (WHO)
B Ein 52-jaumlhriger mit lang-
jaumlhrigem Alkoholmiss-
brauch und zahlreichen Organ-
schaumldigungen gilt als vorgeal-
terter Mann
Eine 88-jaumlhrige Rentnerin die
regelmaumlszligig auf Reisen geht laumln-
gere Wanderungen unternimmt
und eine vor 3 Jahren notwendig
gewordene groszlige Huumlftgelenk-
operation gut uumlberstanden hat
gilt als ruumlstige Frau
M Altern ist kein exakt
festlegbarer Begriff son-
dern ein biologischer psychi-
scher und sozialer Prozess
D Die Lebenserwartung
ist die durchschnittliche
Lebensdauer fuumlr ein bestimmtes
Ausgangsalter bei gegebener
Sterblichkeit Haumlufig ge-
brauchtes Maszlig zur Einschaumltzung
des Alterns einer Bevoumllkerung
meist nach Maumlnnern und Frauen
unterschieden
wuchs die Gruppe der uumlber 80-Jaumlhrigen (Hochbe-
tagten)von15MioimJahr1970aufuumlber36Mio
imJahr2003beiansonstenweitgehendgleichblei-
benderBevoumllkerungszahl
GeriatrieDer bdquogeriatrischeldquo Patient hat ein anderes bdquoProfilldquo
alseinjuumlngererPatientbeidemhaumlufigberufliche
Rehabilitationsziele im Vordergrund stehen Er ist
einbiologischaumlltererMenschDasheiszligtKriterium
ist nicht ein bestimmtes Alter in Jahren sondern
einfeststellbarerfortgeschrittenerbiologischerAl-
terungsprozessEsisteinaumlltererMensch
ndash der durch altersbedingte Funktionseinschraumln-
kungenbeiErkrankungenakutgefaumlhrdetist
ndash der zur Multimorbiditaumlt (Zusammentreffen vie-
lerErkrankungen)neigt
ndash bei dem eine Rehabilitation sowohl aus koumlrper-
lichen psychischen wie auch sozialen Gruumlnden
erforderlichist
GerontologieDieGerontologieberuhtaufErkenntnissenausver-
schiedenen Bezugswissenschaften wie Biologie
Medizin Pflege Psychiatrie Psychologie Paumldago-
gik Soziologie Politologie Volkswirtschaftslehre
DemografieTheologieundPhilosophie
Die noch junge Gerontologie hat sich entspre-
chenddemwachsendenInteresseamAlterundder
heutigen Bedeutung alter Menschen aus kleinen
und vereinzelten Anfaumlngen zu einem umfangrei-
chenFachentwickeltDiesesInteressehatvazwei
Gruumlnde
ndash den demografischen Wandel (der Anteil alter
MenschenanderGesamtbevoumllkerungnimmtzu)
ndash dieLebensqualitaumltimAlter(auchaltenMenschen
soll Bildung Wohlstand und Lebensqualitaumlt zu-
gestandenwerden)
Die psychologische Gerontologie (Psychologie des
Alterns)fragtuanach
ndash EntwicklungimhoumlherenAlter
ndash LebenszufriedenheitaumlltererMenschen
ndash koumlrperlicherundgeistigerLeistungsfaumlhigkeit
ndash Umgang mit der Frage nach dem Sinn ihres Le-
bens
ndash VerhaltenalterMenschen inBelastungssituatio-
nenundihrerseelischenWiderstandskraft
ndash sozialenAktivitaumlten
ndash Bewaumlltigung von Alltagsaufgaben bei nachlas-
sendenKraumlften
ndash persoumlnlichenAlternsstilen
D Geriatrie ist das Fachge-
biet der Medizin das
sich mit Erkrankungen aumllterer
Menschen beschaumlftigt
D Gerontologie im en-
geren Sinne leitet sich
aus dem Griechischen ab (geron
= Greis) und ist die Wissenschaft
vom Altern und vom Alter Sie
dient der Erforschung der koumlr-
perlichen psychischen und sozi-
alen Situation alter Menschen in
der Gesellschaft
Was ist Alter
Abb 11 Alter ist nicht gleich Alter Nicht das Alter hat den Men-schen zu dem gemacht was er ist sondern sein Leben (aus Koumlther 2005) (Foto Herby Meseritsch Fotoliacom)
sect
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
3
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Mithilfe von Altersmodellen auch Alterstheorien
genanntwirdversuchtdasAlterunddasAltwer-
dengenauerzubeschreibenDabeigehtesumFra-
genwiezBbdquoWievollziehtsichdasAltwerdenldquo
bdquoKoumlnnen Menschen erfolgreich altern und wenn
ja wieldquo Wie erleben und verhalten sich alternde
MenschenundkannmandarausRuumlckschluumlsse fuumlr
bdquodieAltenldquofuumlrdieGesellschaftfuumlrdieSeniorenpo-
litikziehenldquoEinigeModelleTheorienwerdenim
Folgendenvorgestellt
DefizitmodellHierbei geht man davon aus dass geistige Leis-
tungsfaumlhigkeit in der Kindheit erworben wird im
jungenErwachsenenhaltereinLeistungshoumlhepunkt
bestehtunddanacheinunaufhaltsamerLeistungs-
abbaustattfindetDieHauptaussagedesDefizitmo-
dells (Defizit = Mangel) besteht darin dass Lern-
faumlhigkeit Intelligenz und Anpassungsfaumlhigkeit im
Alterabnehmenundzwargleichermaszligenbeiallen
alten Menschen (universelle Guumlltigkeit) und alle
geistigen Leistungen betreffend (generelle Guumlltig-
keit)AuchdieFaumlhigkeitensichmitdemAlltagaus-
einanderzusetzengehengleichsamverloren(Kruse
uLehr1996)
Disengagement-TheorieDiese Theorie auch Ruumlckzugstheorie genannt be-
schreibtdenAlterungsprozessalsRuumlckzugausso-
zialen Rollen und Kontakten Einerseits sei dieser
Ruumlckzug von der Gesellschaft gefordert anderer-
seits habe der alternde Mensch selbst das innere
BeduumlrfnissichausderGesellschaftzuruumlckzuzie-
henDesWeiterensiehtdieseTheorieAufgabendes
hohen Alters darin altersbedingte Einschraumlnkun-
gen sowie die eigene Endlichkeit zu akzeptieren
VollziehtderalterndeMenschdiesenRuumlckzugund
die damit verbundenen Aufgaben so altere er zu-
friedenbzwbdquoerfolgreichldquo
AktivitaumltstheorieDie Aktivitaumltstheorie besagt dass bdquoerfolgreichesldquo
Altern gelingt wenn Menschen im Alter aktiv
bleiben Es sei wichtig am sozialen Leben teilzu-
nehmen und soziale Rollen auszuuumlben Voraus-
setzungen sind dabei Gesundheit und Mobilitaumlt
Diese Theorie geht davon aus dass der mit dem
Alter einhergehende Taumltigkeits- und Rollenverlust
denAktivitaumltsradiusaumlltererMenscheneinschraumlnkt
und somit den Selbstwert und das Wohlbefinden
gefaumlhrdetDemnach isteswichtigdassalteMen-
schenaktivbleibenunddieVerlustedurchandere
Aktivitaumltenkompensieren
KompetenzmodellDas Kompetenzmodell (Kompetenz = Faumlhigkeit)
hebthervordass
ndash geistige Leistungsfaumlhigkeit und Kreativitaumlt nicht
verlorengehen sondernbis inshoheAlter trai-
nierbarsind
ndash bestimmte geistige Faumlhigkeiten Erfahrung und
Wissenzunehmen(psychologischeKompetenz)
ndash koumlrperlicher Abbau durch Uumlbung verlangsamt
wird und verlorene Faumlhigkeiten zuruumlckerlangt
werdenkoumlnnen(physiologischeKompetenz)
ndash innererRuumlckzugsichdurchgesellschaftliche In-
tegration verhindern oder lindern laumlsst (soziale
Kompetenz)
Das Kompetenzmodell beinhaltet demnach Res-
