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Vortrag fiber ein kyphotisch-querverengtes Beeken hiichst eigenthfimlicher Art, unter Vorzeigung desselben gehalten in der gyn~kologischen Section der 43. Versammlung deutscher Naturforscher u. s. w. zu Innsbruck am 20. September 1869 ~rilhelm Lange. (ttierzu Tafel III.) Ich erlaube mir, der geehrten Yersammlung Bin fehlerhaftes weibliches Becken vorzuzeigen, welches reich in die Nothwendig- keit, den Kaiserschnitt vorzunehmen, versetzt hat und der Be- achtung der Fachgenossen nicht unwerth sein diirfte, well es einen Complex yon Anomalieen darstellt, deren jed e einzelne sehon nicht zu den, so zu sagen, alltggliehen Vorkommnissen gehSrt, durch deren u mi~ einander daher das Beeken zu einem Mischlinge hSchst eigenthiimlicher Art, ja vorl~ufig sogar zu einem Unicum gestempelt wird. Es stammt yon einer ledigen, 34jghrigen, sehr geistes- schwachen und fast ganz tauben, wegen grosser Armuth ihrer Eltern und wegen eigener Erwerbsunfghigkeit seit mehreren Jah- ren in ein u aufgenommenen Erstgeschw~ngerten, Namens Elisabeth Wahl, deren Mutter Folgendes iiber sie angab: Sie sei his zur Hglfte ihres ersten Lebensjahres ggnz gesund ge- wesen, dann aber yon der englischen Krankheit befallen worden, in deren Folge sich die spgter ngher anzugebenden Misstaltungen ihres KSrpers eingestellt hgtten, und welche Ursache gewesen sei, dass sie erst in ihrem zehnten Lebensjahre laufen gelerllt habe.

Vortrag über ein kyphotisch-querverengtes Becken höchst eigenthümlicher Art

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Vortrag fiber ein kyphotisch-querverengtes Beeken hiichst eigenthfimlicher Art,

unter Vorzeigung desselben gehalten in der gyn~kologischen Section der 43. Versammlung deutscher Naturforscher u. s. w. zu Innsbruck

am 20. September 1869

~ r i l h e l m L a n g e .

(ttierzu Tafel III .)

Ich erlaube mir, der geehrten Yersammlung Bin fehlerhaftes weibliches Becken vorzuzeigen, welches reich in die Nothwendig- keit, den Kaiserschnitt vorzunehmen, versetzt hat und der Be- achtung der Fachgenossen nicht unwerth sein diirfte, well es einen Complex yon Anomalieen darstellt, deren jed e einzelne sehon nicht zu den, so zu sagen, alltggliehen Vorkommnissen gehSrt, durch deren u mi~ einander daher das Beeken zu einem M i s c h l i n g e hSchst eigenthiimlicher Art, ja vorl~ufig sogar zu einem U n i c u m gestempelt wird.

Es stammt yon einer ledigen, 34jghrigen, sehr geistes- schwachen und fast ganz tauben, wegen grosser Armuth ihrer Eltern und wegen eigener Erwerbsunfghigkeit seit mehreren Jah- ren in ein u aufgenommenen Erstgeschw~ngerten, Namens Elisabeth W a h l , deren Mutter Folgendes iiber sie angab: Sie sei his zur Hglfte ihres ersten Lebensjahres ggnz gesund ge- wesen, dann aber yon der englischen Krankheit befallen worden, in deren Folge sich die spgter ngher anzugebenden Misstaltungen ihres KSrpers eingestellt hgtten, und welche Ursache gewesen sei, dass sie erst in ihrem z e h n t e n Lebensjahre laufen gelerllt habe.

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Lange, Vortrag fiber ein kyphotisch-querverengtes Becken etc. 225

Bis damn habe sie den weitaus grSssten Theil der Zeit in der Riickenlage im Bette zugebracht, sei dabei nach und nach so ,,krumm" geworden, dass sie eine Zeit lang, bevor sie aufreeht einherzugehen vermochte, nur ,,auf allen Vieren" herumzukriechen im Stande gewesen sei. Erst in einem Alter yon sechs Jahren babe sie etwas sprechen gelernt und das GehSr wghrend ihrer Krankheit, die aueh einen ,,eitrigen Ohrenfluss" im Gefolge ge- habt, fast ggnzlich verloren. Ueberdies hgtten sieh im Laufe ihres sechsten Lebensjahres in der Beekengegend nach und nach sieben Abscesse gebildet, welehe erst im zehnten Lebensjahre des Kindes zugeheilt, naeh vier Jahren aber wieder aufgebrochen seien, um sich naeh 5 - - 6 Woehen wieder, und z w a r nanmehr fiir immer, zu sch]iessen. Seit dieser Zeit sei ihre Toehter ge- sund gewesen, aueh stgrker gewaehsen als friiher, und babe in ihrem sechzehnten Lebensjahre zum ersten Male die monatliehe Reinigung bekommen, diese jedoeh ia der Folge ein sehr unregel- m~ssiges VerhMten gezeigt. Ueber den letztmaligen Eintritt der- selben, dann fiber die Zeit der zum ersten Male gefiihlten Frucht- bewegungen wnsste weder die Sehwangere selbst, noeh deren Mutter eine irgend verl~ssliche Angabe zu maehen. Die an die letztere gestellte Frage, ob ihre Toehter als Kind, oder in ihren sp~teren Lebensjahren nicht irgend einer gewaltsamen Einwirkung auf ihren KSrper iiberhaupt, oder auf itn ~ Riickgrath insbesondere, wie z. B. und namentlieh einem Sturze yon einer, wenn aueh nicht be- triichtl~ehen HShe herab, St5ssen oder Schl~gen auf den Rticken, besonders auf den unteren Theil desselben, ausgesetzt gewesen sei, oder 5fter schwere Lasten auf dem Rtieken getragen babe, wurde mit Entschiedenheit verneint.

S t a t u s p r ae s e ns, 52 Tage vor dem Eintritte der Geburt.

'Die KSrperl~nge der ziemlieh gut genKhrten Schwangeren betrug nut 114 Cm, wovon nut 42 Cm. auf den Rumpf mit Einschluss des Halses und des Beckens entfielen.

