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Untersuchungen zum Einsatz von magnetorheologischen Fluiden in Kupplungen Von der Fakultät Maschinenwesen der Technischen Universität Dresden zur Erlangung des akademischen Grades Doktoringenieur (Dr.-Ing.) angenommene Dissertation Lampe, Dietrich, M.S. geb. am 15.05.1963 in Leipzig Tag der Einreichung: 31.01.2000 Tag der Verteidigung: 10.11.2000 Gutachter: Prof.Dr.-Ing. R. Grundmann Prof.Dr.rer.nat.habil. A. Thess Prof.Dr.-Ing.habil. H. Janocha Prof.Dr.-Ing.habil. Dittmann Vorsitzender der Prüfungskommision

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Untersuchungen zum Einsatz von

magnetorheologischen Fluiden

in Kupplungen

Von der Fakultät Maschinenwesen

der

Technischen Universität Dresden

zur

Erlangung des akademischen Grades

Doktoringenieur (Dr.-Ing.)

angenommene Dissertation

Lampe, Dietrich, M.S.

geb. am 15.05.1963 in Leipzig

Tag der Einreichung: 31.01.2000

Tag der Verteidigung: 10.11.2000

Gutachter: Prof.Dr.-Ing. R. Grundmann

Prof.Dr.rer.nat.habil. A. Thess

Prof.Dr.-Ing.habil. H. Janocha

Prof.Dr.-Ing.habil. Dittmann

Vorsitzender der Prüfungskommision

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Diese Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit am Institut für Luft- und Raumfahrttech-

nik der TU Dresden. Bei Herrn Prof. Dr. R. Grundmann bedanke ich mich für die stetig erfah-

rene Hilfe, den mir eingeräumten Freiraum, sowie das entgegengebrachte Vertrauen.

Die Thematik war Teil des vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit

geförderten Landesinnovationskolleges „Intelligente Funktionsmodule der Maschinentech-

nik“. Dieses Projekt lag in der Federführung des Institutes für Werkzeugmaschinen und

Fluidtechnik der TU Dresden und ich möchte mich dort ganz besonders bei Herrn

Dr. K. Schumacher für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung bedanken.

Herrn Prof. Dr. A. Thess gilt mein Dank für viele wissenschaftliche Anregungen, die vertrau-

ensvolle Betreuung und die Begutachtung meiner Arbeit. In erheblichem Maße trugen auch

die zahlreichen Diskussionen mit Herrn Dipl.- Ing. L. Richter und Herrn

Prof. Dr. H. Neundorf von der HTW Dresden zum Gelingen der Arbeit bei.

Bei Herrn Prof. Dr. H. Janocha vom Lehrstuhl für Prozeßautomatisierung der Universität des

Saarlandes bedanke ich mich für die Übernahme des Gutachtens und die anregenden Diskus-

sionen mit seinen Mitarbeitern auf verschiedensten Konferenzen und Veranstaltungen.

Herr Dr. E. Richter stand mir stets mit Rat und Tat zur Seite und Herrn B. Messerschmidt bin

ich für die Unterstützung bei der Durchführung von Experimenten verbunden.

Susanne half mir nach besten Kräften auf verschiedenste Art und Weise. Dafür danke ich ihr

recht herzlich.

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INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis

Symbole und Indizes

Abstract

1 Einleitung 1

2 Stand der Technik 4

2.1 Bekanntes zu MRF 4

2.2 Bewertung bekannter Kupplungsarten 9

3 Theorie zur Entmischung von MRF in Scheibengeometrien 12

4 Permanentmagnetabdichtung für MRF 17

4.1 Ziel 17

4.2 Bekanntes von Ferrofluiddichtungen 17

4.3 Aufbau der Permanentmagnetabdichtung für MRF 19

4.4 Berechnung des maximalen Dichtungsdruckes 20

4.5 Experimentelle Bestimmung des maximalen Dichtungsdruckes 26

4.6 Bewertung der Ergebnisse 27

5 Entwurf von MRF-Kupplungen 29

5.1 Vergleichende Bewertung von Fließmodus und Schermodus 29

5.1.1 Prinzipiell mögliche Bauformen 30

5.1.2 Analyse der Bauformen 30

5.1.3 Folgerungen aus Vergleich 34

5.2 Theoretische Ableitung der Drehmomentübertragungsgleichungen 35

5.2.1 MRF im flüssigen Zustand 35

5.2.2 MRF im festen Zustand 52

5.2.3 Spezialfälle, Zusammenfassung und Bewertung 54

5.2.4 Gültigkeitsbereich und Effekte bei höheren Reynoldszahlen 58

5.3 Auslegung und Optimierung des magnetischen Kreises 62

5.3.1 Grundlagen 62

5.3.2 Vorauslegung 63

5.3.3 Optimierung 75

5.3.4 Nachrechnung der Schrägspaltkupplung mit dem FEM-Programm OPERA-2d 83

5.3.5 Vergleich der Berechnungsverfahren 89

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INHALTSVERZEICHNIS

6. Experimentelle Untersuchungen an MRF-Kupplungen 90

6.1 Untersuchungsziele 90

6.2 Versuchseinrichtungen 90

6.2.1 Schrägspaltkupplung 91

6.2.2 Scheibenkupplung 106

6.3 Messungen und Versuchsergebnisse 114

6.3.1 Im Fluidmodus 114

6.3.2 Phasenübergang zwischen Festkörper- und Fluidmodus 139

6.3.3 Im Festkörpermodus - Torsionswinkel 151

6.4 Anmerkungen zum Konzept der ‘negativen’ Viskosität 158

7. Einsatzbeispiel - ‘Schnelle Schaltkupplung’ 161

7.1 Aufgabenstellung und Aufbau 161

7.2 Reaktionszeit der Schaltkupplung - Berechnung und Experiment 162

8. Ausblick 169

8.1 Einsatzgebiete für MRF-Kupplungen 169

8.2 Weiterführende Arbeiten 173

9. Zusammenfassung 176

Quellen 180

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SYMBOLE UND INDIZES

Symbole und Indizes

Symbole

A Charakteristischer Parameter (in Kapitel 3)

A Querschnittsfläche

A Vektorpotential (magnetisch)

B Magnetische Flußdichte

C Curie-Konstante

D Schergeschwindigkeit

E Energie (Feldenergie)

F Kraft

H Magnetische Feldstärke

H Dimensionslose Höhe (Variable)

H Dimensionslose Koordinate in Spaltdickenrichtung (Kapitel 5)(I Einheitstensor

I Strom (elektrisch)

J Massenträgheitsmoment

L Dimensionslose Koordinate in Spaltlängsrichtung (Kapitel 5)

L Induktivität

M Drehmoment

M Magnetisierung

N Windungszahl

P Elektrische Leistung

R Radius (Abmessung)

R Widerstand

Re Reynoldszahl

S Spaltweite

T Temperatur

T Zeitkonstante

U Dimensionslose radiale Geschwindigkeit

U Dimensionslose Geschw. in Spaltlängsrichtung (Kapitel 5)

U Spannung (elektrische)

V Volumen (Kapitel 1)

V Dimensionslose Geschw. in Spaltdickenrichtung (Kapitel 5)

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SYMBOLE UND INDIZES

W Dimensionslose Geschw. in Umfangsrichtung (Kapitel 5)

W Breite

ℜ Dimensionsloser Radius

O Von der Größenordnung ..

a Skalierungsfaktoren

a Beschleunigung

e Einheitsvektoren

e Energiedichte

g Erdbeschleunigung

f Kraftdichte

h Koordinate in Höhenrichtung

h Lokale Spaltweite (Kapitel 4)

h Koordinate in Spaltdickenrichtung (Kapitel 5)

i Stromdichte

k Boltzmannkonstante

l Koordinate in Spaltlängsrichtung (Kapitel 5)

n Normaleneinheitsvektor

n Drehzahl

p Druck

r Radius (Koordinate)

t Anstiegszeit

t Temperatur

u Geschwindigkeit (meist radiale )

u Geschwindigkeit in Spaltlängsrichtung (Kapitel 5)

v Geschwindigkeit

x, y, z Koordinaten

Θ Curie-Temperatur

Ω Dimensionslose Winkelgeschwindigkeit (Kapitel 5)

α Spaltwinkel (Kapitel 5)

χm Magnetische Suszeptibilität

δ Kroneckersymbol

δDirac Dirac’sche Deltafunktion

ε Symbol für << 1

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SYMBOLE UND INDIZES

φ Winkelkoordinate in Umfangsrichtung (Kapitel 5)

γ Schergeschwindigkeit

η Basisviskosität (Dynamische Viskosität)

λ Koppelfaktor

µ Relative Permeabilität

µ0 magnetische Feldkonstante

ν Kinematische Viskosität

ρ Dichte(σ Spannungstensor (Kapitel 5)

σ Spezifischer elektrischer Widerstand

τ Schubspannung

τ0 Grenzscherspannung (ideales Bingham-Modell)

τyd Dynamische Grenzscherspannung (für reale MRF)

τys Statische Grenzscherspannung (für reale MRF)

ω Winkelgeschwindigkeit

ψ Gütefaktor

Indizes

M MRF

Dicht-max Maximaler Abdichtungs..

T Transponiert

Ü Über

a Außen

an Anstiegs..

app Scheinbar

b Körper

dyn Dynamisch

el Elektrische

i Innen

i, j, k Indizes

l, h, φ Indizes

mag Magnetisch

mag-max Maximaler magnetischer ..

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SYMBOLE UND INDIZES

max stat Maximales statisches ..

min dyn Minimales dynamisches ..

p Partikel

f Fluid

schalt Schalt...

stat Statisch

z Zentrifugal

w Widerstand

wirbel Wirbelstrom...

∧ Als Superskript: Einheits...

↑ Kartesische Einheitsvektoren

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ABSTRACT

AbstractIn dieser Arbeit wurden die Grundlagen für die Entwicklung einsatzreifer MRF-Kupplungen

geschaffen. So wurde das Problem der Abdichtung von MRF gelöst, ein Weg zur Verhinde-

rung der MRF-Entmischung aufgezeigt, die strömungstechnischen und magnetischen Dimen-

sionierungsgrundlagen erarbeitet und die gefundenen Erkenntnisse experimentell untermau-

ert. Entmischungserscheinungen in MRF wurden analysiert und ein die Partikelauszentrifu-

gierung beschreibendes Modell abgeleitet. Mit diesem konnte gezeigt werden, daß die Entmi-

schung der MRF durch eine Vergrößerung der Spaltdicke zu verhindern ist. Für eine neu ent-

worfene Abdichtung, die mit Hilfe von Permanentmagneten ein Austreten der MRF aus den

Drehmomentübertragungsspalten verhindert, wurde erstmals ein Modell zur Berechnung des

maximalen Dichtungsdruckes in MRF entwickelt und experimentell bestätigt. Zur Berech-

nung der Drehmomentübertragungseigenschaften von MRF-Kupplungen wurden die Navier-

Stokes-Gleichungen auf den Fall eines schrägen Übertragungsspaltes transformiert, ein neues

auf 3 Dimensionen erweitertes Bingham-Modell implementiert und eine Lösung für kleinere

Reynoldszahlen abgeleitet. Bei Experimenten konnte verifiziert werden, daß bei kleineren

Reynoldszahlen auch für Bingham-Fluide ein lineares Geschwindigkeitsprofil zwischen den

Drehmomentübertragungsflächen auftritt und daß dieses bei höheren Re-Zahlen quadratisch

wird. Der Übergang zwischen diesen Regimen erfolgt bei ReGrenz = 750. Aufgrund der Beein-

flußbarkeit der scheinbaren Viskosität der MRF durch magnetische Felder, läßt sich eine Li-

nearisierung des Geschwindigkeitsprofiles erzielen. Für die Analyse des MRF-Übergangs-

verhaltens zwischen festem und flüssigem Zustand wurde ein Kriterium abgeleitet, welches

den Verdrehwinkel zwischen den Drehmomentübertragungsscheiben definiert, bei dem die

Zustandsänderung erfolgt. Die Annahme, daß die übertragene Schubspannung im festen

MRF-Zustand linear mit dem Radius wächst, während im flüssigen MRF-Zustand die Grenz-

schubspannung der MRF über dem Radius konstant durch die Übertragungsflächen weiterge-

leitet wird, wurde experimentell bestätigt. Für den festen MRF-Zustand wurde experimentell

gezeigt, daß bei Entlastung eine von der vorherigen Maximallast und der Feldstärke abhängi-

ge remanente Verformung zurückbleibt. Die Vermutung, daß es bei MRF einen durch die

Feldstärke steuerbaren Schubmodul gibt, konnte widerlegt werden. Es wurde bestätigt, daß

MRF eine Last ohne meßbares Kriechen ertragen können. Die Auslegung des magnetischen

Kreises wurde nach drei verschiedenen Verfahren demonstriert, sowie deren Vor- und Nach-

teile diskutiert. Die Reaktionszeit einer MRF-Kupplung wurde analysiert, berechnet und ex-

perimentell bestätigt. Es konnte bestätigt werden, daß MRF-Kupplungen anderen Kupplungs-

arten hinsichtlich Drehmomentsteuerbarkeit und Schaltzeit überlegen sind.

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EINLEITUNG

1

1 Einleitung

Magnetorheologische Flüssigkeiten (MRF) sind in den letzten Jahren stark in ihrer

Qualität verbessert wurden. Deshalb ist ihr serienmäßiger Einsatz in Aktoren in naher

Zukunft zu erwarten. Ihre hohe mechanische Grenzscherspannung bei technisch rele-

vanten magnetischen Feldstärken, ihre gute zeitliche Stabilität und ihre minimale Re-

aktionszeit machen sie prädestiniert für den Einsatz in Sicherheitskupplungen und

Kupplungen mit steuerbarem Drehmoment. In dieser Arbeit werden das Funkti-

onsprinzip erläutert, Dimensionierungsgrundlagen für MRF-Kupplungen erarbeitet,

deren notwendigen Bestandteile ausgelegt und Untersuchungsergebnisse an ausgewähl-

ten MRF-Kupplungen präsentiert.

Magnetorheologische Flüssigkeiten (MRF) zeichnen sich ebenso wie elektrorheologische

Flüssigkeiten (ERF) durch eine Erhöhung ihrer Zähigkeit unter dem Einfluß eines magneti-

schen bzw. elektrischen Feldes aus. Ohne Feldeinwirkung sind sie flüssig und können unter

Feldeinfluß bei Nichtüberschreitung der feldstärkeabhängigen Grenzscherspannung als Fest-

körper betrachtet werden.

Schon im Jahre 1948 meldete M. Winslow US-Patente zu Kupplungen mit ERF an und im

gleichen Jahr wird in [Rab48] von Kupplungen mit MRF berichtet. Über eine technische An-

wendung dieser Patente ist wenig bekannt geworden. Die ungenügende Leistungsfähigkeit

dieser Kupplungen ließen diese Technologie anschließend für viele Jahrzehnte in Vergessen-

heit geraten. Forschungsarbeiten in den darauffolgenden Jahrzehnten konzentrierten sich

hauptsächlich auf die Beschreibung und Verbesserung des viskositätserhöhenden Mechanis-

mus von ERF [Blo88], [Hal93]. Nachdem man einerseits deren gute Anwendbarkeit für be-

stimmte Einsatzfelder, wie z.B. der Hydraulik [Wol94] nachgewiesen und andererseits das

Verbesserungspotential von ERF ausgereizt hatte, ist in den letzten 5 Jahren eine verstärkte

Hinwendung zu MRF zu verzeichnen. Aufgrund der im Vergleich zur elektrischen um einige

Größenordnungen stärkeren magnetischen Wechselwirkung zwischen Partikeln haben MRF,

neben anderen Vorteilen, vor allem eine wesentlich höhere Grenzscherspannung.

Die Entwicklung von MRF wurde in den vergangenen Jahren in starkem Maße von Forschern

vorangetrieben, die zuvor schon an der Verbesserung und dem Einsatz von ERF gearbeitet

haben. Daraus ist zu erklären, daß der auf dem Gebiet der Ferrofluide geschaffene Fundus an

Erkenntnissen bisher nur ungenügend bezüglich seiner Anwendbarkeit für MRF untersucht

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EINLEITUNG

2

wurde. In der vorliegenden Arbeit werden die Gemeinsamkeiten von Ferrofluiden mit MRF

insbesondere zur Entwicklung einer Abdichtung für MRF genutzt.

Obwohl MRF prinzipiell schon seit vielen Jahren bekannt sind, konnten ihre Anwendungen

noch keine Serienreife erlangen. Dies hat verschiedene Ursachen. Die Wichtigste liegt in der

Tatsache begründet, daß MRF durch den Einsatz neuer Magnet- und Stabilisatorwerkstoffe

erst in den letzten 2 - 3 Jahren wirklich anwendungsrelevante Leistungsmerkmale erlangt ha-

ben, die eine kommerzielle Anwendung in greifbare Nähe rücken lassen. Ein weiterer Grund

dafür, daß andere Forscher den Einsatz von MRF in Kupplungen nicht weiter vorangetrieben

haben, lag am bisher ungelösten Problem der Entmischung von MRF unter dem Einfluß von

Zentrifugalkräften. Für die Abdichtung eines Spaltes zwischen mit hoher Geschwindigkeit

gegeneinander laufenden Flächen gegen das Durchtreten von MRF wurde bisher noch keine

wirklich zufriedenstellende Lösung gefunden.

Die potentiellen Vorteile von magnetorheologischen gegenüber herkömmlichen Kupplungen

liegen vor allem in der einfachen, exakten und reproduzierbaren Steuerbarkeit des übertrage-

nen Drehmomentes, der schnellen Reaktionszeit und dem geringen Verschleiß. Im Vergleich

zu Magnetpulverkupplungen liegen die Vorzüge besonders in der wesentlich geringeren Grö-

ße der Partikel, welche zur Folge hat, daß deren Magnetisierung schneller erfolgt und daß

eine Veränderung der Eigenschaften durch Teilchenabrieb nicht zu befürchten ist. Die

schnelle Reaktionszeit ergibt sich vor allem aus dem fundamentalen Vorteil, daß die elektri-

sche Information direkt, d.h. ohne mechanische Bewegung von Teilen, auf das Wirkmedium

übertragen wird. Im Gegensatz zu elektrorheologischen Flüssigkeiten wirken sich sowohl eine

Verunreinigung, als auch eine Temperaturveränderung nur unwesentlich auf die Eigenschaf-

ten der MRF aus.

Magnetorheologische Kupplungen sind sowohl als Sicherheitskupplungen, als auch als

Kupplungen mit steuerbarer Ausgangsdrehzahl bzw. -drehmoment anwendbar. Ihr möglicher

Anwendungsbereich reicht von Werkzeugmaschinen über Hausgeräte bis hin zum Automo-

bilbereich.

In der vorliegenden Arbeit werden in den ersten Kapiteln Verfahren und Methoden erarbeitet,

die zur Funktionsfähigkeit von MRF-Kupplungen unabdingbar sind, um dann in den folgen-

den Abschnitten die zur Auslegung notwendigen Gleichungen und Zusammenhänge abzulei-

ten. Im darauffolgenden Teil wird von Experimenten an Versuchskupplungen berichtet, ein

Ausblick für zukünftige Anwendungsbereiche von MRF-Kupplungen gegeben und Vorstel-

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EINLEITUNG

3

lungen für notwendige Forschungsarbeiten auf dem Gebiet magnetorheologischer Fluide und

Kupplungen präsentiert.

Besonderes Augenmerk lag auf der gleichwertigen Behandlung strömungsmechanischer und

magnetischer Gesichtspunkte. Nur bei ausreichender Berücksichtigung beider Fachgebiete

schon zu Beginn des Entwurfs einer MRF-Kupplung werden einsatzreife Ergebnisse erzielbar

sein.

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STAND DER TECHNIK

4

2 Stand der Technik

2.1 Bekanntes zu MRF

Aufbau und Zusammensetzung von MRF

Magnetorheologische Flüssigkeiten (MRF) sind stabile Suspensionen sehr feiner ferromagne-

tischer Partikel in einem isolierenden Trägermedium. Zur Verhinderung der Koagulation der

Partikel sind diese mit einem Stabilisator beschichtet. MRF besitzen durch magnetische Fel-

der steuerbare rheologische Eigenschaften.

MRF sind nicht zu verwechseln mit Ferrofluiden. Während in MRF die Wechselwirkungen

zwischen den Partikeln für die Steuerbarkeit der rheologischen Eigenschaften verantwortlich

sind, ist eine gegenseitige Beeinflussung der Partikel in Ferrofluiden unerwünscht. Das kenn-

zeichnende Merkmal von Ferrofluiden besteht in ihrer Magnetisierbarkeit. Eine durch Wech-

selwirkungen zwischen Partikeln verursachte Viskositätsänderung durch magnetische Felder

ist bei ihnen unerwünscht und in der Praxis auch tatsächlich meist vernachlässigbar. Zur

Vermeidung der Partikelwechselwirkungen ist es bei Ferrofluiden erforderlich, eine Partikel-

größe von wenigen Nanometern und einen Volumenanteil der Partikel von ca. 10 % nicht zu

überschreiten. Durch die geringe Größe der Partikel und die großen Abstände zwischen ihnen

erreicht man, daß die thermische Energie der Partikel größer als die Wechselwirkungsenergie

zwischen den Partikeln ist und somit eine Kettenbildung vermieden wird.

Bei MRF ist eine Kettenbildung unter Magnetfeldeinfluß jedoch erwünscht und deshalb ist es

erforderlich, daß das Verhältnis zwischen Dipol-Dipol-Wechselwirkungenergie, die Partikel

können im magnetisierten Zustand als magnetische Dipole betrachtet werden, und thermi-

scher Energie der Partikel größer Eins ist, d.h.:

λµ

= >02

121

M V

kT(2.1)

mit: λ - Koppelfaktor; M - Partikelmagnetisierung; V - Partikelvolumen

k - Boltzmannkonstante; T - Temperatur

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STAND DER TECHNIK

5

Aus Gleichung (2.1) ist ersichtlich, daß es zur Erzielung fester Ketten günstig ist, große Parti-

kel aus einem Material mit hoher Magnetisierbarkeit zu verwenden.

Gegen die Verwendung von sehr großen Partikeln sprechen aber wiederum folgende zwei

Gründe: Bei größeren Partikeln ist das Verhältnis zwischen Volumenkraft, z.B. Gravitation

oder Zentrifugalkraft, und Strömungswiderstandskraft schlechter als bei kleinen Partikeln.

Dies würde zu einem schnelleren Entmischen der MRF führen, siehe auch Kapitel 3. Der

zweite gegen die Verwendung großer Partikel sprechende Grund besteht darin, daß diese aus

noch mehr Weiß’schen Bezirken bestehen würden, wodurch sich die zur Ausrichtung der

Bezirke benötigte Zeit (Neel’sche Relaxationszeit) erheblich verlängert.

Da somit bei der Wahl der Partikelgröße gegenläufige Einflüsse wirken, setzten sich in der

Praxis Kompromißlösungen im Bereich zwischen 1 und 10 µm durch.

Um eine möglichst große Schubspannung pro MRF-Volumen übertragen zu können, ist eine

hohe Partikelkonzentration zur Ermöglichung der Bildung einer maximalen Anzahl von Ket-

ten wünschenswert. Jedoch bewirken höhere Partikelkonzentrationen eine größere Zähigkeit

der MRF ohne Magnetfeld (Basisviskosität). Das ist bei den meisten Anwendungen uner-

wünscht. In der Praxis sind je nach Einsatzgebiet Partikelvolumenkonzentrationen zwischen

20 % und 60 % anzutreffen.

Die Partikel werden im Gegensatz zu Ferrofluidpartikeln, welche aus chemischen Ausfällre-

aktionen gewonnen werden, meist durch Mahlprozesse hergestellt. Als Materialien finden

stark ferromagnetische Verbindungen wie Karbonyleisen, Magnetit [Ash96] und in jüngerer

Zeit auch Eisen-Kobalt- und Eisen-Nickel-Legierungen [Car95] Anwendung.

Zur Verminderung der Sedimentation und der Agglomeration der Partikel ist es erforderlich,

diese mit einem Stabilisierungsmedium zu beschichten. Als Stabilisatoren werden oberflä-

chenaktive Substanzen wie z.B. Ölsäure [Ash96], metallische und alkalische Seifen, Sulfona-

te, Phosphatische Ester oder Stearinsäure [Car95] eingesetzt. Bei der Auswahl des Stabilisa-

tors muß sorgfältig darauf geachtet werden, daß Reaktionen mit der Basisflüssigkeit vermie-

den werden.

Als Basisflüssigkeit finden verschiedenste Öle, wie z.B. Silikonöle, Kerosene, synthetische

Öle, Mineralöle und Paraffinöle Verwendung. Bei diesen Ölen kommt es auf eine günstige

Viskosität, einen großen Temperatureinsatzbereich, Verträglichkeit mit Dichtungsmaterialien,

schlechte Brennbarkeit und gute Umweltverträglichkeit an.

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STAND DER TECHNIK

6

Generell läßt sich feststellen, daß MRF-Hersteller mit der Veröffentlichung von Informatio-

nen bezüglich Zusammensetzung und Herstellungsverfahren ihrer MRF sehr zurückhaltend

sind. Daraus ist auch zu schließen, daß es noch keine allgemeingültigen Regeln für die Her-

stellung industrieller MRF gibt und daß die Entwicklung von MRF meist auf empirischen

Methoden basiert.

Rheologische Eigenschaften

Ohne Feldeinwirkung sind MRF stets flüssig. Unter Feldeinfluß können sie bei Nichtüber-

schreitung der feldstärkeabhängigen Grenzscherspannung als Festkörper betrachtet werden.

Im flüssigen Zustand läßt sich die übertragene Schubspannung durch Größe und Richtung

eines magnetischen Feldes beeinflussen.

Für die Erhöhung der scheinbaren Viskosität ist die Ausbildung von verzweigten Ketten der

Feststoffpartikel verantwortlich. Sie werden durch magnetische Wechselwirkungskräfte zwi-

schen den Partikeln zusammengehalten. Eine Scherung des Fluides bewirkt zuerst eine Deh-

nung und bei höheren Schubspannungen den Abriß der Ketten. Da sich die Kettenbruchstücke

aber weiterhin entlang der magnetischen Feldlinien ausrichten, setzen sie der Scherge-

schwindigkeit des Fluides einen erheblichen Widerstand entgegen. Ein weiterer Beitrag zur

erhöhten Schubspannung im flüssigen MRF-Zustand resultiert aus der ständigen Rekombina-

tion von Kettenbruchstücken.

MRF fallen unter die Kategorie nichtnewtonscher Flüssigkeiten und ihre prinzipielle Be-

schreibung als Bingham-Festkörper hat sich allgemein durchgesetzt. Dies bedeutet, daß zwi-

schen Schubspannung und Schergeschwindigkeit folgende Beziehung gilt:

τ τ ηγ= +0 (2.2)

mit: τ - Schubspannung; τ0 - Feldinduzierte Grenzscherspannung

η - dynamische Viskosität oder Basisviskosität

(im englischen Sprachraum meist mit µ bezeichnet)

γ - Schergeschwindigkeit

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STAND DER TECHNIK

7

Bild 2.1 veranschaulicht Gleichung (2.2):

Newton

Bingham

γ

τ

τ0

η

wac

hsen

dem

agne

tisch

e F

elds

tärk

e

Bild 2.1: Schubspannung vs. Schergeschwindigkeit für ideale MRF

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß Gleichung (2.2) ausschließlich dann anwendbar

ist, wenn die Geschwindigkeit nur Komponenten in einer Richtung hat. Man spricht dann von

einer ‘ebenen Schichtenströmung’ [Böh81] und es wird stets davon ausgegangen, daß die

magnetische Feldstärke „senkrecht zur Strömungsrichtung“ [Jan92] sein sollte. Dieses

2d-Modell ist für viele Anwendungen hinreichend, wobei aber eine Erweiterung auf 3d drin-

gend erforderlich ist.

Die dynamische Viskosität η liegt in der Größenordnung der Viskosität der Basisflüssigkeit.

Sie ist hauptsächlich von der Temperatur abhängig, wobei in verschiedenen Quellen [Car94]

[Jol98] auch von einer Schergeschwindigkeitsabhängigkeit berichtet wird.

Der Wert der feldinduzierten Grenzscherspannung τ0 hängt von der magnetischen Feldstärke

ab. Für diese Abhängigkeiten wurden verschiedene theoretische Modelle [Gin94] [Ros95]

[Vol96] [Bos97] hergeleitet. Diese Modelle beabsichtigen, von Größe, Konzentration und

magnetischen Eigenschaften der Partikel auf die Grenzscherspannung als Funktion der ma-

gnetischen Feldstärke schließen zu können. Da die in diesen Modellen verwendeten Aus-

gangsparameter zum Teil nur durch aufwendige Messungen bestimmbar sind und die Genau-

igkeit der Modelle bisher ungenügend ist, werden die rheologischen Eigenschaften neuer

MRF nach wie vor experimentell ermittelt. Das Verdienst der entwickelten Modelle liegt aber

in der Identifikation der die Grenzscherspannung bestimmenden Faktoren. Dadurch trugen sie

entscheidend zu einer Verbesserung der Eigenschaften von MRF bei.

Liegt die aufgebrachte Schubspannung unterhalb von τ0, so verhält sich das Fluid wie ein

Festkörper und die Schubspannung ist vom Scherwinkel abhängig. In [Jol98] wird dabei ohne

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STAND DER TECHNIK

8

nähere Untersuchung davon ausgegangen, daß es einen mit Schermodul G bezeichneten kon-

stanten Proportionalitätsfaktor zwischen Schubspannung und Scherwinkel gibt. Bei Über-

schreitung der Grenzscherspannung geht das Fluid in den flüssigen Zustand über, der dadurch

gekennzeichnet ist, daß die Schubspannung linear mit der Schergeschwindigkeit wächst. Der

Proportionalitätsfaktor ist dabei, wie aus Gleichung (2.2) ersichtlich, die Basisviskosität η.

Wie oben bereits erläutert, gibt es bei MRF einen Bereich, in dem diese als Festkörper und

einen, in dem sie als Flüssigkeiten zu betrachten sind. Die Grenzscherspannung, bei welcher

der Übergang von fest zu flüssig erfolgt, wird dabei mit ‘statischer Grenzscherspannung’ τys

bezeichnet und der entgegengesetzte Übergang erfolgt bei der ‘dynamischen Grenzscherspan-

nung’ τyd. (Anmerkung: Bei Annahme des idealen Bingham-Modelles sind τys und τyd iden-

tisch und werden mit τ0 bezeichnet) Ob nun die statische oder die dynamische Grenzscher-

spannung höher ist, hängt von dem jeweiligen Fluid ab, wobei der Fall τys > τyd häufiger vor-

kommt und auch mit dem Abreißverhalten der Ketten leichter zu erklären ist [Wei93]. Auch

aus den in [Tan96] dargestellten Meßergebnissen ist erkennbar, daß τys größer als τyd ist. Für

die meisten Fluide liegen bisher jedoch keine konkreten Meßwerte für τys und τyd vor, sondern

es läßt sich meist nur die dynamische Grenzscherspannung τyd aus den Schergeschwindig-

keits-Schubspannungs-Kurven entnehmen, indem man die Kurven zu γ = 0 verlängert und

den Wert des Schnittpunktes mit der Abszisse als τyd verwendet.

Über die Temperaturabhängigkeit von τyd ist bekannt, daß nur mit einer geringfügigen Ab-

nahme mit wachsender Temperatur zu rechnen ist [Wei93a].

Magnetische Eigenschaften

MRF können ebenso wie Ferrofluide als superparamagnetisch bezeichnet werden. Dabei liegt

die Suszeptibilität von MRF aufgrund der höheren Partikelkonzentration höher als bei Fer-

rofluiden. Gute MRF erreichen Sättigungsmagnetisierungen von bis zu 1 Tesla und relative

Permeabilitäten von bis zu µr = 6 [Jol98].

Wie folgende Abschätzung zeigt, ist die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigen-

schaften nur gering. Die Magnetisierbarkeit der Partikel folgt weitestgehend dem Cu-

rie-Weißschen Gesetz: χ m

C

T=

− Θ(2.3)

mit: χm - magnetische Suszeptibilität (χm = µr - 1); C - Curie-Konstante

T - Temperatur; Θ - Curie-Temperatur (ΘEisen = 1043 K)

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STAND DER TECHNIK

9

Geht man davon aus, daß die Partikel entweder aus Eisen oder aus Eisenlegierungen bestehen,

so ergibt sich für einen Temperaturbereich von -50°C bis +100°C eine Veränderung von:

%18K1043K223

K1043K3731

)C100(

)C50()C100(≈

−−−=

°°−−°

m

mm

χχχ

(2.4)

Dies dürfte für den industriellen Einsatz akzeptabel sein.

2.2 Bewertung bekannter Kupplungsarten

Kupplungen mit MRF als Drehmomentübertragungsmedium haben ihren potentiellen Ein-

satzbereich vor allem bei schnell schaltenden Sicherheitskupplungen und drehmomentsteuer-

baren Kupplungen. Sollte sich zeigen, daß MRF im festen Zustand einen durch das Magnet-

feld steuerbaren Schubmodul G haben und keiner remanenten Verformung unterliegen, so

wäre ebenfalls ein Einsatz in schwingungstilgenden Kupplungen denkbar.

Schnell schaltende Sicherheitskupplungen

Sicherheitskupplungen haben die Aufgabe, einen Antriebsstrang bei Bedarf bzw. bei Über-

schreitung eines bestimmten Drehmomentes möglichst schnell zu trennen. Der Auslösepunkt

sollte in einem breiten Bereich einstellbar sein, und eine Steuerbarkeit während des Betriebes

wäre für bestimmte Anwendungen von Vorteil. Von besonderer Wichtigkeit ist die exakte

Reproduzierbarkeit des Auslösedrehmomentes.

Bisher werden als Sicherheitskupplungen hauptsächlich Lamellensicherheitskupplungen, Ku-

gelratschenkupplungen und Lamellenschaltkupplungen eingesetzt. Diese Kupplungen sind im

Einsatz robust, bestehen aber aus einer Vielzahl mit hoher Genauigkeit zu fertigenden Teilen.

Das Auslösedrehmoment der Lamellensicherheitskupplungen und der Kugelratschenkupplun-

gen ist während des Betriebes nicht verstellbar und weist eine nur ungenaue Reproduzierbar-

keit auf. Ungünstige Umgebungsbedingungen wie z.B. das Eindringen schon geringer Men-

gen von Feuchtigkeit oder Öl können das Auslösedrehmoment stark verändern. Derartige me-

chanische Kupplungen sind dadurch gekennzeichnet, daß zum Auslösen die Bewegung me-

chanischer Teile erforderlich ist. Dadurch entsteht eine relativ große Zeitverzögerung zwi-

schen auftretender Überlast und dem Auslösen der Kupplung.

Sicherheitskupplungen mit MRF haben das Potential, eine kürzere Schaltzeit zu verwirkli-

chen, mit weniger und einfacher zu fertigenden Teilen auszukommen, einen größeren Ein-

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STAND DER TECHNIK

10

stellbereich zu haben, sowie eine Verstellbarkeit des Auslösedrehmomentes im Betrieb zu

ermöglichen. Mit ihnen könnte erstmalig ein gesteuertes Wiedereinkuppeln verwirklicht wer-

den. Ihr Einsatzbereich wird aber auf Bereiche beschränkt bleiben, bei denen ein Rest-

drehmoment problemlos hingenommen werden kann.

Drehmomentsteuerbare Kupplungen

Als drehmomentsteuerbare Kupplungen finden zur Zeit hydraulische Wandler, Magnetpul-

verkupplungen und Hysteresekupplungen Anwendung. Sie haben die Aufgabe, für verschie-

denste Anwendungen ein im Betrieb variables Drehmoment zur Verfügung zu stellen. Dieses

veränderbare Drehmoment könnte prinzipiell auch durch steuerbare Antriebe verwirklicht

werden. Derartige Antriebe sind aber nach wie vor sehr teuer, besitzen eine wesentlich zu

große Reaktionszeit oder sind an eine vorgegebene Drehzahl-Drehmomentcharakteristik ge-

bunden. Deshalb ist die Zwischenschaltung einer drehmomentsteuerbaren Kupplung in vielen

Fällen unabdingbar.

Hydraulische Wandler können ein variables Drehmoment bereitstellen, benötigen aber stets

eine Drehzahldifferenz zwischen An- und Abtrieb und sind in ihrer Reaktion sehr träge. Sie

bestehen aus einer Vielzahl hochpräzise zu fertigender Teile.

Magnetpulverkupplungen haben sowohl eine kurze Reaktionszeit, als auch einen breiten

Drehmomenteinstellbereich. Ihr Schwachpunkt liegt im durch die Reibung zwischen den re-

lativ großen Magnetpartikeln hervorgerufenen starken Verschleiß. Dieser Verschleiß verur-

sacht eine über die Einsatzdauer veränderliche Drehmomentkennlinie und erfordert den Aus-

tausch des Magnetpulvers nach relativ kurzen Intervallen. Die Reaktionzeit ist bedingt durch

die größeren Partikelabmessungen höher als bei MRF-Kupplungen.

Hysteresekupplungen bieten eine über ihre lange Lebensdauer konstante Drehmomentkenn-

linie. Ihr Leerlaufdrehmoment ist vernachlässigbar gering. Ihr Wirkprinzip beruht auf der

während der Rotation erfolgenden Ummagnetisierung von Material, welches eine hohe Re-

manenz- und eine geringe Koerzitivfeldstärke hat. Dieser Ummagnetisierung benötigt Ener-

gie, welche durch ein Drehmoment zwischen dem den magnetischen Fluß bereitstellenden

und dem umzumagnetisiernden Körper eingebracht wird. Dieses Drehmoment ist von der

Drehzahl unabhängig und durch die Stärke des magnetischen Flusses einstellbar. Zur Erzie-

lung großer Drehmomente sind erhebliche Feldstärken erforderlich. Bedingt durch die großen

erforderlichen magnetischen Flußdichten bauen Hysteresekupplungen bei vergleichbarem

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STAND DER TECHNIK

11

Nenndrehmoment wesentlich größer und schwerer als MRF-Kupplungen. Ein weiterer Nach-

teil gegenüber MRF-Kupplungen besteht in ihrer wesentlich längeren Reaktionszeit.

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THEORIE ZUR ENTMISCHUNG VON MRF IN SCHEIBENGEOMETRIEN

12

3 Theorie zur Entmischung von MRF in

Scheibengeometrien

Da die in den MRF enthaltenen magnetisierbaren Partikel eine wesentlich größere Dichte als

das Basisöl besitzen, kommt es unter Einfluß von Massekräften, wie der Zentrifugal- oder der

Gravitationskraft, zu einer Entmischung der MRF. In diesem Abschnitt wird ein Weg aufge-

zeigt, wie dieser Effekt durch Erzeugung einer Zirkulationsströmung unterbunden werden

kann.

Das Auszentrifugieren der MRF-Partikel ist von besonderem Interesse, wenn die

MRF-Kupplung im Leerlauf läuft, d.h. wenn kein magnetisches Feld angelegt ist. In diesem

Fall rotiert eine Übertragungsfläche, während die andere still steht. Für alle anderen relevan-

ten Fälle kann man davon ausgehen, daß das magnetische Feld stark genug ist, um die Parti-

kel an einer radialen Bewegung zu hindern.

ω

still stehende Seite

rotierende Seite

hS

rGehäuse Fluid

Bild 3.1: Fluidzirkulation

Bei Reynoldszahlen, die größer als die im Kapitel 6 bestimmte Grenzreynoldszahl von 750

sind, existiert eine Fluidzirkulation. Die Beschränkung des im Folgenden zu erläuternden

Prinzips auf den höheren Re-Zahlbereich bringt in der Praxis keinerlei Probleme mit sich, da

die Entmischungsgefahr im unteren Bereich aufgrund kleinerer Zentrifugalkräfte auf die Par-

tikel ohnehin minimal ist. Wie in Bild 3.1 zu erkennen, ruft die Fluidzirkulation ein Gebiet

mit radial nach innen gerichteter Geschwindigkeit an der still stehenden Seite hervor. Um ein

Partikel radial nach innen zu transportieren bzw. in der Schwebe zu halten, muß die aus der

radial nach innen gerichteten Fließgeschwindigkeit des Fluides resultierende Widerstands-

kraft auf die Partikel größer bzw. gleich der auf die Partikel nach außen wirkenden Zentrifu-

galkraft sein.

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THEORIE ZUR ENTMISCHUNG VON MRF IN SCHEIBENGEOMETRIEN

13

Die Zentrifugalkraft berechnet sich unter Annahme von kugelförmigen Partikeln zu:

F R rz p p f lokal= −4

33 2π ρ ρ ω( ) (3.1)

mit: Rp - Partikelradius; ωlokal - lokale Winkelgeschwindigkeit

ρp - Dichte der MRF-Partikel; ρf - Dichte des MRF-Basisöls

Da die Winkelgeschwindigkeit der MRF in guter Näherung linear von der ruhenden zur rotie-

renden Scheibe ansteigt, ergibt sich für die lokale Winkelgeschwindigkeit:

ω ωlokal

h

S= (3.2)

Verwendung von Gleichung (3.2) in Gleichung (3.1) führt zu:

F R rh

Sz p P f= −

4

33

22π ρ ρ ω( ) (3.3)

Die Stokes’sche Gleichung beschreibt den auf ein sich langsam bewegendes kleines kugel-

förmiges Teilchen wirkenden Strömungswiderstand:

F R u uw p f p M= −6π η ( ) (3.4)

mit: ηf - dynamische Viskosität des Basisöls der MRF

up - radiale Geschwindigkeit der Partikel

uM - radiale Geschwindigkeit der MRF

Die radiale Geschwindigkeit der MRF uM kann mit folgender Gleichung beschrieben werden

[Schu35]:

u rhS

SS h

hM

M

= −

− +

ων

2 32

32

30

3

40 24(3.5)

mit: νM - kinematische Viskosität der MRF

Die Umformung von Gleichung (3.5) resultiert in:

urS

XMM

= −2 2ω

ν(3.6)

mit: Xh

S

h

S

h

S=

+

1

15

3

20

1

12

2 4

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THEORIE ZUR ENTMISCHUNG VON MRF IN SCHEIBENGEOMETRIEN

14

Einsetzen von Gleichung (3.6) in Gleichung (3.4), Gleichsetzen von Zentrifugalkraft mit

Strömungswiderstandskraft und Umstellen nach der Partikelgeschwindigkeit führt zu:

( )u

rR

h

S

hXP

P

P f

f Mω

ρ ρη ν2

22 22

9=

− (3.7)

Zur Verallgemeinerung wird eine dimensionslose Partikelgeschwindigkeit Up definiert:

U urSp P

M= νω2 2

(3.8)

Die Verwendung dieser dimensionslosen Partikelgeschwindigkeit ergibt für Gleichung (3.7):

( )U

R

S

h

SXp

p M p f

f

=

2 22

9

ν ρ ρη

(3.9)

Diese Gleichung ist von der Form:Up = A⋅g(H) - f(H) (3.10)

mit: H = h/s - dimensionslose Koordinate in Spaltdickenrichtung

Die Größe A in Gleichung (3.10) ist interpretierbar als ‘Charakteristischer Parameter’ für die

dimensionslose Partikelgeschwindigkeit:

( )A

R

Sp M p f

f

=

−2 ν ρ ρη

(3.11)

In der Gleichung für A ist erkennbar, daß eine Vergrößerung der Spaltdicke S, ebenso wie

eine Verringerung des Partikelradius Rp zu einer quadratischen Verbesserung des charakteri-

stischen Parameters A führt.

-0.02

0

0.04

0

A=1 A=0.3

A=0.1

A=0.03

A=0

H

0.02

0.2 0.4 0.6 0.8 1

U < 0 bedeutet: radial nach innen gerichtete Partikelbewegung

p

Up U > 0 bedeutet:radial nach außengerichtete Parti-kelbewegung

p

Bild 3.2: Radiale Partikelgeschwindigkeit vs. Abstand zur ruhenden Scheibe

(Berechnung anhand von Gleichung (3.9))

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THEORIE ZUR ENTMISCHUNG VON MRF IN SCHEIBENGEOMETRIEN

15

Während positive Werte von Up in Bild 3.2 eine nach außen gerichtete Geschwindigkeit der

Partikel bedeuten, zeigen negative Geschwindigkeiten die nach innen gerichtete Wanderung

der Partikel an. Zur Verhinderung der Entmischung ist ein möglichst großer nach innen ge-

richteter Anteil erforderlich.

Die nach außen bzw. nach innen gerichteten Partikelströme O bzw. I berechnen sich wie

folgt:

I A

O AU H A dH U H A dH

( )

( )( , ) ( , )=

−+∫ ∫2

0

1

0

1

(3.12)

Das Verhältnis zwischen nach innen und nach außen gerichtetem Partikelstrom soll als

‘Gütefaktor’ ψ definiert werden: ψ ( )AI

O= (3.13)

Integration der Gleichung (3.12), unter Verwendung der Gleichungen (3.9) und (3.11) führt

zu folgendem Diagramm:

1 e+2A

11 e-21 e-4

1

0.8

0.4

0.2

0

ψ

0.6

=> 1 bedeutet:Verhinderung der Entmischung

=> 0 bedeutet:Starke Entmischung

ψ

ψ

Bild 3.3: Gütefaktor vs. charakt. Parameter

(Berechnung mit Hilfe der Gleichungen (3.9) - (3.13))

ψ = 1 bedeutet, daß der nach innen gerichtete Partikelstrom ebenso groß ist, wie der nach au-

ßen gerichtete, d.h. ein Absetzen der Partikel wird verhindert. Je kleiner ψ, desto stärker ist

die Entmischung. Bild 3.3 zeigt ebenfalls, daß der charakteristische Parameter A wenigstens

kleiner als 0,1 sein muß, um eine spürbare Verbesserung der Stabilität gegen Entmischung

aufgrund von Zentrifugalkräften zu erreichen.

Ein Beispiel soll anhand typischer Zahlenwerte zeigen, wie der Gütefaktor ψ mit einer Ver-

änderung der Spaltdicke S beeinflußt werden kann.

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THEORIE ZUR ENTMISCHUNG VON MRF IN SCHEIBENGEOMETRIEN

16

S [mm]

ψ

54210 3

1

0.8

0.4

0.2

0

0.6

R mp =10µ

ν M m s= ⋅2 102

ρ f kgm= 850

ηf

kgm s= ⋅2 10

ρp

kgm= 8000-3

-1

-3

-1-2

-4 -1

ψ => 1 bedeutet:Verhinderung der Entmischung

Bild 3.4: Gütefaktor vs. Spaltdicke für typische MRF-Stoffwerte

(Beispielrechnung mit Hilfe der Gleichungen (3.9) - (3.13))

In Bild 3.4 ist zu erkennen, daß schon eine Vergrößerung der Spaltdicke von 0,5 mm auf

2,5 mm zu einer signifikanten Verbesserung der Stabilität gegen Entmischung führt.

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

17

4 Permanentmagnetabdichtung für MRF

4.1 Ziel

Bei Geräten und Instrumenten die MRF enthalten, muß ein Auslaufen der MRF durch Dich-

tungen oder andere Maßnahmen verhindert werden. Aufgrund des Feststoffpartikelanteiles in

MRF wären mechanische Dichtungen einem starken Abrieb ausgesetzt. Erschwerend kommt

hinzu, daß das Basisöl der MRF oft nicht kompatibel mit der Gummisorte verschiedener

Dichtungen ist.

