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Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bei Pflege auf Distanz 24.04.2018 Univ.-Prof. Dr. Wilfried Schnepp Lehrstuhl für familienorientierte und gemeindenahe Pflege Fakultät für Gesundheit Department für Pflegewissenschaft Julia Söhngen (MScN) Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bei Pflege auf Distanz · 2018. 5. 14. · Pflege auf Distanz und Beruf: • Geschwister teilen sich die Pflege und Verantwortung (Roff, et al.,

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  • Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bei Pflege auf Distanz

    24.04.2018

    Univ.-Prof. Dr. Wilfried Schnepp

    Lehrstuhl für familienorientierte und

    gemeindenahe Pflege

    Fakultät für Gesundheit

    Department für Pflegewissenschaft

    Julia Söhngen (MScN)

    Wissenschaftliche Mitarbeiterin

  • Inhalt

    1. Hintergrund

    2. Zielsetzungen

    3. Fragestellungen

    4. Methodisches Vorgehen

    5. Ergebnisse

    6. Schlussfolgerungen

    7. Empfehlungen

    8. Diskussion

    24.04.2018 2

    Long Distance Caregivers

  • Hintergrund

    • Pflegende Angehörige sind ein wesentlicher Bestandteil der

    pflegerischen Versorgung in Deutschland.

    • Angesichts des zunehmenden Stellenwertes von

    Vereinbarkeit von familialer Pflege und Berufstätigkeit, stellt

    die Personengruppe der "Distance caregivers“ oder der

    „Long Distance Caregivers“ eine besondere Zielgruppe

    pflegender Angehöriger dar, die in Deutschland bisher nur

    wenig Beachtung in Wissenschaft und Forschung findet.

    • Distance Caregiving (DC) oder Long Distance Caregiving

    (LDC) wird international definiert als Angehörigenpflege bei

    einer Distanz von mindestens einer Stunde Fahrtzeit

    (National Alliance for Caregiving (NAC), 2004).

    24.04.2018 3 Long Distance Caregivers

  • Hintergrund

    • Pflege aus der Distanz findet vielfach über Landesgrenzen

    hinweg statt.

    • Die unterschiedlichen Sozialversicherungssysteme stellen

    für den pflegenden Angehörigen einen zusätzlichen

    administrativen und finanziellen Aufwand dar

    (Bischofberger et al., 2017).

    24.04.2018 4 Long Distance Caregivers

  • Zielsetzungen

    • Ziel dieser Untersuchung ist es, die Situation von

    pflegenden Angehörigen, die aus der Distanz für ein

    pflegebedürftiges Familienmitglied sorgen, auf der Basis

    internationaler und nationaler Forschungsergebnisse zu

    beschreiben.

    • Anhand der Ergebnisse sollen erste Ansatzpunkte für

    geeignete Strategien und Unterstützungsmöglichkeiten

    benannt werden.

    24.04.2018 5 Long Distance Caregivers

  • Fragestellungen

    Fragestellungen:

    • Welche Aufgaben übernehmen pflegende Angehörige

    bzw. sogenannte „Long Distance Caregivers“?

    • Welche Belastungen beschreiben Angehörige, die über

    eine Distanz hinweg pflegen und berufstätig sind?

    • Welche Bedingungen, Strategien und Unterstützungs-

    angebote können zu einer Verbesserung der Situation von

    „Long Distance Caregivers“ beitragen?

    24.04.2018 6

    Long Distance Caregiving

  • Methodisches Vorgehen

    • Suche in den Datenbanken: Pubmed, Cinahl, Google-

    Scholar

    • Verwendete Suchbegriffe:

    Distance Caregiving, Long Distance Caregiving,

    Distant Caregiving, Long Distant Caregiving, Long

    Distance Caregiver(s), Long Distant caregiver(s), family

    caregivers

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  • Ergebnisse

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    • 6 Studien: Qualitativ und Quantitativ

    • 1 Review: 15 Studien qualitativ und quantitativ

    • 1 Review: 9 Studien

    • 1 Poster (Studie von 2016-2019)

    • Studien: Schweiz, USA, Deutschland (1 Laufzeit 2017-

    2019)

  • Ergebnisse

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    Einschätzung der Anzahl von pflegenden Angehörigen, die aus der Entfernung

    pflegerische Hilfe leisten, für Deutschland und die Schweiz (Kramer et al., 2017):

  • Ergebnisse

    Aufgaben von Long Distance Caregivers

    • LDC‘s übernehmen häufig kombinierte Aufgaben im

    organisatorischen und direkten pflegerischen Bereich vor Ort

    (Bevan et al., 2012).

