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Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Bachelorstudiengang Ökonomische Bildung / Technik Bachelorarbeit Titel: Die Historie und der technische Aufbau von Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren vorgelegt von: René Winkelmann Betreuender Gutachter: Karl-Heinz Hoffmann Zweiter Gutachter: Prof. Dr. Gert Reich Oldenburg, 17.09.2008

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Carl von OssietzkyUniversität Oldenburg

BachelorstudiengangÖkonomische Bildung / Technik

Bachelorarbeit

Titel: Die Historie und der technische Aufbau von Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

vorgelegt von: René Winkelmann

Betreuender Gutachter: Karl-Heinz Hoffmann

Zweiter Gutachter: Prof. Dr. Gert Reich

Oldenburg, 17.09.2008

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1. Einleitung 1

2. Aufbau und Funktionsweise des Viertakt-Ottomotors 2

3. Vergaser 53.1 Historie 53.2 Technik 7

3.2.1 Aufbau des Oberflächenvergasers 73.2.2 Aufbau des Steigstrom- / Flachstrom- / Fallstromspritzvergasers 8

4. Indirekte Einspritzung 134.1 Historie 134.2 Technik 16

4.2.1 Aufbau und Funktion der Bosch K-Jetronic 17– mechanische indirekte Einspritzanlage –

4.2.2 Aufbau und Funktion der Bosch L-Jetronic 19– elektrische indirekte Einspritzanlage –

4.2.3 Aufbau und Funktion der Bosch LH-Jetronic 22– elektrische indirekte Einspritzanalage –

4.2.4 Aufbau und Funktion der Bosch ME-Motronic 22– vollelektronische Einspritz- und Zündanlage mit E-Gas –

5. Direkte Einspritzung 345.1 Historie 345.2 Technik 35

5.2.1 Elektronisch gesteuerte direkte Einspritzung – strahlgeführt 385.2.2 Elektronisch gesteuerte direkte Einspritzung – wandgeführt 395.2.3 Elektronisch gesteuerte direkte Einspritzung – Bosch MED-Motronic 40

6. Fazit 43

Literatur 45

Abbildungsverzeichnis 47

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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1. Einleitung

Die einzige direkte Schnittstelle zwischen dem Fahrer und dem Motor eines Pkw ist seit

Jahrzehnten das Gaspedal. Nur mit dem Fuß steuert der Fahrer während der Fahrt im

Großteil aller je hergestellten Pkw über die Stellung einer Klappe im Ansaugluftstrom des

Motors den eigentlich einfachen Gemischbildungsprozess: Der Kraftstoff muss mit der Um-

gebungsluft gemischt und dem Motor zugeführt werden, um dieses Gemisch schließlich

kontrolliert verbrennen zu können. Dazu ist es aber notwendig, dass die Luft in einem ganz

bestimmten Verhältnis zum Kraftstoff steht, außerdem kommt noch dazu, dass dieses

Gemisch nur für bestimmte Betriebszustände des Motors optimal ist, für andere

Betriebszustände allerdings ein geringfügig abweichendes Gemisch vonnöten ist. Der

Schutz der Umwelt und der Verbrauch spielten in den Anfangszeiten des Automobils noch

keine Rolle, später wurde immerhin der Verbrauch des Motors zu einem Faktor für die

Wirtschaftlichkeit des Pkw. Doch auch die Umwelt rückte immer mehr in den Vordergrund:

Die Erkenntnis, dass der Betrieb eines Motors erhebliche Umweltschäden anrichtet,

veranlasste Gesetzgeber, die Entwicklung im Rahmen von Abgasvorschriften zu

beeinflussen. Dennoch möchte der Endverbraucher nicht auf eine möglichst leistungsfähige

und komfortabel zu bedienende Maschine verzichten.

All diese Faktoren wurden im Laufe der Zeit an Einspritzsysteme für Pkw gestellt: Kosten,

Umwelt, Leistung, Verbrauch. Sicherlich wurden diese Schwerpunkte in der Gewichtung in

den Anfangszeiten der jeweiligen Systeme oft anders gesetzt und später durch Veränderun-

gen oder Neuentwicklungen den Forderungen der Zeit angepasst. Genau diese Forderungen

– vom Gesetzgeber und vom Kunden – sorgten und sorgen auch für eine stetige Verbesse-

rung und Optimierung der Einspritzanlagen, in Form von weniger Emissionen, weniger

Verbrauch, höherem Komfort und mehr Leistung.

In dieser Arbeit wird kurz der mechanische Aufbau der Grundkomponenten eines Viertakt-

Ottomotors erläutert, anschließend auf den Vorgänger der Einspritzanlagen – den Vergaser

– eingegangen. Ich werde ausführlich auf unterschiedliche indirekte Einspritzanlagen ein-

gehen und darauf aufbauend die Funktion der Direkteinspritzung erläutern. Vor den jewei-

ligen technischen Erklärungen über Aufbau und Funktion des Vergasers, der indirekten

sowie der direkten Einspritzung, wird jeweils ein kurzer historischer Abriss der Entwick-

lung erfolgen.

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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2. Aufbau und Funktionsweise des Viertakt-Ottomotors

Verbrennungsmotoren werden nach Zündungsart und Arbeitsverfahren klassifiziert. Zu den

Zündungsarten gehört die Fremd- oder Eigenzündung, zu den Arbeitsverfahren das

Zweitakt- oder Viertaktverfahren. Der Ottomotor arbeitet nach dem Viertaktverfahren mit

Fremdzündung.1

Der grundsätzliche Aufbau des Ottomotors besteht aus mindestens einem zylindrischen

Kolben (1) mit umlaufenden Kolbenringen (2), welcher in einem Zylinder (5) mit einer auf-

und abwärts gerichteten Hubbewegung wirkt. Durch eine an Kolben und Kurbelwelle (3)

angebrachte Pleuelstange (2) wird die Hubbewegung des Kolbens in eine Drehbewegung

der Kurbelwelle umgesetzt.

Damit der Vorgang der Hubbewegung des Kolbens verrichtet werden kann, bedarf es einer

kontrollierten Expansion eines Luft-/Kraftstoffgemisches im geschlossenen Raum des Zy-

linders. Diese Expansion wird durch eine kontrollierte Verbrennung erzeugt, der Ottomotor

arbeitet dabei in vier Takten. Diese vier Takte werden innerhalb von vier Hubbewegungen

des Kolbens und zwei Kurbelwellenumdrehungen verrichtet.

Erster Takt: Das vor dem Einlassventil erzeugte Luft-/Brennstoffgemisch gelangt durch den

Einlasskanal (9) sowie das am Ende des Einlasskanals im Zylinderkopf angebrachte Ein-

lassventil (6) in den Zylinderraum durch einen Unterdruck. Dieser entsteht, wenn der Kol-

ben sich in die Richtung des unteren Totpunktes, die tiefste Stellung des Kolbens im Zylin-

der, bewegt. Dieser Takt wird als Ansaugtakt bezeichnet.

Zweiter Takt: Das Einlassventil schließt in etwa in dem Moment, wo der Kolben den unte-

ren Totpunkt passiert. Dies ist nötig, um das Luft-/Brennstoffgemisch in einem geschlosse-

nen Raum während der Aufwärtsbewegung in die Richtung des oberen Totpunktes, der

höchsten Kolbenstellung im Zylinder, zu verdichten. Das Luft-/Kraftstoffgemisch erwärmt

sich hierbei, im oberen Totpunkt betragen Druck und Temperatur vor der Zündung „etwa

10 bis 16 bar und 350 bis 450 °C“2..Dieser Takt wird als Verdichtungstakt bezeichnet.

Dritter Takt: Befindet sich der Kolben im Bereich des oberen Totpunktes, wird das stark

verdichtete Luft-/Brennstoffgemisch fremd gezündet. Dies geschieht bei einem Viertakt-

Ottomotor üblicherweise mit einer Zündkerze (11), welche im Zylinderkopf angebracht ist.

Durch die kontrollierte Verbrennung entsteht ein starker Druckanstieg auf „etwa 40 bis

70 bar“3 im Zylinderraum, durch die Expansion wird der Kolben dazu gezwungen, sich

1 Vgl. Wagner / Fischer / Frommann 1981, 93 2 Grohe 1979, 43 3 Grohe 1979, 43

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wieder in Richtung des unteren Totpunktes zu bewegen. Es entstehen kurzfristig

Höchsttemperaturen von „etwa 2500 °C“4. Dieser Takt wird als Arbeitstakt bezeichnet.

Vierter Takt: Sobald der Kolben den unteren Totpunkt passiert, öffnet das ebenfalls im Zy-

linderkopf angebrachte Auslassventil (7), um die durch die Verbrennung entstandenen Gase

durch den Auslasskanal entweichen lassen zu können. Dies erfolgt durch die Aufwärtsbe-

wegung des Kolbens in die Richtung des oberen Totpunktes und einen dadurch

resultierenden Überdruck.5 Die durch die Verbrennung entstandenen Gase werden dabei

ausgestoßen. Befindet sich der Kolben wieder im Bereich des oberen Totpunktes, schließt

das Auslassventil wieder. Dieser Takt wird als Ausstoßtakt bezeichnet. Der Ablauf beginnt

wieder beim Ansaugtakt.

Abbildung 1: Mechanisches Funktionsprinzip des Ottomotors

Das theoretisch ideale Gemisch von Luft und Kraftstoff für eine vollständige Verbrennung

liegt bei einem Massenverhältnis von 14,7 : 1. Das bedeutet, dass bei einer Kraftstoffmasse

von 1 Kilogramm 14,7 Kilogramm Luftmasse benötigt werden. Dies ist die stöchiometri-

sche – also quantitativ reagierende – Verbrennung.6 „Das Verhältnis der [...] Luftmenge zur

4 Grohe 1979, 43 5 Vgl. Grohe 1979, 43 6 Vgl. Oder / Ortmann / Mallebrein 2002, 17

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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Mindestluftmenge wird über die Luftverhältniszahl λ (Lambda) ausgedrückt.“7 Damit

Abweichungen erfasst werden können, ist der stöchiometrische Wert der Faktor λ = 1.

Bei einer Verbrennung mit Luftmangel (fettes Gemisch) ist λ < 1, bei einer Verbrennung

mit Luftüberschuss (mageres Gemisch) ist λ > 1. Der Ottomotor wird mit verschiedenen

Lambdawerten betrieben, die beste Luftausnutzung wird bei circa λ = 0,9 bis λ = 1,0 er-

reicht, der beste Wirkungsgrad liegt allerdings bei circa λ = 1,1 bis λ = 1,2.8

7 Wagner / Fischer / Frommann 1981, 70 8 Vgl. Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 202

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3. Vergaser

Zur kontrollierten und schnellen Verbrennung von Kraftstoff benötigt der Motor Sauerstoff.

Würde der Kraftstoff ausschließlich in flüssiger Form in den Zylinder laufen, könnte der

Kolben diesen nicht verdichten und der Brennstoff wäre für eine kontrollierte und schnelle

Verbrennung auch nicht zündfähig, da der für die Verbrennung unbedingt notwendige

Sauerstoff in der Luft ist nicht vorhanden wäre. Daher muss eine Einrichtung außerhalb des

Zylinders den Kraftstoff mit Luft anreichern, um ein zündfähiges Gemisch zu erhalten. Dies

ist die Aufgabe des Vergasers. Da das Gemisch außerhalb des Verbrennungsraums entsteht,

spricht man auch von einer äußeren Gemischbildung.9

Der Begriff Vergaser ist für die ersten bei Pkw-Motoren verwendeten Vergaser Ende der

1880er und 1890er Jahre zutreffend, für alle späteren Vergaser ist der Begriff Gemischbild-

ner der fachlich korrektere Ausdruck.10 Dennoch werden Gemischbildner immer noch als

Vergaser bezeichnet und auch in dieser Arbeit wird der Begriff Vergaser benutzt.

Der Vergaser ist keine Einspritzanlage, dennoch ist das Funktionsverständnis nützlich, um

die Unterschiede in der Gemischaufbereitung und den Grund, warum Einspritzanlagen

überhaupt eingesetzt und entwickelt wurden, zu erkennen. Zusätzlich kann anhand des

Vergasers das Grundverständnis bezüglich der Gemischaufbereitung im Kontext der

üblichen Betriebszustände eines Pkw-Motors erläutert werden.

Die Historie sowie die Unterschiede zwischen Vergaser und Gemischbildner werden in den

Kapiteln 3.1 sowie 3.2 näher erläutert.

3.1 Historie

Der 1885 von Gottlieb Daimler entwickelte, schnell laufende Benzinmotor verfügte über

einen Oberflächenvergaser. Hier wurde der verdampfende Kraftstoff in einem Behälter, mit

möglichst großer Fläche, von der vom Motor angesaugten Luft aufgenommen und der

Verbrennung zugeführt. Zur Beschleunigung der Dampfbildung wurde der Kraftstoffbe-

hälter mit Abgasen von außen beheizt.11 Eine weitere Erfindung in der Anfangszeit des

Ottomotors ist der Dochtvergaser aus dem Jahr 1884. Hier nimmt ein Docht den Kraftstoff

auf und gibt ihn an die vom Motor angesaugte Luft ab. Eine Weiterentwicklung ist der

Bürstenvergaser: Eine rotierende Bürste streicht dabei in einer Wanne durch den Kraftstoff

und fördert die Dampfbildung. Da diese Vergasertechniken eine sehr ungenaue Gemisch-

9 Vgl. Urlaub 1987, 143 10 Vgl. Urlaub 1987, 144 11 Vgl. Grohe 1979, 72

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bildung erzeugen, zum Teil sehr ausladend aufgebaut sind und mit steigenden Motorleis-

tungen die Gemischmenge nicht mehr ausreichend liefern können, sind sie schließlich vom

Spritzdüsenvergaser abgelöst worden.12 Erfunden wurde dieser von Wilhelm Maybach im

Jahr 1893.13 Diese Vergaseridee entwickelte sich stetig weiter und in den 1910er- und

1920er Jahren erschienen zahlreiche Spritzvergasertypen von diversen Herstellern mit zum

Teil noch heute bekannten Markennamen wie Zenith, Holley, Pallas oder Solex. Durch die

beginnende Großserienfertigung von Fahrzeugen wurden einfachere Bauweisen benötigt,

die Deutschen-Vergaser-Werke (auch unter dem Markennamen Pierburg bekannt) stellten

die Fertigung im Jahre 1928 von Messing und Kupfer auf Zink-Druckguss um.14 Die Verga-

ser konnten dadurch noch präziser aufgebaut und einfacher in größeren Stückzahlen für den

mittlerweile stark ansteigenden Pkw-Bedarf gefertigt werden. Die Weiterentwicklung der