Von einer MRF-Bremse [Lord96] ist eine Anordnung bekannt, bei der die magnetorheologi-

sche Flüssigkeit im Stillstand der Bremse durch die Schwerkraft nach unten in einen Freiraum

fließt, der unterhalb der Durchtrittsöffnung der Antriebswelle liegt. Bei Rotation des An-

triebs- bzw. Abtriebselementes wird die MRF durch Zentrifugalkräfte gleichmäßig in den

ringscheibenförmigen Übertragungsspalten verteilt. Erst nachdem dieser Vorgang der gleich-

mäßigen Ausfüllung der Übertragungsspalte abgeschlossen ist, kann dann das magnetische

Feld eingeschaltet werden, da ansonsten die Gleichverteilung der MRF in den Übertragungs-

spalten durch das vorzeitige Erstarren der MRF unter Magnetfeldeinfluß verhindert wird. Die

Nachteile dieses Prinzips liegen in der langen Reaktionszeit, welche auf den Stillstand von

An- und Abtriebselement folgen muß, sowie in der zwingend erforderlichen stets gleichblei-

benden Einbau- und Transportlage der Kupplung.

Zur Umgehung oben beschriebener Schwierigkeiten bietet sich eine Abdichtung mit Hilfe von

magnetischen Feldern an. Diese Art der Abdichtung ist möglich, da MRF magnetisierbar sind

und da sie aufgrund ihres Binghamverhaltens eine Schubspannung auch ohne Scherge-

schwindigkeit ertragen können.

Eine Abdichtung mit Hilfe von magnetischen Feldern hat gegenüber mechanischen Dichtun-

gen den weiteren Vorteil, daß sie verschleißfrei ist und daß keine Dichtungsreibung auftritt.

4.2 Bekanntes von Ferrofluiddichtungen

Das Wirkprinzip von Ferrofluiddichtungen soll hier erläutert werden, um die Unterschiede

und Gemeinsamkeiten zwischen diesen und der Abdichtung für MRF herauszuarbeiten.

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

18

Ferrofluiddichtungen sind eine etablierte Technologie und finden bereits breite Anwendung.

Sie besitzen die Aufgabe, das Eindringen bzw. Austreten fremder Medien in bestimmte Räu-

me zu verhindern. Ein Ferrofluid übernimmt dabei die Rolle des Dichtungsmediums, welches

durch magnetische Felder in einer bestimmten Position gehalten wird. Im Gegensatz zu Fer-

rofluiddichtungen wird bei der zu entwickelnden Abdichtung für MRF das Ziel verfolgt, ein

Auslaufen der MRF selbst zu verhindern.

Zur Anwendung gelangen Ferrofluiddichtungen als Druck-, Vakuum-, oder Verschlußdich-

tungen. Ein typisches Beispiel ist die Abdichtung der Durchführung von rotierenden Wellen

durch Gehäuse gegen das Eindringen aggressiver Gase. Bild 4.1 zeigt ein typisches Beispiel

für den Aufbau einer Ferrofluiddichtung.

N S

N S

Welle aus magnetisierbarem Material

Permanentmagnetring

FerrofluidmagnetischeFlußführung

Bild 4.1: Beispiel für Aufbau einer Ferrofluiddichtung (nach [Ros98])

Das Ferrofluid wird in diesem Bild durch einen Überdruck auf der linken Seite nach rechts

gedrückt. Dabei wird es soweit aus der Mittellage bezüglich der Flußführung gepreßt bis die

Differenz zwischen dem magnetischen Druck in der rechten und der linken Grenzfläche des

Ferrofluides genau entgegengesetzt gleich groß der Differenz der Umgebungsdrücke ist.

Der magnetische Druck berechnet sich dabei folgendermaßen:

p MdHmag

H

= ∫µ 0

0

(4.1)

Der maximal ertragbare Dichtungsdruck einer Ferrofluiddichtung ist mit guter Genauigkeit

durch den Maximalwert des magnetischen Druckes im Ferrofluid gegeben.

Für Ferrofluiddichtungen ist es besonders wichtig, daß sich die Viskosität des Ferrofluides

unter Feldeinfluß nicht erhöht. Dies würde zu einer unvertretbar großen Dichtungsreibung

führen.

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

19

4.3 Aufbau der Permanentmagnetabdichtung für MRF

Der Abdichtung kommt bei einer Schrägspaltkupplung die Aufgabe zu, die MRF im Kupp-

lungsstillstand in den Drehmomentübertragungsspalten zu halten. Bei Rotation der Kupplung

ist eine Abdichtung nicht erforderlich, da die MRF durch Zentrifugalkräfte in die Drehmo-

mentübertragungsspalte gepreßt wird.

Für eine Permanentmagnetabdichtung für MRF ist ein Aufbau bestehend aus einem ringför-

migen Permanentmagneten mit axialer Magnetisierungsrichtung und einem Feldführungsring

gut geeignet. Dabei liegen sich der mit dem Abtriebsteil der Kupplung verbundene Perma-

nentmagnet und der in das Antriebsteil der Kupplung integrierte Feldführungsring gegenüber

und können unabhängig voneinander rotieren. Bild 6.1 zeigt den in die Schrägspaltkupplung

implementierten Dichtungsaufbau. Der Feldführungsring hat die Aufgabe, einen möglichst

großen Teil des vom Permanentmagneten bereitgestellten magnetischen Flusses durch die

MRF zu leiten.

Da die Permanentmagnetabdichtung in der Schrägspaltkupplung rotationssymmetrisch ist,

genügt es, zur Analyse des maximal möglichen Dichtungsdruckes nur einen Ausschnitt zu

untersuchen. Bei der theoretischen, numerischen und experimentellen Untersuchung wird eine

Konfiguration folgenden Aufbaus betrachtet:

Bohrung fürDruckanschluß

Aufsatz ausPlexiglasteilen

MRF

Spalt

Permanent-magnet

Flußführungaus Eisen

Grundgestellaus Aluminium

ca. 1

20

Bild 4.2: Schnitt durch Versuchsvorrichtung zur Bestimmung

des maximalen Dichtungsdruckes

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

20

Die Versuchsvorrichtung wurde so aufgebaut, daß verschiedene Spaltweiten eingestellt und

unterschiedliche magnetische Flußdichten durch Einsatz verschiedener Magnetmaterialien

einfach realisiert werden konnten. Dabei kamen Magnete aus Bariumferrit, Kunststoff gebun-

denem NdFeB, Samarium-Cobalt, sowie Neodym-Eisen-Bor zum Einsatz. Alle Magnete wa-

ren in Einbaulage horizontal magnetisiert und hatten gleiche geometrische Abmessungen.

4.4 Berechnung des maximalen Dichtungsdruckes

Zur Berechnung des maximalen Dichtungsdruckes ist die Kenntnis der Verteilung der ma-

gnetischen Flußdichte in der MRF erforderlich. Dazu wurde eine Anordnung bestehend aus

MRF, Permanentmagnet und Flußführungseisen entsprechend Bild 4.2 für die jeweiligen

Spaltbreiten mit dem FEM-Programm OPERA berechnet.

Die Magnetisierungskurven der einzelnen Permanentmagnetmaterialien wurden dem Her-

stellerkatalog der Firma Magnetfabrik Schramberg GmbH entnommen. Für die Flußführung

und die MRF wurden die in Bilder 5.18 (S.68) dargestellten Magnetisierungskurven des

Stahles Böhler P900 und der MRF 132 LD verwendet. Im folgenden Bild wurde neben den

Magnetisierungskurven der Permanentmagnete noch die Magnetisierung der MRF 132 LD

über der Feldstärke aufgetragen und eine zur Berechnung des magnetischen Druckes erfor-

derliche Interpolationsformel nach der Methode der kleinsten Quadrate bestimmt.

00

Neodym-Eise

n-Bor

Samarium-C

obalt

Kunststoffg

eb.NdFeB

Bariumferrit

0,2

0,4

0,6

0,8

1

1,2

-8 E+5 -6 E+5 -2 E+5-4 E+5

B [T

esla

]

H [A/m]

Interpolation nach der Methode der kleinsten Quadrate

0 1 E+5 2 E+5 3 E+5 4 E+5H [A/m]

0

1 E+5

2 E+5

3 E+5

4 E+5

5 E+5

6 E+5

M [A

/m]

MRF 132 LDLORD Corp.

M = 6E-23H - 1E-16H + 8E-11H - 3E-05H + 5.908H5 4 3 2

Bilder 4.3: Zur Dichtungsdruckberechnung verwendete Magnetisierungskurven

der Permanentmagnetmaterialien und der MRF (Herstellerangaben)

Da MRF als Binghamkörper mit von der magnetischen Flußdichte abhängiger Grenzschub-

spannung zu betrachten sind, muß der daraus resultierende Beitrag bei der Berechnung des

maximalen Dichtungsdruckes berücksichtigt werden. Bei Ferrofluiden, die als newtonsche

Flüssigkeiten beschrieben werden, würde eine Wandschubspannung erst dann auftreten, wenn

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

21

im Fluid ein Geschwindigkeitgradient zur Wand hin auftritt. Dies ist aber erst nach Über-

schreitung des maximalen Dichtungsdruckes der Fall und muß somit bei Ferrofluiden nicht

berücksichtigt werden. Im Gegensatz zu Ferrofluiden können MRF aber auch im ruhenden

Zustand eine von der magnetischen Flußdichte abhängige Schubspannung auf die Wände

übertragen.

Zur Bestimmung des maximalen Dichtungsdruckes sollen die Kräfte an einer infinitesimal

dünnen MRF-Schicht in der Permanentmagnetabdichtung analysiert werden.

Permanent-magnet

Eisen-teil

gezoomteMRF- Schicht

x - Spalthöheh - lokale Spaltweite

x

h

p + p hstat mag

dxτys dxτys

∂x∂pstat

stat ∂x∂pmag

mag+ hdx)(p + dx)(p +

Bild 4.4: Kräfte in x-Richtung auf infinitesimal dünne MRF-Schicht

(Schnitt durch Permanentmagnetabdichtung; Ausschnitt aus Bild 4.2)

Die MRF-Schicht wird sich nicht in Bewegung setzen, wenn die Summe der in Bild 4.4 dar-

gestellten Kräfte in x - Richtung verschwindet:

02 =

+−

+−++ hdx

x

pphdx

x

pphphpdx mag

magstat

statmagstatys ∂∂

∂∂τ

hdxx

pdx

x

pdx magstat

ys

+=

∂∂

∂∂τ2 (4.2)

Durch Integration erhält man: ∫ ∫∫ += magstatys dpdpdxh

τ2 (4.3)

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

22

Bei Aufbringung des maximalen Dichtungsdruckes wird die MRF durch den auf die obere

Grenzfläche wirkenden Luftdruck soweit zum Permanentmagneten hin gedrückt, bis der ma-

ximal durch den magnetischen Fluß erzielbare magnetische Druck in der unteren Grenzfläche

herrscht. Aus diesem Grunde kann man davon ausgehen, daß der an der unteren Grenzfläche

wirkende magnetische Druck der lokal maximale magnetische Druck in der MRF ist. Da der

lokal maximale magnetische Druck nur in äußerst geringem Abstand vom Permanentmagne-

ten auftreten wird, ist es gerechtfertigt, den gesamten Bereich von x > 0 als mit MRF befüllt

zu betrachten.

Bei ausreichend großer Wahl des Integrationsbereiches ist der magnetische Druck an der obe-

ren Grenzfläche der MRF gleich Null zu setzen, da die magnetische Flußdichte in genügen-

dem Abstand zum Permanentmagneten gegen Null geht.

Der an der oberen Grenzfläche wirkende Luftdruck ist gleich der Summe aus dem maximalen

Dichtungsdruck und dem Umgebungsluftdruck. An der unteren MRF-Grenzfläche greift nur

der Umgebungsluftdruck an.

Unter Berücksichtigung dieser Argumentation erhält man für Gleichung (4.3):

∫+= −− dxh

pp ysmagDicht

τ2maxmax (4.4)

Die Berechnung des magnetischen Drucks erfolgt dabei nach Gleichung (4.1), also genau wie

für Ferrofluide, und zur Berechnung des zweiten Termes auf der rechten Seite von Glei-

chung (4.4) ist die Kenntnis der statischen Grenzscherspannung der MRF erforderlich. Der

Integrationsbereich in Gleichung (4.3) reicht von der Abdichtstelle, also x = 0, bis zu einem

Bereich, in dem die magnetische Flußdichte als verschwindend klein angesehen werden kann.

Die lokale Spaltweite h ist durch die Geometrie der Abdichteinheit vorgegeben.

Zur Berechnung des maximalen Dichtungsdruckes war es zuerst notwendig, für alle zu unter-

suchenden Spaltdicken, d.h. die minimalen Spaltdicken h(x=0), und für alle Permanentma-

gnetmaterialien die Verteilung der magnetischen Flußdichte in der MRF mit OPERA zu be-

rechnen. Bild 4.5 zeigt beispielhaft einen typischen berechneten Feldlinienverlauf der magne-

tischen Flußdichte. In diesem Bild ist gut erkennbar, daß die Dichte der Feldlinien bei x = 0 in

der MRF am höchsten ist und daß demzufolge dort auch tatsächlich die größte Flußdichte

herrscht.

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

23

MRF

Fluß-führungs-

eisen Permanent-magnet

Bild 4.5: Berechneter typischer Feldlinienverlauf der Dichtungsanordnung

Mit der in Bilder 4.3 aufgeführten Interpolationgleichung für die Magnetisierungskurve der

MRF 132 LD läßt sich das in der Formel für den magnetischen Druck (Gleichung (4.1)) ent-

haltene Integral lösen. Der magnetische Druck ist somit in Abhängigkeit von der magneti-

schen Feldstärke lokal bestimmbar.

p MdH H H H H H dHmag

H H

= = ⋅ − ⋅ + ⋅ − ⋅ +∫ ∫ − − − −µ µ0

0

023 5 16 4 11 3 5 2

0

6 10 1 10 8 10 3 10 5 908( , )

p H H H H H Hmag( ) ( , )= ⋅ ⋅ − ⋅ + ⋅ − ⋅ +− − − − −4 10 1 10 2 10 2 10 1 10 2 9547 23 6 17 5 11 4 5 3 2π (4.5)

mit: [pmag] = Pa; [H] = A/m

Das Programm OPERA bietet die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Gleichung (4.5) den lo-

kalen magnetischen Druck direkt ausgeben zu lassen. Bild 4.6 zeigt den berechneten Verlauf

des magnetischen Druckes innerhalb der MRF beispielhaft für das Permanentmagnetmaterial

Bariumferrit.

Trägt man die bei den verschiedenen Permanentmagnetmaterialien aufgetretenen Maxima der

magnetischen Drücke über der bei der jeweiligen Konfiguration eingestellten minimalen

Spaltweite h(x=0) auf, so erhält man Bild 4.7.

In Bild 4.7 spiegelt sich wider, daß die stärksten Permanentmagneten auch die größten ma-

gnetischen Maximaldrücke liefern. Würde es sich bei dem untersuchten Fluid nicht um eine

MRF, sondern um ein Ferrofluid mit gleichen magnetischen Eigenschaften handeln, so ent-

sprächen die in Bild 4.7 dargestellten Drücke dem maximalen Dichtungsdruck. Für MRF trägt

jedoch der aus dem Binghamverhalten resultierende zusätzliche Druck zu einer im folgenden

zu bestimmenden Erhöhung des maximalen Dichtungsdruckes bei.

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

24

Permanentmagnet-material:

Bariumferrit

00 2 4 6 8 10

x [mm]

P

[k

Pa]

2

4

6

8

10

12

mag

Spaltweite h bei x = 0

0.1 mm0.2 mm0.4 mm0.7 mm1 mm

Der Druck wurde entlang einer im Abstand von 0,05 mm parallel zur x-Achse verlaufenden Linieaufgetragen, d.h. innerhalb der MRF.

Bild 4.6: Berechneter Magnetischer Druck in der MRF vs. Spalthöhe x

0

50

100

150

200

250

0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1

Spaltweite h(x=0) [mm]

P

[

kPa]

mag

-max Neodym-Eisen-Bor

Samarium-CobaltKunststoffgeb. NeFeBBariumferrit

Permanentma gnet-material:

Bild 4.7: Berechneter maximaler magnetischer Druck in der MRF vs. minimaler Spaltweite

(Maxima aus zu Bild 4.6 analogen Diagrammen)

Für die Ermittlung des aus dem Binghamverhalten resultierenden Anteiles des maximalen

Dichtungsdruckes ist die Berechnung einer polynomialen Interpolationformel für die in

Bild 6.48 dargestellte statische Grenzscherspannung τys der MRF 132 LD erforderlich. Nach

der Methode der kleinsten Quadrate erhält man:

τ ys B B B B B( ) , , , ,= ⋅ − ⋅ + ⋅ + ⋅5 84 10 5 24 10 1 82 10 2 07 105 4 5 3 5 2 4 (4.6)

mit: [τys] = Pa; [B] = Tesla

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

25

Für die lokale Spaltweite h(x) fand folgende Geradengleichung Anwendung:

h(x) = 0,1227⋅x + h(x=0) (4.7)

Unter Anwendung der Gleichungen (4.6) und (4.7) kann man sich die Werte für den Aus-

druck τys/h in Abhängigkeit von x entlang einer zu x = 0 parallelen Linie vom Programm

OPERA berechnen lassen. Für den Bereich von x = 0.....40 mm wurden 200 Werte an äquidi-

stanten Positionen berechnet und ausgegeben. Den Wert für das Integral in Gleichung (4.4)

erhält man dann durch einfache numerische Integration, indem man die berechneten Werte

mit dem Stützstellenabstand multipliziert und aufsummiert.

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1

Neodym-Eisen-BorSamarium-CobaltKunststoffgeb. NeFeBBariumferrit

Permanentmagnet-material:

Spaltweite h(x=0) [mm]

P

[

kPa]

Bin

gham

ph

dxBingham = ∫2 ys

0

τx mm=40

Bild 4.8: Berechneter maximaler aus der statischen Grenzscherspannung

resultierender Druck vs. minimaler Spaltweite der Abdichtungseinheit

Beim Vergleich zwischen Bild 4.7 und Bild 4.8 fällt auf, daß der aus dem Binghamverhalten

resultierende Anteil des Dichtungsdruckes um ein Mehrfaches größer als der maximale ma-

gnetische Druck ist. Dies bedeutet, daß eine Dichtung mit MRF einen wesentlich höheren

Druck ertragen kann, als eine mit Ferrofluid befüllte Abdichtung.

Da der aus dem Binghamverhalten resultierenden Druck um fast zwei Größenordnungen grö-

ßer als der magnetische Druck ist, kann man davon ausgehen, daß der gesamte ertragbare

Dichtungsdruck mit guter Genauigkeit dem im Bild 4.8 dargestellten Druck entspricht und der

magnetische Druck in der Gesamtbilanz vernachlässigbar ist.

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

26

4.5 Experimentelle Bestimmung des maximalen

Dichtungsdruckes

Die Untersuchungen wurden mit einem Aufbau entsprechend dem folgenden Bild durchge-

führt:

DruckbehälterBarometer

Ventil

Kalibrier-barometer

Druck-sensor

Versuchsvorrichtung

Meßrechner

Bild 4.10: Versuchsaufbau

Für die Versuche wurde der Druckbehälter mit einem Kompressor auf einen Überdruck von

5 bar aufgeladen. Über ein handverstellbares Druckventil konnte ein kontinuierlicher Druck-

anstieg in der Kammer der Versuchsvorrichtung realisiert werden. Der Druck wurde dabei mit

einem Drucksensor der Firma SETRA Modell 208/208C gemessen und mit einem Meßrech-

ner aufgezeichnet. Der Drucksensor wurde zuvor mit einem mechanischen Barometer kali-

briert. Mit Hilfe der Meßsoftware DASY-LAB wurde der zeitliche Druckverlauf erfaßt und

der während einer Messung erzielte Maximaldruck ermittelt.

Der Ablauf der einzelnen Messungen war folgendermaßen: Die Kammer der Experimentier-

vorrichtung wurde mit MRF gefüllt, der Permanentmagnet angebracht und die Spaltbreite

h(x=0) eingestellt. Anschließend wurde der Druckschlauch mit dem Sensor an die Vorrich-

tung angeschlossen und das Ventil am Druckbehälter leicht geöffnet. Es strömte also langsam

Luft aus dem Druckbehälter, der Druck auf die MRF erhöhte sich. Bei Erreichen des maxima-

len Dichtungsdruckes trat die MRF durch den Spalt und verließ vollständig die Kammer der

Experimentiervorrichtung. Dies wirkte sich auf den Druck im System aus. Mit Beginn des

Austretens der MRF wurde der Anstieg des Druckes geringer und fiel nach vollständiger Lee-

rung der Kammer auf Null.

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

27

Der Versuch wurde mit den verschiedenen Permanentmagnetmaterialien und für die verschie-

denen Spaltbreiten von 0,1 mm; 0,2 mm; 0,4 mm; 0,7 mm und 1 mm durchgeführt, wobei

jede Konfiguration dreimal gemessen wurde. Nach jedem Versuch war der Permanentmagnet

von an ihm haftenden Rest-MRF zu reinigen, um eine Beeinflussung der Ergebnisse zu ver-

hindern und eine exakte Einstellbarkeit der Spaltbreite zu ermöglichen.

In Bild 4.11 sind die experimentell ermittelten Dichtungdrücke dargestellt. Zum Vergleich

zwischen Theorie und Experiment wurden ebenfalls die berechneten Dichtungsdrücke einge-

tragen. Diese sind die Summe aus den in Bild 4.6 und Bild 4.7 dargestellten Werten.

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

5

0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1

Kunststoffgeb. NeFeB

Bariumferrit

Rechnung

Experiment

Rechnung

Experiment

P

[

bar]

Dic

htun

g

(1 bar = 100 kPa)

Spaltweite h(x=0) [mm]

Bild 4.11: Berechnete und experimentell ermittelte maximale Dichtungsdrücke

vs. minimaler Spaltweite

4.6 Bewertung der Ergebnisse

Die erstmalig durchgeführten Untersuchungen an einer MRF-Abdichtung ergaben unter Be-

rücksichtigung der Vielzahl der in die Rechnung einfließenden Fehlermöglichkeiten eine gute

Übereinstimmung zwischen Rechnung und Experiment. Dies zeigt, daß das entworfene Be-

rechnungsverfahren die Einflußgrößen richtig erfasst und korrekte Ergebnisse liefert.

Besonders bemerkenswert ist die durch das Binghamverhalten mögliche starke Steigerung des

maximalen Dichtungsdruckes im Verhältnis zu Ferrofluiden. Bei der Suche von weiteren

Anwendungen, neben der Abdichtung von Kupplungen muß, aber auf jeden Fall die im Ver-

hältnis zu Ferrofluiden stark erhöhte Dichtungsreibung berücksichtigt werden. Nur bei rotie-

renden Anwendungen wie der MRF-Kupplung kann man davon ausgehen, daß die MRF bei

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PERMANENTMAGNETABDICHTUNG FÜR MRF

28

Rotation durch Zentrifugalkräfte aus dem Bereich erhöhter Flußdichte herausgeschleudert

wird und somit kein erhöhtes Leerlaufdrehmoment auftritt.

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

29

5 Entwurf von MRF-Kupplungen

Beim Entwurf von Kupplungen mit MRF ist es besonders wichtig, sowohl die strömungsme-

chanischen, als auch die elektromagnetischen Anforderungen schon bei der Auslegung zu

berücksichtigen. Nur die gleichwertige Beachtung dieser beiden Aspekte wird zum Erfolg

führen. Die Vernachlässigung oder erst nachträgliche Betrachtung einer dieser Seiten wird zu

Ergebnissen führen, die für die Praxis unbrauchbar sind. Aus diesem Grunde sollen in diesem

Abschnitt zuerst die Grundgleichungen für die Drehmomentübertragung abgeleitet und an-

schließend die Auslegung des magnetischen Kreises diskutiert werden.

5.1 Vergleichende Bewertung von Fließmodus und

Schermodus

Für die Kraftübertragung mit MRF sind in der Literatur drei Prinzipien zu finden:

P2

Schermodus Fließmodus Quetschmodus

&

B&

B

&

B

P > P

P1

V F

V

1 2

&

&

&

Bild 5.1: Kraftübertragungsprinzipien für MRF

Beim Schermodus ruht die untere Übertragungsfläche und die obere wird unter Aufbringung

einer Kraft bewegt. Im Fließmodus ruhen beide Wände und die MRF wird durch eine

Druckdifferenz angetrieben. Diese Druckdifferenz ist dabei durch die Magnetfeldstärke ein-

stellbar. Beim Quetschmodus wird die vertikale Bewegung der Wände durch Formänderung

eines bestimmten MRF-Volumens gedämpft. Die Dämpfung wird durch die magnetische

Feldstärke eingestellt.

Während der Schermodus bei Bremsen und Stoßdämpfern Verwendung findet, kommt der

Fließmodus hauptsächlich in der Hydraulik zur Anwendung. Vom Quetschmodus ist bekannt,

daß z.B. an der Entwicklung von Motorlagern gearbeitet wird.

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

30

5.1.1 Prinzipiell mögliche Bauformen

Im Gegensatz zum Quetschmodus ist der Einsatz des Fließmodus’ und des Schermodus’ zur

Drehmomentübertragung in Kupplungen möglich. Der Schermodus ist dabei durch Scherung

zwischen Antriebs- und Abtriebsflächen verwirklichbar. Beim Fließmodus liefert üblicher-

weise ein Überdruck die das Fluid antreibende Kraft. In Kupplungen kann dieser Überdruck

nur durch rotierende ‘Zähne’ erzeugt werden, die auf ihrer Vorderseite einen Überdruck auf-

bauen und auf der Rückseite einen Unterdruck erzeugen.

SpuleFlußführung

Drehmomentübertragungs-scheibe

MRF

FlußführungSpuleMRF

Drehmomentübertragungs-zähne

Schermodus Fließmodus

Bild 5.2: Anwendung von Scher- und Fließmodus in Kupplungen

5.1.2 Analyse der Bauformen

Bei der Analyse der beiden in Bild 5.2 dargestellten Möglichkeiten sollen die Leerlauf-

drehmomente und die übertragbaren Drehmomente verglichen werden. Für beide Fälle sei die

Drehmomentübertragungsfläche gleich groß (die zwei Ringflächen der Flußführung). Des

weiteren sei die Dicke der zu magnetisierenden MRF-Schicht identisch.

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

31

Für im Verhältnis zur Spaltdicke große Kupplungsradien läßt sich die Strömung folgender-

maßen vereinfachen:

MRF

ruhende Scheibe

bewegte Wände

Umfangsrichtung

Bild 5.3: Vereinfachtes 2D-Modell für Strömung im Schermodus

MRF

ruhende 'Zähne '

Umfangsrichtung

bewegte Wände

Bild 5.4: Vereinfachtes 2D-Modell für Strömung im Fließmodus

Um ein Vorstellung von den Strömungsverhältnissen zu bekommen, wurde die Strömung für

beide Fälle mit typischen Zahlenwerten und ohne Magnetfeld mit Hilfe des Strömungsbe-

rechnungsprogrammes FLUENT berechnet.

Dabei fanden folgende Zahlenwerte Anwendung:

• Geschwindigkeit der Wand bzw. der ‘Zähne’: v = 10 m/s

(entspricht ca. 1000 U/min bei Radius = 10 cm)

• Dynamische Viskosität: η = 0,2 Pa s

• Dichte: ρ = 3000 kg/m3

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

32

Schermodus

Im Strömungsberechnungsprogramm FLUENT wurde folgende Konfiguration berechnet:

y

'Pre

ssur

e In

let'

'Pre

ssur

e O

utle

t'

ruhende Wand

bewegte Wand 2,5

mm

x50 m m

FluidEinlauf (Fluid)

Bild 5.5: In FLUENT verwendete Geometrie und Randbedingungen

(entspricht nur oberer Hälfte aus Bild 5.3)

Als Ergebnis stellte sich bei den Rechnungen das in Bild 5.6 dargestellte Geschwindigkeits-

profil ein. Bei den Rechnungen war keine Veränderung des Geschwindigkeitsprofiles mit

wachsender Lauflänge x erkennbar.

0

1

2

1,5

2,5

0,5

y-Position [mm]

1086420x-Geschwindigkeit [m/s]

ideale Couette-Strömung

berechnetes Geschwindigkeitsprofil

Bild 5.6: Geschwindigkeitsprofil für Schermodus

Die berechneten Geschwindigkeitsprofile entsprechen beim Schermodus in guter Genauigkeit

dem erwarteten linearen Profil für die Couette-Strömung.

Die auf jede Übertragungsfläche wirkende Schubspannung ergibt sich somit zu:

Pa800mm5,2

m/s10Pas2,0 =≈=

y

u

∂∂ητ

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

33

Fließmodus

Mit dem Strömungsberechnungsprogramm FLUENT wurde die in Bild 5.7 dargestellte Kon-

figuration berechnet.

x

y

ruhe

nde

ruhe

nde

5 m

m

5 0m m

bewegte Wand v = 10 m/s

bewegte Wand v = 10 m/s

Fluid

Wan

d

Wan

d

Bild 5.7: In FLUENT verwendete Geometrie und Randbedingungen

(entspricht Ausschnitt aus Bild 5.4)

Bei den Rechnungen ergab sich die in den folgenden Bildern dargestellte Geschwindigkeits-

verteilung. Gut erkennbar ist darin die ausgeprägte Wirbelstruktur.

Bild 5.8: Für Fließmodus berechnete Bild 5.9: Für Fließmodus berechnete

Geschwindigkeitsvektoren Stromlinien

y-Position [mm]

-4 -2 1086420-8 -6x-Geschwindigkeit [m/s]

0

1,25

2,5

Hier ist nur untere Hälfte gezeigt. Obere Hälfte ist symmetrisch!!

bei x = 5mm

bei x = 45mmbei x = 35mmbei x = 25mmbei x = 15mm

Bild 5.10: Für Fließmodus berechnete Geschwindigkeitsverteilungen

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

34

Die auf beide bewegte Wände wirkende Reibungskraft in x-Richtung beträgt 388,3 N, wäh-

rend für die auf die ruhenden Wände wirkende Druckkraft ein Wert von -387,4 N ermittelt

wurde. Da diese Kräfte entgegengesetzt gleich groß sein müssen, ist die hier vorliegende mi-

nimale Differenz ein Maß für die gute Genauigkeit der Rechnung.

Aus der berechneten Reibungskraft läßt sich eine in x-Richtung gemittelte Schubspannung

bestimmen: Pa 3883m 1mm 502

N 3,388 =⋅⋅

==A

Anmerkung: Die Bezugslänge beträgt bei 2D-Rechnungen in FLUENT 1 m

5.1.3 Folgerungen aus Vergleich

An den Zahlenwerten für die Schubspannung der beiden Modi kann man erkennen, daß die

Leerlaufdrehmomente bei Anwendung des Fließmodus’ für MRF-Kupplungen bei sonst glei-

chen Bedingungen und Größen um ein Mehrfaches größer sein werden, als beim Schermodus.

Dies ist darauf zurückzuführen, daß das Geschwindigkeitsprofil im Fließmodus zwei Wende-

punkte benötigt, während für den Schermode kein Wendepunkt erforderlich ist. Daraus resul-

tiert dann ein wesentlich größerer Geschwindigkeitsgradient in y-Richtung an den bewegten

Wänden.

Die magnetfeldabhängige Komponente des übertragbaren Drehmomentes unterscheidet sich

jedoch nicht, da die vom Binghamanteil stammenden Schubspannungen in den beiden Fällen

gleich groß und unabhängig von den Geschwindigkeitsprofilen sind.

Daraus ist zu folgern, daß das Verhältnis zwischen übertragbarem- und dem Leerlauf-

drehmoment beim Schermodus wesentlich günstiger sein wird. Aus diesem Grund soll in die-

ser Arbeit im Weiteren ausschließlich mit diesem Kraftübertragungsprinzip gearbeitet wer-

den.

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

35

5.2 Theoretische Ableitung der

Drehmomentübertragungsgleichungen

Wie im Kapitel 2 erläutert wurde, ist bei MRF zwischen dem festen und dem flüssigen Zu-

stand zu unterscheiden. Da die übertragenen Spannungen bei Festkörpern abhängig von der

Dehnung und bei Flüssigkeiten proportional zur Dehnungsgeschwindigkeit sind, ist es erfor-

derlich, die Drehmomentübertragungsgleichungen für diese beiden Zustände getrennt abzulei-

ten.

5.2.1 MRF im flüssigen Zustand

Um Gleichungen für die übertragenen Drehmomente aufstellen zu können, ist die Kenntnis

des Geschwindigkeitprofils im Drehmomentübertragungsspalt notwendig. Dieses soll im fol-

genden mit Hilfe der Navier-Stokes’schen Gleichungen (NS-Gleichungen) und der Kontinui-

tätsgleichung hergeleitet werden. Dabei ist es sinnvoll, zuerst den allgemeinen Fall des

Schrägspaltes zu betrachten und später daraus auf die Extremfälle der ‘Glockenanordnung’,

d.h. α = 90°, und der ‘Scheibenanordnung’, α = 0°, zu schließen.

Schrägspalt-anordnung

Glocken-anordnung

Scheiben-anordnung

MRF

Bild 5.11: Untersuchte Übertragungsspaltanordnungen

Das Strömungsfeld soll unter folgenden Bedingungen ermittelt werden:

1. Inkompressibilität

2. Stationärer Fall

3. Räumlich konstantes Magnetfeld senkrecht zu den Drehmomentübertragungs-

flächen (&B Beh= )

4. Axialsymmetrie

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

36

Die Inkompressibilität ist gerechtfertigt, da es sich bei dem betrachteten Medium um ein

Fluid handelt. Die Axialsymmetrie ergibt sich aus der Geometrie des Drehmomentübertra-

gungsspaltes. Dabei wird davon ausgegangen, daß Änderungen in Umfangsrichtung von un-

tergeordneter Bedeutung für das übertragene Drehmoment sind.

Ein für die zu untersuchende Spaltgeometrie geeignetes spaltangepaßtes Koordinatensystem

kann folgendermaßen definiert werden:

Koordinate Größe Geschwindigkeit Richtungl Länge u ‘Spaltlängsrichtung’h Länge v ‘Spaltdickenrichtung’

φ Winkel w ‘Umfangsrichtung’

Tabelle 5.1: Spaltangepaßte Koordinaten

Des weiteren ist die Einführung von Parametern erforderlich. Bei diesen Größen handelt es

sich jedoch nicht um Koordinaten, sondern um Variationsgrößen, deren Einführung zur Be-

wertung der verschiedenen möglichen Fälle sinnvoll ist.

Parameter Größe BezeichnungRi Länge ‘Spaltinnenradius’α Winkel ‘Spaltwinkel’

Tabelle 5.2: Verwendete Parameter

X

Y

Z

φ

α

Punkt: h = 0 ; l = 0

el ehbetrachteterPunkt

Rotationsachse

Ri

nur obere Hälfte des Spaltes ist gezeigt

ω1 2

ω

Ri l cos α h sin α++

l sin α

l cos α

h cos α

l sin α - h cos αh sin α

Bild 5.12: Spaltangepaßtes Koordinatensystem im Übertragungsspalt

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

37

Aus Bild 5.12 sind folgende geometrische Beziehungen ableitbar:

x = cos φ (R1 + l cos α + h sin α)

y = sin φ (R1 + l cos α + h sin α)

z = l sin α - h cos α (5.1)

Die spaltangepaßten Basisvektoren berechnen sich aus:

ea

ea

x

qii

ii

k

ik= = ↑1 1& ∂

∂(5.2)

(nur Summe über k)

mit: ei - spaltangepaßte Einheitsvektoren; &ei - spaltangepaßte Basisvektoren; xk - x, y, z;

qi - l, h, φ; ↑ k - kartesische Einheitsvektoren; ai - Skalierungsfaktoren

Für die Skalierungsfaktoren ai gilt:

a ei i= &(5.3)

Aus den Gleichungen (5.1) und (5.2) erhält man für die spaltangepaßten Basisvektoren:

&e

x

l

y

l

z

ll x y z

x

y

z

= ↑ + ↑ + ↑ =

↑↑↑

∂∂

∂∂

∂∂

φ αφ α

α

cos cos

sin cos

sin

; &eh

x

y

z

=−

↑↑↑

cos sin

sin sin

cos

φ αφ α

α

&e

R l h

R l hi

i

x

y

z

φ

φ α αφ α α=

− + ++ +

↑↑↑

sin ( cos sin )

cos ( cos sin )

0

(5.4)

Die Skalierungsfaktoren berechnen sich aus (5.3) und (5.4) zu:

( )al = + + =(cos cos ) (sin cos ) sinφ α φ α α2 2 2 1 ; ah = 1

a R l hiφ α α= + +cos sin (5.5)

Somit erhält man für die spaltangepaßten Einheitsvektoren aus den Gleichungen (5.2), (5.4)

und (5.5):

cos cos sin cos sin

cos sin sin sin cos

sin cos

e

e

e

l

h

x

y

φ α φ α αφ α φ α α

φ φ

= −−

⋅↑↑↑

0

(5.6)

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

38

Für die als nächsten Schritt auszuwertenden NS-Gleichungen werden außerdem die Ableitun-

gen der spaltangepaßten Einheitsvektoren nach den spaltangepaßten Koordinaten benötigt.

Für orthogonale Basisvektoren berechnen sich diese Ableitungen wie folgt [Ema93]:

∂∂

δ ∂∂

δ ∂∂

e

q a

a

q a

a

qei

j

jk

i

j

i

ij

k

i

kk

k i

= −

≠∑ (5.7)

mit: δ - Kroneckersymbol

Die Orthogonalität des spaltangepaßten Koordinatensystems läßt sich durch Erfüllung folgen-

der Bedingung nachweisen:& &e e i ji j⋅ = ≠0 für (5.8)

Zur Demonstration der Erfüllung von Bedingung (5.8) sei folgendes Beispiel aufgeführt

(unter Benutzung der Gleichungen (5.4)):& &e e R l h R l hh i i⋅ = − + + + + + + =φ φ α φ α α φ α φ α αcos sin sin ( cos sin ) sin sin cos ( cos sin ) 0 0

Für die Ableitung der spaltangepaßten Einheitsvektoren ergibt sich unter Verwendung der

Gleichungen (5.5) - (5.7):

∂∂

∂∂

∂∂φ

α

∂∂

∂∂

∂∂φ

α

∂∂

∂∂

∂∂φ

α α

φ

φ

φ φ φ

cos

sin

cos sin

e

l

e

h

ee

e

l

e

h

ee

e

l

e

h

ee e

l l l

h h h

l h

= = =

= = =

= = = −

0 0

0 0

0 0

-

(5.9)

Neben den Ableitungen der Einheitsvektoren ist noch der Nabla-Operator im spaltangepaßten

Koordinatensystem zu bestimmen. Für orthonormale, das spaltangepaßte Koordinatensystem

ist orthogonal und wurde auch normiert, gilt:

∇ =e

a qi

i i

∂∂

(5.10)

Durch Einsetzen der Skalierungsfaktoren aus Gleichung (5.5) in Gleichung (5.10) erhält man:

∇ = + ++ +

cos sin

el

eh R l h

el hi

∂∂

∂∂ α α

∂∂φφ

1(5.11)

Der Geschwindigkeitsvektor schreibt sich:

&w ue ve wel h= + + φ (5.12)

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

39

Unter Verwendung der Gleichungen (5.9), (5.11) und (5.12), sowie bei Beachtung, daß der

Nabla-Operator auch auf die Einheitsvektoren anzuwenden ist, ergibt sich für Gradient, Di-

vergenz und Rotation des Geschwindigkeitsfeldes:

∇ = + + + + + + −+ +

+ −+ +

+ ++ +

&w

u

le e

v

le e

w

le e

u

he e

v

he e

w

he e

w

R l he e

w

R l he e

u v

R l he e

l l l h l h l h h hi

l

ih

i

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

αα α

αα α

α αα α

φ φ φ

φ φ φ

cos

( cos sin )

sin

( cos sin )

cos sin

( cos sin )

(5.13)

∇ ⋅ = + + ++ +

&w

u

l

v

h

u v

R l hi

∂∂

∂∂

α αα α

cos sin

( cos sin )(5.14)

∇ × =

++ +

− −+ +

&w

w

h

w

R l hw

l

w

R l hv

l

u

h

i

i

∂∂

αα α

∂∂

αα α

∂∂

∂∂

sin

( cos sin )cos

( cos sin )(5.15)

Bei der Ableitung der obigen Gleichungen wurde bereits von der Annahme eines axialsymme-

trischen Geschwindigkeitsfeldes, d.h. ∂wi/∂φ = 0, Gebrauch gemacht, wobei berücksichtigt

wurde, daß die azimutalen Ableitungen der Einheitsvektoren nicht aus diesem Grunde ver-

schwinden.

Für die zweite Ableitung des Geschwindigkeitsfeldes erhält man unter Verwendung der

Identität:

∇ = = ∇ ∇ ⋅ − ∇ × ∇ ×2 & & & &w w w w∆ ( ) ( ) (5.16)

∇ =

+ ++ +

+

− ++ +

+ ++ +

+

− ++ +

+ −+ +

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2 2

1

1&w

u

l

u

h R l h

u

l

u

h

u v

R l hv

l

v

h R l h

v

l

v

h

v u

R l hw

l

w

h

w

R l h

i i

i i

i

∂∂

∂∂ α α

α ∂∂

α ∂∂

α α αα α

∂∂

∂∂ α α

α ∂∂

α ∂∂

α α αα α

∂∂

∂∂ α α

( cos sin )cos sin

cos sin cos

( cos sin )

( cos sin )cos sin

cos sin cos

( cos sin )

( cos sin )

(5.17)

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

40

Nach Bereitstellung des Koordinatensystems und der Ableitungen des Geschwindigkeitsfel-

des in den spaltangepaßten Koordinaten, sind im Folgenden die Kontinuitätsgleichung und

die NS-Gleichungen aufzustellen und zu lösen.

Kontinuitätsgleichung:

10

ρρD

Dtw+ ∇ ⋅ =&

(5.18)

Unter Verwendung der Inkompressibilität und von Gleichung (5.14) erhält man:

∂∂

∂∂

α αα α

u

l

v

h

u v

R l hi

+ + ++ +

=cos sin

( cos sin )0 (5.19)

NS-Gleichungen für inkompressible Medien:

ρ σDw

Dtfb

&( &

= ∇ ⋅ + (5.20)

mit: (σ - Spannungstensor;

&f b - Körperkraftdichte

Als nächster Schritt sind die einzelnen Terme der NS-Gleichung zu analysieren.

σ(⋅∇ - Divergenz des Spannungstensors

Der Spannungstensor setzt sich zusammen aus:

τσ ((( +−= Ip* (5.21)

mit: (τ - Schubspannungstensor;

p* - Zusammengesetzter Druck: p* = phydrostat. + pmagnetostriktiv + pmagnetofluidisch

Der zusammengesetzte Druck p* beinhaltet für ein magnetisierbares Fluid neben dem hydro-

statischen Druck noch den magnetostriktiven und den magnetofluidischen Druck. Der magne-

tostriktive Druck kann bei Annahme der Inkompressibilität der MRF, d.h. z.B. akustische

oder Phasenumwandlungsprozesse sind nicht von Interesse, vernachlässigt werden [Ros98].

Der magnetofluidische Druck berechnet sich wie folgt:

p MdHmagnetofluidisch

H

= ∫µ 0

0

(5.22)

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

41

Der Schubspannungstensor ist für ein inkompressibles Binghamfluid:

DBingam

((( ηττ += (5.23)

mit: ( )( & &D w w

T= ∇ + ∇ - Schergeschwindigkeitstensor; η - Basisviskosität der MRF;

(τ Bingham - Binghamanteil der Schubspannung (Grenzscherspannung)

Im Folgenden soll eine Beschreibung für (τ Bingham abgeleitet werden. Die Ableitung erfolgt

analog zur Newtonschen Reibung, und es sind die Zusatzterme für magnetorheologische

Binghamfluide hinzuzufügen. Der Ausgangspunkt ist dabei, daß sich bei MRF entlang des

Magnetfeldes Partikelketten bilden, auf die bei Auslenkung gegenüber dem Magnetfeld ein

rückdrehendes Drehmoment wirkt. Dieses rückdrehende Drehmoment ist verantwortlich für

die Ausbildung einer Scherspannung. Bei der Newtonschen Reibung erhält man für das in

Bild 5.13 dargestellte Element:

τ η ∂∂

∂∂xy Newton

u

y

v

x= +

(5.24)

Dabei ist die Größe der Scherspannung proportional zur Schergeschwindigkeit. Mit Scherge-

schwindigkeit sind die Elemente des oben erwähnten Schergeschwindigkeitstensor D(

be-

zeichnet. Bei MRF ist die Größe des Binghamanteiles nur von der Stärke des Magnetfeldes

abhängig und es würde z.B. in Bild 5.13 ein Magnetfeld in z-Richtung (aus dem Blatt heraus)

keine Erhöhung der Scherspannungen bewirken, da in diesem Fall die Partikelketten bei der

dargestellten Scherung einfach nur um ihre Längsachse gedreht werden und ein Rück-

drehmoment somit nicht existiert. Aus Bild 5.13 ist ebenfalls ersichtlich, daß nur die

y-Komponente des Magnetfeldes den Aufbau von Partikelketten in y-Richtung bewirkt und

daß somit auch nur By für die zusätzliche Scherspannung bei Scherung der

x-Geschwindigkeit (u) nach y verantwortlich sein kann. Dies bedeutet für den in Bild 5.13

dargestellten Sachverhalt:

τ τ δ ∂∂

∂∂xy Binghamanteil f r MRF yd Dirac y xB

u

yB

v

x ü = − +

1 (5.25)

mit: δ Dirac - Dirac’sche Deltafunktion δ Dirac ( )0 1= ; δ Dirac x( )≠ =0 0

( )τ τyd yd B=&

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

42

Zur Erläuterung von Gleichung (5.25):

0 für 11 ≠

+=

+−

x

vB

y

uB

x

vB

y

uB xyxyDirac ∂

∂∂∂

∂∂

∂∂δ

0 für 01 =

+=

+−

x

vB

y

uB

x

vB

y

uB xyxyDirac ∂

∂∂∂

∂∂

∂∂δ

x

y

uy +∆y

vx +∆xvx

uy ∆x

∆y

ausgelenktePartikelkette

ausgelenktePartikelkette

& &B Bex=

Partikelkettefür

& &B Bey=

Partikelkettefür

Bild 5.13: Fluidelement im ungescherten und gescherten Zustand

Als nächster Schritt sind die in den Gleichungen (5.24) und (5.25) beschriebenen Sachverhal-

te zu verallgemeinern, indem von den einzelnen Elementen des Scherspannungstensors auf

den gesamten Tensor übergegangen wird. Für das Newtonsche Reibungsgesetz gibt es ein

bekanntes Ergebnis und für den Binghamanteil soll analog vorgegangen werden.

