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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. IMPULS-ENTSTEHUNG I N S T R E C K R E C E P T O R E N 591 höherer Lebewesen stößt bezüglich der Schrump- fungsprozesse auf keine Schwierigkeiten. Man wird hier an die „einfache Sdirumpfung" Spielmeyers erinnert. Aber wo sollen die „großen blassen Nerven- zellen" der Insekten eingeordnet werden? Die Abb. 6 zeigt links eine Schwundzelle aus dem Gehirn des Menschen * bei einem chronisch degenerativen Prozeß, in der Mitte eine Zellschwellung mit Chromatolyse (Tigrolyse) bei einer Vorderhornzelle nach Intoxika- tion und rechts eine normale Nervenzelle mit typi- schen Tigroidschollen aus der Brücke. Bei der Zelle in der Mitte sieht man die Schwellung der ganzen Zelle und die Auflösung der basophilen Substanz des Zelleibs. Die Zelle ist groß und blaß. Auch der Kern ist groß und hell. Bei der linken Zelle ist der wesentliche Befund ebenfalls Armut des Zelleibes an färbbarer Substanz und der helle, inktakte Kern. Die Zelle ist aber im ganzen nicht gebläht, sondern der Zelleib verkleinert, im Schwinden begriffen. Ver- gleicht man diese Bilder mit den großen blassen Zel- len der Insekten nach Insektizid-Vergiftung, so er- geben sich Ähnlichkeiten mit beiden Prozessen, aber auch Unterschiede (Abb. 2 und 3). Die Schwundzel- len V o g t s entsprechen in der menschlichen Neuro- * Für die Überlassung von menschlichen Präparaten mit Schwundzellen danken wir Herrn Prof. V o g t , Neu- stadt, auch an dieser Stelle herzlich. Die menschlichen Präparate mit akuten Schwellungszuständen der Nz ver- danken wir Herrn Prof. S c h o l z , München, der uns auch in liebenswürdiger Weise beriet. pathologie aber wohl ausschließlich sehr langsam ab- laufenden atrophischen Zuständen. Die tatsächliche Natur der Veränderungen bei den Insekten wird noch aufzuklären sein. Bisher hatten wir keine Gelegen- heit, das Zentralnervensystem des Menschen nach tödlich verlaufenden Insektizid-Vergiftungen zu un- tersuchen. Bei anderen Vergiftungen, darunter auch der Phosphorvergiftung, sieht man bei einer mehr oder minder großen Zahl von Nervenzellen das Bild der akuten Schwellung (mittleres Bild). Bezüglich der E 605-Vergiftung des Menschen liegt eine neuere Arbeit von B ö h m e r 8 vor. Im Gehirn fanden sich neben Hyperämie mit Blutaustritten und Ödem bei einigen Fällen auch Nervenzell-Veränderungen. Die Strukturen der Ganglienzellen waren teilweise ver- waschen, unklar. Das körnige Pigment ging in das umgebende Gewebe über. Einmal fanden sich am Boden des 4. Ventrikels einzelne Ganglienzell-Dege- nerationen. Nur der Kern war noch deutlich sichtbar angefärbt, die Zellgrenze deutete sich nur noch durch zerfallenes, feinkörniges dunkles Pigment an. Bei einem anderen Fall waren auch die Kerne einzelner großer Hirnzellen in Auflösung begriffen. Unsere Untersudiungen wurden mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft durch- geführt. 8 K. B ö h m e r , Z. ges. inn. Med. Grenzgebiete 9, 948 [1954], Untersuchungen über die Impuls-Entstehung in den Streckreceptoren des Flußkrebses* Von ERNST F L O R E Y * * *** Aus dem Zoologischen Institut der Universität Würzburg (Z. Naturforschg. 10 b, 591—597 [1955]; eingegangen am 27. Juli 1955) Aus der abdominalen Streckmuskulatur von Flußkrebsen wurden Streckreceptor- Organe 2 > 3 > 4 ' 5 > 6 isoliert. Die dauernd Impulse aussendenden Sinneszellen wurden unter optischer Kontrolle mit externen Mikroelektroden abgetastet. Die elektrischen Potentialverände- rungen im Bereich der Dendriten, des Zellkörpers und des Axons wurden registriert. Dem über den Axon fortgeleiteten Spike geht ein auf Zellkörper und Dendriten beschränktes lokales Potential voraus, dessen Form sich mit der Position der Elektrode verändert. Die experimentel- len Befunde werden zu einer Hypothese über den Mechanismus der Impulsentstehung zu- sammengefaßt. D ie von A l e x a n d r o w i c z 1 - 2 ' 3 ' 4 bei Vertre- tern verschiedener Gruppen der höheren Crusta- ceen nadigewiesenen und anatomisch beschriebenen Streckreceptoren („muscle receptor organs") finden sich auch bei den Flußkrebsen 5 - 6 . Bei allen bisher untersuchten Arten bestehen die abdominalen Streck- receptoren aus je zwei dünnen Muskelbündeln und Fußnoten * ** *** und 1 bis 6 auf Seite 592