Der Kopf erschien ira Verhgltnisse zu dem ungew5hnlieh kur- zen Rumple zu gross, war aber nicht regeIwidrig geformt.

Die Z~hne zeigten, ausser vorhandener Caries einzelner yon ihnen, keine Abnormitat, namentlich keine quere Riefung.

Der Thorax war ira VerhNtnisse zu seiner ungewShnliehen Kiirze breit, dabei nicht in einem ungewShnlichen Grade vorgewSlbt~ und liess eine abnorme Dieke der Sternalenden der Rippen nicht wahr- nehmen.

Der Thoraxtheil tier Wirbelsaule zeigte im Bereiehe seiner obe- ten ftinf Wirbel eine sehr geringe skoliotische Kr~immung nach links,

Archly f. Gy~tko log ie , I~d. I. Hf~. 2. 15

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226 Lunge, Vortrag fiber ein kyphotiseh-qaerverengtes Beeken

welche im Bereiche seiner unteren sieben Wirbel dureh eine ~ eben so gerlnge gleichnamige Krttmmung naeh reehts eompensirt war. Dabei war die etwa zwischen dem seehsten und elften Brustwirbel liegende Partie des Rttckens stark ausgehShlt, offenbar somit zugleich auch eine Lordose des siebenten~ aehten, nennten und zehnten Brustwir- bels vorhanden, wiihrend der Lumbaltheil der Wirbelsgule eine stark in die Augen springende, jedoeh nieht spltzwinkelige, sondern eine ziemlich regelmgssige Bogenlinie darstellende und, naeh dieser ge- messen, 1211/~ Mm. lange Kyphose bitdete, bezttglich weleher ich jedoch, um es schoa jetzt zu gestehen, den Irrthum beging, dass ieh sie, wenn auch nicht ganz, so doeh grSsstentheils, als dem, wie bei manchen halisteretisehen und pseudo- halisteretisehen Beeken~ yon oben nach unten stark zusammengebogenen Kreuzbeine angehSrig betrachtete, also ftir eine Kyphosis lumbo-saeralis hielt, w~thrend sie, wie sieh sparer bei der Betraehtung des skelettirten Beekens herausstellte, in Wirklichkeit yon den beiden letzten Brust- und yon s~mmtliehen Lendenwirbeln, deren Zahl die gewShnliche, gebildet wurde~ mithin eiue Kyphosis dorso-lumbalis war.

Im Bereiche der Itinterbacken~ dana etwas unterhalb der Mitte des linken Darmbeinkammes waren alt% ziemlieh breite und tiefe Narben bemerkbar.

Der Nabel war verstriehen, der Unterleib stark ausgedehnt und in einem so hohen Grade naeh vorn iiberh~ngend, dass er mit sei- nero grSssten Theile auf den Oberschenkeln aufruhte und his nahezu an die Kniee herabreiehte.

Der Grund des Uterus stand hinter dem etwas naeh vorn um- gebogenen Proeessus xyphoideus des Brustbeines.

Von Kindestheilen war links oben ein kleiner, reehts oben da- gegen ein grosset zu fiihlen, welcher ftir den Steiss gehalten wurde. Die fStalen HerztSne waren reehts hinten in der I-IShe des wegen des sehr starken tIgngebauches ungewShnlieh tier stehenden Nabels am stKrksten zu hSren. Der Raum zwisehen dem Nabel und dem oberen Rande der Sehambeine betrug nut 941/~ Mm.

Die Darmbeine waren klein, das rechte hatte eine viel flaehere Stellung, als das linke, ja stellte eine fast horizontale Ebene dar, daher aueh sein Kamm etwas niedriger stand, als jener des anscheinend normal gestellten linken; die Entfernung ihrer vorderen oberen Staehel you einander betrug 216 Mm., der grSsste Abstand ihrer Kgmme yon einander dagegen 243 Mm. ; endlieh war eine Zusammenbiegung dieser Knoehen yon vorn nach hinten nicht nachweisbar, hingegen etwas unterhalb tier, wie es semen, ein wenig naeh innen gebogenen Mitte der Crista des linken, wo die sehon erwghnte alte Narbe sich befand, ein etwa erbsengrosser etwas rauher KnochenhScker zn fiih- lea war. Auf jedem tier he,den Darmbeink~imme lag elne Rippe auf.

Die vordere Wand des Beekens zeigte die Sehambeinverbin- dung sehr stark sehnabelfSrmig vorspringend und in einem so bedeu- tenden Grade naeh oben gesehoben, dass~ woftir aueh die unge-

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hSchst eigenthtimlieher Art. ~27

wShnlich hohe Lage der ~iusseren Scham sprach, die Neigung des Beckens als sehr verringert, wenn nicht sogar als ganz annullirt angenommen werden musste. Dabei war es mir iibrigens nicht mSg- lich, hinsichtlich der Anwesenheit oder Abwesenheit einer Einbiegung der horizontalen Schambein~ste gegen einander vollkommen in's Klare zu kommen. Die Distantia intertroehanterica betrug nur 202 I[~ Mm. und, nach der Lage der GelenkskSpfe tier 0bersehenkel zu sehlies- sen, waren die Hiiftgelenkspfannen mehr nach vorn, als nach den Seiten bin gerichtet.

Bei der innerliehen Untersuehung zeigte sich der Seheitel des Sehambogens als ein so spitzer Winkel, dass die Spitze meines Zeige- fingers nicht einmal mit ihrem Radialrande, gesehweige ihrer Quere nach, in ibm Raum land. Naeh unten bin wiehen die Schenkel des Schambogens so weir yon einander, dass etwa an tier Stelle tier Ver- bindung der absteigenden Schambein~te mit den aufsteigenden Aesten tier Sitzbeine die Nagelglieder meines Zeige- und Mittelfingers~ cluer neben einander gelegt, gerade Platz fanden~ ich die Weite des Sehambogens an dieser Stelle daher auf 311/2 Mm. schi~tzte, w~hrend ieh dieselben Fingerglieder in gleieher Lage gegen einander noch tiefer unten, namlich unmittelbar vor dem vorderen Ende der Sitz- knorren ebenso, wie zwisehen diesen selbst~ etwa 63/4 Mm. welt yon einander spreitzen konnte, an diesen beiden Stellen sonach eine Weite yon etwa 383/4 Mm. anzunehmen war.

