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T E C H N I S C H E U N I V E R S I T Ä T B R A U N S C H W E I G
INSTITUT FÜR BAUKONSTRUKTION UND HOLZBAU PROF. DR.-ING. MIKE SIEDER
VORLESUNG
M A U E R W E R K S B A U
S S 2 0 1 5
Inhaltsverzeichnis (Eurocode 6 - EN 1996-1-1)
1 Anwendungsbereich .................................................................................................................................................... 3
2 Normative Verweisungen............................................................................................................................................ 3
3 Begriffe zitiert aus EN 1996-1-1 ................................................................................................................................. 3
3.1 Mauerwerk .......................................................................................................................................................... 3 3.2 Festigkeit von Mauerwerk ................................................................................................................................... 3 3.3 Mauersteine ......................................................................................................................................................... 3 3.4 Mörtel .................................................................................................................................................................. 4 3.5 Mörtelfugen ......................................................................................................................................................... 4 3.6 Wandarten ........................................................................................................................................................... 5
4 Sicherheitskonzept ...................................................................................................................................................... 6
4.1 Allgemeines ........................................................................................................................................................ 6 4.2 Einwirkungen ...................................................................................................................................................... 7 4.3 Tragwiderstand .................................................................................................................................................... 9 4.4 Begrenzung der planmäßigen Exzentrizitäten ..................................................................................................... 9
5 Mauerwerksfestigkeiten ............................................................................................................................................ 10
5.1 Allgemeines ...................................................................................................................................................... 10 5.2 Charakteristische Druckfestigkeit ..................................................................................................................... 10
6 Baustoffe ................................................................................................................................................................... 14
7 Vereinfachtes Berechnungsverfahren ....................................................................................................................... 17
7.1 Allgemeines ...................................................................................................................................................... 17 7.2 Ermittlung der Schnittgrößen infolge von Lasten ............................................................................................. 18
7.2.1 Auflagerkräfte aus Decken ........................................................................................................................ 18 7.2.2 Knotenmomente ........................................................................................................................................ 19
7.3 Wind .................................................................................................................................................................. 19 7.4 Räumliche Steifigkeit ........................................................................................................................................ 20 7.5 Grundlagen für die Berechnung der Formänderung .......................................................................................... 20
7.5.1 Allgemeine Annahmen für aussteifende Wände ....................................................................................... 22 7.5.2 Knicklängen .............................................................................................................................................. 24 7.5.3 Schlitze und Öffnungen in Wänden .......................................................................................................... 26
7.6 Bemessung mit dem vereinfachten Verfahren – Nachweise in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit ........... 27 7.6.1 Nachweis bei zentrischer und exzentrischer Druckbeanspruchung ........................................................... 27
8 Genaueres Berechnungsverfahren – Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit................................................. 32
8.1 Allgemeines ...................................................................................................................................................... 32 8.2 Ermittlung der Schnittgrößen infolge von Lasten ............................................................................................. 32
8.2.1 Knotenmomente (Ein vereinfachtes Verfahren nach EN 1996-1-1 NA.C) ............................................... 32 8.2.2 Vereinfachte Berechnung der Knotenmomente ........................................................................................ 34 8.2.3 Begrenzung der Knotenmomente .............................................................................................................. 35
8.3 Bemessung mit dem genaueren Verfahren – Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit ........................... 36 8.3.1 Nachweis bei zentrischer und exzentrischer Druckbeanspruchung ........................................................... 36 8.3.2 Einzellasten und Teilflächenpressung ....................................................................................................... 39 8.3.3 Zug- und Biegebeanspruchungen .............................................................................................................. 41 8.3.4 Schubbeanspruchung ................................................................................................................................. 43
Literaturverzeichnis .......................................................................................................................................................... 47
Vorlesung Mauerwerksbau Seite 3
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1 Anwendungsbereich
Der Eurocode 6 (DIN EN 1996) gilt für den Entwurf, die Berechnung und Bemessung von Hoch- und Ingenieurbau-
werken bzw. Teilen davon, die mit unbewehrtem, bewehrtem, vorgespanntem oder eingefasstem Mauerwerk ausgeführt
werden.
Der Eurocode 6 (DIN EN 1996) behandelt ausschließlich Anforderungen an die Tragsicherheit, die Gebrauchstauglich-
keit und die
Dauerhaftigkeit von Tragwerken. Andere Anforderungen, z. B. an den Wärme- und Schallschutz, werden nicht behan-
delt.
2 Normative Verweisungen
-
3 Begriffe zitiert aus EN 1996-1-1
3.1 Mauerwerk
Mauerwerk: Gefüge aus Mauersteinen, die in einem bestimmten Verband verlegt und mit Mörtel verbun-
den worden sind
Mauerwerksverband: bestimmte Anordnung von Mauersteinen in Mauerwerk in regelmäßiger Folge, um ein Zu-
sammenwirken zu erreichen
3.2 Festigkeit von Mauerwerk
Charakteristische Festigkeit:
Festigkeitswert des Mauerwerks, der mit einer vorgeschriebenen Wahrscheinlichkeit von nur
5 % in einer hypothetisch unbegrenzten Grundgesamtheit von Versuchen unterschritten wer-
den darf. Dieser Wert entspricht dem 5 %- Fraktil der angenommenen statistischen Vertei-
lung der Prüfserie einer bestimmten Material- oder Produkteigenschaft. Unter bestimmten
Umständen wird ein Nennwert als charakteristischer Wert verwendet.
Druckfestigkeit: Mauerwerksfestigkeit bei Druckbeanspruchung ohne Einfluss der Verformungsbehinderung
durch die Druckplatten, ohne Einfluss der Schlankheit und ausmittiger Belastung
Schubfestigkeit: Die Festigkeit des Mauerwerks bei Beanspruchung durch Schubkräfte
Biegefestigkeit: Die Festigkeit von Mauerwerk bei reiner Biegebeanspruchung
Verbundfestigkeit: Die Festigkeit je Flächeneinheit zwischen Bewehrung und Beton oder Mörtel, wenn die Be-
wehrung durch Zug- oder Druckkräfte beansprucht wird
3.3 Mauersteine
Mauerstein: Ein vorgeformtes Element zur Verwendung im Mauerwerksbau
Vorlesung Mauerwerksbau Seite 4
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Lagerfläche: Die Ober- und Unterseite eines Mauersteins nach dem planmäßigen Verlegen
Loch: Ein gefertigter Hohlraum in einem Mauerstein, der ganz oder nur teilweise durch den Mauer-
stein geht
Mulde: Bei der Herstellung geformte Vertiefung in einer oder in beiden Lagerflächen eines Mauer-
steins
Griffloch: Ein geformtes Loch in einem Mauerstein, das es ermöglicht, den Mauerstein einfacher mit
einer Hand oder beiden Händen oder einem Gerät zu fassen und anzuheben
Bruttofläche: Die Querschnittsfläche eines Mauersteins ohne Abzug der Flächen von Löchern, Hohlräumen
und zurückspringenden Teilen
3.4 Mörtel
Mörtel: Ein Gemisch aus einem oder mehreren anorganischen Bindemitteln, Zuschlägen, Wasser und
gegebenenfalls Zusatzstoffen und/oder Zusatzmitteln für Lager-, Stoß- und Längsfugen, Fu-
genglattstrich und nachträgliches Verfugen
Normalmauermörtel: Mauermörtel ohne besondere Eigenschaften
Dünnbettmörtel: Mauermörtel nach Eignungsprüfung mit einem Größtkorn kleiner oder gleich einem festge-
legten Wert
Leichtmörtel: Mauermörtel nach Eignungsprüfung mit einer Trockenrohdichte des Festmörtels gleich oder
weniger als 1 300 kg/m3 nach EN 998-2
Mauermörtel nach Rezept:
Ein in vorbestimmten Mischungsverhältnissen hergestellter Mörtel, dessen Eigenschaften aus
den vorgegebenen Anteilen der Bestandteile abgeleitet werden (Rezeptkonzept)
Werkmörtel: Mörtel, der im Werk zusammengesetzt und gemischt wird
Werkmäßig hergestellter Mauermörtel:
Ein vordosierter Mauermörtel oder ein vorgemischter Kalk-Sand-Mauermörtel
werkmäßig vorbereiteter Mauermörtel:
Mörtel, der aus Ausgangsstoffen besteht, die im Werk abgefüllt, zur Baustelle geliefert und
dort nach Herstellerangaben und -bedingungen gemischt werden
Kalk-Sand-Werk-Vormörtle:
Mörtel, der aus Ausgangsstoffen besteht, die im Werk zusammengesetzt und gemischt wer-
den, der zur Bau-stelle geliefert wird, und dem dort weitere Bestandteile nach Anweisung des
Werkes oder von diesem geliefert (z. B. Zement) beigefügt werden
Baustellenmörtel: Ein Mörtel, der aus den einzelnen Ausgangsstoffen auf der Baustelle zusammengesetzt und
gemischt wird
Mörteldruckfestigkeit: Die mittlere Druckfestigkeit einer festgesetzten Anzahl von Mörtelproben im Alter von 28
Tagen
3.5 Mörtelfugen
Lagerfuge: Die Mörtelschicht zwischen den Lagerflächen von Mauersteinen
Stoßfuge: Die Mörtelfuge senkrecht zu der Lagerfuge und zu der Wandoberfläche
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Längsfuge: Die innerhalb einer Wand vertikal und parallel zur Wandoberfläche verlaufende Mörtelfuge
Dünnbettmörtelfuge: Eine mit Dünnbettmörtel hergestellte Fuge
Fugenglattstrich: Die Oberflächenbearbeitung einer Mörtelfuge mit dem Fortgang der Ausführung des Mauer-
werks
Verfugung: Das nachträgliches Verfüllen und Oberflächenbearbeitung der Mörtelfugen, bei denen die
Fuge ausgekratzt oder offen gelassen worden ist
Bewegungsfuge: Eine Fuge, die freie Bewegungen in der Wandebene zulässt
3.6 Wandarten
Tragende Wand: Eine Wand, die vorrangig dafür vorgesehen ist, neben ihrem Eigengewicht eine Verkehrslast
zu tragen
Nichttragende Wand: Eine Wand, die nicht zur Aufnahme von Lasten herangezogen wird und deren Entfernen das
Tragwerk nicht nachteilig beeinflusst.