    • LDC‘s delegieren aus der Distanz Pflegeaufgaben der zu

    betreuenden Person an andere Familienmitglieder, Nachbarn und

    professionelle Leistungserbringer, wie zum Beispiel ambulante

    Pflegedienste (Cagle & Munn, 2012).

    • Distance Caregivers sind zeitweise auch vor Ort Unterstützende –

    teils unregelmäßig, teils in regelmäßigen Pendelverhältnissen

    (Otto et al., 2017).

    • Von den sehr vielfältigen Unterstützungsformen können viele

    sowohl vor Ort als auch auf Distanz geleistet werden, (Bevan et

    al., 2012; Bischofberger et al., 2017).

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    Long Distance Caregiving

  • Ergebnisse

    Aufgaben von Long Distance Caregivers

    • In einer Studie wurde beschrieben, dass fast ein Viertel

    (23%) der LDC‘s die primäre oder einzige Bezugsperson für

    den Pflegeempfänger waren. Etwas mehr als die Hälfte

    (51%) gaben an, mindestens einige Male im Monat ihren

    Angehörigen zu besuchen, obwohl eine beträchtliche

    Mehrheit (80%) entweder Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigt

    war (Cagle & Munn, 2012).

    • In der Studie von Baldock wird beschrieben, dass LDC‘s

    häufig eine Schlüsselrolle einnehmen in Bezug auf die

    Versorgungssysteme vor Ort (Cagle & Munn, 2017).

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    Long Distance Caregiving

  • Ergebnisse

    Aufgaben von Long Distance Caregivers

    • Aus der Distanz helfen pflegende Angehörige bei der

    Entscheidungsfindung, zum Beispiel bei Unterstützungs-

    angeboten oder der Anwendung von Hilfsmitteln (Otto et al.,

    2017).

    • Emotionale Betreuung (z.B. mit Skype oder Telefon) des zu

    pflegenden Angehörigen (Otto et al., 2017).

    • Männer sind stärker in die Bereiche Wirtschaft, Finanzen und

    Haushaltsführung involviert (National Alliance for Caregiving

    (NAC), 2004).

    • Frauen kümmern sich mehr um die Gesundheit und die

    emotionale Unterstützung des Angehörigen (National Alliance

    for Caregiving (NAC), 2004).

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    Long Distance Caregiving

  • Ergebnisse

    Belastungen

    • LCD‘s stehen zahlreichen Herausforderungen im Zusammenhang

    mit der Erfüllung von Arbeits- und Betreuungspflichten gegenüber

    (Bischhofberger et al. 2017, Otto et al., 2016).

    • LCD‘s sind bei Unterstützungsangeboten auf Zuverlässigkeit,

    Pünktlichkeit und eine gute Qualität angewiesen. Sie erleben diese

    Abhängigkeit von den Pflegefachpersonen häufig als belastend

    (Watari, 2006).

    • Pflegende Angehörige, die nicht vor Ort sind, werden häufig von

    den professionellen Leistungserbringern und ihrem privaten und

    beruflichen Umfeld nicht als aktiver pflegender Angehöriger und

    Ansprechpartner akzeptiert (Cagle & Munn, 2012).

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    Long Distance Caregiving

  • Ergebnisse

    Belastungen

    • Reisekosten und Zeitaufwand (Cagle & Munn, 2012).

    • Arbeit und Pflege müssen flexibel aus der Ferne ausbalanciert

    werden (Cagle % Munn, 2012).

    • Konflikte aufgrund der Distanz mit dem zu pflegenden

    Angehörigen, dem Partner, Geschwistern und weiteren

    Familienangehörigen und dem Arbeitgeber (Bevan et al.,

    2012).