sourcen und Faumlhigkeiten des alternden Menschen
undbejahtMoumlglichkeitenAlterngestaltenundsich
(noch) entwickeln zu koumlnnen Oben aufgefuumlhrte
KompetenzenkoumlnnensichzwarveraumlndernEinbu-
szligen stattfinden aber der Verlust von Faumlhigkeiten
koumlnne durch andere Kompetenzen ausgeglichen
werden
Differenzielle ModelleDifferenzielle Modelle des Alterns betonen hinge-
gen die individuellen Unterschiede und untersu-
chenwiedieseUnterschiedezuerklaumlrensindSie
beruumlcksichtigenzB
ndash die groszlige Bedeutung die der bisherige Lebens-
laufunddieAusbildungbestimmterFaumlhigkeiten
aufdieLeistungsfaumlhigkeitimAlterhaben
ndash diespezifischeArtderAnforderungenzBwie
aumlltereMenschenetwasNeueslernenwieihrGe-
daumlchtnis arbeitet wie sie mit Belastungen oder
kritischenEreignissenumgehen
ndash dass Veraumlnderungen Belastungen und Konflikte
die seelische Widerstandskraft staumlrken koumlnnen
undvonaltenMenschenkreativgenutztwerden
koumlnnen
DifferenzielleModellebeschreibendasAlteralsein
komplexesPhaumlnomendasnichtdurcheineeinzel-
ne und allgemeine Aussage uumlber die Leistungsfauml-
higkeiteinesMenschenausreichendcharakterisiert
werdenkannGerontologenweisenmitNachdruck
auf die Ressourcen alter und sehr alter Menschen
hin Sie fordern dass dieses bdquoKapitalldquo zum Wohle
derGesellschaftundderaltenMenschenselbstge-
nutztwird(Werle2006)
Welche Altersmodelle gibt es
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
4
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Physiologische AlterungsprozesseDerbiologischeAlterungsprozessdersichanallen
OrgansystemenbemerkbarmachthatseineGrund-
lageindenVeraumlnderungeninjedereinzelnenZelle
des Koumlrpers Verschiedene Prozesse wirken ver-
mutlichnebeneinander
Theorie der bdquogenetischen Regulationldquo Durch die
AktivierungbestimmterGeneindenmenschlichen
Zellen werden die einzelnen Entwicklungs- und
Alterungsphasen gesteuert der Alterungsprozess
wirddurchsogGeronto-Geneverursacht
Zellschaumldigungstheorie Bei den Stoffwechselpro-
zessen in der menschlichen Zelle koumlnnen Stoffe
(sogRadikale)entstehendiedieZellhuumllleEnzyme
oderdieErbsubstanz(DNA)schaumldigenDieseZell-
schaumldennehmenimLaufederZeitzukoumlnnennicht
ausreichendrepariertwerdenundfuumlhrensozuei-
nerFunktionseinschraumlnkungderZelle
Funktionelle Reserven Im Erwachsenenalter be-
sitzt der menschliche Organismus in allen Organ-
systemenerheblicheReservenumaufBelastungen
zureagierenDieseReservensinddurchdenAlte-
rungsprozess des Organismus als Erstes betroffen
weswegensichFunktionseinbuszligenerstbeistarken
BelastungenbemerkbarmachenFuumlrdasVerstaumlnd-
nis des Alterns ist es wichtig zu wissen dass das
GleichgewichtdesOrganismusunternormalenBe-
dingungennichtbeeintraumlchtigtistderaumlltereOrga-
nismusabergegenuumlberSchaumldigungenoderinext-
remenLebensbedingungenempfindlicherundwe-
nigeranpassungsfaumlhigwird
Veraumlnderungen der einzelnen OrgansystemeFolgende Begriffe werden im Zusammenhang mit
den Alterungsvorgaumlngen der Organe und Gewebe
haumlufigverwendet
Degenerative Veraumlnderungen Mit diesem Begriff
werden Veraumlnderungen eines Organs bezeichnet
die durch Abnutzung oder eine schaumldigende Wir-
kung von auszligen auftreten Diese Schaumlden koumlnnen
nichtausreichendrepariertoderkompensiertwer-
denundhabenFunktionseinbuszligenzurFolge (zB
AbnutzungserscheinungenanstarkbelastetenGe-
lenken)
ZelltodAuchwennaumluszligereEinfluumlsseeinengroszligen
EinflusshabenirgendwanngehtjedeZellevonal-
leinezugrundeJemehrZelleneinesOrgansunter-
gehendestomehrsinktseineFunktionsfaumlhigkeit
AtrophieDamitistdieVerkleinerungundRuumlckbil-
dungvonOrganenoderGewebengemeintUrsache
kann entweder ein Zelluntergang oder eine feh-
M Der biologischeAlte-
rungsprozessist bis
heute noch nicht genau erklaumlr-
bar und es gibt zahlreiche Mo-
delle die vermutlich nebenei-
nander wirken
M Der Prozess des biolo-
gischen Alterns stellt
keine Krankheit dar sondern ei-
nen natuumlrlichen Prozess der den
menschlichen Organismus emp-
findlicher fuumlr Belastungen und
Krankheiten werden laumlsst
lende Inanspruchnahme (zB Muskelschwund bei
Bettlaumlgerigkeit)sein
Fibrose Eine andere Folge der Organschaumldigung
kann der Umbau des urspruumlnglichen Gewebes in
Bindegewebe sein Das eigentliche Gewebe wird
vonZellgiftenEntzuumlndungenoderdurchUumlberlas-
tung geschaumldigt und wird durch Bindegewebe er-
setztzBbeiderLeberzirrhose
Herz-Kreislauf-System
DieAltersveraumlnderungenimHerz-Kreislauf-System
habenihreHauptursachenichtimHerzselbstson-
dern in der abnehmenden Elastizitaumlt der Arterien
im Kreislauf-System Durch Ablagerungen in der
Gefaumlszligwand im Rahmen einer Arteriosklerose die
in unterschiedlichem Ausmaszlig bei allen Menschen
auftrittgehtdieDehnbarkeitderArterienzuruumlck
DamitsteigtderDruckimGefaumlszligsystemgegenden
das Herz das Blut durch den Koumlrper pumpt Als
Reaktion nimmt die durchschnittliche Herzmus-
keldickeinderlinkenKammer(Ventrikel)zuwas
zuabnehmenderPumpleistungoderverminderter
BlutversorgungdurchdieHerzkranzgefaumlszlige fuumlhren
kann
Am Herzen nimmt die Empfindlichkeit fuumlr die
StresshormoneAdrenalinundNoradrenalinabdie
maximale Herzfrequenz unter koumlrperlicher Belas-
tungsinktvon200proMinutebeim20-Jaumlhrigenauf
durchschnittlich170proMinutebeim85-Jaumlhrigen
Atmungsorgane
Durch den Elastizitaumltsverlust des Lungengewe-
besunddiezunehmendeStarrheitdesBrustkorbs
kommteszurAbnahmedesLungenvolumensund
der Vitalkapazitaumlt Insgesamt wird in den Lungen
generellwenigerSauerstoffinsBlutaufgenommen
weshalb der Sauerstoffgehalt im Blut mit zuneh-
mendemAlterimmerniedrigerwird
Durch eine herabgesetzte Aktivitaumlt des Husten-
reflexesunddenRuumlckgangdesFlimmerepithelsim
Bronchialsystem ist die Selbstreinigungsfunktion
derAtemwegeimAlterherabgesetzt
Nierenfunktion und Fluumlssigkeitshaushalt
Nieren DieNieregehoumlrtzudenwenigenOrganen
desMenschenbeidenenesimAlterregelmaumlszligigzu
krankhaften Funktionseinschraumlnkungen kommt
dhaumlltereMenschenhabenkeinenormaleNieren-
funktionmehr
Fluumlssigkeitshaushalt Der Wassergehalt des Koumlr-
pers sinkt von 60 beim Erwachsenen auf unter
50 beim aumllteren Menschen Veraumlnderungen im
Fluumlssigkeits- und Elektrolythaushalt machen sich