Vergaser schritt in den 1950er Jahren nochmals stark voran, die Komfort- und Leistungsbe-

dürfnisse der Kunden stiegen, es wurden die ersten Mehrfachvergaseranlagen in der Serien-

fertigung eingesetzt. Die einfachen Steigstromspritzvergaser wichen den Flach- und Fall-

stromvergasern, die in Register- oder Stufenbauweise beziehungsweise als Mehrfachverga-

ser eingesetzt wurden. Der erste Vergaser mit Startautomatik, der Solex PICT, wurde 1959

im VW-Käfer in der Großserie verbaut.15 In den 1970er Jahren wurden zwar immer noch

überwiegend Vergaser bei Pkw-Motoren eingesetzt, allerdings kamen die ersten mechani-

schen und elektronischen Einspritzanlagen für Pkw-Motoren in den Serieneinsatz und

verdrängten langsam, zuerst in der Pkw-Oberklasse, die mittlerweile sehr komplex ge-

wordenen Vergasersysteme. Einige Länder wie die USA verschärften die Abgasvorschriften

stark – schon im Jahr 1968 mussten die Neufahrzeuge in den USA bestimmte Abgasvor-

schriften einhalten16 – und schrieben 1974 die Verwendung eines Katalysators bei Neufahr-

zeugen für den Bundesstaat Kalifornien vor.17 Auch in Deutschland und Europa wurden die

ersten Abgasvorschriften Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre in die Straßenver-

kehrszulassungsordnung und die ECE-Richtlinien aufgenommen.18 Dennoch sind Vergaser

bis Ende der 1980er Jahre noch in Klein- und Kompaktwagen aufgrund ihrer

kostengünstigen Herstellungsweise, der einfachen Wartung und der Tatsache, dass sich

strengere als die bereits bestehenden Abgasvorschriften noch nicht in allen Ländern und für

alle Fahrzeugklassen durchgesetzt hatten, verbaut worden. Die Verwendung von Dreiwege-

12 Vgl. Grohe 1979, 73 13 Vgl. Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 1 14 Vgl. http://www.ruddis-berlin.de/index2.htm, Zugriff 08.08.2008 15 Vgl. http://www.ruddis-berlin.de/index2.htm, Zugriff 08.08.2008 16 Vgl. http://www.zeit.de/1967/43/Kalifornische-Formel-ab-Januar-in-den-USA, Zugriff 10.08.2008 17 Vgl. http://www.zeit.de/1971/24/Platin-macht-den-Auspuff-sauber, Zugriff 10.08.2008 18 Vgl. http://www.zeit.de/1969/32/Kopfschmerzen-Husten-Atemnot?page=3, Zugriff 10.08.2008

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katalysatoren, welche auf eine präzise Regelung des Luft-Kraftstoffgemisches angewiesen

sind, setzte sich Mitte der 1980er Jahre auch in der Klein- und Kompaktwagenklasse durch.

Eine letzte Vergaservariante, welche mit einer Lambdaregelung betrieben wurde, war der

Pierburg-Fallstrom-Registervergaser mit Lambdaregelung Typ 2E-E aus dem Jahr 1986. Er

konnte sich gegenüber den Einspritzanlagen nicht behaupten und kann lediglich als Über-

gangsvariante zu den ersten einfachen und kostengünstigen Einspritzanlagen mit Lambda-

regelung, die Einzeleinspritzanlagen, zu Beginn der 1990er Jahre gesehen werden.19

3.2 Technik

Vergaser bzw. Gemischbildner sind im eigentlichen Sinne keine Einspritzanlagen, in Kapi-

tel 3.1 wird von einem Gemischbildner gesprochen. Dennoch sollte der Vergaser in der Ge-

schichte der Einspritzanlagen genannt werden, weil er die gleichen grundlegenden

Aufgaben der Einspritzanlagen für einen Benzinmotor ebenfalls erfüllt: die

Gemischbildung. In diesem Kapitel wird der prinzipielle Aufbau verschiedener

Vergasertypen erläutert. Dies sind der Oberflächenvergaser aus den Zeiten, wo Autos noch

eher motorisierten Kutschen ähnelten, sowie die verschiedenen Bauarten von

Spritzvergasern und Mehrfachvergasern.

3.2.1 Aufbau des Oberflächenvergasers

Der Aufbau des Oberflächenvergasers besteht aus einem Kraftstofftank, einem Ansaugrohr,

welches in den Tank führt, einem Ansaugrohr, das an den Motor angeschlossen ist, sowie

einem Tröpfchenabscheider.

Die durch das an den Motor angeschlossene

Ansaugrohr angesaugte Luft strömt durch

den Kraftstoffbehälter und das Ansaugrohr

zum Motor. Hierbei reichert sich die Luft

mit Kraftstoffdämpfen an. Die Öffnungen

der beiden Ansaugrohre müssen oberhalb

der Kraftstoffflüssigkeit angebracht sein.

Damit nichtverdampfter Kraftstoff nicht in

den Motor gelangt, wird der Gemischstrom

19 Vgl. http://www.zeit.de/1989/26/Nicht-mehr-unter-die-Haube-zu-bringen, Zugriff 10.08.2008

Abbildung 2 Prinzip des Oberflächenvergasers

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am Tröpfchenabscheider umgelenkt.20 Der flüssige Kraftstoff fließt zurück in den

Kraftstoffbehälter. Um den Verdampfungsprozess des Kraftstoffs zu beschleunigen, kann

der Kraftstoffbehälter von außen mit Abgasen beheizt werden.21

Der Oberflächenvergaser war auch in den 1880er Jahren schon ein Provisorium. Es ergeben

sich diverse Probleme mit dem Betrieb in einem Pkw: Das Gemisch für den Start des Mo-

tors musste auf einem anderen Weg dem Motor zugeführt werden, da der Unterdruck beim

Startvorgang nicht ausreicht, um die Luft ausreichend mit Dämpfen aus dem Kraftstoffbe-

hälter anzureichern. Ein weiteres Problem ergab sich in der Dosierung des Gemisches: Der

Oberflächenvergaser funktionierte nur in einem Betriebszustand des Motors. Die stark tem-

peraturabhängige Bildung von Kraftstoffdämpfen und die sehr ausladend bauende Kon-

struktion des Kraftstofftanks konnten die größer werdenden Gemischmengen für wachsende

Motorleistungen schließlich nicht mehr liefern und der Oberflächenvergaser wurde

schließlich durch den Spritzvergaser abgelöst.22

3.2.2 Aufbau des Steigstrom-/Flachstrom-/Fallstromspritzvergasers

Erst durch den Steigstrom-Spritzvergaser konnten die grundsätzlichen Aufgaben der Ge-

mischbildung zum Betrieb eines Benzinmotors so zuverlässig erfüllt werden, dass ein eini-

germaßen problemloser Betrieb eines Ottomotors möglich war. Die grundlegenden Aufga-

ben des Vergasers sind „die der Luft zugemischten

Kraftstoffmengen richtig zu dosieren, den Kraftstoff

in der Luft zu zerstäuben und die dem Motor

zugeführte Gemischmenge dem jeweiligen

Leistungsbedarf entsprechend anzupassen.“23 Dieser

grundlegende Aufgabenbereich gilt für alle folgenden

Vergasertypen.

Die prinzipielle Funktion des Steigstrom-

Spritzvergasers gestaltet sich folgendermaßen: Eine

im – als Venturirohr ausgeführten – Ansaugrohr (1)

angebrachte Drosselklappe (5), welche durch den

Fahrer stufenlos geöffnet beziehungsweise ge-

schlossen werden kann, erhöht beziehungsweise

20 Vgl. Grohe 1979, 72 21 Vgl. Grohe 1979, 73 22 Vgl. Grohe 1979, 73 23 Urlaub 1987, 143

Abbildung 3: Steigstromvergaser

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verringert den Luftdurchsatz im Ansaugrohr durch eine Veränderung ihrer Stellung.24 Das

Venturiprinzip besagt, dass an einer verengten Stelle in einem Rohr ein niedrigerer Druck

entsteht als im Bereich des Rohrs mit dem größeren Querschnitt vor und nach der

Verengung, allerdings ist an der verengten Stelle die Durchflussgeschwindigkeit höher.25 In

Ansaugrichtung ist die Drosselklappe hinter der Verengung angebracht. In dem Bereich der

größten Verengung ist die Kraftstoffdüse (2) mit Öffnung in Richtung des Luftstroms

angebracht, dort wird der Kraftstoff mit dem Luftstrom aufgrund der hohen

Durchflussgeschwindigkeit der Luft mitgerissen und vermischt sich mit dieser. Die

Brennstoffdüse ist über ein Rohr mit der Schwimmerkammer (3) verbunden, der

Schwimmer (4) sorgt hier für ein konstantes Kraftstoffniveau durch das oberhalb des

Schwimmers angebrachte Nadelventil.26 Sinkt der Kraftstoffstand, bewegt sich auch der der

Schwimmer nach unten und öffnet durch das Nadelventil den Zulauf zur

Schwimmerkammer sodass Kraftstoff nachströmen kann.

Der Aufbau des Fallstromvergasers ist ähnlich, die Ansaugluft strömt hier allerdings nach

unten. Die Drosselklappe ist unterhalb der Kraftstoffdüse in Richtung Motor angebracht.

Der Flachstromvergaser ist wie der Fallstromvergaser aufgebaut, nur in liegender Bauweise,

das Saugrohr ist waagerecht ausgeführt. Durchgesetzt hat sich der Fallstromvergaser, weil

bei diesem der Gemischstrom nicht entgegen der Schwerkraft strömen muss und dadurch

die zusätzliche Gefahr, dass größere Kraftstoffteilchen wieder ausgeschieden werden,

vermieden wird.27

Abbildung 4: Fall-, Flach-, Steigstromvergaser

Allerdings reicht auch diese prinzipielle Vergaserausführung nicht für den Betrieb eines

Pkw-Motors in allen Betriebszuständen aus.28 Mit diesem Vergaser würde der Ottomotor

lediglich laufen, und dies auch nur auf einem, nach heutigen Verhältnissen, schlechtem Ni-

veau. Es wäre kein Start ohne zusätzliche Einrichtungen möglich, der Leerlauf des Motors

24 Vgl. Wagner / Fischer / Frommann 1981, 100 25 Vgl. Wagner / Fischer / Frommann 1981, 100 26 Vgl. Wagner / Fischer / Frommann 1981, 100 27 Vgl. Grohe 1979, 75 28 Vgl. Wagner / Fischer / Frommann 1981, 101

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wäre ungleichmäßig und der Motorlauf müsste durch den Fahrer stetig über die Drossel-

klappe reguliert werden, das heißt, der Fahrer hält das Luft-/Kraftstoffgemisch auf einem

zündfähigen Verhältnis. Eine Beschleunigung der Motordrehzahl wäre kaum möglich.

„Zwar wird durch das Öffnen der Drosselklappe […] der Unterdruck vergrößert und damit

auch mehr Brennstoff aus der Hauptdüse […] ausströmen, dies genügt jedoch nicht“29 für

die Anforderungen an einen Pkw-Motor. Um unterschiedliche Betriebszustände sicher ge-

währleisten zu können, benötigt der Vergaser zusätzliche Einrichtungen.

Da beim Startvorgang des Motors nur eine kleine Motordrehzahl vorhanden ist und dadurch

der Unterdruck an der geöffneten Drosselklappe sehr niedrig ist und im weiteren Verlauf

des Anlassvorgangs der Kraftstoff an den kalten Wänden niederschlägt und nicht in den

Brennraum gelangt, benötigt der Motor ein sehr fettes Gemisch. Eine weitere oberhalb der

Brennstoffdüse angebrachte Drosselklappe, die sogenannte Starterklappe, bewirkt beim

Start im geschlossenen Zustand einen starken Unterdruck im Ansaugrohr und damit einen

erhöhten Kraftstoffaustritt an der Brennstoffdüse.30

Für einen Leerlaufbetrieb des Ottomotors, ohne regulierende Aktivitäten des Fahrers, benö-

tigt der Vergaser eine Leerlaufdüse. Diese Düse behebt die Problematik des unzureichenden

Unterdrucks im Ansaugrohr durch die annähernd geschlossene Drosselklappe: Es tritt keine

ausreichende Menge Brennstoff aus der Hauptdüse aus. Durch die Leerlaufgemisch-Regu-

lierschraube strömt knapp unterhalb der im Leerlauf geschlossenen Drosselklappe das für

den Leerlauf nötige Luft-/Kraftstoffgemisch aus. Vor dieser Düse gelangt die Ansaugluft

oberhalb der Drosselklappe durch die Leerlaufluftdüse und reichert sich an der

Leerlaufdüse mit Kraftstoff an.31

Da beim Beschleunigen die Drosselklappe schnell geöffnet wird, dadurch aber der Unter-

druck im Saugrohr abfällt und damit nicht mehr ausreichend Brennstoff aus der Brennstoff-

düse fließt, der Motor aber zur Beschleunigung ein ausreichend fettes Gemisch benötigt,

wird am Vergaser eine Beschleunigungspumpe angebracht. Die Beschleunigungspumpe

besteht in der Regel aus einem Hebelmechanismus, der beim schnellen Betätigen des Gas-

pedals über ein Gestänge auf eine Membran drückt. Hinter der Membran befindet sich

Kraftstoff, dieser wird durch eine weitere Düse oberhalb der Brennstoffdüse eingespritzt.32

Die Beschleunigungspumpe ist so aufgebaut, dass sie nur beim schnellen Öffnen der

Drosselklappe Kraftstoff zusätzlich einspritzt, nicht aber beim langsamen Öffnen der

29 Wagner / Fischer / Frommann 1981, 102 30 Vgl. Wagner / Fischer / Frommann 1981, 101 31 Vgl. Wagner / Fischer / Frommann 1981, 102 32 Vgl. Wagner / Fischer / Frommann 1981, 102

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Drosselklappe. Dies wird durch zwei unterschiedlich große Kugelventile im

Kraftstoffzulauf gesteuert.

Abbildung 5: Beschleunigungspumpe (links); Leerlaufregulierung (rechts)

Einige Vergaser unterscheiden sich in der Konstruktion in

Details vom oben beschriebenen einfachen Spritzvergaser

mit Drosselklappe. Statt einer Drosselklappe kann zum

Beispiel auch ein Flachschieber verwendet werden. Dieser

findet vor allem bei leistungsstarken Motoren, die über

mehr als einen Vergaser verfügen, Verwendung.33 Eine

exakt gleichmäßige Öffnung des Luftquerschnitts bei

mehreren Vergasern ist damit ohne eine umfangreiche

Konstruktion aus Stangen und Umlenkungen für die

Betätigung von Drosselklappen einfach hintereinander

33 Vgl. Grohe 1979, 75 f.

Abbildung 6: Flachschieber

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montiert möglich.