[ ]( )( & &τ ηNewton

Tw w= ∇ + ∇ oder ( ) [ ] [ ]

+= ii

jj

jjj

ii

iijNewton ew

qa

eew

qa

ˆˆ

ˆ

∂∂

∂∂ητ (5.26)

Für den Binghamanteil des Schubspannungstensors für MRF erhält man:

( ) ( )[ ] ( & & & &τ τ δBingham yd Dirac

TB w B w= − ∇ + ∇

1

bzw. ( ) [ ] [ ]τ τ δ ∂∂

∂∂Bingham ij yd Dirac i

i

i ij j j

j

j ji iB

e

a qw e B

e

a qw e= − +

1

(5.27)

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

43

Unter Verwendung der Gleichungen (5.5), (5.9) und (5.11) ergibt sich für den in Glei-

chung (5.27) enthaltenen Ausdruck:

( ) ( )[ ]( )

& & & &B w B w

Bu

lB

v

lB

u

hB

w

lB

w

R l h

Bv

hB

w

hB

w

R l h

Bu v

R l h

T

l l h li

h hi

i

∇ + ∇ =

+ −+ +

−+ +

++ +

2

2

2

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

αα α

∂∂

∂∂

αα α

α αα α

φ

φ

φ

cos

cos sin

..sin

cos sin

.. ..cos sin

cos sin

(5.28)

Bei der Ableitung der Gleichung (5.28) wurde wiederum von der Axialsymmetrie Gebrauch

gemacht, wobei beachtet wurde, daß Ableitungen der Einheitsvektoren in φ-Richtung aus die-

sem Grunde nicht notwendiger Weise zu Null werden.

Unter Anwendung der Vorgabe für das Magnetfeld: &B Beh= bekommt man für den Bing-

hamanteil des Schubspannungstensors:

(τ τ

δ ∂∂

δ ∂∂

δ ∂∂

δ ∂∂

δ ∂∂

Bingham yd

Dirac h

Dirac h Dirac h Dirac h

Dirac h

Bu

h

Bu

hB

v

hB

w

h

Bw

h

=

0 1 0

1 1 2 1

0 1 0

(5.29)

(τ Bingham vereinfacht sich weiter, wenn man annimmt, daß das Geschwindigkeitsfeld im gesam-

ten Lösungsgebiet folgende Bedingungen erfüllt: ∂∂u

h= 0 ;

∂∂v

h= 0 ;

∂∂w

h≠ 0 (5.30)

Obige Annahmen sollen im Weiteren Verwendung finden, wobei nach dem Erhalt einer Lö-

sung für das Geschwindigkeitsfeld gezeigt werden muß, daß es diese erfüllt.

Damit ergibt sich für den Binghamanteil des Schubspannungstensors:

(τ τ

τBingham yd

yd

=

0 0 0

0 0

0 0

(5.31)

Zur besseren Übersicht sollen die Gültigkeitsbedingungen für Gleichung (5.31) zusammenfas-

send aufgelistet werden: 0 ; 0 ; 0 ; ˆ ≠===h

w

h

v

h

ueBB h ∂

∂∂∂

∂∂&

(5.32)

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

44

Für die Divergenz des Spannungstensors erhält man aus Gl. (5.21) - (5.23):

( ) ( )∇ ⋅ = ∇ +

+ ∇ ⋅ + ∇ + ∇∫

( ( & &σ µ τ ηp MdH w whydrostat

H

Bingham

T

. 0

0

(5.33)

Da die Komponenten von (τ Bingham (siehe Gleichung (5.31)) nur von der magnetischen Feld-

stärke abhängen und diese räumlich konstant ist, verschwindet die Divergenz des Binghaman-

teils des Schubspannungstensors. Dieser Sachverhalt ist von größter Bedeutung, da darin zum

Ausdruck kommt, daß sich die Geschwindigkeitsprofile für eine MRF und ein Newtonsches

Fluid bei gleichen Geschwindigkeitsrandbedingungen, bei gleichem η, und unter Einhaltung

der Bedingungen (5.32) nicht voneinander unterscheiden.

Der Gradient des magnetofluidischen Druckes wird ebenfalls zu Null, da dieser Druck nur

von der magnetischen Feldstärke abhängt und diese räumlich konstant ist.

Unter Berücksichtigung obiger Argumentation und der Inkompressibilit des Fluides erhält

man für Gleichung (5.33):

∇ ⋅ = ∇ + ∇( &σ ηp whydrostat.

2 (5.34)

&f b - Körperkräfte

Die Körperkraftdichte in Gleichung (5.20) ist im vorliegenden Fall die Schwerkraft. Anhand

einer Abschätzung kann gezeigt werden, daß auftretende Zentrifugalbeschleunigungen um

mehrere Größenordnungen größer sind, als die Erdbeschleunigung. Dies rechtfertigt die

Nichtberücksichtigung der Schwerkraft in den NS-Gleichungen.

Typische Werte einer Kupplung sind: Ω = 314 s-1 (entspricht 3000 U/min); Ra = 100 mm

a R m sZentrifugal a= ≈Ω 2 4 210 ; g m s≈ 10 2 ; => g aZentrifugal<< (5.35)

Magnetische Körperkräfte sind nach dem in [Ros98] entwickelten Konzept schon in p* enthal-

ten.

ρ Dw

Dt

&

- Impulsstromänderung

Die Änderung des Impulsstromes für inkompressible Fluide ist:

ρ ρ ∂∂

ρDw

Dt

w

tw w w w

stationär& &

& & & &= + ⋅ ∇

= ⋅ ∇ (5.36)

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

45

Nach Multiplikation der Geschwindigkeit (Gl. (5.12)) mit dem Gradienten des Geschwindig-

keitsfeldes (Gl. (5.13)) erhält man für Gl. (5.36):

ρ ρ

∂∂

∂∂

αα α

∂∂

∂∂

αα α

∂∂

∂∂

α αα α

Dw

Dt

uu

lv

u

h

w

R l h

uv

lv

v

h

w

R l h

uw

lv

w

hw

u v

R l h

i

i

i

&

=

+ −+ +

+ −+ +

+ + ++ +

2

2

cos

( cos sin )sin

( cos sin )cos sin

( cos sin )

(5.37)

Nachdem alle Terme der NS-Gleichungen abgeleitet wurden, erfolgt hier eine Zusammenstel-

lung dieser:

NS-Gleichung in l-Richtung:

uu

lv

u

h

w

A

p

l

u

l

u

h A

u

l

u

h

u v

A

∂∂

∂∂

αρ

∂∂

ηρ

∂∂

∂∂

α ∂∂

α ∂∂

α α α+ − = − + + + +

− +

2 2

2

2

2

2

2

1 1coscos sin

cos sin cos

NS-Gleichung in h-Richtung:

uv

lv

v

h

w

A

p

h

v

l

v

h A

v

l

v

h

v u

A

∂∂

∂∂

αρ

∂∂

ηρ

∂∂

∂∂

α ∂∂

α ∂∂

α α α+ − = − + + + +

− +

2 2

2

2

2

2

2

1 1sincos sin

cos sin cos

NS-Gleichung in φ-Richtung:

uw

lv

w

hw

u v

A

w

l

w

h

w

A

∂∂

∂∂

α α ηρ

∂∂

∂∂

+ ++

= + −

cos sin 2

2

2

2 2(5.38)

Zur Verkürzung der Schreibweise fand A R l hi= + +cos sinα α Verwendung.

Entdimensionalisierung der Gleichungen

Um eine Lösung der Gleichungen (5.38) unabhängig von den absoluten Abmessungen des

Lösungsgebietes finden zu können, ist es erforderlich, die Gleichungen dimensionslos zu ma-

chen. Folgende Bezugsgrößen sind dabei dem System angepaßt:

• Bezugslänge: Spaltdicke S

• Bezugsgeschwindigkeit: ΩRa

mit: Ra = Ri + lmax cosα (maximaler Radius auf der Innenseite d.h. bei h = 0)

Ω - Winkelgeschwindigkeit der schneller rotierenden Seite

• Bezugsdruck: ( )ρ ΩRa

2

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

46

Damit ergeben sich die neuen dimensionslosen Koordinaten und Geschwindigkeiten im

spaltangepaßten System zu:

Ll

S= ; H

h

S= ; U

u

Ra

; Vv

Ra

; Ww

Ra

(5.39)

Der Parameter Ri und der Druck p werden folgendermaßen transformiert:

ℜ =iiR

S ;

( )P

p

Ra

=ρ Ω 2

(5.40)

Mit den obigen Bezugsgrößen erhält man für die Reynoldszahl:

ηρ SR

Re aΩ= (5.41)

Für die Kontinuitätsgleichung (5.19) und die NS-Gleichungen (5.38) ergibt sich unter Ver-

wendung der dimensionslosen Größen aus Gl. (5.39) - (5.41):

Kontinuitätsgleichung:

∂∂

∂∂

α αU

L

V

H

U V+ + + =cos sin

Ã0 (5.42)

NS-Gleichung in L-Richtung: (5.43)

+−

++++−=−+

2

2

2

2

2

22

Ã

cossincossincos

Ã

11

Ã

cos ααα∂∂α

∂∂α

∂∂

∂∂

∂∂α

∂∂

∂∂ VU

H

U

L

U

H

U

L

U

ReL

PW

H

UV

L

UU

NS-Gleichung in H-Richtung: (5.44)

+−

++++−=−+

2

2

2

2

2

22

Ã

cossinsinsincos

Ã

11

Ã

sin ααα∂∂α

∂∂α

∂∂

∂∂

∂∂α

∂∂

∂∂ UV

H

V

L

V

H

V

L

V

ReH

PW

H

VV

L

VU

NS-Gleichung in φ-Richtung:

−+=+++

22

2

2

2

Ã

1

Ã

sincos W

H

W

L

W

Re

VUW

H

WV

L

WU

∂∂

∂∂αα

∂∂

∂∂

(5.45)

mit: Ã =A

S= ℜ + +i L Hcos sinα α

Größenordnungsabschätzung

Die NS-Gleichungen können durch eine Größenordnungsabschätzung und Nichtberücksichti-

gung von Termen untergeordneter Größenordnung vereinfacht werden.

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47

Da die Hauptströmungsrichtung in Umfangsrichtung ist, folgt: W = O(1) (5.46)

Weiterhin ist anzusetzen: ℜi = sinα = cosα = O(1) (5.47)

mit: O - “Größenordnung von ...“; ε << 1

Für den Anwendungsfall in einer MRF-Kupplung ist es zur Erzielung eines großen übertrag-

baren Drehmomentes bei vertretbarem elektrischem Ansteueraufwand auf jeden Fall erfor-

derlich, die Spaltlänge wesentlich größer als die Spaltdicke zu wählen. Die Ursache dafür

liegt in der in erster Näherung linear mit der Spaltdicke anwachsenden erforderlichen magne-

tischen Induktion zur Erzielung einer sinnvollen magnetischen Flußdichte. Eine sinnvolle

magnetische Flußdichte liegt vor, wenn die Magnetisierbarkeit der MRF gut genutzt wird. Bei

einer typischen MRF-Kupplung, wie z.B. der Schrägspaltkupplung (siehe Bild 6.1), muß man

des weiteren davon ausgehen, daß die Spaltlänge um eine Größenordnung kleiner als Ri ist.

Man kann also schreiben:

Wegen: Spaltinnenradius >> Spaltlänge >> Spaltdicke =>

ℜi = O(1) ; L = O(ε) ; H = O(ε2); V = O(ε2) (5.48)

Setzt man diese Abschätzungen in die Kontinuitätsgleichung (5.42) ein, so erhält man:

0O(1)

)1(

)(

)(

)(

U2

2

=++ O

O

O

O εε

ε => U = O(ε) (5.49)

Ein typischer Wert für die Reynoldszahl ist bei Annahme von:

Ω = 157 s-1 (entspricht 1500 U/min); Ra = 100 mm; S =3 mm; ηρ

= ⋅ −2 10 42m

s

Retypisch ≈ 250 (5.50)

Daraus folgt: )(1 εO

Retypisch

= (5.51)

Über den Druck ist vorab nichts bekannt und deshalb muß angenommen werden, daß seine

Größenordnung der größten vorkommenden entspricht.

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48

Für die NS-Gleichung in L-Richtung (5.43) ergibt sich :

+−

++++−=−+

2

2

2

2

2

22

Ã

cossincossincos

Ã

11

Ã

cos ααα∂∂α

∂∂α

∂∂

∂∂

∂∂α

∂∂

∂∂ VU

H

U

L

U

H

U

L

U

ReL

PW

H

UV

L

UU

+−

++++−=−+

)1()1(

)()(

)(

)(

)(

)(

)1(

1

)()(

)(

)()(

)()(

)1(

(?)

)1(

)1()1(

)(

)()(

)(

)()(

2

22222

OO

OO

O

O

O

O

OOO

O

OO

OO

O

O

O

OO

O

OO

O

OO

εεεε

εε

εεε

εεεε

εεε

εεε

( )

−++

++=−+ )()1()(

1)1((?))1()()( 2

2εε

εεε OOOOOOOOO )( 2εO⋅

( )( ))()()()1()((?))()()( 4232233 εεεεεεε OOOOOOOOO −++++=−+

2

21

H

U

ReL

P

∂∂

∂∂ = (5.52)

In analogem Verfahren erhält man die dominierenden Terme der NS-Gleichung in

H-Richtung (5.44): 2

22 1

sincos

sin

H

V

ReHL

W

H

P

i ∂∂

ααα

∂∂ +

++ℜ= (5.53)

Dabei fanden Terme der Größenordnungen O(1) und O(ε) Berücksichtigung.

In Gleichung (5.45), d.h. in φ-Richtung, ist nur ein Term dominant:

∂∂

2

20

W

H= (5.54)

Geschwindigkeitsfeld

Aus der Lösung der Gleichungen (5.52) - (5.54) erhält man die Verteilung der Geschwindig-

keitskomponenten im Lösungsgebiet. Dabei sind folgende Randbedingungen zu berücksichti-

gen:

h = 0 u h v h( ) ( )= = = =0 0 0

( )w h R li( ) cos= = +0 1α ω (5.55)

mit: - kein Schlupf an den Wänden

ω1 - Winkelgeschwindigkeit der Wand h = 0

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

49

h = S u h S v h S( ) ( )= = = = 0

( )w h S R l Si( ) cos sin= = + +α α ω 2 (5.56)

mit: - kein Schlupf an den Wänden

ω2 - Winkelgeschwindigkeit der Wand h = S

Gleichung (5.54) ist direkt integrierbar und man erhält als Lösung:

w h= +λ λ1 2 (5.57)

Durch Einsetzen der Randbedinungen (5.55) und (5.56) in (5.57) bekommt man:

( )λ α ω1 1= +R li cos ; ( )λ ω ωα

ω α2 2 1 2= −+

+R l

Si cos

sin (5.58)

Somit ergibt sich als Lösung für die Geschwindigkeit in Umfangsrichtung w:

( ) ( )w l h R lh

Shi( , ) cos sin= + + −

+α ω ω ω ω α1 2 1 2 (5.59)

Legt man fest, daß ω1 kleiner als ω2 sei, so erfüllt die Lösung die zum Verschwinden des

Gradienten des Binghamanteils des Schubspannungstensors erforderliche Bedingung

∂w/∂h ≠ 0 (Gleichung (5.32)) im gesamten Lösungsgebiet:

( ) ( )∂∂

αω ω ω αw

h

R l

Si=

+− + ≠

cossin2 1 2 0 (5.60)

Als nächster Schritt ist noch zu zeigen, daß auch die beiden anderen Bedingungen in (5.32)

erfüllt sind. Dies soll mit Hilfe der Gleichungen (5.52) und (5.53) geschehen. Dabei ist es

erforderlich, von der Tatsache Gebrauch zu machen, daß die auf die MRF wirkenden Zentri-

fugalkräfte einzig durch den Gradienten des Druckes kompensiert werden können. Dies be-

deutet: ∇ =pw

rerρ

2

(5.61)

mit: r R l hi= + +cos sinα α - Abstand zur Rotationsachse

cos sin e e er l h= +α α - Einheitsvektor in radialer Richtung (5.62)

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

50

Unter Verwendung der Gleichungen (5.11) und (5.62) erhält man für (5.61):

∂∂

ρα α

αp

l

w

R l hi

=+ +

2

cos sincos (5.63)

∂∂

ρα α

αp

h

w

R l hi

=+ +

2

cos sinsin (5.64)

Geht man bei den Gleichungen (5.52) und (5.53) zur dimensionsbehafteten Schreibweise

über, so folgt:∂∂

η ∂∂

p

l

u

h=

2

2(5.65)

∂∂

ρ αα α

η ∂∂

p

h

w

R l h

v

hi

=+ +

+2 2

2

sin

cos sin(5.66)

Gleichsetzen der Gleichungen (5.63) mit (5.65) und (5.64) mit (5.66) führt zu:

∂∂

ρη

αα α

2

2

2u

h

w

R l hi

=+ +

cos

cos sin(5.67)

∂∂

2

20

v

h= (5.68)

Aus obigen Gleichungen (5.67) und (5.68) folgt, daß sowohl u (zweite Ableitung überall grö-

ßer Null), als auch v (zweite Ableitung überall gleich Null) keinen Krümmungswechsel über

die Spaltdicke haben. Unter Berücksichtigung der Randbedingungen (5.55) und (5.56),

d.h. u und v sind an den Wänden gleich Null, bleibt unter Beachtung der Massenerhaltung im

Lösungsgebiet nur der logische Schluß, daß u und v überall gleich Null sind:

u l h v l h( , , ) ( , , )φ φ= = 0 (5.69)

Daraus ergibt sich:∂∂

∂∂

u

h

v

h= = 0 (5.70)

Somit ist die vollständige Erfüllung der Annahmen (5.32) gezeigt.

Übertragene Drehmomente

Zur Ermittlung der übertragenen Drehmomente ist es zuerst erforderlich, die Kräfte auf die

Drehmomentübertragungsflächen, d.h. bei h = 0 und h = S, in Umfangsrichtung zu ermitteln.

Anschließend sind diese dann mit dem Abstand zur Rotationsachse zu multiplizieren und über

die Fläche zu integrieren.

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

51

Die Scherkraftdichte auf eine Fläche erhält man aus:& (f n= ⋅ τ bzw. f nj i ij= τ (5.71)

(Summe über i)

mit: n - Normaleneinheitsvektor der Übertragungsfläche

Die Normaleneinheitsvektoren sind: ( n h eh= =0) und ( ) n h S eh= = −

bzw.: (n h = =

0)

0

1

0

und ( )n h S= = −

0

1

0

(5.72)

Für die übertragenen Drehmomente ist nur die Spannungskomponente in Umfangsrichtung

von Interesse. Mit Gleichung (5.72) bekommt man:

f h h hφ φτ( = = =0) 0 und f h S h h Sφ φτ( )= = − = (5.73)

mit: ( )τ τ ηφ φ φh h Bingham hD= + (siehe Gleichung (5.23))

Aus Gleichung (5.13) folgt: ( ) ( ) ( )D w ww

h

w

R l hh h hi

φ φ φ

∂∂

αα α

= ∇ + ∇ = −+ +

& & sin

cos sin(5.74)

Zur Bewertung von Gleichung (5.74) an den Drehmomentübertragungsflächen werden die

Randbedingungen in Gleichung (5.59) eingesetzt:

( ) ( )∂∂

∂∂

αω ω ω αw

h

w

h

R l

Sh h S

i

= =

= =+

− +0

2 1 2

cossin

( )w R lh i i= = +

0cosα ω => ( )

w

R l hi h

sin

cos sinsin

αα α

ω α+ +

==0

1

( )w R l Sh S i= = + +cos sinα α ω 2 => ( )

w

R l hi h S

sin

cos sinsin

αα α

ω α+ +

==

2

Damit erhält man für Gleichung (5.74):

( ) ( ) ( ) ( )DR l

S

R l

Sh h

i iφ

αα ω ω

αω ω

==

++

− ≈

+

0 2 1 2 1

cossin

cos(5.75)

( ) ( )DR l

Sh h S

αω ω

==

+

cos2 1 (5.76)

Die Vereinfachung in Gleichung (5.75) ist wegen Bedingung (5.48) (( )R l Si + >>cosα ) ge-

rechtfertigt.

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

52

Aus den Gleichungen (5.31) und (5.73) - (5.76) ergibt sich für die auf die Übertragungsflä-

chen in Umfangsrichtung wirkende Spannung:

( ) ( )f h f h SR l

Sydi

φ φ τ ηα

ω ω( ) ( )cos

= = − = = ++

−0 2 1 (5.77)

Integration des Produktes aus Spannung in Umfangsrichtung und Abstand zur Rotationsachse

über die Fläche der Übertragungsflächen liefert das übertragene Drehmoment:

( )( )( )

( ) ( ) ( )( )

( )

( )

M f R l R l d dl

R lS

R l d R l

dyn i i

l

yd i i

R

R l

i

i

i

= + +

= + +−

+

+

∫∫

∫+

φ

π

α

α α φ

π τ α ηω ω

αα

α

cos cos

cos coscos

cos

max

max cos

0

2

0

2 2 1 32

1

( ) ( )[ ] ( ) ( ) ( )[ ]M R l RS

R l Rdynyd

i i i i= + − +−

+ −

2

3 43 3 2 1 4 4π

ατ

αη ω ω

αcos

cos cosmax max (5.78)

Sowohl eine Diskussion dieser Gleichung, als auch eine Bewertung bezüglich der Unter-

schiede zwischen den Drehmomentübertragungseigenschaften im flüssigen und festen MRF-

Zustand ist auf Seite 55 zu finden.

5.2.2 MRF im festen Zustand

Bei Festkörpern ist die übertragene Spannung proportional der auftretenden Dehnung. Die

Dehnung kann soweit gesteigert werden, bis an einer Stelle die maximal ertragbare Spannung

überschritten wird. Dann kommt es an dieser Stelle zum Abriß des Körpers bzw. bei MRF

zum Übergang in den flüssigen Zustand. Durch den lokalen Abriß verringert sich die span-

nungsübertragende Fläche und dies führt dann zu einer weiteren Erhöhung der Spannung auf

der verbleibenden intakten Fläche. Dadurch kommt es fortschreitend auf der gesamten Über-

tragungsfläche zum Übergang in den flüssigen Zustand. Es ist also davon auszugehen, daß ein

Festkörper nur solange Kraft bzw. Drehmoment übertragen kann, bis es an einer Stelle zur

Überschreitung der maximal ertragbaren Spannung kommt. Die Maximalspannung tritt dabei

am Ort maximaler Dehnung auf.

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

53

Rotationsachse

Verdrehwinkel zwischenAntriebs- und Abtriebsfläche

nur obere Hälfte des Spaltes ist gezeigt

Bild 5.14: Verdrehung zwischen den Übertragungsflächen und hervorgerufene Dehnung;

MRF im festen Zustand

Bild 5.14 zeigt den Drehmomentübertragungsspalt. Darin ist ebenfalls zu erkennen, daß bei

Verdrehung der im Bild rechten gegenüber der linken Übertragungsfläche eine ursprünglich

in h-Richtung (Koordinatenbezeichnung siehe Bild 5.12) verlaufende Linie eine Dehnung

erfährt, die bei kleinen Verdrehwinkeln proportional ihrem Abstand zur Rotationsachse ist.

Bei folgender Ableitung findet wiederum Bedingung (5.48) Anwendung, die besagt, daß die

Spaltlänge lmax wesentlich größer sei, als die Spaltdicke S.

Obige Aussagen bedeuten: τ αφh iC R l= +( cos ) (5.79)

mit: τ φh - in Umfangsrichtung auf Übertragungsflächen wirkende Spannung

C - zu bestimmende Konstante

Die Randbedingung lautet: τ τφ αh R l ysi( cos )max+

= (5.80)

Aus den Gleichungen (5.79) und (5.80) folgt:

τ τα

αφh ysi

i

R l

R l=

++

cos

cosmax

(5.81)

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

54

Gleichung (5.73) gilt hier analog und Integration des Produktes aus Spannung in Umfangs-

richtung und Abstand zur Rotationsachse über die Fläche der Übertragungsflächen liefert

wiederum das übertragene Drehmoment:

( )( )( )

( )( )

( )

( )

M f R l R l d dl

R l

R lR l d R l

i i

l

ysi

ii

R

R l

i

i

i

stat = + +

= ++

+

+

∫∫

∫+

φ

π

α

α α φ

π τ αα

αα

α

cos cos

cos

coscos

coscos

max

max

max

cos

0

2

0

22

1

Somit erhält man für das maximale im Festkörperzustand übertragbare Drehmoment:

( )( )( )M

R l R

R lys i i

imax stat =

+ −

+τ π

α

α

α2

4 4

cos

cos

cos

max

max

(5.82)

5.2.3 Spezialfälle, Zusammenfassung und Bewertung

Nach der Ableitung der Drehmomentübertragungsgleichungen, sowohl für einen beliebigen

Winkel α des Übertragungsspaltes, als auch für den festen und den flüssigen Zustand der

MRF, sollen in diesem Abschnitt Spezialfälle und ihre Besonderheiten erörtert werden. Es

wird nicht auf die Möglichkeit der Reihenschaltung mehrerer Übertragungsspalte eingegan-

gen, da sich derartige Spaltformen auf die hier zu behandelnden Grundformen zurückführen

lassen. Des weiteren sollen Schlußfolgerungen bezüglich Leerlaufdrehmoment und Über-

gangsverhalten zwischen festem und flüssigem MRF-Zustand gezogen werden.

Die Grafik in Tabelle 5.3 veranschaulicht die Geometrien der einzelnen Fälle. Bei allen Geo-

metrien wird wiederum davon ausgegangen, daß die Spaltdicke S wesentlich kleiner als die

Spaltlänge lmax ist.

Die Gleichungen für das im festen Zustand maximal übertragbare Drehmoment und die Glei-

chungen für das im flüssigen Zustand übertragene Drehmoment wurden oben bereits abgelei-

tet (Gl.(5.82) und Gl. (5.78)).

Das Leerlaufdrehmoment tritt auf, wenn kein Magnetfeld anliegt, d.h. B = 0; => τyd = 0.

Der Übergang von schlupfender zu nichtschlupfender Drehmomentübertragung bzw. beim

Übergang vom flüssigen zum festen MRF-Zustand erfolgt beim ‘minimalen dynamischen

Drehmoment’ Mmin dyn. Dies bedeutet, daß die Differenzdrehzahl gegen Null geht.

Während die Gleichungen für den allgemeinen Fall und die Scheibenkupplung direkt durch

Einsetzen der entsprechenden Werte aus den Gleichungen (5.78) und (5.82) folgen, bilden

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

55

diese Gleichungen für die Glockenkupplung wegen α = 90° einen unbestimmten Ausdruck.

Deshalb muß die Regel von de l’Hospital zur Anwendung gelangen.

Beispielhaft sei hier die Ableitung der Gleichung für das im festen Zustand maximal über-

tragbare Drehmoment gezeigt:

( )( )( )

( )( )( )( )αα

∂α∂

α

α∂α∂

απτα

αα

πτα

coscos90

lim

cos90

lim

2cos

cos

cos290lim

max

44max

max

44max

lR

RlR

lR

RlR

i

iiys

i

iiys

+°→

−+°→=

+

−+°→

M l Rys imax stat = 2 2τ π max (5.83)

Diskussion der Gleichungen

Beim Leerlaufdrehmoment ist besonders hervorzuheben, daß es umgekehrt proportional mit

wachsender Spaltdicke abnimmt und daß die Zunahme mit dem Radius mit höherer Potenz

erfolgt, als der Anstieg des durch den Binghamanteil verursachten Drehmomentes. Für eine

Kupplung mit besonders geringem Leerlaufdrehmoment bei großem übertragbarem Drehmo-

ment wäre es also theoretisch besonders günstig, die Übertragungsflächen bei kleinen Radien

anzuordnen. Dadurch erhöht sich aber als gegenläufiger Effekt die zur Erzielung eines be-

stimmten übertragbaren Drehmomentes erforderliche gesamte Übertragungsfläche. Dies be-

deutet, daß eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Leerlaufdrehmoment und über-

tragbarem Drehmoment stets mit einer Erhöhung des magnetischen Widerstandes und somit

des erforderlichen magnetischen Flusses einhergeht. Der gleiche Effekt ist mit einer Vergrö-

ßerung der Spaltdicke verbunden.

Eine weitere wichtige Erkenntnis aus den abgeleiteten Gleichungen (5.78) und (5.82) ist die

Tatsache, daß die Spaltdicke ausschließlich das Leerlaufdrehmoment und nicht das minimale

dynamische und das statische Drehmoment beeinflußt. Der bei einer bestimmten Drehzahl

durch die Magnetfeldstärke veränderbare Drehmomentenbereich ist also unabhängig von der

Spaltdicke.

Beim Vergleich zwischen den Gleichungen für das maximale im festen Zustand übertragbare

(5.82) und dem minimalen dynamischen Drehmoment (Gleichung (5.78) mit ω1 = ω2)) fällt

auf, daß diese bei der Glockenkupplung genau gleiche geometrische Einflüsse haben. Bei

einem Spaltwinkel α, der ungleich 90° ist, z.B. bei der Scheibenkupplung, sind die Geome-

trieeinflüsse in den Gleichungen unterschiedlich. Dies hat bei der Glockenkupplung zur Fol-

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

56

ge, daß bei verschiedenen Werten für τys und τyd beim Übergang vom festen zum flüssigen

MRF-Zustand, und umgekehrt, stets ein Sprung des Drehmomentes auftreten wird. Dies ist in

der Praxis meist unerwünscht. Bei α ≠ 90° besteht die Möglichkeit, diesen Sprung durch

sinnvolle Wahl der Spaltgeometrie zu verhindern. Aus dem Verhältnis zwischen τys und τyd

läßt sich bei einem Auslegungspunkt eine Geometrie bestimmen, bei der das minimale dy-

namische gleich dem maximalen im festen MRF-Zustand übertragbaren Drehmoment ist.

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EN

TW

UR

F V

ON

MR

F-K

UP

PLU

NG

EN

57

R i

M R F

S

l m a x

α

R i

M R F

S

l m a x

R i

M R FS

l m a x

Al lgemeiner Fal l "Sche ibenkupp lung" "G lockenkupp lung"α bel iebig α = 90°α = 0°

Tabelle 5.3: Übertragene Drehmomente der betrachteten Übertragungsspaltformen

( )( )( )M

R l

R lmax statys i

i

=+ −

+τ π

α

α

α2

4

cos

cos

cos

max

max

( )( )( )M

R l

R lmax statys i

i

=+ −

+τ π

2

4m a x

max

( )[ ]( ) ( ) ( )[ ]

MR l

SR l R

dyn

yd

i

i i

=+ −

+−

+ −

2 3

4

3

2 1 4 4

πα

τα

η ω ωα

cos

cos

cos

max

max

( )[ ]( ) ( ) ( )[ ]

MR l

SR l R

dyn

ydi

i i

=+ −

+ − + −

2 3

4

3

2 1 4 4π

τ

η ω ω

max

max

Leer lau fd rehmoment ( ) ( ) ( )[ ]MS

R l Rleer i i=−

+ −πη ω ω

αα2 1 4 4

2 coscosmax

( ) ( ) ( )[ ]MS

R l Rleer i i=−

+ −πη ω ω2 1 4 4

2 max

( ) ( )[ ]M R l Rdyn

ydi imin m a xcos

cos= + −2

33 3πτ

αα ( ) ( )[ ]M R l R

dyn

ydi imin m a x= + −

2

33 3πτMin ima les dynamisches

D r e h m o m e n t

Im fes ten MRF-Zus tand max ima lüber t ragbares Drehmoment

( )M l R

Sl Rdyn i i= +

2 2 2 1 3πη ω ω

max max

l Rys i= 2 2τ πm a x

M l Rdyn yd imin max= 2 2πτ

( )M

Sl Rleer i=

−2 2 1 3π

η ω ωm a x

M max stat

ydτ

( )R i

4

( )R i

3

( )Ri4

( )Ri3

Im f lüss igen MRF-Zus tandüber t ragenes Drehmoment

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58

5.2.4 Gültigkeitsbereich und Effekte bei höheren Reynoldszahlen

Bei Ableitung der Gleichung für das im flüssigen MRF-Zustand übertragene Drehmoment

(5.78) wurde davon ausgegangen, daß die Ableitungen der Geschwindigkeitskomponenten in

Spaltdicken- und in Spaltlängsrichtung, d.h. von u und v, nach der Spaltdicke h verschwinden.

Unter dieser Voraussetzung ergab sich der Gradient des Binghamanteils des Schubspan-

nungstensors zu Null. Die gemachte Annahme konnte für die gefundene Lösung im ange-

nommenen moderaten Re-Zahlbereich bestätigt werden. Der typische Re-Zahlwert von 250

(siehe Gleichung (5.51)) brachte dabei hervor, daß 1/Re von der Größenordnung O(ε) war.

Für höhere Re-Zahlen geht die Größenordnung von 1/Re zu O(ε2) über. Dies bewirkt, daß

einige der konvektiven Terme auf der linken Seite der NS-Gleichungen (5.43) - (5.45) von

gleicher Größenordnung werden, wie die diffusiven Terme auf der rechten Seite. Durch

Gleichsetzen des Druckgradienten mit den Zentrifugalkräften ergeben sich analog zu

Gl. (5.54), (5.67) und (5.68) Differentialgleichungen für u, v und w, deren Lösungen jedoch

die Annahmen (5.30) für das Verschwinden des Gradienten des Binghamanteils des Schub-

spannungstensors (5.29) nicht mehr erfüllen.

Da für diesen Fall nicht nur die Basisviskosität in den Gradienten des Schubspannungstensors

eingeht, sondern auch die dynamische Grenzschubspannung τyd, ist es unbedingt erforderlich,

diese auch in der Re-Zahl zu berücksichtigen.

Anstatt der Basisviskosität η ist es somit sinnvoll, die scheinbare Viskosität ηapp, die den

Einfluß der Grenzschubspannung mit der Basisviskosität koppelt, zu verwenden,. Beim Kon-

zept der scheinbaren Viskosität schließt man die Grenzschubspannung τyd in einer Viskosität

ein:

η τγ

τ ηγγ

τγ

ηappyd yd= =

+= +

(5.84)

Hier soll es genügen, von der in der Literatur vorherrschenden skalaren Schreibweise Ge-

brauch zu machen. Wie in Bild 5.15 erkennbar, ist die so erhaltene scheinbare Viskosität ηapp

von der Schergeschwindigkeit γ abhängig.

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59

τη

ηapp

τyd

γchar

γ

Bild 5.15: Ideale Schubspannungs - Schergeschwindigkeitskurve eines Bingham-Fluides

mit eingetragener scheinbarer Viskosität

Den Wert für ηapp erhält man, indem man annimmt, daß das übertragene Drehmoment von

einem Newtonschen Fluid mit einer Viskosität von ηapp verursacht wäre und dieses Drehmo-

ment, dann mit dem aus dem Binghammodell erhaltenen Drehmoment (5.78) gleichsetzt.

Unter Verwendung von Gleichung (5.78) für das im flüssigen MRF-Zustand übertragene

Drehmoment folgt für beliebigen Spaltwinkel α:

Allgemeiner Fall:

( ) ( )[ ] ( ) ( ) ( )[ ] ( ) ( ) ( )[ ]τα η

ω ωα η

ω ωαyd

i i i i app i iR l RS

R l RS

R l R3 4 4

3 3 2 1 4 4 2 1 4 4+ − +−

+ − =−

+ −max max maxcos cos cos

( )( ) ( )[ ]

( ) ( )[ ]η ητ

ω ω

α

αapp

yd i i

i i

S R l R

R l R= +

+ −

+ −2 1

3 3

4 4

4

3

max

max

cos

cos(5.85)

Für die Spezialfälle Scheibenkupplung und Glockenkupplung erhält man unter Nutzung der in

Tabelle 5.3 aufgelisteten Gleichungen für das dynamische Drehmoment die scheinbare Vis-

kosität ηapp:

Scheibenkupplung: ( )( ) ( )[ ]

( ) ( )[ ]η ητ

ω ωappyd i i

i i

S R l R

R l R= +

+ −

+ −2 1

3 3

4 4

4

3

max

max

(5.86)

Glockenkupplung: ( )η ητ

ω ωappyd

i

S

R= +

−2 1

(5.87)

Oben wurde gezeigt, daß bei höheren Re-Zahlen anstelle der Basisviskosität η die scheinbare

Viskosität ηapp bei der Bestimmung der Reynoldszahl zur Anwendung gelangen muß. Dies ist

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

60

durch die Tatsache bedingt, daß der Gradient des Binghamanteils des Schubspannungstensors

bei diesen Re-Zahlen nicht mehr verschwindet. Somit bleibt noch zu ermitteln, bei welcher

Re-Zahl die Grenze zwischen den beiden Regimen liegt. Dazu soll folgende Überlegung die-

nen.

Von Strömungen in Grenzschichten ist bekannt, daß das Geschwindigkeitsprofil bei höheren

Re-Zahlen von linear zu quadratisch übergeht. Dies konnte in [Schu35] experimentell und in

[Lan62] und [Pea67] auch numerisch für die Strömung zwischen rotierenden Scheiben ge-

zeigt werden. Für das übertragene Drehmoment bedeutet dies, daß es mit wachsender Diffe-

renzdrehzahl anfänglich erst linear und dann quadratisch ansteigt. Dieses quadratische Ge-

schwindigkeitsprofil resultiert aus der oben beschriebenen Tatsache, daß weitere Terme der

NS-Gleichungen bei höheren Re-Zahlen nicht mehr vernachlässigbar sind. Da aber genau dies

die Ursache dafür ist, daß der Gradient des Binghamanteiles des Schubspannungstensors nicht

mehr verschwindet, ist der Übergangspunkt von linearem zu quadratischem Drehmomenten-

anstieg die Grenze, ab welcher die scheinbare Viskosität in der Re-Zahl zur Anwendung ge-

langen muß.

Bei Anwendung der scheinbaren Viskosität, die bei nichtverschwindender Grenzschubspan-

nung τyd wesentlich höher als die Basisviskosität ist, verringert sich die Re-Zahl. Daraus folgt,

daß der Bereich des linearen Drehmomentenanstieges mit wachsender Drehzahldifferenz bei

höheren Grenzschubspannungen wesentlich weiter reicht, als im Leerlauf (τyd = 0). Die Er-

weiterung des linearen Bereiches bewirkt ebenfalls, daß die in Tabelle 5.3 zusammengestell-

ten Gleichungen für das im flüssigen MRF-Zustand übertragene Drehmoment bei höheren

Grenzschubspannungen einen wesentlich größeren Gültigkeitsbereich als die Gleichungen für

das Leerlaufdrehmoment haben.

Eine weitere sehr wichtige Schlußfolgerung aus obiger Argumentation besteht darin, daß man

das bei einer Drehzahldifferenz oberhalb der Re-Zahl-Bereichsgrenze gemessene Leerlauf-

drehmoment nicht einfach vom bei gleicher Drehzahldifferenz gemessenen Gesamtdrehmo-

ment (τyd ≠ 0) abziehen kann, um den Binghamanteil des übertragenen Drehmomentes zu er-

halten. Die Ursache dafür ist, daß das Leerlaufdrehmoment und das mit angelegtem Magnet-

feld gemessene Drehmoment zwar bei gleicher Drehzahldifferenz, aber unter verschiedenen

Strömungsverhältnissen im Übertragungsspalt aufgezeichnet werden. Dies ist, wie oben be-

schrieben, darauf zurückzuführen, daß sich die tatsächliche Re-Zahl oberhalb der

Re-Zahl-Bereichsgrenze durch eine Erhöhung der Grenzschubspannung τyd, welche eine star-

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

61

ke Erhöhung der scheinbaren Viskosität zur Folge hat, stark verringert. Der Binghamanteil

des übertragenen Drehmomentes kann somit nur richtig bestimmt werden, wenn man den

Newtonschen Anteil des Drehmomentes nach den Gleichungen für das Leerlaufdrehmoment

in Tabelle 5.3 errechnet und diesen Wert vom gesamten übertragenen Drehmoment subtra-

hiert.

Bestimmung der Re-Zahl-Bereichsgrenze

Aus der Literatur sind Re-Zahlwerte für den Übergang zwischen linearem und quadratischem

Bereich bekannt. Diese greifen aber auf eine andere Definition der Re-Zahl zurück. So wurde

in [Schu35] als Bezugslänge nicht die Spaltdicke, sondern der Scheibenradius verwendet. Die

Verwendung des Scheibenradius als Bezugsgröße geschah in Anlehnung an die von

von Kárman gefundene Ähnlichkeitslösung für den Fall einer im ‘unendlichen’ Fluid rotie-

renden dünnen Scheibe. Dabei war der einzige vorkommende natürliche Längenmaßstab der

Scheibenradius. Für den Fall der Strömung zwischen zwei rotierenden Scheiben ist aber der

Abstand zwischen den Scheiben die Größe, welche die sich ausbildende Strömung prägt.

Deshalb ist es erforderlich, die Re-Zahl der Bereichsgrenze zu messen.

Dazu ist es zweckmäßig, das Leerlaufdrehmoment über der Drehzahldifferenz aufzuzeichnen

und den Übergangspunkt von linearem zu quadratischem Anstieg festzustellen. Daraus kann

man dann die entsprechende Re-Zahl errechnen. Angaben zu den Zahlenwerten sind in Kapi-

tel 6 zu finden.

In Tabelle 5.4 sind obige Ausführungen kurz zusammengefaßt:

Grenza ReSR <Ω

ηρ

Grenza ReSR >Ω

ηρ

⇓ ⇓

ηρ SR

Re aΩ=app

aSRRe

ηρΩ=

Tabelle 5.4: Anwendungsbereiche für Re-Zahl-Berechnungsvorschriften

(ηapp siehe Gl.(5.85) - (5.87))

Obige Ausführungen bedeuten, daß selbst wenn im Leerlauf schon ein quadratischer Anstieg

des Drehmomentes über der Drehzahl mit der Folge der einsetzenden Fluidzirkulation zu ver-

zeichnen ist, bei eingeschaltetem Magnetfeld dies nicht der Fall zu sein braucht.

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

62

5.3 Auslegung und Optimierung des magnetischen Kreises

5.3.1 Grundlagen

Das magnetische Feld unterliegt dem Durchflutungsgesetz, der Quellenfreiheit der magneti-

schen Induktion (divB&

= 0) und den Materialgesetzen, welche die Zusammenhänge zwischen

der magnetischen Feldstärke &H und der magnetischen Flußdichte

&B beschreiben. Die Höhe

der in der magnetorheologischen Flüssigkeit zu erzielenden magnetische Flußdichte &BMRF ist

durch die Flüssigkeit vorgegeben. Man wählt dabei den Wert für &BMRF so, daß bei einer wei-

teren Erhöhung der magnetischen Flußdichte in der MRF nur noch eine unwesentliche Erhö-

hung der durch das Fluid übertragbaren Schubspannung resultieren würde.

Das Durchflutungsgesetz (1. Maxwellsche Gleichung) lautet:& &Hds NI=∫ (5.88)

mit: &H - magnetische Feldstärke

N - Windungszahl der Spule

I - Spulenstrom

Es besagt, daß das Linienintegral der magnetischen Feldstärke über eine geschlossene Kurve

gleich der Summe der eingeschlossenen Ströme ist. Wählt man den Integrationsweg so, daß er

parallel zu den Feldlinien verläuft, so folgt:

Hds NI=∫ (5.89)

Aus der Quellenfreiheit der magnetischen Flußdichte B ergeben sich folgende Gleichungen

für das Verhalten an den Grenzflächen zweier Stoffe mit unterschiedlichen relativen Perme-

abilitäten µ1 und µ 2 :

B

Btangential,1

tangential,2

=µµ

1

2

(5.90)

B Bnormal normal, ,1 2= (5.91)

Weiterhin ergibt sich daraus die Konstanz des magnetischen Flusses Φ innerhalb eines ma-

gnetischen Kreises: Φ = =∫& &BdA konst. (5.92)

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63

Es gelten folgende Materialgleichungen:

( )& & & &B H H Mr= = +µ µ µ0 0 (5.93)

mit: &B - magnetische Flußdichte;

&M - Magnetisierung; µr - relative Permeabilität

µ0 - magnetische Feldkonstante (= 4π10-7 mkg/(sA)2)

Dabei ist zu beachten, daß µ r für die einzusetzenden Materialien eine Funktion der magneti-

schen Feldstärke &H ist.

5.3.2 Vorauslegung

Die Vorauslegung eines in einer MRF-Kupplung vorkommenden magnetischen Kreises soll

am Beispiel der bei den späteren Experimenten zur Anwendung gelangten Schrägspaltkupp-

lung demonstiert werden. Die Geometrie und der Aufbau resultieren hauptsächlich aus Über-

legungen zur günstigen Übertragung der erforderlichen Drehmomente und Erfordernissen zur

sinnvollen Ableitung der entstehenden Wärme. Sie sind in Abschnitt 6.2 dargelegt.

Die hier erstmals vorgeschlagene Konstruktion besteht aus einem Eisenring mit hufeisenför-

migem Querschnitt, der das Antriebselement der Kupplung darstellt. In diesen hufeisenförmi-

gen Ring ist eine Spule eingebaut, deren einzelne Leiter senkrecht zur Blattebene verlaufen.

Das konisch zulaufende Eisenteil ist das Abtriebselement. Zwischen Antriebs- und Abtriebs-

element befindet sich die MRF als Drehmomentübertragungsmedium. Der hufeisenförmige

Ring und das Abtriebselement sollten aus einem Material bestehen, welches eine sehr hohe

Magnetisierbarkeit besitzt, d.h. stark ferromagnetisch ist. Bild 5.16 zeigt den Aufbau des aus-

zulegenden Magnetkreises:

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

64

Eisen

Eis

enSpule

Eisen

Eis

enM

RF

MR

F

Eisen-außenl

Eisen-innenlMRFl2

MRFl2

Bild 5.16: Aufbau des auszulegenden Magnetkreises der Schrägspaltkupplung

mit aus analytischen Überlegungen gewonnenen magnetischen Feldlinien

Der im obigen Bild 5.16 dargestellte Verlauf der magnetischen Feldlinien ergibt sich aus der

Grenzflächenbedingung für die Tangentialkomponente der magnetischen Flußdichte

(Gleichung (5.90)) und der Tatsache, daß die relative Permeablität von Eisen mindestens um

den Faktor 103 über dem µr der MRF liegt. Aus diesem Grunde müssen die Feldlinien senk-

recht zur Grenzfläche aus dem Eisen in die MRF gehen.

Bei der Vorauslegung eines zusammengesetzten magnetischen Kreises geht man üblicherwei-

se [Bol90] vom Durchflutungsgesetz (Gleichung (5.88)) und von der Konstanz des magneti-

schen Flusses im magnetischen Kreis (Gleichung (5.92)) aus. Beim Übergang von der Inte-

gral- zur Summenform erhält man aus Gleichung (5.89) für die in Bild 5.16 dargestellte Geo-

metrie:

NI = HEisen-außenlEisen-außen + HMRFlMRF + HEisen-innenlEisen-innen (5.94)

Die in Gleichung (5.94) auftretenden Produkte aus magnetischer Feldstärke und Länge wer-

den in der Literatur ‘magnetische Spannungsabfälle’ genannt.

Für den magnetischen Fluß Φ längs des Magnetkreises ergibt sich aus Gleichung (5.92):

Φ = BEisen-außenAEisen-außen = BMRFAMRF = BEisen-innenAEisen-innen (5.95)

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65

Teilt man jetzt die ‘magnetischen Spannungsabfälle’ durch den magnetischen Fluß, so erhält

man:NI

B A

H l

B A

H l

B A

H l

B AMRF MRF

Eisen au en Eisen au en

Eisen au en Eisen au en

MRF MRF

MRF MRF

Eisen innen Eisen innen

Eisen innen Eisen innen

= - ß - ß

- ß - ß

- -

- -

+ + (5.96)

Unter Verwendung von Gleichung (5.93) bekommt man für Gleichung (5.96):

NI

B A

l

A

l

A

l

AMRF MRF

Eisen au en

r Eisen au en Eisen au en

MRF

r MRF MRF

Eisen innen

r Eisen innen Eisen innen

=−

- ß

- - ß - ß

-

- - -

+ + µ µ µ µ µ µ0 0 0

(5.97)

Die einzelnen Summanden in Gleichung (5.97) werden auch als ‘magnetische Widerstände’

bezeichnet.