Untersuchungen über die Impuls-Entstehung in den ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/10/ZNB-1955-10b-0591.pdf · 592 E. FLOREY aus zwei sensiblen Ganglienzellen, deren Dendriten an benachbarten

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

I M P U L S - E N T S T E H U N G I N S T R E C K R E C E P T O R E N 5 9 1

höherer Lebewesen stößt bezüglich der Schrump-fungsprozesse auf keine Schwierigkeiten. Man wird hier an die „einfache Sdirumpfung" S p i e l m e y e r s erinnert. Aber wo sollen die „großen blassen Nerven-zellen" der Insekten eingeordnet werden? Die Abb. 6 zeigt links eine Schwundzelle aus dem Gehirn des Menschen * bei einem chronisch degenerativen Prozeß, in der Mitte eine Zellschwellung mit Chromatolyse (Tigrolyse) bei einer Vorderhornzelle nach Intoxika-tion und rechts eine normale Nervenzelle mit typi-schen Tigroidschollen aus der Brücke. Bei der Zelle in der Mitte sieht man die Schwellung der ganzen Zelle und die Auflösung der basophilen Substanz des Zelleibs. Die Zelle ist groß und blaß. Auch der Kern ist groß und hell. Bei der linken Zelle ist der wesentliche Befund ebenfalls Armut des Zelleibes an färbbarer Substanz und der helle, inktakte Kern. Die Zelle ist aber im ganzen nicht gebläht, sondern der Zelleib verkleinert, im Schwinden begriffen. Ver-gleicht man diese Bilder mit den großen blassen Zel-len der Insekten nach Insektizid-Vergiftung, so er-geben sich Ähnlichkeiten mit beiden Prozessen, aber auch Unterschiede (Abb. 2 und 3). Die Schwundzel-len V o g t s entsprechen in der menschlichen Neuro-

* Für die Überlassung von menschlichen Präparaten mit Schwundzellen danken wir Herrn Prof. V o g t , Neu-stadt, auch an dieser Stelle herzlich. Die menschlichen Präparate mit akuten Schwellungszuständen der Nz ver-danken wir Herrn Prof. S c h o l z , München, der uns auch in liebenswürdiger Weise beriet.

pathologie aber wohl ausschließlich sehr langsam ab-laufenden atrophischen Zuständen. Die tatsächliche Natur der Veränderungen bei den Insekten wird noch aufzuklären sein. Bisher hatten wir keine Gelegen-heit, das Zentralnervensystem des Menschen nach tödlich verlaufenden Insektizid-Vergiftungen zu un-tersuchen. Bei anderen Vergiftungen, darunter auch der Phosphorvergiftung, sieht man bei einer mehr oder minder großen Zahl von Nervenzellen das Bild der akuten Schwellung (mittleres Bild). Bezüglich der E 605-Vergiftung des Menschen liegt eine neuere Arbeit von B ö h m e r 8 vor. Im Gehirn fanden sich neben Hyperämie mit Blutaustritten und Ödem bei einigen Fällen auch Nervenzell-Veränderungen. Die Strukturen der Ganglienzellen waren teilweise ver-waschen, unklar. Das körnige Pigment ging in das umgebende Gewebe über. Einmal fanden sich am Boden des 4. Ventrikels einzelne Ganglienzell-Dege-nerationen. Nur der Kern war noch deutlich sichtbar angefärbt, die Zellgrenze deutete sich nur noch durch zerfallenes, feinkörniges dunkles Pigment an. Bei einem anderen Fall waren auch die Kerne einzelner großer Hirnzellen in Auflösung begriffen.

Unsere Untersudiungen wurden mit Unterstützung der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t durch-geführt.

8 K. B ö h m e r , Z. ges. inn. Med. Grenzgebiete 9, 948 [1954],

Untersuchungen über die Impuls-Entstehung in den Streckreceptoren des Flußkrebses*

V o n E R N S T F L O R E Y * * * * *

Aus dem Zoologischen Institut der Universität Würzburg (Z. Naturforschg. 10 b, 591—597 [1955]; eingegangen am 27. Juli 1955)

Aus der abdominalen Streckmuskulatur von Flußkrebsen wurden Streckreceptor-Organe 2> 3> 4' 5> 6 isoliert. Die dauernd Impulse aussendenden Sinneszellen wurden unter optischer Kontrolle mit externen Mikroelektroden abgetastet. Die elektrischen Potentialverände-rungen im Bereich der Dendriten, des Zellkörpers und des Axons wurden registriert. Dem über den Axon fortgeleiteten Spike geht ein auf Zellkörper und Dendriten beschränktes lokales Potential voraus, dessen Form sich mit der Position der Elektrode verändert. Die experimentel-len Befunde werden zu einer Hypothese über den Mechanismus der Impulsentstehung zu-sammengefaßt.