Weder mit dem Zeigefinger a]lein, noch mit dem ibm beige- sellten M~ttelfinger vermoehte ich das Steiss- und Kreuzbein zu er- reiehen und, was reich ganz besonders befremdete~ das Promonto- rium aufzui]nden, w~hrend sich die Sitzstaehel und die BSden der H~iftgelenkspfannen so nahe an einander geriickt zeigten, dass ich dis Entfernung der ersteren yon einander jener der Sitzknorren yon ein- ander gleich eraehten~ somit auf 383/4 Mm., den Abstand tier letzteren yon e]nander dagegen auf etwa 81 Mm. sch~tzen zu sollen glaubte. Ebensowenig vermochte ich, mit den genannten zwei F ingern 'den Eingang des Beckens zu umkreisen. Es war mir daher mit ihnen auch nieht mSglieh, die Schambeink~mme in Beziehung auf etwa an ihnen vorhandene Seharfkantigkeit oder Staehelbildnng zu priifen, die Einf[ihrung tier halben, gesehweige der ganzen Hand in das Beeken aber der so grossen Besehr~inktheit seines Ausganges halber durehaus unthunlich.

Der ein rundes Grtibchen bildende ~iussere Muttermund stand so hoeh und war so s ta rk nach hinten geriehtet, class auch die L~nge der Vaginalportion nieht beurtheilt werden konnte. Ein vorliegender Kindestheil war nicht zu f/ihlen.

Die Extremlt~iten zeigten weder Verkriimmungen~ noch eine ab- norme :Dieke der Epiphysen ihrer RShrenknochen, staaden jedoeh hinsichtlich ihrer L~inge zu dem kurzen Rumple in einem grossen Contraste, weleher an den oberen in einer urn so auffallenderen Weise hervortrat, als, wenn dieselben frei herabhingen, die Spitzen tier Finger bis drei Querfinger welt nnter die Kniee herabreiehten.

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228 L~nge~ Vortrag t~ber ein kyphotisch-querverengtes Becken

Eudlich verdien~ noch angeftihrt zu werden, dass der Gang cler Schwangeren ein eigenthtimlich watsehelnder war und dass dabei die F~isse, besonders der rechte~ stark nach ausw~irts gedreht wur- den 7and sich gewissermaassen mit ei~ander kreuzten.

Auf Grund der anamnestischen Erhebungen und der wieder- holten Untersuehungen glaubte ieh annehmen zu diirfen, dass die Sehwangere an Raehitis gelitten, und dass das Becken ein raehi- tisches mit theilweise halisteretiseher Form, als ein sogenanntes pseudohalisteretisches, anzusehen sei. Es zeigte jedoch nieht jene hSehstgradige Auspr@ung der halisteretisehen Form, bei weleher der Eingang nur mehr eine dreiarmige SpMte bildet, sondern jenes mittleren Grades, bei welehem diese Apertur entweder noch einem Kartenherz ~hnelt, dessert Spitze gegen die Sehossfuge bin ausgezogen erscheint, oder aber nahezu ein Dreieek darstellt, des- sen beide naeh hinten liegende Winkel abgerundet sind. Dagegen war die quere Verengung des Ausganges so stark, dass sehon dieser allein wegen, folglieh ohne Riieksieht auf den offenbar ungleieh weniger verengten Eingang, der Kaisersehnitt unbedingt angezeigt war.

Ich glaube mir es sehuldig zu sein, ausdriieklieh anzufiihren, class, als mir der vorliegende Fall vorkam (1857), jene Art querer Verengung des Beckens, welehe zum Untersehiede yon der yon R o b e r t zuerst besehriebenea, die kyphotisehe genannt wird, noeh nicht bekannt war. Ieh wiirde daher hSehst wahrscheinlich auch dann die eben ausgesproehene Diagnose gestellt haben, wenn ich hinsiehtlieh des Sitzes der Xyphose einen Irrthum nicht be- gangen h~tte, und zwar trotzdem, dass mir der einer so hoch- gradigen Verengung des Beekens gegeniiber jedenfalls ungewShn- lithe, daher immerhin auffallende Umstand nieht entgangen war, dass die Rachitis am iibrigen Knoehengeriisie, die Wirbels~iule Mlein ausgenommen, keine nachweisbaren MerkmMe hinterlassen hatte. Ja ich maehe kein Hehl daraus, dass ieh zu der Erkennt- hiss, das Becken sei, yon seinen iibrigen hSehst auffallenden Ano- malieen ganz abgesehen, kein pseudohalisteretisches, sondern ein kyphotisch-quer~erengtes, erst dann gelangt bin, als ieh nieht nur die his jetzt ersehienenen Arbeiten fiber diese erst im Jahre 1865 (durch B r e is k y) genau bekannt gewordene Beekenanomalie gelesen, sondern aueh das in Ztirieh befindliehe, ~,on Moor be- sehriebene Exemplar derseIben gesehen hatte. Endlieh glaube ieh reich mit der Thatsache trSsten zu kSnnen, class selbst dureh eine bis in's kleinste Detail genaue, somit auch jene spiiter ham-

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h6chst eigenthamlicher Art. 229

haft zu machenden iibrigen Abnormi~ten umfassende Diagnose, durch welche ich bet der ersten Anschanung des skelettirten Beckens im hSehsten Grade iiberrascht wurde, deren Erkennung an Lebenden iibrigens zum grSssten Theile gar nieht mSglich ist, die Nothwendigkeit des Kaisersehnittes nicht abgewendet wor- den wi~re.