Der Doppelvergaser besteht aus zwei Einfachvergasern für getrennte Ansaugrohre, die über

eine gemeinsame Schwimmerkammer mit Kraftstoff versorgt werden. Die Drosselklappen

bewegen sich gleichzeitig. Mit dem Doppelvergaser wird „eine größere Füllung durch einen

insgesamt größeren Querschnitt für die Luft sowie eine verbesserte Gemischverteilung“34

erzielt. Eine weitere und oft genutzte Bauform ist der Registervergaser,

auch Stufenvergaser genannt. Hier liegen zwei Vergaser nebeneinander, sie wirken

allerdings nacheinander. Die erste Stufe wird für den Leerlauf und Teillastbetrieb genutzt,

bei Volllast öffnet sich die Drosselklappe der zweiten Stufe über ein Gestänge oder über

eine Unterdruckverstellung. „Durch sie kann eine bessere Kraftstoffzumessung vor allem

bei geringem Luftdurchsatz erfolgen […]. Durch die Entdrosselung bei hohem

Luftdurchsatz wird eine höhere Leistung erzielt.“35

34 Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 158 35 Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 159

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4. Indirekte Einspritzung

Die grundlegenden Aufgabenbereiche einer indirekten Einspritzung sind gleich mit denen

des Vergasers. Allerdings liegt der entscheidende Unterschied einer indirekten Einspritzung

im Vergleich zu einem Vergaser in der Entnahme des Kraftstoffs: Das Vergaserprinzip

bedient sich des Unterdrucks der vorbeiströmenden Ansaugluft, die Einspritzung nutzt

einen Überdruck im Kraftstoffsystem, welcher durch elektrisch oder mechanisch

angetriebene Pumpen erzeugt wird. Eine Einspritzung benötigt immer einen Regler.36

Die indirekte Einspritzung nennt sich deshalb indirekt, weil sie vor dem Brennraum das

zündfähige Gemisch im Ansaugrohr bildet.37 Sie wird auch als Saugrohreinspritzung

bezeichnet. In den folgenden Unterkapiteln wird die Historie von indirekten Einspritzanla-

gen erläutert sowie auf in der Großserie verwendete Einspritzanlagen eingegangen. Be-

schrieben werden in dieser Arbeit die Produkte der Firma Bosch, zum einen weil dieser

Hersteller Marktführer von Einspritzanlagen war und auch heute noch ist, zum anderen,

weil die Einspritzanlagen vom Prinzip her mit denen anderer Hersteller annähernd gleich

oder sogar identisch sind.

Die indirekte Einspritzung ist gegenwärtig das meistverwendete System bei Pkw-Benzin-

motoren, da Vergaser wegen der gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der Abgase kaum

noch genutzt werden und direkte Einspritzsysteme bei Benzinern erst seit Ende der 1990er

Jahre wieder vereinzelt bei einigen Herstellern eingesetzt werden. Der Aufbau der indirek-

ten Einspritzsysteme ist im Vergleich zur direkten Einspritzung in der Konstruktion einfa-

cher und kostengünstiger gestaltet, die Abgasemissionen sind im Vergleich zum Vergaser

besser durch eine genauere Regulierung des Gemischs.

Allerdings ist eine Weiterentwicklung der indirekten Einspritzung, vor allem in Bezug auf

Abgaswerte und Verbrauch, nur noch marginal möglich, da die Systeme mittlerweile so

ausgereift sind, dass die Hersteller für weitere Verbrauchsoptimierungen den Wirkungsgrad

der Motorkonstruktion optimieren müssten, Entwicklungs- und spätere Produktionskosten

dafür sind aber deutlich höher.

4.1 Historie

Die Geschichte der indirekten Einspritzung in der Pkw-Herstellung beginnt Ende der

1950er Jahre. Mercedes-Benz verbaute im Jahre 1957 die erste mechanische Saugrohrein-

36 Vgl. Beier / Fränkle / Haahtela 1883, 173 37 Vgl. Oder / Ortmann / Mallebrein 2002, 4

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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spritzung im Modell W189 in Serie, sie stammte von der Firma Bosch. General Motors

forschte an der indirekten Einspritzung, das erste Modell mit der elektronischen Einsprit-

zung elektrojector war der Chrysler 300 aus dem Jahr 1958, die Einspritzung stammte vom

Hersteller Bendix.38

Einige Pkw-Hersteller verbauten mechanische und elektronische Saugrohreinspritzanlagen

während der 1960er und Anfang der 1970er Jahre hauptsächlich in Oberklassemodellen und

Sportwagen neben den normalen Vergasermotoren gegen Aufpreis oder ausschließlich für

spezielle Märkte im Ausland. 1967 wurde die von Bendix entwickelte und von Bosch über-

nommene D-Jetronic im Volkswagen 1600 TL für den US-Markt eingeführt.39 Eine weitere

mechanische Einspritzanlage ist die Kugelfischer-Schäfer Benzineinspritzung40, die im

BMW 2000tii ab 1969, im Ford Capri RS2600 ab 1970 und in diversen Peugeot Modellen

verbaut wurde.

In den 1970er Jahren wurden vermehrt indirekte Einspritzanlagen eingesetzt, durchsetzen

konnte sich die Firma Robert Bosch mit unterschiedlichen Einspritzsystemen. Nach der

Bosch D-Jetronic folgte die rein mechanische Bosch K-Jetronic 1973 die unter anderem im

Volkswagen Golf 1 GTI eingesetzt wurde. Sie wurde später zur mechanisch-elektrohyd-

raulischen Variante Bosch KE-Jetronic weiterentwickelt, um Abgasemissionen zu senken.41

Weiter erschienen von Bosch die elektrohydraulische L-Jetronic im Jahre 1974 sowie er-

weiterte Varianten, die LE-Jetronic für den europäischen und LU-Jetronic für den US-

Markt. Eine weitere Version der Bosch L-Jetronic war die Bosch LH-Jetronic.42 Ein

weiterer Hersteller von Einspritzanlagen für Pkw in den 1960er und 1970er Jahren ist unter

anderem Lucas aus Großbritannien.

1979 brachte Bosch die erste kombinierte elektronische Zünd- und Einspritzanlage auf den

Markt, die M-Motronic. Der erste Serien-Pkw mit dieser Einspritzanlage war der BMW

732i.43

In den 1980er Jahren wurde eine weitere kostengünstig herzustellende Einspritzanlage ent-

wickelt: die Zentraleinspritzung – Single-Point-Injection. Sie besitzt nur eine Einspritzdüse

für alle Zylinder, im Gegensatz zu den bisher genannten Einspritzungen mit jeweils einer

Einspritzdüse pro Zylinder – Multi-Point-Injection. Diese Einspritzung sollte die Vergaser

nun auch in der Kompakt- und Kleinwagenklasse verdrängen. General Motors entwickelte

38 Vgl. http://www.kfztech.de/kfztechnik/motor/otto/benzingeschichte.htm, Zugriff 11.08.2008 39 Vgl. http://www.zeit.de/1967/39/VW-mit-Computer, Zugriff 11.08.2008 40 Vgl. Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 175 f. 41 Vgl. http://www.kfztech.de/kfztechnik/motor/otto/benzingeschichte.htm, Zugriff 11.08.2008 42 Vgl. http://www.kfztech.de/kfztechnik/motor/otto/benzingeschichte.htm, Zugriff 11.08.2008 43 Vgl. http://www.bosch.com/content/language1/html/3074_3184.htm, Zugriff 11.08.2008

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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eine Zentraleinspritzung mit dem Namen Multec, Bosch brachte die Mono-Jetronic

beziehungsweise Mono-Motronic auf den Markt.

Einige Pkw-Hersteller entwickelten in den 1980er Jahren eigene Einspritzanlagen für ihre

Pkw. So konstruierte Volkswagen zum Beispiel die Digijet- und Digifant Einspritzanlagen,

letztere mit elektronischer Zündung, für einige Pkw-Modelle wie den Typ 2, Polo, Golf

sowie für einige Audi Modelle. Die Eigenentwicklungen basierten im Funktionsprinzip

allerdings oftmals auf den Einspritzanlagen von Bosch, so ähnelt die Digijet Einspritzung

stark der Bosch L-Jetronic, die Digifant Einspritzung der Bosch LH-Motronic.44 Die

Entwicklung der elektronischen Einspritzanlage wurde durch den immer öfter verwendeten,

und in einigen Ländern schon vorgeschriebenen Dreiwegeabgaskatalysator, beschleunigt.

Gegen Ende der 1980er Jahre fanden sich kaum noch Vergasersysteme in neuen Pkw, An-

fang der 1990er Jahre setzten sich die kombinierten elektronischen Zünd-/Einspritzanlagen

durch, sie waren zuverlässlich, geeignet für geregelte Dreiwegekatalysatoren, kostengünstig

herzustellen und die Wartung wurde durch die mittlerweile übliche Eigendiagnose der Sys-

teme erheblich vereinfacht. Mitte der 1990er Jahre entwickelte Bosch das EGAS-System,

mit dem das Gaspedal elektrifiziert wird45. Damit können die bisher jeweils für sich allein

agierenden weiteren Systeme im Pkw, wie die Anti-Schlupf-Regelung oder das Elektroni-

sche-Stabilitätsprogramm, in das Motor-Management eingreifen, um das Fahrverhalten des

Pkw auch über den Motor beeinflussen zu können. Dies geschah gegen Ende der 1990er

Jahre zunehmend über sogenannte CAN-BUS-Systeme, welche die Steuergeräte

miteinander über ein Bus-Netzwerk verbinden und somit zahlreiche elektrische Leitungen

einsparen können.46

Neben Bosch gibt es noch weitere Hersteller von Saugrohreinspritzanlagen. Gegen Ende

der 1990er Jahre fällt eine Vielzahl von Automobilzulieferern auf, welche mittlerweile

Komponenten für Saugrohreinspritzanlagen für Ottomotoren herstellen. Dennoch basieren

die Saugrohreinspritzanlagen von Siemens, Nippon Denso, AC-Delco oder von Magneti-

Marelli fast immer auf der Idee des Bosch Motronic Systems. Als Beispiel für die unter-

schiedlichsten Kombinationsmöglichkeiten von Herstellern der Komponenten sei hier die

Magneti-Marelli 1AV Einspritzanlage eines 1997er Golf III mit Vierzylinder Ottomotor,

1,6 Liter Hubraum und 55 kW genannt: Die Einspritzdüsen stammen vom Hersteller

Weber; Saugrohrdrucksensor, Lambdasonde und Zündverteiler von Bosch; Zündtrafo und

Drosselklappeneinheit von Siemens-VDO; die Zündkabel von Beru sowie die Zündkerzen

44 Vgl. Volkswagen SSP Nr. 69 1984, 30 f. 45 Vgl. Mechner / Köhler / Michelt 2003, 22 46 Vgl. Robert Bosch GmbH 2003, 68

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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vom japanischen Hersteller NGK. Das Motorsteuergerät ist schließlich von Magneti-

Marelli, der Aufbau der Saugrohreinspritzanlage ist ein klassisches Bosch Motronic

System. Sämtliche Komponenten der Einspritzanlage – lediglich die Einspritzdüsen sind

etwas anders dimensioniert – werden dann schließlich auch beim 1,4-Liter-Motor mit

44 kW verwendet, hier aber mit einem Bosch Motronic MP9.0 Steuergerät.47

Das weitere Entwicklungspotenzial bezüglich Komfort, Kraftstoffverbrauch und Abgas-

emissionen ist gegen Ende der 1990er auf einem niedrigen Niveau angelangt. Einige kon-

struktive Änderungen und Optimierungen, wie die von der Adam Opel AG entwickelte und

ab 2003 serienmäßig in zahlreichen Opel Modellen eingesetzte Twinport-Technologie, be-

wirken zwar noch einmal Einsparmöglichkeiten beim Verbrauch gegenüber konventio-

nellen Systemen48, können sich aber nicht herstellerübergreifend durchsetzen. Die Entwick-

lung geht nun in die Richtung der direkten Einspritzung, bei der Betriebsarten des Motors

möglich werden, welche mit der indirekten Einspritzung technisch nicht realisierbar sind.

4.2 Technik

Indirekte Einspritzanlagen werden in unterschiedliche Systemarten eingeteilt. Diese Sys-

temarten unterscheiden sich im Wesentlichen durch „[…] die Art der Dosierung, Art der

Verteilung auf die Zylinder […] [sowie die] Art der Druckerzeugung voneinander.“49

Die Art der Dosierung zielt auf die unterschiedlichen Systeme der Zumessung der Kraft-

stoffeinspritzmenge. Die Verteilung des Kraftstoffes auf die einzelnen Zylinder ist bei indi-

rekten Einspritzanlagen entweder intermittierend oder kontinuierlich, bei der Art der

Druckerzeugung wird unterschieden, wie der Überdruck im Kraftstoffsystem erzeugt

wird.50

Auf ausgewählte Baureihen der mechanischen, elektronisch und mechanischen sowie der

rein elektronisch betriebenen indirekten Einspritzanlagen wird in dieser Arbeit

eingegangen, um die grundlegende Funktion sowie die wesentlichen Bauteile dieser

indirekten Einspritzanlagen zu erläutern.

Verwendet werden heute nur noch vollständig elektronisch geregelte Einspritzanlagen, in

der Vergangenheit sind allerdings auch mechanische oder mechanisch und elektronisch

gesteuerte Einspritzanlagen bei Pkw-Motoren eingesetzt worden. Der Grund liegt hier in

den Kosten und dem Entwicklungsstand von elektronischen Bauteilen in den 1960er und

47 Vgl. Volkswagen SSP Nr. 168 1995, 2 f. 48 Vgl. http://media.gm.com/de/opel/de/news/pr_old/pressrelease_1432.htm Zugriff 11.08.2008 49 Wagner, Fischer, Fromman 1981, 103 50 Vgl. Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 175 ff.

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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1970er Jahren. Die Elektronik war damals teilweise weniger zuverlässig als ein mechani-

sches System, manchmal aber auch schlichtweg zu langsam und unflexibel für die aus-

schließliche Steuerung einer indirekten Einspritzanlage, weil nur analoge Technik verwen-

det werden konnte51, und schließlich wurde sie von Endverbrauchern zu damaliger Zeit

auch nicht immer akzeptiert. Erst gegen Ende der 1970er Jahre konnte mit dem Einsatz von

Digitaltechnik mit Mikrocontrollern die erste vollelektronische Steuerung einer

kombinierten Zünd- und Einspritzanlage in Großserie realisiert werden. Sie wurde im Laufe

der Zeit mit zusätzlichen Komponenten zur Verbesserung der Wartung, des Komforts und

des Verbrauchs sowie der Abgasemissionen erweitert.52

4.2.1 Aufbau und Funktion der Bosch K-Jetronic

– mechanische indirekte Einspritzanlage –

„Die K-Jetronic (K für kontinuierlich) der Firma Bosch […] ist eine mechanische Anlage

mit elektrisch angetriebener Kraftstoffpumpe […].“53 Bei dieser indirekten Einspritzanlage

wird vor jedem Zylinder über ein mechanisch gesteuertes Einspritzventil kontinuierlich

Kraftstoff eingespritzt.