Die von A l e x a n d r o w i c z 1 - 2 ' 3 ' 4 bei Vertre-tern verschiedener Gruppen der höheren Crusta-

ceen nadigewiesenen und anatomisch beschriebenen Streckreceptoren („muscle receptor organs") finden

sich auch bei den Flußkrebsen5- 6. Bei allen bisher untersuchten Arten bestehen die abdominalen Streck-receptoren aus je zwei dünnen Muskelbündeln und

Fußnoten * ** *** und 1 bis 6 auf Seite 592

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aus zwei sensiblen Ganglienzellen, deren Dendriten an benachbarten Stellen der parallel liegenden Mus-kelbündel inserieren. Die zentralen Fortsätze der sen-siblen Neurone führen in die entsprechenden Gan-glien des Bauchmarks Erste physiologische Unter-suchungen von W i e r s m a , F u r s h p a n und F 1 o -r e y 3 haben ergeben, daß bei Dehnung der Recep-tor-Muskelbündel in den sensiblen Neuronen Impulse entstehen, die zum Zentralnervensystem fortgeleitet werden. Die mehr kaudal gelegene Zelle eines jeden Receptororgans (jedes Abdominal-Segment besitzt zwei solche Organe) adaptiert sehr rasch und ist praktisch nur während des Dehnungsvorganges selbst tätig (phasischer Receptor). Die andere sensible Zelle

Abb. 1. Skizze der Versuchsanordnung. Pi und P2 = Spit-zen der das Präparat festhaltenden Pinzetten. RM = Re-ceptor-Muskelbündel, SN = die beiden sensiblen Nerven-zellen, N = Nerv, D — differente Mikro-Elektrode, J = indifferente Mikro-Elektrode. Das Präparat ist in Par-

affinöl untergetaucht.

stellt sich, sobald ein bestimmter Dehnungszustand erreicht ist und beibehalten wird, auf eine bestimmte Impulsfrequenz ein und scheint nicht ermüdbar zu sein (tonischer Receptor).

Die Streckreceptoren der Krebse lassen sich bis zu einem gewissen Grad mit den Muskelspindeln der Wirbeltiere vergleichen 3> 7>10. In beiden Organen

* Ausgeführt mit Unterstützung der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t .

** Derzeitige Adresse: Department of Neurology and Neurosurgery, Montreal Neurological Institute, McGill University, Montreal, Canada.

*** Herrn Prof. Dr. H. A u t r u m danke ich für sein Interesse und die großzügige Förderung meiner Unter-suchungen.

1 J. S. A l e x a n d r o w i c z , Quart. J. micr. Sei. 92, 163 [1951].

2 J. S. A l e x a n d r o w i c z , Quart. J. micr. Sei. 93, 315 [1952].

führt eine Dehnung des Muskelelements zu einer Folge von Impulsen im sensiblen Neuron. Wie K a t z 8i 9 gezeigt hat, verursacht bei den Muskelspin-deln die mechanische Dehnung eine elektrische De-polarisation in den sensiblen Nervenendigungen. Dies führt zur Entstehung von „miniature-spikes" in diesen Endigungen. Diese kleinen Aktionspotentiale werden zum eigentlichen Axon weitergeleitet, wo sie entweder erlöschen oder einen zum Zentralnerven-system fortgeleiteten Impuls (Spike) auslösen. Bei ge-ringer Dehnung der Spindel erscheinen die Miniatur-Spikes in statistischer Verteilung, und ein über den Axon fortgeleiteter Spike entsteht nur, wenn zwei oder mehrere dieser lokalen Potentiale an der Ver-zweigungsstelle des Axons zusammentreffen. Bei stär-kerer Dehnung ( = Depolarisation) treten die loka-len Miniatur-Spikes in regelmäßiger Folge auf, und jeder löst einen fortgeleiteten Impuls aus.

K u f f 1 e r und E y z a g u i r r e 1 0 haben nun fest-gestellt, daß auch bei den Streckreceptoren des Fluß-krebses die Muskel-Dehnung zu einer Depolarisation in den sensiblen Endigungen führt, die das Ge-nerator-Potential für die fortgeleiteten Impulse dar-stellt. Es war das Ziel eigener Untersuchungen, mit externen Mikroelektroden die sensiblen Neurone der Streckreceptoren von Flußkrebsen abzutasten, um festzustellen, ob es auch hier lokale Aktionspotentiale gibt, welche dem fortgeleiteten Nervenimpuls vor-ausgehen und zur Entstehung von Nervenimpulsen führen. Die Ergebnisse stimmen mit denen der gleich-zeitig durchgeführten Arbeit von K u f f 1 e r und E y z a g u i r r e 1 0 verschiedentlich überein.