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    Long Distance Caregiving

  • Ergebnisse

    Strategien und Unterstützungsangebote zur Vereinbarkeit von

    Pflege auf Distanz und Beruf:

    • Digitales Tagebuch: Auf das alle Familienangehörige Zugriff

    haben (Bischofberger et al., 2017).

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    Long Distance Caregiving

  • Ergebnisse

    Strategien und Unterstützungsangebote zur Vereinbarkeit von

    Pflege auf Distanz und Beruf:

    • Kommunikation: Telefon, Videoanrufe, E-Mail, SMS (Kramer

    et al., 2017, Demiris, et al., 2008).

    • Kognitive Unterstützung: Elektronische Erinnerung an

    Medikamente (Kramer et al., 2017).

    • Information/Koordination: Elektronische Patientenakte,

    Kollaborationswerkzeuge zur Vernetzung (Kramer et al.,

    2017).

    • Überwachung/Sicherheit: Fernüberwachung, tragbare und

    Bewegungsmelder, GPS, Schaltmatten (Kramer et al., 2017).

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    Long Distance Caregiving

  • Ergebnisse

    Strategien und Unterstützungsangebote zur Vereinbarkeit von

    Pflege auf Distanz und Beruf:

    • Geschwister teilen sich die Pflege und Verantwortung (Roff,

    et al., 2007).

    • Aufbau eines Pflegenetzwerkes: Familie, Pflegedienst,

    Nachbarn, Freunde (Bevan et al., 2012).

    • LDC‘s bemühen sich Lösungen mit den Leitungserbringern

    vor Ort zu finden, um Konflikte zu vermeiden und eine

    bessere Versorgung des Angehörigen zu gewährleisten

    (Bevan, et al., 2012).

    • Pflegende Angehörige, die auf Distanz Hilfe leisten, sollten

    für sich selbst Entlastung und für die Pflege Unterstützung

    finden und beanspruchen (Otto et al., 2016).

    24.04.2018 17 Long Distance Caregiving

  • Schlussfolgerungen

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    • Die überwiegende Mehrheit der Publikationen über LDC‘s kommt

    aus den USA, Kanada, Australien und Großbritannien (Kramer et

    al., 2017).

    • Langstreckenbetreuer sind nicht leicht zu identifizieren - sie

    sehen sich oft nicht als Betreuer, da sie unterschiedliche

    Aufgaben und weniger klassische Pflege am Krankenbett erfüllen

    (Kramer et al., 2017).

    • Moderne Formen der Zusammenarbeit (Videoanrufe, SMS, etc.)

    von Angehörigen und Fachpersonen im Gesundheitswesen,

    ermöglichen die Versorgung eines pflegenden Angehörigen auch

    aus der Distanz zu gewährleisten (Bischofberger, 2017).

    • LDC kann zu Konfliktsituationen zwischen den professionellen

    Leistungserbringern vor Ort und den pflegenden Angehörigen

    führen (Kramer et al., 2017).

  • Schlussfolgerungen

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    • Voraussetzungen, damit die Vereinbarkeit von Pflege auf

    Distanz und Berufstätigkeit gelingt, sind, dass die kreativen

    und produktiven Potenziale der Angehörigen erkannt und

    genutzt werden (Bischofberger et al., 2017).

    • Differenzierung der Begriffe „Distance Caregivers“ und „Long

    Distance Caregivers“. Es kann davon ausgegangen werden,

    dass die Entfernung bei LDC‘s mehr Wegzeit als eine Stunde

    beträgt und somit die Situation schwieriger ist als bei den DC‘s

    (Bischofberger et al., 2017).

    • Die Kooperationsbereitschaft der Fachleute vor Ort ist ein

    Einflussfaktor, ob die Pflege über die Distanz hinweg gelingt

    (Bischofberger et al., 2017).

  • Schlussfolgerungen

    24.04.2018 20 Long Distance Caregiving

    • Hinderlich für die Vereinbarkeit ist es, wenn die

    Versorgungsprozesse von den Fachpersonen gesteuert

    werden, ohne auf die geographische Distanz der

    (berufstätigen) Angehörigen Rücksicht zu nehmen.

    • Die vielfältigen Aufgaben von LDC‘s erfordern ein gutes

    Netzwerk, dass die Betreuung des Pflegebedürftigen

    ermöglicht (Bischofberger et al. 2017).