Anhand typischer Abmessungen soll nun gezeigt werden, daß der magnetische Widerstand

der Eisenteile für eine Vorauslegung gegenüber dem magnetischen Widerstand der MRF zu

vernachlässigen ist. Typische Werte sind:

lEisen-außen ≈ 10-1m AEisen-außen ≈ 10-3m2 µr-Eisen-außen ≈ 5⋅103

lMRF ≈ 10-2m AMRF ≈ 3⋅10-3m2 µr-MRF ≈ 3

lEisen-innen ≈ 3⋅10-3m AEisen-innen ≈ 3⋅10-3m2 µr-Eisen-innen ≈ 5⋅103

Mit diesen Werten erhält man für die einzelnen magnetischen Widerstände:

12

0233

1

0ß-- m105

1

m10105

m101 −−−

⋅=⋅

≈µµenauEisenmagR 1

023

2

0MRF- m

1

m1033

m101 −−

≈⋅⋅

≈µµmagR

14

0233

3

0innen-- m105

1

m103105

m1031 −−−

⋅=⋅⋅

⋅≈µµEisenmagR (5.98)

An diesen Zahlenwerten erkennt man, daß die magnetischen Widerstände der Flußführungs-

teile gegenüber dem magnetischen Widerstand der MRF für eine Vorauslegung vernachläs-

sigbar sind. Dies ist hauptsächlich auf die gegenüber der MRF um mehrere Größenordnungen

höhere relative Permeabilität des Eisens zurückzuführen.

Unter Berücksichtigung obiger Abschätzung erhält man für die zur Erzielung einer gewünsch-

ten Flußdichte B erforderliche Durchflutung NI aus Gleichung (5.97):

NISBMRF

r MRF

=−

2

0µ µ(5.99)

mit: Spaltdicke S = lMRF/2

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66

Nachdem die erforderliche Amperewindungszahl mit Hilfe von Gleichung (5.99) abgeschätzt

werden kann, ist es als nächster Schritt erforderlich, den Spulenquerschnitt zu bestimmen. Je

kleiner der Spulenquerschnitt ist, desto höher ist die Wärmeentwicklung in der Spule auf-

grund der bei gleicher Amperewindungszahl auftretenden höheren elektrischen Verlustlei-

stung. In [Kam50] ist folgende experimentell ermittelte Zahlenwertgleichung für die Strom-

dichte angegeben:Spule

Ü

W

ti 09,1= (5.100)

mit: i - Stromdichte [A/mm2] ; tÜ - Übertemperatur [°C]

WSpule - Seitenlänge des Spulenquerschnittes in axialer Richtung [mm]

Mit Gleichung (5.100) kann man die maximale Stromdichte berechnen, bei der die Über-

schreitung einer bestimmten Übertemperatur tü in einer Spule mit gegebener kurzer Seiten-

länge des Spulenquerschnittes WSpule noch vermieden wird. Sie berücksichtigt nicht die kon-

krete Form und Beschaffenheit des die Spule umschließenden Gehäuses und kann somit nur

einen Anhaltswert für die zulässige Stromdichte liefern. Bei konservativer Annahme der zu-

lässigen Übertemperatur wird dies jedoch kein Problem darstellen.

Nachdem die Amperewindungszahl und der Spulenquerschnitt berechnet werden können,

sollen im Folgenden noch die Gleichungen zur Bestimmung der zur Aufrechterhaltung des

magnetischen Flusses erforderlichen elektrischen Leistung zusammengestellt werden.

Dazu ist die Kenntnis der in einem bestimmten Spulenquerschnitt enthaltenen Leiterquer-

schnittsfläche erforderlich. In der Praxis wird man stets runde Spulendrähte verwenden. In

Bild 5.17 ist ein Ausschnitt aus einer Spule dargestellt. Das Verhältnis zwischen der Ge-

samtfläche des eingezeichneten gleichseitigen Dreiecks und dem mit Leiterquerschnitt ausge-

füllten Flächenteil des Dreiecks entspricht genau dem Verhältnis zwischen dem gesamten

Spulenquerschnitt und der darin mit Leiterquerschnitt belegten Fläche. Anhand einfacher

geometrischer Überlegungen gelangt man zu:

A

A

A

ALeiter

Spule

Kreissegmente

Dreieck

= = ≈π

23

0 91, (5.101)

Dieser Wert wird häufig als ‘Füllfaktor’ bezeichnet.

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67

AKreissegmente

Leiter

DreieckA

Bild 5.17: Veranschaulichung des Verhältnisses zwischen

Spulenquerschnitt und Leiterquerschnittsfläche

Der ohmsche Widerstand der Spule berechnet sich wie folgt:

2

91,0

2

91,0

22N

A

r

N

ANr

A

Nr

I

UR

Spule

mittel

Spule

mittel

Draht

mittelSpule

σπσ

πσ

π==== (5.102)

mit: σ - Spezifischer elektrischer Widerstand; σKupfer = 0,0175 Ωmm2/m

rmittel - mittlerer Spulenradius

Für die Betriebsspannung folgt daraus:

NINA

rU

Spule

mittel ⋅=91,0

2 σπ(5.103)

Gleichung (5.103) verdeutlicht insbesondere, daß man durch Wahl der Spulenwindungszahl N

vorgeben kann, für welche Betriebsspannung U die Kupplung ausgelegt wird. Dies ist beson-

ders für den praktischen Einsatz von großem Vorteil, da bei den einzelnen Anwendungen sehr

unterschiedliche Versorgungsspannungen anzutreffen sind. Zu berücksichtigen ist nur, daß

höhere Windungszahlen, und damit auch größere Spannungen zu einer Verlängerung der

elektrischen Schaltzeit führen (siehe Abschnitt: Zeitverhalten des magnetischen Kreises,

S.69).

Die erforderliche elektrische Wirkleistung zur Aufrechterhaltung des magnetischen Flusses

ergibt sich zu: P UI RIr

ANIelektrisch

mittel

Spule

= = =2 22

0 91

π σ,

( ) (5.104)

Gleichung (5.104) zeigt, daß die erforderliche elektrische Leistung nur von den Abmessungen

der Spule und der sich in der Durchflutung NI widerspiegelnden erforderlichen magnetischen

Induktion abhängt. Die Wahl der Betriebsspannung beeinflußt die zur Erzielung einer vorge-

gebenen Durchlutung erforderliche elektrische Leistung nicht.

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68

Auswahl geeigneter Querschnitte der Eisenteile des Magnetkreises

Im Anschluß an die überschlägige Dimensionierung der Spule erfolgt zweckmäßig die Aus-

wahl der Querschnitte der Eisenteile des Magnetkreises. Zur geometrischen Dimensionierung

des Magnetkreises ist die Kenntnis der in Bilder 5.18 gezeigten Magnetisierungskurven der

Materialien im Magnetkreis erforderlich. Die relative Permeabilität wurde in Bilder 5.19 über

der magnetischen Flußdichte aufgetragen, da genau dieser Zusammenhang in Glei-

chung (5.99) benötigt wird.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

0 E+0 1 E+5 2 E+5 3 E+5 4 E+5 5 E+5 6 E+5 7 E+5

H [A/m]

B [T

esla

]

MRF 132 LDLORD Corp.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

1.8

2

0.0 E+0 5.0 E+3 1.0 E+4 1.5 E+4 2.0 E+4

H [A/m]

B [T

esla

]

Stahl P900Böhler AG

Bilder 5.18: Magnetische Flußdichte vs. magnetischer Feldstärke

der Materialien im Magnetkreis (Herstellerangaben)

0

1

2

3

4

5

6

7

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4

B [Tesla]

rela

tive

Per

mea

bilit

ät

MRF 132 LDLORD Corp.

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0

B [Tesla]

rela

tive

Per

mea

bilit

ät

Stahl P900Böhler AG

Bilder 5.19: Relative Permeabilität vs. magnetische Flußdichte

der Materialien im Magnetkreis (Herstellerangaben)

Bei der Festlegung der Eisendicke gilt es, das Verhältnis zwischen der Querschnittsfläche der

MRF und des Eisens zu bestimmen. Bild 5.20 zeigt die magnetische Flußdichte beim Über-

gang vom Eisen in die MRF. Da sich die Tangentialkomponenten proportional zu den relati-

ven Permeabilitäten verhalten (vgl. Gleichung (5.90)) und die relative Permeabilität des Ei-

sens um die Größenordnung 103 (siehe Bilder 5.19) größer als die der MRF ist, geht die ma-

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69

gnetische Flußdichte senkrecht zur Grenzfläche durch die MRF. Die Normalkomponenten

bleiben an der Grenzfläche erhalten (vgl. Gleichung (5.91)). Daraus folgt die Bedingung:

sinα =B

BMRF

Eisen

(5.105)

α

BMRF

BEisen

BEisen-normal

MR

F

Eisen

Bild 5.20: Magnetische Flußdichte beim Übergang vom Eisen in die MRF

Bei der Magnetkreisdimensionierung einer konkreten Kupplung ist dann die Dicke der Eisen-

teile mit Hilfe von Gleichung (5.105) aus der vorher bestimmten Länge des Übertragungsspal-

tes zu berechnen. Diese resultierte bereits aus der Größe der zu übertragenden Drehmomente.

Zeitverhalten des magnetischen Kreises

Ein potentielles Einsatzgebiet von MRF-Kupplungen sind schnelle Schaltkupplungen. Dafür

ist das zeitliche Verhalten beim Ein- bzw. Ausschalten des Spulenstromes von besonderem

Interesse. Der Zeitverlauf von physikalischen Größen ist beim Auf- bzw. Entladen eines

Energiespeichers von exponentieller Form. Dies trifft ebenfalls für die magnetische Flußdich-

te B zu, deren exponentieller B(t)-Verlauf unter anderem durch die elektrische Zeitkonstante

Tel charakterisiert wird. Wirbelströme im magnetischen Kreis aufgrund von Induktionswir-

kungen verursachen zusätzlich die Wirbelstromverzögerung Twirbel. Beide Einflüsse addieren

sich, und die gesamte „Zeitkonstante“ im magnetischen Kreis, Tschalt, berechnet sich damit zu

[Kad57]: Tschalt = Twirbel + Tel (5.106)

mit: Twirbel - Wirbelstromzeitkonstante

Tel - elektrische Zeitkonstante

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70

Gleichung (5.106) ist so zu interpretieren, daß die Wirbelströme eine zeitliche Verzögerung

zwischen Stromänderung und Flußdichteänderung verursachen. Unter der Bedingung eines

niedrigen ohmschen Spulenwiderstandes R, wie er hier vorausgesetzt wird, dominiert [Kad57]

zufolge jedoch Tel gegenüber Twirbel auf der rechten Seite der Gleichung (5.106), d.h. wegen:

Tel >> Twirbel (5.107)

kann Twirbel dort vernachlässigt werden

Der Zeitverlauf des Spulenstromes ergibt sich aus der Induktivität und dem ohmschen Wi-

derstand der Spulen sowie aus den Eigenschaften des einzusetzenden Ansteuergerätes. Für

hohe dynamische Anforderungen setzt man stromregelnde Verstärker ein. Bei einem Schalt-

vorgang geben sie bis zum Erreichen des eingestellten Nennstromes ihre Maximalspannung

Umax ab. Anschließend wird die Klemmenspannung des Netzgerätes so geregelt, daß sich der

vorgegebene Strom einstellt.

Der zu untersuchende Stromkreis bestehend aus dem erwähnten Ansteuergerät und den bei-

den Magnetkreisen mit gleich großer Induktivität LMagnetkreis und gleichem ohmschem Wider-

stand RSpule , siehe Gl. (5.102), und ist in Bild 5.21 gezeigt. Bei Einsatz von mehreren parallel

geschalteten Magnetkreisen mit gleich großem ohmschem Widerstand und gleicher Induktivi-

tät berechnen sich die Gesamtinduktivität Lges und der Gesamtwiderstand Rges wie:

sMagnetkreiges LAnz

L1= Spuleges R

AnzR

1= (5.108)

mit: Anz - Anzahl der parallelen Magnetkreise (mit gleichem RSpule und LMagnetkreis )

Die Induktivität eines Magnetkreises bestimmt sich aus:

∑=

magsMagnetkrei R

NL

2

(5.109)

Bei der betrachteten Magnetkreiskonfiguration sind entsprechend Gl. (5.98) zu berücksichti-

gen: Rmag-Eisen-außen, Rmag-MRF und Rmag-Eisen-innen. Aufgrund µEisen >> µMRF sind die magnetischen

Widerstände der Eisenteile gegenüber dem magnetischen Widerstand der MRF vernachläs-

sigbar. Daraus folgt:

2

0 MRFMRFr

mag-MRFmag A

SRR

=≈∑ µµ(5.110)

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71

RSpule

I

max

L MagnetkreisLMagnetkreis

RSpule

U

Bild 5.21: Stromkreis aus Ansteuergerät und zwei parallelen gleichartigen Magnetkreisen

(hier Anz = 2)

Das Einlegen des Schalters verursacht einen Stromfluß durch beide Spulen. Dies bewirkt eine

Selbstinduktionsspannung, die der Stromänderung entgegenwirkt. Der Strom kann nur so weit

ansteigen, wie es die zur Verfügung stehende Spannung zuläßt. In dem Stromkreis gemäß

Bild 5.21 gilt nach dem Einlegen des Schalters [Küp73]:

dt

dILIRU gesges +=max (5.111)

Integration von Gl. (5.111) liefert:

−=

− tL

R

ges

ges

ges

R

UI e1max (5.112)

In dieser Gleichung ist aufgrund des Zusammenhangs:

Tel = Lges / Rges (5.113)

die elektrische Zeitkonstante Tel enthalten.

Gleichung (5.112) ist nur dann im strengen Sinne korrekt, wenn Bedingung Gl.(5.107) gilt.

Wäre diese Voraussetzung nicht erfüllt, so müßte der Einfluß der Wirbelströme auf Tschalt be-

rücksichtigt werden.

Der Zeitverlauf des Spulenstromes wird durch Gleichung (5.112) richtig beschrieben, wenn es

sich um ein Netzgerät handelt, das den Strom nicht auf Inenn begrenzt. Bei Strombegrenzung,

wie im vorliegenden Fall, wird der Zeitverlauf bis zum Erreichen von Inenn durch Glei-

chung (5.112) ebenfalls korrekt repräsentiert, wobei der sich zeitlich anschließende Bereich

durch das Regelverhalten des Netzgerätes bestimmt ist und nicht durch Gleichung (5.112)

erfaßt wird.

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72

Für reine PT1-Glieder, wie sie hier vorausgesetzt werden, beschreibt die elektrische An-

stiegszeit tan grundsätzlich die bis zum Anwachsen der physikalischen Größe auf 63 % ihres

Endwertes benötigte Zeit. Aus Gleichung (5.112) folgt somit:

−==

−el

an

T

t

gesnenn R

UII e163,0 max (5.114)

Für die elektrische Anstiegszeit tan ergibt sich aus Gl. (5.114):

−−=

max

63,01lnU

RITt gesnenn

elan (5.115)

Gleichung (5.115) ist, wie oben bereits erwähnt, nur dann gültig, wenn der Einfluß der Wir-

belströme auf die Induktivität des Magnetkreises zu vernachlässigen ist. Dies ist genau dann

der Fall, wenn Bedingung Gl. (5.107) gilt. Zur Erzielung einer kleinen elektrischen Anstiegs-

zeit tan ist es entsprechend Gl. (5.115) günstig, ein Netzgerät mit hoher Maximalspannung zur

Verfügung zu haben und den magnetischen Kreis so zu gestalten, daß die elektrische Zeit-

konstante Tel möglichst klein wird (zusätzlich muß natürlich auch für ein kleines Twirbel ge-

sorgt werden).

[Kad57] gibt die Wirbelstromzeitkonstante wie folgt an:

]/mmm[]mm[

°

4,0]s¬[ 2

22

Kreis

BlechirWirbel

dT

σµ −= (5.116)

mit: µr-i - Anfangspermeabilität des Magnetkreismateriales (meist ca. 5000)

dBlech - Dicke der Bleche, aus denen der Magnetkreis aufgebaut ist

σKreis - Spezifischer elektrischer Widerstand des Magnetkreismaterials

Man beachte, daß es sich bei Gleichung (5.116) um eine Zahlenwertgleichung handelt und

daß sie ausschließlich die in den Eisenteilen auftretenden Wirbelströme berücksichtigt. Durch

andere Streuflüsse, z.B. über die Kupplungswelle, verursachte Verzögerungen sind von un-

tergeordneter Bedeutung und werden durch diese Gleichung nicht erfaßt.

In Gleichung (5.116) ist erkennbar, daß sich insbesondere eine Verringerung der Blechdicke,

da sie quadratisch einfließt, günstig auf eine kurze Schaltzeit auswirkt. Auf Seite 81 werden

die Zeitkonstanten für die Schrägspaltkupplung berechnet und im Kapitel 7 für die ‘Schnelle

Schaltkupplung’ sowohl berechnet, als auch experimentell bestimmt.

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73

Zahlenbeispiel Schrägspaltkupplung

Die Vorauslegung des Magnetkreises der Schrägspaltkupplung sei nachstehend beispielhaft

aufgeführt. Da es sich bei der Schrägspaltkupplung um einen Technologiedemonstrator und

nicht um einen anwendungsspezifizierten Prototypen handelt, sind viele Parameter relativ frei

wählbar. Als Richtwerte wurden ein maximaler Außendurchmesser von 20 cm vorgegeben

und das übertragbare Drehmoment sollte größer als 10 Nm sein.

Die magnetische Flußdichte in der MRF wurde so gewählt, daß oberhalb dieser Flußdichte

der Anstieg der dynamischen Grenzscherspannung abflacht. Zum Zeitpunkt des Entwurfes

der Schrägspaltkupplung war noch nicht zu erwarten, daß die MRF 132 LD der LORD Cor-

poration für Experimente zur Verfügung stehen wird. Aus diesem Grunde gelangten die Da-

ten der MRF der Firma BASF zur Anwendung. Aus diesen geht hervor, daß oberhalb

0,4 Tesla ein starker Rückgang des Anstieges der Grenzscherspannung auftritt. In Ermange-

lung genauerer Ausgangswerte, fand dieser Wert zur Auslegung Verwendung:

BMRF = 0,4 Tesla

Aus Bilder 5.19 kann man ablesen: µr-MRF(0,4T) = 4,5

Die Spaltdicke wurde aus Gründen der Stabilität gegen Entmischung der MRF (siehe Kapi-

tel 3) festgelegt auf: S = 3 mm

Mit diesen Zahlenwerten erhält man mit Hilfe von Gl. (5.99) als Auslegungswert für die Am-

perewindungszahl: ( ) A 424=5,4AmVs104

mVs4,0m1032=

2

7-

2-3

0 πµµ⋅⋅⋅=

−MRFr

MRFSBNI

Zur Bestimmung der zulässigen Stromdichte wurde die Breite der Spule mit 5,4 mm gewählt

und eine zulässige Übertemperatur von 100 °C als ausreichend betrachtet. Die Spulenbreite

ergab sich aus der angenommenen Gesamtbreite des Magnetkreises von 12 mm, von der

zweimal die Materialstärke des vorhandenen Eisens P900, d.h. je 3,3 mm, abzuziehen war.

Sowohl für die Isolation von Kupferlackdrähten, als auch für die MRF sind Temperaturein-

satzbereiche angegeben, die noch wesentlich höher gehen. Mit diesen Werten erhält man aus

Gleichung (5.100) für die zulässige Stromdichte: 22 mm

A8,4

mm

A

4,5

10009,1 ≈=i

Damit bekommt man einen Spulenquerschnitt von: ASpule = NI/i = 424A/4,8A/mm2 = 88 mm2

Daraus ergibt sich für die Leiterquerschnittsfläche mit Gleichung (5.101):

ALeiter = 0,91ASpule = 0,91⋅88 mm2 = 80 mm2

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74

Die radiale Abmessung der Spule wird somit zu: DSpule = 88 mm2/5,4 mm = 16,2 mm

Für den bereits vorhandenen Kupferlackdraht des Durchmessers 0,8 mm errechnet sich die

Windungszahl zu: N = ALeiter/ADraht = 80 mm2/ π/4⋅0,82mm2 = 158

Somit erhält man für den Nennstrom: A7,2== NNII Nenn

Die Spannung (Gl. (5.103)) berechnet sich unter Verwendung eines rmittel = 55,4 mm zu:

V 2,5A424163mm8891,0

0175,0m104,552)(

91,0

22

mmm3 2

=⋅⋅

⋅⋅==−πσπ

NINA

rU

Spule

mittel

Der mittlere Spulenradius resultiert dabei aus den bereits bestimmten Spulenabmessungen

und der Notwendigkeit, den vorgegebenen maximalen Außendurchmesser der Kupplung von

20 cm nicht zu überschreiten.

Die sich ergebende erforderliche elektrische Leistung zur Aufrechterhaltung einer magneti-

schen Flußdichte von 0,4 Tesla in der MRF beträgt: Pel = UI = 14 W

Nach der Bestimmung der geometrischen und elektrischen Daten der Spule ist noch das Ver-

hältnis zwischen der Dicke des Eisens im Magnetkreis und der Länge des Übertragungsspal-

tes zu ermitteln. Für die magnetische Flußdichte in Gleichung (5.105) benutzt man üblicher-

weise den Wert, bei dem die Flußdichte - Feldstärkekurve (vgl. Bilder 5.18 rechts) in den

Sättigungsbereich geht. Für den Stahl P900 erhält man: Beisen ≈ 1,5 Tesla

Der physikalische Hintergrund dabei ist, daß man die Magnetisierung des Eisens möglichst

vollständig ausnutzen möchte, ohne unnötig Feldenergie in den Stahl zu investieren.

Somit wird der V-Winkel α (siehe Gl. (5.105)): α = arcsin(0,4T/1,5T) = 15,5°

Die maximale verfügbare Blechdicke des Stahles P900 betrug 3,3 mm. Daraus ergibt sich die

maximale Länge des Übertragungsspaltes: lmax = 3,3 mm/sin15,5° = 12,3 mm

Anmerkung: Bei der Auslegung einer Kupplung für einen bestimmten Anwendungsfall wird

es in der Praxis meist der Fall sein, daß sowohl die Größe und radiale Position der Drehmo-

mentübertragungsflächen, als auch die erforderliche magnetische Flußdichte bereits durch

Drehmomenterfordernisse vorgegeben sind. Dann wird man mit Hilfe obiger Gleichungen die

Dicke der Eisenteile im Magnetkreis bestimmen. Im vorliegenden Fall der Entwicklung eines

Modelles zur Demonstration der Technologie bestanden keine genau definierten Forderungen

an die übertragenen Drehmomente und somit konnte man diese Freiheit zur Vereinfachung

der Fertigung einsetzen, indem man auf vorhandene Blechdicken des Magnetkreisstahles zu-

rückgreift.

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75

5.3.3 Optimierung der Magnetkreisgeometrie

Das Hauptziel der Optimierung besteht darin, die erforderliche elektrische Steuerleistung bei

gegebenen Außenabmessungen des Magnetkreises der MRF-Kupplung möglichst klein zu

halten. Die dazu entwickelte Magnetfeldberechnung dient zur Bestimmung der Geometrie,

bei welcher mit möglichst niedriger elektrischer Leistung die gewünschte magnetische In-

duktion erzielbar ist.

Der Hauptvorteil des Verfahrens gegenüber herkömmlichen Berechnungsmethoden, bei de-

nen der Arbeitspunkt des Eisen, d.h. BEisen und µr-Eisen, fest vorgegeben wird, besteht darin,

daß der mit einer Eisenquerschnittsverringerung einhergehende Zugewinn an Spulenquer-

schnittsfläche Berücksichtigung findet. Eine Eisenquerschnittsverringerung bewirkt eine Ab-

weichung vom energetisch günstigsten Arbeitspunkt im Eisen, schlägt sich aber bei vorgege-

benen Außenabmessungen in einer Spulenquerschnittgrößerung nieder. Dies wirkt sich zu-

gunsten einer elektrischen Widerstandsverminderung aus, da ein gößerer Leiterquerschnitt zur

Verfügung steht. Im Gegensatz zur oben beschriebenen Vorauslegung werden die magneti-

schen Verluste in den Eisenteilen nicht vernachlässigt.

l maxsind feste Vorgabewerte

Kreis Kreis, S, W D

kleinα

W

DKreis

Kreis

großαS

l max

αα

und

Bild 5.22: Veranschaulichung der Variation des V-Winkels α

Bei der Berechnung wird der V-Winkel α optimiert, indem für gegebene Materialkennkurven,

vorgegebene Außenabmessungen der Einheit Spule, Eisenteile und MRF, sowie für vorgege-

bene Spaltlänge und -breite, dann für eine Reihe von elektrischen Leistungen und V-Winkeln

die daraus resultierende magnetische Flußdichte in der MRF berechnet wird. Aus den erhalte-

nen Diagrammen kann man dann für jede gewünschte magnetische Flußdichte den V-Winkel

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

76

ablesen, bei dem die optimal niedrigste elektrische Leistung zur Erzeugung der Induktion

erforderlich ist.

Vorgabewerte unabhängige Variablen abhängige Variable

Elektrische Leistung(Leistung pro Länge)

Gewünschte Außenabmessungender Funktionseinheit

Gewünschte Spaltbreite und Spaltlänge

Magnetisierungskurven für Eisen und MRF

Magnetische Flußdichte Bin der MRF

V-Winkel α

Tabelle 5.5: Vorgabe- und Berechnungswerte für Optimierung

Da der Spulenradius groß gegen die Spulenquerschnittsabmessung ist, kann die gesamte An-

ordnung (siehe Bild 5.16) auch als unendlich lang und gerade betrachtet werden. Deshalb soll

hier nicht mit einer elektrischen Leistung, sondern mit einer längenbezogenen elektrischen

Leistung gerechnet werden. Diese Vorgehensweise bietet auch den Vorteil, daß die Ergebnis-

se unabhängig vom konkreten Kupplungsradius zur Anwendung gelangen können.

Das Ziel der Berechnung ist, den optimalen V-Winkel zu finden, der bei gegebener elektri-

scher Leistung die stärkste Induktion B in der MRF hervorruft.

Berechnungsverfahren

In vorangegangenen Rechnungen konnte gezeigt werden, daß sich die Flußdichte B über der

Spaltlänge nur geringfügig verändert. Deshalb ist es zweckmäßig, bei der Feldberechnung

zunächst für gegebenen V-Winkel, vorgegebene Außenabmessungen der Einheit Spule, Ei-

senteile und MRF, gegebene elektrische Leistung/Länge und gegebene Spaltdicke und Spalt-

länge an 5 gleichmäßig entlang der Spaltlänge (entspricht l-Richtung in Bild 5.12) verteilten

Punkten die magnetische Flußdichte B in der MRF zu errechnen. Aus der Lage der Punkte

ergeben sich lEisen-innen und lEisen-außen. Danach erfolgte eine Mittelung der Flußdichten. Somit

erhält man einen charakteristischen Wert der Flußdichte B für die jeweilige Kombination der

Geometrie- und Leistungsparameter.

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

77

Die Aufgabe besteht darin, eine Lösung für das Durchflutungsgesetz (Gleichung (5.94)) unter

den vorgegebenen Bedingungen an den 5 oben angesprochenen Punkten zu finden. Dies ge-

schieht in der Form, daß die Nullstelle folgender Gleichung gesucht wird (Variablen siehe

Bild 5.16):

f H H l H H l H H l NIMRF MRF MRF Eisen außen MRF Eisen außen Eisen innen MRF Eisen innen( ) ( ) ( )= + + −− − − − (5.117)

Die Amperewindungszahl NI wird in Form von elektrischer Leistung pro Länge P/z vorgege-

ben. Dies hat den Vorteil, daß die Auswirkungen der Variation des Geometrieparameters α

auf den Gesamtquerschnitt der elektrischen Leiter berücksichtigt werden können. Für die

Amperewindungszahl ergibt sich mit P = NI2R und R = Nσz/ALeiter folgende Gleichung:

NIA P

zLeiter=

σ(5.118)

mit: z - Länge des Magnetkreises in ‘Umfangsrichtung’

Entlang der in Bild 5.16 dargestellten Magnetfeldlinien sind verschiedene Materialien mit

unterschiedlichen Geometrien und von der Feldstärke abhängigen relativen Permeabilitäten

zu betrachten. Aus in Abschnitt 5.3.2 beschriebenen Gründen kann man davon ausgehen, daß

die Richtung sowohl des Magnetfeldes als auch der magnetischen Flußdichte innerhalb der

MRF senkrecht zu den Grenzflächen ist.

In der Rechnung selbst wird die magnetische Feldstärke in der MRF als zu berechnende ab-

hängige Variable verwendet. Aus ihr ergeben sich mit Hilfe der Grenzflächenbedingungen

(Gleichungen (5.90) und (5.91)) die Flußdichten in den Eisenteilen:

• Äußerer Teil (d.h. im hufeisenförmigen Teil):

B BMRF Eisen außen= − sinα Ö µ µ αMRF MRF Eisen außen Eisen außenH H= − − sin (5.119)

• Innerer Teil (d.h. im keilförmigen Teil)

B BMRF Eisen innen= − Ö µ µMRF MRF Eisen innen Eisen innenH H= − − (5.120)

Die Lösung von Gleichung (5.117) erfordert mehr Aufwand als auf den ersten Blick erkenn-

bar, da HMRF, HEisen-innen und HEisen-außen über Gleichung (5.119) bzw. (5.120) miteinander ver-

knüpft sind und sowohl µMRF als auch µEisen-außen und µEisen-innen von der Feldstärke abhängen.

Diese Feldstärkeabhängigkeit der relativen Permeabilitäten ist im selbst geschriebenen

FORTRAN-Programm in Splineform abgelegt.

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78

Die Bestimmung von HEisen-innen und HEisen-außen in Abhängigkeit von HMRF geschieht im Pro-

gramm folgendermaßen:

1. Bestimmung von BMRF mit Hilfe der als Splinekoeffizienten abgelegten Materialkurve

µ µ0 0M f HMRF MRF= ( ) : B M HMRF MRF MRF= +µ µ0 0

2. Berechnung von BEisen-innen und BEisen-außen mit Hilfe von (5.119) bzw. (5.120):

BEisen-außen = BMRF/sinα bzw. BEisen-innen = BMRF

3. Ermittlung von HEisen-innen und HEisen-außen mit der als Spline abgelegten Kurve:

H f BEisen Eisen= ( ) .

Die Sekantenmethode bietet sich zum Finden der Nullstelle von Gleichung (5.117) an:

( ) ( ) ( )[ ] ( ) ( )( )[ ] ( )[ ]H H f H

H H

f H f HMRF n MRF n MRF n

MRF n MRF n

MRF n MRF n

+−

= −−

1

1

1

(5.121)

Ergebnisse

Die Rechnung wurde mit aus der Vorauslegung gewonnenen Abmessungen begonnen

(Variablen siehe Bild 5.22):

WKreis = 12 mm; DKreis = 19,5 mm; S = 3 mm; lmax = 12,3 mm

Bei dieser Spaltlänge ergab sich, daß bei einem V-Winkel von α = 15° die geringste elektri-

sche Leistung zur Aufrechterhaltung von BMRF = 0,4 T erforderlich ist. Aus diesem V-Winkel

ergibt sich bei einer Spaltlänge von 1max = 12,3 mm eine Eisendicke von 3,2 mm. Da das vor-

handene Eisenblech aber nicht 3,2 mm, sondern 3,3 mm dick ist, wurde die Rechnung mit

lmax = 3,3 mm/sin15° = 12,7 mm wiederholt. Im Ergebnis der Rechnung mit dieser Spaltgeo-

metrie lag die minimale erforderliche elektrische Leistung ebenfalls bei α = 15°.

Die Bilder 5.23 zeigen das Resultat der Rechnung zur besseren Übersicht in einem 2-d- und

einem 3-d Diagramm. Im Programm wurde ein Fehler von 10-3 berücksichtigt, d.h. die Iterati-

on von Gleichung (5.121) wurde abgebrochen, nachdem f(HMRF) (siehe Gleichung (5.117))

kleiner oder gleich diesem Wert war. Dies entspricht ca. 10-6 x Amperewindungszahl und ist

somit in jeder Hinsicht, ganz besonders in Anbetracht der unbekannten Genauigkeit der ver-

wendeten Materialdaten, vernachlässigbar.

In Bilder 5.23 ist erkennbar, daß man bei einer benötigten Flußdichte von BMRF = 0,4 T den

niedrigsten Ansteuerenergiebedarf (P/z) bei einem V-Winkel von α = 15° hat. Man wird dann

eine elektrische Leistung von P/z = 49,3 W/m benötigen. In den Diagrammen ist außerdem

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79

erkennbar, daß der Leistungsbedarf schon bei einer Abweichung von diesem optimalen Win-

kel um wenige Grade rapide ansteigt. Gut ersichtlich ist ebenfalls, daß der optimale

V-Winkel α in starkem Maße von der gewünschten Flußdichte BMRF abhängt und daß er sich

bei niedrigen Flußdichten stärker mit der Flußdichte ändert als bei hohen. Dies bedeutet, daß

die Optimierung der Kupplung für ein BMRF > 0,4 T nur mit geringen Änderungen von α

möglich wäre. Sollte sich also bei der Bestimmung der Grenzscherspannung der MRF her-

ausstellen, daß ein Abflachen erst bei höheren Flußdichten als BMRF = 0,4 T erfolgt, so wäre

es möglich, dieser Tatsache mit nur geringer Erhöhung des V-Winkels bzw. der Eisendicke

Rechnung zu tragen.

4080

120160

200

P/z [W/m]

0 V-Win

kel

[°]

510

15

2520

0.20.30.40.5

B[T

esla

]

Eisen: Böhler P900MRF 132 LD LORD Spaltdicke: S = 3 mmSpaltlänge: l = 12,7mmMaße d. Magnetkreises: axial: A = 12 mm radial: B = 19,5 mm

α

max

P/z

[W/m

]

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

5 10 15 20 25V-Winkel [°]

0,5

Tesl

a

0,45

Tes

la

0,4 Tesla

0,35 Tesla

0,3 T0,25T

α

Bilder 5.23: Berechnete Flußdichte in MRF vs. Leistung/Länge und V-Winkel

Mit dem bereits in Abschnitt 5.3.2 verwendeten Wert für den mittleren Spulenradius

rmittel = 55,4 mm, also einer Länge des Magnetkreises von z = 2πrmittel = 0,35 m, erhält man

aus den in Bilder 5.23 gezeigten Daten für α = 15° den Zusammenhang zwischen

BMRF und elektrischer Leistung Pel . Er ist in Bild 5.24 dargestellt.

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80

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0 10 20 30 40 50 60 70 P-el [W]

r = 55,4 mm = 15°mittel

α

B

[Tes

la]

MR

F

Bild 5.24: Berechnete magnetische Flußdichte in MRF vs. elektrischer Leistung

für den optimalen V-winkel und vorgebenen mittleren Spulenradius

Die aus Bild 5.24 ablesbare zur Aufrechterhaltung von BMRF = 0,4 T erforderliche elektrische

Leistung beträgt P = 17,2 W. Aus WKreis = 12 mm und DKreis = 19,5 mm folgt bei einer Eisen-

dicke von 3,3 mm ein Querschnitt der Spule von Aspule = 88 mm2. In diese Querschnittsfläche

passen N = 158 Leiter vom Durchmesser d = 0,8 mm. Aus Gleichung (5.118) erhält man mit

diesen Daten die für BMRF =0,4 T erforderliche Amperewindungszahl NI = 472 A. Mit Hilfe

dieser Größen und Gleichung (5.118) kann man von der erforderlichen elektrischen Leistung

auf den Spulenstrom umrechnen und BMRF über diesem auftragen:

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0 1 2 3 4 5 6I [A]

B

[T

esla

]

r = 55,4 mm = 15°A = 88 mmN = 158

mittel

αSpule

2MR

F

Bild 5.25: Magnetische Flußdichte B in MRF vs. Spulenstrom

für den optimalen V-winkel und vorgebene Spulenparameter

Vergleich Vorauslegung - Optimierung

Die Optimierung hat im vorliegenden Fall dazu geführt, daß der optimale V-Winkel besser

bestimmt werden konnte. Dies hatte eine Erhöhung von lmax von 12,3 mm auf 12,7 mm, also

eine Vergrößerung der Drehmomentübertragungsfläche um 5%, bei gleicher erforderlicher

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81

elektrische Leistung zur Folge. Daß die für α = 15,5° (entspricht lmax = 12,2 mm) erforderli-

che Leistung gleich der für α = 15,0° ist, kann man in Bilder 5.23 erkennen.

Bei der Ermittlung der zur Aufrechterhaltung von BMRF = 0,4 T erforderlichen elektrischen

Leistung zeigte die Optimierung, daß die Einbeziehung der Eisenverluste eine Korrektur der

vorausberechneten erforderlichen elektrischen Leistung von 14 W auf 17,2 W erfordert. Dies

spiegelt sich in der Änderung der Amperewindungszahl von 424 A auf 472 A wider.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Optimierung eine Verbesserung des magnetischen

Kreises hinsichtlich des Energieaufwandes pro zu magnetisierendem MRF-Volumen bewirkt.

Im vorliegenden Fall betrug die Verbesserung 5%. Eine Berechnung der wichtigen Flußdich-

te-Spulenstrom-Kurve (Bild 5.25) auf effektive Art und Weise wird mit diesem Rechenver-

fahren überhaupt erst ermöglicht.

Zeitkonstante der Schrägspaltkupplung

In die Zeitkonstante der Schrägspaltkupplung fließen ein:

• Zeit zum Aufbau des Spulenstromes (Tel Gleichung (5.113))

• Wirbelstromzeitkonstante (TWirbel aus Gleichung (5.116))

Die zum Aufbau des Spulenstromes erforderliche Zeit berechnet sich folgendermaßen:

Magnetischer Widerstand eines Magnetkreises:

Vs

A103,342

m0031,05,4104

m1032=

2 32

AmVs7

-3

0

⋅=⋅

⋅⋅= −− πµµ MRFMRFr

mag A

SR

mit: S = 3 mm; µr = 4,5 (siehe auch Seite 73); AMRF = lmax2π(Ri + 0,5⋅cosα⋅lmax) = 0,0031 m2

Ri = 34,1 mm (siehe Abschnitt Aufbau der Schrägspaltkupplung)

lmax =12,7 mm; α = 15°

Induktivität eines Magnetkreises (mit Gleichungen (5.109) und (5.110)):

AVs3

VsA3

22

109,72103,342

158 −⋅=⋅

==mag

sMagnetkrei R

NL

Als Spannungsquellen stehen zur Auswahl:

a) 2-Quadranten-Hochleistungsnetzgerät Typ 1130-32 der Firma Heiden (dieses Netz-

gerät wurde bei den Versuchen an der Schrägspaltkupplung eingesetzt) Umax = 32 V

b) DC-Servoverstärker Modell 422 mit Gleichspannungsversorgung und Brems-Chopper

der Jenaer Antriebstechnik GmbH (Beschreibung in [Gro97]) Umax = 150 V

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82

Der zur Erzeugung einer magnetischen Flußdichte von B = 0,4 T in der Schrägspaltkupplung

erforderliche Strom beträgt Inenn = 6 A (zwei parallele Spulen mit je 3 A).

Für den ohmschen Widerstand der verwendeten Spulen erhält man:

( ) ( ) ( )92,1

A3

W2,17

158A472

W2,17222

====

NNI

PR el

Spule

Aus diesen Daten lassen sich mit Hilfe der Gleichungen (5.108), (5.113) und (5.115) die zum

Aufbau des Nennspulenstromes erforderlichen Anstiegszeiten für die beiden oben angeführ-

ten Netzgeräte berechnen. Mit Tel = 37,97 ms folgt im Fall:

a) ms 5,4V32

92,1A663,01lnms 97,37 2

1

=

Ω⋅−⋅−=−Heidenant

b) ms 92,0V150

92,1A663,01lnms 97,37 2

1

=

Ω⋅−⋅−=−Chopperant

Nachdem oben die zum Aufbau des Spulenstromes benötigten Zeiten bestimmt wurden, ist es

noch erforderlich, mit Gleichung (5.116) die durch Wirbelströme verursachte Zeitverzöge-

rung zwischen Spulenstrom und magnetischer Flußdichte der Magnetkreise zu ermitteln:

ms 7709,0

3,35000

4,0

]/mmm[

]mm[4,0]s¬[

2

2

22

=== − πσµ

π Eisen

BlechirWirbel

dT

Sowohl für das Heiden-Netztgerät, als auch für den Bremschopper gilt somit TWirbel > Tel .

Somit ist die Bedingung für die gegenseitige Nichtbeeinflussung von Wirbelstromzeitkonstan-

te TWirbel und elektrischer Zeitkonstante Tel (Gl. (5.107)) nicht erfüllt.

Dies wiederum bedeutet, daß eine vereinfachte Berechnung der Anstiegszeit nach Gleichung

(5.115) - wie oben für die Fälle a) und b) durchgeführt - nicht erlaubt ist. Dennoch ist eine

Aussage über die „Reaktionszeit“ tan der Schrägspaltkupplung möglich, wenn man in Glei-

chung (5.115) die Zeitkonstante Tel durch den vollständigen Ausdruck für Tschalt gemäß Glei-

chung (5.106) ersetzt.

Dann wird auch evident, daß eine Verringerung des Wirbelstromanteils an der Größe Tschalt -

etwa durch Lamellierung des Eisenkerns - eine veritable Verkürztung der „Reaktionszeit“ tan

bewirkt.

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83

5.3.4 Nachrechnung der Schrägspaltkupplung mit dem FEM-

Programm OPERA-2d

Zur Überprüfung der Ergebnisse obiger Rechnungen und zum Nachweis, daß das Magnetfeld

im Übertragungsspalt nicht durch außerhalb der eigentlichen Magnetkreise liegende Einflüs-

se, wie z.B. magnetische Brücken über andere Bauteile der Kupplung beispielsweise der

Kupplungswelle, gestört wird, wurde das Magnetfeld in der Schrägspaltkupplung mit dem

FEM-Programm OPERA nachgerechnet.

Die Nachrechnung erfolgte dabei für den stationären Fall, d.h. transiente Spulenströme wur-

den nicht untersucht. Des weiteren ist es mit dem Rechenprogramm nicht möglich, auf effek-

tive Art und Weise Geometrien zu optimieren, da vor der Berechnung Geometriedaten vorzu-

geben sind und eine Änderung dieser nicht automatisiert möglich ist. Für die Rechnung fan-

den die Material- und Geometriedaten der Schrägspaltkupplung Anwendung. Die Magnet-

kreise wurden unter Verwendung der im Abschnitt 5.3.3 berechneten Geometrie bemessen.

Die Gründe für die parallele Anordnung von zwei Magnetkreisen sind in Abschnitt 6.2.1 er-

läutert. Die ebenfalls eingebauten Permanentmagnetabdichtungen sind im Kapitel 4 beschrie-

ben.

Die Rechnungen wurden für folgende axialsymmetrische Geometrie durchgeführt:

Stahl P 900

MRF 132 LD

Spule (Kupfer)

Aluminium

Permanentmagnet ms1-Flexo 150

Flussstahl

CL(Schnitt durch obere Hälfte)

Bild 5.26: Für Nachrechnung verwendeter Aufbau der Schrägspaltkupplung

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84

Für den Stahl P900 und die MRF fanden die in Bilder 5.18 gezeigten Magnetisierungskurven

Anwendung, während sie für die Permanentmagneten und den Flussstahl in Bilder 5.27 zu

sehen sind. Für die Welle und die Kugellager wurden die Werte von Flussstahl verwendet, da

für die tatsächlich eingesetzten Werkstoffe keine Daten zur Verfügung standen und deren

Magnetisierung auf jeden Fall geringer ist, als die von Flussstahl. Somit geht man sicher, kei-

ne magnetischen Brücken zu übersehen. Die Magnetisierungsrichtungen der Permanentma-

gnete waren einander um 180° entgegengesetzt und parallel zur Rotationsachse der Kupplung.

Für Kupfer und Aluminium kamen die magnetischen Daten von Luft (µr = 1) zum Einsatz.

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

0.0 E+0

B [T

esla

]

0-1.5 E+5 -1.0 E+5 -5.0 E+4

H [A/m]

Permanentmagnet ms1- Flexo150

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

1.8

2

0.0 E+0 5.0 E+3 1.0 E+4 1.5 E+4 2.0 E+4

H [A/m]

B [T

esla

]

Flussstahl

Bilder 5.27: Für Nachrechnung verwendete Magnetisierungskurven

des Permanentmagnetmaterials (Herstellerangaben) und des Flussstahls

Der Stromfluß in den Spulen wurde mittels einer Stromflächendichte vorgegeben, z.B. für

I = 3 A => i = NI/ASpule = 158⋅3 A/(5,4 mm⋅16,2 mm) = 5,4 A/mm2.

Berechnungsverfahren im Programm OPERA-2d

Zum Nachweis von eventuell vorhandenen magnetischen Brücken dienen die Feldlinien der

magnetischen Feldstärke. Das Programm OPERA bietet jedoch nicht die Möglichkeit, die

H-Feldlinien darzustellen. Aus diesem Grund soll im Folgenden gezeigt werden, daß sie bei

dem in OPERA verwendeten Rechenverfahren mit den Äquipotentiallinien identisch sind.

Im Modus STATIC ANALYSIS werden die Maxwell-Gleichungen mit Hilfe der Finite Ele-

mente Methode gelöst. Die zu lösenden Maxwell-Gleichungen lauten:

0=⋅∇

=×∇

B

iH&

&&

(5.122)

Für den Fall 0≠i*

wird ein Vektorpotential &A eingeführt:

& &B A= ∇ × (5.123)

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85

Unter Verwendung der Materialgleichung (5.93) lautet die zu lösende Poissongleichung so-

mit:

iAr

*&=×∇×∇ )

1(

0µµ(5.124)

Für den vorliegenden axialsymmetrischen Fall der MRF-Kupplung, der in OPERA mit Zylin-

derkoordinaten r, θ und z gerechnet wurde, ergibt sich für die magnetische Flußdichte:

& &B A

r

A A

zA

z

A

rA

r r

A

A

zA

z

A

rA

r

z

r z

r

r z= ∇ × =

=

1

1

∂∂θ

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂θ

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

θ

θ

θ

θ

(5.125)

Die MRF-Kupplung wurde in der r-z-Ebene eingegeben. Aus diesem Grunde bestimmen die

r- und die z-Komponente der magnetischen Flußdichte die interessierenden Feldlinien. Die in

dieser Ebene darstellbare magnetische Flußdichte ist:

&B

B

B

A

zA

r

r z Ebener

z− − =

=−

∂∂

∂∂

θ

θ(5.126)

Deshalb soll im Folgenden gezeigt werden, daß die Richtung der Flußdichte in der r-z-Ebene

und die Richtung der Linien Aθ = konst. übereinstimmen. Dafür genügt es zu demonstrieren,

daß die Flußdichte senkrecht auf dem Gradient von Aθ steht. Das Skalarprodukt zwischen

∇Aθ und &Br z Ebene− − muß also verschwinden:

gradA A

A

rA

z

θ θ

θ

θ

∂∂

∂∂

= ∇ =

=> ∇Aθ ⋅ &B = − +

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

θ θ θ θA

z

A

r

A

r

A

z = 0 q.e.d.