Ich möchte auch an dieser Stelle Herrn Professor St. W. K u f f 1 e r herzlich danken für die Einladung an sein In-stitut an der Johns Hopkins University, Baltimore/Md. (USA) und die interessante und wertvolle Diskussion un-serer Arbeiten.

Methodik

Als Versuchstiere dienten große Exemplare (15—20 cm Körperlänge) von Astacus fluciatilis L. Die Tiere wurden im Hochsommer im Main in der Nähe von Würzburg ge-

3 J. S. A 1 e x a n d r o w i c z , J. Mar. biol. Assoc. Uni-ted Kingdom 31, 277 [1952].

4 J. S. A l e x a n d r o w i c z , Publ. Staz. Zool. Napoli 25, 94 [1953].

5 C. A. G. W i e r s r n a , E. F u r s h p a n u. E. F l o -r e y , J. exp. Biology 30, 136 [1953].

6 E . F l o r e y u. E. F l o r e y , J . gen. Physiol., im Druck.

7 St. W. K u f f 1 e r , J. Neurophysiology 17, 558 [1954], 8 B. K a t z , J. Physiologv 111, 248 [1950], f B. K a t z , J. Physiology 111, 261 [1950],

10 St. W. K u f f l e r u. C. E y z a g u i r r e , J. gen Phvsiol., im Druck.

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fangen und in einem großen Behälter (Wände aus Ma-schendraht) im Main aufbewahrt. Gelegentlich wurde mit toten Flußfischen gefüttert. Fallweise wurden 15 bis 20 Krebse ins Institut gebracht. Die nicht sofort zum Experiment verwendeten Tiere kamen dort in ein Bassin mit fließendem Leitungswasser. Die Versuchstiere waren fast ausschließlich Männdien. Gelegentlidie Versuche mit Weibdien zeigten keine abweichenden Ergebnisse.

Die Präparation der Streckreceptoren gesdiah in ähn-licher Weise wie sie von W i e r s m a , F u r s h p a n und F 1 o r e y 5 beschrieben wurde. Die Organe wurden völ-lig freiseziert und isoliert. Die Enden der Receptor-Mus-keln wurden mit feststellbaren Pinzetten gefaßt und ent-sprechend gedehnt; der die beiden sensiblen Axone ent-haltende Nerv wurde in einer Länge von 5 mm freipräpa-riert, an einer mikromanipulierten Platin-Elektrode be-festigt und mit deren Hilfe gespannt (Abb. 1). Als diffe-rente Abtast-Elektroden dienten feinst zugeschliffene Ni-rosta-Stahlnadeln (Spitzendurchmesser 0,005 mm). Um das Kontaktfeld möglichst klein zu halten, wurden die Prä-

mit ihrer Spitze das intakte Neuron bzw. die Muskel-faser abtastete (sdiwarze Punkte der Abb. 3).

Die Untersuchungen wurden nur an der langsam adaptierenden, tonischen Nervenzelle vorgenommen. Sie ist, wenn ein konstanter Spannungszustand der Muskelfaser aufrechterhalten wird, dauernd rhyth-misch tätig, und man kann von der still liegenden Zelle ableiten.

Ergebnisse

Befindet sich die abtastende Elektrode am (intak-ten) Axon, dann erscheint auf dem Bildschirm des Oszilloskops in regelmäßiger Wiederholung ein ein-facher Spike. Sobald aber die Elektrode in den Be-reich des Zellkörpers oder der Dendriten kommt, än-dert sich das Bild: Bevor der eigentliche, über den Axon fortgeleitete Spike auftritt, erscheint ein etwas

Abb. 2. Mikro-Photographien lebender Streckreceptor-Nervenzellen. Zi = Nervenzelle des tonischen, Z2 = Nerven-zelle des phasischen Receptors, ZK = Zellkern, D = Dendriten, RMi und RM2 = die beiden Receptor-Muskel-

bündel, B = Bindegewebe.

parate in Paraffinöl versenkt und der anhaftende Flüssig-keitsfilm mit einer fein ausgezogenen Pipette soweit wie möglich abgesaugt. Bei guten Präparaten war dieser Film wäßriger Phase nicht dicker als 5 u. Die Aktionspotentiale wurden mit Hilfe der beiden Elektroden über einen kon-densator-gekoppelten Wechselspannungs-Verstärker (Zeit-konstante 0,1 sec) einem DuMont 304 A Oszilloskop zu-geführt. Die Aktionspotentiale wurden mit einer Klein-bild-Kamera photographiert.