alsoschnellerbemerkbarNebenderobenbeschrie-
benenAbnahmederNierenfunktionwirddieSteu-
P Bei Ausdauersportim
Alter muss der Puls bei
den Betroffenen beobachtet
werden er sollte bei koumlrperlicher
Belastung nicht dauerhaft uumlber
120 pro Minute ansteigen
M Nieren mit einer einge-
schraumlnkten Funktion re-
agieren extrem empfindlich auf
Fluumlssigkeitsmangel Schon nach
wenigen Tagen mit Fluumlssigkeits-
mangel (z B bei Durst Fieber
Diarrhouml) kann es zu einer akuten
Niereninsuffizienz (Nierenversa-
gen) kommen
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
5
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
erung des Fluumlssigkeitshaushaltes noch durch eine
veraumlnderte Durstregulation beeintraumlchtigt Durch
eine abnehmende Ausschuumlttung des Dursthor-
monsADHundeineherabgesetzteEmpfindlichkeit
dafuumlrhabenaumlltereMenschengenerellbeiFluumlssig-
keitsmangeleinvermindertesDurstgefuumlhlunddie
Nierereagiertnurlangsammiteinerverminderten
Fluumlssigkeitsausscheidung Insgesamt kommt es
deshalbimAlterverhaumlltnismaumlszligigraschundhaumlufig
zu Fluumlssigkeitsmangel und gefaumlhrlichen Veraumlnde-
rungenimElektrolythaushalt(Abb 12)
Harnwege Mit zunehmendem Alter nimmt die
RuhespannungderHarnblasenmuskelnzuunddas
Fassungsvermoumlgen der Harnblase ab es kommt
deshalbzueinemhaumlufigerenndashauchnaumlchtlichenndash
WasserlassenBeiuumlber70der70-jaumlhrigenMaumln-
nerfindetsicheineProstatavergroumlszligerungweshalb
das Wasserlassen verlangsamt ist Im Alter ist die
Blasenentleerung generell verlangsamt und ihre
Steuerung beeintraumlchtigt (bdquoWasserlassen auf Ra-
tenldquo)
Verdauungssystem
Im gesamten Verdauungstrakt kommt es zu einer
Abnahme der Darmbewegungen und einer Ver-
langsamung des Transports im Verdauungstrakt
wasletztendlichzuderimAltersehrhaumlufigenVer-
stopfung (Obstipation) fuumlhrt Durch die Ruumlckbil-
dung von Magen- und Darmschleimhaut werden
weniger Verdauungssekrete gebildet die Nahrung
wird deshalb weniger gut zerlegt und zahlreiche
Nahrungsbestandteile(wieEisenKalziumVitami-
ne) werden in geringeren Mengen aufgenommen
Durch die Abnahme der Stoffwechselleistung von
LeberundPankreaskannderinsBlutaufgenomme-
neZucker(Glukose)langsamerverarbeitetoderin
dieZellenaufgenommenwerdenweshalbeshaumlu-
figer zu Blutzuckerspitzen kommen kann Durch
dieherabgesetzteEntgiftungsfunktionderLeberim
Alter ist der Abbau von Alkohol verlangsamt und
seineWirkungverstaumlrkt
P Vorsicht Beim aumllteren
Patienten kann auch ei-
ne uumlbermaumlszligige Fluumlssigkeitszu-
fuhr zu gefaumlhrlichen Komplikati-
onen (z B Lungenoumldem bei ei-
ner bestehenden Herzinsuffizi-
enz) fuumlhren da die Niere in ihrer
Ausscheidungskapazitaumlt einge-
schraumlnkt ist
M Durch die herabgesetzte
Entgiftungsfunktion der
Leber im Alter ist der Abbau von
Alkohol verlangsamt und seine
Wirkung verstaumlrkt
Blut- und ImmunsystemDas blutbildende Knochenmark nimmt im Ver-
gleich zu jugendlichen Erwachsenen beim aumllteren
MenschenumcadieHaumllfteabundwirddurchFett
bzwBindegewebeersetzt(Abb 13)Beimgesun-
den aumllteren Menschen ergeben sich hieraus keine
wesentlichen Veraumlnderungen im normalen Blut-
bild allerdings ist die Antwort der koumlrpereigenen
ImmunabwehrgegenuumlberInfektionenverlangsamt
undherabgesetztDiebeiInfektionenmitBakteri-
en typische Vermehrung der weiszligen Blutkoumlrper-
chen (Leukozytose) kann bei aumllteren Menschen
voumllligfehleninsgesamtwirdderKoumlrperanfaumllliger
fuumlr Infektionen Bei starken Blutverlusten werden
die roten Blutkoumlrperchen (Erythrozyten) langsa-
mernachgebildetsodasseineBlutarmut(Anaumlmie)
schnellerauftrittundlaumlngeranhaumllt
Bewegungsapparat
MuskulaturDieMuskelmassenimmtvomErwach-
senenalteranstetigab(bei60-bis70-Jaumlhrigenum
ca30)DadurchergibtsicheinallgemeinerKraft-
und Leistungsverlust sowie die Neigung zu Fehl-
stellungen in den Gelenken da die Stabilisierung
durchdieMuskelngeringerwird
Knochen Durch Veraumlnderungen im Knochenstoff-
wechsel kommt es zur Abnahme des Kalksalzge-
haltesderKnochenmiteinerVerschmaumllerungdes
inneren Geruumlsts der Knochen und einer erhoumlhten
Knochenbruumlchigkeit (Frakturgefahr Abb 14)
DurchdasVersiegenderOumlstrogenproduktioninden
WechseljahrensindFrauenabdiesemAlterbeson-
ders von der Osteoporose (Knochenschwund) be-
troffenAndenGelenkenkommtessehroftdurch
AbnutzungsprozessezumVerlustdesKnorpeluumlber-
zuges und damit zu einer schmerzhaften Funkti-
onseinschraumlnkungdesGelenkes(Arthrose)
Haut
DasUnterhautfettgewebe(subkutanesFettgewebe)
bildet sich zuruumlck die Haut wird schlaffer weni-
ger elastisch und empfindlicher fuumlr Verletzungen
Durch die Abnahme der Talgdruumlsen ist die Haut
desaumllterenMenschentrockenerAnlichtexponier-
Abb 13 Blutbildendes Knochenmark (rotes Knochenmark) mit Fettzellen und Blutzellvorstufen (Foto nach Kuumlhnel Taschenatlas Histologie Thieme 2014)
neutrophilerPromyelozyt
Proerythro-blasten
Fettzellen
eosinophilerPromyelozyt
Abb 12 Ausreichendes Trinken ist im Alter besonders wichtig (Foto OVogl Thieme)
Abb 14 Im Alter steigt das Risiko einer Knochenfraktur (hier eine Fraktur des medialen Schluumlsselbeins) (Foto Y Kollrack Thieme)
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
6
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1tenStellenkanneszubraumlunlichenPigmentflecken
(bdquoAltersfleckenldquo)kommen(Abb 15)
Nervensystem
Mit zunehmendem Alter kommt es im gesamten
NervensystemzumVerlustvonNervenzellenAuch
dasHirngewichtnimmtum40ndash50ab(Altersatro-
phie)dafuumlrnimmtderGehaltanWasser (Liquor)
imGehirnzuDurcheineverzoumlgerteNervenleitge-
schwindigkeit nimmt das Reaktionsvermoumlgen ab
Die Folge sind langsamere Entscheidungen in un-
uumlbersichtlichen Situationen verzoumlgerte Orientie-
rungodererschwerteGedaumlchtnisbildung
Sinnesorgane
Augen Die durchschnittliche Sehschaumlrfe nimmt
aufgrund der Veraumlnderungen an Augenlinsen
HornhautundNetzhautimAlterabAbdem50Le-
bensjahrkanneszurAltersweitsichtigkeit(Presby-
opie) kommen Auch die Lichtempfindlichkeit der
NetzhautsowiedieReaktionsfaumlhigkeitderPupillen
lassen nach was zu einer verzoumlgerten Anpassung
desSehensimDunkelnfuumlhrt
Gehoumlr DieFaumlhigkeithoheFrequenzenwahrzuneh-
men geht laufend zuruumlck (Presbyakusis) betrof-