Aus diesem Grunde ist es möglich, die Äquipotentiallinien zur Darstellung der Feldlinien der

magnetischen Flußdichte zu verwenden.

Ergebnisse

Anfänglich wurden Rechnungen durchgeführt, bei denen die Ströme in beiden Spulen in glei-

che Richtung flossen. Dabei zeigte sich, daß durch die dabei entstehende Verdoppelung der

außerhalb der beiden eigentlichen Magnetkreise wirksamen Durchflutung auch an uner-

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86

wünschten Stellen, wie z.B. der Welle, erhebliche Flußdichten auftraten. Diese unerwünschte

magnetische Flußdichte außerhalb der eigentlichen Magnetkreise läßt sich durch Umpolung

des Stromes in einer Spule, d.h. dem Übergang von positiver zu negativer Stromdichte im

Rechenprogramm, fast völlig vermeiden. Infolge der in den beiden Spulen entgegengesetzt

gerichteten Ströme heben sich die außerhalb der eigentlichen Magnetkreise wirksamen Felder

gegenseitig nahezu auf. Diese Möglichkeit der fast völligen Elimination äußerer Magnetfelder

durch eine geradzahlige Anzahl von Magnetspulen ist besonders dann von Vorteil, wenn es

darauf ankommt, hohe Anforderungen an die EMV zu erfüllen.

In Bild 5.28 sind die Feldlinien der magnetischen Flußdichte für einen Spulenstrom von

I = 3 A gezeigt. Die Stromrichtung in der linken Spule ist entgegengesetzt zur Richtung des

Stromes in der rechten Spule. Gut erkennbar ist die dabei erzielbare gute Konzentration der

Feldlinien in den eigentlichen Magnetkreisen. Deutlich sichtbar ist ebenfalls, daß der Verlauf

der Feldlinien hervorragend mit dem in Bild 5.16 dargestellten analytisch abgeleiteten Ver-

lauf übereinstimmt. Die durch die Permanentmagnete hervorgerufene Durchflutung ist gegen-

über der bei diesem Spulenstrom vorherrschenden Durchflutung ohne erkennbaren Einfluß

auf das globale Magnetfeld in der Kupplung.

Bild 5.28: Berechnete Feldlinien der magnetischen Flußdichte bei I = 3 A;

Ströme der beiden Spulen fließen in entgegengesetzte Richtungen

Neben dem Verlauf der Feldlinien in der Kupplung ist die Abhängigkeit zwischen der ma-

gnetischen Flußdichte in den Übertragungsspalten und dem Spulenstrom von Interesse. Aus

diesem Grunde wurden die Rechnungen für verschiedene Spulenströme durchgeführt und die

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87

dabei entlang der in Bild 5.29 dargestellten Linie errechneten Flußdichten in Bild 5.30 über

dem Radius aufgetragen.

R=

34,1

R=

46,4

Auftraglinie für Flußdichte

Bild 5.29: Linie entlang der die in Bild 5.30 gezeigten Flußdichten aufgetragen sind

(Ausschnitt aus Bild 5.26)

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47Radius [mm]

B [T

esla

]

0 Amp

1 Amp

2 Amp

3 Amp

8 Amp.7 Amp.6 Amp.5 Amp.4 Amp.

Bild 5.30: Berechnete magnetische Flußdichte vs. Radius

entlang der in Bild 5.29 dargestellten Linie für verschiedene Spulenströme

(FEM-Rechenergebnis für Schrägspaltkupplung)

Obiges Diagramm (Bild 5.30) verdeutlicht, daß es gerechtfertigt ist, in Abhängigkeit vom

Spulenstrom mit einem für den gesamten Übertragungsspalt charakteristischen Wert der ma-

gnetischen Flußdichte zu arbeiten. Besonders bei Spulenströmen kleiner 5 Ampere ist bis auf

einen schmalen inneren Bereich eine gute Konstanz der Flußdichte über dem Radius zu ver-

zeichnen. Der Rückgang der Flußdichte im Bereich des Spaltinnenradius ist auf Streuflüsse

zurückzuführen.

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88

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0 1 2 3 4 5 6I [A]

B

[T

esla

]

Nachrechnung mit FEM-Programm

Resultat der Optimierungsrechnungen(siehe auch Bild 5.25)(hier zum Vergleich)

MR

F

Bild 5.31: Über dem Radius gemittelte Flußdichte in MRF aus Bild 5.30 vs. Spulenstrom

(Aus FEM-Nachrechnung der Schrägspaltkupplung ermittelt)

Im obigen Bild 5.31 wurden die entlang der in Bild 5.29 dargestellten Linie berechneten

Flußdichten über dem Radius gemittelt und über dem Spulenstrom aufgetragen. Bemerkens-

wert ist die hervorragende Übereinstimmung mit den im Abschnitt 5.3.3 errechneten und in

Bild 5.25 gezeigten Werten. Dies unterstreicht die Korrektheit, sowohl des bei der Optimie-

rung angewandten Rechenverfahrens, als auch der bei der Nachrechnung mit dem FEM-

Programm OPERA-2d verwendeten Annahmen.

5.3.5 Vergleich der Berechnungsverfahren

In den vorangehenden Abschnitten konnte gezeigt werden, daß die drei beschriebenen Ver-

fahren, Vorauslegung, Optimierung und Nachrechnung mit FEM, einen magnetischen Kreis

korrekt beschreiben und übereinstimmende Ergebnisse liefern. Der Unterschied zwischen

ihnen liegt in erster Linie in ihrem Einsatzgebiet. Je nach Anwendungsfall wird es bei der

Auslegung einer MRF-Kupplung sinnvoll sein, entweder nur eine Vorauslegung zu erarbei-

ten, oder noch weitere der in den obigen Abschnitten beschriebenen Rechnungen durchzufüh-

ren.

Für eine Abschätzung, ob der Einsatz einer MRF-Kupplung unter den vorgegebenen elektri-

schen, räumlichen und drehmomentmäßigen Bedingungen überhaupt sinnvoll ist, wird eine

Vorauslegung genügend Erkenntnisse bringen.

Mit dem neu entworfenen Rechenverfahren zur Optimierung steht erstmals ein Verfahren zur

Verfügung, mit dem sich eine gezielte Verringerung der zur Übertragung eines bestimmten

Drehmomentes erforderlichen elektrischen Leistung erreichen läßt. Die dabei möglichen Ver-

besserungen gegenüber der Vorauslegung liegen in der Größenordnung von 10%. Die

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ENTWURF VON MRF-KUPPLUNGEN

89

Durchführung der Optimierung im Rahmen der Auslegung einer MRF-Kupplung ist ebenfalls

günstig, wenn es darauf ankommt, die Abhängigkeit zwischen elektrischer Leistung und im

Übertragungsspalt herrschender magnetischer Flußdichte auf effektive Art und Weise zu

ermitteln.

Eine Nachrechnung des Magnetfeldes mit einem FEM-Programm ist erforderlich, wenn Unsi-

cherheit darüber besteht, wie sich der Einbau von neben den eigentlichen magnetischen Krei-

sen zusätzlichen weichmagnetischen Bauteilen auf das Magnetfeld auswirken wird. Des wei-

teren sind die gegenseitigen Einflüsse mehrerer und verschiedenartiger magnetischer Kreise

in einer MRF-Kupplung einer Bewertung zugänglich.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

90

6 Experimentelle Untersuchungen an MRF-

Kupplungen

6.1 Untersuchungsziele

Mit den durchgeführten Untersuchungen wurden folgende Hauptziele verfolgt:

• Bestimmung der Grenzreynoldszahl zwischen linearem und quadratischem

Drehmomentanstieg

• Überprüfung der Richtigkeit der im Kapitel 5 abgeleiteten Gleichungen

• Ermittlung von kupplungsrelevanten Fluideigenschaften

Die zugrunde gelegten Berechnungsgleichungen beziehen sich hauptsächlich auf die Zusam-

menhänge zwischen den geometrischen Parametern, der Drehzahl und den übertragenen

Drehmomenten. Ein Hauptaugenmerk lag auf der Bestimmung der in Abschnitt 5.2.4 erläuter-

ten Grenzreynoldszahl. Des weiteren war die Korrektheit der Verfahren zur Auslegung des

magnetischen Kreises zu zeigen.

Die Ermittlung von kupplungsrelevanten Fluideigenschaften beinhaltet folgende Schwerpunk-

te:

• Abhängigkeit zwischen Feldstärke und Grenzscherspannung

• Temperaturabhängigkeiten von Viskosität, Grenzscherspannung

• Kurzzeitverhalten (Zeitkonstanten)

• Langzeitverhalten (Entmischung, Alterung, Abrieb, chemische Beständigkeit)

6.2 Versuchseinrichtungen

Neben dem Aufbau eines transportablen Versuchstandes für die ‘Schrägspaltkupplung’, der

von mir am Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Dresden erstellt werden konnte,

bestand die Möglichkeit, Untersuchungen an der ‘Scheibenkupplung’ auf einem Versuchs-

stand am Institut für Werkzeugmaschinen und Steuerungstechnik der TU Dresden (LWM)

durchzuführen.

Mit der Schrägspaltkupplung konnten aufgrund der guten Wärmeabfuhr in der Kupplung

Daueruntersuchungen durchgeführt werden. Der V-förmige Übertragungsspalt und eine Per-

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

91

manentmagnetabdichtung wurden in der Schrägspaltkupplung verwirklicht. Der Versuchs-

stand ist transportabel und bietet deshalb die Möglichkeit, ihn auf Ausstellungen zur Gewin-

nung von Interessenten an der Technologie zu verwenden. Die Größe und Leistungsfähigkeit

der Schrägspaltkupplung liegt im praxisrelevanten Bereich.

Die Scheibenkupplung wurde für wesentlich höhere Drehmomente ausgelegt, als die

Schrägspaltkupplung. Der im Versuchsstand eingebaute Servomotor ist zum gesteuerten Auf-

bringen hoher Drehmomente selbst im Stillstand hervorragend geeignet. Der hochauflösende

Drehwinkelsensor ermöglichte Untersuchungen im festen MRF-Zustand.

6.2.1 Schrägspaltkupplung

Kupplungsentwurf

Die Schrägspaltkupplung wurde so ausgelegt, daß sie mindestens 10 Nm übertragen kann und

ihr Außendurchmesser 20 cm nicht überschreitet. Zur Ansteuerung sollten Spannun-

gen < 42 V verwendet werden.

Für die Schrägspaltkupplung wurden des weiteren folgende Ziele angestrebt:

• geringes Leerlaufmoment

• niedrige zur Steuerung erforderliche Leistungsaufnahme

• geringes Gewicht und niedriges Trägheitsmoment

• einfache Herstellbarkeit

Es war außerdem sicherzustellen, daß die Kupplung dicht ist, daß sich die MRF im Leerlauf

nicht entmischt und daß die Wärmeabfuhr ausreichend ist.

Grundform

Zuerst war zu klären, welche Grundform für die Übertragungsspalte Anwendung finden soll.

Die Auswahl der V-förmigen Übertragungsspalte geschah aus folgenden Gründen:

A) Die ‘Glockenform’ (siehe Bild 5.11) hat den entscheidenden Nachteil, daß bei einer

nicht auszuschließenden Entmischung der MRF die innere Drehmomentübertragungsfläche

vollständig an Partikeln verarmt und somit die Funktion der Kupplung vollkommen in Frage

gestellt wird. Bei einer V-Form des Übertragungsspaltes mit nicht zu großem V-Winkel ist

dies ausgeschlossen, da sich das ganze Spektrum der Partikelkonzentration über den Radius

verteilt.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

92

B) Bei V-förmigem Übertragungsspalt wird die nicht zum übertragbaren Drehmoment

beitragende benetzte Spaltfläche minimiert. Dies ist die Fläche durch welche die magneti-

schen Feldlinien nicht senkrecht hindurchtreten. Somit wird ein Gebiet vermieden, welches

ausschließlich zur Erhöhung des Leerlaufdrehmomentes und nicht zur Erhöhung des über-

tragbaren Drehmomentes beiträgt.

C) Die ‘V-Form’ bietet aufgrund der günstigen Schubspannungsverteilung über dem Ra-

dius im Festkörpermodus die Möglichkeit, einen möglichst ruckfreien Übergang vom Fest-

körpermodus zum Flüssigkeitsmodus zu gewährleisten.

D) Gegenüber der ‘Scheibenform’ benötigt die ‘V-Form’ wesentlich weniger Bauraum,

da trotz Gewährleistung einer unter Festigkeitsgesichtspunkten ausreichenden Fußdicke der

inneren Übertragungsscheibe, nur maximal zweimal die Eisendicke und die Übertragungs-

spaltdicke in die axiale Erstreckung einfließen.

Wärmehaushalt

Bei Kupplungen wird das Produkt aus Differenzdrehzahl und dem dabei übertragenen

Drehmoment direkt in Wärme umgesetzt: Q M M n= =∆ ∆ω π2 (6.1)

Die zur Aufrechterhaltung der magnetischen Flußdichte in der MRF in den Spulen auftreten-

de sich ebenfalls in Wärme umsetzende elektrische Verlustleistung ist demgegenüber, insbe-

sondere bei ausreichender Dimensionierung der Spulen entsprechend Gleichung (5.100), ver-

nachlässigbar.

Aus Gleichung (6.1) ist zu schlußfolgern, daß die meiste Wärme entsteht, wenn bei hohen

Differenzdrehzahlen hohe Drehmomente übertragen werden. Die Fälle hoher Drehzahlen im

Leerlauf und hoher Drehmomente bei schlupffreier Übertragung sind dagegen bezüglich

Wärmentwicklung unkritisch. Des weiteren soll an dieser Stelle herausgestellt werden, daß

für den Wärmehaushalt nicht die übertragene mechanische Leistung sondern die in der

Kupplung umgesetzte ‘Reibleistung’ relevant ist.

Zur Vermeidung der Überhitzung wurden folgende Maßnahmen getroffen:

• Stark strukturierte Kupplungsaußenflächen zur Gewährleistung einer größt-

möglichen Oberfläche

• Antreibendes Element liegt außen, damit auch bei Stillstand des abtreibenden

Elementes ein turbulenter konvektiver Wärmeabtransport gegeben ist

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

93

Da es bei dem aufgebauten Versuchsstand aufgrund der Forderung nach nicht zu großen rotie-

renden Massen und aus Gründen der Sicherheit bei Ausstellungen nicht möglich war, die

Spulen mit dem umgebenden Magnetkreis und dem Gehäuse rotieren zu lassen, wurde im

Bedarfsfall ein Lüfter zur besseren Kühlung der Kupplung eingesetzt.

Aufbau der Schrägspaltkupplung

Aus Angaben des Herstellers der MRF 132 LD war bekannt, daß diese bei B = 0,4 T eine

Grenzscherspannung in der Größenordnung von mindestens 20 kPa hat. Setzt man diesen

Wert in die Gleichung für das minimale dynamische Drehmoment aus Tabelle 5.3 ein, so er-

hält man für den in Abschnitt 3.3 betrachteten Magnetkreis mit Ri = 34,1 mm, α = 15° und

lmax = 12,7 mm: Mmin dyn ≈ 5,2 Nm

Um ein Drehmoment von 10 Nm zu erreichen, ist somit die parallele Anordnung von zwei

Magnetkreisen erforderlich.

Die beiden Spulen wurden entsprechend Bild 5.21 elektrisch parallel geschaltet. Die Parallel-

schaltung wurde gegenüber der Serienschaltung bevorzugt, da bei einem Kabelbruch in einer

Spule wenigstens der zweite Magnetkreis weiterhin voll funktionsfähig bliebe. Die Gesamtin-

duktivität, welche sich auf die Schaltzeit auswirkt, siehe Gleichungen (5.113) und (5.115),

wird durch parallele Beschaltung halbiert und nicht wie bei serieller Verknüpfung verdoppelt.

Aus dieser Anordnung der Spulen ergibt sich, daß sich bei gleicher Betriebsspannung die für

einen Magnetkreis vorausberechneten elektrischen Ströme und Leistungen verdoppeln.

Das folgende Bild 6.1 zeigt den Aufbau der Schrägspaltkupplung.

CL

Rad

ius

75 m

m

P 900SpuleMRF 132 LDP 900GehäuseFeldführungsring Permanentmagnet Kugellager Abtriebswelle

OptimierterMagnetkreis

Permanent - magnet-abdichtung

Bild 6.1: Aufbau der Schrägspaltkupplung

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

94

Versuchsstandsaufbau und Voruntersuchungen

Der Versuchsstand ist in Bild 6.2 dargestellt und hatte folgende Anforderungen zu erfüllen:

Steuerbare Größen: Spulenstrom, Drehzahl

Meßgrößen: Drehmoment, Drehzahl, MRF-Temperatur,

Magnetische Flußdichte in MRF

A - AB - B

720

Vierkantrohrrahmen geschweißt (30x30)

A

A

B

B

Synchronmotor 5,5 kW

Drehzahl- sensor

Schrägspalt- kupplung

Drehmoment- sensor

240

Bild 6.2: Aufbau des transportablen Versuchsstandes für Schrägspaltkupplung

Steuerung und Datenaufzeichnung

Zur Steuerung und Datenaufzeichung wurde ein PC (Pentium, 100 MHz) mit eingebauter

AD-Karte CIO-DAS 1601 verwendet. Diese AD-Karte bietet die Möglichkeit, 10 analoge

Datenkanäle aufzuzeichnen und hat 2 analoge Ausgangskanäle. Als Meß- und Steuersoftware

kam DASYLAB 3.0 zum Einsatz.

Stromversorgung

Der Spulenstrom wurde von einem 2-Quadranten-Hochleistungsnetzgerät Typ 1130-32 der

Firma HEIDEN bereitgestellt. Bei diesem Gerät kann der Strom durch eine analoge Steuer-

spannung vorgegeben werden.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

95

Drehzahlmessung

Die Motordrehzahl wurde mit Hilfe eines dem Antrieb vorgeschalteten Frequenzstellers der

Firma VEM über eine analoge Spannung gesteuert. Da dieser Sollwert aufgrund der Bela-

stung des Antriebes notwendigerweise vom Drehzahlistwert abweicht, macht sich eine Mes-

sung der tatsächlichen Drehzahl erforderlich. Zur Drehzahlmessung kam ein magnetischer

Aufnehmer, der auf ein Änderung des magnetischen Widerstandes in seiner Umgebung mit

einem Spannungsimpuls reagiert, zur Anwendung. Ein Frequenz-Spannungswandler-IC

LM 2907 der Firma National Semiconductors mit entsprechender Beschaltung sorgte für die

Umwandlung der Impulsfrequenz in eine analoge Ausgangsspannung.

Temperaturmessung

Die Temperaturmessung erfolgte mittels einer PT 100-Meßsonde. Diese wurde an ein Ver-

stärkermodul RTM90-P der Firma ASM GmbH angeschlossen. Bei der Anbringung der

PT 100-Meßsonde wurde darauf geachtet, daß diese gut mit dem Magnetkreisstahl P900 ver-

klebt ist und mit dem Gehäuse keine Wärmebrücke hat. Trotz Anbringung der Sonde außer-

halb der MRF, siehe Bild 6.3, kann man aufgrund der geringen Wandstärke am Ort der An-

bringung und der guten Wärmeleitfähigkeit des Stahles davon ausgehen, daß der gemessene

Wert für die Temperatur in der MRF repräsentativ ist. Der Fehler muß jedoch auf mindestens

3 Kelvin geschätzt werden.

Flußdichte- sensor KSY 44

Temperatur- sensor PT 100

Bild 6.3: Einbaulage des Temperatur- und des Flußdichtesensors (Auschnitt aus Bild 6.1)

Drehmomentmessung

Zur Messung des Drehmomentes wurde ein Drehmomentsensor vom Typ DRFL-II-50 der

Firma ETH-Hauenstein eingesetzt. Dieser Sensor besitzt eine durchgehende Welle, die zwi-

schen Antrieb und Schrägspaltkupplung angeordnet wurde. Die Torsion dieser Welle wird

mittels Dehnmeßstreifen gemessen und optisch an die ebenfalls integrierte Verstärkereinheit

übertragen. Der Meßbereich beträgt 50 Nm. Die Ausgangsspannung ist proportional zum

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

96

Drehmoment und war von Seiten des Herstellers bereits kalibriert. Aufgrund unvermeidbarer

Herstellungstoleranzen des Versuchsstandes unterlag die Meßwelle neben den Torsionsspan-

nungen noch Biegespannungen, die eine Mittelung der Meßwerte über mehrere Umdrehungen

erforderlich macht und somit die zeitliche Auflösung der Drehmomentmeßwerte beschränkt.

Flußdichtemessung

Ursprünglich war beabsichtigt, mit einem Hall-Sensor die Stärke und den qualitativen zeitli-

chen Verlauf der magnetischen Flußdichte zu bestimmen. Bei den durchgeführten Untersu-

chungen stellte sich aber heraus, daß es nicht möglich ist, mit einem Hall-Sensor die Stärke

der magnetischen Flußdichte in Materialien, die eine von 1 verschiedene relative Permeabili-

tät haben, zu messen.

Im Folgenden werden zuerst die an der MRF-Kupplung mit dem Hall-Sensor durchgeführten

Messungen beschrieben. Anschließend werden Untersuchungen an einem Meßaufbau erläu-

tert, die den Nachweis für die notwendige Fehlerhaftigkeit von Messungen mit einem Hall-

Sensor in MRF zeigen. Daran schließt sich eine Ableitung an, die den Grund für die Fehler-

haftigkeit nachweist.

An Schrägspaltkupplung mit Hall-Sensor durchgeführte Messungen

In die Schrägspaltkupplung wurde ein Hall-Effektsensor KSY 44 der Firma Siemens einge-

baut (siehe Bild 6.3). Zur Kalibrierung kam ein digitales Handteslameter FM 210 der Firma

Projekt Elektronik GmbH zum Einsatz. Dabei wurde die Meßsonde des Handteslameters in

den noch nicht mit MRF befüllten Drehmomentübertragungsspalt versetzt zum Hall-Sensor

eingeschoben. Der analoge Ausgang des Handteslameters liefert eine Spannung, deren Ver-

hältnis zur gemessenen Flußdichte bekannt ist. Beaufschlagt man die Spulen der Schrägspalt-

kupplung mit einem sinusförmigen Strom großer Periodendauer und zeichnet die Spannung

des Teslameters und die Hallspannung des Hall-Sensors auf, so erhält man Kalibrierkurven

(Bild 6.4) für den Hall-Sensor . Diese Aufzeichung wurde an verschiedenen, sowohl auf dem

Radius, als auch auf dem Umfang verschobenen Positionen wiederholt. Dabei ergaben sich,

wie in Bild 6.4 zu erkennen, nur minimale Abweichungen zwischen den unterschiedlichen

Meßpositionen. Dies ist als Beleg für die gute Homogenität des magnetischen Feldes im

Übertragungsspalt zu werten.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

97

-200

-150

-100

-50

0

50

100

150

200

-3 -2 -1 0 1 2 3Hall-Sensorspannung [V]

Flu

ßdi

chte

Tes

lam

eter

[mT

]

270° zum Sensor versetzt, voll eingeschoben270° zum Sensor versetzt; auf mittlerem Spaltradius

Sensorstrom 10 mA

Sonde 180° zum Sensor; voll eingeschoben90° zum Sensor versetzt; voll eingeschoben

Kupplung ohne MRF

Bild 6.4: Gemessene Kalibrierkurven für Hall-Sensor;

Medium im Übertragungsspalt: Luft

Nach der Kalibrierung des Hall-Sensors wurde die Schrägspaltkupplung mit MRF befüllt.

Anschließend wurde die magnetische Flußdichte mit dem eingebauten Hall-Sensor in Ab-

hängigkeit vom Spulenstrom aufgezeichnet. Dabei stellte sich heraus, daß die gemessenen

Flußdichtewerte erheblich unter den vorausberechneten, siehe Bilder 5.25 und 5.31, liegen.

Die auftretende Differenz war abhängig von der Spulenstromstärke und es ließ sich kein ein-

facher Zusammenhang, der in einem Korrekturfaktor hätte Berücksichtigung finden können,

zwischen gemessenen und berechneten Flußdichten bestimmen.

Zur Aufklärung der Ursachen für die aufgetretene Diskrepanz zwischen gemessenen und be-

rechneten Werten wurden die im folgenden Abschnitt beschriebenen Untersuchungen durch-

geführt.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

98

Messungen an Versuchsanordnung zur Untersuchung der Meßbarbarkeit von Fluß-

dichten in MRF mit Hall-Sensoren

Zur Klärung der Frage, ob die magnetische Flußdichte innerhalb von MRF mittels Hall-

Sensoren überhaupt gemessen werden kann, wurde die in Bild 6.5 dargestellte Versuchsan-

ordnung aufgebaut.

30

30

MRF

Spule

EisenjochPVC

Hallsensoren

Variante B

Variante A

aktiver Sensorin PVC eingelassen

aktiver Sensorin Eisen eingelassen

1mm PVC-Schichtim magnetischen

Kreis

nichtaktiver Sensorin lokaler Aussparung

MRFEisen

Bild 6.5: Versuchsaufbau zur Überprüfung der Messung magnetischer Flußdichten in MRF

mit Hallsonden

Der Versuchsaufbau besteht aus einem Eisenjoch aus dem Stahl Böhler P900, einer Spule,

einer 1 mm dicken PVC-Schicht, zwei gleichen Hall-Sensoren vom Typ KSY 44 der Firma

Siemens, sowie aus einem 6 mm dicken Zwischenraum, der entweder mit MRF gefüllt ist

oder frei bleiben kann und somit Luft enthält.

Diesem Aufbau lagen folgende Überlegungen zugrunde:

Die Flußdichtes soll mit zwei Sensoren gemessen werden, von denen einer in einer Umge-

bung (PVC) eingebaut ist, welche die gleiche relative Permeabilität wie der Sensor selbst hat.

Dadurch ist gewährleistet, daß dieser Sensor das Magnetfeld nicht beeinflußt. Der andere

Sensor ist wie in der Schrägspaltkupplung in einer Vertiefung im Eisen eingelassen.

Die Flußdichte soll einmal mit dem Sensor im Eisen entsprechend Variante A in Bild 6.5 und

zum anderen noch mit dem Sensor im PVC entsprechend Variante B in Abhängigkeit vom

Spulenstrom aufgezeichnet werden. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Tatsache, daß

aufgrund des bei beiden Messungen gleichen magnetischen Widerstandes des magnetischen

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

99

Kreises im MRF-bzw. Luftspalt in Abhängigkeit vom Spulenstrom jeweils die gleiche ma-

gnetische Flußdichte vorliegt.

Zur Kalibrierung der Sensoren wurde zuerst die Flußdichte im Luftspalt gleichzeitig mit dem

Handteslameter FM 210 und dem Sensor im PVC entsprechend Variante B aufgezeichnet.

Dabei wurde ein Umrechnungsfaktor für den vom Sensor angezeigten Wert bestimmt, der

gewährleistet, daß Handteslameter und Sensor im ganzen Meßbereich bis zu einem Spulen-

strom von 15 Ampere (Maximalstrom der Netzteile) gleiche Meßwerte anzeigen. Dieser Um-

rechnungsfaktor fand dann bei allen weiteren Messungen, sowohl für den Sensor im PVC, als

auch für den Sensor im Eisen Anwendung. Dabei wurde ebenfalls beachtet, daß der Hall-

Sensorbetriebsstrom bei allen Messungen genau wie bei der Kalibrierung 7 mA betrug.

Nach der Kalibrierung der Sensoren wurde die Flußdichte im Spalt für Luft und für MRF

nach Variante A (Sensor im Eisen) und nach Variante B (Sensor im PVC) über dem Spulen-

strom aufgezeichnet. Die dabei gemessenen Werte sind im folgenden Diagramm (Bild 6.6)

aufgetragen.

0

50

100

150

200

250

300

350

0 2 4 6 8 10Spulenstrom [A]

B [m

T]

Variante BSensor in PVCLuft im Spalt

Variante ASensor im EisenMRF im Spalt

Variante BSensor in PVCMRF im Spalt

Variante ASensor im EisenLuft im Spalt

Bild 6.6: Gemessene Flußdichte vs. Spulenstrom für Messung am Versuchsaufbau

Da bei den Messungen mit dem im PVC eingelassenen Sensor keine Verfälschung des Ma-

gnetfeldes durch den Sensor erfolgt, kann man davon ausgehen, daß die mit diesem Sensor

gemessenen Flußdichten den tatsächlich im Spalt herrschenden Flußdichten entsprechen. Man

erkennt in obigem Diagramm (Bild 6.6) deutlich, daß die mit dem im PVC eingelassenen

Sensor aufgezeichneten Werte wesentlich höher liegen, als die mit den im Eisen eingelasse-

nen Sensor gemessenen Werte. Die Diskrepanz zwischen den nach Variante B und den nach

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

100

Variante A aufgezeichneten Daten, also zwischen der tatsächlich im Spalt herrschenden und

der mit dem im Eisen eingelassenen Sensor gemessenen Flußdichte, ist bei mit MRF gefüllten

Spalt wesentlich größer, als wenn der Spalt Luft enthält.

Die Ursache für die Fehlerhaftigkeit der Messungen mit dem im Eisen eingelassenen Sensor

liegt in der ‘Verdrängung’ der magnetischen Flußdichte durch den Hall-Sensor aufgrund des-

sen im Verhältnis zu seiner Umgebung wesentlich niedrigeren relativen Permeabilität. Bei

Füllung des Spaltes mit Luft besteht die Differenz der Permeabilitäten nur zum Eisen, wäh-

rend sie bei MRF im Spalt sowohl zum Eisen, als auch zur MRF besteht. Daraus ergibt sich

eine noch stärkere Verdrängung des magnetischen Flusses bei Füllung des Spaltes mit MRF

gegenüber der Befüllung mit Luft.

Aus den oben beschriebenen Messungen ist die Schlußfolgerung zu ziehen, daß eine richtige

Messung magnetischer Flußdichten mit Hall-Sensoren nur möglich ist, wenn diese in einer

Umgebung angeordnet sind, die genau wie die Hall-Sensoren selbst eine relative Permeabili-

tät von µr = 1 haben. Nur so ließe sich eine Flußverdrängung durch den Hall-Sensor vermei-

den. Für die Schrägspaltkupplung und auch für die Scheibenkupplung würde dies bedeuten,

daß man eine gesamte Drehmomentübertragungsfläche mit einem Material mit µr = 1 belegen

müßte, in welches der Hall-Sensor einzubringen wäre. Unter diesen Bedingungen würde man

mit dem Hall-Sensor korrekte Werte messen. Da diese Anordnung aber eine wesentliche Er-

höhung des magnetischen Widerstandes des Magnetkreises verursacht, würde dies zu einer

starken Verringerung der erzielbaren Flußdichten führen. Ein weiterer Nachteil einer solchen

Anordnung besteht darin, daß man von den unter diesen Bedingungen gemessenen Flußdich-

ten noch nicht auf die ohne die Zwischenschicht aus PVC o.ä. erzielbaren Flußdichten schlie-

ßen kann. Dies bedeutet, daß man selbst wenn man bei einem bestimmten Versuchsaufbau

richtig mißt, noch keine Aufschlüsse auf die in der Praxis vorkommenden Werte hat. In der

Praxis wäre das Einbringen einer Zwischenschicht wegen der hohen Anforderungen an das

Material der Drehmomentübertragungsflächen bezüglich Abrieb- und Temperaturbeständig-

keit äußerst ungünstig.

Wegen der oben angeführten Gründe ist es somit sinnvoll, bei den an den Kupplungen durch-

zuführenden Versuchen auf eine Messung der Flußdichte mit den eingebauten Hall-Sensoren

zu verzichten und statt dessen auf die entsprechend den Spulenströmen berechneten Flußdich-

ten zurückzugreifen. Die Verwendung der eingebauten Hall-Sensoren zur Bestimmung von

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

101

Zeitkonstanten des Magnetfeldes ist von obiger Argumentation unberührt und weiterhin als

sinnvoll anzusehen.

Theoretische Begründung für Flußverdrängung durch Hall-Sensor

Oben wurde die Fehlerhaftigkeit der Flußdichtenmessung mit Hall-Sensoren in einer Umge-

bung mit einer relativen Permeabilität verschieden von 1 experimentell gezeigt. Dies ist auf

eine Verdrängung des magnetischen Flusses zurückführen. Im Folgenden soll gezeigt werden,

daß eine Verdrängung des magnetischen Flusses durch den Hall-Sensor mit einem energetisch

günstigeren Zustand einhergeht und somit physikalisch begründet ist. Dazu soll ein Vergleich

der Magnetfeldenergie zwischen dem Zustand in welchem die Feldlinien um den Sensor her-

um führen und dem Zustand, in welchem die Feldlinien durch den Sensor gerade hindurch

gehen, dienen.

Eisen

MRF

Magnet-feldlinien

Hallsensor

α

l max

l sens

betrachtetesVolumen (V)

Bild 6.7: Verdrängung der Magnetfeldlinien durch Hall-Sensor

Die Energiedichte des magnetischen Feldes ist:

emag = ½ B H

Der am stärksten durch den Einbau des Hall-Sensors beeinflußte Bereich ist das in Bild 6.7

schraffiert eingetragene ‘betrachtete Volumen’. Dort ist die Verdrängung des magnetischen

Flusses am stärksten. Für dieses Gebiet soll die Magnetfeldenergie für die Fälle, daß der ma-

gnetische Fluß ungestört durch den Sensor hindurchgeht und den Fall, daß der Sensor den

Fluß verdrängt betrachtet werden.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

102

• Sensor verdrängt magnetischen Fluß:

- gesamter Fluß geht am Sensor vorbei => BEisen-gestört = l

l l Sens

max

max − Beisen-ungestört

- Bsensor = 0

=>

[ ]

z d)l(lll

l

¬

B=

z d )l(lHB=E

SensSensSensr-Eisen

störtEisen-unge

SensSensgestörtEisenörtEisen-gesttV-verdräng

21

max

2

max

max

2

21

max

−−

(6.2)

mit: Ev-verdrängt - Magnetfeldenergie im ‘betrachteten Volumen’ für den Fall, daß der Fluß

durch den Sensor verdrängt wird;

dSens - Dicke des Sensors; z - Länge des betrachteten Volumens

• Magnetischer Fluß geht durch Sensor hindurch:

- Bsensor = Beisen-ungestört sinα (analog zu Gl. (5.105))

=>

[ ]

z dl¬

¡B)l(l

¬

B=

z d lHB)l(lHB=E

SensSensr-Sensor

störtEisen-ungeSens

r-Eisen

störtEisen-unge

SensSensSensorSensorSensungestörtEisenstörtEisen-ungeV-hindurch

21

22

max

2

21

max

sin

+−

+−−

(6.3)

Der Vergleich zwischen den Magnetfeldenergien, d.h. zwischen den Gleichungen (6.2) und

(6.3), führt zu:

−+≈

−+

−+=

2

maxmax

2

2

max

2

max

2

sin1

sin12sin1

l

l

l

¬

¬

l

¬

¬

l

¬

¬

E

E

SensSens

Sensorr

Eisenr

Sens

Sensorr

EisenrSens

Sensorr

Eisenr

verdrängtV

hindurchV

(6.4)

unter Verwendung von: µr-Eisen ≈ 5000; µr-Sensor = 1; sinα ≈ 0,25;

=> µµ

αr Eisen

r Sensor

≈ >>sin2 300 1

Für lSens < lmax folgt aus Gleichung (6.4) für das Verhältnis zwischen den Magnetfeldenergien:

EV-hindurch > EV-verdrängt

Nur im Fall lSens = lmax erhält man: EV-hindurch = EV-verdrängt

Dieses Resultat bedeutet, daß es für den Fall, daß der Sensor nicht die ganze Querschnittsflä-

che belegt, stets energetisch günstiger ist, wenn der magnetische Fluß nicht durch den Sensor

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

103

hindurch geht, sondern um ihn herum geführt wird. Deshalb kann die magnetische Flußdichte

in der MRF mit dem Hall-Sensor nicht korrekt gemessen werden.

Nur für den Fall, daß der Sensor bzw. ein Material gleicher relativer Permeablität die gesamte

Querschnittsfläche belegt, kann die Feldenergie durch eine Verdrängung des magnetischen

Flusses nicht minimiert werden. Man wird somit korrekte Werte mit dem Hall-Sensor be-

stimmen können.

Meßfehler

Die vom Meßaufbau und den Sensoren verursachten systematischen Fehler, welche zur Aus-

wertung der durchgeführten Versuche erforderlich sind, sollen hier für die einzelnen Meßgrö-

ßen zusammengestellt werden.

Drehzahl Laut Herstellerangabe für Frequenz-Spannungswandler:

3 % von 10 V => entspricht 7,5 U/min

Temperatur Laut Herstellerangabe für Verstärkermodul:

0,5 % des Meßbereiches (200 K) = 1 K

Geschätzter Fehler aufgrund der Anbringung des Sensors außerhalb der MRF:

3 K

=> Gesamtfehler: 4 K

Flußdichte Unsicherheit bezüglich des tatsächlich repräsentativen Wertes der Flußdichte

aufgrund von Nichtkonstanz über dem Radius (Bild 5.30)

=> unterhalb 400 mT (noch keine Sättigungserscheinungen) 10 mT

=> oberhalb 400 mT (Sättigungserscheinungen treten auf) 25 mT

Drehmoment: Laut Herstellerangabe: Linearitätsfehler = 0,1 % von 50 Nm = 0,05 Nm

Hysteresefehler = 0,05 % von 50 Nm = 0,025 Nm

Restdrehmoment = 0,1 % des Meßwertes

Geschätzter Fehler aufgrund von Biegespannungen: 0,3 Nm

=> Gesamtfehler: 0,375 Nm + 0,1 %

Maßgenauigkeit der Kupplung:

Schätzung basierend auf stichprobenartiger Nachmessung:

∆Ri = 0,2 mm; ∆lmax = 0,2 mm; ∆S = 0,2 mm; ∆α = 0,2°

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

104

Größengleichungen zur Versuchsauswertung

Im Folgenden werden die Gleichungen zur Bestimmung der Grenzscherspannungen und der

Basisviskosität der MRF aus den integralen Größen wie Drehmoment und Drehzahl bereitge-

stellt. Grundlage dafür sind die Formeln aus Tabelle 5.3 und die Annahme einer über dem

Radius konstanten magnetischen Flußdichte. In Abschnitt 5.3.4 wurde bereits gezeigt, daß

diese Annahme mit guter Näherung gerechtfertigt ist.

Bei der Schrägsspaltkupplung sind 4 gleiche Übertragungsspalte folgender Abmessung zu

berücksichtigen: Ri = 34,1 mm; lmax = 12,7 mm; α = 15°; S = 3 mm

Maximales statisches Drehmoment:

Aus ( )( )

( )MR l R

R lstatys i i

imax

max

maxcos

cos

cos− =+ −

+4

2

4 4τ π

α

α

α folgt mit obigen Zahlenwerten:

=> Maximales statisches Drehmoment: Mmax-stat = 0,46⋅τys [Nm] mit: [τys] = kPa (6.5)

=> Statische Grenzscherspannung: τys = 2,18⋅Mmax-stat [kPa] mit: [M] = Nm (6.6)

Als Formel für den relativen Fehler der statischen Grenzscherspannung resultiert mit den im

Abschnitt Meßfehler aufgelisteten Fehlerwerten:

( )

%5Nm 375,0

%9,2%9,1%09,0%1,0Nm 375,0

sincos)cos(

)cos(4

cos

1

)cos(

)cos(4

cos

1tan

max

max

maxmax44max

3max

max

44max

33max

maxmax

max

+=

++++=

∆+∆

−++

++

+

+∆

−+−+

++

+∆+∆

=∆

stat

stat

ii

i

i

i

ii

ii

istat

stat

ys

ys

M

M

llRlR

lR

lR

RRlR

RlR

lRM

M

αααα

αα

αα

ααα

ττ

(6.7)

Dynamische Drehmomente:

Für den Fall, daß die Reynoldszahl kleiner der Grenz-Re-Zahl ist, entspricht der aus der Ba-

sisviskosität resultierende Anteil dem Leerlaufdrehmoment.

Mit ( ) ( ) ( )[ ]MS

R l Rleer i i=−

+ −42

2 1 4 4πη ω ωα

αcos

cosmax folgt:

=> Leerlaufdrehmoment: MLeerlauf = 7,4⋅10-4⋅η⋅n [Nm] mit: [η] = Pas; [n] = U/min (6.8)

=> Basisviskosität: η = 1,35⋅103⋅MLeerlauf/n [Pas] mit: [MLeerlauf] = Nm; [n] = U/min (6.9)

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

105

Die Formel für den relativen Fehler der Basisviskosität ist:

( )( )

( )( )

( )( )

nM

nM

S

S

n

n

M

Ml

RlR

lR

lRlR

lRR

RlR

RlR

leerlauf

leerlauf

leerlauf

leerlauf

ii

i

ii

ii

ii

ii

U/min5,7Nm 375,0%8,10

%7,6 U/min5,7

%1,0Nm 375,0

%2,0%3,2%5,1

sincos

cos4tan

coscos

cos4

cos

cos4

max44max

3max

max44max

3max

44max

33max

++=

++++++=

∆+∆+∆

+∆

−++

++

∆−+

++∆

−+−+

=∆

ααα

αα

αα

ααα

ηη

(6.10)

Aus ( ) ( )[ ]M R l Rdyn

yd

i imin maxcoscos= + −4

2

33 3πτ

αα folgt:

=> Minimales dynamisches Drehmoment: Mmin-dyn = 0,52⋅τyd [Nm] mit: [τyd] = kPa (6.11)

=> Dynamische Grenzscherspannung: τyd = 1,92⋅Mmin_dyn [kPa] mit: [M] = Nm (6.12)

Die Gleichung für den relativen Fehler der dynamischen Grenzscherspannung lautet:

( )( )

( )( )

( )( )

dyn

dyn

dyn

dyn

ii

i

i

ii

ii

ii

i

yd

yd

M

M

M

M

RlR

lRl

RRlR

RlRl

RlR

lR

min_

min_

min_

min_

33max

2max

max

33max

22max

max33max

2max

Nm 375,0%3,3

%1,0Nm 375,0

%2,0%0,1%0,2

cos

cossin3tan

cos

cos3

cos

coscos3

+=

++++=

∆+∆

−++

++

+∆−+−+

+∆−+

+=

αα

ααα

αα

αα

αττ

(6.13)

Die Summe aus dem Leerlaufdrehmoment und dem minimalen Drehmoment resultiert im:

=> Gesamten dynamischen Drehmoment: Mdyn = 7,4⋅10-4⋅η⋅n + 0,52⋅τyd [Nm] (6.14)

mit: [η] = Pas; [n] = U/min; [τyd] = kPa

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

106

6.2.2 Scheibenkupplung

Aufbau der Scheibenkupplung

Die am Institut für Werkzeugmaschinen und Steuerungstechnik der TU Dresden (LWM) auf-

gebaute Scheibenkupplung wurde für sehr hohe Drehmomente von bis zu 300 Nm ausgelegt.

Der verwirklichte Versuchsstand besitzt eine hochwertige Sensorik und der verwendete An-

trieb ist in der Lage hohe Drehmomente selbst im Stillstand zu erzeugen. Der Kupplungsauf-

bau ist in Bild 6.8 dargestellt.

Kupp lungsgehäuse

Joch

Spule

Flussführungsscheiben

Wirkspal t

Kupplungsscheibe

Kolben fürVolumenausgle ich

Bild 6.8: Aufbau der Scheibenkupplung [Gro98]

Die Auslegung und Dimensionierung der Scheibenkupplung ist ausführlich in [Gro97] und

[Gro98] beschrieben. Aus diesem Grunde soll hier nur auf Fakten eingegangen werden, deren

Kenntnis zur Durchführung und Auswertung der Versuche erforderlich sind.

Der Wirkspalt zwischen dem Gehäuse und der Kupplungsscheibe ist beidseitig jeweils

1,75 mm breit. Er ist vollständig mit MRF 132LD der LORD Corp. gefüllt. Die Füllmenge

beträgt ca. 220 ml. Die Abdichtung gegenüber dem Gehäuse erfolgt mit einem handelsübli-

chen Wellendichtring.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

107

Versuchsstandsaufbau und Voruntersuchungen

Der Versuchsstand ermöglicht, verschiedene Kupplungs-Baugrößen zu untersuchen und dar-

über hinaus, typische Einsatzfälle und Betriebszustände für eine magnetorheologische Kupp-

lung nachzubilden. Das folgende Bild 6.9 zeigt die Konfiguration des Versuchsstandes.

DIA/D A G O

WIN-B A S S

P C

Mess-Wandler

Sol lwertvorgabe-Rechner

IEEE 488

Messwerter fassungs-Rechner

Spulenst romTemperaturFlussdichte

DrehzahlDrehmoment

Software

Messverstärker

D M C +

Kupplungs-Ansteuerung

DD

P C

CAT-M A N

Software

Drehstrom-Synchron-

Servomotor

MRF-Ku pp lun g

Hall-SensorenTemperatur-

SensorenPT 100

DrehgeberDrehmoment -Messf lansch

DC-Verstärker

Motor-Ansteuerung

regelbareSpannungs-

quel le

Verstärker

Netztei l

Umr ichter4-Quadrantenbetr ieb

IU

PC-30

DA

K lemmung

Lagerbock BLagerbock M

DV 10DV 35DV 55DZ 65DV 60

Bild 6.9: Aufbau des Versuchsstandes für Scheibenkupplung [Gro98]

Der Antrieb erfolgt über einen Drehstrom-Synchron-Servomotor der Firma Baumüller GmbH.

Er besitzt ein Maximaldrehmoment von 100 Nm. Passend zu diesem Antrieb hat der

Drehmomentsensor ebenfalls einen Meßbereich von bis zu 100 Nm. Für den Drehmomentbe-

reich > 100 Nm bestand die ausschließliche Möglichkeit, statische Untersuchungen durchzu-

führen, d.h. eine Rotation der Kupplung war mit dem Antrieb nicht möglich. Zur Aufbringung

des Drehmomentes in diesem Drehmomentenbereich wurde ein Hebel vor dem Drehmoment-

sensor so an die Scheibenkupplung angebaut, daß eine Überlastung des Drehmomentsensors

ausgeschlossen war. Dieser Hebel wurde mit Gewichten belastet und das dabei wirkende

Drehmoment aus dem Hebelarm und dem Gewicht der Last errechnet. Zur Aufzeichnung der

Kupplungsverdrehung konnten in diesem Lastbereich ein induktiver Feinzeiger mit Analog-

ausgang oder ein mechanischer Feinzeiger eingesetzt werden. Diese Feinzeiger wurden so

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

108

angebaut, daß sie einen dem Verdrehwinkel proportionalen Weg maßen. Bei kleinen Ver-

drehwinkeln ist dies wegen α ≈ sinα gerechtfertigt. Der induktive Feinzeiger fand aufgrund

seiner im Vergleich zum Drehwinkelsensor höheren Auflösung bei den statischen Untersu-

chungen ebenfalls im Drehmomentbereich < 100 Nm Anwendung.

mechanischerFeinzeiger

Befestigung anKupplungsgehäuse

Hebel

Gewicht66 mm

520 mm

mit Kupplungscheibeverbundene Welle

induktiver Feinzeigermit Analogausgang

Befestigung anKupplungsgehäuse

Hebel

mit Kupplungscheibeverbundene Welle

Bild 6.10: Anbausituation von Hebelarm mit Gewicht und von induktivem bzw.

mechanischem Feinzeiger

Über eine winkelelastische Sicherheitskupplung (Reibkupplung) und einen Drehmoment-

Meßflansch ist der Motor mit der Eingangswelle des Versuchsstandes verbunden. In den ver-

suchsstandseitigen Flanschen befinden sich Lamellen aus Federstahl. Dadurch ist sowohl eine

leichte Winkelbeweglichkeit als auch ein axialer Längenausgleich möglich, was versuchs-

standbedingte Verspannungen an der Scheibenkupplung verhindert. Bei den vorgenommenen

Versuchen wurde die Kupplung als drehmomentsteuerbare Bremse betrieben.