Die sensiblen Ganglienzellen lassen sich auch im unge-färbten Zustand bei 60-fadier Vergrößerung gut erken-nen. Am isolierten, ausgespannten Präparat sieht man ohne weiteres Zelle, Axon und Dendriten (Abb. 2). Die gute Sichtbarkeit der Zellen macht es möglich, die elektri-schen Potential-Veränderungen an den verschiedenen Stel-len der sensiblen Neurone, aber auch an der Muskelfaser abzugreifen. Die indifferente Elektrode (heller Ring in Abb. 3) lag möglichst entfernt vom Zellkörper (die Distanz betrug gewöhnlich 3—5 mm) einem durch Zerquetschen funktionsunfähig gemachten Teil des Axons an, während die differente Elektrode (feinst zugeschliffene Stahlnadel)

kleineres Aktionspotential. Der Spike folgt unmittel-bar auf dieses lokale Aktionspotential, und oft kann man beobachten, daß er direkt aus dem lokalen Po-tential hervorbricht (Abb. 3 b). Wir wollen dieses Po-tential zunächst als „Zellpotential" bezeichnen. Bei diesem Zellpotential handelt es sich tatsächlich um ein lokales Aktionspotential, das auf die Region des Zell-körpers und der Dendriten beschränkt ist; man kann es nur von dieser Region, nicht aber vom Axon ab-leiten, wie das beim fortgeleiteten Spike der Fall ist.

Die Form, in der das Zellpotential erscheint, än-dert sich, sobald die abtastende Elektrode ihre Po-sition verändert (Abb. 3). In manchen Fällen ist es rein negativ, in anderen rein positiv und in den mei-sten Fällen diphasisch differenziert. Da Aktionspoten-tiale prinzipiell negatives Vorzeichen haben, können wir annehmen, daß der wahre Verlauf des Zellpoten-tials dann registriert wird, wenn es rein negativ er-

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scheint. Die Experimente haben gezeigt, daß das Zellpotential immer dann mit positivem Vorzeichen erscheint, wenn die differente Elektrode jenen Re-gionen der Muskelfasern anliegt, die von der Inser-tionsstelle der Nervenzelle abgekehrt oder entfernt liegen (Abb. 3 a). In diesen Fällen befindet sich die Elektrode über einem Gebiet, das selbst kein Aktions-potential erzeugt. Daß man Nerven-Aktionspotentiale

Abb. 3. Formen der Aktionspotentiale bei Ableitung von verschiedenen Stellen des sensiblen Neurons (Zelle 1). Nähere Erklärung im Text. Bei x ist der Axon durdi Zer-quetschen funktionsunfähig gemacht. Der helle Ring be-zeichnet die Position der indifferenten Elektrode, die schwarzen Punkte zeigen die jeweilige Ableitstelle der

differenten Mikro-Elektrode an.

mit umgekehrtem Vorzeichen ableiten kann, wenn sich die Ableit-Elektrode nur wenig entfernt in in-aktivem Gewebe befindet, ist eine in der Elektro-phvsiologie bekannte Erscheinung. Ob man dies mit kapazitiven Vorgängen erklärt oder damit, daß die Elektrode den auf die negative Stelle der aktiven Nerven-Membran zufließenden Strom ableitet (L o -r e n t e D e N o 1947), in jedem Fall ist es eine Frage

des elektrischen Widerstandes zwischen Quelle des Aktionspotentials und Ort der Ableitelektrode (s. auch W i e r s m a und W r i g h t 1942).

Daß bei den Streckreceptor-Neuronen das Zell-potential in vielen Fällen diphasisch differenziert er-scheint, muß daher kommen, daß sich die elektrische Ladungs- bzw. Widerstands-Verteilung im Gebiet der Dendriten und des Zellkörpers während des Ablaufs der Potentialänderung verändert. Sicherlich handelt es sich nicht um eine echte Differenzierung des Po-tentials zwischen den beiden Ableitstellen (differente und indifferente Elektrode), wie man sie bei den über den Axon fortgeleiteten Spikes findet, wenn die in-differente Elektrode dem intakten Axon anliegt.

Abb. 4. Formen des Aktionspotentials der Zelle 1 bei diphasischer Ableitung, A) von Axon und Axon, B) von Zellkörper und Axon. Die indifferente Elektrode befindet sich 3 mm vom Zellkörper entfernt am intakten Axon. Be-achte die umgekehrten elektrischen Vorzeichen vom loka-

len (1) und fortgeleiteten (S) Potential.

Wäre das der Fall, dann müßte z. B. bei diphasischer Ableitung von Zelle und intaktem Axon die an der Zelle gelegene Elektrode das Zellpotential zuerst als negativ abgreifen. Wie Abb. 4 zeigt, liegen die Ver-hältnisse aber gerade umgekehrt: Der fortgeleitete Spike erscheint erst negativ und dann positiv, das lokale Zellpotential aber zuerst positiv und wird dann negativ. Im übrigen leitet man das Zellpotential auch unter streng monophasischen Ableitbedingungen sehr oft diphasisch ab, und hier ist nur eine aktive Ableit-stelle vorhanden. In allen Fällen, wo das Zellpoten-tial differenziert erscheint, ist es zuerst positiv und dann negativ, nie umgekehrt.