  • Empfehlungen

    24.04.2018 21 Long Distance Caregiving

    • Exakte Definitionen von „Distance Caregivers“ und „Long

    Distance Caregivers“ werden benötigt.

    • Es werden weitere Definitionen benötigt, welche Aufgaben als

    pflegerische Tätigkeiten gewertet werden können.

    • Das Bewusstsein von Arbeitgebern und -nehmern, muss im

    Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege auf Distanz,

    und die damit verbundenen Belastungen, gesteigert werden.

    • Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege sollte Teil eines guten

    Arbeitsklimas sein.

    • Das Thema Resilienz – insbesondere in Bezug auf pflegende

    Berufstätige – sollte einen höheren Stellenwert erhalten.

    • Best-Practice-Beispiele aus dem Ausland sollten in

    Unternehmen kommuniziert werden.

  • Diskussion

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    www.bing.com/images/search?view=detailV2&ccid=Xpip96hl&id=EA6B26C7B7230A33D00E77F1CC984DB15746C7C0&thid=OIP.Xpip96hltwFGhW9xvf5bQHaF7&q=Vereinbarkeit+von+Beruf+und+Familie&simid=608026384

    746154108&selectedIndex=4&ajaxhist=0:

  • Literaturverzeichnis

    • Bevan, J.L., Vreeburg, S. K., Verdugo, S., Sparks, L. (2012): Interpersonal Conflict and Health Perceptions on Long-Distance Caregiving

    Relationships, Journal of Health Communication: International Perspectives., 17:7, 747-761

    • Baldock, C.V. (2000): Migrants and their parents: Caregiving from a distance. Journal of Family Issues, 21, 205-224

    • Bischofberger, I., Otto, U., Franke, A., Schnepp, W. (2017): Pflegebedürftige Angehörige über Landesgrenzen hinweg unterstützen:

    Erkenntnisse aus zwei Fallstudien. In: Pflege & Gesellschaft 22, 84-9

    • Cagle, J.G & Munn, J.C. (2012): Long Distance Caregiving: A Systematic Review of the Literature. In: Journal of Gerontological Social

    Work. 2012 ; 55(8): 682–707. doi:10.1080/01634372.2012.703763

    • Demiris, G., Parker, O., Dickey, G.; Rantz, M.; Skubic, M. (2008): Use of videophones for distant caregiving – An enriching experience for

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    • Kramer, B.; Franke, A.; Otto, U.; Bischofberger, I.; Van Holten, K.; Weber, M.; Kunz, H. (2017): Distance Care: Challenges and Potentials

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    Geriatrics: “Global Aging and Health: Bridging Science, Policy, and Practice”, July 23-27, 2017, San Francisco, California

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    Institute, Posterpresentation: The 21st IAGG World Congress of Gerontology and Geriatrics: “Global Aging and Health: Bridging Science,

    Policy, and Practice”, July 23-27, 2017 • San Francisco, California

    • Otto, U.; Bischofberger, I.; Hegedüs, A.; Kramer, B.; Van Holten, K.; Franke, A. (2017): Wenn pflegende Angehörige weiter entfernt leben –

    Technik eröffnet Chancen für Distance Caregiving, ist aber nicht schon die Lösung. In Hämmerle, I. & Kempter, G. (Hrsg.),

    Umgebeungsunterstütztes Leben. Beiträge zum Usability Day XV (S. 140-148). Lengerich, Westfalen: Papst Science Publishers

    • Otto, U.; Bischofberger, I.; Franke, A. (2016). Distance Caregiving (DICA). Pflege- & Hilfepotenziale über nationale Distanzen und

    internationale Grenzen hinweg. Poster: Projekt DICA Deutschland – Schweiz; 2016-2019.

    • Roff, L.L.; Martin, S.S.; Jennings, L.K.; Parker, M.W.; Harmon, D.K. (2007): Long Distance Parental Caregivers Experiences with Siblings.

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    • Watari, K.; Wetherell, J.L.; Gatz, M.; Delaney, J.; Ladd, C.; Cherry, D. (2006) Long distance caregivers. In Clinical Gerontologist 29, 61-77

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    Long Distance Caregiving