fen sind hierbei die houmlheren Toumlne und der obere
Sprachbereich(TuumlrklingelMusik)
Geschmack EskommtzueinerAbnahmevonGe-
ruchs-undGeschmacksfaumlhigkeit(vorallemfuumlrbdquosal-
zigldquo) weshalb alte Menschen oft uumlber den bdquolang-
weiligenldquo Geschmack des Essens klagen und nur
mangelhaftenAppetitzeigenDasDurstempfinden
istherabgesetztsodassauchbeierheblichemFluumls-
sigkeitsmangelnurweniggetrunkenwird
Hormonsystem
DienormalenAltersveraumlnderungenimHormonsys-
tembetreffenbeibeidenGeschlechterninersterLi-
niedieGeschlechtshormoneDieseVeraumlnderungen
haben Auswirkungen auf zahlreiche Organe aber
auchaufdassubjektiveVerarbeitendesbdquoAumllterwer-
densldquo Bei Frauen laumlsst zwischen dem 45 und 60
Lebensjahr die Bildung der Geschlechtshormone
OumlstrogenundProgesteronindenEierstoumlckennach
InderFolgebleibtdiePeriodenblutungausunddie
Fortpflanzungsfaumlhigkeit endet Die fehlende Wir-
kungdesOumlstrogenskannnochandereAuswirkun-
genwieeineBeckenbodenschwaumlcheeineHarnin-
kontinenzsowiedenAnstiegdesRisikosfuumlrOsteo-
poroseoderHerzinfarkthaben ImRahmendieser
bdquoWechseljahreldquo (Klimakterium) koumlnnen weitere
SymptomewieHitzewallungenSchwitzenSchlaf-
stoumlrungen oder Kopfschmerzen auftreten aber
auchmassivepsychischeProblemewieNervositaumlt
StimmungslabilitaumltoderDepressionen
AberauchbeiMaumlnnerngibteszwischendem45
und65LebensjahrbdquoWechseljahreldquomithormonel-
len Veraumlnderungen und ihren Auswirkungen auf
Koumlrper und Seele Durch das Nachlassen der Tes-
tosteronproduktionindenHodenkommteshaumlufig
zu einer Prostatavergroumlszligerung nachlassender se-
xuellerLustundErektionsstoumlrungenSinktderTes-
tosteronspiegel stark ab so koumlnnen Osteoporose
FettgewebszunahmeBlutarmutoderMuskelabbau
auftreten aber auch Hitzewallungen Stimmungs-
schwankungenoderDepressionen
AuchbeivielenanderenHormonenlaumlsstdieWir-
kung im Alter natuumlrlicherweise nach sei es durch
dieAbnahmederEmpfindlichkeit fuumlreinHormon
(zB beim Adrenalin) oder durch eine verminder-
teAusschuumlttungdurchdieHormondruumlsen(zBbei
derSchilddruumlse)DieAuswirkungensindallerdings
nicht soschwerwiegendwiebeidenGeschlechts-
hormonen
Abb 15 Durch Abnahme des Unterhautfettgewebes wird die Haut im Alter bdquoschlafferldquo Gut zu erkennen sind auch die Altersfle-cken (Foto Roman Stoumlppler Thieme)
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
7
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
Alter als Lebensphase und als ProzessLebenserfahrung Altern ist als die Lebensphase
bezeichnetworden indersichErfahrungenange-
haumlufthabenDerMenschverfuumlgtdannuumlbereinen
individuellen Erfahrungsschatz Lebenserfahrung
umfasst
ndash SelbsterkenntnisEinMenschkenntseineeigenen
StaumlrkenseineSchwaumlchenundBesonderheiten
ndash Handlungswissen Er weiszlig wie Dinge anzupa-
ckensind
ndash Menschenkenntnis Er hat ein Bild davon wie
Menschenhandelnundwiemit ihnenumzuge-
henist
ndash Einsicht in Lebenszusammenhaumlnge Er versteht
etwasvombdquoLebenldquokannauchmitdenUngewiss-
heitendiezumLebengehoumlrenumgehenErtraut
sich seinem Wesen gemaumlszlig zu leben bereichert
anderedamitundentscheidetfreiwoersichaus
Ruumlcksichtaufandereselbstzuruumlcknehmenwill
LebensruumlckschauMitdenJahrenverengtsichder
Lebenskreis Die Kontakte des Berufslebens be-
stehen nicht mehr gleichaltrige Freunde und Ver-
wandte sterben Reisen und sonstige Aktivitaumlten
fallen schwerer Waumlhrend die Orientierung nach
auszligenabnimmtgewinntdieBeschaumlftigungmitder
eigenenVergangenheitanBedeutung
SehrvieleswaseinMenschinKindheitundJu-
genderlebthatistdemGedaumlchtnisunwiederbring-
lich verloren gegangen Nur an Erlebnisse die fuumlr
einenMenschenbesondereemotionaleBedeutung
hattenerinnertmansichauchimAlternochgut
Lebensbewaumlltigung Manche schweren Erlebnis-
se konnten bis ins hohe Alter nicht so verarbeitet
werdendassderalteMenschRuhefindetGewalt-
erlebnisse gehoumlren dazu auch eigene Schuld die
nieausgesprochenundgesuumlhntwurde
Lebensdeutung Das menschliche Gedaumlchtnis be-
treibtnichtselteneineArtSchoumlnfaumlrbereiEsspei-
chert Erlebnisse nicht vollstaumlndig und auch nicht
zuverlaumlssigDienachtraumlglicheSinndeutungveraumln-
dertundverschoumlntbelastendeEreignisseimLeben
undmachtsieimNachhineinertraumlglichDiesistei-
neunbewussteBewaumlltigungsstrategie
Lebensbilanz
Auchschon immittlerenAlter schauenMenschen
aufihrbisherigesLebenzuruumlckundziehenBilanz
Im Alter kommt verstaumlrkt das Bewusstsein hinzu
dassdasDaseinunddaseigeneLebenendlichsind
DieFragenachdemSinndes(seines)Lebensmuss
jeder Mensch selbst fuumlr sich beantworten Beim
Bilanzziehen finden Menschen auch fuumlr schwere
Erlebnisse einen Sinn Statt mit einem schweren
SchicksalzBeinerKrankheitzuhadernerkennen
sieeinWozu
LebensphasenEs hat sich als nuumltzlich erwiesen den Lebensab-
schnittAlterfeinerzuuntergliederndenninnerhalb
diesesAbschnittsgibtesstarkeVeraumlnderungenDie
Phase kann nach dem kalendarischen oder auch
nachdembiologischenAlterunterteiltwerden
Kalendarisches AlterEsrichtetsichnurnachdem
GeburtsjahrAlleamgleichenTagGeborenensind
gleichaltSosprichtTews(1996)vonden
ndash jungenAltenoderdemdrittenLebensalter(Ende
60bisMitte70)
ndash altenAltenoderdemviertenLebensalter(Mitte
70bisEnde80)
ndash Hochbetagten(Ende80bis100)
ndash Langlebigen(uumlber100)
Biologisches AlterDasbiologischeAlterfragtnach
alterstypischenVeraumlnderungendesKoumlrpersystems
bzwnachkoumlrperlichenProzessendesAlternsWie
frisch oder verbraucht sind Zellen Gewebe und
OrganeSokannein70-jaumlhrigerMenschaufgrund
von guter Gesundheit die Vitalkapazitaumlt eines
durchschnittlichen60-JaumlhrigenhabenSeinbiologi-
schesAlterwaumlredemnacherst60Jahre
MoumlglichwaumlrezBaucheineGliederungnach
ndash sozialemStand(imBerufslebenRentnerselbst-
staumlndigabhaumlngigvonHilfelebend)
ndash Aktivitaumlten und Interessen (erschlieszligt sich je-
mandnochNeues)
ndash Selbsteinschaumltzung(werfuumlhltsichaltwerfuumlhlt
sichjung)
Veraumlnderungen beim AlternImalterndenMenschenwirkenpsychologischeund
biologische Entwicklungen sowie Veraumlnderungen
seinerStellung inderGesellschaftzusammenund
fuumlhren zu Wechselwirkungen (Freund 2003) Per-
soumlnliche Erfahrungen geben dem Menschen eine
neueIdentitaumlt