Einschalige Wand: Eine Wand ohne Zwischenraum oder ohne eine durchlaufende senkrechte Fuge in ihrer Ebe-
ne.
zweischalige Wand mit Luftschicht, mit Luftschicht und Wärmedämmung oder mit Kerndämmung:
Eine Wand, die aus zwei parallelen einschaligen Wänden besteht, die durch Maueranker oder
Lagerfugen-bewehrung statisch wirksam miteinander verankert sind, wobei der Zwischen-
raum ein durchgehender Hohlraum (zweischalige Wand mit Luftschicht) oder mit nichttra-
gendem Wärmedämmmaterial ganz (zweischalige Wand mit Kerndämmung) oder teilweise
(zweischalige Wand mit Luftschicht und Wärmedämmung) verfüllt ist.
ANMERKUNG: Eine Wand, die aus zwei durch einen Zwischenraum getrennten Schalen besteht, wobei eine der Scha-
len eine Vorsatzschale ist, die keinen Beitrag zur Tragfähigkeit oder der Steifigkeit der anderen Schale
leistet, kann nicht als zweischalige Wand nach dieser Definition betrachtet werden.
Zweischalige Wand
ohne Luftschicht:
Eine Wand, die aus zwei parallelen Schalen mit vertikaler, mit Mörtel voll ausgefüllter Fuge
besteht, wobei die Schalen mit Mauerankern so verankert sind, dass beide Schalen unter Last
zusammenwirken.
Vorsatzschale: Eine Wand in Sichtmauerwerk, die nicht im Verband gemauert ist oder keinen Beitrag zur
Festigkeit des Hintermauerwerks leistet.
Verfüllte zweischalige Wand:
Eine Wand, die aus zwei parallelen Schalen mit einem Zwischenraum besteht, der mit Beton
oder Vergussmörtel verfüllt ist, wobei die Schalen mit Mauerankern oder Lagerfugenbeweh-
rung so verankert sind, dass beide Schalen unter Last zusammenwirken
Einschaliges Verblendmauerwerk:
Eine Wand mit Verblendsteinen als Sichtmauerwerk, die mit den Hintermauersteinen im
Verband gemauert sind, so dass beide Schalen unter Last zusammenwirken
Wand mit Randstreifenvermörtelung der Lagerfugen:
Eine Wand, bei der die Mauersteine auf zwei Mörtelstreifen verlegt werden, die auf den äu-
ßeren Rändern der Lagerflächen der Mauersteine aufgetragen werden
Zweischalige Wand mit Vorsatzschale:
Eine zweischalige Wand mit Vorsatzschale in Sichtmauerwerk, die nicht im Verband mit
dem Hintermauerwerk oder Skelett gemauert wird bzw. keinen Beitrag zu dessen Tragfähig-
keit leistet
Vorlesung Mauerwerksbau Seite 6
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Schubwand: Eine Wand, die in ihrer Ebene wirkende Querkräfte aufnimmt.
Aussteifende Wand: Eine rechtwinklig zu einer anderen Wand stehende Wand, die dieser als Auflager zur Auf-
nahme von Querkräften oder zur Knickaussteifung dient und damit zur Stabilität des Gebäu-
des beiträgt
4 Sicherheitskonzept
4.1 Allgemeines
Mauerwerk ist in der Regel im Grenzzustand der Tragfähigkeit nachzuweisen. In diesem Zustand muss gewährleistet
sein, dass der Bemessungswert der Beanspruchungen Ed in einem Querschnitt den Bemessungswert des Tragwiderstan-
des Rd dieses Querschnittes nicht überschreitet. Die Bemessungswerte des Tragwiderstandes Rd sind die durch den
Teilsicherheitsbeiwert γM dividierten und gegebenenfalls mit einem Abminderungsbeiwert zur Berücksichtigung der
Lastdauer und weiterer Einflüsse multiplizierten charakteristischen Festigkeitswerte. Die Bemessungswerte der Bean-
spruchungen Ed ergeben sich aus den charakteristischen Werten Ek multipliziert mit dem Teilsicherheitsbeiwert γF.
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4.2 Einwirkungen
Die charakteristischen Werte sind in den Teilen des EC 1 festgelegt. Die Teilsicherheitsbeiwerte und Kombinationsbei-
werte sind im EC 0 festgelegt.
Für das im Folgenden dargestellte Tragwerk sind einige Einwirkungskombinationen nach EC 0 beispielhaft dargestellt.
a) Tragwerk eines Daches b) Statisches Modell des Daches
c) Statisches Modell mit charakteristischen Einwirkungen
Abbildung 1: Einwirkungen
Vorlesung Mauerwerksbau Seite 8
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Grenzzustand der stabilen Lage des Tragwerks
EK1 – Abheben am linken Auflager EK2 – Abheben am rechten Auflager
Wind von rechts verursacht Windsog über der Dachflä-
che. Der Windsog wirkt destabilisierend. Der Wind von
rechts auf die Wandfläche wird nicht angesetzt, da er für
das linke Auflager stabilisierend wirkt. Der Schnee wird
aus dem gleichen Grund nicht angesetzt.
Die Eigenlasten wirken zwar auch stabilisierend, wirken
aber ständig und werden darum angesetzt. Die charakte-
ristischen Werte von Eigenlasten sind meist Mittelwerte.
Die tatsächlichen Eigenlasten können daher kleiner oder
größer sein. In der Einwirkungskombination wird das
berücksichtigt, indem der charakteristische Wert der Ei-
genlast abgemindert wird.
Wind von rechts verursacht Windsog über der Dachflä-
che. Der Windsog wirkt destabilisierend. Der Wind von
rechts auf die Wandfläche wird angesetzt, da er für das
rechte Auflager destabilisierend wirkt. Der Schnee wird
nicht angesetzt, weil er stabilisierend wirkt.
Die Eigenlasten wirken zwar auch stabilisierend, wirken
aber ständig und werden darum nur abgemindert. Erklä-
rung siehe EK1.
Grenzzustand der Tragfähigkeit
EK3 – maximale Auflagerkraft am linken Auflager
(Schnee vorherrschend)
EK4 – maximale Auflagerkraft am linken Auflager
(Wind vorherrschend)
Wind von links erzeugt über der Dachschräge Winddruck
und an der Wandfläche Windsog. Der Windsog mindert
die Auflagerkraft am linken Auflager ab, darum wird er
nicht angesetzt. Der Schnee erhöht die Auflagerkraft,
ebenso wie das Eigengewicht der Dachschräge. Das Ei-
gengewicht der Wand spielt hingegen für die Auflager-
kraft des linken Auflagers keine Rolle.