Abbildung 7: Bosch K-Jetronic

51 Vgl. Mechner / Köhler / Michelt 2003, 37 52 Vgl. Mechner / Köhler / Michelt 2003, 37 53 Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 173

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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Die elektrische Kraftstoffpumpe ist als Rollenzellenpumpe ausgeführt, sie ist mit einem

Überdruck- und Rückschlagventil ausgestattet und fördert bei Motorbetrieb fortwährend

Kraftstoff über die Kraftstoffvorlaufleitung in den Kraftstoffspeicher und Kraftstofffilter

zum Kraftstoffmengenteiler. Der Kraftstoffspeicher hält den von der Kraftstoffpumpe er-

zeugten Kraftstoffüberdruck von 4,7 bar über einen längeren Zeitraum bei abgestelltem

Motor aufrecht und verhindert die Dampfblasenbildung des durch Motor- und Stauwärme

erhitzten Kraftstoffs für einen leichteren Start eines bereits betriebswarmen Motors.54 Der

Kraftstofffilter verhindert Verschmutzungen im Kraftstoffmengenteiler und in den

Einspritzdüsen durch verunreinigtes Benzin.

Der Kraftstoffmengenteiler ist das wichtigste Instrument der Bosch K-Jetronic. Hier wird

die Menge des einzuspritzenden Kraftstoffs über den Steuerkolben, welcher mit je einem

Schlitz pro Zylinder versehen ist, bestimmt. Der Kolben bewegt sich aufwärts oder abwärts

und bestimmt so die Durchflussmenge des Kraftstoffs. Der Steuerkolben ist abhängig von

der Stellung der Stauscheibe im Lufttrichter des Saugrohrs, dem Luftmengenmesser. Die

Stauscheibe arbeitet nach dem Prinzip der Schwebekörper-Durchflussmessung. Durch die

vom Motor je nach Drosselklappenstellung angesaugte Luftmenge wird die Stauscheibe

angehoben oder abgesenkt und überträgt diese Bewegung über einen Hebel auf den Steuer-

kolben. Das Gegengewicht der Luftkraft an der Stauscheibe ist der Steuerdruck am Steuer-

kolben.55 Differenzdruckventile sorgen dafür, dass die Durchflussmenge des Kraftstoffs an

den Differenzdruckventilen lediglich von der Stellung der Steuerschlitze abhängig ist und

halten einen Differenzdruck von 0,1 bar an den Steuerschlitzen. An den Differenzdruck-

ventilen sind die Kraftstoffleitungen zu den Einspritzventilen angeschlossen. Die mechani-

schen Kraftstoffventile spritzen vom Start an kontinuierlich die im Kraftstoffmengenteiler

dosierte Kraftstoffmenge ein, bei einem Kraftstoffüberdruck von 3,3 bar öffnen sie sich. Ein

Systemdruckregler, welcher als Überströmventil ausgelegt ist, hält den Systemdruck der

Anlage im Betrieb konstant auf 4,7 bar, der vom Motor nicht verbrauchte, aber zum Druck-

aufbau nötige Kraftstoff läuft über die Rücklaufleitung zurück zum Kraftstofftank.56

Um das Gemisch den Betriebszuständen anzupassen „hat der Lufttrichter […] drei kegel-

stumpfförmige Ansätze mit verschiedenen Steigungswinkeln. Der untere und der obere, die

am steilsten sind, bewirken bei gleicher Luftmengenänderung ein stärkeres Anheben der

Stauplatte […]. Das Gemisch für Volllast und Leerlauf wird […] fetter“57.

54 Vgl. Grohe 1979, 88 55 Vgl. Grohe 1979, 91 56 Vgl. Küttner 1984, 313 57 Küttner 1984, 314

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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Für den Kaltstart nutzt die Bosch K-Jetronic ein zusätzliches Elektrostartventil, welches

über einen Thermozeitschalter gesteuert wird. Unterhalb einer bestimmten Kühlwassertem-

peratur oder, bei luftgekühlten Motoren, unterhalb einer bestimmten Zylinderkopftempera-

tur spritzt das Elektrostartventil zusätzlich Kraftstoff in das Saugrohr. Für den Motorwarm-

lauf wird über einen Warmlaufregler der Systemdruck von gewöhnlich 3,7 bar auf bis zu

0,5 bar abgesenkt. Durch den niedrigeren Systemdruck vermindert sich der Gegendruck des

Steuerkolbens, dadurch kann dieser durch die Stauscheibe leichter betätigt werden, es fließt

mehr Kraftstoff durch die Steuerschlitze.58 Der Warmlaufregler arbeitet mit einer elektrisch

betriebenen Bimetallfeder, wodurch der Regler nach der Warmlaufzeit abgeschaltet wird.

Zusätzlich sorgt ein Zusatzluftschieber für eine erhöhte Motordrehzahl während der Warm-

laufphase. Ein im kalten Zustand geöffnetes Ventil versorgt den Motor zusätzlich mit Luft

durch einen Bypass an der geschlossenen Drosselklappe. Diese Luft wird ebenfalls von der

Stauscheibe gemessen. Ein Drehschieber verändert durch einen elektrisch beheizten Bime-

tallstreifen während der Warmlaufphase seine Position und sperrt dadurch den Bypass.59

4.2.2 Aufbau und Funktion der Bosch L-Jetronic

– elektrische indirekte Einspritzanlage –

Die Bosch L-Jetronic ist eine Weiterentwicklung der ebenfalls elektronischen, aber druck-

gesteuerten Bosch D-Jetronic. Sie spritzt intermittierend in das Saugrohr ein. Die Bosch L-

Jetronic nutzt für die Aufbereitung des Gemisches allerdings statt eines Druckfühlers einen

Luftmengenmesser. Der Luftmengenmesser misst die vorbeiströmende Luftmenge über

eine Stauklappe, welche

mechanisch an ein

Potentiometer

angeschlossen ist und

somit die Bewegung

überträgt. Das

elektronische Steuergerät

besteht unter anderem aus

integrierten Schaltkreisen,

durch Verwendung von

58 Vgl. Grohe 1979, 91 59 Vgl. Grohe 1979, 91

Abbildung 8: Blockschaltbild L-Jetronic

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Hybridbausteinen wurde die Anzahl der elektronischen Bauteile im Vergleich zur Bosch D-

Jetronic gesenkt und gleichzeitig die Zuverlässigkeit verbessert.60 Die Verarbeitung der

jeweiligen Signale wird im Blockschaltbild auf Seite 19 ersichtlich.

Der Kraftstoff wird durch die Vorlaufleitung mit einer elektrisch betriebenen Kraftstoff-

pumpe durch den Filter über einen Druckregler, welcher den Systemdruck von 2,5 bar im

Verhältnis zum Saugrohrdruck hält, zu den elektromagnetisch gesteuerten Einspritzventilen

gepumpt.61 Überschüssiger Kraftstoff fließt durch den Druckregler über die Rücklaufleitung

wieder in den Kraftstoffbehälter. Die Einspritzventile „öffnen [simultan] in Abhängigkeit

von der Motordrehzahl zweimal je Arbeitstakt und werden vom Unterbrecherkontakt im

Zündverteiler ausgelöst […]“62. Damit die Verdampfungszeiten für den vorgelagerten

Kraftstoff verringert werden, wird pro Arbeitstakt jeweils nur die halbe benötigte

Kraftstoffmenge eingespritzt. Die Öffnungsdauer der Einspritzventile wird durch das

elektronische Steuergerät bestimmt und wird hauptsächlich aus den Signaldaten des Luft-

mengenmessers und der Motordrehzahl ermittelt.63

Der Luftmengenmesser ist im Saugrohr angebracht und besteht aus einer Stau- und einer

Kompensationsklappe, beide Klappen sind fest miteinander verbunden und drücken gegen

eine weiche Feder. Steigt die angesaugte Luftmenge an, öffnet sich die Stauklappe und die

Kompensationsklappe bewegt sich gegen ein Dämpfungsvolumen, wodurch eine uner-

wünschte Pulsation der Stauklappe durch Saughübe vermieden wird.64 Durch die Verände-

rung der Stellung ändert sich das Spannungssignal für das Steuergerät durch das Potentio-

meter. Zusätzlich ist ein Temperatursensor angebracht, welcher die Temperatur des Luft-

stromes misst und das Signal an das Steuergerät liefert.

Die Drosselklappe besitzt einen Leerlauf- und Volllastschalter. Die Schalter sind ebenfalls

elektrisch mit dem Steuergerät verbunden und dienen der Volllastanreicherung des Gemi-

sches sowie der Schubabschaltung, bei der kein Kraftstoff im Schubbetrieb eingespritzt

wird.65

Für die Start- und Warmlaufphase des Motors wird zusätzlich zum Thermoschalter im

Kühlwasserkreislauf beziehungsweise Zylinderkopf bei luftgekühlten Motoren ein Tempe-

raturfühler eingesetzt. Der Thermoschalter bewirkt ein zusätzliches Einspritzen von Kraft-

stoff in das Saugrohr über das Kaltstartventil, der Temperaturfühler übermittelt dem Steuer-

60 Vgl. Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 238 61 Vgl. Grohe 1979, 93 62 Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 178 63 Vgl. Grohe 1979, 95 64 Vgl. Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 178 65 Vgl. Grohe 1979, 95

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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gerät kontinuierlich die aktuelle Temperatur des Kühlwassers beziehungsweise Zylinder-

kopfes zur Berechnung der Einspritzmenge von Kraftstoff durch die Einspritzventile. Beim

Kaltstart und während der Warmlaufphase wird die Einspritzzeit verlängert. Für die Luft-

versorgung im Leerlaufbetrieb befinden sich eine Bypassleitung an der Stauklappe sowie

eine Bypassleitung an der Drosselklappe. Während des Warmlaufbetriebs ist ein von der

Kühlwassertemperatur abhängiger Zusatzluftschieber aktiv, welcher, wie bei der Bosch

K-Jetronic, die Luftmenge durch einen weiteren Bypass an der Drosselklappe erhöht.66

Abbildung 9: Bosch L-Jetronic

Die Bosch L-Jetronic bietet im Vergleich zur Bosch D-Jetronic „[…] eine besser abge-

stimmte Zumessung der Kraftstoffmenge zur angesaugten Luftmenge […]“67 weil „[…]

eine besondere Gemischanreicherung beim Beschleunigen wie bei der D-Jetronic […] nicht

notwendig [ist], da die Stauklappe im Luftmengenmesser ohne Verzögerung auf jede Ände-

rung der Drosselklappenstellung anspricht.“68

66 Vgl. Grohe 1979, 93 67 Grohe 1979, 95 68 Grohe 1979, 95

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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4.2.3 Aufbau und Funktion der Bosch LH-Jetronic

– elektrische indirekte Einspritzanlage –

Die Bosch L-Jetronic wurde weiterentwickelt: Mit der Bosch LH-Jetronic konnte die Prob-

lematik der Luftvolumenmessung mittels Luftmengenmesser, bei der die Luftmasse nicht

berücksichtigt wird, durch den Einsatz eines Luftmassenmessers behoben werden. Der

Luftmassenmesser wird in zwei Ausführungen verwendet: als Hitzdraht-Luftmassenmesser

oder als Heißfilm-Luftmassenmesser. „Gemessen wird [beim Hitzdraht-Luftmassenmesser]

die in ein Spannungssignal umgewandelte Stromstärke, die zur Einhaltung der Temperatur

– d. h. des ohmschen Widerstandes – eines elektrisch beheizten und durch die vorbeiströ-

mende Luft gekühlten Drahtes erforderlich ist.“69 Der Heißfilm-Luftmassenmesser besteht

aus einer elektrischen Brückenschaltung von drei Widerständen, welche als dünner Film auf

einer Keramikschicht aufgebracht sind. Die Temperatur des Heizwiderstandes wird mit

einer veränderlichen Spannung auf 160 °C über die der Ansaugluft, welche vom Tempera-

turwiderstand für die Ansaugluft ermittelt wird, gebracht. Durch den Luftmassendurchsatz

wird der Heizwiderstand mehr oder weniger abgekühlt, ein Sensorwiderstand misst dabei

die Spannungswerte, die der Heizwiderstand zum Erhalten der Temperatur von 160 °C be-

nötigt. Diese Regelspannung wird durch eine Elektronik zu einem Signal für das Mo-

torsteuergerät aufbereitet, welches daraus die angesaugte Luftmasse errechnet.70 Die

Drosselklappe besitzt im Gegensatz zu früheren Systemen keine separaten Schalter für die

Erkennung von bestimmten Betriebszuständen, sondern übermittelt die Stellung der Dros-

selklappe ausschließlich über ein Potentiometer.

Die Ansteuerung der Einspritzventile bei der Bosch LH-Jetronic erfolgt nun nicht mehr

simultan, sondern sequenziell71, jedes Einspritzventil wird vom Steuergerät gesondert ange-

steuert, alle Ventile haben aber die gleiche Öffnungsdauer.

4.2.4 Aufbau und Funktion der Bosch ME-Motronic

– vollelektronische Einspritz- und Zündanlage mit E-Gas –

Im folgenden Kapitel werden die wesentlichen Bauteile des Bosch Motronic Systems er-

läutert, am Beispiel des vollelektronischen Einspritzsystems Bosch ME-Motronic werden

am Ende des Kapitels die Zusammenhänge dieser Komponenten deutlich gemacht.

Durch den Fortschritt in der Halbleitertechnik, der fortschreitenden Entwicklung von ein-

zelnen Komponenten der Einspritzanlagen und die immer schärfer werdenden Abgasvor-

69 Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 179 70 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 261 71 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 272

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schriften entwickelte Bosch die Motronic. „Sie integrierte die Funktionalität des Einzelein-

spritzsystems Jetronic mit einer elektronischen Kennfeldzündung.“72 Dadurch können beide

Systeme besser aufeinander abgestimmt werden und der konstruktive Aufwand verringert

sich.73 Die Bosch Motronic wird aufgegliedert in unterschiedliche Bauteilgruppen: das Mo-

torsteuergerät, die Sollwertgeber, die Sensoren und die Aktoren. Während die Sensoren

physikalische und chemische Größen erfassen und dem Motorsteuergerät diese Werte als

elektrische Signale liefern74, werden diese in Algorithmen im Steuergerät – unter anderem

bestehend aus Funktionsrechner und Programmspeicher – unter Berücksichtigung der Soll-

wertgeber – unter anderem des elektronischen Gaspedals – in Signalverläufe verarbeitet.

Mit diesen Signalverläufen werden die elektrischen oder elektromagnetischen Ventile, Re-

lais und Stellmotoren, die Aktoren, angesteuert und beeinflussen dadurch gezielt den Mo-

torlauf.75 Ein großer Vorteil der Bosch Motronic ist die variable Bauweise was die ge-

wünschten Komponenten anbelangt. So ist „[…] der Übergang von einem pneumatischen

auf einen elektrischen Stellantrieb ohne Änderung der übergeordneten Steuerungsfunktio-

nen darstellbar.“76 Die Integration von weiteren – nicht für einen Motorbetrieb zwingend

notwendigen – Bauteilen wie eine Abgasrückführung, Nockenwellenverstellung, variable

Saugrohrgeometrie oder ein Sekundärluftsystem ist für Kraftfahrzeughersteller einfach

möglich. So können kostengünstig Motoren für Länder mit weniger starken Emissions-

schutzauflagen hergestellt werden, weil das Weglassen von bestimmten Anbauteilen der

Einspritzung kaum konstruktive Veränderungen mit sich bringt. Es ist daneben aber

möglich, auf dem gleichen Motorrumpf auch leistungsstärkere und/oder emissionsärmere

Motoren mit der gleichen Einspritzanlage, aber einer umfangreicheren Anzahl an Sensoren

und Aktoren und dem entsprechend angepassten Motorsteuergerät herzustellen. Das Motor-

steuergerät wird dabei lediglich softwaretechnisch geändert, die Hardware des Motorsteuer-

geräts wird nicht geändert.

