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Aus dem Zoologiscben Institut der Universitat Tiibingen Untersuchungen iiber Herstellung und Struktur des Rad- netzes von Aranea diadema und Zilla x-notata mit besonderer Beriicksichtigung des Unterschiedes von Jugend- und Altersnetzen Von GEKTRUD MAYER Mit 23 Abbildungen Eipgegangen a m 4. November 1952 1 n h a 1 t : Einleitung S. 337. - Material und Methode S. 338. - A. zur Ontogenie des Netz- bauinstinktes. 1. Das regellose Fadenziehcn vor den1 'ersten Netzbau S. 338. - 2. Grund- gerust und Netzherstellung S. 339. - B. Zur Struktur des Radnctzes. 1. Die Netzscktoren. a) Die Reihenfolge und Streuung der Netzsektoren S. 345. - b) Ober die Abhangigkeit dcr Sektorcnwinkel vom Netzort und voii der Radienlinge S. 347. - 2. Die Herstellung der sekundarcn Ra8hmenfaden S. 351. - 3. Klebspirale im Kxuzspinnennetz S. 355. - a) Verlauf der Klebspirale bei beschwerter Spinne S. 357. - b) Spiralenverlauf in hori- zontalgcstellten Netzen S. 358. - c) Spiralenverlauf in Netzen, die auf dem Klinostaten gcbaut wurden S. 359. - Zusammenfassung S. 360. - Litcraturverzeichnis S. 361. Die Radnetze der Spiiin.cn sind in vieler Hinsicht interessante Gebilde, die der Instinkt- forschung schon wiederholt zu besonderer Fragestellung Anlafl gaben. Eines dieser Probleme ist die Frage nach den S t r u k t u r e i g e ii t ii m 1 i c h k e i t e n der Netze als Ausdruck der Bewegung bzw. Leistung des Tastsinncs. Die Idec, die Struktur der Radnetze lasse sich mathematisch erfasscn, hat als erster PETERS (1939 a) klar ausgesprocheii und durch eingehende Analyse dcr Sektorensegmente (1939a, 1947, 1951) in e i n e r Richtung auch schon bewiesen. Der Abstand der beiden Suliersten KlebfadcnumgSnge hingt in gewissen Grenzen von der Grof3e der Sektor,enwinkel ab; offciisichtlich befestigen die Spinnen ihre Faden nie nach absoluten Maf3stiben, vielmehr sind die Teile eines Netzes weitgehend voneinander abhangig. Auf andere Ueziehungen dieser Art, wie z. B. zwischen Radiciianzahl und Netzgrofic, war ebenfalls schon hingewiesen worden (PETERS 1937 a), das genaue Man ihrer Abhangigkeit jcdoch nod1 nicht untersucht. Es war wiinschenswert, diese Keiintnis von dcr Feinstruktur d.er Radnetze zu erweitern, solche vermuteten Beziehungen in ihrer Auswirkung genauer zu prufen bzw. nach Moglich- keit neue aufzuzeigen. Um diesem Ziel naher zu kommen, wurden verschiedenc, allerdings nicht direkt zusamm'enhangendc Fragen bearbeitet: 1. In welchem Grade sind die Sektor.enwinkel von der Lage im Netz einerseits und der 2. Von welchen Uedingungen hangt dcr Bau eines sekundaren Rahmenfadens ab? 3. Welche Merkmale sind fur die einzelnen Klebfadenumgiinge eines Netzes charakte- Im Laufe der Untcrsuchungcii zeigte sich dann, dat3 diese Problemstellung nodl in ge- wisser Hinsicht zu erweiterii war: Der Augenschein lien nimlich vermuten, dafi sich die Feinstruktur der Nctze j u n g c r Spinnen in den bearbeiteten Punkten von jener der Netzc ilterer Tiere etwas unterschied. Einigc Unterscheidungsmerknialc der Netze vcrschiedenaltriger Spinnen sind aus der Litcratur schon bekannt. So hat WIEHLE (1927, 1928, 1929, 1931) z. B. festgestcllt, da13 die Netze junger Radnetzspinnen wohl ganz allgemein mehr Radialfiden aufweisen als die- jenigcn erwachsener Tiere der gkichen Art. PETERS (1937 a) zeigte am Kreuzspinnennetz; dat3 mit chi Wachstuni der Spinnen das Nctz wie auch besonders die Wartc absolut gesehen an Grofie zunehmen, relativ zur Grofie der Spinne jedoch stetig kleiner werden. Er wies aut3erdem darauf hin, dan sich die Form der Warte mit Alterwerden dcr Tiere immer mehr yon der Kreisgestalt entfernt und zur Ellipse wird, und dafl in Jugendnetzen die freie Zone regelm2fiig deutlich.er ausgepragt ist als in den Netzen alterer Tiere. Dagegen vertritt KONIG (1951) die Ansicht, dafi sich die Nctze junger Kreuzspinnen wohl durch geringc Zahl der Radien und die Netzgrofie, nicht aber in der Anordnung der Nettfaden von den Netzen Blterer Tiere unterscheiden. Radienliiiige andererscits abhangig? ristisch uiid von wclchen Bedingungen wird ihr Verlauf bestimmt? Z. f. 'l'ierpsyeholagie Bd. Y Heft 3 23

Untersuchungen über Herstellung und Struktur des Radnetzes von Aranea diadema und Zilla x-notata mit besonderer Berücksichtigung des Unterschiedes von Jugend- und Altersnetzen

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Aus dem Zoologiscben Institut der Universitat Tiibingen Untersuchungen iiber Herstellung und Stru ktur des Rad-

netzes von Aranea diadema und Zilla x-notata mit besonderer Beriicksichtigung des Unterschiedes von

Jugend- und Altersnetzen Von GEKTRUD MAYER

M i t 23 Abbildungen Eipgegangen a m 4 . November 1952 1 n h a 1 t : Einleitung S. 337. - Material und Methode S. 338. - A. zur Ontogenie des Netz-

bauinstinktes. 1. Das regellose Fadenziehcn vor den1 'ersten Netzbau S. 338. - 2. Grund- gerust und Netzherstellung S. 339. - B. Zur Struktur des Radnctzes. 1. Die Netzscktoren. a) Die Reihenfolge und Streuung der Netzsektoren S. 345. - b) Ober die Abhangigkeit dcr Sektorcnwinkel vom Netzort und voii der Radienlinge S. 347. - 2. Die Herstellung der sekundarcn Ra8hmenfaden S. 351. - 3. Klebspirale im Kxuzspinnennetz S. 355. - a) Verlauf der Klebspirale bei beschwerter Spinne S. 357. - b) Spiralenverlauf in hori- zontalgcstellten Netzen S. 358. - c) Spiralenverlauf in Netzen, die auf dem Klinostaten gcbaut wurden S. 359. - Zusammenfassung S. 360. - Litcraturverzeichnis S. 361.

Die Radnetze der Spiiin.cn sind in vieler Hinsicht interessante Gebilde, die der Instinkt- forschung schon wiederholt zu besonderer Fragestellung Anlafl gaben. Eines dieser Probleme ist die Frage nach den S t r u k t u r e i g e i i t ii m 1 i c h k e i t e n der Netze als Ausdruck der Bewegung bzw. Leistung des Tastsinncs.

Die Idec, die Struktur der Radnetze lasse sich mathematisch erfasscn, hat als erster PETERS (1939 a) klar ausgesprocheii und durch eingehende Analyse dcr Sektorensegmente (1939a, 1947, 1951) in e i n e r Richtung auch schon bewiesen. Der Abstand der beiden Suliersten KlebfadcnumgSnge h i n g t in gewissen Grenzen von der Grof3e der Sektor,enwinkel ab; offciisichtlich befestigen die Spinnen ihre Faden nie nach absoluten Maf3stiben, vielmehr sind die Teile eines Netzes weitgehend voneinander abhangig. Auf andere Ueziehungen dieser Art , wie z. B. zwischen Radiciianzahl und Netzgrofic, war ebenfalls schon hingewiesen worden (PETERS 1937 a), das genaue Man ihrer Abhangigkeit jcdoch nod1 nicht untersucht. Es war wiinschenswert, diese Keiintnis von dcr Feinstruktur d.er Radnetze zu erweitern, solche vermuteten Beziehungen in ihrer Auswirkung genauer zu prufen bzw. nach Moglich- keit neue aufzuzeigen. Um diesem Ziel naher zu kommen, wurden verschiedenc, allerdings nicht direkt zusamm'enhangendc Fragen bearbeitet:

1. I n welchem Grade sind die Sektor.enwinkel von der Lage im Netz einerseits und der

2. Von welchen Uedingungen hangt dcr Bau eines sekundaren Rahmenfadens ab? 3. Welche Merkmale sind f u r die einzelnen Klebfadenumgiinge eines Netzes charakte-

Im Laufe der Untcrsuchungcii zeigte sich dann, dat3 diese Problemstellung nodl in ge- wisser Hinsicht zu erweiterii war: Der Augenschein lien nimlich vermuten, dafi sich die Feinstruktur der Nctze j u n g c r Spinnen in den bearbeiteten Punkten von jener der Netzc i l terer Tiere etwas unterschied.

Einigc Unterscheidungsmerknialc der Netze vcrschiedenaltriger Spinnen sind aus der Litcratur schon bekannt. So hat WIEHLE (1927, 1928, 1929, 1931) z. B. festgestcllt, da13 die Netze junger Radnetzspinnen wohl ganz allgemein mehr Radialf iden aufweisen als die- jenigcn erwachsener Tiere der gkichen Art. PETERS (1937 a) zeigte am Kreuzspinnennetz; dat3 mit c h i Wachstuni der Spinnen das Nctz wie auch besonders die Wartc absolut gesehen an Grofie zunehmen, relativ zur Grofie der Spinne jedoch stetig kleiner werden. Er wies aut3erdem darauf hin, dan sich die Form der Warte mit Alterwerden dcr Tiere immer mehr yon der Kreisgestalt entfernt und zur Ellipse wird, und dafl in Jugendnetzen die freie Zone regelm2fiig deutlich.er ausgepragt ist als in den Netzen alterer Tiere. Dagegen vertritt KONIG (1951) die Ansicht, dafi sich die Nctze junger Kreuzspinnen wohl durch geringc Zahl der Radien u n d die Netzgrofie, nicht aber in de r Anordnung der Net t faden von den Netzen Blterer Tiere unterscheiden.

Radienliiiige andererscits abhangig?

ristisch uiid von wclchen Bedingungen wird ihr Verlauf bestimmt?

Z. f. 'l'ierpsyeholagie Bd. Y H e f t 3 2 3

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338 GERTRUD M A V E R

Als A u f g a b e ergab sich somit die nahere Analyse der Struktur der . Radne t ze m i t bc- sonderer Beriicksicbtigung der Frage, wiewei t an der A r t dieser Gliederung das A l t e r der betref fenden Spinnen majlgebend beteiligt ist .

Weiteres Interesse Salt der Herstellung des Kreuzspinnennetzes, da hier eine eingehendc Analyse dringcnd erwiinscht w a r (s. auch KONIG 1951) und Unterschiede in den Beobachtun- gen ebenfalls auf einen Einflufl dcs Alters der Tiere hinzuweisen schienen.

In groflen Ziigcn s ind die Vorgange beim Netzbau schon von MCCOOK (1889) und spater hauptsachlich von WIEHLE (s. 0.) beschrieben worden, deren Beobachtungen dann be- sonders von PETERS (1937, 1939), aber auch von PETRUSEWICZOWA (1938), TILQUIN (1942) und anderen erg3nzt wurden. Dabei hatten sich bei Obereinstimmung in den H a u p t - punkten geringe Unterschiede ergeben; wlhrend niimlich PETERS als typischen Netzanfang die Herstellung cines dseistrahligen Grundgeriistes beschrieb, in das die ersten Radialfaden zusammen mit Rahmcnf iden eingebaut wurden, schilderte PETRUSEWICZOWA ein Grundgerust von funf bis sieben primaren Radialfaden, in das die Spinne d a n n erst Rahmenf iden - jetzt allerdings ohne Speich,en - cinfiigte. PETRUSEWICZOWA (1938) vermutete, dafl diesc Differenz mit dein versehiedenen Alter der beobachteten Tiere zusammen,hiingen konnte. D a auflerdem frisch geschliipfte Spinnen in den ersten Tagen iiberhaupr keinc regularen Netze bauen, sondern nur unregelmaflige Faden ziehen, u n d dies den Gedanken nahe lcgen konnte, die Tiere miifiten in dieser Zcit die Fahigkeit, ein Radnetz herzustcllcn, dutch Obung erst ,,crwerben", ergab sich als zwei te interessante Aufgabe, die Ontogenie des N e t z - bauinstinktes der Kreuzspinne gennuer zu verfolgen.