Dem Zellpotential folgt normalerweise immer ein Spike, und beide treten mit derselben Regelmäßig-keit auf. Dies gilt auch für niedrige Frequenzen (1 bis 10/sec). Aktionspotentiale individueller Nervenendi-

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gungen bzw. Dendriten, wie sie K a t z 8 in den sen-siblen Nervenendigungen der Muskelspindeln beob-achtet hat, konnten unter normalen Bedingungen nie festgestellt werden. Wenn solche individuellen den-dritischen Potentiale überhaupt entstehen, dann nur synchron.

Unter gewissen Bedingungen kann man jedoch lo-kale Aktionspotentiale ableiten, die offenbar von ver-schiedenen Teilen des dendritischen Systems stam-men: In drei Experimenten wurden die Streckrecep-tor-Präparate mit einer Lösung von Acetylcholin (10~4) behandelt, ehe sie ins Öl gesenkt wurden. In allen drei Fällen trat zunächst eine außerordentliche Erhöhung der Impuls-Frequenz ein (Anstiege von 10 Impulsen/sec auf 80—100/sec). Diese Frequenz nahm nach einigen Min. bedeutend ab und sank schließlich unter die Ausgangsfrequenz. Die Spikes

Abb. 5. Aktionspotentiale einer mit Acetylcholin 10~4 be-handelten Streckreceptor-Nervenzelle (Zelle 1). Li und L2 = zwei lokale Potentiale von deutlich verschiedenem Verlauf. Der fortgeleitete Spike S folgt unmittelbar auf L2.

traten nun nicht mehr in regelmäßiger Folge, son-dern statistisch verteilt auf. Bei Ableitung von Zelle und Axon erwies es sich, daß auch die Zellpotentiale in statistischer Verteilung erschienen. Dabei war es sehr oft möglich, die Kippfrequenz des Kathoden-strahls des Oszilloskops mit der Frequenz „eines" lo-kalen Potentials zu synchronisieren, während die an-deren scheinbar unregelmäßig auftraten. Die „syn-chronisierten" Potentiale waren von ähnlicher Form. Eine geringe Änderung der Kathodenstrahl-Kippfre-quenz konnte diese mit Potentialen einer anderen Form synchronisieren. Dies bedeutet, daß unter den gegebenen abnormen Bedingungen mehrere Quellen von lokalen Aktionspotentialen vorhanden sein müs-sen, die, jede für sich, imstande sind, in regelmäßiger Folge diese Potentiale zu bilden. — Der Spike bzw. der über den Axon fortgeleitete Spike folgt wahllos dem einen oder anderen lokalen Potential gewöhnlich einem solchen, dem eben ein anderes knapp voraus-

ging (zeitliche Summation). Abb. 5 zeigt zwei kurz aufeinander folgende lokale Aktionspotentiale, von denen das zweite von einem fortgeleiteten Spike ge-folgt wird. Die verschiedene Form der beiden loka-len Potentiale zeigt an, daß sie an verschiedenen Stel-len entstanden sind.

In gewisser Hinsicht verhalten sich also die mit Acetylcholin behandelten Streckreceptoren wie die Muskelspindeln der Wirbeltiere. Die Acetylcholin-Experimente geben wohl den Schlüssel zum Ver-ständnis der normalen elektrischen Vorgänge in den Receptor-Sinneszellen. Sie beweisen, daß lokale Ak-tionspotentiale tatsächlich an verschiedenen Stellen des Verzweigungssystems der sensiblen Zelle ent-stehen können. Acetylcholin ist bekannt für seine depolarisierende Wirkung. Man kann sich sehr gut vorstellen, daß unter dem Einfluß von Acetylcholin

Abb. 6. Aktionspotentiale bei Ableitung vom Zellkörper. Der fortgeleitete Spike (S) bricht aus dem Gipfel des lokalen Zellpotentials (Z) hervor. Das lange positive Nach-

potential ist durch den davoneilenden Spike bedingt.

große Strecken des Verzweigungssystems der sen-siblen Dendriten irreversibel depolarisiert sind und daß dies die normalerweise eintretende Synchronisa-tion der einzelnen dendritischen Potentiale verhin-dert, so daß nun diskrete Entstehungsorte voneinan-der unabhängiger Potentiale vorhanden sind. In die-sem Sinne wäre das normale Zellpotential als Summe der (synchronisierten) dendritischen Aktionspotentiale aufzufassen.

Es scheint so, als würden die Zellpotentiale inner-halb des Zellgebietes weitergeleitet, ähnlich wie die Miniatur-Spikes in den sensiblen Nervenendigungen der Muskelspindeln zum Beginn des Axons fortgelei-tet werden8 . Dafür spricht zunächst die Tatsache, daß die Zellpotentiale sehr oft ihr Vorzeichen gegen-über der Ableitelektrode verändern. Dies bedeutet, daß sie ihre Lage zur Elektrode verändern und dem-entsprechend erst indirekt (als „source") und dann

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direkt (als „sink") abgegriffen werden (L o r e n t e D e N o 1 1 ) .