Die Grundfunktionen der Motorsteuergeräte sind über definierte Schnittstellen festgelegt.

Dadurch ist es möglich, dass ein Fahrzeughersteller eigene Software für verschiedene Fahr-

zeugtypen verwendet.77 Aufgrund der hohen Speicherkapazitäten der Flash-Speicher in Mo-

torsteuergeräten ist es mittlerweile möglich, dass sämtliche herstellerspezifische Ausstat-

72 Robert Bosch GmbH 2003, 5 73 Vgl. Tabellenbuch Kraftfahrzeugtechnik 2004, 237 74 Vgl. Robert Bosch GmbH 2003, 6 75 Vgl. Robert Bosch GmbH 2003, 38 76 Robert Bosch GmbH 2003, 82 77 Vgl. Robert Bosch GmbH 2003, 84

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

24

tungsvarianten, wie zum Beispiel eine Tempomatfunktion, bereits im Motorsteuergerät ab-

gelegt sind und über eine Codierung aktiviert oder deaktiviert werden können.

Abbildung 10: Blockschaltbild Bosch ME-Motronic

Die Bosch ME-Motronic benötigt als Hauptsteuergröße einen Sensor zur Erfassung der

Motorlast, dafür verwendet werden können der bereits von der Bosch LH-Jetronic bekannte

Luftmassen- oder Luftmengenmesser, der Saugrohrdrucksensor und / oder das Drosselklap-

penpotentiometer. Es kann dabei nur ein Sensor, wie zum Beispiel der Luftmassenmesser,

aber auch mehrere Sensoren, wie der Saugrohrdrucksensor in Kombination mit dem Dros-

selklappenpotentiometer, zur Erfassung der Motorlast genutzt werden.78

Durch die Elektrifizierung des Gaspedals ist die ursprüngliche Betätigung der Drossel-

klappe über einen Bowdenzug durch Potentiometer am Gaspedal sowie Stellmotoren und

dem bereits vorhandenen Potentiometer an der Drosselklappe ersetzt worden. Die elektri-

sche Steuerung der Stellmotoren zur Betätigung der Drosselklappe erfolgt durch das Mo-

torsteuergerät. Der Grund für den Einsatz des elektronischen Gaspedals ist die Beeinflus-

78 Vgl. Robert Bosch GmbH 2003, 14

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

25

sung des Motordrehmoments durch das Motorsteuergerät, unabhängig von der tatsächlichen

Gaspedalstellung. Diese Beeinflussung wird benötigt, um Abgasemissionen und Verbrauch

zu optimieren, aber auch um die Funktion von sicherheitsrelevanten Systemen im Pkw zu

unterstützen. Zusätzliche vom Fahrer beeinflusste Sollwertsysteme wie die Geschwindig-

keitsregelanlage können so ebenfalls mit geringem Aufwand in die Motorsteuerung eingrei-

fen.79

Die Drosselklappenstellung wird – wie schon von der Bosch LH-Jetronic bekannt – über

ein Drosselklappenpotentiometer dem Steuergerät übermittelt. Durch den an der

Drosselklappeneinheit angebrachten Elektromotor zur Steuerung der Stellung der

Drosselklappe durch das elektronische Gaspedal entfällt ein separater Leerlaufsteller oder

ein Bypass an der Drosselklappe, weil der bereits vorhandene Elektromotor die Stellung der

Drosselklappe für den Leerlaufbetrieb übernehmen kann.80

Die Zündanlage kann als rotierende Hochspannungsverteilung – bestehend aus einem me-

chanisch angetriebenen Zündverteiler mit Zündtrafo – oder als ruhende Spannungsvertei-

lung – jeweils eine Stabzündspule pro Zündkerze beziehungsweise eine Zweifunkenzünd-

spule, die zwei Zündkerzen von einer gemeinsamen Zündspule versorgt – ausgeführt wer-

den.81 Um einer klopfenden Verbrennung, also einer unkontrollierten Verbrennung durch

Selbstentzündung des Kraftstoff-Luft-Gemisches im Zylinder,82 entgegenwirken zu können,

wird ein Klopfsensor am Motorblock angebracht. Der Klopfsensor besteht aus einer Piezo-

keramik, welche durch eine seismische Masse mit Druck beaufschlagt wird. Der Piezokris-

tall erzeugt dabei je nach Stärke des Drucks elektrische Spannungen, die dem Motorsteuer-

gerät zugeführt werden. Diese elektrische Spannung veranlasst das Motorsteuergerät bei

bestimmten Schwellenwerten zu einer Rücknahme des Zündzeitpunktes. Tritt keine klop-

fende Verbrennung mehr auf, wird der Zündzeitpunkt in kleinen Schritten wieder vorge-

stellt auf einen gespeicherten Kennfeldwert. Tritt wiederholt eine klopfende Verbrennung

ein, nutzt das Steuergerät einen weiteren gespeicherten Kennfeldwert für niedrigoktanigen

Kraftstoff. So ist es möglich, einen Motor, welcher für den Betrieb mit Super Plus Benzin

98 ROZ ausgelegt ist, mit Super Benzin 95 ROZ zu betreiben.83

Ein zusätzlicher Ansauglufttemperaturfühler im Saugrohr erfasst die die momentane An-

sauglufttemperatur kurz vor dem Zylinderkopf. Der zusätzliche Ansauglufttemperaturgeber

im Saugrohr ist notwendig, weil sich die angesaugte Luft durch das Saugrohr, welches sich

79 Vgl. Robert Bosch GmbH 2003, 8 ff. 80 Vgl. Robert Bosch GmbH 2003, 22 81 Vgl. Robert Bosch GmbH 2002, 74 f. 82 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 561 83 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 562

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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durch abstrahlende Motorwärme erhitzt, zusätzlich erwärmt. Dadurch ist eine genauere Be-

rechnung der Einspritzmenge möglich, weil sich der Kraftstoff je nach Temperatur unter-

schiedlich mit der angesaugten Luft vermischt.

Der Motordrehzahlfühler, ein Induktivgeber, ermittelt die Motordrehzahl am Kurbelwellen-

rad. Anhand einer weiteren Bezugsmarke am Kurbelwellenrad wird außerdem der obere

Totpunkt des Zylinders 1 erkannt. Ein weiterer Bezugsmarkengeber befindet sich an der

Nockenwelle, dieser nach dem Hall-Prinzip funktionierende Geber ermittelt zusammen mit

dem Motordrehzahlfühler an der Kurbelwelle die Zündstellung des ersten Zylinders im obe-

ren Totpunkt, um Einspritz- und Zündzeitpunkt dem richtigen Zylinder zuordnen zu

können. Dies ist wichtig für die Zünd- und Einspritzanlage, ohne das Signal der beiden

Fühler ist ein Betrieb des Motors nicht möglich. Besonders wichtig wird das

Zusammenspiel bei Verwendung einer variablen Nockenwellenverstellung durch die sich

ständig ändernden Steuerzeiten des Motors. Aber auch beim Verschleiß der mechanischen

Komponenten des Riemen- oder Kettentriebs der Nockenwellensteuerung und den dadurch

veränderten Steuerzeiten kann in einem begrenzten Rahmen mit einer angepassten Be-

rechnung des Gemischs entgegengewirkt werden.

Zur Verbesserung der Abgasemissionen und für

den Betrieb eines Dreiwegekatalysators ist eine

Lambdasonde notwendig. Der Katalysator wan-

delt bei λ = 0,995 bis λ = 1,005 – dem Lambda-

fenster – circa 98 % der Verbindungen NOx, CO

und HC zu CO2, H2O und N2 um.84

Dabei muss der Katalysator eine Temperatur

zwischen 400 °C und 800 °C aufweisen. Gleiches gilt für die Lambdasonde, sie übermittelt

dem Motorsteuergerät den Unterschied zwischen magerem und fettem Gemisch über ein

Spannungssignal.85

Lambdasonden wurden bis Ende der 1990er Jahre als Zweipunktsonden, auch Span-

nungssprungsonden genannt, verbaut. Im Lambdafenster steigt und sinkt die Spannung zwi-

schen circa 0,9 Volt und 0,1 Volt je nach Gemischzusammensetzung sprunghaft in Rich-

tung λ < 1 bei fettem Gemisch beziehungsweise in Richtung λ > 1 bei magerem Gemisch.86

84 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 315 85 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 316 86 Vgl. Robert Bosch GmbH 2003, 63

Abbildung 6: Spannungssprungsonde

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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Bei der Bosch Motronic kann über die Ansteuerung der Einspritzventile der Lambdawert

beeinflusst werden. Ist das Gemisch fett, also λ < 1, wird die Einspritzzeit der Einspritzven-

tile durch das Motorsteuergerät verkürzt und der Sauerstoffgehalt im Abgas steigt wieder in

Richtung λ > 1. Da das Gemisch nun mager ist, wird die Einspritzzeit wieder etwas verlän-

gert, indem das Motorsteuergerät die Öffnungszeiten der Einspritzventile verlängert.87 Die

Regelfrequenz bei erhöhter Motorleerlaufdrehzahl – circa 2000 Umdrehungen pro Minute –

liegt in der Regel bei größer als 1 Hertz. Das Spannungssignal muss also zwischen 0,1 Volt

(mageres Gemisch) und 0,9 Volt (fettes Gemisch) mindestens einmal gependelt haben.88

Die Lambdasonde wurde schon vor Erfindung der Bosch M-Motronic als zusätzliche

Komponente bei diversen Einspritzanlagen verwendet, so wurde die rein mechanische

Bosch K-Jetronic durch die Erweiterung mit einer Lambdasonde, einem Motorsteuergerät

und einem elektro-hydraulischen Drucksteller (statt des hydraulischen Systemdruckreglers)

zur teilelektrischen Einspritzanlage Bosch KE-Jetronic, welche durch diesen Regelkreis das

Gemisch anpassen konnte.89

Verwendet werden mittlerweile überwiegend Breitband-Lambdasonden, oftmals auch in

Kombination mit einem weiteren Katalysator, dem Vorkatalysator, im Abgasstrang. Breit-

bandlambdasonden liefern im Gegensatz zur Spannungssprung-Lambdasonde ein stetiges

Spannungssignal, die Lambdaregelung kann schneller auf eine Änderung des Gemischs

reagieren, das Regelverhalten ist dynamischer.90 Einige Abgasvorschriften verlangen

zusätzlich die Überprüfung der Katalysatorfunktion. Diese wird mit einer zweiten Lambda-

sonde hinter dem Katalysator realisiert, das Motorsteuergerät vergleicht modellierte Amp-

lituden der vor dem Katalysator angeordneten Lambdasonde mit den Amplituden der

Lambdasonde hinter dem Katalysator. Die Amplituden der Lambdasonde vor dem Kataly-

sator müssen durch das Steuergerät modelliert werden, weil hierbei eine Breitbandlambda-

sonde mit einem stetigen Spannungsverlauf zum Einsatz kommt. Übersteigen die Amplitu-

den der Lambdasonde nach dem Katalysator die modellierten Amplituden der Lambda-

sonde vor dem Katalysator91, so schaltet sich die für den Fahrer sichtbare Diagnoselampe an

und es wird ein entsprechender Text im Fehlerspeicher des Motorsteuergeräts hinterlegt.

Eine weitere Möglichkeit, die Schadstoffemissionen zu verringern, ist die Rückführung von

bereits verbrannten Gasen in den Zylinder, die Verbrennungshöchsttemperatur sinkt da-

87 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 316 88 Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 317 89 Vgl. Volskwagen SSP Nr. 69 1984, 16 ff. 90 Vgl. Robert Bosch GmbH 2002, 87 91 Vgl. Robert Bosch GmbH 2003, 57

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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durch. „Dadurch entstehen bei der Verbrennung deutlich weniger Stickoxide (bis zu

40%).“92

Durch die Ventilüberschneidung von Auslass- und Einlassventil wird eine geringe Menge

von Abgasen ohne zusätzliche Einrichtungen wieder der Verbrennung zugeführt. Bei der

sogenannten äußeren Abgasrückführung wird über einen Bypass der Abgasstrang mit dem

Saugrohr verbunden, der Bypass mündet in Ansaugrichtung hinter der Drosselklappe, er

wird über ein Abgasrückführungsventil geöffnet und verschlossen. Das Öffnen und Schlie-

ßen steuert das Motorsteuergerät in Abhängigkeit des Betriebszustandes, nicht aktiv ist

diese zusätzliche Abgasrückführung bei Kaltstart, Warmlauf, Leerlauf und Volllast.93 Damit

der Katalysator beim Kaltstart und Warmlauf schneller aufheizt, bläst eine Sekundärluft-

pumpe Frischluft in den Abgaskrümmer, um das fette Gemisch mit einer exothermen Reak-

tion nachzuverbrennen. Dabei werden gleichzeitig CO und HC reduziert.94 Ein

Sekundärluftventil „[…] schützt die Sekundärluftpumpe und verhindert […][, dass] heiße

Abgase in die Pumpe einströmen.“95

Eine weitere Auflage im Rahmen des Umweltschutzes und der bestehenden Abgasnormen

ist das geschlossene Kraftstoffsystem, bei dem auch Kraftstoffdämpfe nicht in die freie

Natur gelangen dürfen. Dämpfe aus dem Kraftstoffbehälter werden über einen Zwischen-

speicher, dem Aktivkohlefilter, und einem Tankentlüftungsventil kontrolliert dem Ansaug-

system zugeführt. Das Tankentlüftungsventil ist als Magnetventil ausgeführt und wird vom

Motorsteuergerät während des Betriebs angetaktet.96 Belüftet werden der Aktivkohlefilter

und der Kraftstofftank über ein zum Tankentlüftungsventil parallel geschaltetes

Absperrventil. Mit einem Differenzdrucksensor im Kraftstoffbehälter überwacht das

Motorsteuergerät den Innendruck des Kraftstoffbehälters, um Leckagen im

Kraftstoffsystem zu erkennen.