Allmaumlhlicher Uumlbergang
Beim Altern erfaumlhrt der Mensch etwas Aumlhnliches
wiebeidenUumlbergaumlngeninfruumlherenLebensaltern
zBinderPubertaumltdochwerdendieVeraumlnderun-
gen meist nicht als bdquovorteilhaftldquo empfunden Zu-
mindestdiekoumlrperlichenZeichenwerdenalsVer-
lusteerlebt(Riemann2005)
Besondersschwierig istdasAumllterwerdenfuumlrdie
MenschenderenSelbstbildsichanFitnessundju-
gendlicherSchoumlnheitorientierteunddieihrLeben
langeinnegativesAltersklischee(bdquokrankundhaumlss-
lichldquo)hattenFuumlrsie istesschockierendwennsie
AlterserscheinungenansichwahrnehmenAndere
Menschen wiederum erkennen va die Chancen
des Alters Sie bleiben seelisch jung und erleben
dasssichdasLebennocheinmalneuoumlffnet
M Da der Prozess des Al-
terns uumlber weite Stre-
cken allmaumlhlich verlaumluft spuumlrt
man ihn selbst meist kaum und
erst andere machen einen da-
rauf aufmerksam dass man aumll-
ter geworden ist
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
8
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1Welche Modelle von Gesundheit und Krankheit gibt esDaswasunterGesundheitbzwKrankheitverstan-
den wird unterliegt geschichtlichen kulturellen
wissenschaftstheoretischenundauchindividuellen
Einfluumlssen
Biomedizinisches Krankheits modellDieses Modell von Krankheit ist einseitig krank-
heitsorientiert und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesundheit sind fest zu
bestimmendeZustaumlndebeideneneinerdenande-
ren ausschlieszligt Das Modell basiert auf folgenden
Grundannahmen
ndash JedeKrankheitkannaufeinebestimmteGrund-
schaumldigung des Koumlrpers zuruumlckgefuumlhrt werden
die entweder in der Zelle oder in einer Stoumlrung
mechanischer oder biochemischer Ablaumlufe be-
steht
ndash JedeKrankheithateinespezifischeUrsacheund
einenspezifischenVerlaufdersichbeschreiben
undvorhersagenlaumlsstunddersichohnemedizi-
nischeInterventionverschlimmert
ndash Krankheit ist objektiv dh unabhaumlngig von der
jeweilserkranktenPersonzubestimmenKrank-
heitundGesundheitwerdenalsstatischestarre
Zustaumlndebetrachtet
ndash KrankheitenaumluszligernsichinbestimmtenSympto-
mendievonentsprechendgeschultenExperten
diagnostiziertwerden
ndash Gesundheit kann nur im Zusammenhang mit
KrankheitnaumlmlichalsbdquoFreiseinvonKrankheitldquo
unddamitnegativdefiniertwerden
DieseAusrichtungspiegeltsichbisheuteimdeut-
schenGesundheitswesenwider
Das biomedizinische Modell hatte auch starken
EinflussaufdieAufgabenderPflegeDieNotwen-
digkeit pflegerischer Taumltigkeit war dann gegeben
wenn ein Mensch krank wurde und umfasste vor
allemdiePflegedeskrankenKoumlrpersErstlangsam
zeichnet sich im Gesundheitswesen ein Wandel
wegvondereinseitigkrankheitsorientiertenSicht-
weisehinzurPraumlventionundRehabilitation
M Die SichtweisevonGe-
sundheitundKrank-
heit hat im Lauf der Geschichte
der Menschheit einen starken
Wandel durchlaufen
M Das biomedizinische
ModellvonKrankheit
ist einseitig krankheitsorientiert
und auf koumlrperliche Stoumlrungen
bezogen Krankheit und Gesund-
heit sind fest zu bestimmende
Zustaumlnde bei denen einer den
anderen ausschlieszligt
Stress-Coping-ModellDas medizinische Krankheitsmodell erfuhr vor al-
lem durch die psychosomatischen Erklaumlrungsmo-
delle fuumlr die Pathogenese dh fuumlr die Entstehung
von Krankheit eine Erweiterung Einer dieser An-
saumltze ist das sog bdquoStress-Coping-Modellldquo (Belas-
tungs-BewaumlltigungsmodellAbb 16)
NachdiesemModellsindnichtmehrnurkoumlrper-
licheUrsachenanderEntstehungvonKrankheitbe-
teiligtsondernauchpsychischeundsozialeFakto-
renInAbhaumlngigkeitvondenindividuellenBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten (Coping-Strategien) entschei-
detsichobundinwelcherWeisegesundheitliche
KonsequenzenfuumlrdenBetroffenenentstehen
BeidenBewaumlltigungsmoumlglichkeitenwerdenper-
soumlnlicheundkollektiveBewaumlltigungsmoumlglichkeiten
unterschiedenZudenpersoumlnlichenBewaumlltigungs-
moumlglichkeitengehoumlrenuapsychischeFaumlhigkeiten
des betroffenen Menschen wie Selbstbewusstsein
und Selbstvertrauen Kollektiven Bewaumlltigungs-
mechanismen werden zB gute Beziehungen zu
Freunden oder die Einbindung in soziale Gruppen
zugeordnet
SinddieBewaumlltigungsmoumlglichkeiteneinesMen-
schen nicht ausreichend koumlnnen die Stressoren
Stress im psychosozialen Erleben des Betroffenen
ausloumlsen der sich wiederum auf das organisch-
somatischeGeschehennegativauswirktAmEnde
kannsicheineErkrankungmanifestieren
Gesundheitsdefinition der WHO
Gegen die starke Ausrichtung auf den Krankheits-
begriffunddieeinseitigaufkoumlrperlicheStoumlrungen
ausgerichtete Betrachtungsweise des biomedizini-
schenModellswandtesichbereits1946dieWeltge-
sundheitsorganisation (WHO) mit ihrer Definition
(slinkeSpalte)
ndash Gesundheitwurdeerstmalsnichtnuralskoumlrper-
liche Gesundheit beschrieben wodurch gleich-
zeitig neben koumlrperlichen auch psychische und
soziale Faktoren zur Entstehung von Krankheit
beitragenkoumlnnen
M Krankheit entsteht nach
dem Stress-Coping-Mo-
dell durch ein Ungleichgewicht
zwischen auf den Menschen ein-
wirkenden Stressoren einerseits
und Bewaumlltigungsmoumlglichkeiten
des betroffenen Menschen ande-
rerseits
D Gesundheitsdefinition
der WHO (1946) bdquoGe-
sundheit ist ein Zustand voll-
kommenen koumlrperlichen geis-
tigen und sozialen Wohlbefin-
dens und nicht allein das Fehlen
von Krankheit und Gebrechenldquo
(zitiert nach Schwartz et al
1998 S 10 f)
Rollen-diskontinuitaumltDeprivationrelativeDeprivation
Arbeits- und berufs-spezifische Belastungen
Liveevents
AlltaumlglichesGeschehen
=
Psycho-sozialesErleben=Stress
Organisch-somatischesGeschehen=Stress
VorbotenderKrankheit
Krankheit
Coping
Sozialstruktur Individuum Organismus
Abb 16 Stress-Coping-Modell
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
10
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
9
111 ALTER GESUNDHEIT KRANKHEIT BEHINDERUNG UND PFLEGEBEDUumlRFTIGKEIT
bull
derungen eine Auseinandersetzung wert sind
und mit den zur Verfuumlgung stehenden Ressour-
cenbewaumlltigtwerdenkoumlnnen
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
ndash Gesundheit und Krankheit sind keine Zustaumln-
de die sich gegenseitig ausschlieszligen sondern
gegenuumlberliegende Pole eines Kontinuums auf