Die Realisierung der Sollwertvorgaben für die Ansteuerung der Kupplung bzw. des Servomo-

tors ist im oberen Teil von Bild 6.9 dargestellt. Die Zeitfunktionen wurden in einem separaten

Sollwertvorgaberechner generiert. Gemessen wurden der Spulenstrom, das Drehmoment und

die Antriebsdrehzahl sowie die Temperatur. Die Erfassung und Auswertung der Meßwerte

erfolgt im Meßwerterfassungsrechner.

Zur Bestimmung der magnetischen Flußdichte in der MRF war es erforderlich, diese in Ab-

hängigkeit vom Spulenstrom zu berechnen und dann vom gemessenen Strom auf die Fluß-

dichte zu schließen. Die Berechnung erfolgte analog zum in Abschnitt 5.3.4 für die Schrägs-

paltkupplung angewandten Verfahren. Im folgenden Diagramm (Bild 6.11) sind die in der

Mitte des in Bild 6.13 linken Übertragungsspaltes, also in der MRF, für die einzelnen Spu-

lenströme berechneten Flußdichten über dem Radius aufgetragen. Man erkennt in dem Dia-

gramm deutlich das Abfallen der Flußdichte beim Materialübergang der Übertragungsscheibe

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

109

von Stahl zu Messing bei einem Radius von 55 mm (zur Bedeutung der Zahlenangaben für

die Radien siehe auch Bild 6.13).

55 75 85 95 105 115 125Radius [mm]

7 Amp8 Amp

6 Amp5 Amp4 Amp

3 Amp

2 Amp

1 Amp

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

B [T

esla

]

Spulenstrom

60 65

Bild 6.11: Berechnete magnetische Flußdichte vs. Radius in Übertragungsspalt

der Scheibenkupplung für verschiedene Spulenströme

Im obigen Bild 6.11 ist eine gute Konstanz der magnetischen Flußdichte über dem Radius im

Materialbereich des Stahles erkennbar. Aus diesem Grunde ist es gerechtfertigt, in diesem

Bereich einen Mittelwert zu berechnen und als konstanten repräsentativen Wert für die Fluß-

dichte in Abhängigkeit vom Spulenstrom zu verwenden.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0 1 2 3 4 5 6 7 8

I [A]

B [T

esla

]

gemittelt über Radiusbereich:60 mm < R < 125 mm

Bild 6.12: Über dem Radius (60 mm < R < 125 mm) gemittelte Flußdichten aus Bild 6.11 vs.

Spulenstrom (für Scheibenkupplung)

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

110

Ausführlichere Informationen über die verwendete Sensorik und weitere Entwurfsdetails der

Scheibenkupplung sind in [Gro97] nachzulesen.

Meßfehler

Zur Abschätzung der Genauigkeit wurden folgende Überlegungen zugrunde gelegt:

Drehzahl Winkelteilung des Drehwinkelsensors: 104 Schritte auf 360°

Meßfrequenz: 100 Hz

=> Drehzahlfehler: 0,6 U/min

Temperatur Laut Herstellerangabe für Verstärkermodul (gleicher Modul wie bei Schräg-

spaltkupplungsversuchsstand):

0,5 % des Meßbereiches (200 K) = 1 K

Geschätzter Fehler aufgrund der Anbringung des Sensors außerhalb der MRF:

3 K

=> Gesamtfehler: 4 K

Flußdichte: Unsicherheit bezüglich des tatsächlich repräsentativen Wertes der Flußdichte

aufgrund von Nichtkonstanz über dem Radius (Bild 6.11)

=> unterhalb 400 mT (noch keine Sättigungserscheinungen) 10 mT

=> oberhalb 400 mT (Sättigungserscheinungen treten auf) 25 mT

Drehmoment:

Bei Messung mit Drehmomentsensor:

Laut Herstellerangabe für Drehmomentsensor:

(1 % des Maximalmomentes) 1 Nm

Bei Anwendung von Gewicht und Hebel:

Schätzung: Fehler der Hebelarmmessung 1 cm

Fehler der Gewichte 0,3 kg

Fehler aufgrund durch den Hebel bedingter Ver-

spannungen des Versuchsstandes 2 Nm

=> Gesamtfehler 2 Nm

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

111

Drehwinkel:

Bei Messung mit Drehwinkelsensor:

Laut Herstellerangabe für Drehmomentsensor: 1 Teilschritt = 0,036 °

Bei Messung mit Feinzeiger.

Abstand Feinzeiger Wellenmittelpunkt:

∆x = 2 mm bei x = 66 mm

Auflösung + Fehler + fehlerhafte Nullung des Feinzeigers:

∆y = 10 µm

yx

α

α ≈y

x => ∆ ∆ ∆α α= +

y

x

x

x

=> Drehwinkelfehler ∆α = 0,01° + α⋅3 %

Maßgenauigkeit der Kupplung:

Schätzung basierend auf stichprobenartiger Nachmessung:

linker Scheibenspalt: ∆Ri = 0; ∆lmax = 0,2 mm; ∆S = 0,1 mm

rechter Scheibenspalt: ∆Ri = 0,2 mm; ∆lmax = 0,2 mm; ∆S = 0,1 mm

Glockenspalt: ∆Ri = 0; ∆lmax = 0,2 mm; ∆S = 0,1 mm

Größengleichungen zur Versuchsauswertung

Im Folgenden werden die Gleichungen zur Bestimmung der Grenzscherspannungen und der

Basisviskosität der MRF aus den integralen Größen wie Drehmoment und Drehzahl bereitge-

stellt. Dabei wird auf die Formeln der Tabelle 5.3 zurückgegriffen.

Maximales statisches Drehmoment:

Beim maximalen statischen Drehmoment sind nur die von einem signifikanten Magnetfeld

senkrecht durchfluteten Flächen zu berücksichtigen. Dies ist der Bereich, in dem die Kupp-

lungsscheibe aus Stahl ist, und aus dem Vorhandensein zweier Spalte ergibt sich eine Ver-

doppelung des Drehmomentes.

Mit Ri = 55 mm; lmax = 75 mm und ( )( )

( )MR l R

R lstatys i i

i

=+ −

+2

2

4 4τ π max

max

erhält man:

=> Maximales statisches Drehmoment: Mmax-stat = 6,68⋅τys [Nm] mit: [τys] = kPa (6.15)

=> Statische Grenzscherspannung: τys = 0,15⋅Mmax-stat [kPa] mit: [M] = Nm (6.16)

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

112

Als Formel für den relativen Fehler der statischen Grenzscherspannung resultiert:

∆∆ ∆

ττ

ys

ys i

i i

i i

ii

i

i i

stat

stat

stat

stat

R l

R l R

R l RR

R l

R l

R l Rl

M

M

M

M

=+

++ −+ −

+

++

++ −

+

= + +

14

14

0 7% 08%

3 3

4 4

3

4 4max

max

max max

max

max

maxmax

max

max

max

( )

( )

( )

( )

, ,

(6.17)

Bei Messung mit Drehmomentsensor: Bei Anwendung von Gewicht und Hebel:

statys

ys

M −

+=∆

max

Nm 1%5,1

ττ

(6.2.17) statys

ys

M −

+=∆

max

Nm 2%5,1

ττ

(6.18)

MRF

Kupplungs-gehäuse

Kupplungs-scheibe

3655130

94753

1,75 1,757

Mes

sing

Sta

hl

Bild 6.13: Maßskizze des Querschnittes der Scheibenkupplung

Dynamische Drehmomente:

Das im flüssigen MRF-Zustand übertragene Drehmoment setzt sich aus einem Anteil, welcher

aus der Basisviskosität resultiert, aus einem Beitrag der scheibenförmigen Spaltteile und aus

einem vom glockenförmigen Stück resultierenden Beitrag zusammen. Für den Fall, daß die

Reynoldszahl kleiner der Grenz-Re-Zahl ist, entspricht der aus der Basisviskosität resultie-

rende Anteil dem Leerlaufdrehmoment.

Scheibenanteil: ( ) ( ) ( )[ ]M

SR l Rleer i i=

−+ −

πη ω ω2 1 4 4

2 max

links: rechts:

Ri = 0 mm; lmax = 130 mm; S = 1,75 mm Ri = 36 mm; lmax = 94 mm; S = 1,75 mm

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

113

=> Mleer-links = 0,0268⋅η⋅n [Nm] => Mleer-rechts = 0,0267⋅η⋅n [Nm]

mit: [η] = Pas und [n] = U/min

Glockenanteil: Aus: Ri = 130 mm; lmax = 7 mm; S = 3 mm;

( )M

Sl Rleer i=

−2 2 1 3π

η ω ωmax erhält man: Mleer-Glocke = 0,0034⋅η⋅n [Nm] mit:

[η] = Pas und [n] = U/min

Summe aus Scheiben- und Glockenanteilen

=> Leerlaufdrehmoment: MLeerlauf = 0,057⋅η⋅n [Nm] mit: [η] = Pas; [n] = U/min (6.19)

=> Basisviskosität: η = 17,5⋅MLeerlauf/n [Pas] mit: [MLeerlauf] = Nm; [n] = U/min (6.20)

Die Formel für den relativen Fehler der Basisviskosität ist:

( )( )

( )( )

( )( )

( )( )

nM

nM

n

n

M

M

R

R

l

l

S

S

RRlR

RlRl

RlR

lR

S

S

RRlR

RlRl

RlR

lR

S

S

leerlauf

leerlauf

leerlauf

leerlauf

Glockei

i

rechtsScheibe

i

ii

ii

ii

i

linksScheibe

i

ii

ii

ii

i

U/min6,0Nm 1%20

U/min6,0Nm 1%8,6%9,6%3,6

4

44

44

max

max

44max

33max

max44max

3max

44max

33max

max44max

3max

++=∆

++++=

∆+∆

+

∆+

∆+∆+

−+−+

+∆−+

++∆+

−+−+

+∆−+

++∆=∆

ηη

ηη

(6.21)

Die Versuche erfolgten stets mit Servoantrieb und Drehzahl-, sowie Drehmomentsensor, und

nicht mit Hebel, Gewicht und Feinzeiger.

Zum minimalen dynamischen Drehmoment tragen nur die Teile des scheibenförmigen Über-

tragungsspaltes bei, in dem die Übertragungsscheibe aus Eisen besteht. In dem Teil, in wel-

chem die Scheibe aus Messing besteht, ist davon auszugehen, daß die magnetische Flußdichte

vernachlässigbar ist und somit die Grenzscherspannung ebenfalls. Mit Ri = 55 mm;

lmax = 75 mm und ( ) ( )[ ]M R l Rdynyd

i imin max= + −22

33 3πτ

erhält man:

=> Minimales dynamisches Drehmoment: Mmin_dyn = 8,5⋅τyd [Nm] mit: [τyd] = kPa (6.22)

=> Dynamische Grenzscherspannung: τyd = 0,12⋅Mmin-dyn [kPa] mit: [M] = Nm (6.23)

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

114

Die Gleichung für den relativen Fehler der dynamischen Grenzscherspannung wird somit:

( )( )

( )[ ]( )

dynyd

yd

dyn

dyn

dyni

ii

ii

ii

i

yd

yd

M

M

M

MR

RlR

RlRl

RlR

lR

min_

min_

min_

min_

33max

22max

max33max

2max

Nm 1%9,0

Nm 1%4,0%5,0

33

+=∆

++=

∆+∆

−+−+

+∆−+

+=

ττ

ττ

(6.24)

Diese Versuche erfolgten ebenfalls stets mit Servoantrieb und Drehzahl-, sowie Drehzahlsen-

sor.

Die Summe aus dem Leerlaufdrehmoment und dem minimalen dynamischen Drehmoment

resultiert im:

=> Gesamten dynamischen Drehmoment: Mdyn = 0,057⋅η⋅n + 8,5⋅τyd [Nm] (6.25)

mit: [η] = Pas; [n] = U/min; [τyd] = kPa

6.3 Messungen und Versuchsergebnisse

6.3.1 Im Fluidmodus

Untersuchungsziel

Bei den stationären Untersuchungen im Fluidmodus, d.h. die MRF ist im flüssigen Zustand,

sollen die auftretenden Drehmomente bei Rotation der Kupplungen sowohl ohne, als auch mit

angelegtem Magnetfeld bestimmt werden. Die Zusammenhänge zwischen Drehzahl, Tempe-

ratur, magnetischer Feldstärke und dem auftretenden Drehmoment sind zu untersuchen.

Aus den Messwerten sind die Basisviskosität und die dynamische Grenzscherspannung der

MRF mit Hilfe der in Tabelle 5.3 aufgelisteten Gleichungen zu ermitteln. Die Richtigkeit der

in diesen Gleichungen verwendeten Annahmen soll gezeigt werden. Zum Beweis der Kor-

rektheit ist die Linearität des Drehmomentanstieges mit wachsender Drehzahl unterhalb der

zu bestimmenden Grenzreynoldszahl zu überprüfen.

Versuchsdurchführung

Die Versuche wurden sowohl an der Scheibenkupplung, als auch an der Schrägspaltkupplung

durchgeführt. Beide Kupplungen waren mit der MRF 132 LD der LORD Corp. befüllt.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

115

Dem Antrieb wurde mittels PC ein zeitlicher Verlauf der Drehzahl vorgegeben. Die Antriebe

wurden dabei im drehzahlgesteuerten Modus gefahren, so daß sich entsprechend der vorgege-

benen Steuerspannung, unabhängig vom zu erzeugenden Drehmoment, bei allen Temperatu-

ren die gewünschte Drehzahl vorgeben ließ. Die Temperaturveränderung wurde durch

‘Warmlaufen’ der Kupplung im Laufe des Versuches erreicht. Die Versuchsreihen wurden für

alle zu untersuchenden magnetischen Flußdichten, die bei den einzelnen Versuchen jeweils

konstant blieben, durchgeführt.

Für die Drehzahlvorgabe wurde eine sich wiederholende ‘Treppen’-funktion verwendet. Die

‘Treppen’-funktion gewährleistet, daß auf jeder ‘Stufe’ im stationären Zustand gemessen

werden kann, d.h. Beschleunigungs- und Verzögerungsdrehmomente verfälschen die Mes-

sungen nicht. Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß man bei sich mit fortschreitender Ver-

suchsdauer langsam erhöhender Temperatur für den gesamten gewünschten Drehzahlbereich

Meßwerte aufnehmen kann. Bei diesem Verfahren ist mit einem Versuch der gesamte Tempe-

ratur- und Drehzahlbereich abdeckbar.

0

2

4

6

8

10

0 20 40 60 80 100 120 140

Ste

uers

pann

ung

[V] 'Treppe'

'Stufe'

Zeit [s]

Bild 6.14: Typische bei den Versuchen verwendete Ansteuerfunktion für Drehzahl

Folgende Meßgrößen wurden gemessen und aufgezeichnet:

Zeit, Temperatur, Drehzahl, Drehmoment, Spulenstrom

Bei der Scheibenkupplung wurde die Meßrate zur Vereinfachung der späteren Auswertung

auf 5 Meßwerte/Sekunde eingestellt. Unter Verwendung einer ‘Stufen’-Dauer von 5 s wurden

somit pro Stufe 25 Einzelwerte aufgenommen.

Für die Versuche mit der Schrägspaltkupplung erwies sich eine ‘Stufen’-dauer von 1,6 s als

günstig. Die Meßfreuenz betrug 500 Hz und die Blockgröße 32. Es wurde jeweils über die

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

116

Werte eines Blockes gemittelt und der Wert von 1,35 s nach Beginn einer jeden ‘Stufe’ als

Meßwert aufgezeichnet.

Da die Zeitdauer bis zum Erreichen der gewünschten Fluidtemperatur vom eingestellten

Spulenstrom abhängt und vorab nicht bekannt war, machte es sich erforderlich, die Messun-

gen von Hand zu beenden. Der Spulenstrom blieb während einer Messung konstant.

Das folgende Bild 6.15 zeigt einen Ausschnitt aus dem prinzipiellen zeitlichen Verlauf von

Drehzahl, Drehmoment und Temperatur bei den durchgeführten Versuchen.

05101520253035404550

Tem

pera

tur

[°C

]D

rehm

omen

t [N

m]

Temp.

Drehzahl

Dreh-moment

0 25 50 75 100

125

150

175

200

225

250

Zeit [s]

0

400

800

1200

1600

2000

Dre

hzah

l [U

/min

]

Bild 6.15: Prinzipieller zeitlicher Verlauf der gemessenen Größen

Versuchsauswertung

Um die Einflüsse von Temperatur, Drehzahl und magnetischer Flußdichte getrennt bewerten

zu können, mußten die gemessenen Daten sortiert und umgerechnet werden. Die Verarbeitung

erfolgte mit einem speziell erstellten Rechenprogramm, das die gemessenen Daten einlesen

und die entsprechenden Ergebnisse ausgeben kann.

Die Auswertung im Rechenprogramm geschah in folgender Reihenfolge:

1. Vorstufe bei Auswertung der Daten der Scheibenkupplung:

Das Rechenprogramm bildet einen Mittelwert aus den letzten 15 der insgesamt 25 Meß-

werte (entspricht 3 von 5 Sekunden) einer jeden ‘Stufe’ (siehe Bild 6.14). Dadurch wird er-

reicht, daß Drehmomente, die aus der Drehzahlerhöhung bzw. -verringerung resultieren,

nicht die Ergebnisse verfälschen und nur Werte verwendet werden, die unter statischen

Bedingungen gemessen wurden. Als Resultat liegt dann für jede ‘Stufe’ ein Wertetripel aus

Temperatur, Drehzahl, und Drehmoment vor.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

117

2. Gesondert für jede ‘Treppe’:

Berechnung der Splinekoeffizienten für:

• Temperatur = f(Drehzahl)

• Drehmoment = f(Drehzahl)

Anschließend wurden dann die Temperaturen und die Drehmomente an neuen, für alle

‘Treppen’ einheitlichen Drehzahlstützstellen bestimmt. Als Resultat liegen für alle

‘Treppen’ die Temperatur- und Drehmomentwerte an gleichen Drehzahlpunkten vor.

3. Übergreifend über alle Treppen und gesondert für jeden Drehzahlstützstellenwert:

Bestimmung der Splinekoeffizienten für:

• Drehmoment = f(Temperatur)

Daraus erfolgte dann die Bestimmung des Drehmomentes an vorgegebenen Temperatur-

stützstellen. Für jeden Drehzahlwert war dabei eine separate Rechnung erforderlich.

Im Resultat der Rechnungen lag dann für jede untersuchte magnetische Flußdichte eine Er-

gebnistabelle folgender Art vor:

Temp1 .... TempN

Drehzahl1 Drehmom.(1,1) .... ....

... .... .... ....

DrehzahlM .... .... Drehmom.(M,N)

Tabelle 6.3.1: Für jede untersuchte magnetische Flußdichte errechnete Ergebnistabelle

Ergebnisse

Leerlauf

Bei den Untersuchungen für den Fall ohne magnetisches Feld müßte der Übergang vom linea-

ren zum quadratischen Geschwindigkeitsprofil, siehe auch Abschnitt 5.2.4, besonders deutlich

erkennbar sein. Der Grund dafür ist, daß die scheinbare Viskosität der Basisviskosität der

MRF entspricht und somit bei den versuchsstandsseitig vorgegebenen Drehzahlbereichen ein

großer Reynoldszahlbereich untersucht werden kann.

Bild 6.16 und Bild 6.17 zeigen die an der Scheibenkupplung und der Schrägspaltkupplung

gemessenen Drehmomente über der Drehzahl für verschiedene Temperaturen.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

118

0

2.5

5

7.5

10

12.5

15

17.5

20

22.5

0 500 1000 1500 2000

Drehzahl[U/min]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

Temperatur [°C]

74.5

2530.53641.54752.55863.569

80

ScheibenkupplungB = 0 mT (Leerlauf)

Bild 6.16: Leerlaufdrehmoment vs. Drehzahl bei verschiedenen Temperaturen

für Scheibenkupplung

0 500 1000 1500 2000 2500 3000Drehzahl [U/min]

Temperatur [°C]

SchrägspaltkupplungB = 0 mT (Leerlauf) 20

29

3844505974

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

Dre

hmom

ent [

Nm

]

Bild 6.17: Leerlaufdrehmoment vs. Drehzahl bei verschiedenen Temperaturen

für Schrägspaltkupplung

Eine gesonderte Ermittlung der Leerlaufdrehmomente der Kupplungen ohne Fluid erwies sich

als nicht sinnvoll, da deren Werte nicht über die Größe der Meßfehler hinausgeht. Die Kon-

vergenz der Kurven bei Annäherung an n = 0 U/min gegen einen einheitlichen Wert, läßt bei

der Scheibenkupplung auf ein Drehmoment ohne Fluid von Mleer-ohne-MRF ≈ 0,5 Nm und für die

Schrägspaltkupplung auf Mleer-ohne-MRF ≈ 0,4 Nm schließen.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

119

Ein linearer Anstieg des Drehmomentes mit wachsender Drehzahl ist besonders bei der

Scheibenkupplung im unteren Drehzahlbereich bis ca. 1000 U/min klar erkennbar. Gut er-

sichtlich ist in Bild 6.16 ebenfalls, daß die Krümmung der Kurven, also der quadratische

Anstieg bei hohen Temperaturen (niedrigere Viskosität hat höhere Reynoldszahl zur Folge)

wesentlich stärker ausgeprägt ist, als bei niedrigeren Temperaturen. Dies bestätigt den Trend,

daß wegen der durch die höhere Viskosität bedingten kleineren Reynoldszahl ein größerer

Drehzahlbereich mit linearem Anstieg zu erwarten ist.

Der lineare Anstieg des Drehmomentes mit steigender Drehzahl im unteren Drehzahlbereich

ist auch bei der Schrägspaltkupplung Bild 6.17 zu verzeichnen. Die Linearität im unteren Be-

reich ist besonders gut bei höheren Temperaturen. Bei niedrigeren Temperaturen treten Ab-

weichungen auf, die auf den Einfluß der Permanentmagnetabdichtung zurückzuführen sind.

Bei niedrigen Drehzahlen (=> geringe Zentrifugalkräfte) und niedriger Temperatur (=> hohe

Zähigkeit) genügen die Zentrifugalkräfte noch nicht, um die MRF vollständig aus dem Be-

reich der durch die Permanentmagneten geringfügig erhöhten magnetischen Flußdichte hinaus

zu befördern. Somit trägt die lokal wirksame werdende magnetische Flußdichte zu einer Er-

höhung des Leerlaufdrehmomentes bei.

Aus den in Abschnitt 5.2. abgeleiteten Gleichungen für das Leerlaufdrehmoment war zu er-

warten, daß die Basisvikosität linear in das Leerlaufdrehmoment eingeht und damit ähnlich

wie bei Ölen bedingt durch den logarithmischen Abfall der Basisviskosität mit wachsender

Temperatur ein ebenfalls logarithmisches Absinken des Leerlaufdrehmomentes auftritt. Dar-

über hinaus muß ein Abnehmen des Drehmomentes mit abnehmender Drehzahl erkennbar

sein.

In Bild 6.18 und Bild 6.19 sind das Leerlaufdrehmoment der Scheibenkupplung und der

Schrägspaltkupplung über der Temperatur für verschiedenene Drehzahlen aufgetragen. Die

eingetragenen Kurven sind logarithmische Trendlinien, d.h. nach Methode der kleinsten Qua-

drate berechnete Kurven der Form y = c ln x + b , zu den Meßwerten. Der Anstieg des Leer-

laufdrehmomentes mit wachsender Drehzahl ist deutlich zu sehen.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

120

25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80Temperatur [°C]

230

670

890

1100

1330

1530

1750

1900

n [U/min]

450

ScheibenkupplungB = 0 mT (Leerlauf)

0

2.5

5

7.5

10

12.5

15

17.5

20

22.5

Dre

hmom

ent [

Nm

]

Bild 6.18: Leerlaufdrehmoment vs. Temperatur bei verschiedenen Drehzahlen

für Scheibenkupplung

20 30 40 50 60 70 80Temperatur [°C]

n [U/min]SchrägspaltkupplungB = 0 mT (Leerlauf)

150

400

2600

2800

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

Dre

hmom

ent [

Nm

]

24002200200018001600140012001000800600

Bild 6.19: Leerlaufdrehmoment vs. Temperatur bei verschiedenen Drehzahlen

für Schrägspaltkupplung

Wegen der im Vergleich zur Schrägspaltkupplung besseren relativen Genauigkeit der mit der

Scheibenkupplung gemessenen Leerlaufdrehmomente, wird aus den unterhalb von

n = 1000 U/min mit dieser Kupplung gemessenen Drehmomentwerten die Basisviskosität mit

Hilfe von Gleichung (6.20) berechnet. Es werden die Werte der Drehzahlen von bis zu

n = 1000 U/min verwendet, da bis dahin bei allen betrachteten Temperaturen ein linearer

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

121

Drehmomentenanstieg vorliegt. Bild 6.20 zeigt die aus den Ergebnissen der untersuchten

Drehzahlen gemittelte Kurve der Basisviskosität über der absoluten Temperatur. Zur Bestim-

mung der Basisviskosität wurde von den Drehmomentwerten das Drehmoment der unbefüll-

ten Kupplungen abgezogen. Dieses wurde aus Bild 6.16 bzw. Bild 6.17 entnommen.

Die Streuung der bei den verschiedenen Drehzahlen berechneten Werte war so gering, daß

auf eine Darstellung im Diagramm verzichtet und nur der Mittelwert dargestellt werden

konnte. Auch die aus den Drehmomentdaten der Schrägspaltkupplung für die unteren Dreh-

zahlen mit Hilfe von Gleichung (6.9) berechneten Basisviskositäten lagen nur wenige Prozent

unter der im folgenden Bild 6.20 gezeigten Kurve. Im Weiteren soll aber mit den aus den

Daten der Scheibenkupplung berechneten Basisviskositäten gearbeitet werden, da diese auf-

grund der absolut höheren Leerlaufdrehmomentwerte eine bessere relative Genauigkeit ha-

ben.

295 300 305 310 315 320 325 330 335 340 345 350 355T [K]

η

Mittelwerte von 450, 670 und 890 U/min

Interpolationskurve

0

0.05

0.1

0.15

0.2

η [P

as]

( )= + ⋅

− −

0 093 0 087297 K

11 K, , eT

[Pas]

Bild 6.20: Basisviskosität vs. Temperatur für MRF 132 LD

(aus Messungen an Scheibenkupplung bestimmt)

Nachdem die Basisvikosität η in Abhängigkeit von der Temperatur bekannt ist, kann für jedes

Wertetripel (Drehzahl, Temperatur, Drehmoment) die Reynoldszahl entsprechend

Re = ρΩRaS/η (siehe auch Tabelle 5.4 S.61) aus Drehzahl und Temperatur berechnet und das

Leerlaufdrehmoment über der Re-Zahl aufgetragen werden. Dabei finden die bekannte Dichte

der MRF 132 LD ρ = 3,1 kg/dm3 und die Abmessungen der Scheibenkupplung

Ra = Ri + lmax = 130 mm und S = 1,75 mm, sowie der Schrägspaltkupplung

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

122

Ra = Ri + lmaxcosα = 46,3 mm und S = 3 mm Anwendung. Ω ist die Winkelgeschwindigkeit.

Sie berechnet sich aus der Drehzahl.

0

5

10

15

20

250

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

1100

1200

1300

1400

1500

1600

1700

1800

Dre

hmom

ent [

Nm

]

Reynoldszahl [/]

Gre

nzbe

reic

h

Temperatur [°C]

25 30.536

41.54752.5

5863.569

8074.5

ScheibenkupplungB = 0 mT (Leerlauf)

Bild 6.21: Leerlaufdrehmoment vs. Reynoldszahl bei verschiedenen Temperaturen

für Scheibenkupplung

0

0.5

1

1.5

2

2.5

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

1100

1200

1300

1400

1500

1600

1700

1800

Reynoldszahl [/]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

Temperatur [°C]

2029

3844

505974

SchrägspaltkupplungB = 0 mT (Leerlauf)G

renz

bere

ich

Bild 6.22: Leerlaufdrehmoment vs. Reynoldszahl bei verschiedenen Temperaturen

für Schrägspaltkupplung

Bild 6.21 und Bild 6.22 zeigen das Leerlaufdrehmoment über der Reynoldszahl für die Schei-

benkupplung bzw. die Schrägspaltkupplung. In beiden Diagrammen ist deutlich erkennbar,

daß das Leerlaufdrehmoment bis zu einer Reynoldszahl von:

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

123

ReGrenz ≈ 750

linear anwächst, um dann in einen quadratischen Anstieg überzugehen.

Erstmals konnte somit eine Reynoldszahl, bei der als Längenmaßstab die Spaltdicke Verwen-

dung findet, für den Übergang vom linearen zum quadratischen Strömungsregime zwischen

rotierenden Scheiben ermittelt werden (siehe auch Erläuterungen auf S.61).

Dies bedeutet, daß bis zu dieser Grenzreynoldszahl ein lineares Geschwindigkeitprofil vor-

liegt und die Annahmen (Gleichung (5.32)) zur Ableitung der Drehmomentübertragungsglei-

chungen in Tabelle 5.3 gerechtfertigt sind.

Über diese Grenzreynoldszahl hinaus verlieren die Annahmen (Gleichung (5.32)) ihre Gültig-

keit. Für diesen Bereich müßte eine Korrektur in die Gleichungen eingeführt werden. Da bei

Anlegen eines magnetischen Feldes aber eine starke Erhöhung der scheinbaren Viskosität und

damit eine wesentliche Verringerung der tatsächlichen Reynoldszahl zu erwarten ist, reicht

der durch die Gleichungen abgedeckte Bereich für praxisrelevante Anwendungen aus. Des-

halb soll die Bestimmung des Korrekturgliedes für höhere Reynoldszahlen nicht Gegenstand

dieser Arbeit sein. Ob das Drehmoment beim Anlegen eines Magnetfeldes bei hohen Dreh-

zahlen auch tatsächlich noch linear ansteigt, soll im nächsten Abschnitt untersucht werden.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

124

Mit angelegtem Magnetfeld

Bei den Untersuchungen des im Fluidmodus stationär mit angelegtem Magnetfeld übertrage-

nen Drehmomentes sollen die Abhängigkeiten von Temperatur, Drehzahl und magnetischer

Flußdichte betrachtet werden. Des weiteren ist der Gültigkeitsbereich der in Abschnitt 5.2.

abgeleiteten Drehmomentübertragungsgleichungen zu bestimmen und der Einfluß des Ma-

gnetfeldes auf das Geschwindigkeitsprofil in den Kupplungen zu klären.

Drehmoment-Drehzahl-Abhängigkeit bei konstanter Temperatur

In Bild 6.23 bis Bild 6.25 ist das gemessene Drehmoment über der Drehzahl für verschiedene

magnetische Flußdichten dargestellt. Für die Scheibenkupplung wurden Kurven für die Tem-

peraturen 28°C und 70°C ausgewählt. In den Diagrammen, sowohl für die Schrägspaltkupp-

lung, als auch für die Scheibenkupplung ist deutlich zu erkennen, daß:

• die Drehmomente bei Flußdichten größer als 0 mT linear ansteigen,

• die Kurvensteigungen bei gleichen Temperaturen unabhängig von der Flußdichte für

die jeweiligen Kupplungen gleich groß sind,

• die Anstiege der Kurven bei niedrigeren Temperaturen einheitlich größer sind, als

bei höheren,

• bei gleicher Flußdichte die Drehmomente bei niedrigen Tempereaturen größer sind

als bei höheren Temperaturen.

Besonders wichtig ist die u.a. aus Bild 6.23 ableitbare Erkenntnis, daß selbst wenn im Leer-

lauf schon ein quadratischer Anstieg des Drehmomentes mit der Drehzahl auftritt, also ein

quadratisches Geschwindigkeitsprofil vorliegt, der Anstieg beim Anlegen einer magnetischen

Flußdichte der Anstieg noch linear bleibt. Bei gleicher Temperatur und Drehzahl bestimmt

also die magnetische Flußdichte, welches Strömungsregime vorliegt. Das Magnetfeld

‘linearisiert’ somit das Geschwindigkeitsprofil.

Dieser Effekt tritt bei der Scheibenkupplung deutlicher als bei der Schrägspaltkupplung zuta-

ge, da bei ihr, wie in Bild 6.21 zu erkennen, höherere Reynoldszahlen erreicht werden.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

125

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

100 300 500 700 900 1100 1300 1500Drehzahl [U/min]

Dre

hmom

ent [

Nm

] 70°C; 127,8 mT

28°C; 127,8 mT

28°C; Leerlauf

70°C; Leerlauf

70°C; 89,7 mT

28°C; 89,7 mT

Scheibenkupplung

Bild 6.23: Drehmoment vs. Drehzahl bei verschiedenen Temperaturen und Flußdichten

für Scheibenkupplung

Aus der Tatsache, daß bei gleicher Temperatur und Drehzahl bei verschiedener magnetischer

Flußdichte unterschiedliche Strömungsregime vorliegen können, folgt die Tatsache, daß die

Basisviskosität einen unterschiedlichen Beitrag zum gesamten übertragenen Drehmoment

leisten kann. Somit ist es zur Errechnung des minimalen dynamischen Drehmomentes, also

des durch τyd verursachten Drehmomentanteiles, im folgenden auch Binghamanteil genannt,

erforderlich, den im gleichen Strömungsregime von der Basisviskosität verursachten

Drehmomentanteil vom gesamten übertragenen Drehmoment abzuziehen.

Dies bedeutet, daß es falsch wäre, das bei gleicher Drehzahl und Temperatur gemessene

Leerlaufdrehmoment vom unter, außer der Flußdichte, gleichen Bedingungen gemessenen

gesamten Drehmoment zu subtrahieren. Vielmehr muß man, wenn man sich über der Grenz-

reynoldszahl befindet, das Leerlaufdrehmoment unter Verwendung des linearen Geschwin-

digkeitsprofiles mit Hilfe der Gleichungen in Tabelle 5.3 aus der vorher bestimmten Basisvis-

kosität berechnen.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

126

0123456789

10111213

350 500 650 800 950 1100 1250 1400 1550 1700

Drehzahl [U/min]

Dre

hmom

ent [

Nm

]SchrägspaltkupplungT = 35°C

B [mT]

470

393

287

219

74

Leerlauf

146

Bild 6.24: Drehmoment vs. Drehzahl bei 35°C und verschiedenen Flußdichten

für Schrägspaltkupplung

100 300 500 700 900 1100 1300 1500Drehzahl [U/min]

B [mT]ScheibenkupplungT = 70 °C

Leerlauf

89.7

146.7

177.6

232.3

127.8

0

20

40

60

80

100

120

Dre

hmom

ent [

Nm

]

Bild 6.25: Drehmoment vs. Drehzahl bei 70°C und verschiedenen Flußdichten

für Scheibenkupplung

Drehmoment-Drehzahl-Abhängigkeit bei konstanter magnetischer Flußdichte

Bild 6.26 zeigt das gemessene Drehmoment über der Drehzahl für verschiedene Temperatu-

ren beispielhaft bei 89,7 mT. In diesem Diagramm ist zu erkennen, daß:

• das Drehmoment linear mit wachsender Drehzahl ansteigt,

• die Steigung bei höheren Temperaturen geringer ist, als bei niedrigeren

Temperaturen,

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

127

• die Geraden bei höheren Temperaturen dichter beieinander liegen, als bei

niedrigeren Temperaturen.

0

5

10

15

20

25

30

35

100 300 500 700 900 1100 1300 1500Drehzahl [U/min]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

Temperatur [°C]

61

ScheibenkupplungB = 89,7 mT

2531374955

6785

Bild 6.26: Drehmoment vs. Drehzahl bei 89,7 mT und verschiedenen Temperaturen

für Scheibenkupplung

Das Verhalten der Scheibenkupplung und auch das der Schrägspaltkupplung bei anderen

Flußdichten war vollkommen analog zu Bild 6.26. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen,

daß für minimale Flußdichten von wenigen Millitesla ein quadratischer Anstieg des Drehmo-

mentes bei höheren Drehzahlen zu erwarten ist. Aufgrund des steilen Anstieges der Flußdich-

te mit dem Spulenstrom im unteren Strombereich und der Remanenz des Flußführungsmate-

riales, war es bei den Versuchen nicht möglich, reproduzierbar Flußdichten einzustellen, bei

denen der quadratische Anstieg schon zu beobachten ist. Eine Lösung für dieses Problem

könnte darin liegen, eine Reynoldszahlerhöhung durch Vergrößerung der Spaltbreite zu ver-

wirklichen. Dies wäre eine interessante Aufgabenstellung für ein weiterführendes Projekt.

Aus den durchgeführten Messungen ist zusammenfassend ableitbar, daß der Anstieg des

Drehmomentes mit steigender Drehzahl ausschließlich von der Basisviskosität und somit von

der Temperatur abhängt und im untersuchten Bereich linear ist. Die Basisviskosität fällt bei

niedrigen Temperaturen geringer mit der Temperatur ab, als bei höheren Temperaturen. Dies

widerspiegelt das logarithmische Absinken der Basisviskosität mit wachsender Temperatur.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

128

Drehmoment-Temperatur-Abhängigkeit bei konstanter Drehzahl

25 35 45 55 65 75 85Temperatur [°C]

B [mT]Scheibenkupplungn = 300 U/min

Leerlauf

89.7

146.7

177.6

232.3

0

20

40

60

80

100

120D

rehm

omen

t [N

m]

Bild 6.27: Drehmoment vs. Temperatur bei 300 U/min und verschiedenen Flußdichten

für Scheibenkupplung

0123456789

10111213

20 30 40 50 60 70 80

Temperatur [°C]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

B [mT]

470

393

287

219

74

Leerlauf

146

Schrägspaltkupplungn = 1000 U/min

Bild 6.28: Drehmoment vs. Temperatur bei 1000 U/min und verschiedenen Flußdichten

für Schrägspaltkupplung

Bild 6.27 und Bild 6.28 zeigen das gemessene Drehmoment über der Temperatur für ver-

schiedene magnetische Flußdichten beispielhaft für die Scheibenkupplung bei 300 U/min und

für die Schrägspaltkupplung bei 1000 U/min. Die Diagramme zeigen, daß:

• das übertragene Drehmoment bei wachsender Temperatur exponentiell abfällt,

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

129

• die Änderung des Drehmomentes mit wachsender Temperatur unabhängig von der

magnetischen Flußdichte ist.

Drehmoment-Temperatur-Abhängigkeit bei konstanter magnetischer Flußdichte

0

5

10

15

20

25

30

35

25 35 45 55 65 75 85Temperatur [°C]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

n [U/min]

150300

450600750

9001050

12001350

ScheibenkupplungB = 89,7 mT

Bild 6.29: Drehmoment vs. Temperatur bei 89,7 mT und verschiedenen Drehzahlen

für Scheibenkupplung

0123456789

10111213

20 30 40 50 60 70 80Temperatur [°C]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

SchrägspaltkupplungB = 470 mT

400

1000

1600

n [U/min]

Bild 6.30: Drehmoment vs. Temperatur bei 470 mT und verschiedenen Drehzahlen

für Schrägspaltkupplung

In Bild 6.29 und Bild 6.30 sind das gemessene Drehmoment über der Temperatur für ver-

schiedene Drehzahlen beispielhaft bei 89,7 mT für die Scheibenkupplung und bei 470 mT für

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

130

die Schrägspaltkupplung aufgetragen. In diesen Diagrammen ist ersichtlich, daß das bei kon-

stanter magnetischer Flußdichte übertragene Drehmoment ebenso wie das Leerlaufdrehmo-

ment bei wachsender Temperatur exponentiell abfällt. Da der Anteil des durch die Basisvis-

kosität verursachten Drehmomentes bei höheren Drehzahlen größer ist, wirkt sich eine Ände-

rung von η mit wachsender Drehzahl stärker aus. Dies ist besonders in Bild 6.29 gut erkenn-

bar.

Drehmoment-Flußdichte-Abhängigkeit bei konstanter Drehzahl

Bild 6.31 und Bild 6.32 zeigen das gemessene Drehmoment über der magnetischen Flußdich-

te für verschiedene Temperaturen beispielhaft bei 300 U/min für die Scheibenkupplung und

bei 1000 U/min für die Schrägspaltkupplung. In den Diagrammen ist zu sehen, daß:

• das übertragene Drehmoment mit wachsender Flußdichte quadratisch ansteigt,

• eine Variation der Temperatur die Steigung der Kurven unbeeinflußt läßt.

0

20

40

60

80

100

0 50 100 150 200 250

B [mT]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

T [°C]

Scheibenkupplungn = 300 U/min

85

2534

4358

Bild 6.31: Drehmoment vs. Flußdichte bei 300 U/min und verschiedenen Temperaturen

für Scheibenkupplung

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

131

0

2

4

6

8

10

12

14

0 100 200 300 400 500

B [mT]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

300

T [°C]80

2035

5065

Schrägspaltkupplungn = 1000 U/min

Bild 6.32: Drehmoment vs. Flußdichte bei 1000 U/min und verschiedenen Temperaturen

für Schrägspaltkupplung

Drehmoment-Flußdichte-Abhängigkeit bei konstanter Temperatur

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

B [mT]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

Drehzahl [U/min]

150600

1350

ScheibenkupplungT = 70 °C

1050

0 50 100 150 200 250

Bild 6.33: Drehmoment vs. Flußdichte bei 70°C und verschiedenen Drehzahlen

für Scheibenkupplung

In Bild 6.33 und Bild 6.34 sind das gemessene Drehmoment über der magnetischen Flußdich-

te für verschiedene Drehzahlen beispielhaft bei 70°C für die Scheibenkupplung und 26°C für

die Schrägspaltkupplung aufgetragen. Darin kann man erkennen, daß:

• das übertragene Drehmoment mit wachsender magnetischer Flußdichte quadratisch

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

132

ansteigt,

• der Anstieg des Drehmomentes mit wachsender Flußdichte von Drehzahl und

Temperatur unbeeinflußt ist,

• die Veränderung der Drehzahl den Anstieg der Kurven nicht beeinflußt.

0

2

4

6

8

10

12

14

0 100 200 300 400 500B [mT]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

SchrägspaltkupplungT = 26 °C

Drehzahl [U/min]

400800

16001200

Bild 6.34: Drehmoment vs. Flußdichte bei 26°C und verschiedenen Drehzahlen

für Schrägspaltkupplung

Ermittlung der Fluidparameter und Schlußfolgerungen

Bei den Messungen des im Fluidmodus stationär mit angelegtem Magnetfeld übertragenen

Drehmomentes konnte nachgewiesen werden, daß es im untersuchten Drehzahlbereich schon

bei kleinen magnetischen Feldstärken von wenigen Millitesla zu einer Linearisierung der Ab-

hängigkeit des übertragenen Drehmomentes von der Drehzahl kommt. Der im Leerlauf, d.h.

ohne Magnetfeld, oberhalb der Grenzreynoldszahl beobachtete quadratische Anstieg mit der

Drehzahl trat bei angelegtem Magnetfeld nicht mehr auf. Dies zeigt, daß das Geschwindig-

keitsprofil im Übertragungsspalt bei angelegtem Magnetfeld ebenfalls linear ist.

Will man den von der dynamischen Grenzscherspannung τyd verursachten Teil des übertrage-

nen Drehmomentes, im weiteren Binghamanteil genannt, bestimmen, so wäre es falsch, das

bei gleicher Drehzahl und Temperatur gemessene Leerlaufdrehmoment vom gesamten

Drehmoment einfach zu subtrahieren, um den Binghamanteil zu erhalten. Der Grund dafür

liegt in den unterschiedlichen Strömungsregimen beider Messungen. Vielmehr muß der aus

der Basisviskosiät resultierende Anteil aus der bei Reynoldszahlen unterhalb der Grenz-

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

133

reynoldszahl bestimmten Basisviskosität unter Verwendung der Gleichungen, die von einem

linearen Geschwindigkeitsprofil ausgehen, berechnet werden.

Unter Verwendung des in Bild 6.20 bestimmten Interpolationsausdruckes für die Basisvisko-

siät erhält man für die Scheibenkupplung aus Gleichung (6.25):

( )neTnBMM

T

dynydeilBinghamant ⋅

⋅+⋅−=⋅=

−−11

297

087,0093,0057,0),,(5,8 τ (6.26)

mit: [T] = K; [τyd] = kPa; [n] = U/min; [MBinghamanteil] = [Mdyn] = Nm

Aus den gemessenen Drehmomenten kann mit Hilfe obiger Gleichungen (6.26) der Bingha-

manteil berechnet werden und aus diesem ist dann die dynamische Grenzscherspannung be-

stimmbar.

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

100 300 500 700 900 1100 1300 1500

Drehzahl [U/min]

Dre

hmom

ent [

Nm

] (B

ingh

aman

teil

)

ScheibenkupplungT = 70 °C B [mT]

89.7

146.7

177.6

232.3

127.8

Bild 6.35: Binghamanteil des Drehmomentes vs. Drehzahl bei 70°C

und verschiedenen Flußdichten für Scheibenkupplung;

Bestimmt aus Meßergebnissen unter Verwendung von Gl. (6.26)

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

134

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

25 35 45 55 65 75 85Temperatur [°C]

Dre

hmom

ent [

Nm

] (B

ingh

aman

teil)

Scheibenkupplungn = 300 U/min B [mT]

89.7

146.7

177.6

232.3

127.8

Bild 6.36: Binghamanteil des Drehmomentes vs. Temperatur bei 300 U/min

und verschiedenen Flußdichten für Scheibenkupplung;

Bestimmt aus Meßergebnissen unter Verwendung von Gl. (6.26)

In den beiden vorangehenden Diagrammen (Bild 6.35 und Bild 6.36) ist zu erkennen, daß der

Binghamanteil des übertragenen Drehmomentes unabhängig von Drehzahl und Temperatur

ist. Dieses Verhalten wurde ebenfalls sowohl bei allen anderen untersuchten Temperaturen

und Drehzahlen, als auch bei der Schrägspaltkupplung beobachtet.

Aus dieser Unabhängigkeit des Binghamanteiles des Drehmomentes von Temperatur und

Drehmoment folgt die Erkenntnis, daß auch die dynamische Grenzscherspannung τyd nicht

von Temperatur und Drehzahl, oder allgemeiner gesagt von der Schergeschwindigkeit, ab-

hängt. τyd ist also ausschließlich eine Funktion der magnetischen Flußdichte.

An dieser Stelle sei betont, daß man zu diesem Ergebnis nur dann gelangt, wenn man vom

gesamten Drehmoment den von der Basisviskosität verursachten Anteil abzieht, der im glei-

chen Strömungsregime verursacht wird. Würde man oberhalb der Grenzreynoldszahl vom

gesamten Drehmoment einfach das bei gleicher Drehzahl und Temperatur gemessene Leer-

laufdrehmoment subtrahieren, so würde man zu dem Ergebnis gelangen, daß der Binghaman-

teil mit wachsender Schergeschwindigkeit bzw. Drehzahl abfällt. Dies hätte zur Folge, daß

man fälschlicherweise eine Schergeschwindigkeitsabhängigkeit der dynamischen Grenzscher-

spannung hineininterpretieren würde.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

135

Nachdem oben gezeigt wurde, daß die dynamische Grenzscherspannung ausschließlich eine

Funktion der magnetischen Flußdichte ist, kann man τyd für die Schrägspaltkupplung mit

Gleichung (6.12) und für Scheibenkupplung mit Gleichung (6.23) aus dem Binghamanteil des

Drehmomentes berechnen. Aufgrund der Unabhängigkeit des Binghamanteiles des Drehmo-

mentes von der Drehzahl entspricht er dem minimalen dynamischen Drehmoment.