Sämtliche Aktoren, Sensoren und Sollwertgeber werden durch das Eigendiagnosesystem

überwacht. Falls während des Betriebs Geber oder Aktoren ausfallen, ist es dennoch mög-

lich, den Motor eingeschränkt in Betrieb zu halten. Bemerkt das Steuergerät den Ausfall

eines Gebers oder Aktors durch ein unplausibles Signal oder einen Kurzschluss nach Masse

oder Plus, rechnet es im Falle eines defekten Gebers mit voreingestellten Ersatzwerten

weiter oder orientiert sich an Werten anderer Geber, im Falle des Ausfalls eines der

Aktoren wird dieser durch das Motorsteuergerät deaktiviert oder ignoriert. Bis auf die bei-

92 Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 314 93 Vgl. Tabellenbuch Kraftfahrzeugtechnik 2004, 251 94 Vgl. Robert Bosch GmbH 2002, 88 95 Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 278 96 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 270

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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den Drehzahlfühler an Kurbelwellenrad und Nockenwelle ist dies bei allen Gebern möglich.

Im Falle eines Ausfalls des Saugrohrdrucksensors kann die Bosch Motronic über die Dros-

selklappenstellung einen Ersatzwert aus einem vorher einprogrammierten Kennfeld über-

nehmen. Fällt zum Beispiel ein Temperatursensor aus, nutzt das Steuergerät einen Ersatz-

wert, welcher den meist genutzten Betriebsbereich ungefähr abdeckt oder es orientiert sich

am Wert des Ansauglufttemperaturgebers. Der Motor läuft in diesen Fällen im sogenannten

Notlauf. In diesem Betriebsbereich verschlechtern sich die Abgaswerte und der Motor kann

schlechte Start- oder Betriebseigenschaften wie Stottern, Leistungsverlust oder unrunder

Motorlauf im Leerlauf aufweisen.97 Fallen mehrere Geber, Aktoren oder Teile aus beiden

Gruppen aus, ist es möglich, dass ein Motorlauf gar nicht erst möglich ist und der Motor

sich folglich nicht starten lässt oder während des Betriebs stoppt. Bei jeder Störung wird ein

entsprechender Fehlertext im Steuergerät gespeichert, je nach Art der Störung als spora-

disch auftretender oder als dauerhafter Fehler. Beeinflusst die Störung die Abgaszusam-

mensetzung oder droht dauerhafter Schaden an der Mechanik, leuchtet zusätzlich eine

Kontrollleuchte im Sichtbereich des Fahrers auf. Der Fehlerspeicher kann über eine ein-

heitliche Diagnoseschnittstelle, der sogenannten OBD-Schnittstelle, mit einem Diagnose-

computer gesichtet und gelöscht werden. Weitere Funktionen der On-Board-Diagnose sind

unter anderem eine Stellglieddiagnose, bei der einzelne Aktoren der Einspritzanlage bei

Motorstillstand angesteuert werden, um ihre elektrische Funktion überprüfen zu können.98

Die Codierung, mit der das Motorsteuergerät entsprechend der Ausstattung des Fahrzeugs

konfiguriert werden kann. Einzelne Messwertgruppen, welche Werte von Sensoren der

Einspritzanlage im Klartext anzeigen sowie die Adaptionsmöglichkeit, mit der

Grundeinstellungen von Aktoren vorgenommen werden.

Das Zusammenspiel der Bosch ME-Motronic-Komponenten gestaltet sich in den folgenden

Betriebszuständen wie folgt:

Der Kraftstoff wird über das Vorlaufrohr mittels einer elektrischen Kraftstoffpumpe durch

den Kraftstofffilter gepumpt und sammelt sich in einem Verteilerrohr, an die elektromag-

netische Einspritzventile des Saugrohrs angeschlossen sind. Ein vom Saugrohrdruck ab-

hängiger Kraftstoffdruckregler hält einen Druck von 3 bar im Kraftstoffsystem, nicht ge-

nutzter Kraftstoff fließt über die Rücklaufleitung wieder zurück in den Kraftstofftank. Die

Entlüftung des Kraftstofftanks mündet in den Aktivkohlebehälter, welcher wiederum über

eine Schlauchleitung an das Tankentlüftungsventil am Saugrohr angeschlossen ist.

97 Vgl. Volkswagen SSP Nr. 168 1994, 16 ff. 98 Vgl. Volkswagen SSP Nr. 196 1998, 30 ff.

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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Beim Kaltstart wird aufgrund der geringen Verdampfungsneigung und der starken Konden-

sationsneigung des Kraftstoffs im Ansaugtrakt das Luft-Kraftstoff-Gemisch über eine Ver-

längerung der Einspritzzeit angefettet. Um die Länge der Einspritzzeit zu berechnen, nutzt

das Steuergerät hauptsächlich die Werte des Ansaugluft- und Motortemperaturfühlers. Die

Einspritzventile arbeiten zusätzlich während des Startvorgangs sowie in den ersten Sekun-

den des Warmlaufs auf allen Zylindern simultan. Während der ersten Umdrehungen durch

den Anlasser beim Startvorgang ermittelt das Steuergerät über den Kurbelwellen- und No-

ckenwellensensor den oberen Totpunkt des ersten Zylinders, um die korrekten Zünd- und

Einspritzzeitpunkte der Zylinder zu bestimmen.99

Befindet sich der Motor im Warmlauf, schaltet das Steuergerät wieder auf die sequenzielle

Einspritzung um. Die Drosselklappe steht während des Warmlaufs etwas weiter offen als

im Leerlauf bei betriebswarmem Motor, dies ist nötig, um die höhere innere Reibung des

kalten Motors zu überwinden und den Katalysator sowie die Lambdasonde mittels der hö-

heren Leerlaufdrehzahl schneller aufzuheizen. Das Motorsteuergerät öffnet das Sekundär-

luftventil und aktiviert die Sekundärluftpumpe, welche nun zusätzlich Luft in den Abgas-

strang pumpt. Durch die Luft heizt sich der Katalysator zusätzlich schneller auf, die hohen

CO- und HC-Werte durch den bei Warmlauf im Bereich λ < 1 laufenden Motor werden

durch eine thermische Nachverbrennung gesenkt. Die Lambdaregelung ist während des

Startvorgangs und Warmlaufs nicht aktiv, die Werte der Lambdasonde werden bis zu einer

bestimmten Motortemperatur ignoriert. Dies ist nötig, weil eine aktive Lambdaregelung

während der Warmlaufphase das nötige fette Gemisch in ein zu mageres Gemisch ändert

und der Motor deshalb schlechte Laufeigenschaften aufweisen würde.100 Außerdem

benötigt die Lambdasonde eine bestimmte Eigentemperatur, um korrekt arbeiten zu können.

Damit diese Temperatur möglichst schnell erreicht ist, wird die Lambdasonde zusätzlich

durch eine elektrische Heizung während des Warmlaufs beheizt.

Haben der Motor sowie die Lambdasonde ihre Betriebstemperatur – je nach Motorausle-

gung circa 80 °C Kühlwassertemperatur und circa 400 °C Lambdasondentemperatur – er-

reicht, wird die Lambdaregelung aktiv, die Sekundärluftpumpe abgeschaltet und das Se-

kundärluftventil geschlossen. Die Einspritzzeiten verkürzen sich insgesamt mit steigender

Motortemperatur, das für die Funktion des Dreiwegekatalysators nötige stöchiometrische

Luft-Kraftstoff-Gemisch λ = 1 wird bei Leerlauf- und Teillastbetrieb durch die Lambda-

regelung eingehalten. Die Leerlaufdrehzahl wird durch den Stellmotor der Drosselklappe in

einem vom Steuergerät vordefinierten Bereich gehalten. Betätigt der Fahrer das elektroni- 99 Vgl. Volkswagen SSP 168 1994, 10 100 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 278 ff.

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sche Gaspedal, wird im Motorsteuergerät die gewünschte Öffnung der Drosselklappe je

nach Geschwindigkeit der Betätigung, der aktuellen Stellungsposition des Gaspedals sowie

dem aktuellen Betriebszustand des Motors über hinterlegte Kennfelder so veranlasst, dass

das nötige und sinnvolle Drehmoment des Motors unter Berücksichtigung der Abgasemis-

sionen zur Verfügung gestellt wird. Das Tankentlüftungsventil wird nun im Teillastbereich

durch das Motorsteuergerät aktiviert und führt die im Aktivkohlefilter zwischengespei-

cherten Kraftstoffdämpfe ebenfalls der Verbrennung zu. Während der Erhöhung der Motor-

drehzahl ändert sich auch der gewünschte Zündzeitpunkt der Zündanlage, je nach Motor-

drehzahl und Motorlast muss dieser in Richtung früh oder spät wandern. Der Zündzeitpunkt

wird aus den Betriebsdaten und den im Motorsteuergerät hinterlegten Kennfeldern errech-

net und entsprechend angepasst.101 Dabei werden die Spannungssignale des Klopfsensors

ebenfalls bei der Berechnung des benötigten Zündzeitpunktes berücksichtigt.

Betätigt der Fahrer das elektronische Gaspedal nun soweit, dass es die maximal mögliche

Position erreicht – Vollgas – wird im Motorsteuergerät die vollständige Öffnung der Dros-

selklappe veranlasst und das Gemisch durch Verlängerung der Einspritzzeit angefettet. Der

Motor läuft im Volllastbetrieb mit einem fetten Gemisch, um das größtmögliche Drehmo-

ment beziehungsweise die größtmögliche Leistung zu erzielen.102 Durch den Betrieb mit

einem fetten Gemisch wird zudem eine niedrigere Verbrennungstemperatur erzielt, wo-

durch verhindert wird, dass sich der Motor überhitzt. Durch den Klopfsensor erkennt das

Motorsteuergerät zudem das für den Motor besonders schädliche Volllastklopfen,

gegebenenfalls wird dann der Zündzeitpunkt wieder etwas in Richtung spät geändert.103

Lässt der Fahrer das elektronische Gaspedal komplett oder teilweise wieder los, schaltet das

Steuergerät in den Schiebebetrieb. Die Drosselklappe schließt sich, die Einspritzventile

werden geschlossen, sodass kein Kraftstoff mehr eingespritzt wird. Unterhalb einer be-

stimmten Drehzahlschwelle – circa 500 bis 700 Umdrehungen pro Minute über der Motor-

leerlaufdrehzahl – veranlasst das Steuergerät wieder das Einspritzen von Benzin, um ein

Absterben des Motors durch den negativen Schwung zu vermeiden.104

101 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 278 ff. 102 Vgl. Robert Bosch GmbH 2002, 19 103 Vgl. Volkswagen SSP Nr. 168 1994, 12 104 Vgl. Volkswagen SSP Nr. 168 1994, 21

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Abbildung 12: Bosch ME-Motronic

Für alle Betriebszustände gilt, dass die Werte sämtlicher Sensoren der Bosch ME-Motronic

bei allen Berechnungen für die Einspritzzeit, Zündzeitpunkt sowie Drosselklappenstellung

mit einberechnet werden, außer die der Lambdasonde vor Erreichen der Betriebstemperatur.

Weitere Antriebskomponenten wie das ebenfalls durch ein Steuergerät geregelte Automa-

tikgetriebe können auf die Werte des elektronischen Gaspedals zugreifen. So ist die Voll-

gasstellung – der sogenannte Kickdown – durch das Potentiometer vom Automatikgetriebe-

steuergerät ohne weitere Schalter erkennbar. Sicherheitssysteme können die Drosselklap-

penstellung über das Motorsteuergerät beeinflussen, das Elektronische-Stabilitäts-Pro-

gramm, welches ebenfalls über ein Steuergerät verfügt, ist in der Lage, im Falle eines

beginnenden Schleudervorgangs – zusätzlich zum Eingriff in das Bremssystem des Pkw –

das Motordrehmoment über die Drosselklappenstellung zu verringern oder auch zu

erhöhen, um das Fahrzeug wieder in ein stabiles Fahrverhalten zurückzuführen.105

Die Antischlupfregelung, im Anti-Blockier-System oder je nach Fahrzeugausstattung auch

im Elektronischen-Stabilitäts-Programm enthalten, kann das Drehmoment des Motors bei

durchdrehenden Antriebsrädern zurücknehmen, indem es das Motorsteuergerät dazu

veranlasst, die Drosselklappe bei gleichbleibender Gaspedalstellung zu schließen. Während

eines Gangwechsels des Automatikgetriebes wird die Motorsteuerung ebenfalls aus

Komfortgründen beeinflusst. Gewöhnlich wird dabei der Zündzeitpunkt des Motors im

Moment des Gangwechsels kurzzeitig durch das Motorsteuergerät in Richtung spät verstellt 105 Vgl. Volkswagen SSP Nr. 210 1999, 9

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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um einen Schaltruck zu vermeiden. Um diese unterschiedlichen Eingriffe in die Motorelekt-

ronik mit möglichst wenig elektrischen Leitungen zu ermöglichen, kommunizieren die

Steuergeräte der einzelnen Systeme eines Pkw über einen CAN-BUS.106

106 Vgl. Robert Bosch GmbH 2002, 93

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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5. Direkte Einspritzung

Die direkte Kraftstoffeinspritzung bei Motoren ist fast so alt wie der Vergaser, bei Pkw-

Benzinmotoren hat sie sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts aber nicht durchgesetzt. Die

vermehrte Anwendung der Direkteinspritzung bei Dieselmotoren während der 1990er Jahre

sowie die dadurch fortgeschrittenen Forschungsergebnisse im Bereich der Direkteinsprit-

zung bestärkten einige Pkw-Hersteller und Zulieferer der Automobilindustrie, die Idee, das

Benzin direkt in den Zylinder einzuspritzen, wieder aufzunehmen. Den Vorteilen der

Direkteinspritzung, unter anderem sind dies mehr Leistung sowie geringerer Verbrauch,

steht – im Vergleich zur indirekten Einspritzung – der verhältnismäßig große Aufwand in

der Entwicklung der mechanischen Konstruktion des Motors, dessen elektronischer Steu-

erung sowie die hohen Kosten für einige der hochbelasteten – aber dennoch filigranen –

Bauteile und Komponenten, entgegen.107 Die Pkw-Hersteller scheinen verhalten gegenüber

der Direkteinspritzung zu agieren, nur wenige Hersteller haben die Benzindirekteinsprit-

zung flächendeckend über alle Fahrzeugklassen eingeführt, obwohl fast jeder Hersteller

mittlerweile schon über direkt einspritzende Dieselmotoren in seinem Pkw-Angebot

verfügt. Nimmt man den Zeitraum, in dem die direkte Dieseleinspritzung in annähernd

jedem Pkw mit Dieselmotor Einzug gehalten hat und überträgt ihn auf die direkte

Benzineinspritzung, so dürfte erst in den 2030er Jahren annähernd jeder Pkw-Benziner über

einen direkt einspritzenden Benzinmotor verfügen. Einige Hersteller – Alfa Romeo zum

Beispiel – entwickeln zwar Benzindirekteinspritzer, dies allerdings „[…] ohne jede

Spritsparambitionen […]“108. Im Laufe der Literatursuche stellte sich auch heraus, dass

kaum ein Hersteller seine direkteinspritzenden Benziner, sofern überhaupt noch im

Angebot, bewirbt.