Der grofitc Tei l der Arbeit wurde von 1946 bis 1948 am Zoologischcn Institut dcr Universitat Tubingen ausgefiihrt und dann im Herbst 1950 beendet. Meinem sehr verehrten Lehrer, H e r r n Prof . D r . H. M. PETERS, danke ich auch an dieser Stelle herzlich f u r die An- regung zu dieser Arbeit und seine werrvollen Ratschlage, mit denen er mich stets unterstutzte.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e Als Untersuchungsobjckt dienten hauptsachlich die Nctzc der Kreuzspinne Aranea

diadema, doch wurden zum Teil auch andcre Radnetze, besondcrs von Zilla x-notata, be- arbcitct bzw. zum VcrgI.eich herangezogcn,

Die verscliieden grofien, im Freien gesammelten Ticre konntcn frei in eineni Raum ihre Netze bauen. Einzelne Kreuzspinncn uberwinterten und wurden auch im zweiten Somnicr bis zu ihrer Gcschlechtsrcife beobachtct. Frisch geschliipfte Spinnen wurdcn mit Blattliuscn gefuttert, groflere mit Drosopbila bzw. Lctcilia und anderem. Von Zeit zu Zcit erhiclten sic von nasseni Flieiipapier etwas Wasser.

Die Netze wurden zum grofiten Teil zuersr in Holzrahmen voii verschiedener Groflc cingcklebt (mit Klebcstrcifen; siehe dazu PETERS 1932); spater bautcn die Spinnen dann ihre Netze haufig direkt in diesen oder i n kleinen Drahtrahmen.

Z u r Herstellung dcr Photographien, die allein genaue Mcssungen crmoglichen, wurden die Nctze schrag von hintcn mit zwei 250-Watt-Lampcn beleuchtet und vor &em schwarzen. unbclcuchtetcn Hintcrgrund aufgestellt. Da haufig trotzdcm nicht alle F i d e n sichtbar waren. wurden die Netzc sp i te r nach einem von D r . HOMANN brieflich mitgcteilten Verfahren i n einem dicht schlieflcnden Kasten Ammoniumchloridd5mpfen ausgcsetzt, die die dunnen FSden mit eincm feinen Reif uberzogen, so dafi sic besser aufleuchteten (vg!. PETERS, 1951).

Die Nctze wurden im allgemcincn in Gruppen bearbeitct, die dem jeweiligen Alter bzw. den Hiiutungsstadien dcr Spinnen entsprachen. Dabei gehoren zu ciiiem Hautungs- stadium alle die Netzc, die cine Spinne zwischen zwei Hiu tungen herstellt. Die Bezciclinung richrct sich nach der jewcils folgcnden HYutung: die zwischen der dritten und vierten H ~ L I - r u n g auflcrhalb des Kokons gebauten Netze ziihlcn zum vierten Hiiutungsstadium.

Um zunichst cinen f u r das Alter bzw. die Groflen der betreffenden Spinnen charak- teristischen Unterschied i n den bearbeiteten Punkten nachweisen zu klinneii, wurdeii regcl- mifiig nur zwei Altersgruppcn einandcr gegenubergestellt. Eine weitere Aufspaltung des Mat,crials, z. B. i n die einzelnen Hautungsstadien, schien vorcrsr noch nicht ratsani, da sicli bci der iblichEn groflen Variation auch von direkt hintcreinandcr gebauten Netzen eiii und der- selben Spinne ein voni Alter dcr Tiere abhangiger Strukturunterschi,ed nur statistisch, also a11 moglichst grotiem Material, genugend sichcrn IieK In diesen beiden Altersgruppcn fai3tc ich dann jcwcils die Netzc tnehrerer Haurungsstadicn zusammen, z. B. in der Gruppe ,,halb- yiiclisiger his adulter Ticre", worunter in der Regel, wenn nichts anderes an der betreffenden Stelle vernierkt ist, bci dcr Kreuzspinne alle Netzc zu verstehen sind, die nach der vierten H i u t u n g bzw. bei Zilla nacli der dritten H a u t u n g gebaut wurden.

A, Ziir Ontogenie des Netzbauinstinktes 1. D a s r e g e l l o s e F a d e n z i e h e n v o r d c m e r s t e n N e t z L a u

Menige T a g e nach den1 Schliipfen der jungen Kreuzspinnen aus der Eihiille findet. ebenfalls noch ini Kokon, die erste Hautung oder besscr ,,KokonhSutung" statt. Bei Aranen diadema wechselt dabei die Farbe des Abdomens voii eineni hellen, blassen Gelb zu Gold-

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gelb. AuRerdem zieht sich danach ein dunkelgrauer Streifen, von der Mitte des Abdomens ichmaler werdend, nach hinten, der sich auch noch ventral ein Stuckch'en fortsetzt.

Vor der Kokonhautung bewegen sich die jungen Tiere nur wenig, meist nur zeitweilig die Beine, jedoch ohne Fortbewegung. Das ist nach der Hautung anders, obwohl die Spinnen unter naturlichen Bedingungen auch dann noch einige Tage meist regellos im Kokon zwischen den Faden hangen. Bewegt sich jetzt eines der Tiere, so beginnen auf den Erschutterungsreiz hin alle mit den Beinen zu arbeiten, so daR eine Bewegungswclle iiber das Ganze hinlauft. Dadurch mogen sich die Faden des Kokongespinstes etwas lockern, und eines Tages ziehen die Araneen alle zusammen aus. Tagsuber sind sie auch dann noch in dichter Traube zu- sammen; gegen Abend zerstreuen sie sich etwas und hangen bei Nacht in lockerer Verteilung wieder ruhig. Zu diescr Zeit waren sie hauptsachlich in den Vormittagsstunden und teilweise auch nachmittags lebhafter.

Den Spinnfaden zogen sic bei der Fortbew,egung entweder einfach nach oder hielten ihn iiber weite Strecken mit einem Hinterbein. Auch lieRen sie sich schon an einem Faden herunter, kletterten daran wieder hoch und liel3en Faden fliegen. Waren einige Faden ge- zogen, so benutzten sic diese weiterhin statt der festen Unterlage gern als Weg. Dadurdl entstanden anfangs uberwiegend parallel verlaufende, dichte Fadenziige und dazwischen of t einzelnc dickere, mehrfach verstarkte , ,Taw". Je dichter das Gespinst wurde, um so leichter konnten die Tiere auch quer daruber weglaufen und in den verschiedensten Richtungen ihre Fad.en ziehen. N u n hielten sic sich ofters an einem Fadenkreuz auf, fanten einzelne Faden, ruckten daran und gin8gen dann of t in anderer Richtung weiter. Spater zogen sic keine ncuen Fiden mehr, sondern bissen sic oft durch, knau'elten sie auf oder rafften mehrere zusammen. Das vorher dichte Gcwirr lichtete sich zusehends; statt dessen hingen nur noch viele deutlich sichtbare Flocken verstreut zwischen den Faden.

Hat ten sich die Tiere vorher wenig beachtet, so naherten sich jetzt oft zwei deutlich zogernd schrittweise rinander, ruckten wiederholt am Faden und tasteten vorsichtig mit den Vorderbeinen wcit vorwarts, bis schliefllich cines mit rascher Wendung die Flucht ergriff oder auch den Faden durchbii3 und damit dem Gegner den Weg zur Verfolgung abschnitt. Wer nicht entkam, konnte eingesponnen und verzehrt werden.

Z u dicser Zeit, namlich 8-14 Tage nach dem normalen Verlassen dcs Kokons, ent- standen die ersten, rcgularcn Radnetze.

Das regellose Fadenziehen der jungen Spinnen vor dem ersten Netzbau k g t den Gc- danken nahe, cs konnte vielleicht ein gewisses Mafi an ,,Erfahrung" zum Netzbau not- wendig sein. So hatte schon PETRUSEWICZOWA (1938) frisch geschliipfte Tiere vor der Ver- wendung ,,in engen Gefificn gehalten, in denen sic kein Netz bauen konnten". D a das aber ein Sicheinspielen komplizierterer Bewegungsweisen beim gewohnlichen Fadenziehen m. E. nicht unbedingt ausschlog, brachte ich Splnnen schon v o r der K o k o n h a u t u n g in G 1 a s r o #h r c h L' n mit einem inneren Durchmesser von 2,5 mm, in denen sic sich gerade noch umdrehen konnten. Bei der Hautung gab es dann zwar einige Verluste, weil wohl die Tiere in der Enge ihre Extremitatcn nicht vollstandig aus der Exuvie ziehen konnten, aber mehrere gcdiehen doch etwa drei Wochen in diesen Rohrchen. Auch wahrend des gelegent- lichen Trankens an feuchteni Flieflpapicr konnt,en sic sich keinesfalls nennenswert bewegen.

Auch diese Spinnen konnten unmittelbar nach ihrer Freigabe auf kleinen Drahtrahmchen Netze bauen. Somit war das Ergebnis von PETRUSEWICZOWA bestatigt. Das anfangliche regellose Fadenziehen ist kein Einiibzn schwierige- rer Bewegungswe'isen, vielmehr durfte es sich um eine einfache R e i f u n g s - erscheinung handeln, ahnlich wie bei CAKMICHAEL'S physiologisch narkotisier- ten Urodelenlarven und GROHMANN'S ganz eng gekafigten Tauben, die auch das Schwimmen bzw. Fliegen nicht lernen muflten. Beachtlicherweise enthalt das fruhe Fadengewirr keine Klebfaden; diese treten erst 'im Radnetz auf.

2 . G r u n d g e r u s t u n d N e t z h e r s t e l l u n g Der eigentliche Beginn des Netzbaues ist schwer genau festzulegen. Kenn-

zeichnend dafiir ist, dafl die Tiere jetzt im allgemeinen nach dem Anheften des Fadens umkehren und immer wieder zur selben Stelle zuriickkommen, wahrend sie vorher meistens die alte Richtun'g mehr oder weniger bei'behiel- ten. Dad'urch entsteht allmahlich ein einfacher, oft zuerst noch unregelmafliger Fadenstern, den man als ersten Anfang eines neuen Netzes ansehen kann.

Die Berichte iiber die Entstehung und Art des Grundgerustes sowie wei- tere Einzelheiten des Netzbaues gehen z. T. etwas auseinander: PETERS be- schrieb 1939 die Herstellung eines Y-formigen Grundgeriistes als typischen

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Beginn eines Netzes; es folgten die primaren Rahmenfaden in Verbindung mit je einem neuen Radius. Dagegen begannen PETRUSEWICZOWA'S meist hochstens einen Monat alte Araneen mit einem 5-7strahligen Grundgerust und fugten ihm ,,Rahmenfaden ohne Speichen" ein. D a dieser Unterschied mit dem verschiedenen Alter der Tiere zusammenhangen konnte, beobachtete ich zunachst Jungspinnen, die ich meist kurz vorher auf kleine Drahtrahrn- chen gesetzt hatte, beim Bau von uber 60 Netzen. Ein grofler Teil der Tiere baute uberhaupt das erste Netz.

Laufende, iiber zwei Jahre verteilte Beobachtungen alterer Kreuzspinnen ermoglichten spater eine Gegenumberstellung der Verhaltensweisen der Tiert der verschiedenen Altersstufen.

Die kleinen Araneen wanderten oft zuerst eine Zeitlang am Rahmen, hin und her, und da Spinnen bei jeder Fortbewegung dauernd einen ,,Sicherheits- faden" entlassen, entstanden schon dadurch die ersten unregelmafligen Faden. Andere begannen sogleich ein Netz zu bauen.

Als typischses Beispiel diene der Fall der Abb. 1: Eine drci Wochcn alte, scit dem Schlupfen im ganz cngen Rohrchen gchaltenc AYUYLCU

zog, erstmals auf cineti kreisformigen Drahtrahmen von 12 cni 0 gebracht, nach kurzcm Hin- und Hergehcn

1. den Faden a, indem sic auf dem Rahmen von A nach B ging und dort den Sichcr- heitsfaden anheftete (Abb. 1 a). Beim Zuriickgehen auf dicscr ,,Sehnc" bcfestigte sic den Faden in M, Si'ng weitcr nach A und

2. am Rahmen abwir ts bis C, wo sie den n u n von M ausgehenden Faden anheftcrc. So entstand Fadcn c, auf dem sic nach M zuruckkehrte.

3. Nach kurzem Tasten ging sie an c entlang etwas nach rcchts: sic bifi dicht bei M den Faden, den sic vorne noch rnit den Vorderbcinen fcsthielt, durch, verlangcrte n u n die Strcckc, indein sic bci der Vorwartsbewegung mehr neueti Faden aus dcr Spinnwarzc aus- treten lie& als sie vor sich her von dem urspriinglichcn Faden aufkniiuelte, hcftete die bciden Stuckc in M' (Abb. 1 b) zusammcn und licfi sich von hier an eincm Fadcn abwiirts sinken, hcftete ihn bci D untcn an den Drahtrahmen, klcttcrte wicder hoch nach M zuruck und dann nach M, zog straff und heftete an; dadurch entstand d .