Betreffs dieser in Chloroformnarkose ausgefiihrten 0 p e r a t i o n beschriinke ich reich auf folgende Ang~aben:

Der Schnitt (lurch die vordere Bauchwand wurde in der Linen alba geftihrt, mnsste jedoch wegen der gerlngen Entfernung des Na- bels yore oberen Rande der Schambeinverbindung reiehlich 54 Mm. tiber dem ersteren begonnen werden. - - Der Schnitt dutch den Ute- rus traf die Placenta, deren nach links gerichteter Rand sofort dutch die Wunde hervorgedr~ngt wurde. W~hrend ieh das in drifter Schg- delIage (Stirn nach links vorn) befindliehe Kind herausbefSrderte, wurde die ganze Placenta (lurch die Wunde herausgepresst nnd fiel zwisehen die Schenkel der Operirten. - - Die Uteruswunde erwies sich dem Kopfe des Kindes gegentiber als zu klein und musste nach unten und oben vergrSssert werden, und die Entwickelung des Kin- des erforderte einen viel grSsseren Zeit~ufwand, als es wttnsehens- werth war~ Niehtsdestowen, iger k a m das ausgetragene M~idchen yon mittlerer GrSsse' nur in einem s8 leiehten Grade asphyktisch zar Welt, dass es sehr bald zum vollen Leben gebracht werden konnte. - - D e r Uterus zog sich, naehdem einer ziemlich starken Blutung aus der Plaeentarstelle wegen von der Wunde aus einige Sttiekehen Eis in ihn eingebracht worden waren, in erwfinschter Weise zusam- men. - - W~hrend der ganzen Operation fiel nur ein Mal, und zwar links unten, eine kleine Darmsehlinge vor, die sich sehr leicht zurfiek- bringen liess. Dagegen kam es, naehdem sehon die meisten Hefte angelegt waren, in Folge eines heftigen Erbrechens zu einem so bedeutenden Vorfalle der Ged~trme, dass nieht nur im unteren Wund- winkel, sondern aueh zwisehen den einzelnen Heften grosse Sehlin- gen sich hervordrangten, deren Reposition nicht eben leieht war und zu deren Zurfickhaltung die Anlegung yon mehr Heften, als deren sonst erforderlieh gewesen w~ren, nothwendig wurde.

Ungeachtet gleich nach vollendeter Anlegung des Verbandes Eis- blasen auf den Unterleib angewandt wurden, die sehr aufgeregte Operirte bald naeh ihrem Erwaehen ans der Narkose 0,015 l~[or- phium bekam, ihr yon Stunde zu Stunde kleine Eiswasserklystiere beigebraeht wurden und sie die ihr wegen des bald sieh einstellen- den heftigen Durstes verordneten Eispillen mit grossem Behagen sehr fleissig zu sieh nahm, tauehten sehr bald die Erseheinungen einer Perimetritis auf, welche sieh mit rasender Eile zu ether allgemeinen Peritonitis mit starker Exsudation gestaltete und sehon zwSlf Stun- den naeh der Operation dem Leben der Entbundenen ein Ziel setzte.

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230 L ange, Vortrag aber ein kyphotisch-querverengtes Becken

Ich gehe nun an die B e s c h r e i b u n g des B e c k e n s , mit welchem die beiden Oberschenkelknochen, der ganze Lendentheil der Wirbelsiiule, die Hglfte des elften, dana der ganze zwSlfte Brustwirbel, an dem noch die letzten, ungleich langen u M brei- tea und ungleich gebogenen falschen Rippen haften, in Yerbin- dung gelassen worden sind, w~hrend der dazu gehSrige Thorax, in Verbindung mit dem Halsthei]e der Wirbe]sihfle, getrennt in der Sammlung meiner Klinik aufbewahrt wird.

Im Ganzen betrachtet, macht das Becken vermSge der Kleinheit nnd Zierlichkeit seiner Knochen den Eindruck, als sei es seiner urspriingliehen Anlage nach dazu bestimrat gewesen, ein allgemein gleichm~ssig zu cages zu werden. Dabei sind seine Knochen ausnehmend weiss und yon sehr derber Consistenz.

I m B e s o n d e r e n ist Folgendes hervorzuheben:

Von den u n g e n a n n t e n B e i n e n , wenn man sic yon der Mitre der Sitzknorren zum hSchsten Punkte der Darmbeink~mme misst, hat das linke eine HShe oder Lgnge yon 1641/4 Mm., das rechie dagegen nur Yon 1571/2 Mm.

Die H i i f t g e l e n k s p f a n n e n zeigen das sehon angegebene u

In der Niihe des hinteren Endes des r e e h t e n g r o s s e n H i i f t a u s s c h n i t t e s finder sich ein 41/~ Mm. ]anges and an sei- ner Basis fast eben so Breites, an seiner gusseren Fliiche con- vexes, an der inneren concaves, somit fingeraagelfSrmiges, mit seinem freien, etwas schmi~leren Rande sehrgg nach unten and vorn gerichtetes 0steophyt.

Yon den D a r m b e i n e n liegt, wie schon angegeben worden, das'rechte so flach, dass es nahezu eine horizontale Ebene bildet, and misst yon seinem vorderen oberen zum hinteren oberen Sta- chel "1233/~ Mm., yore hSchsten Punkte seines Kammes zur Mitre tier Linea areuata 67J/2 Mm. ; wghrend alas linke, wie gleiehfa]ls schon angegeben worden, die normale Stelhng hat and bei ibm yon den genannten Maassen das erste jenem des reehten gleich ist, das zweite hingegen jenes des rechten um 63/4 Mm. iibersteigt. Die Entfernnng der vorderen oberen Staehel der Knochen, dana der grSsste Abstand ihrer Kgmme yon einander sind bereits angegeben worden. Die Schaufel des rechten Darmbeines ist an einer etwa 108 Mm. im Umfange messenden, jene des linken nur an einer halb so grossen Stelle his zur Durchsichtigkeit verd[innt, und finder sich an der i~usseren Fli~che des linkea an der schon friiher

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h6chst eingenthiimlicher Art. 231

bezeich~eten Stelle, n~mlich ein wenig unterhalb der etwas nach einw~rts gebogenen Mitte seiner Crista, ein rundliches, ziemlich rauhes 0steophyt yon der GrSsse einer grossen Erbse. Von den hinteren oberen Darmbeinstaeheln, in deren Nachbarsehaft ebenso, wie an noeh mehreren Stellen an der ~usseren Flgehe der Durra- heine, grSssere und kleinere Osteophyten vorfindig sind, steht yore ersten Dornfortsatze des Kreuzbeines der rechte 29~/4 Mm., der linke dagegen nur reichlich 18 Mm. ab, der reehte nebstdem zugleich um 13~/2 Mm. tiefer, als der linke.