B [mT]

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

0 100 200 300 400 500

[kP

a]

B [mT]

Scheibenkupplung Schrägspaltkupplungτyd

Bild 6.37: Dynamische Grenzscherspannung vs. magnetischer Flußdichte

aus Messungen an Schrägspaltkupplung und an Scheibenkupplung

Mit den ermittelten dynamischen Grenzscherspannungen läßt sich nun die scheinbare Vis-

kosität ηapp entsprechend den Gleichungen 5.85 - 5.87 berechnen. Daraus ist dann wiederum

die auf die scheinbare Viskosität bezogene Reynoldszahl entsprechend Tabelle 5.4 bestimm-

bar. Von Interesse ist dabei besonders, wie hoch die maximale mit angelegten Magnetfeld

erreichte Reynoldszahl ist.

Die maximale Reynoldszahl mit angelegtem Magnetfeld tritt auf, wenn die Drehzahl maxi-

mal, die Temperatur maximal und somit die Basisviskosität minimal, sowie die magnetische

Flußdichte minimal und somit τyd minimal sind. Für die Schrägspaltspaltkupplung betrug die

maximale Drehzahl n = 1800 U/min, die maximale Temperatur T = 80°C => η = 0,1 Pas und

die kleinste untersuchte magnetische Flußdichte war B = 73,9 mT => τyd = 1,53 kPa. Mit die-

sen Daten, sowie mit den auf S.122 aufgelisteten Abmessungen der Schrägspaltkupplung er-

hält man als maximale bei angelegtem Magnetfeld mit der Schrägspaltkupplung untersuchte

Reynoldszahl:Remax ≈ 85.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

136

Für die Scheibenkupplung betrug die maximale mit angelegtem Magnetfeld untersuchte

Reynoldszahl:Remax ≈ 343.

Betrachtet man diese Werte für die maximal erreichten Re-Zahlen von Re = 85 bzw.

Re = 343, so stellt man fest, daß diese erheblich unter der Grenzreynoldszahl ReGrenz = 750

liegen. Somit hätte bei den Messungen mit angelegtem Magnetfeld im gesamten Untersu-

chungsbereich ein linearer Anstieg des Drehmomentes mit der Drehzahl vorliegen müssen.

Dieses Resultat wurde bei sämtlichen Untersuchungen ausnahmslos bestätigt. Somit ist die

Richtigkeit, der im Abschnitt 5.2 aufgestellten These, daß durch das Anlegen eines Magnet-

feldes das Geschwindigkeitsfeld linearisiert werden kann, bestätigt.

Des weiteren wurde gezeigt, daß selbst wenn die auf der Grundlage der Basisviskosität er-

rechnete Grenzreynoldszahl bereits überschritten ist, das Geschwindigkeitsprofil noch linear

sein wird, wenn man dann, wie am Ende von Abschnitt 5.2 theoretisch abgeleitet, zur Be-

stimmung der Reynoldszahl die scheinbare Viskosität ηapp verwendet und Re dann noch un-

terhalb von ReGrenz liegt.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

137

Dauerversuche

Untersuchungsziel

MRF bestehen aus einem Basisöl und magnetisierbaren Partikeln. Da diese Partikel eine we-

sentlich höhere Dichte haben als das Basisöl, führen Volumenkräfte, wie z.B. die Zentrifugal-

kraft oder die Schwerkraft, zu einem Absetzen dieser Partikel.

Das Auszentrifugieren der MRF-Partikel ist von besonderem Interesse, wenn die

MRF-Kupplung im Leerlauf läuft, d.h. wenn kein magnetisches Feld angelegt ist. In diesem

Fall rotiert eine Übertragungsfläche, während die andere still steht. Für alle anderen relevan-

ten Fälle kann man davon ausgehen, daß das magnetische Feld stark genug ist, um die Parti-

kel an einer radialen Bewegung zu hindern.

Wie im Kapitel 3 und in [LAM98] gezeigt wurde, müßte die bei der Schrägspaltkupplung

verwendete Spaltdicke von S = 3 mm ausreichen, um eine Entmischung der MRF durch eine

Zirkulationsbewegung der MRF zu verhindern. Der durchgeführte Versuch hatte die Aufgabe,

dies zu bestätigen.

Versuchsdurchführung

Bei dem Experiment war die Drehzahl über die gesamte Dauer von 1 Stunde konstant. Den

weitaus überwiegenden Teil der Zeit lief die Kupplung im Leerlauf. In festen Intervallen

wurden die Spulen kurzzeitig mit einem Strom von stets gleicher Größe beaufschlagt und

dieser anschließend wieder auf Null reduziert. Die Dauer zwischen den Stromimpulsen betrug

einige Minuten und der Strom wurde jeweils für 5 Sekunden zugeschaltet. Das sich dabei

einstellende Drehmoment wurde aufgezeichnet und über der Versuchszeit aufgetragen. Wäre

es über die Dauer des Versuches zu einer Entmischung der MRF gekommen, so hätte sich das

bei Strombeaufschlagung einstellende Drehmoment verringern müssen.

Ergebnisse und Schlußfolgerungen

In Bild 6.38 ist beispielhaft das bei Strombeaufschlagung mit einer Intervallzeit von

6 Minuten gemessene Drehmoment dargestellt.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

138

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

0 600 1200 1800 2400 3000 3600

Zeit [sek]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

Schrägspaltkupplungn = 1500 U/minB = 287 mT

Bild 6.38: Drehmoment vs. Zeit für Dauerversuch

Im obigen Diagramm ist keine signifikante Veränderung des Drehmomentes mit der Zeit er-

kennbar. Das gleiche Resultat wurde bei anderen Intervallzeiten festgestellt. Man kann also

davon ausgehen, daß die verwendete Spaltdicke ausreicht, um ein Auszentrifugieren der Par-

tikel im Leerlauf zu verhindern.

Passend zur Thematik des Langzeitverhaltens von MRF soll an dieser Stelle erwähnt werden,

daß sich gegenwärtig noch immer die ursprüngliche Befüllung der MRF 132 LD in der

Schrägspaltkupplung befindet. Über einen Zeitraum von ca. 1 ½ Jahren wurde die Kupplung

in unregelmäßigen Abständen von ca. 4 - 6 Wochen in Betrieb gesetzt. Dabei konnte kein

meßbares Abfallen der bei bestimmten Spulenströmen übertragbaren Drehmomente festge-

stellt werden. Auch die Permanentmagnetabdichtung hält seit diesem Zeitpunkt problemlos

dicht.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

139

6.3.2 Phasenübergang zwischen Festkörper- und Fluidmodus

Ziel der Untersuchungen

Über das Übergangsverhalten von MRF-Kupplungen ist bisher wenig bekannt. Für Anwen-

dungen ist es aber von besonderem Interesse, da sich z.B. ein starkes Abfallen des Drehmo-

mentes beim Übergang vom festen- zum flüssigen Zustand der MRF (analog zum Übergang

von Haft- zu Gleitreibung) äußerst negativ auf künftige Anwendungsperspektiven auswirken

würde. Des weiteren soll untersucht werden, ob die Drehmomentänderungsgeschwindigkeit

einen Einfluß auf das Übergangsverhalten hat.

Mit diesem Versuch sollen außerdem sowohl das statische, als auch das dynamische Grenz-

drehmoment in Abhängigkeit von der magnetischen Flußdichte bestimmt werden und einan-

der gegenübergestellt werden. Unter dem statischen Grenzdrehmoment Mmax-stat versteht man

dabei das Drehmoment, bei dem die Kupplung von synchroner zu asynchroner Drehmo-

mentübertragung übergeht. Bei dem dynamischen Grenzdrehmoment Mmin-dyn geht die Kupp-

lung von schlupfender (asynchroner) zu nichtschlupfender (synchroner) Drehmomentübertra-

gung über. Aus diesen Grenzdrehmomenten sollen dann die Grenzschubspannungen bestimmt

werden.

Versuchsdurchführung

Die Untersuchungen wurden an der mit MRF 132 LD befüllten Scheibenkupplung auf dem

Versuchsstand am Institut für Werkzeugmaschinen und Steuerungstechnik der TU Dresden

durchgeführt. Dieser war aufgrund des eingebauten hochauflösenden Drehwinkelsensors für

diese Messungen besonders gut geeignet. Bei den Versuchen wurden Zeit, Temperatur, Spu-

lenstrom, Drehmoment und Drehwinkel mit den eingebauten Sensoren gemessen und mit dem

CATMAN-Softwarepaket aufgezeichnet. Die Meßfrequenz betrug 50 Hz.

Zeitlicher Ablauf der Versuche:

• Spulenstrom: Zeitlich konstant bei jedem Versuch

• Motoransteuerung: Drehmomentgesteuert entsprechend Bild 6.39

Der Grund für die Wahl einer derartigen Ansteuerfunktion besteht in der Absicht, daß die

Kupplung bis zu einem bestimmten Drehmoment starr bleibt und bei Überschreitung des sta-

tischen Grenzdrehmomentes Mmax-stat der Kupplung anfängt zu rotieren. Anschließend erreicht

das Drehmoment sein Extremum, um danach wieder abzusinken. Während der Absenkung

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

140

des Drehmomentes kommt die Kupplung bei Unterschreitung des dynamischen Grenz-

drehmomentes Mmin-dyn wieder zum Stillstand.

Die Amplitude der gewählten Ansteuerfunktion mußte je nach Spulenstromstärke so gewählt

werden, daß das Drehmomentmaximum nur unwesentlich über dem statischen Grenz-

drehmoment liegt, damit die Kupplung nur möglichst wenige Umdrehungen ausführt, bevor

es wieder zum Einkuppeln kommt. Dies erleichterte die Auswertung, indem der Wertebereich

für den Drehwinkelsensor begrenzt wurde.

Für jede gewählte Stromstärke wurde ein Versuch durchgeführt. Die Ansteuerung des Servo-

motors erfolgte mit einem mit dem Programm DIADAGO generierten analogen Ausgangs-

signal.

-100

-75

-50

-25

0

25

50

75

100

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65Zeit [s]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

-3000

-2000

-1000

0

1000

2000

3000

4000

Dre

hwin

kel [

°]Drehwinkel

Drehmoment

Bild 6.39: Zeitlicher Ablauf des Motordrehmomentes und des Drehwinkels

bei Experimenten zur Untersuchung des Phasenüberganges

zwischen Festkörper- und Fluidmodus

Vorversuch

Um auszuschließen, daß die Frequenz des sägezahnförmigen Ansteuersignales, d. h. des

Drehmomentanstieges, einen Einfluß auf die statischen bzw. dynamischen Grenzdrehmomen-

te hat, wurde ein Vorversuch durchgeführt. Bei diesem Vorversuch wurden die Drehmo-

ment-Drehwinkel-Kurven für verschiedene Frequenzen des Ansteuersignales bestimmt (siehe

Bild 6.40).

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

141

Sowohl für den Übergang ‘fest’ zu ‘flüssig’, als auch für den Übergang ‘flüssig’ zu ‘fest’

(Bild 6.40) läßt sich kein nennenswerter Frequenzeinfluß auf die Grenzdrehmomente erken-

nen. Da die Kurven im Rahmen der Meßgenauigkeit gut übereinstimmen, ist aus der Untersu-

chung bei nur einer magnetischen Flußdichte zu schlußfolgern, daß gleiche Ergenisse auch

bei anderen Flußdichten zu erwarten sind.

Winkel [°]

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

-10 -8 -6 -4 -2 0 2

Dre

hmom

ent [

Nm

]

0 2 4 6 8 10Winkel [°]

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

Dre

hmom

ent [

Nm

]

B = 173 mT

Ansteuer-frequenz:

0.4 Hz0.2 Hz0.1 Hz0.05 Hz0.025 Hz

Übergang 'flüssig' zu 'fest'

Übergang 'fest' zu 'flüssig'

Bild 6.40: Drehmoment vs. Drehwinkel für verschiedene Frequenzen

des sägezahnförmigen Drehmomentes

Abreiß- bzw. Einrastkriterium

Es ist ein sinnvolles Kriterium zu definieren, welches den Kupplungsverdrehwinkel be-

schreibt, bei dem der Übergang zwischen synchroner und asynchroner Übertragung erfolgt

und bei dem die Grenzdrehmomente definiert sein sollen. Dazu ist der Kupplungsverdrehwin-

kel zu berechnen, bei dem im Festkörpermodus theoretisch das maximale Drehmoment über-

tragen werden kann.

In der Literatur wurden bisher umfangreiche Abhandlungen über die Berechnung der maxi-

malen statischen Grenzscherspannung einer MRF aus ihrer Zusammensetzung veröffentlicht.

Besonders gute Übereinstimmung zwischen vorausberechneten und gemessenen Werten er-

zielte ein Modell von Bossis [Bos91].

In diesem Modell werden die zur Übertragung von Schubspannungen erforderlichen Schub-

kräfte Fr betrachtet, die aus der Verdrehung, und der damit verbundenen Dehnung der Parti-

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

142

kelketten, gegenüber der ursprünglichen Magnetfeldrichtung resultieren (siehe Bild 6.41).

Diese magnetischen Kräfte zwischen den Partikeln sind für den Zusammenhalt der Ketten

verantwortlich. Durch die Scherung des Fluides bekommen die zwischenpartikulären Kräfte

eine Komponente Fr , die der Scherung entgegen wirkt.

FrH

θb

(magnetischeFeldstärke)

Partikel

µ i µ

Bild 6.41: Durch Auslenkung der Partikelketten entstehende Schubkräfte Fr (nach [BOS91])

(b - Abstand zwischen Partikel; µi - relative Permeabilität innerhalb der Partikel;

µ - relative Permeabilität der Basisflüssigkeit)

Fr wird durch folgende Gleichung beschrieben [Bos91]:

F a H fr = 3 2 2 2µ β (6.27)

mit: βµ µ

µ µ=

−+

i

i 2; ( )[ ]f

a

bf f f=

+ − ⊥

42 32 2|| sin cos sinΓ θ θ θ ; f f f|| = = =⊥Γ 1

a - Teilchenradius

Für die Bestimmung des Grenzscherwinkels φG der Kupplung ist aber nicht der Betrag der in

Gleichung (6.27) beschriebenen Scherkraft Fr , sondern ausschließlich deren Winkelabhän-

gigkeit von Interesse.

Aus Gleichung (6.27) folgt somit:

( )F

Kr ~sin cos sin4 2 3

4

θ θ θ−(6.28)

mit: K - Kettenlänge (entspricht dem Abstand b multipliziert mit der Anzahl der Partikel in

einer Kette)

Zur Bestimmung der Beziehung zwischen dem Verdrehwinkel φ der Kupplung und dem dabei

im Festkörpermodus übertragenen Drehmoment wird hier erstmals vorgeschlagen, die inter-

partikulären Kräfte in Umfangsrichtung in Abhängigkeit vom Verdrehwinkel φ, vom Radius r

und von der Spaltdicke S zu formulieren und dann über dem Radius zu integrieren. Da es hier

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

143

nicht auf den absoluten Betrag des übertragenen Drehmomentes, sondern nur auf seine Ab-

hängigkeit vom Verdrehwinkel φ ankommt, ist es sinnvoll, diese Drehmoment zu normieren

und über φ aufzutragen. Aus einem derartigen Diagramm wird man dann den Verdrehwin-

kel φ ablesen können, bei dem das maximale im Festkörpermodus übertragbare Drehmoment

auftritt. Dieser Winkel ist dann der Grenzdrehwinkel φGrenz.

Der Zusammenhang zwischen dem Scherwinkel θ der MRF und dem Verdrehwinkel φ der

Kupplung ist in folgendem Bild 6.42 dargestellt.

S

K

φθr

Bild 6.42: Veranschaulichung des Zusammenhanges zwischen Scherwinkel θ der MRF

und dem Verdrehwinkel φ der Kupplung

Das vom Verdrehwinkel φ abhängige Drehmoment errechnet sich wie folgt:

M F r drr

R

R

innen

außen

( ) ( , )φ φ= ∫ (6.29)

Die in Gleichung (6.28) vorkommenden θ und K kann man, abgeleitet aus Bild 6.42, ersetzen

durch:

θ φ

φ

=

= +

arctan sin

sin

r

S

K S r2 2 2 2

(6.30)

Unter Verwendung der Gleichungen (6.28) und (6.30) ergibt sich Gleichung (6.29) zu:

[ ]M

r

S

r

S

r

S

S rdr

R

R

innen

außen

( )

sin arctan sin cos arctan sin sin arctan sin

sinφ

φ φ φ

φ=

+∫

4 2 3

2 2 2 2

(6.31)

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

144

Da die Spaltdicke S, sowie Raußen und Rinnen der Scheibenkupplung bekannt sind, kann man

Gleichung (6.31) numerisch integrieren. Die Verwendung der Simpsonschen Regel bietet sich

dazu aufgrund ihrer Einfachheit und guten Genauigkeit an:

( )y x dxs

y y y y y y yx

x

n n n

n

( ) ......≅ + + + + + + +∫ − −

03

4 2 4 2 40 1 2 3 2 1

Zur Berechnung wurde ein FORTRAN-Programm geschrieben und der Integrationsbereich

wurde in n = 104 Teile zerlegt. Die Schrittweite s ergab sich aus: s = (Raußen - Rinnen)/n .

Bild 6.43 zeigt das mit dem Maximalwert normalisierte Drehmoment, welches nach obigem

Verfahren berechnet wurde. Dieses Diagramm zeigt vor allem, daß es einen Winkel gibt, bei

dem das direkt durch die Partikelketten, d.h. im Festkörpermodus, übertragbare Drehmoment

ein Maximum hat. Nach dem Überschreiten dieses Grenzwinkels kommt es bei weiterer Stei-

gerung des aufgebrachten Drehmomentes unweigerlich zum Übergang zur asynchronen

Drehmomentübertragung, also zum Flüssigkeitsmodus.

Der Winkel, bei dem in Bild 6.43 das maximale im Festkörpermodus übertragbare Drehmo-

ment auftritt, ist der Grenzscherwinkel φG der Kupplung. Für die Experimentierkupplung be-

trägt dieser:

φG = 0,85°

R-außen = 130 mmR-innen = 55 mmSpaltdicke l = 1,75 mm

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3Verdrehwinkel φ [°]

norm

alis

iert

es D

rehm

omen

t [/]

max

φG

Bild 6.43: Berechnetes normiertes Drehmoment vs. Verdrehwinkel φ

der Scheibenkupplung

Bei den im Folgenden dargestellten Meßergebnissen sind die bei dem berechneten Grenz-

scherwinkel φG auftretenden Drehmomente als Grenzdrehmomente definiert.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

145

Ergebnisse

Bild 6.44 zeigt das gemessene Drehmoment über dem Drehwinkel. Die einzelnen Schleifen

der Kurven reihen sich zeitlich aneinander und wurden im Uhrzeigersinn durchfahren.

-100

-80

-60

-40

-20

0

20

40

60

80

100

-3000 -2000 -1000 0 1000 2000 3000 4000Winkel [°]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

B =247 mT

Bild 6.44: Gemessenes Drehmoment vs. Drehwinkel (Meßablauf siehe Bild 6.39)

Die stetige Verschiebung der einzelnen Schleifen wurde durch eine unvermeidbare Unsym-

metrie zwischen den positiven und den negativen Extrema des aufgebrachten Drehmomentes

hervorgerufen.

Da die Drehzahl der Kupplung bei diesem Versuch zeitlich veränderlich war, zeichnete der

Drehmomentensensor die Summe aus folgenden Größen auf:

a) Drehmoment hervorgerufen durch MRF

b) Massenbeschleunigungsdrehmoment

Das Beschleunigungsdrehmoment MBeschl berechnet sich wie folgt: MBeschl = J ω

Das Massenträgheitsmoment J setzt sich wiederum aus der Kupplungsscheibe selbst und den

Teilen zwischen Kupplungsscheibe und Drehmomentsensor zusammen. Aus den bekannten

Massenträgheitsmomenten der einzelnen Teile erhält man:

J = JKupplung unbefüllt + JPrüfstandsteile zwischen Drehmomentmeßnabe und Kupplung = 0,075 kg m3

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

146

Die Winkelbeschleunigung wurde wie folgt bestimmt (Zentraldifferenz zweiter Ordnung):

( )( )2

11 2

360

2

tiii

i ∆+−

= −+ φφφπω

mit: ω i - Winkelbeschleunigung des i-ten Meßwertes;

∆t=1/fmeß=1/50 Hz=0.02 s

φi - i-ter Meßwert des Drehwinkels

-10

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

-2000 -1500 -1000 -500 0 500 1000 1500 2000 2500Winkel [°]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

B =247 mT

gemessenes Drehmoment

Beschleunigungs- drehmoment

Drehmoment hervor-gerufen durch MRF

MBeschl

Mmess

MmessM = - MBeschl

Bild 6.45: Gemessenes-, berechnetes Beschleunigungs- und wahres MRF-Drehmoment

vs. Drehwinkel (Ausschnitt aus Kurven der Art von Bild 6.44)

Die in Bild 6.45 gezeigten Kurven ist ein Ausschnitt aus den aufgezeichneten Kurven der Art

von. Da die Übereinstimmung zwischen den gemessenen Drehmomenten der einzelnen

Schleifendurchläufe hervorragend war, wurde auf eine Mittelung verzichtet und nur ein Aus-

schnitt widergegeben. Für andere magnetische Flußdichten wurden analoge Diagramme auf-

gezeichnet bzw. errechnet.

Während Bild 6.45 zur Veranschaulichung der Versuche für die einzelnen Spulenströme

dient, werden in Bild 6.46 die Prozesse der Übergänge der MRF von ‘fest’ zu ‘flüssig’ bzw.

‘flüssig’ zu ‘fest’ für alle Spulenströme genauer dargestellt. Es werden Ausschnitte aus den

gemessenen Kurven verwandt und für jeden Strom zwei repräsentative Kurven gezeigt. Zur

übersichtlicheren Darstellung erfolgte eine Verschiebung der Winkel so, daß der feste Zu-

stand den Winkelwert 0° hat.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

147

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10Winkel [°]

0 1

B =37 mT

B =105 mT

B = 157 mT

B =205 mT

B =247 mT

B =37 mT

B =105 mT

B = 157 mT

B =205 mT

B =247 mT

φgrenz = 0,85° φgrenz = 0,85°

Winkel [°]

Dre

hmom

ent [

Nm

]

0

10

20

30

40

50

60

70

Übergang 'flüssig' zu 'fest'

Übergang 'fest' zu 'flüssig'

-10 -9 -8 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1

Bild 6.46: Drehmoment vs. Drehwinkel für Übergang ‘flüssig’ zu ‘fest’ bzw. ‘fest’ zu ‘flüssig’

für verschiedene Spulenströme

In Bild 6.46 sind die ‘wahren’ Drehmomente, das Massenbeschleunigungsdrehmoment ist

also schon abgezogen, dargestellt.

Grenzdrehmomente und Grenzscherspannungen

Bei dem Grenzscherwinkel φG wurden die Grenzschermomente aus Bild 6.46 abgelesen und

im folgenden Diagramm (Bild 6.47) über der magnetischen Flußdichte aufgetragen. Die

Werte für das dynamische Grenzdrehmoment wurden dabei vom Teildiagramm Übergang

‘flüssig’ zu ‘fest’ entnommen und die Daten für das statische Grenzdrehmoment entstammen

dem Teildiagramm Übergang ‘fest’ zu ‘flüssig’.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

148

0

10

20

30

40

50

60

70

0 50 100 150 200 250

B [mT]

Dre

hmom

ent [

Nm

]Mmin-dyn

M max-stat

Bild 6.47: Statisches und dynamisches Grenzdrehmoment der mit MRF 132 LD gefüllten

Scheibenkupplung vs. magnetischer Flußdichte

Mit Hilfe der Gleichungen (6.16) und (6.23) wurden die Grenzscherspannungen der MRF aus

den Grenzdrehmomenten berechnet. Bild 6.48 zeigt die berechneten Grenzscherspannungen

über den aus dem gemessenen Spulenstrom bestimmten magnetischen Flußdichten.

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

0 50 100 150 200 250

B [mT]

Gre

nzsc

hers

pann

ung

[kP

a]

τ y-dynamisch

τ y-statisch

Bild 6.48: Statische und dynamische Grenzscherspannungen vs. magnetischer Flußdichte;

(MRF 132 LD; aus Abreiß- und Einkuppelverhalten der Scheibenkupplung ermittelt)

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

149

Schlußfolgerungen

Besonders bemerkenswert ist der bei der Scheibenkupplung aufgetretene Sachverhalt, daß das

statische Grenzdrehmoment Mmax-stat geringer ist, als das dynamische Grenzdrehmoment

Mmin-dyn . Dies widerspricht der aus dem Verhältnis zwischen statischer (τys) und dynami-

scher (τyd) Grenzscherspannung (τys > τyd) folgenden naheliegenden Vermutung, daß Mmax-stat

größer als Mmin-dyn sein müßte. Die Ursache für dieses der weitläufigen Vorstellung wider-

sprechende Verhalten liegt in der zwischen dem ‘festem’ und ‘flüssigem’ MRF-Zustand ver-

schiedenen Schubspannungsverteilung über dem Radius (siehe Kapitel 5). Bedingt durch die

geometrischen Parameter der Scheibenkupplung führte dies zu Mmax-stat < Mmin-dyn . Hier sei

betont, daß dieses Verhalten der Kupplung möglich ist, trotz der Tatsache, daß die statische

Grenzscherspannung der MRF größer ist als die dynamische (siehe Bild 6.48).

Der Fakt, daß Mmax-stat < Mmin-dyn trotz τys > τyd liefert die Erklärung für eine Erscheinung, wel-

che bei den Untersuchungen an der Scheibenkupplung zuerst nicht verstanden werden konnte.

Es wurden Versuche durchgeführt, bei denen die Kupplung mit einem konstanten Strom be-

aufschlagt und dann durch Gewichte an einem Hebel mit Drehmoment belastet wurde. Beim

Auflegen weiterer Teilgewichte gelangte man wiederholt an einen Punkt, bei dem die Kupp-

lung anfing durchzurutschen, aber nach Verdrehung um einige Grad wieder zum Stillstand

kam. Unter Annahme der aus τys > τyd folgenden weitverbreiteten Schlußfolgerung, daß

Mmax-stat größer sein müsse als Mmin-dyn , wäre diese Erscheinung nicht erklärbar. Sie wäre aber

vollkommen logisch, wenn Mmax-stat < Mmin-dyn.

Das Durchrutschen und anschließende ‘wieder zum Stillstand kommen’ der Scheibenkupp-

lung ist somit folgendermaßen zu erklären: Bei Überschreitung von Mmax-stat rutscht die

Kupplung durch. Liegt das aufgebrachte Drehmoment noch unterhalb von Mmin-dyn , so wird

die Kupplung wieder zum Stillstand kommen. Erst beim Auflegen weiterer Teilgewichte und

Überschreitung von Mmin-dyn geht die Kupplung in kontinuierliche Rotation über. Somit sind

die zuerst schwer erklärbaren Erscheinungen eine Bestätigung der bei den Versuchen zum

Abreiß- und Einkuppelverhalten gewonnenen Ergebnisse. Des weiteren ist dieses Verhalten

nur dann möglich, wenn sich die Schubspannungsverteilung über dem Radius wie in der im

Abschnitt Entwurf von MRF-Kupplungen beschriebenen Art und Weise verhält

(‘flüssig’ => konstant über Radius; ‘fest’ => linear anwachsend mit Radius).

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

150

Das bei den oben beschriebenen Versuchen mit Gewicht und Hebel aufgetretene Verhalten

findet sein Analogon in der in Bild 6.46 beim Übergang ‘fest’ zu ‘flüssig’ erkennbaren Stei-

gerung des Drehmomentes über den Wert der Mmax-stat hinaus bevor es zu einem kontinuierli-

chen Durchrutschen der Kupplung kommt. Das kontinuierliche Durchrutschen der Kupplung

ist daran zu erkennen, daß der Anstieg der Kurven gegen Null geht.

In Bild 6.46 ist beim Übergang ‘flüssig’ zu ‘fest’ erkennbar, daß es zu einer Verdrehung über

0° hinaus (hier also zu positiven Winkeln) kommt. Der Winkel 0° war festgelegt wurden als

der Winkel der sich im ‘festen’ Zustand ohne Belastung einstellt. Aus diesem

‘Überschwingen’ ist zu folgern, daß es nach dem Erreichen des ‘festen’ Zustandes bei weite-

rer Absenkung des Drehmomentes zu einer ‘Rückfederung’ der MRF kommt. Dies unterstützt

das Modell der Kraftübertragung in MRF im ‘festen’ Zustand über Anziehungskräfte zwi-

schen den einzelnen Partikeln.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

151

6.3.3 Im Festkörpermodus - Torsionswinkel

Ziel der Untersuchungen

Die Untersuchungen des statischen Verhaltens beinhalten die Bestimmung der Verdrehung

der Kupplungsscheibe gegenüber dem Kupplungsgehäuse (Torsionswinkel) in quantitativer

und zeitlicher Abhängigkeit von Drehmoment und magnetischer Flußdichte. Der Begriff

‘statisch’ bedeutet hier, daß ausschließlich plastische oder elastische Verformungen unter-

sucht, aber keine kontinuierliche Rotation zugelassen werden soll.

Folgende Fragen werden einer Beantwortung zugänglich gemacht:

• Ist es möglich, ein bestimmte Belastung über längere Zeit ohne fortschreitende Verformung

zu ertragen?

• Können MRF im festen Zustand als linear elastische Körper betrachtet werden?

• Ist eine Beeinflussung des Schubmoduls durch die magnetische Flußdichte möglich?

Das Auftreten zu erwartender Effekte wie Hysterese oder Remanenz der Verdrehung ist zu

charakterisieren.

Versuchsdurchführung

Es kam die Scheibenkupplung mit der MRF 132 LD zum Einsatz. Bei den Messungen wurde

das Kupplungsgehäuse, wie bei allen anderen Versuchen auch, festgehalten und die Kupp-

lungsscheibe über die Welle entweder durch den Servomotor mit einem zu variierenden

Drehmoment oder durch einen Hebel mit angehängtem Gewicht belastet.

Zur Aufzeichnung der Verdrehwinkel der Kupplungsscheibe gegenüber dem Kupplungsge-

häuse kamen zwei Varianten zum Einsatz.

Für Dauerversuche zum Kriechverhalten erfolgte die Messung des Verdrehwinkels mittels

eines manuell abzulesenden mechanischen Feinzeigers.

Für alle weiteren Versuche wurde gleichzeitig sowohl mit einem induktiven Feinzeiger mit

Analogausgang, als auch direkt mit dem inkrementalen Drehwinkelsensor ERN-620.P003

gemessen. Die zusätzliche Aufzeichnung der Meßwerte mit Hilfe des Feinzeigers machte sich

erforderlich, da die Auflösung des Drehwinkelsensors für die durchgeführten Messungen

nicht ausreichte. Sie betrug 104 Skalenteile pro 360°, also 0,036°. Diese Auflösung bedeutet,

daß man bei einer typischen Meßgröße von 1° nur 27 Schritte zur Verfügung hat. Dies läßt

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

152

eine Aufzeichnung von glatten Kurven nicht zu. Die Umrechnung der gemessenen elektri-

schen Spannungen in den Verdrehwinkel geschah mit Hilfe der ebenfalls aufgezeichneten

Winkelwerte des Drehwinkelsensors. Dabei wurden die Spannungswerte so umgerechnet, daß

jeweils beim Erreichen eines neuen Zahlenwertes des Drehwinkelsensors Übereinstimmung

mit den vom Feinzeiger gemessenen Verdrehwinkeln besteht.

Da sich zwischen der Kupplungsscheibe und dem Drehwinkelsensor noch die Welle befindet,

ist bei der Messung von Verdrehwinkeln zwischen Kupplungsscheibe und Kupplungsgehäuse

noch die Torsion der Welle zu berücksichtigen. Die drehmomentabhängige Torsion der Welle

läßt sich folgendermaßen errechnen:

- Länge der Welle l = 185 mm - Durchmesser der Welle d = 32 mm

- Wellenmaterial: Stahl - Torsionsmodul von Stahl G = 8 1010 N/m2

=> Torsionsflächenmoment: It = π r4/2 = 1.029 10-7 m4

=> Verdrehwinkel der Welle: φw = (M l)/(G It)

=> φw[°] = 1,28 10-3⋅M [Nm] (6.32)

Dieser Verdrehwinkel der Welle ist bei den anzuwendenden Drehmomenten als linear über

dem Drehmoment anzusehen und wurde entsprechend Gleichung (6.32) von den mit dem

Drehwinkelsensor gemessenen Werten von den Meßwerten abgezogen.

Vor jeder Messung wurde die Kupplung mit Hilfe eines sinusförmigen Spulenstromes abklin-

gender Amplitude entmagnetisiert und das Fluid durchmischt. Der Spulenstrom blieb bei al-

len Versuchen jeweils über der Zeit unverändert und alle Messungen erfolgten bei Raumtem-

peratur.

Verhalten bei konstantem Drehmoment

Bei diesen Messungen ging es um die Bestimmung der Kriecheigenschaften von MRF. Dazu

wurde ein konstantes Drehmoment mit Hilfe eines an einem Hebel befestigten Gewichtes

aufgebracht und im Abstand von mehreren Stunden die Änderung des Verdrehwinkels gegen-

über dem sich sofort nach dem Aufbringen des Drehmomentes einstellenden Verdrehwinkel

gemessen. Versuche wurden z.B. bei B ≈ 400 mT mit einem Drehmoment von ca. 100 Nm

durchgeführt. Der Spulenstrom blieb über die gesamte Versuchsdauer konstant.

Bei allen durchgeführten Versuchen war selbst nach 24 h nur ein Verdrehwinkel von weniger

als 10-4 ° festzustellen. Dies bedeutet, daß bei MRF-Kupplungen Kriechvorgänge vernachläs-

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

153

sigt werden können. Das Halten eines konstanten Winkels unter Last ist mit MRF-

Kupplungen bei Nichtüberschreitung des statischen Grenzdrehmomentes also problemlos

möglich.

Für die Übertragbarkeit von der bei diesen Experimenten an der Scheibenkupplung gewonne-

nen Erkenntnissen auf Kupplungen mit größeren Spaltdicken, gibt es zwei Gründe:

• Die Spaltdicke tritt in den Gleichungen, zur Berechnung des maximalen statischen

Drehmomentes einer MRF-Kupplung, siehe Tabelle 5.3, nicht auf.

• Die bei den Experimenten mit der Scheibenkupplung verwendete Spaltdicke von

h = 1,75 mm liegt um 3 Zehnerpotenzen über der Abmessung der Partikel in der MRF. Selbst

eine Vervielfachung der Spaltdicke würde nichts an der grundlegenden Aussage ändern, daß

die Partikelketten einige Tausend Partikel lang sind.

Verhalten unter zyklischer Drehmomentenbeanspruchung

Eine Bewertung des Verhaltens von MRF im festen Zustand ist aus der Literatur bisher nicht

bekannt. Deshalb mußte untersucht werden, ob MRF als linear elastische Festkörper betrach-

tet werden können und welche Zusammenhänge es zwischen Schubspannung und Schubver-

formung gibt.

Um diese Fragen beantworten zu können, erwies sich die Durchführung folgender Versuche

als sinnvoll:

• Belastung mit Wechseldrehmoment konstanter Amplitude

• Belastung mit Wechseldrehmoment veränderlicher Amplitude

Zyklisches Drehmoment mit konstanter Amplitude

Um eine Vorstellung von den quantitativen Zusammenhängen zwischen Drehmoment und

Verdrehung zu bekommen, wurden Versuche mit sinusförmigem Drehmomentverlauf zeitlich

konstanter Amplitude durchgeführt. Die Experimente mit sinusförmigem Drehmoment kon-

stanter Amplitude wurden für verschiedene Flußdichten mit möglichst großen noch unterhalb

des Grenzdrehomentes liegenden Drehmomentamplituden wiederholt. Sie zeigten in allen

Fällen qualitativ gleiche Ergebnisse.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

154

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90Drehmoment [Nm]

Neukurve

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

Ver

dreh

win

kel [

°]

mehrere Durchläufestimmen gut überein

020406080

100

0 20 40 60Zeit [s]

Dre

hmom

ent

[Nm

]

B = 419 mT

Bild 6.49: Verdrehwinkel vs. Drehmoment für sinusförmige Belastung konstanter Amplitude

Aus Bild 6.49 und den analog aufgezeichneten Kurven für andere Flußdichten sind folgende

Schlüsse zu ziehen:

• Der maximale Verdrehwinkel aufgrund eines zeitlich veränderlichen Drehmomentes hängt

ausschließlich vom Wert der Maximalbelastung ab.

• Der nach Reduzierung des Drehmomentes auf Null verbleibende remanente Verdrehwinkel

wird durch die Größe des vorausgegangenen Maximaldrehmomentes bestimmt.

• Da einerseits die Neukurve in keinem Bereich eine Gerade ist und andererseits unabhängig

von der Höhe der Belastungen stets bleibende Verformungen existieren, können MRF im fe-

sten Zustand nicht als linear elastische Körper behandelt werden.

Zyklisches Drehmoment mit ansteigender Amplitude

Für eine quantitative Aussage über die Verformungen der Kupplung wurde die Kupplung mit

zyklisch ansteigenden Drehmomenten beaufschlagt und die Drehwinkelantwort aufgezeich-

net. Die Versuchsdurchführung war in allen Fällen analog zu den Versuchen mit zyklisch

konstantem Drehmoment.

Bild 6.50 zeigt ein typisches Ergebnis für die auch noch bei anderen Flußdichten gemessenen

Kurven.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

155

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Drehmoment [Nm]

B = 419 mT

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

Ver

dreh

win

kel [

°]

6

43

2 5

1

A

B0

20406080

100

0 20 40 60Zeit [s]

Dre

hmom

ent

[Nm

]

Bild 6.50: Verdrehwinkel vs. Drehmoment

Der Drehmoment-Zeit-Verlauf stimmte bei allen Messungen mit dem im Bild 6.50 dargestell-

ten Verlauf überein. Das Maximaldrehmoment wurde durch die Größe des Servomotors nach

oben begrenzt. Der Durchlauf der Kurve in Bild 6.50 lief für alle Schleifen in der Reihenfolge

der in dem kleinen Bild angegebenen Ziffern ‘1’ bis ‘6’.

Von ganz besonderer Bedeutung in dieser Kurve ist, daß beim Durchlauf von Ziffer ‘4’ zu ‘5’

bei allen Teilschleifen mit guter Genauigkeit der von ‘1’ zu ‘2’ durchfahrene Punkt ‘B’ ge-

troffen wurde. Dies war sowohl bei allen Schleifen, als auch bei allen Versuchen mit anderen

Flußdichten der Fall und bestätigt die aus den Untersuchungen mit konstanter Amplitude‘

abgeleiteten Schlußfolgerungen (siehe S.154).

Die Versuche wurden für verschiedene Flußdichten bis ca. 500 mT (entsprechend 8 Ampere

Spulenstrom) durchgeführt und die maximalen Verdrehungen über den maximalen Drehmo-

menten im folgenden Diagramm (Bild 6.51) aufgetragen. Die Werte entsprechen dem

Punkt ‘B’ in Bild 6.50.

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

156

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Maximales Drehmoment [Nm]

Max

imal

er V

erdr

ehw

inke

l [°]

B = 220 mT 263 mT306 mT

346 mT385 mT409 mT

434 mT505 mT

519 mT

Bild 6.51: Maximaler Verdrehwinkel vs. Maximalem Drehmoment

(Wertepaare wurden aus Kurven analog zu Bild 6.50

entnommen und entsprechen dort dem Punkt ‘B’)

Die nach dem Absenken des Drehmomentes auf den Wert Null verbleibende remanente Ver-

drehung ist im folgenden Bild 6.52 über dem maximalen Drehmoment aufgetragen. Die

Werte entsprechen dem Punkt ‘A’ in Bild 6.50.

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Maximales Drehmoment [Nm]

B = 220 mT 263 mT306 mT

346 mT

385 mT

409 mT434 mT505 mT519 mT

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

Rem

anen

ter

Ver

dreh

win

kel [

°]

Bild 6.52: Remanenter Verdrehwinkel vs. Maximalem Drehmoment

(Wertepaare entsprechen den Punkten ‘A’ in Bild 6.50)

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

157

Aus Bild 6.51 und Bild 6.52 sind folgende Schlußfolgerungen zu ziehen:

• In allen Lastbereichen und für alle magnetischen Flußdichten ist nach Belastung der MRF

eine remanente (plastische) Verformung zu verzeichnen.

• Sowohl der remanente, als auch der maximale Verdrehwinkel hängen von dem Verhältnis

zwischen dem aufgebrachten Drehmoment und dem für die jeweilige magnetische Flußdichte

möglichen Grenzdrehmoment ab.

• Für im Verhältnis zum Grenzdrehmoment kleine Drehmomente sind sowohl die maximale,

als auch die nach Lastabbau zurückbleibende remanente Verdrehung unabhängig von der ma-

gnetischen Flußdichte.

• Sowohl die remanente, als auch die maximale Verdrehung nehmen mit Annäherung des

Drehmomentes an das Grenzschermoment sehr stark (stärker als linear) zu.

Aufgrund der ausschließlichen Meßbarkeit von integralen Größen, wie Drehmoment oder

Verdrehwinkel der Kupplung, und der Nichtlinearität der gemessenen Werte ist eine Rück-

rechnung auf die Eigenschaften der MRF nicht möglich.

Um von den gemessenen Werten auf die Torsionseigenschaften einer geometrisch anderen

Kupplung schließen zu können, sind die quantitativen Verformungseigenschaften der MRF

erforderlich. Zu deren Ermittlung ist aber ein speziell angepaßter Versuchsstand erforderlich,

mit dem direkt die Scherspannung und der Scherwinkel der MRF bei variablen Flußdichten

erfaßbar sind. Diese Untersuchungen sollten Gegenstand zukünftiger Forschungen sein. Aus

den mit derartigen Versuchen bestimmten Daten ließen sich des weiteren wertvolle Rück-

schlüsse auf den inneren Mechanismus der Kraftübertragung durch MRF gewinnen.

Schlußfolgerungen

Im Folgenden seien die wichtigsten Schlußfolgerungen der Untersuchungen zum Torsions-

winkel zusammengefasst.

• Ein Kriechen des Kupplungsverdrehwinkels unter stationärem Drehmoment ist praktisch

nicht vorhanden.

• Der bei einem zeitlich veränderlichem Drehmoment auftretende Maximalverdrehwinkel

hängt nicht von der Verformungsgeschichte ab.

• Nur bei Annäherung an das von der jeweiligen magnetischen Flußdichte abhängige statische

Grenzdrehmoment ist der in Abhängigkeit vom Drehmoment zu beobachtende Verdrehwinkel

von der magnetischen Flußdichte selbst abhängig. Im darunterliegenden, weitaus größeren

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

158

Drehmomentbereich ist eine Beinflussung des sich einstellenden Verdrehwinkels durch die

magnetische Flußdichte nicht möglich.

• Nach Belastungsabbau bleibt stets ein remanenter Verdrehwinkel zurück, dessen Größe

durch die vorausgegangene Maximalbelastung bestimmt wird.

• Die Verdrehung ist nicht linear zur Drehmomentenbelastung.

6.4 Anmerkungen zum Konzept der ‘negativen’ Viskosität

Auf dieses Thema soll hier eingegangen werden, da in letzter Zeit der Begriff der ‘negativen

Viskosität’ auch im Zusammenhang mit elektrorheologischen Fluiden (ERF) und MRF auf-

taucht. So wird in [Rhe96] von einer negativen Basisviskosität von ERF bei höheren Scherra-

ten berichtet.

Diese Auffassung entstand bei der Analyse von Schubspannungs - Schergeschwindigkeits-

kurven für das betrachtete Fluid. Dabei verzeichnete man bei Abwesenheit eines elektrischen

bzw. magnetischen Feldes einen linearen Anstieg der Schubspannung über der Scherge-

schwindigkeit mit durch den Ursprung gehender Gerade. Mit wachsender Feldstärke wurde

der Anstieg geringer, wobei die Kurven nicht mehr durch den Ursprung verlaufen. Dabei

wurden auch Geraden aufgezeichnet, die eine negative Steigung aufwiesen. Der Anstieg der

Geraden war unabhängig von der Schergeschwindigkeit und hing ausschließlich von der

Feldstärke ab.

Aus diesem Sachverhalt zog man den Schluß, daß die Basisviskosität mit wachsenden Feld-

stärken geringer wird und auch absolut negative Werte erreicht. Dabei ging man von der An-

nahme eines konstanten Binghamanteiles der Schubspannung aus.

Bei den im Rahmen der Untersuchungen an MRF-Kupplungen gesammelten Ergebnissen

konnte ein derartiges Verhalten nicht festgestellt werden. In Bild 6.24 und Bild 6.25 ist er-

kennbar, daß der Anstieg des Drehmomentes über der Drehzahl auch bei höheren Feldstärken

unabhängig von der Drehzahl ist. Dieses Verhalten wurde sowohl bei der Scheibenkupplung,

als auch bei der Schrägspaltkupplung beobachtet. Wäre die Basisviskosität feldstärkeabhän-

gig so dürften die Kurven nicht parallel verlaufen, was sie aber mit guter Genauigkeit taten.

Da bei unseren Messungen großer Wert auf die Zuordnung der Meßergebnisse zu den tat-

sächlich in der MRF herrschenden Temperaturen gelegt wurde, ist zu vermuten, daß die be-

obachtete ‘negative Viskosität’ in ERF bzw. MRF ein Artefakt ist, das auf ungenügende Er-

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

159

fassung der Fluidtemperatur zurückzuführen ist. Höhere Feldstärken bewirken eine Erhöhung

der Schubspannungen, was wiederum eine starke Erhöhung der in Wärme umzusetzenden

Arbeit bedeutet. Eine Erhöhung der Temperatur bringt aber nicht nur eine Verringerung der

Basisviskosität mit sich, sondern bewirkt auch eine starke Erhöhung der elektrischen Leitfä-

higkeit, was wiederum eine Absenkung der Feldstärke in der ERF hervorruft. Werden die

Punkte einer Schubspannungs - Schergeschwindigkeitskurve nicht bei gleicher Temperatur

aufgezeichnet, so ist eine Fehlinterpretation leicht möglich.

Zur Interpretation als ‘negative Viskosität’ könnte ebenfalls, die in [Shlio94] erstmals theore-

tisch abgeleitete ‘negative Viskosität’ von Ferrofluiden beigetragen haben. In [Bac95] und in

[Ros96] ist ein experimenteller Nachweis dieses Effektes beschrieben. Das in Ferrofluiden

anzutreffende Verhalten hat aber nichts mit einer absolut negativen Viskosität zu tun, ist nur

bei Einsatz von magnetischen Wechselfeldern anzutreffen und kann auch nur auftreten, wenn

keine Wechselwirkungen zwischen den Partikeln bestehen.