4. Die Spinnc crneuerte c, indcni sie den alten Faden gleich bci M durchbifi und nach auficn aufkniiueltc, versetzte den Ansatzpunkt C tiefer nach C' (Abb. 1 c) und kchrte zuruck zur Mitre.

5. Sic crsetzte das Stuck MB (= b) durch einen neuen Faden und verllngcrte ihti im Zuruckkommen, so dafi der Krcuzungspunkt M annahernd i n die Mittc des Drahtrahnicns riicktc (Abb. 1 d); a, c und d wurdcn wicder straff gespannt und neu bcfestigt.

6 . Die Spinne ging an a nach auficn und a m Rahmcn nach links, fixicrcc und kehrtc zuruck. So entstand Strahl c. Nun begann dcr Bau d e r Rahmenfidcn:

7. Die Spinnc erneucrte b zu b', fixierte auf dem Ruckwcg ihrcn Fadcn in G (Abb. 1 e ) und gins gleich wciter an d nach a u h , wo sic in H den von G ausgehcnden Faden wieder anheftcte. Sic vcrdoppcltc noch kurz den auiScren Abschnitt bis zum Drahtrahmen und ging darauf an dcm neuentstandcncn Rahmenfaden dirckt nach G zuruck. Untcrwegs spanntc sic ihn noch bcsscr: Mit d e m vierteti Reinpaar hielt sie den Faden hinter sich f a t , straffte ihn vor sich u n d vcrband die bcidcn Abschnitte. Das eingesparte Mittelstuck war hicr spiitcr noch als winziges weifies Flockchen sichtbar. I n G angckommen, bin sic dcti Strahl 'b' in dcr iiblichen Weise in J durch, kniiuelte ihn nach der Mitte zu auf und crsctztc ihn durch einen neuen Fadcn.

8. Die Spinnc erneuerte c zu e', versetztc den Ansatzpunkt E weitcr nach links bis E' (Abb. I f ) und zog daran anschliefiend einen Rahmenfaden zu b': D a m fixiertc sic dcn Faden in K ; auf dcm Umweg iiber M erreichte sic L, fixierte hicr wicdcr und begab sich darauf auf dircktem Wege nach K, wobei sic den Rahmenfaden vcrdoppcltc, und kchrte zum Mittclpunkt zuruck.

9 . Sie ersctzte a durch a' und zog anschliefiend einen Rahmenfaden zu c, in derselbcli Weisc wie uiitcr 7. und 8. beschrieben (Abb. I f ) .

10. Die Spinnc Sing an e' nach oben und noch etwas an1 Draht rahnxn nach redits bis F, fixiertc dort ihrcn Faden f und schloi3 die Herstellung eines Rahmenfadcns zu a' an.

Obwohl der Rahmen noch nicht vollstandig geschlossen war, begann die Spinne jctzr mit den ,,tertiiren Radicn" (TILQUIN 1942) in dcr Rei,hcnfolge der Zahl'en 1-17 in Abb. 1 g.

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Untersuchungeii iiber Herstellung und Struktur des Radnetzes usw. 34 1

Die Spinne folgt dabei zwei Grundregeln (PETERS 1939): a) Sie wechselt fast nach jedem Radius die Richtung. b) Die Radien folgen im Abstand eines Sektors von oben nach unten

auf einander.

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die den Netzmittelpunkt rnit funf festen Punkten der Umgebung verbanden. Diese G r u n d s t r a h 1 e n entstanden etwas verschieden, Strahl c und e 2.B. dadurch, dai3 die Spinne nach aul3en und dann den Drahtrahmen ent- langlief, ehe sie den von M ausgehenden Faden fixierte. Strahl d dagegen als Lot.

Auch die primaren R a h m e n f a d e n kamen auf verschiedene Weise zustande, SO erstens wie bei 7., 8. und 9. im Anschlui3 an die Erneuerung schon vorhandener Ausgangsstrahlen, die dabei zu ersten Radien oder Primarradien, besser primaren Ersatzradien (= primare E-Radien) wurden, da sie an Stelle der Grundstrahlen entstanden. Auch die nicht erneuerten Ausgangsstrahlen wurdrn durch die an ihnen ansetzenden Rahmenfaden geknickt und waren da- nach von den primaren E-Radien nicht mehr zu unterscheiden.

Oder die Spinne schlofl an die Herstellung z.B. des Radius f sogleich die des Rahmenfadens an, ohne dai3 vorher ein Ausgangsstrahl die Grund- lage dafur gebildet hatte. Er sol1 deshalb zum Unterschied von den primaren E-Radien primarer Rahmenradius ( = primfrer R-Radius) heinen.

Auch die Radien 8, 10 und 1 3 entstanden zugleich mit einem Rahmen- faden, und wer die Baugeschichte genau kennt, konnte sie entweder zum Typus des Radius f stellen oder, da sie zeitlich deutlich spater entstanden, einer eigenen Gruppe, den sekundaren Radien, zurechnen. Doch sol1 die Ein- teilung auch auf fertige Netze anwendbar sein, deren Zustandekommen unbeobachtet blieb. Hier konnte niemand z. B. den Rahmenfaden von Speiche 8 von den ubrigen primaren Rahmenfaden unterscheiden; deshalb mui3 auch er als solcher bezeichnet werden, zumal a d e r d e m alle erdenklichen Ubergange von Rahmenfaden wie dem der Speiche 8 bis zu solchen nach Art der Speiche 1 3 vorkommen. Somit nennen wir nur solche Rahmenfaden sekundar, die an zwei benachbarten primaren Rahmenfaden ansetzen, welche selbst schon eine geschlossene Ecke bilden. Diese Bedingung erfullt im obigen Beispiel allein der Rahmenfaden der Speiche 10.

Als tertiare Radien gelten alle ubrigen, die ohne Rahmenfaden her- gestellt werden.

Die Begriffsbestimmungen lauten also: Ein p r i m a r e r R a h m e n f a d e n ist an der a d e r s t e n Umgrenzung der

Netzflache beteiligt. Ein s e k u n d a r e r R a h m e n f a d e n setzt an zwei primaren Rahmenfaden

an, die miteinander eine geschlossene Ecke bilden. Ein p r i m a r e r R a d i u s ist zugleich mit einem primaren Rahmenfaden

entstanden (primarer R-Radius) oder erneuert worden (primarer E- Radius).

Ein s e k u n d a r e r R a d i u s ist zugleich mit einem sekundaren Rahmen- faden,

ein t e r t i a r e r R a d i u s ist ohne Rahmenfaden entstanden. Soweit sich, diese Bezeichnungen nicht allein aus der Art und Weise der

Entstehung der Faden ergeben, sondern auch am fertigen Netz anwendbar sind, sind sie aus Abb. 2 neben anderen wichtigen Benennungen ersichtlich.

' Oberblickt man die Anfange auch der iibrigen Jugendnetze, so variiert zunachst die A n z a h 1 der Ausgangsstrahlen. Wahrend PETKUSEWICZOWA nur 5-7 ,,erste Radien" angab, begannen nach meinen Beobachtungen von 36 Netzen 5 rnit 3 Ausgangsstrahlen, 15 rnit 4, 11 rnit 5, 4 mit 6 und 1 Netz mit 7 Ausgangsstrahlen. 7 2 % der Netze waren aus 4 oder 5 Ausgangs- strahlen entstanden.

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Untersuchungen ubcr

Abb. 1. Typisches Net2 einer halb- wiichsigen Kreuzs inne sektor, fr. 2. = rreie ZoEc; I?: Normalsektor, prim. Rf. = priniarer Rahmenfaden, sek. Kf. = sekundarer Rahmenfaden, sek. R . = sekundarer Radius, S . S . = Sektorensegment, tert. R . = tertiarer Radius, W = Warte F = Fangflache. Der unregel- ma& Verlauf der Klebfaden nach oben ruhrt daher, daR die Spinne

einmal uber die Netzflache lief

Herstellung u n d Struktur des Radnetzes usw. 343

Auch die A u s g a n gs- s t r a h l e n kann die Spin- ne auf rmehrelrlei Weise herstellen: Die meisten und manchmal alle ent- stehen, wie im obigen Bei- spiel die Strahlen c und e, durch das Seitlichgehen der Spinne am Draht- rahmen. Nur zweimal sah ich Jungspinnen ihr Netz mit dem von PETERS be- schriebenen Y-formigen dreistrahligen Grundge- rust beginnen. Doch ver- ankerten sie auch sonst ofters ihr Netz abwarts durch Loten wie bei Strahl d, verbanden also beide Bauweisen und bildeten durch wiederholtes Erneuern der Faden, Verlegen der Ansatzpunkte und Ver- langern endlich einen meist ziemlich regelmai3igen Grundstrahlenstern.

Beim Ziehen der Rahmenfaden erneuerten die Jungspinnen die meisten dieser Strahlen. In einem von 36 Netzen wurden alle Ausgangsstrahlen er- setzt, in 25 alle bis auf einen, in 8 bzw. 2 Netzen alle bis auf 2 bzw. 3.

Spater' noch vorhandene Lucken im Netzrahmen schlossen sie stets durch primare R-Radien. In den besagten 36 Netzen zahlte ich 114 primare E- und 54 primare R-Radien, d. h. etwa jeder dritte Rahmenfaden war beim ersten Ziehen eines Strahls, die anderen zwei Drittel waren im Anschlufl an die Erneuerung eines schon vorhandenen Ausgangsstrahls entstanden.

Setzt man jedoch a 1 t e r e Araneen auf einen kunstlichen Rahmen, SO

verlassen sie ihn fast immer und spannen ihr Netz unter Umstanden gleich daneben mit langen Faden frei aus, wobei sie sehr oft von PETERS Y-formi- gem Grundgerust ausgehen. Die Herstellung weiterer Ausgangsstrahlen ist, wie eine Uberlegung der theoretischen Moglichkeiten fur ihr Entstehen zeigt, in der jetzt mehr oder weniger unregelmafligen Umgebung oft nicht ganz einfach. So ziehen die Spinnen dann in einheitlicher Bewegungsfolge sogleich nach dem neuen Strahl einen Rahmenfaden, wie es PETERS beschrieb, bevor- zugen also primare R-Radien.

Doch auch bei der taglichen Netzerneuerung gehen die Halbwuchsigen und Erwachsenen gerne von einem mehrstrahligen Anfangsgeriist aus. Klebt man z. B. das Netz einer alteren Kreuzspinne in einen nicht zu kleinen Rah- men, so arbeitet die Spinne zumeist, wenigstens fur einige Zeit, darin weiter. Wenn sie dann abends beim regelmafligen Abbauen des Netzes von der Wart:

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344 GERTRUD MAYEK

aus iiiehrere Radien nach aufien zu- sanimeiirafft (Abb. 3) und dort ver- zehrt, kommt naturgeniafi auf jeden beseitigten Netzausschnitt ein einzelner iieuer Strahl, uiid da sich dieser Vorgang bis zum Ab- riiumen des ganzeii Netzes funf- bis sechsmal wiederholt, entsteht auch hier die entsprechende Anzahl Grundstrahlen, die die Grundlage fu r das neue Ne tz bilden. D a n n bauen die alteren Spinneii weiter wie die jungen, zieheii also nur ausnahnisweise gleichzeitig mit den Rahmenfaden zusatzliche primare R-Radien ein; fast regelmafiig be- niitzen sie die schon vorhandenen

Strahlen uiid fiigen bei ihrer Erneuerung einen Rahmenfaden an, so dat3 also wohl neue, jedoch keine zusatzlichen Radien entstehen. Dieseii Vorgang mag PETIIUSEWICZOWA gemeint haben, wenn sie Spinnen ,,Rahmenfaden ohne Radien" herstellen liiflt.

'!,

Ahb. 3. Filmhild voni t i g l i chen Abhau cines Kreuzspinnennetzes

W i r fassen zusammen: Schon bei den jungen Kreuzspinnen ist der In- stinkt voll ausgebildet, d. h. sie verfugen bereits beini ersten regularen Netz- bau ihres Lebens iiber alle Moglichkeiteii des Fadenziehens.

Wie die Spinnen bei der Herstellung der ersten Netzfaden vorgehen, das h a n g nicht von ihrem Alter, sondern weitgehend von der Ar t ihrer Uni- gebung ab, denn ihre innereii Aiilagen lassen ihnen dabei einen verhaltiiis- maflig weiteii Spielraum.