Weil der Schnee in dieser Einwirkungskombination vor-
herrschend ist, wird der Wind durch Kombinationsbei-
werte abgemindert.
Diese Einwirkungskombination ist auch relevant für das
maximale Biegemoment in der Dachschräge.
Wind von links erzeugt über der Dachschräge Winddruck
und an der Wandfläche Windsog. Der Windsog mindert
die Auflagerkraft am linken Auflager ab, darum wird er
nicht angesetzt. Der Schnee erhöht die Auflagerkraft,
ebenso wie das Eigengewicht der Dachschräge. Das Ei-
gengewicht der Wand spielt hingegen für die Auflager-
kraft des linken Auflagers keine Rolle.
Weil der Wind in dieser Einwirkungskombination vor-
herrschend ist, wird der Schnee durch Kombinationsbei-
werte abgemindert.
Diese Einwirkungskombination ist auch relevant für das
maximale Biegemoment in der Dachschräge.
Vorlesung Mauerwerksbau Seite 9
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4.3 Tragwiderstand
Grundlage des Tragwiderstandes sind die charakteristischen Werte fk der Baustoff-Festigkeiten als 5%- Fraktilwerte.
Die Teilsicherheitsbeiwerte γM zur Bestimmung des Bemessungswertes des Tragwiderstandes sind Tabelle 1 zu ent-
nehmen.
Tabelle 1: Teilsicherheitsbeiwerte γM für das Material im Grenzzustand der Tragfähigkeit
(DIN EN 1996-1-1/NA:2012-05 Tabelle NA.1)
4.4 Begrenzung der planmäßigen Exzentrizitäten
Grundsätzlich dürfen klaffende Fugen infolge der planmäßigen Exzentrizität der einwirkenden charakteristischen Las-
ten (ohne Berücksichtigung der ungewollten Ausmitte und der Stabauslenkung nach Theorie II. Ordnung) rechnerisch
höchstens bis zum Schwerpunkt des Gesamtquerschnittes entstehen.
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5 Mauerwerksfestigkeiten
5.1 Allgemeines
Die charakteristischen Zug-, Druck- und Schubfestigkeiten von Mauerwerk werden als 5%-Fraktilwerte angegeben.
5.2 Charakteristische Druckfestigkeit
Die charakteristische Druckfestigkeit fk von
Mauerwerk ist definiert als Festigkeit, die im
Kurzzeitversuch an Prüfkörpern nach
EN 1052-1 : 1998 gewonnen, als 5%-Fraktile
ausgewertet und auf die theoretische Schlank-
heit Null bezogen ist.
Die charakteristischen Druckfestigkeiten fk von
Mauerwerk werden aus den Tabelle 2, 3, 4, 5,
6 und 7 in Abhängigkeit von den Steinfestig-
keitsklassen und den Mörtelgruppen wie folgt
bestimmt:
mbk ffKf
Abbildung 2: Prüfkörper zur Ermittlung der Druckfestigkeit
nach EN 1052-1 : 1998
Dabei ist:
fk die charakteristische Druckfestigkeit von Mauerwerk in N/mm2;
K eine Konstante, die – sofern notwendig –folgendermaßen zu modifizieren ist: Bei Mauerwerk aus
Normalmörtel und mit Mörtelfugen parallel zur Wandebene (Verbandsmauerwerk), die über die ge-
samte Länge der Wand oder Teile davon verlaufen, sind die K-Werte aus den folgenden Tabellen mit
dem Faktor 0,8 zu multiplizieren.
α,b Konstanten;
fb die normierte Mauersteindruckfestigkeit in Lastrichtung in N/mm2;
fm die Druckfestigkeit des Mauermörtels in N/mm2.
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Tabelle 2: Parameter zur Ermittlung der Druckfestigkeit von Einsteinmauerwerk aus Hochlochziegeln (DIN EN 1996-1-
1/NA/A1:2014-03)
Abbildung 3: Spannungsverteilung im Wandquerschnitt; Spaltzugkräfte und Spannungsspitzen durch Fehlstellen in der
Lagerfuge (D, Z: Druck-, Zugtrajektorien) [Schubert, Schneider, Schoch / Mauerwerksbau-Praxis]
Vorlesung Mauerwerksbau Seite 12
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Tabelle 3: charakteristische Werte fk der Druckfestigkeit von Mauerwerk mit Normalmörtel
(DIN EN 1996-1-1/NA:2012-05)
Tabelle 4: charakteristische Werte fk der Druckfestigkeit von Mauerwerk mit Dünnbettmörtel
(DIN EN 1996-3/NA:2012-0116)
Vorlesung Mauerwerksbau Seite 13
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Tabelle 5: charakteristische Werte fk der Druckfestigkeit von Mauerwerk mit Leichtmauermörtel
(DIN EN 1996-3/NA:2012-01)
Tabelle 6: Steindruckfestigkeitsklassen (DIN EN 1996-1-1/NA:2012-05)
Tabelle 7: Anforderungen an Normalmörtel: Mindestdruckfestigkeit im Alter von 28 Tagen (DIN EN 1996-1-
1/NA:2012-05)
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Tabelle 8: Mörtelzusammensetzung; Mischungsverhältnisse für Normalmörtel in Raumteilen
(DIN V 18580:2007-3, Tab. A.1)
6 Baustoffe
Folgende Mauersteinarten dürfen verwendet werden:
Mauerziegel nach DIN EN 771 Teil 1: 2011-07 und
Mauerziegel nach DIN 105
Teil 5: 2013-06 Leichtlanglochziegel und Leichtlanglochziegelplatten,
Teil 6: 2013-06 Mauerziegel – Planziegel
Teil 100: 2012-01 Mauerziegel mit besonderen Eigenschaften
Kalksandsteine nach DIN EN 771 Teil 2: 2011-07
Hüttensteine nach DIN 398: 1976-06 Vollsteine, Lochsteine, Hohlblocksteine,
Porenbetonsteine nach DIN EN 771 Teil 4: 2011-07
Leichtbetonsteine nach DIN V 18151: 2003-10 Hohlblöcke aus Leichtbeton und DIN V 18152: 2003-10 Voll-
steine und Vollblöcke aus Leichtbeton
Mauersteine aus Beton nach DIN EN 771 Teil 3: 2011-07
Betonwerksteine nach DIN EN 771 Teil 5: 2011-07
Natursteine nach DIN EN 771 Teil 6: 2011-07
Ergänzungsbauteile nach DIN EN 1996-1-1
Feuchtigkeitssperrschichten
Eine Schicht aus Bahnen oder anderem geeigneten Material zur Verwendung im Mauerwerk, um das Eindringen von
Wasser zu verhindern.
Vorlesung Mauerwerksbau Seite 15
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Feuchtigkeitssperrschichten sollten der Art des Bauwerks entsprechend dauerhaft sein; sie sollten aus Stoffen hergestellt
werden, die im Gebrauchszustand nicht leicht durchstoßen werden und unter der Bemessungsdruckspannung nicht her-
ausquetschen.
Maueranker
Der Maueranker ist ein Bauteil zur Verbindung der beiden Schalen von zweischaligem Mauerwerk oder zur Verbindung
einer Schale mit einer Skelettkonstruktion oder einer dahinter liegenden Wand.
Maueranker und deren Verankerungen müssen die auf sie einwirkenden Kräfte, einschließlich der aus Umwelteinflüs-
sen und der aus unterschiedlichen Verformungen der Wandschalen, aufnehmen können. Sie müssen in der Umgebung,
der sie ausgesetzt sind, korrosionsbeständig sein.
Maueranker müssen die Anforderungen nach DIN EN 1996-1-1, Abschnitt 8.5.2.2, erfüllen.
Abbildung 4: Drahtanker für zweischaliges Mauerwerk für Außenwände (DIN EN 1996-2/NA:2012-01, Bild NA.D.1)
Dübel
Abbildung 5: Beispiele für Kunststoffdübelanwendungen
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Vorgefertigte Stürze
Vorgefertigte Stürze müssen die Anforderungen der Richtlinien für die Bemessung und Ausführung von Flachstürzen,
der DIN EN 845-2: 2013-8 erfüllen. Sie müssen unter den Umweltbedingungen, denen sie ausgesetzt werden, korrosi-
onsbeständig sein.