Sehr oft kann man beobachten, daß der fortgelei-tete Spike direkt aus dem lokalen Aktionspotential hervorbricht (Abb. 6), während in anderen Fällen die-ses Zellpotential bereits auf 0 oder nahe 0 abgesun-

fernt ist. Während die Leitungsgeschwindigkeit des Axons in verschiedenen Präparaten mit 1,6, 1,8, 1,8, 2,0, 2,0 m/sec (in Öl) bestimmt werden konnte, be-trug die scheinbare Wanderungs-Geschwindigkeit des Zellpotentials 0,3, 0,4, 0,4 m/sec. Diese Werte wur-den durch mikrometrische Bestimmungen der Elek-

I B I B r

Abb. 7. Aktionspotentiale bei Ableitung vom Zellkörper in Dendritennähe. Z = Zellpotential, S = Spike.

Abb. 8. Lokales und fortgeleitetes Aktionspotential bei Ableitung von einer dendriten-nahen und von einer axon-nahen Stelle des Zellkörpers. Weitere Erklärung im Text.

ken ist, ehe der Spike einsetzt (Abb. 7). Tatsächlich haben Messungen an rein negativ erscheinenden Zell-potentialen ergeben, daß diese (relativ zum Beginn des Spikes) um so früher auftreten, je weiter die ab-tastende Elektrode vom Ursprungsort des Axons ent-

11 R. L o r e n t e D e N ö , Studies Rockefeller Inst. Med. Res. 131, 132 [1947].

Abb. 9. Schematisdie Darstellung der Impuls-Entstehung im sensiblen Neuron (Zelle 1) eines Flußkrebs-Streck-receptors. Die schwarzen Pfeile bezeichnen die in den Dendriten entstehenden lokalen Potentiale, die sidi auf den Beginn des Axons zu bewegen. Die Kreise stellen die elektrotonische Ausbreitung dieser Potentiale dar. Der über den Axon fortgeleitete Impuls ist als unterbrochener Pfeil eingezeichnet, a, b und c sind aufeinanderfolgende

Stadien der Impuls-Entstehung.

troden-Positionen und Ausmessung der photogra-phierten Potentiale gewonnen. Abb. 8 zeigt ein Bei-spiel.

Diskussion

Aus den geschilderten Befunden ergibt sich fol-gende Hypothese über die Entstehung des lokalen Zellpotentials und des fortgeleiteten Spikes: Infolge der Dehnung des Muskelbündels, an welchem die

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H a n s Kaut s k y , W ol r a d V o gell und Franz O e t e r s , Die Bedeutung elektronenmikroskopischer Unter-suchungen für die Konstitut ions- und Strukturaufklärung des Siloxens (S. 597)

Abb. 3. Spaltstücke von Siloxenblättchen. Gesamtvergrö-ßerung 26 000-fach. Aufnahme W. V o g e l l .

Abb. 5. "Siloxenblättchen parallel zur Netzrichtung beob-achtet. Gesamtvergrößerung 45 000-fach.

Aufnahme W. V o g e l l .

Abb. 4. Siloxenkristall. Gesamtvergrößerung 36 000-fach. Aufnahme W. V o g e l l .

Abb. 6. Teilweise oxydiertes Siloxenblättchen. Gesamt-vergrößerung 20 000-fach. Aufnahme W. V o g e l l .

Zeitschri f t für Naturforschung 10 b, Se i te 588 a

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N O T I Z E N 597

Nervenzelle inseriert, entsteht in den Verästelungen der Dendriten, die durch Ausläufer miteinander in Verbindung stehen 6, eine lokale Depolarisation 10. In dem Abschnitt, der momentan die niedrigste Erreg-barkeits-Schwelle hat, entsteht ein Aktionspotential, das sich in Richtung zum Zellkörper fortpflanzt, ähn-lich wie die von K a t z 8 beschriebenen Miniatur-Spikes in den sensiblen Nervenendigungen in den Muskelspindeln des Frosches. Das Aktionspotential wird nicht nur als echte Erregungswelle weitergelei-tet (schwarze Pfeile der Abb. 9), sondern es breitet sich auch elektrotonisch (Kreise der Abb. 9) in die Umgebung aus (elektrotonische Ausbreitung ist zeit-los!). Damit bewirkt es augenblicklich in den nervö-sen Endigungen der Umgebung eine zusätzliche De-polarisation, die ausreicht, auch dort Aktionspoten-tiale auszulösen, die sich nun ihrerseits zentralwärts fortbewegen und sich gleichzeitig elektrotonisch aus-breiten (Abb. 9 b). Auf diese Weise werden im ge-samten Verzweigungs-System der Dendriten synchron Aktionspotentiale ausgelöst, die auf den Zellkörper und den Axon zuwandern. Sie bilden in ihrer Ge-samtheit das „Zellpotential", das als einheitliche

negative Welle auf den Axon zuläuft und dort den fortgeleiteten Impuls (Spike) auslöst.