Geht die Spinne, vor allem in ,,unubersichtlicher", weitraumiger Uni- gebung, von dem bekannten Y aus, so zieht sie die weiteren priinaren Radien hzufig jeweils zusammen mit einem Rahmenfaden ein. Im regelmafligen Draht- rahmen oder Sbei der Netzerneuerung aber, wo solches auf einfache Weise nioglich ist, gehen sowohl juiige wie altere Spinnen meist von einein mehr als dreistrahligen Stadium aus. Danii entstehen die meisten Rahmenfaden in ge- schlossener Bewegungsfolge zugleich mit der Erneuerung der Ausgangsstrahlen.

Der einzige Unterschied zwischen dem Netzbau alterer und junger Araneen liegt somit nur in der verschiedenen Bereitwilligkeit, den kiinstlichen Rahmen anzunehmen. Ob dabei jedoch nicht andere Voraussetzuiigen und Anforderun- gen, z.B. an den Grad der Elastizitat u. dgl., f u r die feine, taktile Empfind- lichkeit der Spinne ausschlaggebend sind, dariiber wissen wir wohl bis jetzt noch zu wenig.

B. Zur Struktur des Radnetzes 1. D i e N e t z s e k t o r e n

Die ziemlich regelmaflige Anordiiung der Radialfaden im Radiietz wollte HINGSTON (1920) darauf zuriickfuhren, dafl die Spinne, voii einem Radial- faden her am Rahmen angelangt, stets 4 Schritte an dieseni entlangliefe und dann die neue Speiche anhefte. Auch TILQUIN (1942) lafit erwachsene Spinneii ihre Radien in regelmafiigen Abstanden anheften, dann namlich, wenn sie das freie vierte Bein dem Rahmenfaden auflegen; es ware jedoch nioglich, dafl die Spinnen nicht in jeder Richtung gleich messen. Nach PETERS (1937b) dagegen setzt die Spinne nicht eigentlich Radialfiiden, sondern Sektoren an-

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Untersuchungen iiber Herstellung und Struktur des Radnctzes usw. 345

einander und nimmt die Form der umlaufenen Sektorflachen kinasthetisch wahr. Die Groi3e dieser Flachen sei im einzelnen Netz ,,von den gesamten Strukturverhaltnissen abhangig".

Diese Abhangigkeit weiter zu klaren, war das Ziel der folgenden Unter- suchungen.

a) D i e R e i h e n f o l g e u n d S t r e u u n g d e r N e t z s e k t o r e n . Wie schon PETERS (1937a) betonte, sind im Kreuzspinnennetz die nach ab- warts offenen Sektorenwinkel im Durchschnitt regelmagig kleiner als die oberen. Dasselbe lehrt Abb. 4, ferner dai3 die unteren Sektorenwinkel gleich-

76 I Y 12

AZU 7 6 Y

16 7Y

cl 12

A28 'i 36 - ? Y .s 2

5 10 75 20 25 30 35 UO I 1 I I I 781 I

111 1 1 I 1 1 I I I 1 I I I I I I I I t 1 I I I I I I I 1 I I 1 I 1 1 I 1 I I 1 I I 1 unten oben

5 10 15 20 25 30 35 UO - Reihenfolge der Sekforen

Abb. 4. GroRc und Reihenfolge der Sektorenwinkel im Kreuzspinnennetz. Nonnalsektor, C) Ecksektor, / Restsektor (nur bei A 53 vermerkt)

mafliger sind und weniger streuen als die oberen. Urn zu entscheiden, ob die Streuung proportional mit den1 Winkel wachst, also immer den gleichen Pro- zentsatz der Winkelgrofle ausmacht, oder ob die oberen Winkel auch absolut starker streuen, wurden die Sektorenwinkel eines Netzes in sieben moglichst gleich grofle Gruppen von meist 6-7 je Gruppe zusammengefaflt, beginnend rechts mit dem horizontal gelegenen Sektor und im Uhrzeigersinn fort- schreitend. Ausnahmsweise groi3e Winkel , die ihre nahere Umgebung um 3' und mehr uberragten, blieben unberucksichtigt. In jeder Gruppe bestimmte ich die Differemen der einzelnen Winkel von ihrem Mittelwert und dividierte die Summe dieser Differenzen durch die Anzahl der Winkel. Setzte man diese durchschnittliche Abweichung (e)') einer Gruppe in Beziehung zu deren mitt- lerer Winkelgrofle, so war dieser Zahlenwert fur die prozentuale Streuung an der betreffenden Stelle mit anderen gut vergleichbar.

') Absichtlich wurde hier nicht die mittlere quadratische Abweichung (0) verwendet, da sie den besanderen Verhaltnissen hier weniger gerecht wurde.

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346 GERTRUD MAYER

Wie die Kurven fur 3 Netze erkennen lassen (Abb. 5 ) , variieren die Sek- torenwinkel der oberen Netzhalfte auch prozentual starker als in der unteren. Auch die anderen Kurven ergeben ein ahnliches Bild.

Bei naherer Betrachtung der einzelnen Netze lassen sich verschiedene Grunde fur diesen Unterschied aufzeigen:

1. Die meisten Netze hangen oben an mehreren Spannseilen, wahrend sie nach unten regelmai3ig durch weniger zahlreiche, oft sogar nur durch einen einzigen langen Faden gespannt sind. Dementsprechend sind die Rahmen- faden oben kurzer und die Ecksektoren, die am Eckpunkt zweier Rahmen- faden ansetzen, zahlreicher. D a diese haufig Restsektoren sind (s. oben) oder

Reihenfolge der NetzobschniftP

Abb. 5. Durchschnittliche Streuung (e) der Sektorenwinkel in verschiedenen Netzabschnitten. Erklarung in1 Text

sonst durch die Art ihrer Entstehung, namlich bei Herstel- lung eines sekunda- ren Radius und Rah- menf adens, nach- traglich leicht zu groi3 werden, mui3 ihre Groi3e starker schwanken.

2. D a die Sek- torenwinkel oben groi3er sind, grenzen oben weniger Sek- toren an einen Rah- menfaden von be- stimmter Lange als unten. Weil aber jeweils die gleiche Winkelanzahl in G r u m e n zusammen-

gefai3t wurde, ist es wahrscheinlich, dai3 in eine Gruppe der oGren Netzhalfte mindestens 1-2 Ecksektoren fallen, wahrend unten im Netz Gruppen ohne solche nicht selten sind.

Um den Einflui3 der E c k s e k t o r e n deutlicher zu machen, sind sie in Abb. 4 besonders gekennzeichnet. Viele ungenaue Werte und die meisten Extremwerte sind Ecksektoren.

Konnte man die R e s t s e k t o r e n im fertigen Netz sicher erkennen, wurde sich wohl noch der eine oder andere abseits liegende Punkt in der graphischen Darstellung als Restsektor herausstellen. Das sei am Beispiel A 83 erlautert. D a hier die Entstehung der Radien beobachtet worden war, war es moglich, die Restsektoren durch Schragstrich zu bezeichnen. Der besonders stark abweichende 13. Sektor in der unteren Netzregion ist ein Restsektor. Der absolut groi3te Sektor 32 in der oberen Region dieses Netzes ruhrt daher, dai3 hier die Spinne aus unbekannten Grunden einen schon sehr fruh gezoge- nen Radius gegen Schlui3 noch einmal durchgebissen hat, wodurch diese Lucke entstand. Auch er kann deshalb nicht als normaler Sektor gelten.

Die groi3ere Haufigkeit von Eck- und Restsektoren in der oberen Region kann jedoch nicht alles erklaren, denn die ubrigen Sektoren variieren auch. Es ist hier zu bedenken, dai3 die oberen Radien durchschnittlich kurzer sind als die unteren; jede Ungenauigkeit beim Abstandnehmen auf dem Rahmen- faden wirkt sich infolgedessen oben starker aus als unten.

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Untersuchungen iiber Herstellung und Struktur des Radnetzes usw. 347

Ferner ist schon langer bekannt (PETERS 1937 a), dai3 die Netze durchweg um so mehr Radialfaden aufweisen, je groi3er sie im Verhaltnis zur Lange der Spinne sind. Mit anderen Worten: Relativ grofle Netze haben verhaltnis- mai3ig kleine Sektorenwinkel, wahrend man in kleinen Netzen im Mittel groi3ere Winkel mii3t. Um jedoch die Gliederung eines Netzes moglichst genau zu erfassen, waren genauere Angaben uber den Einflui3 der Netzregion wie auch der Radienlange auf die Groi3e der Sektorenwinkel erwunscht.

b) Uber die A b h a n g i g k e i t der S e k t o r e n w i n k e l vom N e t z - o r t und von der R a d i e n l a n g e .

Untersucht wurden 274 Netze von Zilla x-notata, namlich 113 Jugendnetze von Tieren des 1 . und 2. Hautungsstadiums, sowie 161 Netze alterer Tiere zumeist vom 4. bis 6. Stadium.

Abb. 6 . Abhangigkeit der Sektorenwinkel von der Radienlange in Richtungsklasse 1V der Jugendnetze. X Mittelwerte (Dichtemittel) der Sektorenwinkel in den einzelnen Klassen verschiedener Radienlange

Die Sektoren wurden in 5 Richtungsklassen eingeordnet, deren jede einen Kr,eisaus- schnitt von 45O umfant. Richtungsklasse I blickt median aufwarts, Klasse V abwarts. Der Klasse I11 gehoren die beiden horizontalen Kreisausschnitte an, der Klasse I1 die beiden schrag aufwarts, der Klasse IV die beiden schrag abwarts offenen.

Reichte ein Sektor iiber die Klassengrenze hinaus, so gehorte er der Klasse an, in die sein gronerer Teil fiel; genau halbiert zahlte er zur jeweils obenliegenden Klasse. Halbe Winkelgrade wurden vernachlassigt.

Auger der Winkelgrone jedes Sektors wurde die mittlere Lange seiner beiden Radien als Abstand des Mittelpunktes der War te vom Schnittpunkt der Winkelhalbierenden mit dem Rahmenfaden gemessen.

Verwendung fanden nur solche Sektoren, deren lbegrenzende Radien beide am gleichen Rahmenfaden ansetzten; sog. Ecksektoren schieden aus (vgl. oben S. 346).

Abb. 6 stellt die Verteilung der Winkelgroi3en und Radienlangen der einzelnen Sektoren in der Richtungsklasse IV der Jugendnetze dar. Je kurzer der Radius, um so groi3er der Winkel. In Abb.7 sind dieselben Werte in Untergruppen von um je 1 cm verschiedenen Radienlangen getrennt zusam- mengefaflt. Ebenso verfuhr ich in allen anderen Richtungsklassen.

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348 GERTRUD

Radien =

2cm

5 70 75 20

3 cm

Y em

__

5cm

~

6 cm

7 cm

8cm

~

9 cm

70 cm

7lcm

M a v r ~

Schon ein fluchtiger Blick laflt die allmahliche Verlagerung der Va- riationspolygone in das Gebiet kleiner Winkel, also nach rechts, mit deni Langerwerden der Radien erkennen. Besser zeigt dies noch der haufigste Wer t oder das ,,Dichtemittel'I2), das durch die dreieckige Marke auf der Abszisse gekennzeichnet wurde, und a n dem sich eindeutig das Mafl der Verringeruiig der Winkelgroflen mit zunehmender Radienlange ableseii kiflt. Bei kurzen Radien ist der Unter- schied erheblich, wahrend mi t deren Lzngerwerden die Winkelgroflen einem Endwert zustreben, den Zilla offenbar nicht unterschreitet.

I n allen Richtungsklassen schei- iien sich die Sektoreiiwinkel niit zu- nehmeiider Radienlange gleichartig zu verkleinern. U m die Abhkg igke i t in den Netzen junger und alterer Spin- lien zu vergleichen, wurdeii in Abb. S die typischen Wiiikelwerte gleicher Richtungsklassen beider Altersgrup- pen ins gleiche Koordinatennetz ein- getragen. Obwohl besonders in den Richtungsklassen I und I1 der Jugend- netze die Winkelwerte fu r laiige R a - dieii fehlen, eben weil junge Spiiineii keine so groflen Netze bauen, Iaflt sich doch folgeiides feststellen: Die Netze beider Altersgruppen unterscheiden sich in ihrer oberen Ha l f t e offensicht- lich starker voneinandcr als in der untercn. Wahrend obeii bei gleicher R a d i e n l a n g e die Winkel in Netzen von kleinen Spinnen uni 3-4" kleiner sind als in Netzen von alteren, betragt der Unterschied unten nur noch x". Oder anders herum gelesen: Zum gleichen W i n k e 1 , z. B. von 12" in Richtuiigsklasse 11, gehort bei der jungen Zilla ein Radius voii 3, Lei der alteren einer voii 5-6 cm, wah- rend uiiten (Klasse V) der Unter- schied nur noch hochstens 1 cm aus- macht.