Abbildung 6: Sturz- oder Abfangträger unter Wänden
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Abbildung 7: Stürze in Mauerwerk
7 Vereinfachtes Berechnungsverfahren
7.1 Allgemeines
Der Nachweis der Standsicherheit darf mit dem vereinfachten Verfahren geführt werden, wenn die folgenden und die in
Tabelle 9 enthaltenen Voraussetzungen erfüllt sind:
Gebäudehöhe über Gelände nicht mehr als 20m.
Als Gebäudehöhe darf bei geneigten Dächern das Mittel von First- und Traufhöhe gelten.
Stützweite der aufliegenden Decken l 6 m, sofern nicht die Biegemomente aus dem Deckendrehwinkel durch
konstruktive Maßnahmen, z.B. Zentrierleisten, begrenzt werden; bei zweiachsig gespannten Decken ist für l
die kürzere der beiden Stützweiten einzusetzen.
Vorlesung Mauerwerksbau Seite 18
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Tabelle 9: Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens (DIN EN 1996-3/NA:2012-01)
Beim vereinfachten Verfahren brauchen bestimmte Beanspruchungen, z.B. Biegemomente aus Deckeneinspannung,
ungewollte Exzentrizitäten beim Knicknachweis, Wind auf Außenwände usw., nicht nachgewiesen zu werden, da sie im
Sicherheitsabstand, der dem Nachweisverfahren zugrunde liegt, oder durch konstruktive Regeln und Grenzen berück-
sichtigt sind.
7.2 Ermittlung der Schnittgrößen infolge von Lasten
7.2.1 Auflagerkräfte aus Decken
Die Schnittgrößen sind für die während des Errichtens und im Gebrauch auftretenden, maßgebenden Lastfälle zu be-
rechnen. Bei der Ermittlung der Stützkräfte, die von einachsig gespannten Platten und Rippendecken sowie von Balken
und Plattenbalken auf das Mauerwerk übertragen werden, ist die Durchlaufwirkung bei der ersten Innenstütze stets, bei
den übrigen Innenstützen dann zu berücksichtigen, wenn das Verhältnis benachbarter Stützweiten kleiner als 0,7
ist(nach DIN 1053-100, im Eurocode 6 nicht geregelt). Alle übrigen Stützkräfte dürfen ohne Berücksichtigung einer
Durchlaufwirkung unter der Annahme berechnet werden, dass die Tragwerke über allen Innenstützen gestoßen und frei
drehbar gelagert sind.
Tragende Wände unter einachsig gespannten Decken, die parallel zur Deckenspannrichtung verlaufen, sind mit einem
Deckenstreifen angemessener Breite zu belasten, so dass eine mögliche Lastabtragung in Querrichtung berücksichtigt
ist. Die Auflagerkräfte aus zweiachsig gespannten Decken sind der Deckenberechnung zu entnehmen.
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7.2.2 Knotenmomente
In Wänden, die als Zwischenauflager von Decken dienen, brauchen die Biegemomente infolge des Auflagerdrehwinkels
der Decken unter den Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens nicht nachgewiesen zu werden. Als Zwischen-
auflager in diesem Sinne gelten:
a) Innenauflager durchlaufender Decken;
b) beidseitige Endauflager von Decken;
c) Innenauflager von Massivdecken mit oberer konstruktiver Bewehrung im Auflagerbereich, auch wenn die
rechnerisch auf einer oder auf beiden Seiten der Wand parallel zur Wand gespannt sind.
In Wänden, die als einseitiges Endauflager von Decken dienen, brauchen die Biegemomente infolge des Auflagerdreh-
winkels der Decken unter den Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens nicht nachgewiesen zu werden, da dieser
Einfluss im Faktor 1 nach 7.6.1.2 berücksichtigt ist.
7.3 Wind
Der Einfluss der Windlast rechtwinklig zur Wandebene darf beim Nachweis unter den Voraussetzungen des vereinfach-
ten Verfahrens in der Regel vernachlässigt werden, wenn ausreichende horizontale Halterungen der Wände vorhanden
sind. Als solche gelten z.B. Decken mit Scheibenwirkung oder statisch nachgewiesene Ringbalken im Abstand der
zulässigen Geschosshöhen nach Tabelle 9.
Erläuterung: Der Ringbalken wird zur Übertragung von Horizontalkräften (z.B. Wind) benötigt, wenn bei einer De-
cke die Scheibentragwirkung ganz oder teilweise fehlt (z.B. bei Holzbalken- oder Fertigteildecken).
Ringbalken werden auf Biegung beansprucht und müssen sowohl Winddruck- als auch Windsogkräfte
aufnehmen können. Sie bestehen aus bewehrtem Mauerwerk (bei Mauerwerkswänden), aus Stahlbeton,
Holz oder Stahl. Da die Kräfte über den Ringbalken in die Wände abgeleitet werden, ist auf eine kraft-
schlüssige Verbindung mit der zu haltenden Wand und den Querwänden zu achten.
Abbildung 8: Ringbalken auf Drempelwand
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7.4 Räumliche Steifigkeit
Alle horizontalen Kräfte, z-B. Windlasten oder Lasten aus Schrägstellung des Gebäudes, müssen sicher in den Bau-
grund weitergeleitet werden können. Auf einen rechnerischen Nachweis der räumlichen Steifigkeit darf verzichtet
werden, wenn die Geschossdecken als steife Scheiben ausgebildet sind bzw. statisch nachgewiesene, ausreichend steife
Ringbalken vorliegen und wenn in Längs- und Querrichtung des Gebäudes eine offensichtlich ausreichende Anzahl von
genügend langen aussteifenden Wänden vorhanden ist, die ohne größere Schwächungen und ohne Versprünge bis auf
die Fundamente geführt sind.
Ist bei einem Bauwerk nicht von vornherein erkennbar, dass Steifigkeit und Stabilität gesichert sind, so ist ein
rechnerischer Nachweis der Standsicherheit der waagerechten und lotrechten Bauteile erforderlich. Dabei sind auch
Lotabweichungen des Systems durch den Ansatz horizontaler Kräfte zu berücksichtigen, die sich durch eine rechneri-
sche Schrägstellung des Gebäudes um den im Bogenmaß gemessenen Winkel
υ = 1/(100 htot ) (rad)
ergeben. Für htot ist die Gesamthöhe des Tragwerkes in m einzusetzen.
Bei Bauwerken, die aufgrund ihres statischen Systems eine Umlagerung der Kräfte erlauben, dürfen bis zu 15% des
ermittelten horizontalen Kraftanteils einer Wand auf andere Wände umverteilt werden.
7.5 Grundlagen für die Berechnung der Formänderung
Als Bemessungswerte für die Verformungseigenschaften der Mauerwerksarten aus künstlichen Steinen dürfen die in der
Tabelle 10 angegebenen Rechenwerte angenommen werden.
Für die Verformungs- und Schnittkraftermittlung darf der Kurzzeitelastizitätsmodul E des Mauerwerks mit KE × fk an-
genommen werden. Als Rechenwerte für die Kennzahl KE dürfen die in Tabelle 11 angegebenen Werte angenommen
werden.
Vorlesung Mauerwerksbau Seite 21
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Tabelle 10: Verformungskennwerte für Kriechen, Schwinden, Temperaturänderung
(DIN EN 1996-1-1:2013-02, Absatz: 3.7.4)
Tabelle 11: Kennzahlen KE zur Bestimmung der Elastizitätsmodul (DIN EN 1996-1-1/NA:2012-05)
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Abbildung 9: Spannungs-Dehnungs-Linie für Mauerwerk (DIN EN 1996-1-1:2013-02 Bild 3.2)
7.5.1 Allgemeine Annahmen für aussteifende Wände
Je nach Anzahl der rechtwinklig zur Wandebene unverschieblich gehaltenen Ränder werden zwei-, drei- und vierseitig
gehaltene sowie frei stehende Wände unterschieden. Als unverschiebliche Halterung dürfen horizontal gehaltene De-
ckenscheiben und aussteifende Querwände oder andere ausreichend steife Bauteile angesehen werden. Unabhängig
davon ist das Bauwerk als Ganzes nach 7.4 auszusteifen.
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Abbildung 10: a) Freistehende, b) zwei-, c) drei- und, d) vierseitig gehaltene Wände
Aussteifende Wände müssen mindestens eine wirksame Länge von 1/5 der lichten Geschosshöhe h und eine Dicke von
dem 0,3 fachen der Dicke der auszusteifenden Wand haben.