Beim Konzept der ‘negativen Viskosität’ in Ferrofluiden ist gemeint, daß der durch ein ma-

gnetisches Feld bedingte Zuwachs an Viskosität negativ sein kann. Dies bedeutet, daß unter

bestimmten Bedingungen eine Verringerung der Viskosität gegenüber der ohne Feld herr-

schenden Zähigkeit auftreten kann. Dabei erhofft man, daß eine starke Verringerung möglich

ist, aber erwartet nicht, daß man die Strömung direkt antreiben kann.

Die bei Ferrofluiden auftretende Viskositätserhöhung unter Feldeinfluß ist auf eine Behinde-

rung der Rotation der Partikel, wodurch der Wirbelstärke der Strömung ein Widerstand ent-

gegengesetzt wird, zurückzuführen. Der durch diesen Effekt entstehende und zu einer Erhö-

hung der Viskosität der Ferrofluide beitragende Anteil wird Rotationsviskosität genannt.

Während beim Anlegen von Gleichfeldern stets mit einer Erhöhung der Viskosität zu rechnen

ist, konnte bei Wechselfeldern mit hoher Frequenz eine Verringerung der Viskosität beobach-

tet werden. Dieser Effekt ist dadurch zu erklären, daß durch die Wirbelstärke der Strömung

eine Drehrichtung der Partikel vorgegeben ist und daß das Wechselfeld in einem

‘Resonanzbereich’ zu einer Beschleunigung der Rotation der Partikel beiträgt. Der dadurch

entstehende Antriebseffekt für die Strömung spiegelt sich in einer verringerten Viskosität

wider.

Aus der Erklärung für die ‘negative Viskosität’ in Ferrofluiden ist erkennbar, daß diese Er-

scheinung in ERF und MRF nicht auftreten kann, da die Partikel untereinander Ketten bilden

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EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN AN MRF-KUPPLUNGEN

160

und somit an einer Eigenrotation gehindert sind. Dies bestärkt die Vermutung, daß es sich bei

Messung einer absolut negativen Basisviskosität in ERF bzw. MRF um ein Artefakt handelt.

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EINSATZBEISPIEL - ‘SCHNELLE SCHALTKUPPLUNG’

161

7 Einsatzbeispiel - ‘Schnelle Schaltkupplung’

7.1 Aufgabenstellung und Aufbau

Zur Durchführung von Experimenten im Windkanal des Institutes für Luft- und Raumfahrt-

technik (ILR) der TU Dresden stand die Aufgabe, einen Körper auf einer Strecke von 5 m mit

möglichst konstanter hoher Geschwindigkeit zu bewegen. Dazu ist es erforderlich, den Kör-

per zuerst stark zu beschleunigen und am Ende der Strecke gesteuert abzubremsen.

Der zu bewegende Körper ist auf einer Schiene geführt und wird durch einen mit ihm verbun-

denen Riemen bewegt. Die in Bild 7.1 linke Riemenscheibe ist mit der Abtriebswelle der am

Antriebsmotor angeflanschten Kupplung verbunden. Die rechte Riemenscheibe ist am Abtrieb

der auf dem Untergrund befestigten Kupplung befestigt.

zu bewegende Masse(verbunden mit Riemen)

FührungsschieneRiemen

Kupplung(Gehäuse am

Boden befestigt)

Kupplung(Gehäuse am

Motor angeflanscht)

Antriebsmotor

Bild 7.1: Prinzipieller Aufbau der Experimentieranordnung

In der folgenden Tabelle ist der Ablauf einer Bewegung der Masse von links nach rechts er-

läutert:

Antriebsmotor linke

Kupplung

rechte

Kupplung

Effekt

1. Drehzahlerhöhung getrennt eingekuppelt Hochlaufen des Motors

2. Maximale Drehzahl kuppelt ein kuppelt aus Masse wird beschleunigt

3. Maximale Drehzahl eingekuppelt getrennt Masse legt Strecke zurück

4. Kann abgeschaltet werden kuppelt aus kuppelt ein Abbremsung der Masse

Der Einbau einer Kupplung zwischen Motor und Riemenscheibe des Antriebes macht sich

erforderlich, da der einzusetzende Motor nicht das zur Beschleunigung der Masse erforderli-

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EINSATZBEISPIEL - ‘SCHNELLE SCHALTKUPPLUNG’

162162

che Drehmoment aufbringt. Deshalb soll der Motor zuerst die Kupplung langsam auf volle

Drehzahl beschleunigen. Anschließend wird die Kupplung eingekuppelt und die Masse be-

schleunigt. Ein großes Massenträgheitsmoment der Kupplung bewirkt, daß die Drehzahl des

Motors nur minimal absinkt.

Aus der Forderung nach einem großen Massenträgheitsmoment resultiert, daß es günstig ist,

nur zwei symmetrische Drehmomentübertragungsspalte zu verwenden. Dabei führt eine große

radiale Erstreckung der Kupplung zur Steigerung des Massenträgheitsmomentes.

Schleif- ringe

Kugellageraxial magnetisiertePermanentmagnete

geblechteFlußführungMRF-RaumSpule

45

∅ 232

Bild 7.2: Aufbau der Schaltkupplung

Die Kupplung wurde für ein minimales dynamisches Drehmoment von Mmin dyn = 20 Nm aus-

gelegt und die Kontaktierung der Spule erfolgt über Schleifringe und Kohlebürsten. Zur Ab-

dichtung findet eine in Kapitel 4 beschriebene Permanentmagnetdichtung Anwendung. Für

die Drehmomentübertragung kam wiederum die MRF 132 LD der LORD Corporation zum

Einsatz.

7.2 Reaktionszeit der Schaltkupplung - Berechnung und

Experiment

Um die zu bewegende Masse schon auf dem ersten Wegstück auf volle Geschwindigkeit be-

schleunigen zu können, ist es besonders wichtig, daß die Kupplung eine extrem kurze Reakti-

onszeit besitzt. Wie im Abschnitt 5.3.2 bereits erläutert, setzt sich die Reaktionszeit aus der

zum Aufbau des Spulenstromes erforderlichen Zeit und der danach zum Aufbau des magneti-

schen Feldes in der MRF notwendigen Zeit zusammen.

Die zum Aufbau des Spulenstromes erforderliche Zeit wird durch die Leistung des Netzteiles

und das Verhältnis zwischen ohmschem und induktivem Widerstand des gesamten magneti-

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EINSATZBEISPIEL - ‘SCHNELLE SCHALTKUPPLUNG’

163

schen Kreises bestimmt. Vermittels sorgfältiger Spulendimensionierung sowie mit der Wahl

eines geeigneten Netzgerätes lassen sich demnach gezielt elektrische Zeitkonstanten Tel bzw.

elektrische Anstiegszeiten tan erreichen.

Zur Beeinflussung der zwischen Spulenstromaufbau und Magnetfeldaufbau vergehenden Zeit

steht indessen nur ein Parameter zur Verfügung, der aus Gleichung (5.116) abzulesen ist: die

Dicke d der Bleche nämlich, in die man die Körper der Flußführungsteile unterteilen und die

man voneinander elektrisch isolieren muß, um die Ausbildung der Wirbelströme zu unterbin-

den. Die in Bild 7.2 oberen und unteren Teile der Flußführung wurden deshalb aus mehreren

Schichten hergestellt. Dabei wurden zuerst Ringe aus beidseitig mit Backlack beschichtetem

1 mm starkem Trafoblech der Sorte STABOCOR M 470-50 A der Firma EBG Bochum

GmbH herausgelasert und dann bei einer Temperatur von 200°C miteinander verklebt. An-

schließend erfolgte die mechanische Bearbeitung (Andrehen der Schräge).

Berechnung der Reaktionszeit

Die Kupplung wurde so ausgelegt, daß zur Erzielung von Mmin dyn = 20 Nm eine magnetische

Flußdichte von B = 0,4 T in der MRF herrschen soll. Dabei hat die MRF 132 LD eine relative

Permeabilität von µr = 4,5. Die zu durchflutende MRF-Fläche beträgt AMRF = 7,67⋅10-3 m2 und

die Spaltdicke ist S = 3 mm. Mit Hilfe von Gleichung (5.110) erhält man aus diesen Daten für

den magnetischen Widerstand Rmag = 1,383⋅105 A/Vs.

Die Spule hat folgende Kenndaten: Windungszahl N = 295 Rspule = 6 Ω

Für die Erzielung der gewünschten magnetischen Flußdichte von B = 0,4 T wird ein Strom

von INenn = 1,43 A erforderlich sein. Das für die Messung der Reaktionszeit zu verwendende

Netzteil der Firma Heiden hat eine Maximalspannung von Umax = 32 V.

Mit den Gleichungen (5.113) und (5.115) erhält man somit für die Zeitkonstante Tel und für

die elektrische Anstiegszeit tan: Tel = 104,83 ms tan = 19,4 ms.

Für die Berechnung der Wirbelstromzeitkonstante werden folgende Daten des verwendeten

Bleches STABOCOR M 470-50 A benötigt: relative Anfangspermeabilität: µr-i = 6000, spe-

zifischer elektrischer Widerstand σ = 0,09 Ωmm2/m, Blechdicke dBlech = 1 mm. Mit Glei-

chung (5.116) resultiert damit für die zwischen Strom- und Magnetfeldaufbau vergehende

Zeit: TWirbel = 8,5 ms

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EINSATZBEISPIEL - ‘SCHNELLE SCHALTKUPPLUNG’

164164

Da im vorliegenden Fall Tel >> Twirbel ist, wird die Bedingung (Gl. 5.107) erfüllt. Es kann

somit die Schlußfolgerung gezogen werden, daß die gesamte „Reaktionszeit“ der Kupplung

nur geringfügig größer als tan = 19,4 ms sein wird. Eine Korrektur der Berechnung von tan mit

Berücksichtigung der wirbelstrombegründeten Verzögerung, d.h. indem man in Glei-

chung (5.115) anstelle von Tel die Zeitkonstante Tschalt aus Gleichung (5.106) verwendet, führt

auf einen Wert von rund 21 ms gegenüber 19,4 ms. Dies nachzuprüfen, erfolgte eine experi-

mentelle Bestimmung der sogenannten Reaktionszeit.

Experimentelle Bestimmung der Reaktionszeit

Die Reaktionszeit der Kupplung wurde auf einem Kupplungsversuchsstand des ILR be-

stimmt. Auf diesem Versuchstand rotierte die Kupplung während der Versuche mit konstanter

Drehzahl. Die innere Drehmomentübertragungsscheibe der Kupplung war mit einem

Drehmomentsensor vom Typ DRFL-II-50 der Firma ETH-Hauenstein verbunden. Das andere

Ende der Meßwelle des Drehmomentsensors war mit dem Grundgestell des Versuchsstandes

fest verbunden. Die Stromversorgung der Spule erfolgte über Kohlebürsten und die Schleif-

ringe der Kupplung. Die Aufzeichung von Spulenstrom, Drehmoment und Eingangssignal des

Netzteiles erfolgte mittels PC mit AD-Karte CIO-DAS 1601 und der Software

DASYLAB 3.0. Das sprungförmige Eingangsignal für das stromgesteuert betriebene Netzteil

vom Typ 1130-32 der Firma Heiden wurde durch den PC generiert. Zur Auswertung gelangte

aber das am Netzteil ankommende und über einen Analogkanal aufgezeichnete Signal. Da-

durch wird eine künstliche zeitliche Verschiebung zwischen dem Eingangssignal des Netztei-

les und dem Spulenstrom sowie dem Drehmoment vermieden. Die Aufzeichnung des Spu-

lenstromes geschah durch Spannungsabgriff über einem zur Spule in Reihe geschalteten ohm-

schen Widerstand. Die Meßfrequenz betrug 2000 Hz, also 2 Meßwerte pro Millisekunde.

Im folgenden Bild 7.3 ist beispielhaft der Ablauf einer Messung dargestellt. Bei der Wahl der

Dauer des eingeschalteten Spulenstromes wurde darauf geachtet, daß die Drehzahlverringe-

rung des Antriebes über diesen Zeitraum nur minimal blieb. Man kann also von einer über die

gesamte Versuchsdauer konstanten Drehzahl ausgehen. Dadurch werden Beschleunigungs-

und Verzögerungsdrehmomente vermieden.

Am Überschwingen des Spulenstromes beim Einschaltvorgang ist erkennbar, daß das Netzteil

im Stromsteuerungsmodus betrieben wurde. Daß dieses kurzzeitige Überschwingen ebenfalls

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EINSATZBEISPIEL - ‘SCHNELLE SCHALTKUPPLUNG’

165

beim Drehmoment der Kupplung meßbar ist, läßt auf eine nur geringe Wirbelstromzeitkon-

stante schließen.

-0.5

0

0.5

1

1.5

2

2.5

-100 0 100 200 300 400 500 600 700 800

Zeit [ms]

Dre

hmom

ent

[Nm

]

0

5

10

15

20

25

30

Spulenstrom

Eingangssignal

Drehmoment

Ein

gang

ssig

nal [

V]

Spu

lens

trom

[A]

n = 1500 U./minT = 22 °C

Bild 7.3: Zeitlicher Verlauf des Eingangssignales des Netzteiles,

des Spulenstromes und des Drehmomentes

Da der zeitliche Verlauf sowohl des Spulenstromes, als auch des Drehmomentes von der

Form: X(t) = Xend (1 - exp(-t/T)) ist, erreichen die zu untersuchenden Größen bei der charak-

teristischen Zeit T genau 63,2 % (= 1 - exp(-1)) ihrer stationären Endwerte. Man kann also die

Meßwerte so normieren, daß die Ausgangswerte zu Null gesetzt und die stationären Endwerte

auf Eins normiert werden. Durch das zunullsetzen des Ausgangswertes des Drehmomentes

wird des weiteren erreicht, daß der aus der Basisviskosität der MRF resultierende Drehmo-

mentenanteil eliminiert und nur das interessierende minimale dynamische Drehmoment be-

trachtet wird. Die bis zum Erreichen des Wertes 0,63 verstrichene Zeit ist die charakterische

Schaltzeit. Im Bild 7.4 sind die normierten Werte des am Netzteil ankommenden Eingangs-

signales, des Spulenstromes und des gemessenen Drehmomentes über der Zeit aufgetragen.

Der Nullpunkt der Zeit wurde dabei an den Zeitpunkt des Sprunges des Eingangssignales ge-

legt.

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EINSATZBEISPIEL - ‘SCHNELLE SCHALTKUPPLUNG’

166166

-0.2

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

-20

-15

-10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100

Zeit [ms]

[/]

0

Eingangssignal

Spulenstrom

Drehmoment M dyn

Endspulenstrom = 1,5 A

y = 0,63

Bild 7.4: Gemessene Normierte Werte des Netzteileingangssignales, des Spulenstromes und

des Drehmomentes vs. Zeit

Diagramme der Art von Bild 7.4 wurden für weitere Spulenströme aufgezeichnet und die aus

ihnen entnommenen charakteristischen Zeiten für das Drehmoment, den Spulenstrom, sowie

die zwischen diesen liegende Differenzzeit über dem Spulenstrom (Bild 7.5), sowie über dem

minimalen dynamischen Drehmoment (Bild 7.6) aufgetragen. Die Differenzzeit entspricht

dabei der durch Wirbelströme bedingten Verzögerung TWirbel zwischen Spulenstrom und

Drehmoment.

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

50

60

70

80

5 10 15 20 25

SpulenstromDrehmoment

Differenzzeit

Zei

t [m

s]

M [Nm] dyn

Bild 7.5: Gemessene charakteristische Zeiten des Drehmomentes, des Spulenstromes, sowie

die Differenz zwischen diesen vs. dynamischem Drehmoment

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EINSATZBEISPIEL - ‘SCHNELLE SCHALTKUPPLUNG’

167

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

50

60

70

80

0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4

SpulenstromDrehmoment

Differenzzeit

Spulenstrom [A]

Zei

t [m

s]

Bild 7.6: Gemessene charakteristische Zeiten des Drehmomentes, des Spulenstromes, sowie

die Differenz zwischen diesen vs. Spulenstrom

In den obigen Diagrammen ist auf den ersten Blick verwunderlich, daß die Differenzzeit,

welche der Wirbelstromzeit entspricht, bei Überschreitung eines Drehmomentes von

≈ 22,5 Nm bzw. ≈ 3 A negative Werte annimmt. Dieser Effekt tritt nur scheinbar auf und ist

folgendermaßen zu erklären: Die Kupplung wurde so ausgelegt, daß die Magnetisierbarkeit

der Flußführungsteile bei dem Nenndrehmoment von Mdyn = 20 Nm optimal ausgenutzt wird.

Oberhalb der für dieses Drehmoment erforderlichen Durchflutung beginnen die Flußführungs-

teile in Sättigung zu gehen. Eine weitere Steigerung des Spulenstromes bewirkt also nur eine

minimale Erhöhung der Flußdichte in der MRF und somit des Drehmomentes. Das Drehmo-

ment geht also, bedingt durch Sättigungserscheinungen in den Flußführungsteilen, ebenfalls

in Sättigung. Dadurch tritt der Effekt auf, daß das Drehmoment seinen Sättigungswert erreicht

hat und der Spulenstrom noch weiter steigen kann ohne eine weitere Erhöhung des Drehmo-

mentes zu bewirken.

Aus obiger Argumentation folgt, daß sowohl der Betrieb der Kupplung, als auch die Definiti-

on von Zeitkonstanten nur in dem Spulenstrombereich sinnvoll ist, in dem noch keine Sätti-

gungserscheinungen auftreten.

Aus Bild 7.5 und Bild 7.6 ist erkennbar, daß der Beginn der Sättigungserscheinungen bei ei-

nem Spulenstrom von I ≈ 1,5 A und Mdyn ≈ 20 Nm liegt. Somit konnte durch die Messungen

der Zeitkonstanten der Kupplung gezeigt werden, daß bei der Auslegung der Kupplung eine

optimale Ausnutzung der Magnetisierbarkeit des Flußführungsmaterials erzielt wurde.

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EINSATZBEISPIEL - ‘SCHNELLE SCHALTKUPPLUNG’

168168

An der Konstanz der Differenzzeit bis zum Eintreten der Sättigungserscheinigungen ist er-

kennbar, daß die zur Berechnung der Wirbelstromzeit verwendete Gleichung (5.116) die Ein-

flußgrößen richtig erfaßt. Die gemessene Differenzzeit betrug ≈ 10 ms. Vergleicht man diesen

Wert mit den vorausberechneten 8,5 ms für die Wirbelstromzeit, so würden als Reaktionszeit

der MRF 1,5 ms verbleiben. Die Messungen bestätigen somit, daß die Wirbelstromzeit richtig

vorausberechnet wurde und daß die Reaktionzeit der MRF für praktische Anwendungen

prinzipiell vernachlässigbar ist.

Die Korrektheit, sowohl der Methode zur Errechnung der zum Aufbau des Spulenstromes

erforderlichen Zeit, als auch der Methode zur experimentellen Bestimmung wird durch die

gute Übereinstimmung zwischen dem vorausberechneten Wert von tan = 19,4 ms (unter Be-

rücksichtigung von Twirbel: tan = 21 ms) und dem bei einem Spulenstrom von I = 1,43 A in

Bild 7.6 ablesbaren Wert von tan-exp ≈ 23,5 ms unterstrichen.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß mit dem oben beschriebenen Verfahren eine

Schaltkupplung geschaffen werden konnte, deren Schaltzeit mit dem Netzteil der Firma Hei-

den in der Größenordnung von 30 ms liegt. Mit einem aufwendigeren Netzteil mit höherer

Maximalspannung wären mit der beschriebenen Kupplung Schaltzeiten von bis zu 10 ms er-

zielbar, da durch diese Maßnahme tan minimiert werden kann. Diese Schaltzeiten sind we-

sentlich geringer als die Zeiten anderer bekannter Kupplungen, wie z.B. von Magnetpulver-

kupplungen.

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AUSBLICK

169

8 Ausblick

8.1 Einsatzgebiete für MRF-Kupplungen

Im Rahmen des Landesinnovationskolleges ‘Intelligente Funktionsmodule der Maschinen-

technik’ wurde die im Abschnitt 6.2.1 beschriebene Schrägspaltkupplung auf dem in Bild 6.2

gezeigten Versuchsstand auf der Hannovermesse Industrie 1998 in Funktion ausgestellt.

In Gesprächen mit Fachbesuchern zeichnete sich dabei das größte mit MRF-Kupplungen er-

schließbare Verbesserungspotential auf folgenden Gebieten ab:

• Antriebstechnik • Energieerzeugung

• Wickelvorgänge • Automobilbereich

• Spezielle Anwendungen

Im Folgenden sollen auszugsweise einige spezielle Anfragen und sinnvolle Anwendungen der

einzelnen Gebiete kurz beschrieben werden.

Antriebstechnik

• Bisher ist es nicht möglich, mit Synchronmotoren im niedrigen Drehzahlbereich ein hohes

Drehmoment zu erzeugen. Unter Vorschaltung einer MRF-Kupplung könnte man zuerst die

Drehzahl des Motors hochfahren und nach Erreichen des Bereiches, in dem diese Art von

Elektromotoren ein hohes Drehmoment hervorbringt, die anzutreibende Last gesteuert ankup-

peln. MRF sind für diese Anwendung hervorragend geeignet, da bei ihnen das Drehmoment

kontinuierlich, reproduzierbar und ruckfrei steuerbar ist. Der Wärmehaushalt von dafür zu

verwendenden MRF-Kupplungen wäre ebenfalls unkritisch, da hohe Drehmomente bei gro-

ßen Schlupfdrehzahlen nur über einen kurzen Zeitraum auftreten.

• Für viele einzeln anzutreibende dezentrale Einheiten der Fertigungsautomation und Verpak-

kungstechnik werden heutzutage häufig jeweils extra Servomotoren eingesetzt. Die Verwen-

dung nur eines Zentralantriebes und die Ankopplung der einzelnen gesteuert anzutreibenden

Einheiten über MRF-Kupplungen könnte die bisher erforderlichen teuren Servomotoren er-

setzen. MRF-Kupplungen sind aufgrund ihrer hervorragenden Steuerbarkeit des Drehmomen-

tes für dieses Einsatzgebiet prädestiniert.

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AUSBLICK

170

• Bestimmte Anwendungen im Maschinenbau benötigen Kupplungen, mit denen sich das

übertragene Drehmoment so begrenzen läßt, daß es nach Überschreiten des frei wählbaren

Grenzdrehmomentes zu einem Durchrutschen der Kupplung kommt. Bisher werden zu diesem

Zweck mechanische Überlastkupplungen eingesetzt. Bei diesen ist eine Einstellung des

Grenzdrehmomentes nur sehr ungenau möglich und mit großem Aufwand verbunden. Der

Wiedereinkuppelvorgang ist zu kompliziert und nicht gesteuert möglich. Mit MRF-

Kupplungen könnte neben der einfachen Einstellbarkeit des Überlastmomentes ein gesteuer-

tes Wiederanfahren realisiert werden. Ihre kurze Reaktionszeit zeichnet MRF-Kupplungen für

diesen Einsatzfall gegenüber anderen drehmomentsteuerbaren Kupplungen aus.

Energieerzeugung

• Turbinen werden gegenwärtig mit Hilfe von mechanischen Reibkupplungen oder Fluid-

kupplungen an Generatoren angekuppelt. Durch ungenügende Steuerbarkeit des Ankoppel-

vorganges tritt dabei starker Verschleiß auf und verursacht hohe Kosten. Durch eine kontrol-

liertere Ankopplung mittels MRF-Kupplungen ließen sich diese Kosten reduzieren.

• Zur Kompensation von Leistungsanforderungsspitzen in der Energieversorgung setzt man

gegenwärtig große Schwungräder ein, deren Rotationsenergie in kurzer Zeit auf Generator-

wellen übertragen wird. Zur Ankopplung benutzt man Wirbelstromkupplungen. Das Funkti-

onsprinzip dieser Kupplungen gestattet aber keinen Synchronlauf von Schwungrad und Gene-

ratorwelle, da das übertragbare Drehmoment mit kleiner werdender Differenzdrehzahl ab-

nimmt. Man kann also die Energie des Schwungrades nicht vollständig auf die Generatorwel-

le übertragen. Bei einer Ankopplung mittels MRF-Kupplung ließe sich eine maximale Ener-

gieausnutzung des Schwungrades erreichen, da ein Synchronlauf mit ihnen möglich ist. Die

Ruckfreiheit und gute Steuerbarkeit machen sie für eine derartige Anwendung gut geeignet.

Hier sei aber auch auf die noch zu leistende Entwicklungsarbeit verwiesen, da sehr große

Drehmomente bei hohen Differenzdrehzahlen auftreten.

• Die Ankopplung von Blockheizkraftwerken geschieht heutzutage mittels mechanischer

Reibkupplungen. Mit diesen ist aber ein gesteuerter Drehmomentanstieg nicht steuer- und

reproduzierbar möglich. Ein kontrollierter Sanftanlauf, der mit MRF-Kupplungen verwirk-

lichbar wäre, würde die Lebensdauer der Aggregate verlängern.

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AUSBLICK

171

Wickelvorgänge

• Beim Aufwickeln von Textilfäden auf Spulen müssen diese zum erforderlichen Spulen-

wechsel still stehen. Einige Textilmaschinenhersteller bremsen dazu die Antriebe einfach bis

zum Stillstand ab. Dabei verursachen die Antriebe einen hohen Stromverbrauch. Durch den

Einsatz von kostengünstigen und elektronisch ansteuerbaren MRF-Kupplungen zur Abkopp-

lung der Spulen vom Antrieb wäre einerseits die nötige Bremse verkleinerbar und anderer-

seits der Stromverbrauch zu verringern. Dafür einzusetzende MRF-Kupplungen müßten eine

Dauererregung durch Permanentmagneten haben, der ein durch Spulen erzeugter magneti-

scher Fluß zum Auskuppeln entgegengesetzt wird.

• Bei Webstühlen ist es wichtig, daß der zugeführte Faden trotz unterschiedlicher Geschwin-

digkeit eine gleichbleibende Spannung hat. Bisher werden dafür aufwendig einzustellende,

teuer zu fertigende und häufig nachzujustierende mechanische Fadenbremsen eingesetzt.

Würde man den Faden über einen durch eine MRF-Kupplung gesteuert abbremsbaren Zylin-

der laufen lassen, so wäre eine reproduzierbar und elektronisch steuerbare Fadenspannung auf

kostengünstige Art und Weise realisierbar.

• In Druckmaschinen werden an verschiedenen Stellen Magnetpulverkupplungen und auch

naßlaufende Scheibenkupplungen zum Aufwickeln verschiedenster Medien eingesetzt. Her-

steller dieser Maschinen bemängeln den zu hohen Wartungsaufwand, den zu starken Ver-

schleiß und die zu ungenaue Einstellbarkeit des Drehmomentes. Durch den Einsatz von MRF-

Kupplungen ließen sich auf diesen Gebieten starke Verbesserungen erzielen.

Automobilbereich

• Auf Motorenprüfständen werden gegenwärtig mechanische Kupplungen oder Strömungs-

kupplungen- und bremsen zur Belastung der Motoren eingesetzt. Hersteller derartiger Prüf-

stände bemängeln den hohen Preis und die nur ungenügende Steuerbarkeit der Lastdrehmo-

mente. Zur besseren Vermeidung von Überlasten und zur gesteuerten Belastung von Motoren

würde sich MRF-Kupplungen ein breiter Einsatzbereich bieten.

• Bisher verwendet man bei Antischlupfregelungen (ASR) in PKW an jedem angetriebenem

Rad eine mechanische Kupplung. Wenn zu viel Drehmoment auf die Straße gebracht wird,

kuppelt diese aus. Das sich beim Auskuppeln einstellende Drehmoment ist gegenwärtig noch

mit einer verbesserungsbedürftigen Toleranz behaftet. Als Lösung bieten sich MRF-

Kupplungen an, bei denen im Normalbetrieb das zur Drehmomentübertragung notwendige

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AUSBLICK

172

Magnetfeld durch Permanentmagnete aufgebracht wird und bei notwendiger Reduzierung des

übertragenen Drehmomentes ein Gegenmagnetfeld durch elektrischen Strom in Spulen er-

zeugt wird.

• Die Lüfter in LKW werden gegenwärtig, im Gegensatz zum elektrischen Antrieb in PKW,

über eine Fluidkupplung und Riemen direkt vom Motor angetrieben. Bei der Fluidkupp-

lungwird zur Drehmomentübertragung eine Flüssigkeit in einen Spalt gebracht und zum Ab-

kuppeln des Gebläses wird das Fluid wieder aus dem Spalt heraus befördert. Der dazu nötig

dünne Kupplungsspalt ist aufwendig zu fertigen und die eingesetzte Ventiltechnik besteht aus

vielen hochpräzise zu fertigenden Teilen. Eine MRF-Kupplungen könnte anstelle der Fluid-

kupplung eine preisgünstige Alternative darstellen.

Spezielle Anwendungen

• Transporteinrichtungen, bei denen z.B. Kartons auf Förderrollen bewegt werden, besitzen

oft Rollen, die zeitweise nicht angetrieben werden müssen. Bisher wird dieses Problem so

gelöst, daß entweder z.B. jeweils 3 Rollen mit einem Elektromotor direkt angetrieben werden

oder daß an jeder Rolle eine pneumatisch betriebene Kupplungen angebracht ist. MRF-

Kupplungen an jeder Rolle böten den Vorteil geringerer Baugröße, daß nur ein Zentralantrieb

erforderlich wäre und daß auf eine Druckluftversorgung verzichtet werden könnte. Eine direk-

te elektrische Ansteuerung von einer zentralen Steuereinheit wäre problemlos möglich.

• Bei Automaten zur Schraubmontage von verschiedensten Geräten und Artikeln wäre eine

Möglichkeit zum drehmomentgesteuerten Eindrehen von Schrauben äußerst vorteilhaft. Mit

MRF-Kupplungen könnten diese Aufgabe unter Verwendung nur eines einzigen preisgünsti-

gen Antriebes für mehrere Schraubeinheiten hervorragend erfüllbar.

Die obige Aufzählung und die Erläuterungen verdeutlichen, daß es sich bei MRF-Kupplungen

um eine zukunftsweisende Technologie mit großem Potential handelt. Die Art der für sinnvoll

anzusehenden Anwendungen unterstreicht, daß es zwar in bestimmten Bereichen zu bedeu-

tenden Verbesserungen durch den Einsatz von MRF-Kupplungen kommen kann, aber daß

nicht mit einer breiten Verdrängung aller anderen Kupplungsarten zu rechnen sein wird. Zur

Durchsetzung der Technologie wird es einerseits darauf ankommen, sich auf besonders sinn-

volle Anwendungsbereiche zu konzentrieren und andererseits an im folgenden Abschnitt be-

schriebenen Weiterentwicklungen zu arbeiten.

Page 185: Untersuchungen zum Einsatz von magnetorheologischen ... · Untersuchungen zum Einsatz von magnetorheologischen Fluiden in Kupplungen Von der Fakultät Maschinenwesen der Technischen

AUSBLICK

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8.2 Weiterführende Arbeiten

In der vorliegenden Arbeit wurden Grundlagen für die Entwicklung einsatzreifer MRF-

Kupplungen geschaffen. So wurde das Problem der Abdichtung von MRF gelöst, ein Weg zur

Verhinderung der MRF-Entmischung aufgezeigt, die Dimensionierungsgrundlagen sowohl

aus strömungstechnischer, als auch aus magnetischer Sicht erarbeitet, und schließlich konnten

die gefundenen Erkenntnisse experimentell untermauert werden. Damit ist das Handwerks-

zeug zur Entwicklung einer Vielzahl von MRF-Kupplungen bereitgestellt.

Weiterführende Arbeiten sind auf folgenden Gebieten sinnvoll und notwendig:

• Erarbeitung eines Numerikprogrammes (CFD-Code) zur Strömungsberechnung in MRF

• Geschwindigkeitsmessungen in MRF

• Experimentelle und numerische Bestimmung des Richtungseinflusses des Magnetfeldes

• Untersuchung des Festkörperverhaltens von MRF

• Entwurf sinnvoller Permanentmagnetkonfigurationen zur Ansteuerung der MRF

• Zusammenstellung und Untersuchung effizienter Kühlmethoden für MRF-Kupplungen

CFD-Code zur Strömungsberechnung in MRF

Bisher bieten kommerzielle Strömungsberechnungsprogramme keine Modelle für MRF. Die

enthaltenen Stoffmodelle können den Einfluß der Magnetfeldrichtung nicht berücksichtigen,

den Unterschied zwischen statischer und dynamischer Grenzscherspannung (Einfluß der

Schergeschichte) nicht erfassen und den Einfluß von inhomogenen Magnetfeldern, der sich in

magnetischen Volumenkräften widerspiegelt, nicht verarbeiten. Bei der Entwicklung eines für

MRF geeigneten CFD-Stoffmodelles dürfte das im Abschnitt 5.2 erarbeitete 3d-Modell des

Schubspannungstensors, Gleichung (5.41), ein wesentlicher Beitrag sein.

Die Möglichkeit zur numerischen Berechnung von MRF-Strömungen ist für die Entwicklung

größerer und komplizierterer Geometrien unabdingbar, zur genaueren Untersuchung des

Entmischungsverhaltens von entscheidender Bedeutung und zur Entwicklung von MRF-

Anwendungen, die Magnetfelder unterschiedlicher Richtungen verwenden, von großem Vor-

teil.

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AUSBLICK

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Geschwindigkeitsmessungen in MRF

Geschwindigkeitsmessungen in MRF sind zur Validierung von numerischen Strömungsbe-

rechnungen notwendig. Bis zum heutigen Tage liegen keine Berichte über die Messung loka-

ler Geschwindigkeiten in MRF vor. Die Ursache dafür ist in der Undurchsichtigkeit und Ab-

rasivität der MRF zu suchen. Meßmethoden, die in den letzten Jahren eine große Weiterent-

wicklung erfahren haben und deren Eignung zur Messung von Geschwindigkeiten untersu-

chenswert ist, sind die Ultraschalldopplermethode (USP) und die Nuklear-Magneto-

Resonanz-Methode (NMR). Insbesondere die USP erscheint für MRF geeignet, da sie ohne

zusätzliche magnetische Einflüsse auskommt.

Experimentelle und numerische Bestimmung des Richtungseinflusses des Magnet-

feldes

Bei Geräten und Apparaten, deren Wirkmedium MRF sind, ist die Bereitstellung homogener

und gleichgerichteter Magnetfelder zur Ansteuerung der MRF oft aufwendig und eine Abwei-

chung von der gewünschten Feldrichtung meist unvermeidbar. Diese Einflüsse wurden bisher

meist vernachlässigt, da der Richtungseinfluß des Magnetfeldes auf die rheologischen Eigen-

schaften der MRF nur ungenügend erforscht ist. Wäre dieser Einfluß wissenschaftlich gesi-

chert, so ergäbe sich daraus die Möglichkeit, völlig neue Magnetfeldkonfigurationen einzu-

setzen. Bei diesen kann möglicherweise die Abdichtung des MRF-Raumes gleich implemen-

tiert werden. Auch die Entwicklung völlig neuer Varianten für die Ansteuerung mit Perma-

nentmagneten wird dadurch ermöglicht.

Untersuchung des Festkörperverhaltens von MRF

Derartige Untersuchungen beziehen sich auf die Bestimmung des Zusammenhanges zwischen

Schubspannung und Scherwinkel der MRF im festen Zustand. Im Abschnitt 6.3.3 der vorlie-

genden Arbeit wurden analoge Messungen an der MRF-Scheibenkupplung durchgeführt und

zeigten interessante Ergebnisse. Diese Messungen ließen aber nicht die Ermittlung des Zu-

sammenhanges zwischen Schubspannung und lokalem Scherwinkel zu, da ausschließlich in-

tegrale Größen wie das Drehmoment und die gegenseitige Verdrehung der Kupplungsschei-

ben erfaßt werden konnten.

Die Messung von Schubspannungs-Scherwinkelkurven bei verschiedenen magnetischen

Feldstärken und -richtungen liefert detailiertere Kenntnisse über die interpartikulären Wech-

selwirkungen und trägt somit zur Weiterentwicklung theoretischer Modelle der Kraftübertra-

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AUSBLICK

175

gung in MRF bei. Der zur Auslegung des Magnetfeldes und zur exakten meßtechnischen Er-

fassung der Daten erforderliche Aufwand wird aber erheblich sein.

Entwurf sinnvoller Permanentmagnetkonfigurationen zur Ansteuerung der MRF

Magnethersteller bieten heutzutage eine Vielzahl von Magnetisierungsvarianten für Perma-

nentmagnete an. Die Erfassung, Bewertung und sinnvolle Implementierung dieser Varianten

in MRF-Kupplungen ist bisher nur ungenügend vorangetrieben wurden. Bei den Weiterent-

wicklungsmöglichkeiten sei vor allem auf die Möglichkeit der Arbeitspunkteinstellung von

MRF-Kupplungen mittels Permanentmagneten verwiesen. Eine umfassende Bewertung der

sich ergebenden Möglichkeiten wird aber erst möglich sein, nachdem genaue Kenntnisse über

die Magnetfeldrichtungsabhängigkeit der rheologischen Eigenschaften für MRF vorliegen.

Zusammenstellung und Untersuchung effizienter Kühlmethoden für MRF-Kupplungen

Bei der Betrachtung von gegenwärtig verfügbaren drehmomentsteuerbaren Kupplungen kann

man feststellen, daß es noch große Potentiale zur effizienteren Gestaltung der Kühlung dieser

Kupplungen gibt. Im Rahmen der Entwicklung von MRF-Kupplung wird es für deren Wett-

bewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung sein, bessere Methoden anzuwenden, als

gegenwärtig üblich sind. Dabei kommt es vor allem darauf an, heute bereits vorhandenes

Wissen zusammenstellen und moderne Möglichkeiten zur Bewertung der Kühlungseffektivi-

tät mittels numerischer Umströmungsberechnung zu nutzen.

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ZUSAMMENFASSUNG

176

9 Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit wurden die einen breiten Einsatz von MRF-Kupplungen bisher

verhindernden Probleme der Kupplungsabdichtung und der MRF-Entmischung gelöst. Des

weiteren wurden die Gleichungen zur Dimensionierung solcher Kupplungen abgeleitet und

auf experimentellem Wege sowohl deren Richtigkeit bestätigt, als auch deren Grenzen aufge-

zeigt.

Die ersten Abschnitte erläutern neben der Zusammensetzung und Wirkungsweise von MRF

auch die Vor- und Nachteile von bisher eingesetzten schnell schaltenden Sicherheitskupplun-

gen und von drehmomentsteuerbaren Kupplungen. Dabei konnte die Eignung von MRF für

Kupplungsanwendungen gezeigt und das durch MRF-Kupplungen ausschöpfbare Verbesse-

rungspotential demonstriert werden.

Das Problem der Entmischung von MRF unter dem Einfluß von Zentrifugalkräften verhinder-

te bisher die Verwirklichung größerer MRF-Kupplungen. Deshalb wurden hier die Bedingun-

gen für das Auftreten von Entmischungserscheinungen analysiert und gezeigt, daß diese nur

im Leerlauf auftreten können. Anschließend erfolgte die Ableitung eines die Partikelauszen-

trifugierung beschreibenden Modells. In diesem konnten die Einflußgrößen identifiziert und

gezeigt werden, daß die Entmischung der MRF durch eine Vergrößerung der Spaltdicke zu

verhindern ist. Aufgrund der bei größeren Spaltdicken nicht mehr unterdrückten Zirkulation-

strömung wird dabei ein radial nach innen gerichteter Transport von Partikeln an der langsa-

mer rotierenden Seite erreicht. Bei Daueruntersuchungen an einer rotierenden MRF-

Kupplung (Schrägspaltkupplung) wurde bestätigt, daß eine Entmischung der MRF bei ausrei-

chend großer Wahl des Spaltabstandes vermieden wird.

Im darauffolgenden Abschnitt wurde eine Abdichtung entworfen, die mit Hilfe von Perma-

nentmagneten ein Austreten der MRF aus den Drehmomentübertragungsspalten verhindert.

Ausgehend von einer Analyse der auf die MRF wirkenden Kräfte wurde erstmals ein Modell

zur Berechnung des maximalen Dichtungsdruckes in MRF entwickelt. Für eine Versuchsdich-

tung wurden die Dichtungsdrücke für verschiedene magnetische Feldstärken und Spaltweiten

berechnet und experimentell bestätigt. Die volle Funktionalität, sowie die Reibungs- und Ver-

schleißfreiheit der patentierten Abdichtung konnten am Beispiel der untersuchten Schräg-

spaltkupplung und der ‘schnellen Schaltkupplung’ demonstriert werden.

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ZUSAMMENFASSUNG

177

Nach der Lösung der Probleme, die den bisherigen erfolgreichen Einsatz von MRF-

Kupplungen verhinderten, erfolgte die Ausarbeitung der Grundlagen für deren Auslegung.

Zunächst wurde gezeigt, daß die Anwendung des Schermodus’ ein besseres Verhältnis zwi-

schen übertragbarem Drehmoment und dem Leerlaufdrehmoment erwarten läßt als der Ein-

satz des Fließmodus’.

Um die Berechnung des Leerlaufdrehmomentes und des übertragbaren Drehmomentes in Ab-

hängigkeit von magnetischer Feldstärke und Drehzahl zu ermöglichen, wurden die Navier-

Stokes-Gleichungen auf den Fall eines schrägen Übertragungsspaltes transformiert und für

den Fall mäßig großer Reynoldszahlen gelöst. Dazu war die Erweiterung des sonst üblichen

2d-Binghammodelles auf 3 Dimensionen erforderlich. Es konnte gezeigt werden, daß im Be-

reich mäßiger Reynoldszahlen ein lineares Geschwindigkeitsprofil zwischen den beiden

Drehmomentübertragungsflächen zu erwarten ist. Bei höheren Reynoldszahlen wird ein qua-

dratisches Geschwindigkeitsprofil auftreten, wobei dann das Strömungsprofil durch eine

Reynoldszahl geprägt wird, in die nicht wie im unteren Bereich die Basisviskosität der MRF

einfließt, sondern die durch den Magnetfeldeinfluß stark erhöhte scheinbare Viskosität der

MRF. Somit ist eine Linearisierung des Geschwindigkeitsprofiles unter dem Einfluß des Ma-

gnetfeldes zu erwarten. Durch diesen Effekt der Linearisierung wird der Gültigkeitsbereich

der vorher abgeleiteten Drehmomentübertragungsgleichungen beim Anlegen schon schwa-

cher Magnetfelder so stark erweitert, daß im Experiment nur im Fall des verschwindenden

Magnetfeldes ein Übergang zu quadratischem Geschwindigkeitprofil registriert werden

konnte. Bei den Messungen, sowohl an der Schrägspaltkupplung, als auch an der Scheiben-

kupplung wurde ermittelt, daß der Übergang vom linearen zum quadratischen Geschwindig-

keitprofil bei ReGrenz ≈ 750 erfolgt. Die Linearisierung des Geschwindigkeitsprofiles beim

Anlegen eines Magnetfeldes, welche sich in einem linearen Anstieg des Drehmomentes mit

wachsender Drehzahl widerspiegelt, konnte im Experiment gezeigt werden. Die Richtigkeit

der abgeleiteten Drehmomentübertragungsgleichungen wurde experimentell bestätigt, indem

aus den gemessenen Drehmomenten auf die Stoffwerte der MRF rückgerechnet und dabei

Werte ermittelt wurden, die unabhängig von Drehzahl und Geometrie sind.

Neben den Messungen an MRF-Kupplungen im flüssigen MRF-Zustand wurde der Übergang

zwischen festem und flüssigem MRF-Zustand untersucht und das Verhalten bei festem Zu-

stand ermittelt. Für das Übergangsverhalten wurde zuerst ein Kriterium abgeleitet, welches

den Verdrehwinkel zwischen den Drehmomentübertragungsscheiben definiert, bei dem der

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ZUSAMMENFASSUNG

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Übergang zwischen festem und flüssigem Zustand erfolgt. Bei den Messungen wurde gezeigt,

daß es trotz der Tatsache, daß die statische Grenzscherspannung höher als die dynamische ist,

zu dem Fall kommen kann, daß das maximale statische Drehmoment geringer als das minima-

le dynamische Drehmoment ist. Dies bestätigt die Richtigkeit der zur Ableitung der Drehmo-

mentübertragungsgleichungen gemachten Annahme, daß die übertragene Schubspannung im

festen MRF-Zustand linear mit dem Radius wächst, während im flüssigen MRF-Zustand die

Grenzschubspannung der MRF über dem Radius konstant durch die Übertragungsflächen

weitergeleitet wird.

Bei den Untersuchungen im festen MRF-Zustand wurde gezeigt, daß beim Rückfahren einer

Belastung eine remanente Verformung der MRF zurückbleibt, deren Größe von der vorher

erreichten Maximallast und der angelegten Feldstärke abhängt. Die Verformung der MRF

unter Last ist ebenfalls ausschließlich von der Größe der Last und der Feldstärke abhängig.

Sie ist dabei nicht proportional zur angelegten Last, sondern nimmt bei Annäherung an die

von der Feldstärke abhängigen Grenzschubspannung stärker als linear zu. Die Vermutung,

daß es bei MRF einen von der Verformung unabhängigen durch die Feldstärke steuerbaren

Schubmodul gibt, konnte nicht bestätigt werden. Bei den Untersuchungen wurde außerdem

gezeigt, daß MRF eine Last ohne meßbares Kriechen ertragen können.

Die Auslegung des magnetischen Kreises wurde für die Schrägspaltkupplung auf drei ver-

schiedenen Wegen demonstriert. Zuerst erfolgte eine Vorauslegung unter Vernachlässigung

der Eisenverluste, dann wurde die Anordnung mit dem Ziel der Verminderung der zur Auf-

rechterhaltung des magnetischen Feldes erforderlichen elektrischen Leistung optimiert, um

anschließend den Magnetkreis mit einem FEM-Programm nachzurechnen. Für viele Fälle

wird die Vorauslegung ausreichend sein, da der bei der Optimierung zu erzielende Gewinn

unter ca. 10 % liegt. Nur mit dem bei der Optimierung angewandten Verfahren läßt sich aber

auf effektive Weise die Spulenstrom-Flußdichte-Kurve des Magnetkreises ermitteln. Eine

FEM-Rechnung des Magnetfeldes in den MRF-Kupplungen bestätigte die korrekte Ausle-

gung der Magnetkreise.

Neben den erforderlichen elektrischen Leistungen zur Aufrechterhaltung der magnetischen

Felder wurden die die Reaktionszeit einer MRF-Kupplung bestimmenden Faktoren analysiert

und die bei Einsatz vorgegebener Stromversorgungen zu erwartenden Schaltzeiten berechnet

und experimentell bestätigt. Dabei wurde gezeigt, daß es wesentlich sinnvoller ist, den ma-

gnetischen Kreis zur Reduzierung von Wirbelströmen geblecht auszuführen, als in teure An-

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ZUSAMMENFASSUNG

179

steuerungselektronik zu investieren. Selbst mit üblichen Ansteuerungsnetzteilen lassen sich so

Schaltzeiten erzielen, die wesentlich unter den Werten aller anderen bekannten Kupplungsar-

ten liegen.

In der Arbeit wurde gezeigt, daß MRF-Kupplungen einen anwendungsreifen Entwicklungs-

stand erlangt haben und daß sie anderen Kupplungsarten bezüglich einfacher und reprodu-

zierbarer Steuerbarkeit des übertragenen Drehmomentes und hinsichtlich extrem kurzer

Schaltzeit überlegen sind.

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