11" - n-,

2 11(, - 11-, - 11 - 1

~ _ _ ~ *) Errechnet nach dsr Formel: D = xg + ~

- . d nus GrrciidriC der 8 .

Biol. Statistik von E. WEBER 1948. I n Kurven, i n denen ndch keine deutliche Hiiufungsstclle hervortrat, wurd.en die Winkelklassen so weit gefagt, da13 die Dichtemittcl mchr oder wenigcr den arithmetischcii Mittelwerten gleichkarnen.

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U n t e r s u d i u n g e n iiber H e r s t e l l u n g und S t r u k t u r des R a d n e t z e s usw. 349

I 70 - I

zunachst die Annahme umgekehr- k-. ter Proportionalitat zu priifen.

Die eingehende Untersuchung ver- I lief negativ. Auch logarithinische

78

16

1Y

?3 72 0

10

8 .s

nicht zum ge- wiinschten Erfolg. Dagegen besserte sich das Bild, wenn man statt der Winkelgrade die entsprechende Strecke auf dem

Rahmenfaden (= Kreistangente) der Radienlange gegeniiberstell re.

Das lag insofern nahe, als fur die Spinne wcniger die Winkel, son- dern ihre Weg- langen auf dem

72

10

8

6

Y

I I I I I II P 3 Y 5 6 7 8 9 70 77 12 13 714 73 76

-3 cm /?Udien/&-+?

Abb. 8. Abhangigkeit der Sektorenwinkel von der Radienlange, nach Richtungsklassen getrennt dargestellt. Mittelwerte atis den Netzen X-X janger bzw. 0 - - ~ -0 halbwuchsiger bis erwachsener Spinnen

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350 GERTRUD MAYER

Rahmenfaden maagebend sein, durften (vgl. HINGSTON'S und TILQUIN'S Hypothese, S. 344). An einem Beispiel sei dies durchgefuhrt:

Legt man die Scheitel aller Netzsektoren einer Richtungsklasse auf den Nullpunkt und einen ihrer beiden Schenkel auf die Abszissenachse (Abb. 9), so kommen die Endpunkte der freien Schenkel annahernd auf einer geraden Linie zu liegen. Im Idealfall mussen die Eckpunkte aller Sektoren auf dieser ,,Sektorengeraden" liegen.

mm

Abb. 3. l'olardiagramni der typischen Netzsektoren in Richtmgsklasse IV der Jugendnetze. Die ,,Sektoren-Grade". Erklarung ini Text

Es wurde versucht, diese Gerade, fur die die mittlere Abweichung der Punkte ein Minimum ist, zu bestimmen. In der Richtungsklasse IV hat sie die Steigung u = 0,09 und schneidet die Ordinate im Abstand v = 2,4 mm vom Achsenschnittp~inkt~).

Mit Hilfe dieser Geraden lassen sich einmal die schon ermittelten Win- kelwerte verbessern. Ferner lafit sich mit einiger Wahrscheinlichkeit vorher- sagen, welcher Winkel zu jeder Radienlange oder umgekehrt, welche Radien- liinge zu einem gewiinschten Winkel gehoren mui3.

Betragt beispielsweise der Abstand eines Rahnienfadens voin Netzmittel- punkt 7,s cm, so ergibt sich der zu erwartende zugehorige mittlere Sektoren- wlinkel aus folgender Konstruktion (Abb. 10).

e

Abh. 10. Konstruktion cines typischen Sektors der Richtirngsklassc IV dcr Jugendnetze bei gegebener Radienlinge van 7,5 cm. Erklirung iin Text

Zur Konstruktion mug zuerst eine , ,Mi t te lh ie" gezeichnet werden, die die Schnitt- punktc der vcrschiedcnen Sektorenhohen mit den jeweiligen Grundlinien verbindct.4) Darauf bcschreibt man um S den Krcisbogen mit r = 7,5 an, der die Mittellinie i n D schneidet. Man verbindct D mit S, crrichtet auf dieser Strecke in D das Lot, das die oben g.efundcne Sekrorcngerade in E und die Grundlinie in F schneidct. Das Dreieck SFE ist der gesuchte

3), Herrn Prof . Dr. PICKERT vom Matheniatischcn lnstitut der Universi t i t Tiibingeii danke Ich fur die freundliche Beratung bci Berechnung der Geradcn.

4 ) Diese Mittellinie kann hier zur Vereinfachung ebcnfalls als Gcrade mir d.cr halben Stcigung und dem halben Abstand v angenomnien wcrden, d a dcr dadurch cntstehende Fehler bei den hier in Betracht kommenden kleincn Sektorenwink'eln nicht ins Gewicht fi i l l t .

-

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Untersuchungen uber Herstellung und Struktur des R a d n e t z s usw. 35 1

I 11

111 1v V

Sektor. Der Winkel a = 7' an der Spitzc S entspricht dem Idealwinkel fur die gegebene Radienlange r = 7,5 cm.

Ebenso I i R t sich jeder beliebige Sektor konstruieren, wenn auch die Sicherhcit rnit Zunahme dcr Entfernung von den ta t - sachlich gemessenen Werten rasch abninimt.

Rechnet man ebenso, wie auf S. 350 fur die Richtungs- klasse IV der Jugendnetze geschehen, die Sektorengeraden fur alle Richtungsklassen beider Altersgruppen aus, so erh l l t man die folgenden Werte (Tab. 1).

Die Sektorcngeradcn der Netze Plterer Ticre verlaufen im allgemeinen steiler; auch liegt ihr Schnittpunkt mit der Ordinate hoher als bei den Jugendnetzen. Der Abstand v variiert in beiden Fallen unbetrachtlich.

In beiden Altersgruppen nimmt die Steigung der Geraden rnit den Richtungsklassen, d. h. also von den oberen Netzregionen nach unten, uberein- stimmend ab. Diese Beziehung darf wohl als ge- sichert gelten.

0,13 2,9 0,19 3 , O 0,11 2,8 0,17 3 , l 0,lO 2,6 0,14 4, l

0,07 2,7 0,08 3 , O 0,OY 2,4 0,10 3,4

Tabelle 1. Die Sektoren- geraden der Richtungsklas- sen beider Altersgruppen. KI: Richtungsklasse, St: Stei- gung der Geraden, v mm: Abstand v ihres Schnitt- punktes rnit der Ordinate yom Nullpunkt in mm. junge: Netze junger Spin- nen, altere: Netze Plterer

Spinnen

I junge I si tere

2. D i e H e r s t e l l u n g d e r s e k u n d a r e n R a h m e n f a d e n Weiter fragt es sich, was die Spinne veranlaflt, sekundare Rahmenfaden

einzubauen. Die tertiaren Radien 1aGt sie meist von oben nach unten einander folgen (s. Grundregel b, S. 341). Je breiter nun eine derartige Radienschar oder ,,Sektion" wird, bzw. je mehr sich der Ansatzpunkt eines neuen Radialfadens einem der vorspringenden Schnittpunkte zweier Rahmenfaden nahert, um so wahrscheinlicher wird es, dafi die Spinne im Anschlufl an den Radius einen kleinen Rahmenfaden, also eine sogenannte Eckspeiche (DAHL 1885) oder einen sekundaren Radialfaden mit sekundarem Rahmenfaden zieht. Die Be- wegungsfolge dabei ist die gleiche wie beim Legen eines primaren R-Rahmen- fadens: Die Spinne lauft beispielsweise mit ihrem im Netzmittelpunkt fixier- ten Faden an hem jungsten Ridius dieser Sektion nach auflen und noch etwas am Rahmenfaden abwaru, fixiert ihren Fa- den in A (Abb. 11) und kehrt auf dem neuentstandenen (gestrichelten) Radius, nachdem sie unterwegs den Faden noch einmal in B' fixiert hat, zur Mitte zuruck und geht von dort aus gleich weiter nach C. Auf dem weiten Umweg ist nun der Faden, der von B' ausgeht, vie1 zu lang geworden. Sie strafft ihn, indein sie ihn zu sich heranzieht und vor sich aufknau- elt, was besonders schon bei ganz jungen Spinnen zu bcobachten ist. Durch den Zug wird der vordem gerade Strahl AB'M geknickt und kommt in die Lage ABM, wodurch sich der vorher oft ZLI kleine Sektorenwinkel vergroflert. Dann erst befestigt sie den Faden in C und kehrt auf kurzestem Wege nach B zuruck, wo- durch sie die Strecke BC verdoppelt. Darauf wendet sie sich zur Mitte, beifit in D den Radialfaden durch und kehrt, indeni sie den ursprunglichen Radius

\

Abb. 11. Ausschnittaus dern Netz einer Aranen i i i i iderna wahrend seiner Entstehung. Her- stellung eines sekundaren Kahrnenfadens. - - _ vorubergehende Lage einzelner Faden. Erkliirung in1 Text. Uberzeichnete Photographic

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352 GFRTRUD MAYLR

vor sich her aufkniiuelt und durch e h e n ncuen Faden ersetzt, in die War te zuruck.

Diese sckundaren Rahmenfaden gebcn dcr Fangfliche cine glcichniiifiigerc, dichter an- schlicfiendc Bcgrenzung als nur prirnire, ahnlich wie sich viele Tangen ten cincr Kreislinie bzw. cincm Oval engcr anlegen als nur wenige.

I n dcr Fragc nach den R e i z e n , die zur Herstellung diescr sekundaren Rahmenf iden fiihrcn, konnte man cinen Fingcrztig von der Feststcllung crwarten, wann dns Verhalten crstmals von dem bei der Herstellung tertiiirer Radien abweicht: Ein sckundarer Radius wird nicht gleich nach der Umkchr zur War te durchcebissen wie ein tertiarer: abcr auch

I

Abb. 12. Ausschnitt aus deni Kacliengeriist cines Krciiz spinnennetzes. Uhcrzeichnete Photographie

\

sch&i vorhcr kann sich dcr Ulcrgang zur Herstellung cines sekundiiren Kahmcn- fadcns dar in kund tun , da13 die Spinnc dcn ncucn Faden dann hiiufig zu nahc bci dcm i n diescr Sektion zulctzt gczogencn Radius am Rahnienfacicn anhcftct, wiili- rend sic bcim Lcgen tcr t i i rcr Radien die Strcckc ini a l lgenic inen so gcwiihlt hat, dafl die Scktorenwinkel zicnil,icli gleich wurdcn. Dicscs Verhaltcn ist in - sofern sinnvoll, nls der Abstand zwischcn den bcidcn Radien nicht cndgiiltig ist, sondcrn sich spiiter vergroflcrt.

Z u r Zeit mdi,cscr Fixicrung muf i also auf jcden Fnll die f-Ierstcllung dcs s e - k u n d i r c n Rahmcnfnclcns schon d c - t e r m i t i i c r t scin. Als hierfiir bestini- mender Sinncsrciz kiiiic viellcicht dcr W i 11 k e I y i n Fragc (Abb. 12), den der ncu cntstehendc Radius zu dicscr Zeit niit dcm Rahmcnfaden bildct, dcnn diescr i n d c r t sich von cincni Radius zuni an- dcrcn: die crstcn liadicn cincr Scktion sctzcn spitz- bis rechtwinklig a m Rah- mcnfatlen an. J c brcitcr nbcr cine Ra-

dicnschar wird, bzw. j e nirlir sicli dcr An-

\ satzpunkt dcr auf- einandcr folgcndcii Ikidicn cinem Schnitt- p u n k t zweier Rah- nienfndcn niihcrt, uni so s tumpfcr wird 1'. Dicscn Winkel konn- tc die Spinnc wohl wahrnchmcn, da sic den ncuen Faden stan- dig i ibcr cine Hin tcr - bcinklauc laufcn lafit (Abb. 13). Dcnigc- niiii3 wurdc n u n un- cersucht, bei wcldicni

menfaden anhcftete.

y d i e Spinne jcwCils den sckundiren Kah-

Da sich das Nctzgcrust im Laufe des Netzbaues etwas verandert, galt cs, vor dcr Messung die Faden an der in Betracht koninienden Stellc rnoglichst in den Zuj t and zuriick- zubringcn, den sic im Augenblick dcr Anheftung des sckundiren Rahmcnfadcns innehat tcn (s. Abb. 14). Daxu wurde dcr Ansatzpunkt D des an dc r betrcffenden Stelle zuletzt gcbauten Strahis mit dcni Eckpunkt dcr Rahmcnfkiden S verbundcn u n d auf diese Strccke v01.i A aus das Lot gef2ll t . Dcr Funpunkt A' wurde mit den1 Mitcelpunkt des Nctzcs .verbunden u n d der Winkel MA'S gleich y gcrnessen.