Ist die aussteifende Wand durch Öffnungen unterbrochen, muss die Länge der Wand zwischen den Öffnungen mindes-
tens so groß wie nach Abbildung 11 sein. Bei Fenstern gilt die lichte Fensterhöhe als h1 bzw. h2.
Abbildung 11: Mindestlänge einer aussteifenden Wand mit Öffnungen (DIN EN 1996-1-1:2013-02, Bild 5.1)
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7.5.2 Knicklängen
Die Knicklänge hef von Wänden ist in Abhängigkeit von der lichten Geschosshöhe h wie folgt in Rechnung zu stellen:
hef = ρ n * h
Dabei ist
hef die Knicklänge der Wand
h die lichte Geschosshöhe der Wand
ρ n ein Abminderungsfaktor mit n= 2,3 oder 4, je nach Halterung der auszusteifenden Wand.
a)
Bei freistehenden Wänden ist
3
/212 udod NN
Dabei ist
Nod der Bemessungswert der Längskraft am Wandkopf;
Nud der Bemessungswert der Längskraft am Wandfuß.
b) Zweiseitig gehaltene Wände:
Bei Auflagertiefen kleiner als 2/3 der Wanddicke ist ρ2 mit 1,0 anzusetzen.
(NA.16) Sofern kein genauerer Nachweis für ρ2 erfolgt, gilt für flächig aufgelagerte Massivdecken verein-
facht:
ρ2 = 0,75 wenn e ≤ t/6
ρ2 = 1,00 wenn e ≥ t/3
Dabei ist
e die planmäßige Ausmitte des Bemessungswertes der Längsnormalkraft am Wandkopf (ohne Be-
rücksichtigung einer ungewollten Ausmitte). Zwischenwerte dürfen geradlinig interpoliert werden.
c) Dreiseitig gehaltene Wände (mit einem freien vertikalen Rand)
hh
b
hhef
3,0
'31
122
23
d) Vierseitig gehaltene Wände:
h
b
hhef
22
241
1
für 14 b
h
24
bhef für 14
b
h
Dabei ist
b, b´ der Abstand des freien Randes von der Mitte der haltenden Wand, bzw. Mittenabstand der
haltenden Wände nach
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α3, α4 die Anpassungsfaktoren nach Absatz (NA.13) und (NA.14):
(NA.13) Für Mauerwerk mit einem planmäßigen Überbindemaß lol/hu ≥ 0,4 sind die Anpas-
sungsfaktoren α3 und α4 gleich 1,0 zu setzen.
(NA.14) Für Elementmauerwerk mit einem planmäßigen Überbindemaß 0,2 ≤ lol/hu < 0,4
sind die Anpassungsfaktoren Tabelle 12 zu entnehmen.
ρ2 der Abminderungsfaktor der Knicklänge nach (NA.16) (s.o.);
Abbildung 13;
hef die Knicklänge;
h die lichte Geschosshöhe.
Abbildung 12: Knicklängen
Tabelle 12: Anpassungsfaktoren α3, α4 (DIN EN 1996-1-1/NA:2012-05, Tabelle NA.16)
Abbildung 13: Darstellung der Größen b und b´ für drei- und vierseitig gehaltene Wände (DIN EN 1996-1-1/NA:2012-
05, Bild NA.1)
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7.5.3 Schlitze und Öffnungen in Wänden
Werden die Bedingungen für ohne Nachweis zulässige Schlitze und Aussparungen nach Tabelle 13 (DIN EN 1996-1-1
NA) im mittleren Drittel der Wandhöhe nicht eingehalten, so ist für die Wanddicke die Restwanddicke anzusetzen oder
ein freier Rand anzunehmen.
Vertikale Schlitze und Aussparungen sind auch dann ohne Nachweis zulässig, wenn die Querschnittsschwächung, be-
zogen auf 1 m Wandlänge, nicht mehr als 6 % beträgt und die Wand nicht drei- oder vierseitig gehalten gerechnet ist.
Hierbei müssen eine Restwanddicke nach Tabelle 13, Spalte 5, und ein Mindestabstand nach Spalte 6 eingehalten wer-
den.
Tabelle 13: Ohne Nachweis zulässige Schlitze und Aussparungen in tragenden Wänden (DIN EN 1996-1-1/NA:2012-
05 Tabelle NA.19)
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7.6 Bemessung mit dem vereinfachten Verfahren – Nachweise in den Grenzzuständen der Trag-
fähigkeit
7.6.1 Nachweis bei zentrischer und exzentrischer Druckbeanspruchung
7.6.1.1 Grundlagen der Bemessung
NEd NRd
Dabei ist
NEd der Bemessungswert der vertikalen Belastung der Wand
NRd der Bemessungswert des vertikalen Tragwiderstands der Wand. Grundlage ist ein rechteckiger Span-
nungsblock, dessen Schwerpunkt mit dem Angriffspunkt der Kraftresultierenden übereinstimmt. Für
Rechteckquerschnitte gilt:
dsRd AN (DIN EN 1996-3:2010-12)
mit
M
kd
Dabei ist:
s der Abminderungsfaktor zur Berücksichtigung der Schlankheit der Wand und der Lastausmitte
k die charakteristische Mauerwerksdruckfestigkeit nach 5.2 Charakteristische Druckfestigkeit
γM der Teilsicherheitsbeiwert für den Baustoff, siehe Tabelle 1
der Abminderungsbeiwert zur Berücksichtigung von Langzeiteinwirkung und weiterer Einflüsse;
ist im Allgemeinen mit 0,85 anzunehmen
A die Bruttoquerschnittsfläche der Wand.
7.6.1.2 Abminderungsfaktor Φi bei überwiegend in Wandlängsrichtung biegebeanspruchten Querschnitten
Bei überwiegend in Wandlängsrichtung biegebeanspruchten Querschnitten, insbesondere bei Windscheiben, gilt:
l
eWi 21
Dabei ist
l die Länge der Wandscheibe;
eW = MEwd/NEd die Exzentrizität der einwirkenden Normalkraft in Wandlängsrichtung;
MEwd = γF ∙ MEk der Bemessungswert des in Wandlängsrichtung einwirkenden Momentes;
bei Windscheiben gilt MEwd = 1,5 ∙ HWk ∙ hW; eventuell vorhandene Exzentrizitäten der Nor-
malkraft sind zusätzlich zu berücksichtigen;
HWk der charakteristische Wert der resultierenden Windlast bezogen auf den nachzuweisenden
Querschnitt;
hW der Hebelarm von HWk bezogen auf den nachzuweisenden Querschnitt;
NEd der Bemessungswert der einwirkenden Normalkraft im nachzuweisenden Querschnitt.
Bei Windscheiben mit einer Ausmitte e > lw/6 ist zusätzlich nachzuweisen, dass die rechnerische Randdehnung aus der
Scheibenbeanspruchung auf der Seite der Klaffung εR = εD ⋅ a/l´w für charakteristische Bemessungssituationen nach
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DIN EN 1990:2010-12, 6.5.3 (2) den Wert εR = 10-4
nicht überschreitet (siehe Abbildung 14). Der Elastizitätsmodul für
Mauerwerk darf hierfür zu E = 1000 fk angenommen werden.
Mit dieser Regelung wird berücksichtigt, dass bei wiederholtem alternierendem Aufgehen der untersten Lagerfuge
infolge Windbeanspruchung die Haftscherfestigkeit nicht verloren gehen kann.
Abbildung 14: Zulässige rechnerische Randdehnung bei Windscheiben (DIN EN 1996-1-1/NA:2012-05; Bild NA.4)
7.6.1.3 Abminderungsfaktor Φ2 bei geschosshohen Wänden
Zur Berücksichtigung der Traglastminderung bei Knickgefahr gilt:
2
2 0011,085,0
t
h
t
a ef
Dabei ist
hef die Knicklänge;
a die Deckenauflagertiefe;
t die Dicke der Wand.
Es ist vorausgesetzt, dass in halber Geschosshöhe nur Biegemomente aus der Deckeneinspannung und aus Windlasten
auftreten.