dem sich ein Mensch entweder naumlher zum Pol
GesundheitoderzumPolKrankheiteinordnet
ndash Jeder Mensch traumlgt gleichzeitig gesunde und
krankeAnteileinsichundistzueinembestimm-
tenZeitpunktentwederdemPolGesundheitoder
demPolKrankheitnaumlherbzwweiterentfernt
Stressoren und Spannungszustand
ndash sindphysikalischebiochemischeundpsychoso-
zialeFaktorendieaufdenMenscheneinwirken
undeinenSpannungszustanderzeugen
ndash WirdderSpannungszustandnichtbewaumlltigtent-
steht eine belastende Situation die zur Schwauml-
chungderkoumlrperlichenGesundheitfuumlhrenkann
ndash DasKohaumlrenzgefuumlhleinesMenschenkanneiner-
seitshelfenStressorenalsneutralalsonichtbe-
drohlichzubewertenandererseitstraumlgtesdazu
bei situationsangemessen und auf die Loumlsung
desProblemsausgerichtetzureagieren
ndash Eine erfolgreiche Spannungsbewaumlltigung hat
eine gesundheitserhaltende bzw sogar gesund-
heitsfoumlrderndeWirkung
Generalisierte Widerstandsressourcen
ndash beeinflussen die Bewaumlltigung eines Spannungs-
zustandes
ndash dazu zaumlhlen ua koumlrperliche Faktoren Intelli-
genz finanzielle Moumlglichkeiten soziale Unter-
stuumltzungundkulturelleEingebundenheit
ndash koumlnneninunterschiedlichenSituationenundLe-
bensereignissen wirksam werden und erhoumlhen
dieWiderstandsfaumlhigkeiteinesMenschen
ndash Gesundheit wurde nicht mehr nur allein durch
objektive Faktoren bestimmt sondern umfasste
mit der Formulierung bdquoWohlbefindenldquo auch das
subjektiveErleben
ndash GesundheitwurdehierunabhaumlngigvonKrankheit
undineinerpositivenFormulierungdefiniert
Salutogenetisches Modell
Die Schwerpunktsetzung der WHO weg von der
Krankheit und hin zur Gesundheit hat sich auch
in den neueren Erklaumlrungsmodellen zur Entste-
hungvonKrankheitniedergeschlagenEinerdieser
Ansaumltze geht auf den amerikanischen Medizinso-
ziologen Aaron Antonovsky zuruumlck der 1987 sein
Modell der bdquoSalutogeneseldquo vorstellte Schon mit
derBezeichnungseinesAnsatzesmachtAntonovs-
ky deutlich dass es ihm mit seinem Modell nicht
um die Erklaumlrung der Entstehung von Krankheit
der Pathogenese sondern um die Erklaumlrung der
EntstehungvonGesundheitdhderSalutogenese
(griechEntstehungvonGesundheit)geht
Antonovsky versteht Gesundheit und Krankheit
nicht als zwei Zustaumlnde die sich gegenseitig aus-
schlieszligen wie es beispielsweise im biomedizini-
schenModellderFallistErbetrachtetGesundheit
und Krankheit als dynamischen Prozess der zwi-
schendenbeidenPolenbdquosichergesundldquoundbdquosicher
krankldquo eine Reihe von ineinander uumlbergehenden
Zwischenbereichen aufweist Ebenso konzentriert
sichseinAnsatznichtaufbdquokrankmachendeldquoRisiko-
faktorensondernaufbdquogesundmachendeldquoBewaumllti-
gungsmoumlglichkeiten die er auch als Gesundheits-
faktorenoderbdquoCoping-Ressourcenldquobezeichnet
Das Modell der Salutogenese besteht aus vier
zentralenKonzepten(Abb 17)
Kohaumlrenzgefuumlhl
ndash eine Grundhaltung der Welt und dem eigenen
Lebengegenuumlber
ndash eine Art Vertrauen eines Menschen darin dass
Ereignisse im Lebenslauf erklaumlrt als Herausfor-
M Gesundheit wird als
Ergebnis einer erfolg-
reichen Spannungsbewaumlltigung
betrachtet Hieran sind maszliggeb-
lich das Kohaumlrenzgefuumlhl eines
Menschen das zur Aktivierung
und Auswahl der geeigneten
Ressourcen beitraumlgt und die ge-
neralisierten Widerstandsres-
sourcen beteiligt
Sozio-kulturellerundhisto-rischerKontext
SpezifischeLebenser-fahrungen
Kohaumlrenz-gefuumlhl
Erfolg-reicheSpannungs-bewaumlltigung
Stress-zustand
Psychosoziale physischeund biochemische Stressoren
Spannungszustand
Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Krankheits-erzeugerundbdquoschwacheGlieder inder Ketteldquo
ErfolgloserVersucheinerSpannungs-bewaumlltigung
Psychosozi-ale gene-tische undkonstitutio-nelle gene-ralisierteWider-standsres-sourcen
Abb 17 Vereinfachte Darstellung der Gesundheitstheorie nach Antonovsky
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11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
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112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
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11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
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11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
bull
1Was bedeuten Behinderung und PflegebeduumlrftigkeitBehinderungIn der Definition der Behinderung hat sich heu-
te die Dreigliederung des Gesundheitsbegriffs der
WHO durchgesetzt Wir sprechen also von Behin-
derungdeskoumlrperlichengeistigenoderseelischen
ZustandsdesMenschenBehinderungistbestimmt
durchdieProblemedesbetroffenenMenschenam
Leben in der Gesellschaft teilzuhaben nicht aber
durcheinGesundheitsproblemansich
Arten der Behinderung
Behinderungen koumlnnen durch Krankheit Unfaumllle
oder ein angeborenes Leiden verursacht werden
AbhaumlngigvonderUrsachederEinschraumlnkungkoumln-
nendreiArtenunterschiedenwerden
ndash KoumlrperlicheBehinderungistcharakterisiertdurch
EinschraumlnkungeninderBewegungsfaumlhigkeitder
LeistungsfaumlhigkeitoderderSinnesorgane
ndash Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch
Probleme Zusammenhaumlnge zu verstehen oder
sichzuorientieren
ndash Seelische Behinderung bedeutet dass sich ein
Mensch durch psychische Erkrankungen zB
Schizophrenie Depression oder Suchtkrankheit
nichtmehrinderGesellschaftzurechtfindet
Folgen der Behinderung
Behinderung hat weitreichende Folgen nicht nur
fuumlrdenbetroffenenMenschenselbstsondernauch
fuumlrdieFamilieunddieGesellschaftinsgesamt
ndash PersoumlnlicheFolgenDieskoumlnnenzBEinschraumln-
kungeninderkoumlrperlichenBeweglichkeitinder
Unabhaumlngigkeit und in Freizeitaktivitaumlten sein
DamitgehenberuflicheundwirtschaftlicheFol-
genundletztlichwiederProblemeindersozialen
Integrationeinher
ndash Familiaumlre Folgen Fuumlr die Familie bedeutet ein
behindertes Familienmitglied haumlufig ebenfalls
gestoumlrte soziale Beziehungen moumlglicherweise
verursachtdurchPflegebeduumlrftigkeitdesBehin-
dertenundauchdurchfinanzielleBelastungen
ndash Gesellschaftliche Folgen Auch fuumlr die Gesell-
schaft selbst sind negative Auswirkungen durch
Fuumlrsorgeanspruch und Produktivitaumltsverlust
durchdieBehinderungzuverzeichnen