326 solchc Mefiwcrtc, namlich 146 von Kreuzspinnen crsten und zweiten Stadiums und 180 von Halbwiichsigen bis Erwachscnen, wurdcn i n Gruppcn zu j c 5' Untcrschied zu- sammengefant und diese Klassen auf dcr Abszisse aufgetragen. Die Ordina te gibt dic H i u - figkeit der betreffendcn Winkclgroflcn in Prozent an (Abb. 15).

/

r

Abb. 13. Zwei Bilder vain Bail cler Radien clic clas Haltcn cles Kadialfadens niit eitieiii Hinterbein bcini Seitlichgehcn dbr Spinrrc am Kahmenfaclen zcigcn

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Abb. 14. Ausschnitt aus dem Radiengeriist eines Kreuzspinnennetzes. -. -. - vor- iibergehende Lage der entscheidenden Faden vor Herstellung des sekundaren Rahmen-

zeichneter Photographie. Erklarung im Text fadens; diese rekonstruiert, sonst nach iiber-

Wie die Haufigkeitskurven a zeigen, haben 72% der j u n - g e n Kreuzspinnen den sekun- daren Rahmenfaden bei Y = 125 bis 140' angeheftet. Andere Werte wareii um so seltener, je weiter sie von diesem haufigsten Wert abwichen. Der kleinste ge- messene Winkel betrug IOO', der grofite 158'.

Im gle.ichen Netz werden die Y-Werte voii obeii nach unten im allgemeinen grofier, wie drei beliebig herausgegriffene Bei- spiele lehren (eine ger,ingfugige Ausiiahnie vgl. letzte Spalte).

Netz 1 A i l s 1 A/42 I A182

Fafit man die Y der oberen (b) und unteren Netzhalfte (cl

M

\ , \ I

getrennt zusammen, so zeigen die Variationskurven, dafi im

Rahmenfaden bei durchschnitt- 1 lich 130", im unteren erst bei 8

Von den Neczen a 1 t e r e r '$ Tiere geben die gestrichelten $ Verteilungskurven ein ahnliches $ 7 Bild. l m ganzen Netz (a) haben knapp 50% Winkel von 125bis I 140'. Die Werte schwanken von 100' bis 153". I n der oberen Netzhalfte betragt der mittlere 3

Winkel 125", in der unteren 136'. Alle 3 Kurven siiid vie1 flacher als die fur die Jungtiere; die Werte streuen also starker, d. h. die alteren Kreuzspinnen halten beim Anheften des se- kundaren Rahmenfadens den

oberen Netzteil ein sekundarer O- 700 770 720 730 I Y O 750 760

etwa 137' angelegt wird. .E

- GrMe des Winkefs in Grad

- - _ i n Netzcn alterer Kreuzspinnen (El kritischen Winkel weniger genau Abb, 15. Variation des Winkelsyi __ in Netzen junger (JI, ein als die jungen.

Z. f . Tierpsyehologie Bd. 9 Heft 3 24

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354 GERTRUD MAYER

Macht die enge Scharung der Y-Werte zuniindest fu r die Jungtiere es denkmoglich bis wahrscheinlich, dai3 die Spinlie diesen Winkel wahrnimmt und danach den Anheftungsort des sekundaren Rahmenfadens bestimmt, so schien eine experimentelle Nachprufung aussichtsreich.

V e r . s u c h e : 1. 16.9. 50. Aranea 5017 ist beim Netzbau. Laufelld werdcn die schon fertigen sekun-

daren Radien samt ihren Rahnienfiiden mit dern Thermokaut,er durchgebrannt. Die Spinnc zicht irn ganzen 20mal Nhintereinander einen neuen an der altcn Stelle; die Ansatzpunkte liegen 1-5 mm auseinander.

2. 16. 9. 50. Spinne 50/4. Sowie die Spinne einen sekundiircn Radius sanit scinem Rah- menfaden fertig hat , zerstort sic dcr Versuchsleiter sofort odcr erst, nachdcm einige weitere tertinrc Radien entstnnden sind. Die Spinne zicht im ganzcn 11 sckundare Rahmcnf lden , dercn Ansatzpunktc von Null bis hodistens 4 miii auscinander liegcn.

3. 23.9 . 50. Nachdem Spinnc 5012 einen sekundiircn Rahmcnfaden schrag abwarts mit 129O Ansatzwinkcl Sczogen hat, zerstort d'er Versuchslciter den sekundaren Rahmcn- faden und verandert die Ecke, indcm er die pr imaren Rahmenfadcn oberhalb ihres Eckpunktcs zusammenklebt und das Spannseil cntsprechend vcrlangert. Da dabei einigc weitere Radieii ihrc Spannung v.erlieren, beseitigt cr auch sic. Nach ctwa vier Stundcn baut die Spinne ihr N e t z fertig, auch dicsmal wicder mit eineni sckundlrcn Rahmcnfaden in der betreffendcn E k e . y betragt jctzt 144'.

4. 30. 9. 50, Die halbwiichsigc Spinnc 5016 hat schon sehr fru,h schriig ab- wiirts cincn sckundiircn Kahmcn- faden in i Winkcl von schiitzungs- weise 105-110° zum bcstehcndcn primiiren Rahnicnfaden angehcftct. Nachdcm dcr Vcrsuchsleitcr deli sekundiircn Rahmcnfaden zerstort hat , zicht die Spinne an dessen Stellc zucrst cincn tcrtiiiren Kadius, dann crst w i d e r einen sckund;iren Radius mit Rahmenfadcn.

5. 30. 10. 50. Erwachscnc Spinnc 50/10. I n der unteren rcclitcn Ecke dcs werdcnden Nctzes bilden zwci Rahmcnfi idc~i R , u n d R2 cineii schr flachcn Winkel niitcinander5) (Abb. 16). I n dieser licgion wcrden socben gczogcne Radicn wcggc- braniit, so clan die Spinnc immer wicdcr ncuc hcrstcllen m u R , die sic uiiter nur geringfiigigcr Verlagcrung dcs Fixicrpunktcs bald a n I<,, bald an R 2 anhcftet. Tmnier folgt den1 An- hcftcn auf R , in A (in drci Fiillcn i n Mittcln voii 135-140°\ die H c r -

Ahh. 16. Ausschnitt c ines in1 Ban befindl ichen I<reuz- spinnennctzes; Herstcllung clcr Kahnicn- und l<acIial- fXclen noch nicht ahgcschlosscn. I<ckonstruktion.

Erklirung im Text I -~ ~~ ~

stcllung cines sekundiircn Rahnicnfadens; licgt dagegen der i2nhcftungspunkt auf 1i2 in B, so zieht die Spinnc erst einen tertiiiren Radius ( y = 105-1 loo) und sctzt danach erst wicdcr zum I3au cines sekundiircn Rahmcnfadcns an (in A'tnit y = 115-120°; zwci Fiillc).

A u s w e r t u n g d e r V e r s u c h e : Wie die beiden ersten Versuche zeigen, ziehen die Spinnen in bestimmte Netzregionen stets eiiien selrundiren Kahrnenfaden ein. DaLei schwankten die Ansatzpunkte auf den1 Rahnien- faden urn hochstens 5 mm, so da13 die Minliel urn hochstens 1 , 5 O V-I riierten. ' '

Dagegen lag in Versuch 4 der Anheftungspunkt des sekundaren Rahmen- fadens nicht so genau fest, denn nach dessen Zerstorung zog die Spinne erst noch eincn tertiaren Radius ein. An Hand der Haufigkeitskurven der )'-Wertc

.

5 ) D a die Rahnicnfiiden etwas tief zwischcn verschicdcncn Driihtcn ausgcspannt warcn, l ien sich das N c t z nicht in einen Rahnien einkleben und photographieren, wohl aber in scincii wichtigsten Streckcn mit deni Stcchzirkel abmcssen und soniit rekonstruicren.

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Untcrsuchungen iiber Herstellung und Struktur des Radnetzes usw. 355

Lflt sich aber erkennen, dafi in der unteren Netzhalfte nur ganz ausnahms- weise ein sekundarer Rahmenfaden bei weniger als 120' entsteht. Normaler- weise werden hier noch tertiare Radien liegen, und einen solchen hat die Spinne dann auch eingezogen. I n diesen Grenzbezirken kann sie also offenbar ent- weder das eiiie oder das andere tun.

An dicsen Grenzfall eritmert ein Versuch von PETRUSEWICZOWA (1938). Wcnn sic wicderholt tertiare Radien zerstorte, befestigte die juiige Kreuzspinne jctzt sekundare Radicii mit Rahmenfaden. Ich selbst habe dies umgekehrte Verhalten, also an Stelle eincs tertiaren Radius Einzieheii cines sekundiiren am gleichen O r t , bis jetzt nicht bcobachtct. Leider geht PETRUSEWICZOWA nicht nahcr auf die einzclnen Falle cin und sagt auch nichts iiber den jeweiligen Netzort pus. \Vie ich annehme, hat es sich auch hicr um diese Grenzbczirke ge- handclt.

I n Versuch 3 fixiertc die Spinnc sowohl vor wie nach Storunc der Ecke die sckundaren Rahnienfaden zwar unter wechsclndcn Winkeln, doch liegen sic beide immer noch innerhalb eines Gebietes rclativ grofler Hiufigkeit. Aunerdem zeigten z. B. die veranderten Radien- Inngen, dafi der Eingriff die Spannung dcr Nctzfadeii doch s tarker ver lnder t hattc, als beabsichtigt worden war . Hier bcwegt man sich leider schon a n der Grenze der Versuchs- moglichkeiten.

Vor alleni spricht Versuch 5 sehr deutlich dafur , duli die Spinne auf die Gro13e von y Bezug nininit: Fixicrtc sic, wie zucrst u n d zunicist, den sekundiiren Rahmcnfaden auf R , , so schwankte y von 135-140'. Wlie die Verteilungskurve zcigt, konimt d i e m Bctrag dem Mittelwcrt ganz nahc. W a r die Spinne jedoch nur 1,5 cni weiter und soniit auf R2 iiber- gegangcn und fixierte ihren Faden hier, so bildcte er mit dcm Rahmenfaden nur noch ?in y von weniger als 1 1 0 O . Dieser Betrag kommt iiach den Haufigkcitskurven nur in der obcrcn Nctzhiilfte und aud i d a iiur in 2 % der FZlle vor. U n d tatsachliich zog dann d i e Spinne hiar cincii ter t i i ren Radius ein. Erst bcim naclistcn Radius, bei y = r u n d 120°, fugtc sic

cinen sekundireii Rahnirnfaden an, was zwar immer nodl scltcn vorkommt, aber eben doch iin Bercich des Moglichcn liegt.

Somit sprechen die Versuche und Messungen ubereinstimmend niit grofier Wahrscheinlichkeit dafur, dan der fur Herstellung eines sekundaren Rahmeii- fadens typische W i n k e I ?' d e n g e s u c h t c n S i n n e s r e i z darstellt, der dieses Verhalten der Spinne bestimmt.

3. D i e K l e b s p i r a l e im K r e u z s p i n n e n n e t z Die Gcsamtform der N e t z f 1 a c h e hangt haufig mehr oder weniier

von den aufleren Raumverh~ltnissen ab, gewifl iiberall dort, w o die Spinne das Ne tz in der einen oder anderen Richtung nicht belicbig ausdehnen konnte- (PETERS 1933).

Mit der Netzfl2che ist auch die Ausdehnung und Gestalt der F a n g - f 1 a c h e , d. 11. also des von Klebfaden ubersponnenen Netzteiles, einiger- niafien festgelegt. Dein entspricht die g r o k Mannigfaltigkeit der aufieren Um.- r i f i h i e der Klebzone (PETERS 1937 a).

Dagegen scheint, wie schon PETFRS (1939) ausfuhrte, der Verlauf der c i n z e 1 n e n I1 m g a n g r_ d c r K I c b s p i r a 1 e ,,irgendwie kurvtlnmiifiig festgelegt" zu sein. Sic entsprechcn iiur in den scltensten Fallen der aufieren Umrinlinie der Klebzone; vielmehr fiillt die Spinne z. B. vorspringende Ecken der Netzflache, grofiere Ausbuchtungen oder - besonders bei Zil!a - sogar grofie Teile der Netzflache zuerst durch kurzere oder langere I-'eiidelzuge aus, ehe sie zur vollstandigen Spirale ubergeht. Spater schaltet sie nur noch aus- nahnisweise Umkehrstellen ein - vermutlich wenn sich, vielleicht durch And:- rung dcr Abstande, der Verlauf der Unigange geandert hat.