5.1 Historie

Die Benzindirekteinspritzung wurde schon Anfang des 19. Jahrhunderts bei Motoren einge-

setzt. In den 1930er Jahren kam der entscheidende Durchbruch der Benzindirekteinsprit-

zung für die Fliegerei109, der Grund dafür ist denkbar einfach: Aufgrund der stark

schwankenden Schwerkraft, die unterschiedlichen Luftmassen je nach Höhe und das wäh-

rend eines Fluges problematische Verhalten der Gemischbildung mit einem Vergaser bei

Betrieb in einer Position, die nicht der Einbaulage entspricht – im schlechtesten Fall über

107 Vgl. Braess / Seiffert, 2003, 187 108 http://www.zeit.de/2002/37/200237_ts-fsi2.xml?page=3, Zugriff 01.09.2008 109 Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 10

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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Kopf – ist der Vergaser im Flugzeugbau schlecht zu verwenden. Erstmals im Pkw-Bereich

verwendete die Firma Gutbrod 1951 einen direkt einspritzenden Zweizylinder-Zweitaktmo-

tor, die Direkteinspritzung stammte vom Hersteller Bosch.110 Mercedes-Benz verbaute 1954

eine Direkteinspritzung, ebenfalls vom Hersteller Bosch, an einem Viertaktmotor nach er-

folgreicher Erprobung im Rennsport im Modell 300 SL.111 In den folgenden drei Jahrzehn-

ten wurde die direkte Benzineinspritzung dann allerdings nicht weiter bei Pkw-Ottomotoren

genutzt. Die Pkw-Hersteller setzten auf die indirekte Saugrohreinspritzung, welche

erheblich einfacher zu warten, deutlich günstiger herzustellen und robuster im alltäglichen

Einsatz war. Erst 1997 brachte der Pkw-Hersteller Mitsubishi mit dem Mittelklassemodell

Carisma GDI wieder einen Benzindirekteinspritzer auf den Markt.112 In den folgenden zehn

Jahren folgten einige Hersteller mit eigenen Bezeichnungen, aber annähernd identischem

Systemaufbau. Dies sind unter anderem: Renault, PSA Peugeot-Citroen, General Motors,

Toyota, Mercedes-Benz und der Volkswagen-Konzern.113

Bei einer Untersuchung der Herstellerseiten im Internet stellte sich heraus, dass Renault

derzeit kein Modell mit Benzindirekteinspritzung anbietet, Peugeot, Citroen, Opel und

Mercedes-Benz jeweils nur einen Motortyp in wenigen Modellen anbieten, BMW und der

VW-Konzern aber in fast alle Modellreihen diverse Motortypen als Benzindirekteinspritzer

einsetzen, neben den klassischen Saugrohreinspritzern.

5.2 Technik

Bei der Benzindirekteinspritzung wird der Kraftstoff mit hohem Druck direkt in den Brenn-

raum eingespritzt und vermischt sich dort mit der Luft statt vor dem Brennraum, wie bei

Saugrohreinspritzungen oder dem Vergaser. Um den hohen Kraftstoffdruck zu

ermöglichen, benötigt die Einspritzanlage eine mechanische Hochdruckpumpe, welche

gewöhnlich von der Nockenwelle angetrieben wird. Der Kraftstoff wird mit einer

elektrischen Kraftstoffpumpe aus dem Tank mit einem Druck von 3 bar bis 5 bar im

Niederdruckkreis zur mechanischen Hochdruckpumpe gefördert und dort auf einen Druck

von 50 bar bis 120 bar für den Hochdruckkreis verdichtet.114 Der Hochdruckkreis besteht

aus dem Rail (Kraftstoffverteilerrohr), an dem die elektromagnetischen Hochdruck-

Einspritzventile sowie das Drucksteuerventil und der Raildrucksensor angebracht sind. Der

Raildrucksensor misst den Kraftstoffdruck im Rail und arbeitet in einem Regelkreis über

110 Vgl. Robert Bosch GmbH 2002, 58 111 Beier / Fränkle / Haahtela 1983, 10 112 Vgl. http://www.zeit.de/2002/37/200237_ts-fsi2.xml , Zugriff 01.09.2008 113 Vgl. http://www.kfztech.de/kfztechnik/motor/otto/benzin-di.htm, Zugriff 02.09.2008 114 Vgl. Robert Bosch GmbH 2002, 60

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das Motorsteuergerät mit dem Drucksteuerventil.115 „Das Drucksteuerventil stellt den

gewünschten Druck im Rail durch Verändern des Durchflussquerschnitts ein. Der von der

[…][Hochdruckpumpe] überschüssig geförderte Kraftstoff wird in den

Niederdruckkreislauf gefördert.“116

Der Aufbau des Ansaugtraktes bis kurz vor dem Zylinderkopf ist annähernd gleich mit dem

der Saugrohreinspritzanlage. Benzindirekteinspritzungen unterscheiden sich in der Art,

„[…] wie Luft und Kraftstoff im Brennraum zusammengeführt werden“117. Dies sind das

Strahlgeführte Verfahren und zwei Wandgeführte Verfahren.118 Die mechanische Konstruk-

tion des Ansaugbereichs sowie des Brennraums ist bei Benzindirekteinspritzern elementar

wichtig, um die gewünschte Vermischung der Luft mit dem eingespritzten Kraftstoff zu er-

möglichen. Dies geschieht hauptsächlich durch Kolben mit eingearbeiteten Mulden119 sowie

speziell geformten Einlasskanälen im Zylinderkopf und einer Saugrohrklappe im Bereich

vor dem Zylinderkopf.120 Die Saugrohrklappe kann so gestellt werden, dass nur ein Teil des

Ansaugkanals vom Luftstrom genutzt wird und dadurch ein bestimmter Luftdrall im Zylin-

der erfolgt. Aufgrund der teilweise sehr magereren Verbrennung in bestimmten Betriebszu-

ständen des direkteinspritzenden Ottomotors entstehen unerwünschte Stickoxide – NOx –,

deshalb ist ein weiterer Katalysator im Abgasstrang nötig, der NOx-Speicherkatalysator.121

Der NOx-Speicherkatalysator speichert während der Magerbetriebsarten die Stickoxide.

Kann der NOx-Katalysator nicht weiter Stickoxide aufnehmen, muss er regeneriert werden.

Dazu wird kurzzeitig auf Betrieb mit einem fetten Gemisch umgestellt und das Stickoxid

wird durch eine Reaktion ausgespeichert sowie umgewandelt.122

Ein großer Vorteil in Bezug auf den Kraftstoffverbrauch ist die Möglichkeit, mit einer Ben-

zindirekteinspritzung Betriebsarten des Motors zu nutzen, welche mit einer Saugrohrein-

spritzung nicht möglich sind. Hauptsächlich ist dies die Möglichkeit, eine Schichtladung

aus Luft-Kraftstoff-Gemisch sowie weiterer Luft und Abgasen im Brennraum zu erstellen,

während bei der Saugrohreinspritzung nur der Homogenbetrieb – der Brennraum ist

gleichmäßig mit einem Luft-Kraftstoff-Gemisch λ = 1 oder λ < 1 gefüllt – möglich ist.123

115 Vgl. Robert Bosch GmbH 2002, 63 116 Robert Bosch GmbH 2002, 62 117 Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 281 118 Vgl. Braess / Seiffert, 2003, 188 ff. 119 Vgl. Volkswagen SSP Nr. 252 2001, 17 120 Vgl. Volkswagen SSP Nr. 252 2001, 8 121 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 280 122 Vg. Robert Bosch GmbH 2002, 84 f. 123 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 281

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Obwohl der Fahrer das Gaspedal nicht voll betätigt hat, ist die Drosselklappe im Schichtbe-

trieb teilweise voll geöffnet und das Drehmoment über die Qualität der Verbrennung ge-

regelt. Diese Betriebsart wird im unteren Motordrehzahlbereich bis circa 3000 Umdrehun-

gen pro Minute verwendet, der Kraftstoff wird kurz vor dem Zündzeitpunkt erst während

des Verdichtungstaktes in den Brennraum gespritzt124, kann sich dabei aber wegen der kur-

zen Zeitspanne nicht gleichmäßig mit der im Brennraum vorhandenen Luft vermischen.

Durch den herrschenden Luftdrall im

Brennraum aufgrund der Kolbenform, der voll

geöffneten Drosselklappe und der

geschlossenen Stellung der Saugrohrklappe,

wird die eingespritzte Kraftstoffwolke, welche

ein Mischungsverhältnis von circa λ = 1 hat, in

den Bereich der Zündkerze gebracht. Der

Bereich um die Gemischwolke ist sehr mager, durch eine hohe Abgasrückführung wird der

Bildung von NOx entgegengewirkt.125 „Bezogen auf den gesamten Brennraum ergeben sich

Lambdawerte zwischen 1,6 und 3.“126

Steigt die Drehzahl oder das angeforderte Drehmoment, muss der Motor in den Homogen-

betrieb wechseln, die Einspritzzeit wird weiter

vor den Zündzeitpunkt in den Ansaugtakt gelegt,

der Kraftstoff vermischt sich besser mit der Luft.

Die Saugrohrklappe ist voll geöffnet, das

Drehmoment wird über die Quantität der

Luftmenge, also durch die Stellung der

Drosselklappe, gesteuert.127 „Die Gemischbildung

und Verbrennung erfolgt demnach wie bei der Saugrohreinspritzung.“128

Zwischen diesen beiden Hauptbetriebsarten kann der Motor mit weiteren Betriebsarten be-

trieben werden, um den Fahrkomfort, weitere Kraftstoffeinsparungen sowie die Funktion

und den Schutz von mechanischen Bauteilen sicher gewährleisten zu können. Im Homogen-

Mager-Betrieb wird der Motor im Bereich λ > 1 betrieben, um Kraftstoff einzusparen,

dieser Bereich wird allerdings nur für einen Übergang zwischen Schicht- und

Homogenbetrieb genutzt. Im Homogen-Schicht-Betrieb erfolgt eine zweite Einspritzung

124 Vgl. Braess / Seiffert, 2003, 196. 125 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 281 126 Volkswagen SSP Nr. 252 2001, 21 127 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 281 128 Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 281

Abbildung 14: Homogenbetrieb

Abbildung 13: Schichtbetrieb

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von Kraftstoff in ein mageres Luft-Kraftstoffgemisch. Dadurch entsteht eine gut

entflammbare Gemischwolke vor der Zündkerze, welche eine vollständige Verbrennung des

Brennrauminhalts verursacht. Genutzt wird diese Betriebsart bei der Umschaltung von

Homogen- auf Schichtbetrieb, um einen sanfteren Drehmomentverlauf zu erhalten.129

Um den Katalysator nach dem Kaltstart schnell aufzuheizen, wird nach dem Start der Motor

mager betrieben, bei der Entzündung des Gemischs im Arbeitstakt aber noch einmal Kraft-

stoff eingespritzt. Durch die sehr späte Verbrennung heizt sich der Abgasstrang samt Kata-

lysator schneller auf Betriebstemperatur auf.130

Da für einige dieser Betriebsarten die Steuerzeiten der Nockenwelle beeinflusst werden

müssen, um eine höhere innere Abgasrückführung zu ermöglichen, wird eine variable No-

ckenwellenverstellung genutzt. Die nötige Verstellung wird vom Steuergerät nach Kenn-

feldern anhand der Motorlast und der Drehzahl errechnet und schließlich hydraulisch durch

ein Ventil vollzogen.131

Der Aufbau der Benzindirekteinspritzung wird anhand der Verfahren der Zusammenfüh-

rung von Luft und Kraftstoff sowie des Motormanagementsystems Bosch MED-Motronic

in den folgenden drei Unterkapiteln näher erörtert.

5.2.1 Elektronisch gesteuerte direkte Einspritzung – strahlgeführt

Beim strahlgeführten Verfahren der Kraftstoffeinspritzung wird der Kraftstoff „[…] unmit-

telbar in die Umgebung der Zündkerze eingespritzt […] und verdampft [dort][…]“132. Die-

ses Verfahren benötigt keine besondere Ladungsbewegung der Luft, der Brennraum ist so

ausgelegt, dass sich der Kraftstoffstrahl möglichst ungehindert an der Zündkerze verteilen

kann. Die Randzone des Kraftstoffstrahls bildet das zündfähige Gemisch, der Bereich au-

ßerhalb des Gemischs besteht aus Luft und restlichen Abgasen.133 Dieses Verfahren kann

einen niedrigen Kraftstoffverbrauch bei Teillastbetrieb und eine hohe Effektivität bei Voll-

last aufweisen. Allerdings ergeben sich in einigen Betriebszuständen Probleme bei der Ge-

mischbildung – es kann zu unvollständigen Verbrennungen führen,134 die dadurch entste-

henden zusätzlichen Abgasemissionen sind nicht erwünscht. Ein weiteres technisches

129 Vgl. Robert Bosch GmbH 2002, 69 130 Vgl. Braess / Seiffert, 2003, 197 131 Vgl. Volkswagen SSP Nr. 252 2001, 10 132 Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 281 133 Vgl. Braess / Seiffert 2003, 188 134 Vgl. Braess / Seiffert 2003, 188

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Problem ist „[…] die Verkokungsneigung des zentral, das heißt in heißer Umgebung ange-

ordneten Injektors[…]“135.

Abbildung 15: Strahlgeführte Direkteinspritzung

5.2.2 Elektronisch gesteuerte direkte Einspritzung – wandgeführt

Das wandgeführte Verfahren der direkten Einspritzung nutzt die Strömung der in den Zy-

linder angesaugten Luft. Die Strömung wird dabei beeinflusst durch eine gezielte Gestal-

tung des Ansaugweges sowie einen an der Brennraumseite speziell geformten Kolben und

Zylinderkopf. Der Kraftstoff verdampft nach dem Einspritzvorgang in der Mulde des Kol-

bens sowie an der Zylinderwand und wird durch den Luftstrom vermischt und zur Zünd-

kerze verbracht.136 Die Luftströmung wird in zwei unterschiedliche Bewegungsarten einge-

teilt: die Swirl-Strömung und die Tumble-Strömung. Bei der Swirl-Strömung gelangt die

angesaugte Luft durch einen „[…] spiralförmig gestalteten Einlasskanal (Drallkanal) in den

Zylinder […] und dreht im Brennraum um eine Hochachse“137. Das Gemisch wird damit

wieder zur Zündkerze befördert. Die Tumble-Strömung ist eine walzenförmige Luftströ-

mung, welche das Gemisch mit einer Umlenkung durch die Kolbenmulde zur Zündkerze

leitet.138

Die Brennverfahren sind bei Pkw-Motoren meist nicht eindeutig zuzuordnen, da in der

Praxis häufig verschiedene Verfahren verknüpft werden139, um Nachteile einzelner Verfah-

ren in bestimmten Betriebszuständen zu vermeiden.