Internationale Klassifikation (ICF) der WHO
Seit2001giltdiebdquointernationaleKlassifikationder
Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheitldquo
(ICF)derWHOdieseitOktober2005alsdeutsch-
sprachigeEndfassungvorliegtDieICF-Klassifikati-
M Drei Arten der Behinde-
rung
ndash koumlrperliche
ndash geistige
ndash seelische Behinderung
M Drei Folgen der Behinde-
rung
ndash persoumlnliche
ndash familiaumlre
ndash gesellschaftliche Folgen
on dient laumlnderuumlbergreifend als einheitliche Spra-
chezurBeschreibung
ndash desfunktionalenGesundheitszustands
ndash derBehinderung
ndash dersozialenBeeintraumlchtigung
ndash der relevanten Umgebungsfaktoren eines Men-
schen
PflegebeduumlrftigkeitNach dem Sozialgesetzbuch XI sect141 (Pflegeversi-
cherung) ist Pflegebeduumlrftigkeit definiert bdquoPflege-
beduumlrftigimSinnediesesBuchessindPersonendie
wegeneinerkoumlrperlichengeistigenoderseelischen
KrankheitoderBehinderungfuumlrdiegewoumlhnlichen
und regelmaumlszligig wiederkehrenden Verrichtungen
imAblaufdestaumlglichenLebensaufDauervoraus-
sichtlich fuumlrmindestenssechsMonate inerhebli-
chemoderhoumlheremMaszlige(sect15)derHilfebeduumlr-
fenldquo
MenschenmitBehinderungsindinunterschied-
licherWeiseaufHilfeangewiesensiesindoftauch
pflegebeduumlrftigPflegebeduumlrftigkeitkannalsFolge
einer koumlrperlichen oder geistigen bzw seelischen
Krankheit bzw Behinderung entstehen Organi-
sche Erkrankungen einerseits und psychische Er-
krankungen andererseits werden gleichberechtigt
nebeneinandergestellt Das Ausmaszlig der Pflegebe-
duumlrftigkeit wird anhand des regelmaumlszligigen taumlgli-
chen zeitlichen Aufwands fuumlr Hilfestellungen bei
Koumlrperpflege Ernaumlhrung Mobilitaumlt und der haus-
wirtschaftlichenVersorgungfestgestellt
NachErkenntnissenderPflegewissenschaftenist
PflegebeduumlrftigkeiteinkomplexesGeschehenver-
schiedenerDimensionen
ndash SozialeDimensionPflegeistimmerBeziehungs-
pflegedhsiewirdvonMenschenanMenschen
vollzogendie ineinersozialenBeziehungzuei-
nanderstehen
ndash Oumlkonomische Dimension Pflegebeduumlrftigkeit
die eine Dienstleistung erforderlich macht ist
teuerundkannmitzunehmendemPflegebedarf
ausdeneigenenfinanziellenMittelnderRenten
bzwPensionennichtmehraufgebrachtwerden
ndash PsychischeDimensionDieErfahrungderAbhaumln-
gigkeitvonanderenisteineexistenziellverunsi-
cherndeErfahrungindereigenenIdentitaumlt
ndash Soziologische Dimension Die Zahlen der Bevoumll-
kerungsentwicklung eroumlffnen eine ungewisse
Zukunft fuumlr das eigene Alter Der alte Generati-
onenvertragwirdinZukunftnichtmehrgelten
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112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
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11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
11
112 KoNzEPTE MoDELLE UND THEoRIEN DER PFLEGE
Was sind Konzepte Modelle und TheorienWiejedeandereWissenschaftbedientsichdiePfle-
gewissenschaftbestimmterBegriffeDieseBegriffe
muumlssen zunaumlchst in ihrer Bedeutung geklaumlrt wer-
denumdieVerstaumlndigunguntereinanderundmit
anderenWissenschaftenzuerleichtern
Haumlufigtrifftmaninderpflegewissenschaftlichen
Literatur auf die Begriffe bdquoMetaparadigmaldquo bdquoKon-
zeptldquobdquoModellldquoundbdquoTheorieldquowobeidieseoftnicht
klarvoneinanderunterschiedensondernbisweilen
synonym verwendet werden was zu einer gewis-
senIrritationfuumlhrtEinGrundfuumlrdieseuneinheit-
liche Begriffsverwendung liegt ua darin dass im
angloamerikanischen Raum aus dem zahlreiche
pflegewissenschaftliche Veroumlffentlichungen stam-
men andere Fachbegriffe verwendet werden oder
esschlichtzuUumlbersetzungsfehlernkommt
Eine wissenschaftstheoretische Eroumlrterung uumlber
die Zweckmaumlszligigkeit der Begriffsverwendungen
kannundsollandieserStellenichtgefuumlhrtwerden
zweckmaumlszligigistjedocheinekurzeDefinitiondieser
Begriffe
Metaparadigma
UnterdemBegriffbdquoMetaparadigmaderPflegeldquower-
denvierKernelementezusammengefasst (Fawcett
1998)
ndash MenschPerson
ndash Umwelt
ndash GesundheitWohlbefinden
ndash Pflege
InPflegetheoriengroszligerReichweite(sunten)wer-
den Aussagen uumlber diese vier Kernelemente und
derenZusammenhaumlngegetroffen Jenachdemauf
welche Art und Weise eine Pflegetheoretikerin
diese Elemente beschreibt ergibt sich daraus das
PflegeverstaumlndnisdasihrerPflegetheoriezugrunde
liegtDievierKernelementesindBestandteileiner
jedenPflegetheoriegroszligerReichweitesieerlauben
denVergleichverschiedenerTheorienuntereinan-
der(Hunink1997)
Konzept
Genau genommen handelt es sich beim Metapa-
radigmaderPflegeumvierKonzeptealsoumge-
danklicheIdeendieineinerPflegetheoriebegriff-
lichumschriebenwerden
Konzepte koumlnnen als kleinste Bausteine einer
TheorieodereinesModellsbezeichnetwerdenund
werdeninderPflegeinzweiverschiedenenFormen
genutzt
ndash KonzepteimSinnevonabstraktenKonstrukten
ndash KonzepteimSinnevonkonkretenHandlungsplauml-
nen
Konzepte im Sinne von Konstrukten Konstrukte
sind sprachliche Begriffe oder Beschreibungen fuumlr
D Der Begriff Metapara-
digma der Pflege fasst
i d R die vier Kategorien
bdquoMenschPersonldquo bdquoUmweltldquo
bdquoGesundheitWohlbefindenldquo
und bdquoPflegeldquo zusammen (Faw-
cett 1998)
D Von einem Konzept
spricht man wenn ko-
gnitive Vorstellungen von Phauml-
nomenen in einem Begriff zu-
sammengefasst werden (Faw-
cett 1998)
DingeoderErscheinungendienichtkonkretbeob-
achtbarsind
B Der Schmerz ist eine abstrakte Idee Schmerzen
sind nicht direkt sichtbar oder greifbar sondern
nur indirekt durch verbale oder nonverbale Aumluszligerungen
wahrnehmbar Und doch haben wir alle eine geistige
Vorstellung dieses Phaumlnomens
Konzepte im Sinne von konkreten Handlungsplauml-
nen Konzepte in diesem Sinne sind Handlungs-
empfehlungendie sich aus einer Theorie ableiten
lassenundevtlineinemModellihrenNiederschlag
finden
B Die Theorie zur Entstehung des Dekubitus be-
schreibt wie als Folge von Druck und Zeit an be-
stimmten Gewebestellen eine Durchblutungsstoumlrung
eintritt und damit die Entstehung eines Dekubitus be-
guumlnstigt wird Aus der Theorie wurden konkrete Hand-
lungsempfehlungen (Konzepte) zur Dekubitusprophy-
laxe abgeleitet
Aus den praktischen Erprobungen muumlssen Ruumlck-