Die vorher angefiihrte, im Vergleiehe mit jener des ]inken urn 6s/4 Mm. geringere HShe des rechten ungenannten Beines fin- det in der so flachen Stellung des ibm angeh5rigen Darmbeines eine eben so ungezwungene, als geniigende ErklSrung.

Die queren Aeste der S c h a m b e i n e verlaufen gestreckt, also ohne eingeknickt oder gegen einander eingebogen zu sein, und so gegen einander convergirend naeh vorn, dass sie unmit- telbar hinter der Schambeinverbindung nur 153/4 Mm. yon einander abstehen, w~hrend die Entfernung ihrer hinteren Enden yon eiu- under 761/2 Mm. betrSgt. Dabei bi]det die Crista des linken 'eine 333/4 Mm. lange, an ihrer breitesten Stelle nahezu 54 Mm. hohe, messerscharfe Kante, wShrend d~r Kamm des reehten zwar auch sch5rfer ist, als gegewShnlich, ohne jedoeh mit Recht eine seharfe Kante genannt werden zu kSnnen.

Die S e h a m b e i n v e r b i n d u n g ist 31%_ Mm. hoeh, bildet einen stark vorspringenden Schnabel u n d i s t in einem so hohen Grade nach oben geschoben, dass ihr oberer Rand mit einer das hintere Ende des Beekeneinganges nmgrgnzenden Linie in gleieher Ebene liegt, die N e i g u n g des Beckens sonach auf Null reducirt ist. Zugleich. steht sie der Medianlinie des Kreuz- beines nieht gerade gegeniiber, sondern weicht yon derselben etwa 6s/4 Mm. naeh links ab.

Der S e h a m b o g e n beginnt an der Sehambeinverbindung mit einem spitzen Winkel und erweitert sich nach abwgrts allmglig nur in dem Maasse, class seine Weite ungef'dhr in der Mitre des- selben blos 29l/4 Mm., au seinem unteren Ende 31~/~ Mm. be- tr~gt. Seine Schenkel zeigen keine Verbiegungen und der linke steht in merklicher Weise hinter dem rechten zuriiek.

Das K r e u z b e i n besteht ~us fiinf falschen Wirbeln, yon denen jedo.ch der unterste his auf seine Querforts~tze und jene FortsStze, welehe die H5rner des Kreuzbeines genannt werden~

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232 Lange, Vortrag aber ein kyphotisch-cluerverengtes Becken

durch Caries zerstSrt ist. S~mmtliche vorhandene Kreuzbeinwirbel sind bis auf ihre Dornforts~tze so innig mit einander versehmol- zen, dass yon den queren Knochenleisten, welche unter normalen u die friihere Trennung andeuten, aueh nieht eine Spur naehweisbar ist. Denkt man sich die LEcke des fehlenden K~r- pers des fiinften Kreuzwirbels erg~nzt, so betrggt die L~nge des Kreuzbeines, in gerader LiMe gemessen, nut 51~/2 Mm., seine Breite am unteren Ende 3~a/4 Mm., in der Mitre 58re Mm., am oberen Ende 94'/2 Mm. Seine vordere Fl~che ist nur wenig ausgehShlt, nieht vollkommen gerade naeh vorn, sondern in Folge einer geringen Drehung des Knochens um seine Lgn- genaxe Bin wenig sehr~g nach links geriehtet, in ihrer oberen H~lfte ganz glatt, in der unteren dagegen in Folge stellenweiser, oberflgchlicher cariSser ZerstSrnng rauh und unebem Zugleich steht das Kreuzbein mit seiner rechten Hglfte etwas tiefer, als mit der linken. Es verl~uft daher seine L~ngenaxe nieht gerade naeh abwgrts, sondern etwas schief yon rechts oben nach links unten, und die Foramina sacralia, sowohl die vorderen als die hin- ieren, je ~ier Paar an ZaM und im Verh~ltnisse zu der unge- wShnlichen Kleinheit des Kreuzbeines yon sehr ansehnlicher Um- fs stehen rechterseits gleichfMls etwas tiefer, als lin- kerseits. Betrachtet man das Kreuzbein yon riickwgrts und fasst dabei den Sitz seiner Dornfortsgtze in's Auge, so ist die linke Seitenhglfte durchaus schmgler, als die rechte, und zwar ist der Untersehied gleich der friiher angegebenen Differenz des Abstan- des der hinteren oberen Darmbeinstachel yore ersten Dornfortsatze des Kreuzbeines, also reiehlieh 11~/~ Mm. In Folge der abnor- men Sehmalheit der linken Kreuzbeinhglfte liegt das oberste Fora- men saerMe postieum dieser Seite fast ganz hinter dem ]inken hin- teren oberen Darmbeinstaehel versteckt. Der rechte Fliigel des Kreuzbeines hat eine grSsste Breite yon 29L/~ Mm., der linke yon n~ar 22'/% Mm. Wghrend der reehte mit dem Darmbeine seiner Seite normal verbunden, ist der linke so 'vollst~ndig ankylosirt, dass sieh die ursprfingliche Trennung beider Knochenstiicke nur angedeutet findet, und zwar im Inneren des Beekens dureh einen abgerundeten, nur wenig erhabenen, glatten Knoehenwnlst, der in seinem Verlaufe auf der Ankylose den Verlauf des oberen Theiles des Contur des reehterseits ~orhandenen IleosaerMgelenkes ziemlieh getren naehahmt, an der Aussenseite dagegen durch einen Kanal, der hinter dem hinteren oberen Darmbeinstachel, jedoeh ~twa 153/~ Mm. naeh aussen yon ihm, in die mit einander ver-

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hSchst eigenth~mlicher Art. 233

schmolzenen Knochenstiicke in der Richtung des soeben beschrie- benen Knoehenwulstes etwa 9 Mm. tier eindringt, blind endet, etwa den Umfang eines Giinsekiels besitzt, an seiner Eingangs- miindung jedoeh yon oben nach unten etwas abgeplattet ist, dann durch ei~e Knochenleiste, welche zwisehen dem hinteren unteren Darmbeinstaehel und dem an ihn grenzenden Rande des Kreuz- beines rein aber seharf hervortritt, und in ihrem u den u des entsprechenden Theiles des Contur des auf der an- deren Seite vorhandenen Ileosacralgelenkes naehahmt. Wie die ganze linke H~lfte des Kreuzbeines, so steht selbstverst~ndlich aueh die ihr angeh5rige Ileosaeralankylose etwas hSher, als das Ileosaeralgelenk der reehten Seite, ist aber um 131/~ Mm. niedriR ger, als das letztere.