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Abbildung 15: Abminderungsfaktor Φ2 in Abhängigkeit von der Schlankheit der Wand
Bei geschosshohen Wänden des üblichen Hochbaus und gleichzeitiger Einhaltung der Randbedingungen für die verein-
fachten Berechnungsmethoden darf die Traglastminderung infolge der Lastausmitte bei Endauflagern auf Außen- und
Innenwänden abgeschätzt werden zu:
Für 2
8,1mm
Nk :
t
al f 9,0
66,11
Für 2
8,1mm
Nk :
t
al f 9,0
56,11
Dabei ist
lf die Stützweite der angrenzenden Geschossdecke in m, bei zweiachsig gespannten Decken ist für lf die
kürzere der beiden Stützweiten einzusetzen;
fk der charakteristische Wert der Druckfestigkeit von Mauerwerk;
a die Deckenauflagertiefe;
t die Dicke der Wand.
Bei Decken über dem obersten Geschoss, insbesondere bei Dachdecken, gilt aufgrund geringer Auflasten:
Φ1 = 0,333 für alle Werte von .
Wird die Traglastminderung infolge Deckenverdrehung durch konstruktive Maßnahmen, z. B. Zentrierleisten mittig
unter dem Deckenauflager, vermieden, so gilt unabhängig von der Deckenstützweite Φ1= 0,9∙a/t bei teilweise auflie-
gender Deckenplatte (siehe Abbildung 16) und Φ1=0,9 bei vollaufliegender Deckenplatte.
Maßgebend für die Bemessung ist der kleinere der Werte Φ1 und Φ2.
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Abbildung 16: Teilweise aufliegende Deckenplatte (DIN EN 1996-3/NA:2012-01)
a) unverformter Zustand b) Spannungsverteilung im verformten Zustand
ohne klaffende Fuge
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c) resultierende Kräfte im verformten Zustand d) statisches Modell
Abbildung 17: Beanspruchungen einer Wand am Deckenauflager und statisches Modell
Abbildung 18: Modell eines Geschosstragwerks
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Abbildung 19: Statisches Modell einer Wand und Schnittgrößenverlauf
8 Genaueres Berechnungsverfahren – Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit
8.1 Allgemeines
Das genauere Berechnungsverfahren darf auf einzelne Bauteile, einzelne Geschosse oder ganze Bauwerke angewendet
werden.
8.2 Ermittlung der Schnittgrößen infolge von Lasten
8.2.1 Knotenmomente (Ein vereinfachtes Verfahren nach EN 1996-1-1 NA.C)
Die Berechnung der Lastausmitte am Wand-Decken-Knoten sollte mit Hilfe einer geeigneten Modellbildung nach den
anerkannten Regeln der Technik erfolgen. Der Einfluss der Deckenverdrehung auf die Ausmitte der Lasteintragung in
die Wände ist dabei zu berücksichtigen. Bei der Berechnung der Lastausmitte bei Wänden darf vereinfachend der
Wand-Decken-Knoten als nicht gerissen angesehen und elastisches Verhalten der Baustoffe angenommen werden. Es
darf eine Rahmenberechnung oder eine Berechnung des einzelnen Knotens vorgenommen werden.
Die Berechnung des Knotens kann entsprechend Abbildung 20 vereinfacht werden. Bei weniger als vier Stäben an
einem Knoten werden die nicht vorhandenen weggelassen. Die vom Knoten entfernten Stabenden sollten als einge-
spannt angesehen werden, es sei denn, sie sind nicht in der Lage, Momente aufzunehmen, so dass sie als gelenkig gela-
gert angesehen werden dürfen. Das Stabendmoment M1 am Knoten 1 darf nach Gleichung (NA.C.1) berechnet werden.
Das Stabendmoment M2 am Knoten 2 wird in gleicher Weise nur mit dem Ausdruck E2l2/h2 im Zähler anstelle von
E1l1/h1 berechnet.
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1414 4
2
44
3
2
33
4
444
3
333
2
222
1
111
1
111
1n
lq
n
lq
l
IEn
l
IEn
h
IEn
h
IEn
h
IEn
M (NA.C.1)
Dabei ist
ni der Steifigkeitsfaktor des Stabes; er ist 4 bei an beiden Enden eingespannten Stäben und 3 in
den anderen Fällen;
Ei der Elastizitätsmodul des Stabes i, mit i = 1, 2, 3 oder 4;
Ii das Trägheitsmoment des Stabes i, mit i = 1, 2, 3 oder 4 (bei zweischaligem Mauerwerk mit
Luftschicht, bei dem nur eine Wandschale belastet ist, sollte als Ii nur das der belasteten
Wand-schale angenommen werden);
h1 die lichte Höhe des Stabes 1;
h2 die lichte Höhe des Stabes 2;
l3 die lichte Spannweite des Stabes 3;
l4 die lichte Spannweite des Stabes 4;
q3 die gleichmäßig verteilte Bemessungslast des Stabes 3 bei Anwendung der Teilsicherheits-
beiwerte nach EN 1990 für ungünstige Einwirkung;
q4 die gleichmäßig verteilte Bemessungslast des Stabes 4 bei Anwendung der Teilsicherheits-
beiwerte nach EN 1990 für ungünstige Einwirkung.
ANMERKUNG Bei zweiachsig gespannten Decken (Spannweitenverhältnissen bis 1:2) darf als Spannweite
zur Ermittlung der Lastexzentrizität 2/3 der kürzeren Seite eingesetzt werden.
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Abbildung 20: Vereinfachtes Rahmenmodell (DIN EN 1996-1-1/NA:2012-05)
Die Ergebnisse der Berechnung liegen im allgemeinen auf der sicheren Seite, da die wirkliche Einspannung des De-
cken/Wandknotens, d. h. das Verhältnis des tatsächlich durch den Knoten übertragenen Momentes zu dem, welches bei
voller Einspannung übertragen werden würde, nicht erreicht werden kann. Bei der Bemessung ist es zulässig, die nach
(NA.C.1) errechnete Ausmitte mit dem Faktor η zu reduzieren. Der Wert η kann mit (1 – km /4) angenommen werden.
Dabei ist:
2
2
222
1
111
4
444
3
333
h
IEn
h
IEn
l
IEn
l
IEn
km
Es gelten die gleichen Bezeichnungen wie unter (NA.C.1)(siehe oben).
8.2.2 Vereinfachte Berechnung der Knotenmomente
Wenn eine Decke nur über einen Teil der Wandstärke aufliegt, siehe Abbildung 21, kann das Moment oberhalb der
Decke MEdu und das Moment unterhalb der Decke MEdf mit den Gleichungen (C.3) und (C.4) verwendet werden, vo-
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rausgesetzt, es ist kleiner als nach Knotenmomente (Ein vereinfachtes Verfahren nach EN 1996-1-1 NA.C)8.2.1 (siehe
oben):
4
3atNM EduEdu
(C.3)
42
atN
aNM EduEdfEdf
(C.4)
Dabei ist:
NEdu der Bemessungswert der Last in der oberen Wand;
NEdf der Bemessungswert der Last, die durch die Decke eingetragen wird;
a der Abstand von der Außenkante der Wand bis zur Außenkante der Decke.
Abbildung 21: Kräfte im Knotenbereich einer nur teilweise auf der Wand aufliegenden Decke (DIN EN 1996-1-1:2013-
02)
8.2.3 Begrenzung der Knotenmomente
Ist die rechnerische Ausmitte der resultierenden Last aus Decken und darüber befindlichen Geschossen infolge der
Knotenmomente am Kopf bzw. Fuß der Wand größer als die 0,333-fache Wanddicke t, so darf die resultierende Last
über einen am Rand des Querschnittes angeordneten Spannungsblock mit der Ordinate fd abgetragen werden (siehe
Abbildung 22).
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Abbildung 22: Ausmitte der Bemessungslast (DIN EN 1996-1-1/NA:2012-05)
8.3 Bemessung mit dem genaueren Verfahren – Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit
8.3.1 Nachweis bei zentrischer und exzentrischer Druckbeanspruchung
8.3.1.1 Abminderungsfaktoren Φ bei geschosshohen Wänden
Der Bemessungswert des Tragwiderstandes NRd einer vertikal belasteten einschaligen Wand beträgt je Längeneinheit:
NRd = Φ ∙ t ∙ fd
Dabei ist
ɸ der Abminderungsfaktor Φi am Kopf oder Fuß der Wand, bzw. Φm in Wandmitte zur Berück-
sichtigung der Schlankheit und Lastausmitte (siehe unten);
t die Wanddicke;
fd die Bemessungsdruckfestigkeit des Mauerwerkes nach 5.2.