Auch cxperimentcll l i n t sich Icicht zcigen, dafl die Spinne offcnsichtlich eiiien b2- stiniiiiteii Verlauf dcr einzelnen Spiralcnumgangc anstrcbt. Die Spiralc h i t o f t die Form cincr Ellipse m i r deutlich !iingcrcr Vertikalachse. Dreht man cias N e t z wihrend d-r Hcr- s te l lung der Klebspiralc um 90°, so da13 die Ellipse horizontal licgt, so lafit die Spinnc sic alsbald wicdcr i i i cine aufreclitc Ellipsc iibergchen, indeni sic iibrr und uiitcr ihr cntwcder 1-2 Pcndelziige auflegt odcr die dortigen AbstZndc erwcitcrt.

24 *

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356 GERTRUD ~ V ~ A Y E R

I n die gleichc Kichtung, nimlich die Ursachen f u r den Verlauf der Spiralcnuniginge nicht a u k r h a l b des Netzes, s o n d x n in der Spinnc sclbst zu suchen, weist die Feststel!ung, daR die Umgange im Jugendnetz zumeist mehr krcisformig, bei alteren Spinnen eher ellip- tkch sind (Abb. 17 u n d 18). U m diesc Unterschiede k la r zu erfassen, cal t cs, wohldefiniertc Merkm.de des Verlaufs der lilebspiralenuniFange aufzufind.cn.

Abh. 17. Jugendnetz einer Aruriecr d;ad~~nict Abb. 18. Nctz einer adulten Aronecr rliuderrrci

l h r Verlauf IaBt sich einipcrinaBen bcsclireibcn erstens nach der Grundform, dcm Um- ri& melSbar als das Verhaltnis dcr Vertikalachsc zur Horizontalachse; zweitens nach der Exzentr iz i t i t dcr Umgingc, meRbar durcli dab Vrrhiltiiis, in dem der Netzmit te lpunkt die Vertikalachse teilt. Diese beiden Merkmale sind auf vcrschiedcnc Weise kombinierbar, so dafl sich 4 Typcn untcrscheiden lassen:

exzen t r isch exzcntrisch zcntrisch zentriscli k r,cisf o r mig elliptisch kreisformip elliptisch

A n 90 vcrtikalen I(reuzspinnennctzcn, n i m l i d ~ 42 der ersten beidcn Stadien und 4S zweitstimnierigcn des 5. bis 8. Stadiums, maf3 ich das V e r h 5 I t n i s d c r V e r t i k a I - a c h s c (VA) z u r H o r i z o 11 t a 1 a c h s c ( H A ) und die E x z e n t r i z i t a t zunachst

des i n n c r s t e n K 1 e b f a d e 11 u in g a n g s , bei dem sich die YuRere Form des jeweiligen Netzes am wenigsten auswirkcn diirfte.

W a r der Netzniittelpunkt M als Mitre der W a r t e nach Augenmali festgelegt, wurde (Abb. 19) der unterc Abstand des innersten Umganges, also M A = a , gemessen. Das Mittel aus MU u n d MC ergab den oberen Abstand M D = o ; a + o = Vertikalachse. Als Horizontalachse Salt die grolitc horizon- tale Ausdehnung dcs innersten Umgaiigcs. Sie licgt nicht imnier i n derselbcn H o h e wic M.

Abb 19. Skizzc zur Vcrmessung eincs Klebfadenuinganges.

Wcitere ErklSrunl: in, Text

W’ie Abb. 20 zeigt, ist in beiden Altersgrup- pen die Exzentrizitat stark variabel, die beiden Mittelwerte stitnrnen jedoch fast genau uberein. Fur die alteren Spinnen betragt a 61,S% der Ver- tikalachse, fur die iungen 61,3 5%. Dieses Ver- haltnis entspricht iibrigens genau den Mailen des Go1 dene n Sch nit t es .

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Untcrsuchungen iiber Hcrstellung urid Struktur des Kadnetres usw. 357

rund - elllptisch

Abb. 20. Achsenverhi l tnis und Exzentr iz i t i t des iniiersten I<lebfadenumgaii~e~ in verschiedenen I<reuzspinnennetzen. + Netzc junger S p i n n e n , 0 Netze alterer Spinnen, + Q errechnetc

Mittclwertc

Dagegen unterscheideii sich die Jugend- und Altersnetze in der Gesan1:- form der Spiralen. Beide Male besteht erhebliche, aber kaum iibergreifendc Variaibilitat im Sinne des obeu besprochencn ersten Eindrucks: Der iniierste Ulngang der Kleb- spirale in Jugendnetzen ist nahe- zu kreisformig, sein mittleres Achsenverhaltnis V A zu H A be- tragt 103 : 100; fur die alteren Spinnen ist er ausgesprochen el- liptisch: Das mittlere Achsenver- haltnis betrsgt 123 : 100, der Hochstwert 145 : 100.

a) V e r l a u f d c r K l e b s p i - r a l e b e i b e s c h w e r t e r S p i n n e Eine Zufallsbeobachtung an ciner m d e - ren Kadnetzspinne legte die Vcrmutung nahe, das leichtere Korpergewicht der Jungspinnen sei fur die Gesamtforin 'ihrer Klebspirale verantwortlich.

Eine halbwuchsigc, magere Sklopc- taria von 14 mg hatre ein N,etz mit offensichtlich kreisformigen Umgangen gebaut. Nachdeni sie in mehreren Stun- den cine grofle Fleischfliegc ausgesogcn hatte, waren zwei Tage sp i te r im niichsten Netz die Urns inge starker cllip- tisch, und jetzt wog die Spinne 27 mg.

Da weitere Beobachtungen und Versuche in dieser Richtuiig nicht ein- deutig verliefen, wurde der mittel- grogen Kreuzspinne Nr. 16, dcrcn Ge- wicht ich tiglich kontrollferte, ein Abb, 2 , , N~~~ der mi t einem BlciRewicht 97 mg flaches Stiickchen B 1 e i von bekanntem beschwerteii Spiniie 16 vom 3 .6 .48 . Elklarung i m Text

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358 GFRTRUD M A Y E R

Gcwicht a u f d a s A b d o m c n g c k 1 c b t , und ebenso nachdem sic sich geh2utct

21 23 26

127 (30 I l l $

130 (33 I l l @

135 (38 mg)

h a m . Das Ergebnis (Tab. 2, Abb. 21) entsprach nicht ganz den Erwartungen: Das Achscn-

verhiltnis dcr innercn Umgiinge wvurdc durch das Gewicht nicht deutlich beeinfluRt, sondcrn nur die Exzentrizitit wurdc durchschnittlich groRer. Das Blcigewicht hattc sich also demnnch fiir die Spiralen nur rein mechanisch als Zug nach unten ausgewirkt und als solcher natur- lich die Umgiinge ohcn und untcn in glcichem Sinne beeinflufit, was die Verschiebung dcr Umginge nach unten ergab. Sehr auffallcnd waren die weiten Ahstandc der Klebfaden- umgingc und dic grofien Sektorenwinkel, die wahrschcinlich zum Teil dafiir verantwort- lich sind.

Es ist nun nicht ganz leicht, diesen Effekt mit dcm groflen Gewicht dcr Tiicre in die rcchte Verbindung zu bringen - wcnn man nicht einfach annehmen will, dal? die Spinne durcli das ungcwohnte Gewicht in der Arbeit des Dauens gehcmmt war . Aber bcmcrkcns- wertcrweisc zichen auch Weibchen, die kurz vor dcr Eiablage stehen, nur noch vcrhiiltnis- maj3ig wcnigc Radien; z. 1). hattcn die Netze van PETERS' (19373) Spinnc 203, die im letz- ten Stadium vor dcr Eiablage stand und volle 42 mm grofi war , also gcwil? auch ein sehr schweres Abdomen gchabt haben wirtl, im Mittel nur 24 Radicn.

3 7 38 26 2 3

21

2 ,

Tabelle 2. Netzdaten der Kreuzspinnc 16. Gcw. mg: Korpergcwicht in mg. Fettdruck in dicscr Saulc be- deucet Gesamtgewicht der h c s c h w c r t e n Spinne, daruntcr in Klammer ihr Korpcrgewicht. r : Anzahl der Radien. a mm: mittlercr Ahstand dcr Klcbfiidcn in der Horizontalen. V A : H A : Verhiiltnis dcr Vcrtikal- achse zur Horizontalachsc in Prozenten. Exz: Exzentri-

dcs innersten Klebfadenumgan:

65 56 61

. .. zita

D a t uin

37 :32 34

25. 5. 28. 5. 28. 5.

I . 6 .

2. 6.

3. 6.

H 5 u t u n g 16. 6. 23, 6. 26. 6 . 27. 6 . 29. 6 .

237

80 ( 7 2 m g ) 2'1.

38

I iiiin

1 ,7 2 , 2 % , 2

5,5

5,0

1,6 2,2 2,o

2,7

J A

VA : H A

118 130 122

123

114

116

I22 121 128

119

123

Exz

59 63 65 72

71

65

60 59 59 67

6 2

Vcrmifit man allc Umgiingc ein und dessclbcn Nctzes und triigt die Wcrtc von a dcr Rcihcnfolgc nach ein (Abb. 2 2 ) , dann wird dic vergroflcrtc Exz.entrizitiit und ge- ringere Klcbfadenanzahl i n den Nctzcn der bcschwerten Spinnc noch dcutlidicr. Auch in Tabcllc 3, in d c r die Mittclwertc aus s imt- lichen vollstiindigen Spiralen vcr- schiedcncr Netze zusamm~cngcstellt wurdcn, zcigt sich deutlich diesc grogere Exzentrizitit.

Hat tc das Zusatzgcwicht dic Wirkung dcr Schwcrkraft vcrgro- fiert, so la:; der Gcgcnvcrsuch nahc, ihren Einflufi durch Horizontal- stellen dcs Netzes bzw. auf dcm Klinostaten zu vcrk1,cincrii oder auszuschaltcn.

b) S p i r a 1 c 11 v e r I a u f i n h o r i z o n t a I g e s t c 1 1 t c n N c t z c 11. Uiiter naturlichcn Bc- dingungen baut die Krcuzspinne ihr Netz vcrtikal. Genau scnk- recht gestcllte sieht inan nllcrdings iiur ausnnhmsweise; mcist s i n d sic

Abb. 22. Die Exzcntrizidt nller I<Icbfaclcniimg.inge von 5 normalen Netzcii (un ten ) und 3 Netzcn der hesciiwcrtcn Spinne 16 (B,, B,, B,;). Auf der Ahszissc von l i n k s nach reclits 5iifierster bis i i iners ter Llmpang (= Keihcnfolge

ihrer Entstehung)

- Reihenfolge der Umgarige

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Untcrsuchungcn uber Herstcllung und Struktur des RadrLetzcs usw. 359

99,6

im Mittcl um 10-20' und nur ganz sclten bis hochstcns 45O ge- nci8gt. Stellt man cinen Holzrah- men mit dem eingcklebten Nctz horizontal, so verlai3t ihn die Spinne gcwifi in der Nacht und baut anderswo cin neucs Nctz in der iiblichen, gcringen Ncigung.

Doch kann man die Spinne biswcilcn gewisscrmaCcn ubcr- listcn. H a t sic das alte Vcrtikal- netz abgebaut und mit dem iicuen begonnen, so legt man, z. B. wlh- renld sie die Befestigungsspiralc zicht, den Holzrahmen vorsichtig horizontal. In wenigcn Falleti baute dann die Spinn.e dmas hori- zontalc Netz fertig (Abb. 23). Die Klcbfadcnspirale ist fast ge- nau kreisformig; das mittlere Achscnvcrhaltnis aller Urngange betragt 99,6 : 100, also annlhcrnd 1 : 1, die innerstcn Unigiinge wci- scn sogar cine ctwas langere Ho- rizontalachse auf. Dagegen ist di'e Exzentrizitat immcr noch deutlich: dcr mitidere Abschnitt, dcr vor dcr Kippung unt,cn lag, vcrhalt sicli zur ganzcn Vertikalachsc in diesem Nctz, das vor Beginn des Zichcns dcr Hilfsspirale gckippt wurde, wie 56,8 : 100; wurde nach Ue- endigung dcr Hilfsspirale gckippt, bcvor die Spinne Klcbfaden her- zustcllcn begann, wie 56,3 : 100 (Tab. 3); das durchschnittliche Achscnverhdtnis betrug dann 120 : 100.

Parallclvcrsuche mit Zilla- Nctzen hatten dasselbc Ergcbnis.