Das S te i s s b e i n fehlt mit alleiniger Ausnahme seines rechten Hornes und ist ohne Zweifel ebenso durch Caries zerstSrt wor- den, wie der letzte Wirbel des Kreuzbeines. Jedenfalls ist es nieht erst naehtr~glich abhanden gekommen, da es sehon gleich naeh der Herausnahme des Beekens aus der Leiehe vermisst wurde. W~fre es ganz vorhanden, so wiirde seine Spitze vermSge des etwas sehr~gea Verlaufes der L~ingenaxe des Kreuzbeines yon reehts oben naeh links unten entsehieden naeh links bin geriehtet sein.

In Betreff der vorhandenen K y p h o s i s d o r s o - l u m b a l i s ist noeh Folgendes anznfiihren :

Die KSrper s~mmtlicher Le n d e n w i r b e l sind so innig mit einander ankylosirt, dass ihre vormalige Trennung vorn gar nieht, reehts und links seitlich, aber auch dies nieht bei allen, nur dureh sehwaehe transversale Knochenleisten, jene des dritten veto vierten linkerseits nebstdem durch einen nur knapp 41/2 Mm, langen, transversalen Spalt angedeutet ist. Alle zusammen bilden daher ein Ganzes, und zwar in der Form einer S~fule, de ren HShe vorn jedoeh nur 22t/.~ Mm., hinten dagegen 45 Mm. betr~gt. Von diesem Maasse kommen, insoweit es sich naeh den erw~hnten Knoehenleisten, als Gr~nzmarken zwisehen einigen WirbelkSrpern, bestimmen l~[sst, auf den ersten derselben vorn 111/4 Mm., hinten 18 Mm. ; auf den zweiten und dritten zusammen vorn 63/4 Mm., hinten 15s/4 Mm.; auf den vierten und fiinften zusammen vorn 41/2 Mm., hinten 11~/~ Mm. Auf ein so wahrhaft erstaunlieh, ja fast unglaublich geri~gfiigiges Maass sind die KSrper s~immt- lieher Lendenwirbel, am allermeisten jene des vierten und fiinften

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234 Lange, u t~ber ein kyphotisch-querverengtes Becken

in ihrer HShe, w~hrend ihre Forts~tze gehSrig entwiekelt sind, reducirt, und zwar vorn ungleich mehr, als hinten, so dass sie mit ihrer Basis nach hinten gekehrte Keile d a r s t e l l e n . - In demselben Verh~ltnisse, als die LendenwirbelkSrper in ihrer Reihenfolge yon oben nach unten an H~he abnehmen, wer- den in derselben Reihenfolge auch ihre ZwischenwirbellScher klei- her und die Scheidewgade der letzteren immer diinner, so zwar, dass jene zwischen dem vierten und fiinften dieser L~cher reeh- terseits nut noch Papierstgrke hat, wghrend die gleiehnamige Seheidewand linkerseits sogar ggnzlich versehwunden ist, bier das xierte und fiinfte Inter~,ertebrMloch demnach zusammenfliessen. - - Wie sgmmtliche LendenwirbelkSrper mit einander, so ist der letzte derselben aber auch mit dem Kreuzbeine mittels einer vell- st~ndigen Ankylose verschmolzen, so dass dasselbe mit den Len- denwirbeln ein Ganzes bildet. Dabei ist der vordere, unter ge- wShnlichen Verhgltnissen bekanntlich stark vorspringende Rand der Basilarflgehe des Kreuzbeines, in gleieher Weise aber aueh der gleichnamige und unter gewShnlichen u ebenfMls vorspringende Rand tier unteren Fl~ehe des letzten Lendenwirbels g~nzlieh verschwnnden, yon einem P r o m o n t o r i u m demnach nieht einmM auch nur eine Andeutung vorlmnden.

Wghrend die Querfortsgtze der Lendenwirbel yon einander getrennt geblieben, von ihren Dornfortsgtzen nur der erste und der zweite durch eine den Zwischenraum zwischen ihnen bis nahe an ihre Spitzen ausfiillende, starke und harte Kuochenmasse mit einander verbunden sind und die Verbindung des KSrpers des ersten Lendenwirbels mit jenem des letzten Brustwirbels normal ist, sind die Gelenksfortsgtze s~mmtliche~ Lendenwirbel mit ein- ander, dann die unteren des letzten mit den Gelenksforts~tzen des ersten SaerMwirbels, endlieh die gleiehnamigen Fortsgtze der untersten zwei Brustwirbel mit einander und die unteren des letz- tea derselben mit den oberen des ersten Lendenwirbels ebenfalls mittels vollstgndiger Ankylosen versehmolzen.

An der rechten Seitenflgehe des zweiten und dritten, dann an der linken des zweiten Lendenwirbels finden sieh 0steophyten, nnd zwar an ersterer Stelle in der Form eines transversal ge- stellten, dorn~hnlichen, an 4~A Mm. langen, etwa rabenfeder- dieken, stnmpfspitzen Doppelstaehels, an letzterer in der Form eines eben so gestellten und gestMteten, jedoeh etwas lgngeren und diinneren, dabei aber spitzeren einfaehen Staehels.

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In Folge ihrer kyphotischen Kriimmung ragen das Lenden- stiick der Wirbelsgule und die letzten zwei Brustwirbel in schr~- ger Riehtung yon hinten und unten nach vorn und oben so in das obere Becken herein, dass sie gleichsam eine unvollkommene Ueberdachung der griisseren hinteren Hglfte des Einganges des Beckens bilden, folglich ein ihnliches VerhMten zeigen, wie das Lendenstiick der Wirbelsiule am spondylolisthetischen Becken.