Die Größe des Abminderungsfaktors Φ zur Berücksichtigung der Schlankheit und Ausmitte darf wie folgt auf der
Grundlage eines rechteckigen Spannungsblockes ermittelt werden:
(i) Am Wandkopf und -fuß (Φi)
Φi = 1-2 ∙ ei /d
Dabei ist
ei die Lastexzentrizität am Kopf bzw. Fuß der Wand nach folgender Gleichung :
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teeN
Me inithe
id
idi 05,0
Mid der Bemessungswert des Biegemomentes, resultierend aus der Exzentrizität der Deckenauf-
lagerkraft am Kopf bzw. Fuß der Wand (siehe Abbildung 23);
Nid der Bemessungswert der am Kopf bzw. Fuß der Wand wirkenden Vertikalkraft;
ehe die Ausmitte am Kopf oder Fuß der Wand infolge horizontalen Lasten (z. B. Wind), sofern
vorhanden;
einit Am Wandkopf und Wandfuß darf die ungewollte Ausmitte einit = 0 gesetzt werden;
t die Dicke der Wand.
Abbildung 23: Momente infolge Ausmitten (DIN EN 1996-1-1:2013-02)
(ii) In Wandmitte (Φm)
Φm = 1,14 (1-2 emk/tef) – 0,024 ∙ hef/tef 1 – 2 emk/tef (NA.G.1)
Dabei ist
emk die Ausmitte der Last in halber Wandhöhe, berechnet nach den Gleichungen:
teee kmmk 05,0
inithm
md
mdm ee
N
Me
em die Ausmitte infolge der Lasten;
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Mmd der Bemessungswert des größten Momentes in halber Wandhöhe, resultierend aus den Momenten am
Kopf und Fuß der Wand (siehe Abbildung 23), einschließlich der Biegemomente aus allen anderen
ausmittig angreifenden Lasten (z. B. Wandschränke);
Nmd der Bemessungswert der Vertikallast in halber Wandhöhe einschließlich aller anderen ausmittigen
Lasten (z. B. Wandschränke);
ehm die Ausmitte in halber Wandhöhe infolge horizontaler Lasten (z. B. Wind);
ANMERKUNG: Die Einbeziehung von ehm hängt von der zur Bemessung zu verwendenden
Lastkombination ab. Die Vorzeichenabhängigkeit und deren Einfluss auf das Verhältnis Mmd /Nmd
sind zu beachten.
einit die ungewollte Ausmitte mit einem Vorzeichen, mit dem der absolute Wert für em erhöht wird. Es gilt:
einit=hef/450;
hef die Knicklänge für die entsprechende Halterung oder Aussteifungsart;
tef die wirksame Wanddicke;
ek die Ausmitte infolge Kriechens nach:
m
ef
ef
k ett
he 002,0
φ∞ der Endkriechwert nach Tabelle 10.
Abbildung 24: Abhängigkeit der Werte m von der Schlankheit bei verschiedenen Ausmitten
(iii) Kombinierte Beanspruchung
Bei einer kombinierten Beanspruchung aus Biegung um die starke Achse y und Biegung um die schwache
Achse z ist der Nachweis der Doppelbiegung an der maßgebenden Stelle zu führen. Vereinfachend dürfen die
Abminderungsfaktoren Φ multiplikativ kombiniert werden.
zy
Dabei ist
ɸy der Abminderungsfaktor für Biegung um die starke Achse y;
ɸx der Abminderungsfaktor für Biegung um die schwache Achse z.
= 0,05
= 0,1
= 0,15
= 0,2
= 0,25
= 0,3
= 0,33
em/d = 0
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1
0 5 10 15 20 25 30
hk/d
m
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8.3.2 Einzellasten und Teilflächenpressung
8.3.2.1 Wände mit Teilflächenlasten
Werden Wände durch Einzellasten belastet, so ist die Aufnahme der Spaltzugkräfte konstruktiv sicherzustellen. Dies
kann bei sorgfältig ausgeführtem Mauerwerksverband als gegeben angenommen werden. Die Spaltzugkräfte können
auch durch Bewehrung oder Stahlbetonkonstruktionen aufgenommen werden.
Ist die Aufnahme der Spaltzugkräfte konstruktiv gesichert, so darf die Druckverteilung unter den konzentrierten Lasten
innerhalb des Mauerwerks unter 60° angesetzt werden. Der höher beanspruchte Wandbereich darf in höherer Mauer-
werksfestigkeit ausgeführt werden.
Die Teilflächenlasten sollten auf Mauersteinen aufliegen, dessen Länge gleich der erforderlichen Auflagerlänge zuzüg-
lich eines beidseitigen Überstandes sein sollte. Dieser ergibt sich unter der Annahme einer Lastverteilung von 60° bis
zur Grundfläche des Vollmaterials. Bei einem Endauflager ist ein Überstand nur an einer Seite erforderlich. Teilflä-
chenlasten sollten auf eine Wand über eine Mindestlänge von 90 mm oder mit der unter einem Lastausbreitungswinkel
von 60° errechneten Länge abgesetzt werden. Der größere der beiden Werte ist maßgebend. Wenn eine Lastverteilung
von 60° nicht eingehalten ist (z.B wenn die Ausbreitung nicht möglich ist), darf die Erhöhung der Teilflächenbelastung
um den Faktor β nicht angesetzt werden.
Wird nur die Teilfläche Ab (siehe Abbildung 25) eines Mauerwerksquerschnittes durch eine Einzellast Fd, z.B. unter
Balken, Unterzügen, Stützen usw., mittig oder ausmittig belastet, dann gilt:
NEdc NRdc
Abbildung 25: Teilflächenpressungen (DIN EN 1996-1-1/NA:2012-05)
Bei einer mit Mauersteinen (gilt nur für Vollsteine) und mit Teilflächenlasten beanspruchten Wand – jedoch nicht bei
Mauerwerk mit Randstreifenvermörtelung – gilt für den Bemessungswert des Tragwiderstandes bei dieser Beanspru-
chung:
dbRdc fAN
Dabei ist:
ef
b
c A
A
h
a1,15,13,01 1
β sollte nicht kleiner als 1,0 oder größer als 1,25+(a1/2hc) oder 1,5 sein. Der kleinere Wert ist maßgebend.
Dabei ist:
b der Erhöhungsfaktor bei Teilflächenlasten;
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a1 der Abstand vom Wandende zu dem am nächsten gelegenen Rand der belasteten Fläche (s. Abbildung
26);
hc die Höhe der Wand bis zur Ebene der Lasteintragung;
Ab die belastete Fläche;
Aef die wirksame Wandfläche, i. Allg. lefm ⋅ t ; lefm die wirksame Basis des Trapezes, unter dem sich die Last ausbreitet, ermittelt in halber Wand- oder
Pfeilerhöhe (s. Abbildung 26);
t die Wanddicke unter Berücksichtigung von nicht voll vermörtelten Fugen mit einer Tiefe von mehr
als 5 mm;
ef
b
A
A ist nicht größer als 0,45 einzusetzen.
Abbildung 26: Wände unter Teilflächenlasten (DIN EN 1996-1-1:2013-02)
8.3.2.2 Vergrößerter Wert der Teilflächenpressung
Für Mauersteine nach NCI 3.1.1, Absatz (NA.5) gilt bei einer randnahen Einzellast (a1≤3⋅l1) folgende Regelung:
Ein erhöhter Wert von β kann mit Gleichung (NA.17) berechnet werden, wenn die folgenden Bedingungen nach Abbil-
dung 25 eingehalten sind:
Belastungsfläche Ab ≤ 2∙t²;
Ausmitte e des Schwerpunktes der Teilfläche Ab: e < t/6.
(NA.17) 5,11,011
1 l
a
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8.3.3 Zug- und Biegebeanspruchungen
8.3.3.1 Nachweis der Zug- und Biegezugbeanspruchung
Die charakteristische Biegezugfestigkeit fxk1 mit einer Bruchebene parallel zu den Lagerfugen (Plattenbiegung) darf in
tragenden Wänden nicht in Rechnung gestellt werden. Eine Ausnahme gilt nur, wenn Wände aus Planelementen beste-
hen und lediglich durch zeitweise einwirkende Lasten rechtwinklig zur Oberfläche beansprucht werden (z. B. Wind auf
Ausfachungsmauerwerk). In diesem Fall darf der Bemessung eine charakteristische Biegezugfestigkeit in Höhe von fxk1
= 0,2 N/mm2 zugrunde gelegt werden. Beim Versagen der Wand darf es nicht zu einem größeren Einsturz oder zum
Stabilitätsverlust des ganzen Tragwerkes kommen.