schluumlsse auf die Geltung von Theorien gezogen
werden worauf diese revidiert werden Die Kon-
zeptezurDekubitusprophylaxe(sBeispiel)muumlssen
inderPraxisuumlberpruumlftwerdenumdieTheoriezu
bestaumltigenzuvervollstaumlndigenoderzuwiderlegen
(Abb 18)
TheoriendashModellndashKonzeptndashPraxis
Pflegetheorie
1
1
2
3
4
2
3
4
Pflegemodelle
Konzepte Konzepte
Pflegepraxis
Theorien werden in der Praxis uumlberpruumlft bestaumltigt oder abgelehnt
Theorien koumlnnen in vereinfachter Form in Modellen abgebildet werden und damit in der Praxis Anwendung finden
Konzepte enthalten reduzierte Elemente einer Theorie oder eines Modells aus denen Handlungen fuumlr die Praxis abgeleitet werden koumlnnen
Jeder bewussten Handlung liegt eine theoretische Annahme zugrunde die sich in Theorien wiederfindet
Abb 18 Pflegetheorien werden mithilfe von Modellen und Kon-zepten in die Pflegepraxis umgesetzt
$
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-
12
11ensp THEORETISCHEenspGRUNDLAGENenspINenspDASenspALTENPFLEGERISCHEenspHANDELNenspEINBEZIEHEN
1ModellModelle helfen uns einen komplexen Sachverhalt
zu veranschaulichen ndash ihn bdquogreifbarldquo zu machen
indemsieihninvereinfachterFormwiedergeben
AuchimZusammenhangmitdenPflegetheorien
findenModelleihreAnwendungModelleermoumlgli-
cheneseineTheorieinderPraxisanzuwendenSie
erlaubenesAnnahmenzutestenundHandlungen
durchzuspielen Nutzt man ein Modell ist es not-
wendig seine Bedingungen zu nennen oder sich
bewusstzuseinwasseinerKonstruktionzugrunde
liegt
ModellewerdenausTheorienabgeleitetMithilfe
vonModellenwerdenTheorienaufdiePraxisbezo-
genunduumlberpruumlft
Theorie
Eine Theorie soll dazu beitragen ein Phaumlnomen
schluumlssigndashdhbeweisbarndashzuerklaumlrenZudiesem
Zweck werden in einer Theorie Elemente des zu
erklaumlrendenPhaumlnomensineinesystematischeOrd-
nung gebracht Theorien werden unter Ruumlckgriff
auf Erfahrung (Beobachtung Versuch usw) wis-
senschaftlicheGrundannahmen(Hypothesen)und
dendarausabgeleitetenGesetzmaumlszligigkeitenentwi-
ckelt (Brandenburg u Dorschner 2003) und koumln-
nen selbst wiederum wissenschaftlich untersucht
werdenSiesindalsoinsichlogischeVermutungen
oder Erklaumlrungen zu bestimmten Erscheinungen
(ChinnuKramer1996)
EineTheorieweistfolgendeMerkmaleauf
ndash kreativeundpraumlziseStrukturierungvonIdeen
ndash Vorlaumlufigkeit
ndash Zielgerichtetheit
ndash systematischeBetrachtungsweise
Kreative und praumlzise Strukturierung von Ideen
Ideen sind hier gedankliche Konstruktionen eines
Zusammenhanges zwischen verschiedenen Phauml-
nomenenFaktoren die in der Realitaumlt beobachtet
werden koumlnnen Phaumlnomene koumlnnen Verhaltens-
weisen bzw wahrgenommene Vorgaumlnge oder Er-
eignisse aus der Praxis sein Welche Phaumlnomene
eine Theorie beruumlcksichtigt obliegt der kreativen
EntscheidungbeiderTheoriebildung
Vorlaumlufigkeit Eine Theorie ist nichts Endguumlltiges
ihreGuumlltigkeitistvielmehrvorlaumlufigSieistsolan-
ge guumlltig bis die Beobachtungen der Realitaumlt ihr
widersprechenTheoriensindrelativundnichtfuumlr
immerundewiggegeben
Zielgerichtetheit Jede Theoretikerin verfolgt mit
der Erstellung einer Theorie einen bestimmten
ZweckJedeTheorieinderPflegeverhilftdamitdi-
rektoderindirektdieauftretendenPhaumlnomenein
derPflegezuverstehensowieHandlungsanweisun-
gendarausabzuleitenundzubegruumlnden
D Ein Modell ist eine ver-
einfachende Darstellung
eines Problems eines Gegen-
standes oder einer Handlung Es
erleichtert deren Betrachtung
oder macht eine Betrachtung
uumlberhaupt erst moumlglich (Bran-
denburg u Dorschner 2003)
Theorie s auch S 15
D Eine Theorie ist bdquoeine
kreative und praumlzise
Strukturierung von Ideen die ei-
ne vorlaumlufige zielgerichtete und
systematische Betrachtungswei-
se von Phaumlnomenen ermoumlglichtldquo
(Chinn u Kramer 1996)
Systematische Betrachtungsweise Eine Betrach-
tungsweise ist dann systematisch wenn sie einen
zeitlichen kausalen oder finalen Zusammenhang
erkennen laumlsst Der gedankliche Zusammenhang
kann zeitlich begruumlndet sein indem eine Abfolge
desVorherundNachherhergestelltwird
B Eine theoretische Aussage koumlnnte lauten bdquoDer
Genesungsprozess eines kranken Menschen ver-
laumluft schneller wenn eine Bezugspflegende diesen Men-
schen ganzheitlich-foumlrdernd pflegtldquo In einer Theorie
muumlssten zunaumlchst einmal die Begriffe (bzw Konzepte)
bdquoGenesungsprozessldquo und bdquoganzheitlich-foumlrdernde Be-
zugspflegeldquo erlaumlutert und deren Zusammenhang dar-
gestellt werden Die theoretische Aussage selbst kann
dann wissenschaftlich (z B durch vergleichende Unter-
suchungen zwischen Pflegebereichen) auf ihre Richtig-
keit hin uumlberpruumlft werden
Praxisrelevanz von PflegetheorienDer Zusammenhang von Theorie und Praxis ist
nichtimmerdeutlichTatsaumlchlichbietennichtalle
bereits entwickelten Pflegetheorien konkrete An-
weisungendaruumlberwiewirbestimmteSituationen
inderPflegegestaltenkoumlnnensonderneineViel-
zahlistwesentlichabstrakter
Funktionen von Pflegetheorien
Mit einer Theorie kann die jeweilige Autorin ver-
schiedeneZieleverfolgenManunterscheidetdem-
nach vier Kategorien von Pflegetheorien (Hunink
1997Meleis1999)
ndash beschreibende(deskriptive)Theorien
ndash erklaumlrendeTheorien
ndash voraussagendeTheorien
ndash vorschreibende(praumlskriptive)Theorien
Abstraktionsniveau von Pflegetheorien
Pflegetheorien koumlnnen in einem sehr konkreten
VerhaumlltniszurpflegerischenPraxisstehensiekoumln-
nenaberauchscheinbarweitdavonentferntalso
sehrbdquoabstraktldquoseinNachihremGradanAbstrakt-
heit (ihrembdquoAbstraktionsniveauldquo Abb 19)unter-
scheidetdieamerikanischePflegewissenschaftlerin
AfafIbrahimMeleis
ndash TheoriengroszligerReichweite(Haupttheorienoder
bdquograndtheoriesldquo)
ndash Theorien mittlerer Reichweite (bdquomiddle-range
theoriesldquo)
ndash TheoriengeringerReichweite(bdquosituationsspezifi-
scheTheorienldquooderbdquoPraxistheorienldquo)
Obwohl die abstraktesten Pflegetheorien (Theo-
rien groszliger Reichweite) scheinbar wenig konkre-
te Hinweise fuumlr das pflegerische Handeln bieten
sollte deren Nutzen fuumlr die Pflegepraxis nicht un-
terschaumltzt werden Viele Konflikte im Bereich der
Altenpflege entstehen zB dann wenn Pflegende
untereinander nicht geklaumlrt haben welches Ver-