Der E i n g a n g d e s B e e k e n s wiirde, w~re ein Promontorium vorhanden, wie jener maneher pseudohMisteretischer und wirk- lich hgtisteretiseher Becken, ein Kartenherz mit gegen die Scham- beinverbindung ansgezogener Spitze darstellen; eben des Mangels eines Promontoriums hMber jedoch bildet er ein Oval, dessen im Verhiiltnisse zu seiner Spitze sehr breites diekeres Ende naeh hinten gekehrt ist. In seinem Bereiehe, und zwar an der vorderen H~lfte der Linea areuata des reehten Darmbeines, findet sieh ein Oste0- phyt in der Form einer 243/4 Mm. breiten, an ihrer Ober- flgehe rauhen und unebenen, naeh hinten Ms ein platter und seharfer Staehel, naeh vorn als seharfe Kante etwas in ihn hin- einragenden, in wagereehter Lage auf den ihren Sitz bildenden Knoehen gleichsam aufgeleimten Lamelle.

Der A u s g a n g des B e e k e n s stellt mehr nut eine Spalte dar, deren Breitendimensionen, insoweit der Sehambogen dabei in Betraeht kommt, bereits angegeben worden sin&

Von den i n n e r e n D u r c h m e s s e r n des Beekens betriig4

1) der g e r a d e :

a. im Eingange 1103/4 Mm., b. in der Beekenweite 1053/4 Mm., e. in der Beekenenge l121/e Mm.,

wiihrend derselbe im Ausgange des Mangels des Steissbeines hal- her nieht gemessen werden kann;

2) der q u e r e :

a. im Eingange 99 Mm., b. in der Beckenweite 871/2 Mm., c. in der Beckenenge 36 Mm., d~ im Ausgange 36 Mm. ;

3) der r e c h t e s c h r ~ g e :

a. im Eingange 99 Mm., b. in der Beckenweite t011/4 Mm.;

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2;~6 Lange, Vortrag aber ehl kyphotiseh-querverengtes Becken

4) der l i n k e schr~tge:

a. im Eingange 105s/4 Mm., b. in der Beckenweite 941/~ Mm.,

in tier Beckenenge und ira Ausgange konnteu beide tier Abg~n- gigkeit der Ligamenta saero- spinosa und saero- tuberosa halber nieht gemesen werden.

Die D i a g o n a l c o n j u g a t a misst 117 Mm.

Zieht mail bei wieder hergestellter Verbindung des Thorax mit der am Beeken betassenen Partie tier Wirbelsgute die s t e l l - v e r t r e t e n d e C o n j u g a t a , d. h. eine gerade Linie yore oberen Rande der Schamfuge zur Wirbelsgule, welehe in der der Conju- gata vera am normalen Beeken entspreehenden Richtung aufsteigt, so fgllt ihr hinteres Ende an den oberen Rand des KSrpers des z e h n t e n B r u s t w i r b e l s . Hierbei kommt alas elfte Rippenpaar auf die Darmbeink?imme zu liegen und betr~gt der Raum zwi- schen dem oberen Rande der Schossfuge und dem unteren Ende des Sehwertfortsatzes des Brustbeines nut 74% Nm.

Fasst man diese Verhgltnisse in's Auge und beriieksiehtigt dabei zugleich die fiir die Insertion des Zwerchfells bestimmten Punkte, so kann man sieh eine Vorstellung davon maehen, wie winzig klein bei de~; Trggerin dieses Beekens tier eigentliche BauehhShlen- raum gewesen sein miisse, und begreifen, dass der schwangere Ute- rus, selbst wenn er keinen uffgewShnlieh grossen Umfang erreiehte, in demselben, und zwar nieht etwa erst gegen das Ende der Sehwangersehaft, sondern sehon viel friiher, unmgglieh geniigen- den Platz finden konnte, folglieh aus ihm hervofzutreten und den vorhanden gewesenen so hoehgradigen tIgngebaueh zu verursaehen unausweiehlieh gezwungen war.

Soll aus der gegebenen Beschreibung des Beckens eine his iu's Einzelne gehende Diagnose eonstruirt werden, so muss sie naeh meinem Dafiirhalten dahin lauten, dass das Be&en Ms ein ]~yph o- t i sch-quersereng tes , z u g l e i e h rachit iscAes und e i~se i - t ig-vere~gtes mit d u r e h v o l l s t ~ n d i g e A n k y t o s e n v e r - m i t t e l t e r V e r s e h m e l z u n g s ~ m m t l i e h e r L e n d e n w i r b e l mi t dem K r e u z b e i n e zu Einelfi S t i i eke , mi t ~ v o l l s t ~ n - d i g e r A n k y l o s e der G e l e n k s f o r t s ~ t z e d e r Ler~denwirbe l , des K r e u z b e i n e s und der l e t z t e n zwei B r u s t w i r b e l , m i t v o l l s t ~ n d i g e r l i u k s s e i t i g e r I l e o s a c r ~ f a n k y l o s e , mi t g ~ n z l i e h e m Mange l des P r o m o n t o r i u m s , mi t ea r i i i s e r

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Z e r s t S r u n g des l e t z t e n K r e u z w i r b e l s bis a u f se ine Quer fo r t s i~ t ze u n d H S r n e r u n d des S t e i s s b e i n e s bis ~uf das e ine s e i n e r H S r n e r , m i t U e b e r d a c h u n g des E i n g a n g e s d u r e h das L e n d e n s t i l c k de r W i r b e l s i i u l e in i~hn l i eher W e i s e , w i e b e i m s p o n d y l o l i s t h e t i s c h e n Becken , mi t S c h a r f k a n t i g k e i t des l i n k e n q u e r e n S e h a m b e i n a s t e s und mi t m e h r f a c h e r O s t e o p h y t b i l d u n g , und z w a r z u m e i s t in de r F o r m yon S t a c h e l n u n d yon S e h a r f k a n t i g k e i t , anzuspreehen sei.