56,8

Tabelle 3. D i e M i t t e l w e r t e v o n A c h s c n - v e r h d l t n i s u n d E x z c n t r i z i t a t s i i m t - l i c h e r K l c b f a d e i i u m g a n g e a u s v e r - s c h i e d e n e n K r e u z s p i n n c n n c t z e n. VA:HA = Verhaltnis von Vertikal- und Horizontalachsc in

Prozcnten, Exc. a = ExcentrizitSt a bei VA = 100 ~ ~~~~~

Netz- und Versuchsbedingungen

Horizontalnetze : 1. Vor Hilfssoirale horizontal

gestellt

gestellt Klinostat-Netze :

2. Naeh Hilfsspirale horizontal

1. Vor Hilfsspirale in Rewe-

2. Nach Hilfsspirale in Bewe- gung gesetzt

gung gesetzt Bescliwerungsnetze :

1. Spinne 16, 1. 6. 48 2. Spinne 16, 3. 6. 48

Netz zu Beginn der Hilfsspirale

Normalnetze von halbwuchsigen uin 180' gedreht

bis adulten Kreuzspinnen : 1. Spinne A 99 2. Spinne 16, 16. 6. 48 3. Spinne 11, 23. 5. 48 4. Spinne 15, 23. 5. 48 5. Spinne 15, 26. 5. 48 6. Spinne IVa, 18. 8. 48

Jugendnetze : 1. A 18 2. A 19

VA: HA I ~ x c . a.

120

105

124

1 1 3 113

113

116 127 117 119 120 117

56,3 I

5 5 , 3

53,3

67,2 62,9

50,3

56,8 56,7 56,s

5 7 , 2 54,7

55,9

c) S p i r a l c n v e r l a u f i n N e t - z e n , d i e a u f d e m K l i n o s t a t c n g c b a u t w u r d e 11. Die Drehachsc des Klinostatcn, mit welcher dcr Holzrahmcn in v c r t i k a 1 e r Stellung verbunden war, stand h o r i z o n t a 1. Nach Ein- schaltung dcs Uhrwerks kreiste das Nctz i n seiner Vertikalcbcnc, so dai3 jeder Scktor und in ihm die Spiline nachein- andcr die glcichniafiig langsame Uhrzcigcr- drchuiig durchmachtc.

Die Spinne begann soeben die Hilfs- spiralc, als der Klinostat in Gang gesctzt wurde. Wiedcrum vcrlicfen die Klcb- spiralenumgangc annahernd krcisformig. Das mittlerc Achsenverhaltnis bctrug 105 : 100, der im Sinnc dcr Ausgangs- stcllung utiterc Abschnitt durchschnittlich 55,3% dcr VA.

6) Dcr niedrige Wer t ist in diesem Falle vermut- licli auf die etwas abweichende Gestalt des Cesamt- netzes zuruckzufuhren.

Abb. 23. I<re~izspinnennetz, das bci Beginn der Hiltsspirale horizontalgestellt und in dieser Lage fertig gebaut wurde; Spinne halbwiichsig

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360 GERTRUD MAYER

Ein N e w , bei dessen Bau der Klinostat erst t i a c h Fcrtigstellung dcr Hilfsspirale sich zu drehen bcgann, wies das mittlere Achsenvcrhiiltnis 124 : 100 und cine Exzentrizitat von 53,3 bei VA = 100 auf (Tab. 3 ) . Einzelne Versuche mit Zzlla-Nctzcn verliefen in dcrselben Weise.

Zusammenfassend lafit sich iiber die Form und Lage der Klebspiralen- umgange danach folgendes aussagen: Jungspinnen bauen uberwiegend kreis- formige, aber trotzdem exzentrische Umgange. Die Spiralen der alteren Kreuz- spinnen sind durchschnittlich ebenso exzentrisch, jedoch deutlich elliptisch.

Kiinstliche Beschwerung einer Aruneu liei3 das Achsenverhaltnis der Spi- ralen unverandert, doch war die Exzentrizitat deutlich vergroflert.

Schaltete man den Einflufi der Schwerkraft schon zu Beginn des Ziehens der Hilfsspirale aus, so verhefen die Umgange im Horizontalnetz wie auch am Klinostaten nahezu kreisformig. Bei Schwerkraftausschaltung erst nach Beendigung der Hilfsspirale waren die Umgange normal elliptisch. Die Spinne scheint sich also, wenn andersrichtende Schwerkrafteinflusse fehlen, vorwiegend an den aufleren Umgangen bzw. an der Hilfsspirale zu orientieren.

Wurde das Netz zu Beginn der Hilfsspirale um 180" gedreht, also auf den Kopf gestellt, so verliefen die Unigaiige normal elliptisch, jedoch iiber- wiegend zentnisch.

Hier erhebt sich natfrlich die Frage, weshalb nach der Drehung uni 180" die Umgange nicht der neuen Lage entsprechend wieder nach unten ausgedehnt wurden, ferner warum bei Ausschaltung der Schwerkraft (S. 359) die Umgange zwar iiberwiegend kreisformig, aber trotzdem noch deutlich exzentrisch waren.

Beides rechtfertigt wohl die Vermutung, dafl a u c h d i e S e k t o r e n - w i n k e 1 die Ausbildung der Spiralen beeinflussen. D a im normalen Spinnen- netz die Radien nach unten enger stehen als nach oben, sind die Verhaltnisse in einem um 180' gedrehten Netz eben doch anders als im normalen, und auch ini horizontal gestellten Netz sind die Netzdaten fur die Spinne nicht in jeder Richtung die gleichen, womit diese Ergebnisse vielleicht zusammenhangen.

Auch andere Beobachtungcn, besondcrs an Zilla-Netzen, sprechcn fur solch cincn Ein- flu13 der Sektorenwinkel: Bei Zillu wird der Signalfaden hiuf ig als Symnietrieaclise des Nctzes bezeichnct (TILQUIN 1942), und tatsiichlich sind besonders die innersten Umglnge hiiufig etwas in seiner Verlangerung ausgebuchtet - allerdings nicht ininicr, dcnn bei manchen Netzen verlauft die Symmetrieachsc deutlich in anderer Riclicung. 1 i n 111 c r jedoch siiid die Spiralen in Richtung der kleinsten Sektorenwinkcl ausgcdchnt. Dn die G r o h der Sektorenwinkcl jedoch wieder von der jeweiligen RadicnlYtige und Richtung abhlngt (siehc oben), sind die wediselnden Verhiltnisse nicht mchr verwunderlich.

Weitere Untersuchungen miifiten diese Vermutung jedoch noch bestatigen und sichern, bevor hier endgultige Aussagen moglich sind.

Zusammenfassung

Das anfangliche regellose Fadenaiehen der Kreuzspinnen nach dem Schliipfen aus dem Kokon wird beschrieben.

Junge Araneen, die wahrend dieser ersten Zeit an jeglicher Fortbewegung verhindert wurden, konnten spater sofort mit dem Bau eines Radnetzes be- ginnen. Demnach braucht das frischgeschliipfte Tier die koniplizierten Be- wegungeii beim Netzbau nicht erst durch das ,,Sammeln von Erfahrungen" beim einfachen Fadenziehen der ersten Tage zu erwerben, sondern sie sind rein a n g e b o r e n. Nur ist beim Schlupfen der Spinnen aus deni Kokon der Netz- bauinstinkt noch nicht voll funktionsfahig und mufl erst reifen, bevor die Spinne Radnetze bauen kann.

Unabhangig von ihrem Alter konnen die Spinnen die einzelnen Faden des Grundgeriistes in verschiedener Weise herstellen. Die Art des jeweiligen Vorgehens hangt weitgehend von den raumlichen Gegebenheiten ab.

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Untersuchungen iiber Herstellung und Struktur des Radnetzes U S W . 361

Die Herstellung eines Netzes auf kunstlich dargebotenem Drahtrahmen wird beschrieben und dabei versucht, die Verschiedenheit der Faden und ihrer Entstehungsweise durch z. T. neue Bezeichnungen auszudrucken.

Die Grofie der Sektorenwinkel hangt erstens von ihrer Lage im Netz, zweitens von der Radienlange ab. Von oben nach unten werden die Sektoren- winkel kleiner, langere Radien Ledingen kleinere Winkel. Die den Radien- Iangen zugeordneten Winkelwerte sind unter denselben Voraussetzungen in Jugendnetzen (1. und 2 . Hautungsstadium) durchschnittlich kleiner als in den Netzen alterer Spinnen. Wahrend bei veranderter Radienlange die Winkel- grofie ungleichformig zu- bzw. abnimmt, andert sich die entsprechende Strecke auf dem Rahmenfaden, die fur die Spinnen mafigebend sein durfte, gleich- formig. Die Grofie dieser Winkelanderung ist, aul3er fur die beiden Alters- gruppen, auch in den Richtungsklassen verschieden.

Weiter wurde untersucht, unter welchen Bedingungen Kreuzspinnen einen sekundaren Rahmenfaden einlbauen. Viele Messungen und einige Versuche sprechen dafur, dafi die Spinnen dabei den Winkel Y, der den Radius bei seiner Herstellung vorubergehend mit dem Rahmenfaden bildet, berucksichtigen. Er betragt sowohl bei jungen wie bei alteren Tieren durchschnittlich 130 bis 135"; in der oberen Netzhalfte ist er etwas kleiner als in der unteren.

Die Ummgange der Klebspirale sind in Jugendnetzen uberwiegend kreis- formig, in Netzen alterer Spinnen mehr oder weniger elliptisch und bei beiden Gruppen im Mittel etwa gleich exzentrisch. Wurde der einseitig wirkende Ein- flufi der Schwerkraft ausgeschaltet, indem man das Netz wahrend des Legens der Bef estigungsspirale horizontal stellte oder auf dem Klinostaten drehte, so zogen auch altere Spinnen nahezu kreisformige Spiralen. W a r jedoch die Hilfs- spirale schon vor Ausschaltung der Schwerkraft fertig, so entstanden auch normal elliptische Umgange.

Eine mit einem Bleigewicht beschwerte Spinne baute Netze mit stark ex- zentrischen Umgangen; besonders auffallend waren hier die grofien Sektoren- winkel und die weiten Klebfadenabstande.

Nach einigen Ergebnissen ist zu schliefien, dafi der Grad der Exzentrizitat der Klebfadenumgange von der unterschiedlichen Grofie der Sektorenwinkel abhangt oder doch von ihr beeinflufit wird.

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362 ROGER DARCHEN

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Sur l’activitk exploratrice de Blattella germanica

Par ROGER DARCHEN Avec I 2 Jigares

Eingegangen am 17. J d i 19J2

I n t r o d u c t i o n : E x i s t e n c e d e l a t e n d a n c e e x p l o r a t r i c e Nous avons dkjA eu l’occasion de signaler l’existence d’un certain gkotro-

pisme nkgatif chez Blattella germanica. Nous avons meme parlk plus prkcisk- ment d’une gkotaxie strict0 sensu, ou tendance A escalader les obstacles.

J’ai tentk ici une ktude plus approfondie de cette taxie. J’ai plack cet insecte dans un milieu assez homogkne et sur un parcours le

plus simple possible: une baguette cylindrique en bois (10,5 mm. de diam2tre) graduke en centimktres sur 92 cm. de longueur. Cette dernikre, kclairke rkgu- likrement pa r une bande de lumikre diffuse, se trouvait sur une cuve d’eau dans une grande caisse de carton noir, rCalisant les conditions de milieu les plus isotropes possibles.

J’ai mCme voulu au d tbut retirer aux blattes toutes espkces de motivation comme un abri, de la nourriture, etc. dans le but, je le croyais alors, d’ktudier une gkotaxie negative pure.

Enfin, j’enregistrais toutes les cinq minutes pendant une denii-heure le i iomtre de centim2tres escalades pa r les insectes.

Les rksultats furent inattendus. T o u t d’abord, les Blattes ne restaient pas au sommet de la baguette mais en redescendaient assez rapidement. D e plus, s’ils faisaient des haltes, les points de stationnement ktaient dispersks sur la baguette. Ici, l’inversion de la taxie est donc automatique, sans dressage, ce qui n’est pas le cas dans la phototaxie. En effet, GOUSTARD a obtenu de trks bons dressages au labyrinthe en mettant une ampoule au dessus de l’abri. Or , comme le fait remarquer cet auteur, “ce rtsultat peut paraitre paradoxal, puisque dans ces conditions, la Blatte ne cesse de se rapprocher de la source pendant le parcours”. I1 y a eu une inversion de la photonkgativitk par dressage et l’insecte a “visuellement associk” la lampe et l’abri. Dans notre expkrience, l’inversion de la gtotaxie se faisait sans dressage parcc qu’un facteur inconnu cntrait en leu.

Nous en avions conclu dans la note prkckdente que le comportement d’un insecte sur une simple baguette dam un milieu homogkne est beaucoup plus compliqut A saisir qu’on ne pourrait le croire.

Ensuite, la courbe des dkplacements sur la baguette de 92 cni. donnait une hyperboloi‘de, comme si la tendance A monter allait s’amenuisant. I1 y avait donc dans le temps une “rkgulation” du gkotropisme de Blatella.

D’ailleurs, une contre-expkrience s u r u n e b a g u e t t e h o r i z o n t a 1 e devait nous apporter une courbe presque superposable h la prkckdente. Nous