Ob der im Axon ausgelöste Spike auch „antidrom" in die Dendriten fortgepflanzt wird, läßt sich nicht entscheiden; die Möglichkeit besteht, da ja lokale Potentialänderungen kein Refraktärstadium zurück-lassen. K a t z 8 schreibt bei der Besprechung seiner Untersuchungen über die Impuls-Entstehung in den sensiblen Neuronen der Wirbeltier-Muskelspindel: „Once a full-size spike, whether afferent or anti-dromic, has arisen, it apparently invades all the ter-minal branches . . ."

Man kann die Sinneszellen der Flußkrebs-Streek -receptoren als Modelle von Ganglienzellen auffas-sen. Die Erregungsvorgänge, die sich in ihnen ab-spielen, lassen sich vergleichen mit denen, die bei synaptischer Erregungsübertragung (in Ganglien oder Zentralnervensystem) in den postsynaptischen Neuro-nen stattfinden. Das „Zellpotential" der Streckrecep-tor-Sinneszelle entspricht dann dem „synaptischen Potential". Daß sich die Analogie noch viel weiter führen läßt, zeigen die neuen Untersuchungen von K u f f 1 e r und E y z a g u i r r e 1 0 .

N O T I Z E N

Die Bedeutung elektronenmikroskopischer Untersuchungen für die

Konstitutions- und Strukturaufklärung des Siloxens

Von H a n s K a u t s k y , W o l r a d V o g e l l und F r a n z O e t e r s

Institut für Siliciumchemie und elektronenmikroskopisches Laboratorium des Hygienischen Instituts der Universität

Marburg a. d. Lahn (Z. Naturforschg. 10 b , 597—598 [1955]; eingeg. am 6. August 1955)

Das Formelbild Abb. 1 veranschaulicht die Konstitution des Siloxens. Es ist das Ergebnis sehr vielseitiger, chemi-scher und physikalischer Untersuchungen und bewährte sich immer wieder beim Voraussehen neuer Entwicklun-gen auf dem Gebiete der Siloxenchemie. E m e l e u s und A n d e r s o n ! halten dieses Formelbild trotzdem für spekulativ; von anderer Seite, z. B. von E. W i b e r g (Privatmitteilung an H. K a u t s k y ) , wurden andere For-mulierungen, wie Abb. 2, oder auch Mischtypen geringe-ren Ordnungsgrades zur Diskussion gestellt.

Wenn auch die bisher gewonnenen Tatsachen mit dem Formelbild Abb. 2 oder mit Mischstrukturen in keiner

i H. J. E m e l e u s u. J. S. A n d e r s o n , Ergebnisse u. Probleme der modernen anorganischen Chemie, Sprin-ger Verlag 1954, S. 324.

Weise in Einklang zu bringen sind, erschien es doch nütz-lich, ein Untersuchungsverfahren zur Anwendung zu brin-gen, welches erlaubt, eine eindeutige und augenfällige Ent-scheidung über die Symmetrie der Anordnung der Siloxen-bausteine zu treffen. Ein solches Verfahren scheint neben kristalloptischen Untersuchungen2 die elektronenmikro-skopische Untersuchung der Spaltbarkeit von Siloxenblätt-chen zu sein. Diese sind mühelos durch Zerstoßen oder Zerschmieren zu zerkleinern. Letzten Endes bestimmt aber erst das Aufbringen der Spaltstücke auf die Objekt-blende des Elektronenmikroskopes Zerteilungsgrad und Form, wie sie in den erhaltenen Bildern unmittelbar zu sehen sind. Die Bilder Abb. 3*, 4, 5 und 6 sagen Folgen-des aus:

1. Abb. 3 läßt das typische Verhalten eines Schichtgit-ters bei mechanischer Beanspruchung erkennen. Siloxen-blättchen spalten sich ganz bevorzugt parallel der Schicht-ebene zu immer dünneren scharf begrenzten Blättchen. Die zwischen den Einzelnetzen wirkenden Kräfte sind demnach sehr gering, die Kräfte zwischen den die Netze aufbauenden Elementarbausteinen dagegen groß.

2. Die durch Spaltung der Netzpakete erreichbare Auf-teilung geht vermutlich bis zur Freilegung einzelner Ele-mentarnetze. Jedenfalls sieht man nach dem Zerschmieren

2 H. K a u t s k y , Z. anorg. allg. Chem. 117, 209 [1921].

* Abb. 3, 4, 5 u. 6 s. Tafel S. 596 a.