Abbildung 27: Biegezugbeanspruchung senkrecht und Bruchebene parallel zu den Lagerfugen
Zugbeanspruchungen parallel zur Lagerfuge sind wie folgt nachzuweisen:
nEd nRd = t ∙ fxd2 / γM
Für Biegezugbeanspruchungen parallel zur Lagerfuge gilt:
mEd mRd = t² ∙ fxd2 / γM
Dabei ist
t die Wanddicke:
nEd der Bemessungswert der wirkenden Zugkraft;
nRd der Bemessungswert der aufnehmbaren Zugkraft;
mEd der Bemessungswert des wirkenden Biegemomentes;
mRd der Bemessungswert des aufnehmbaren Biegemomentes;
fxd2 die charakteristisch Zug- und Biegezugfestigkeit parallel zur Lagerfuge;
γM Teilsicherheitsbeiwert.
Abbildung 28: Biegezugbeanspruchung parallel und Bruchebene senkrecht zu den Lagerfugen
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8.3.3.2 Charakteristische Zug- und Biegezugfestigkeit
Die charakteristische Biegezugfestigkeit fxk2 von Mauerwerk mit der Bruchebene senkrecht zu den Lagerfugen ergibt
sich aus dem kleineren der beiden Werte nach den Gleichungen (NA.8) und (NA.9):
(NA.8)
u
oldvkxk
h
lff )6,0( 02
Dabei ist
α Korrekturbeiwert: α = 1,0 für vermörtelte Stoßfugen
α = 0,5 für unvermörtelte Stoßfugen
fvk0 die abgeminderte Haftscherfestigkeit nach Tabelle 14
σd der Bemessungswert der zugehörigen Druckspannung rechtwinklig zur Lagerfuge im untersuchten
Lastfall. Er ist im Regelfall mit dem geringsten zugehörigen Wert einzusetzen;
u
ol
h
l das Verhältnis von Überbindemaß zur Steinhöhe;
(NA.8) 7,05,0 ,2 calbtxk ff in N/mm2
Dabei ist
fbt,cal die rechnerische Steinzugfestigkeit nach 8.3.4.2.
Tabelle 14: Abgeminderte Haftscherfestigkeiten fvk0 in N/mm² (DIN EN 1996-1-1/NA:2012-05, Tab.NA.11)
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Abbildung 29: Prüfung der Biegezugfestigkeit von Mauerwerk nach EN 1052-2:1993 [Bild 1]
8.3.4 Schubbeanspruchung
8.3.4.1 Schubnachweis
Je nach Kraftrichtung ist zu unterscheiden zwischen Scheibenschub infolge von Kräften parallel zur Wandebene und
Plattenschub infolge von Kräften senkrecht dazu. Ist ein Nachweis der räumlichen Steifigkeit nach 7.4 nicht erforder-
lich, darf auch der Schubnachweis für die aussteifenden Wände entfallen. Ist ein Schubnachweis erforderlich, so ist die
Querkraft-Tragfähigkeit nach der technischen Biegelehre bzw. nach der Scheibentheorie für homogenes Material zu
ermitteln. Querschnittsbereiche, in denen die Fugen rechnerisch klaffen, dürfen beim Schubnachweis nicht in Rechnung
gestellt werden. Hierbei darf die Länge lc,lin der überdrückten Fläche A unter Annahme eines linear-elastischen Werk-
stoffgesetzes bestimmt werden. Im Grenzzustand der Tragfähigkeit ist nachzuweisen:
VEd VRd
Abbildung 30: Schubbeanspruchung von Wandscheiben
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2
b´wW ;
2
hw´w
Für Rechteckquerschnitte gilt in Scheibenrichtung:
VRdlt = lcal ∙ fvd ∙ t/c
Dabei ist
VEd der Bemessungswert der Querkraft;
VRdlt der Bemessungswert des Bauteilwiderstandes bei Querkraftbeanspruchung;
fvd = fvk/γM der Bemessungswert der Schubfestigkeit mit fvk nach 8.3.4.2;
γM der Teilsicherheitsbeiwert nach Tabelle 1;
c Schubspannungsverteilungsfaktor
c = 1,0 für h/l ≤ 1
c = 1,5 für h/l ≥ 2 Zwischenwerte dürfen linear interpoliert werden;
h die lichte Höhe der Wand;
d die Länge der Wandscheibe;
lcal die rechnerische Wandlänge. Für den Nachweis von Wandscheiben unter Windbeanspru-
chung gilt: lcal= 1,125 l bzw. lcal= 1,333 lc,lin. Der kleinere der beiden Werte ist maßgebend.
In allen anderen Fällen ist lcal=l bzw. lc,lin.
lc,lin die für die Berechnung anzusetzende, überdrückte Länge der Wandscheibe. Es gilt hier:
(NA.20) lll
el w
linc
21
2
3,
ew die Exzentrizität der einwirkenden Normalkraft in Wandlängsrichtung mit ew= MEd/NEd
MEd der Bemessungswert des in Scheibenrichtung wirkenden Momentes;
NEd der Bemessungswert der einwirkenden Normalkraft.
8.3.4.2 Schubfestigkeit
Für die charakteristische Schubfestigkeit gilt:
a) Scheibenschub:
fvk = fvk0 + 0,4 ∙ σd
Die charakteristische Schubfestigkeit fvk darf auch allein aus der Berechnung des Grenzwertes fvlt nach b) und
c) ermittelt werden:
b) Der Grenzwert fvlt ergibt sich bei Mauerwerk mit vermörtelten Stoßfugen für Scheibenschub bei Reibungsver-
sagen aus:
(NA.4) fvlt1 = fvk0 + 0,4 ∙ σDd
bzw. bei Steinzugversagen aus:
(NA.5)
calbt
Ddcalbtvlt
fff
,
,2 145,0
Bei Mauerwerk aus Porenbetonplansteinen mit glatten Stirnflächen und vollflächig vermörtelten Stoßfugen
kann der Wert nach Gleichung (NA.5) mit dem Faktor 1,2 erhöht werden.
Der kleinere der beiden Werte ist maßgebend.
Dabei ist
fvk0 die abgeminderte Haftscherfestigkeit nach Tabelle 14;
σDd der Bemessungswert der zugehörigen Druckspannung an der Stelle der maximalen Schubspannung.
Für Rechteckquerschnitte gilt σDd = NEd/A, dabei ist A der überdrückte Querschnitt; im Regelfall ist
die minimale Einwirkung NEd=1,0 NGk maßgebend;
fbt,cal die rechnerische Steinzugfestigkeit. Es darf angenommen werden:
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fbt,cal = 0,020 ⋅ fst für Hohlblocksteine
fbt,cal = 0,026 ⋅ fst für Hochlochsteine und Steine mit Grifflöchern oder Grifftaschen
fbt,cal = 0,032 ⋅ fst für Vollsteine ohne Grifflöcher oder Grifftaschen
fbt,cal = 0,082
1,25∙
1
0,7+(𝑓𝑠𝑡25
)0,5 𝑓𝑠𝑡
fst in N/mm² für Porenbetonplansteine der Länge ≥ 498 mm und der Höhe ≥ 248 mm
fst in N/mm² die umgerechnete mittlere Steindruckfestigkeit (siehe
Tabelle 6)
c) Bei Plattenschub gilt für Mauerwerk mit vermörtelten Stoßfugen wahlweise einer der beiden folgenden Werte
fvlt:
fvlt = 0,6 ∙ σDd
oder
fvlt = fvk0 + 0,6 ∙ σDd
Dabei ist
fvk0 die abgeminderte Haftscherfestigkeit nach Tabelle 14;
σDd der Bemessungswert der zugehörigen Druckspannung im untersuchten Lastfall an der Stelle der maximalen
Schubspannung. Für Rechteckquerschnitte gilt σDd = NEd/A, dabei ist A der überdrückte Querschnitt. Im Regelfall ist
die minimale Einwirkung NEd = 1,0 NG maßgebend;
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Literaturverzeichnis
[1] DIN 1053-100 Mauerwerk Sep. 2007
[2] DIN 1053-1 Mauerwerk Nov. 1996
[3] DIN EN 1996-1-1 Feb. 2013
[4] DIN EN 1996-3 Dez. 2010
[5] NAD (DIN-Fachblatt 60) 1. Auflage 1997
[6] EN 1052-1 1. Auflage 1998
[7] DIN V 18580 März 2007