135 Braess / Seiffert 2003, 189 136 Braess / Seiffert 2003, 189 137 Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 282 138 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 282 139 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 282

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Abbildung 167: Swirl-Strömung Abbildung 17: Tumble-Strömung

5.2.3 Elektronisch gesteuerte direkte Einspritzung – Bosch MED-Motronic

Die Bosch ME-Motronic wurde um die für die Benzin-Direkteinspritzung notwendigen

Komponenten erweitert, das Steuerkonzept im Motorsteuergerät musste aufgrund der neuen

Betriebsarten – unter anderem der Schichtbetrieb – und die neuen Komponenten im

Kraftstoffsystem, der Ansaug- und der Abgasanlage geändert werden.140 Die nun Bosch

MED-Motronic genannte Einspritzanlage nutzt die bereits von der Bosch ME-Motronic

bekannten Aktoren und Sensoren – unter anderem das elektronische Gaspedal, den

Luftmassensensor und die elektronische Drosselklappe – zur Erfassung des gewünschten

Drehmoments, der Motorlast und der Betriebsbedingungen sowie zur Beeinflussung der

Einspritzanlage. Wegen der nun aufwendigeren Regelung des Kraftstoffsystems für die

unterschiedlichen Betriebsarten sowie der Abgasnachbehandlung erfasst das

Motorsteuergerät aber auch noch die Signale von weiteren Sensoren: die des vor dem NOx -

Speicherkatalysator angebrachten NOx-Sensors, des Abgastemperatursensors, des Sensors

für die Saugrohr-Klappenstellung, des Hochdrucksensors am Rail und die des Gebers für

die Saugrohrklappenstellung am Ansaugrohr. Als weitere Aktoren kommen das

Drucksteuerventil am Rail für die Steuerung des Kraftstoffdrucks sowie das Ventil für die

Saugrohr-Klappe hinzu.141 Die Einspritzventile sind zwar ebenfalls elektromagnetisch wie

bei der Saugrohreinspritzung, werden aber wesentlich stärkeren Belastungen durch das

Kraftstoffsystem und der Position im Brennraum ausgesetzt. Durch die teilweise wesentlich

kürzeren Einspritzzeiten „[…] werden die Magnetwicklungen über

Hochleistungskondensatoren mit bis zu 90 V angesteuert“142. Für die Zündung werden leis-

140 Vgl. Robert Bosch GmbH 2002, 24 141 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 283 f. 142 Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 283

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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tungsfähigere Zündspulen verwendet, um eine sichere Zündung des Luft-Kraftstoffge-

mischs gewährleisten zu können.143

Die Gaspedalstellung, die Motorlast sowie sonstige Betriebsbedingungen wie die Kühlwas-

sertemperatur veranlassen das Motorsteuergerät dazu, bestimmte Betriebsarten mit den ent-

sprechenden Brennverfahren zu wählen. Dazu werden die für die Benzindirekteinspritzung

zusätzlich notwendigen Aktoren entsprechend angesteuert. Bei Homogenbetrieb wird zum

Beispiel die Saugrohrklappe vom Motorsteuergerät so angesteuert, dass sie den gesamten

Querschnitt des Saugrohrs freigibt, im Schichtbetrieb öffnet die Drosselklappe komplett,

trotz eines nicht vollständig betätigten Gaspedals, um Drosselverluste zu vermeiden.144 Die

Signale der Abgastemperatursonde sind für bestimmte Betriebsarten nötig, weil der NOx-

Speicherkatalysator nur in einem bestimmten Temperaturbereich wirksam ist. Der NOx-

Sensor ist als Lambdasonde ausgeführt, bei entsprechendem Signal wird der Regenerie-

rungsprozess durch Wählen des Betriebsmodus Homogen-Fett durch das Motorsteuergerät

veranlasst.145 Die für eine Lambdaregelung nötige Erfassung der Lambdawerte im Abgas

muss über eine Breitbandlambdasonde erfolgen, da eine Spannungssprungsonde nicht zur

genauen Erfassung der Lambdawerte in sehr mageren oder sehr fetten Betriebsarten geeig-

net ist.

Die weiteren Funktionen, wie Abgasrückführung, Nockenwellenverstellung und das Tank-

system mit Be- und Entlüftung, entsprechen mechanisch und elektrisch denen der Bosch

ME-Motronic, die Berücksichtigung dieser Aktoren und Sensoren ist aber für die Benzin-

Direkteinspritzung im Motorsteuergerät entsprechend angepasst. Das Diagnosesystem, die

Wegfahrsperre und das CAN-BUS-System greifen nicht direkt in die Gemischbildung ein

und konnten deshalb ebenfalls von der Bosch ME-Motronic übernommen werden.

143 Vgl. Robert Bosch GmbH 2003, 27 144 Vgl. Vgl. Volkswagen SSP Nr. 252 2001, 22 145 Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 283

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Abbildung 18: Bosch MED-Motronic

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6. Fazit

Die Komplexität der Einspritzanlagen ist in den letzten 20 Jahren stark gestiegen, die ge-

setzlichen Anforderungen bezüglich der Abgasemissionen an die Automobilhersteller eben-

falls. Erfreulich ist dabei, dass der Verbrauch pro Kilowatt gesunken ist. Dennoch, der

Verbrauch ist insgesamt nur wenig gesunken im Vergleich zu den 1970er und 1980er Jah-

ren – aufgrund des steigenden Gewichts der Fahrzeuge.

Die Entwicklung von immer sparsameren Motoren durch effektivere Einspritzanlagen

scheint abzuflachen, durch die Direkteinspritzung ist die Effektivität eines Benzinmotors

zwar gestiegen, aber die weiteren Möglichkeiten, einen Motor sparsamer zu machen, führen

nun an die Grenzen der mechanischen Machbarkeit. Daher muss nicht mehr nur der Motor

alleine, sondern das gesamte Umfeld des Motors in und mit dem er betrieben wird – unter

anderem sind dies also Fahrer, Karosserie und Kraftstoff – zu anderen Denkweisen geführt,

optimiert oder auch gänzlich geändert werden. Die Hersteller gehen mit unterschiedlichen

Herangehensweisen an dieses Ziel: Die Übersetzung des letzten Ganges im Getriebe wird

verlängert, die Drehzahl sinkt, und damit auch der Verbrauch. Der Motor wird einfach

abgeschaltet, wenn er nicht gebraucht wird, zum Beispiel an der Ampel. Beides sind im

Übrigen Methoden, die schon in den 1980er Jahren eingesetzt wurden, aber da akzeptierten

die Kunden aufgrund eines nicht so stark ausgeprägten Umweltbewusstseins und wohl

hauptsächlich wegen der wesentlich niedrigeren Kraftstoffkosten diese Techniken nicht.

Veränderungen und Weiterentwicklungen an Einspritzanlagen aufgrund von Gesetzen, die

den Umweltschutz fördern sollen, wurden bisher nur von Herstellern aufgrund der

Gesetzeslage, aber nicht aufgrund von Forderungen von Endverbrauchern durchgeführt.

Aufgrund der eher fraglichen Zukunft von fossilen Brennstoffen gehen die Entwicklungen

vieler Automobilhersteller in Richtung Teilhybrid- oder Vollhybrid-Pkw, bei diesen besteht

der Antrieb aus Verbrennungsmotor und Elektromotor. Doch auch die elektrische Energie

für den Betrieb eines Elektromotors muss vorhanden sein.

Einen erheblicher Beitrag zur Einsparung von Kraftstoff und die Senkung von Emissionen

kann der Fahrer auch selbst leisten. Die Einleitung dieser Bachelorarbeit beginnt mit dem

Satz:

Die einzige direkte Schnittstelle zwischen dem Fahrer und dem Motor eines Pkw ist seit

Jahrzehnten das Gaspedal ...

Diese einfache Aussage ist nur noch teilweise richtig, denn zwischen Fahrer und Motor

steht in allen neuen Pkw, welche die Abgasemission Euro 4 erfüllen – und das müssen sie

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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in Europa seit spätestens Oktober 2006 –, ein Motormanagement. Kein Befehl vom Fuß des

Fahrers wird direkt in eine Bewegung umgesetzt. Erst auf Veranlassung des Motorsteu-

ergeräts, dem digitalen Leistungs- und Umweltmanagement des Autos, wird der Befehl

durch Stellmotoren entsprechend mehr oder weniger umgesetzt.

Der Fahrer hat durch diese Weiterentwicklungen keine Nachteile, die Umwelt wird dadurch

aber automatisch ein Stück geschont, und dies, obwohl die Leistung und der Komfort ge-

stiegen sind! Dennoch hat der Fahrer immer noch den meisten Einfluss auf den Verbrauch:

Je weniger er das Gaspedal betätigt, desto weniger verbraucht der Motor Kraftstoff. Diese

Tatsache war auch zu Vergaserzeiten nicht anders.

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

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Literatur

(a) Bücher / Monografien Beier, Ralph / Fränkle, Gerhard / Haahtela, Otso und andere (1983): Verdrängermaschinen,

Teil II, Köln: Technischer Verlag Resch, Verlag TÜV Rheinland GmbH Braess, Hans-Hermann / Seiffert, Ulrich (2003): Handbuch Kraftfahrzeugtechnik, 3.

Auflage, Wiesbaden: Friedr. Vieweg & Sohn Verlag Fischer, Richard / Gscheidle, Rolf / Heidler, Uwe und andere (2004): Fachkunde

Kraftfahrzeugtechnik, 28. Auflage, Haan-Gruiten: Verlag Europa-Lehrmittel Grohe, Heinz (1979): Otto- und Dieselmotoren, 4. überarbeitete und erweiterte Auflage

Würzburg: Vogel Verlag Küttner, Karl-Heinz (1984): Kolbenmaschinen, 5. Auflage, Stuttgart: B.G. Teubner Mechner, Bernhard / Köhler, Christian / Michelt, Ulrich (2003): Ottomotor-Management:

Motronic-Systeme, 1. Ausgabe, Plochingen: Robert Bosch GmbH Oder, Michael / Ortmann, Rainer / Mallebrein, Georg (2002): Ottomotor-Management:

Grundlagen und Komponenten, 2. Ausgabe, Stuttgart: Robert Bosch GmbH Urlaub, Alfred (1987): Verbrennungsmotoren, Band 1, Berlin/Heidelberg/New York:

Springer-Verlag Wagner, H.Th. / Fischer, K.J / v.Frommann, J.D. (1981): Strömungs- und

Kolbenmaschinen, Braunschweig / Wiesbaden: Friedr. Vieweg & Sohn

(b) Herausgeberschriften

(c) Periodika (d) Quellen im Internet

Private Internet Seite: Vergaserchronik, verwendete Daten wurden anhand weiterer Quellen verifiziert

http://www.ruddis-berlin.de/index2.htm, Zugriff 08.08.2008 Adam Opel AG: Pressemeldung Twinport Technologie

http://media.gm.com/de/opel/de/news/pr_old/pressrelease_1432.htm, Zugriff 11.08.2008

Robert Bosch GmbH: Geschichte Bosch MoTronic

http://www.bosch.com/content/language1/html/3074_3184.htm, Zugriff 11.08.2008

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

46

DIE ZEIT: Diverse Zeitungsartikel der Wochenzeitung aus dem Onlinearchiv Zugriff 10.08.2008:

http://www.zeit.de/1971/24/Platin-macht-den-Auspuff-sauber http://www.zeit.de/1967/43/Kalifornische-Formel-ab-Januar-in-den-USA http://www.zeit.de/1989/26/Nicht-mehr-unter-die-Haube-zu-bringen http://www.zeit.de/1969/32/Kopfschmerzen-Husten-Atemnot?page=2 http://www.zeit.de/1969/32/Kopfschmerzen-Husten-Atemnot?page=3 http://www.zeit.de/1967/39/VW-mit-Computer

Zugriff 01.09.2008

http://www.zeit.de/2002/37/200237_ts-fsi2.xml kfz-tech.de: Geschichte Einspritzanlagen, verwendete Daten wurden anhand weiterer Quellen verifiziert

http://www.kfztech.de/kfztechnik/motor/otto/benzingeschichte.htm, Zugriff 11.08.2008 http://www.kfztech.de/kfztechnik/motor/otto/benzin-di.htm, Zugriff 02.09.2008

(e) Sonstiges

Volkswagen Selbststudienprogramme: Die Volkswagen Selbststudienprogramme

(Abkürzung SSP) werden seit Jahrzehnten zur Aus- und Weiterbildung von Angestellten in

Volkswagen Betrieben bei technischen Neuerungen genutzt.

Volkswagen AG (1984): Selbststudienprogramm 69, Schadstoffarme Motoren, Wolfsburg:

Volkswagen AG

Volkswagen AG (1995): Selbststudienprogramm 168, Bosch Motronic MP 9.0, Magneti

Marelli 1AV, Konstruktion und Funktion, Wolfsburg: Volkswagen AG

Volkswagen AG (1998): Selbststudienprogramm 196, Der 1,4-16V-55kW-Motor mit

Rollenschlepphebel, Konstruktion und Funktion, Wolfsburg: Volkswagen AG

Volkswagen AG (1999): Selbststudienprogramm 210, Elektrische Gasbetätigung,

Konstruktion und Funktion, Wolfsburg: Volkswagen AG

Volkswagen AG (2001): Selbststudienprogramm 252, Der 1,4 l-77 kW Motor mit Benzin-

Direkteinspritzung im Lupo FSI, Konstruktion und Funktion, Wolfsburg:

Volkswagen AG

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Die Historie und der technische Aufbau von René Winkelmann Benzineinspritzanlagen bei PKW-Motoren

47

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Mechanisches Funktionsprizip des Ottomotors (Wagner / Fischer

/ Frommann 1981, S. 94)

3

Abbildung 2: Prinzip des Oberflächenvergasers (Grohe 1979, 73) 7

Abbildung 3: Steigstromvergaser (Wagner / Fischer / Frommann 1981, 79) 8

Abbildung 4: Fall-, Flach-, Steigstromvergaser (Grohe 1979, 75) 9

Abbildung 5: Beschleunigungspumpe (links); Leerlaufregulierung (rechts)

(Wagner / Fischer / Frommann 1981, 102)

11

Abbildung 6: Flachschieber (Grohe 1979, 75) 11

Abbildung 7: Bosch K-Jetronic (Grohe 1979, 89) 17

Abbildung 8: Blockschaltbild L-Jetronic (Beier / Fränkle / Haahtela 1983,

238)

19

Abbildung 9: Bosch L-Jetronic (Grohe 1979, S. 94) 21

Abbildung 10: Blockschaltbild ME-Motronic (Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik

2004, 278)

24

Abbildung 11: Spannungssprungsonde ( Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004,

316)

26

Abbildung 12: Bosch ME-Motronic (Tabellenbuch Kraftfahrzeugtechnik 2003,

244)

32

Abbildung 13: Schichtbetrieb (Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 281) 37

Abbildung 14: Homogenbetrieb (Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 281) 37

Abbildung 15: Strahlgeführte Direkteinspritzung (Robert Bosch GmbH 2002, 66) 39

Abbildung 16: Swirl-Strömung (Robert Bosch GmbH 2002, 66) 40

Abbildung 17: Tumble-Strömung (Robert Bosch GmbH 2002, 66) 40

Abbildung 18: MED-Motronic (Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik 2004, 280) 42