Dass ilbrigens, wenigstens und jedensfalls in geburtshillflich- praktiseher Beziehung, unter diesen zahlreichen Anomalieen der kyphotisch-queren Verengung der erste Rang gebilhre, das Beeken somit in erster Linie aueh als ein kyphotisch-querverengtes zu bezeichnen sei, kann, wie ich glaube, keinem Zweifel unterlie- gen, weil sein sch~dlicher Einfluss auf den Geb~ract selbstver- st~nd]ieh ganz derselbe gewesen sein wiirde, ja h~tte sein mils- sen, such wean alle ilbrigen Abnormit[~ten desselben nicht vor- handen gewesen w~ren, ganz abgesehen davon, dass die, yon diesen zuni~ehst in Betracht kommende einseitige Verengung sehon an und filr sieh, um so mehr demnach im Vergleiche mit der so hoeh- gradigen queren, ohnehin nur eine sehr geringfiigige ist.

Sollte ich schliesslich meiner AnsJeht fiber die Genes e dieses in der That als ein Curiosum naturae zu betrachtenden Beekens Ausdruck geben, so wilrde sie mSglichst kurz gefasst, folgender- maassen lauten :

Die sehon nach dem ersten halben Lebensjahre des Indivi- duums ausgebroehene Raehitis war das erste Glied in der Kette jener Vorgi~nge, dutch welehe das Beeken so verbildet wurde. Der Einfluss der Rachitis, soweit er ilberhaupt sich auch auf die Configuration der Becken der yon ihr Ergriffenen erstreekt, wurde jedoch dureh eine noeh ~ h r e n d ihrer Fortdauer hinzugetretene Entzilndung der Lendenwirbel, des Kreuzbeines und des linken Ileosacralgelenkes verhindert. Diese Entzilndung, yon der ja nicht Wesentlichen, also als Nebensaehe zu betraehtenden Osteophytenbil- dung und stellenweisen ZerstSrung einzelner Knochenpartien abge- sehen, hatte die Folge, dass es zur Bildung yon Ankylosen kam, und zwar einerseits zwischen dep Lendenwirbeln selbst und zwisehen dem letzten derselben und dem ersten S~cr~lwirbel, andererseits zwischen dem linken Kreuzbeinflilgel und dem mit ibm verbunde- nen Darmbeine. Die Folge davon war Hemmung der Entwicke-

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lung, Verkiimmernng und Schwund der K@per der betroffenen Wirbel und der anderen genannten Knochen. Zufallig, wenn nicht v i e l l e i c h t - - wer vermag dies mit Sicherheit zu bestim-

m e n ? - - aus dem Grunde, weft aueh die Gelenksfortsgtze der mehrgenannten Wirbel ankylotisch mit einander verwuchsen, wurde yon dem durch entziindliche Erweichung bedingten Schwunde der vordere Theil der K@per der erkrankten Wirbel ungleich mehr betroffen, als der hintere, den WirbelkSrpern sonach die Form yon stumpfen Keilen mit nach riickw~irts gekehrter Basis anfgedrungen, folglich die Nothwendigkeit, dass sie im Ver- eine mit einander eine gyphose bildeten, hierdurch aber in weite- rer Folge die zungehst tiber dieser gelegenen Brustwirbel sich zu einer compensirenden Lordose bequemen mussten, eben so unaus- weiehlieh herbeigefiihrt, Ms die einmM zu Stande gekommene An- kylose des IleosacrMgelenkes nothwendigerweise zu einseitiger Ver- engung des Beckens fiihren musste. War aber die Kyphose einmal gegeben, so konnte ihr specifischer Einfluss auf die Raumlichkeit und die Configuration des Beckens, ungeacbtet die l~achitis noch fortdauerte, ebensowenig ausbleiben, Ms selbstYerst~ndlieh die noeh fortdauernde Rachitis das Zustandekommen einer einseitigen u des Beekens hintanzuhMten vermoehte.

Fiir meine Annahme, dass wirklich Rachitis im Spiele war, folglieh for mein Recht, das Becken aueh Ms raehitisehes zu be- zeiehnen, sprechen nieht nur die Anamnese, sondern aueh die skoliotisehen Verkriimmungen der Wirbelsi~ule nnd gewisse Eigen- thiimliehkeiten des Beekens selbst, ngmli& die offenbar auf ge- hemmte Entwiekelung zuriickzuftihrende Kleinheit und die derbe Consistenz seiner Knoehen, welehe Mien rachitisehen Beeken, ferner die ausnehmend weisse Farbe derselben, welehe wenig- stens einer gewissen Art dieser Becken eigen ist, die stellenweise, his zur Durchsiehtigkeit gediehene Diinnheit der Darmbeinsehau- feln nnd die bei rachitisehen Beeken erfahrungsgemgss am hgufigsten Yorkommende Sehaxfkantigkeit im Bereiehe der Sehambeink~mme. Dass ferner aueh die genannten Entziindungen im Spiele waren, beweisen die vielen an dem Becken vorhandenen, im wahren Sinne des Wortes handgreiflichen Folgen derselben, ngmlieh die Osteo- phyten, die stellenweise cari~ise Zerst@ung der Knochen und die so zahlreichen Ankylosen. Dass iibrigens diese Entztindungen mit der gaehitis im CausMnexus gestanden haben, hMte ieh nieht fiir unm~iglieh, zumM da die Einwirkung zur HervorruNng einer Ent- ziindung yon Knoehen iiberhaupt, jener, welehe an der Bildung

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yon Kyphosen der Wirbels~nle betheiligt sind, insbesondere, ein traum~tiseher Insult auf die Wirbe]s~ule, wie Fall, Schlag und Stoss auf dieselbe, sowie h~ufiges Tragen schwerer L~sten ~uf dem Riieken nicht n~chgewiesen werden kann, vielmehr die Frage, ob die vormalige Besitzerin des Beckens je einer solchen Seh~dlieh- keit ausgesetzt gewesen sei, yon der Mutter derselben sog~r ent- schieden verneint worden ist.

D~gegen nehme ieh zu behaupten keinen Anstand, dass die Entziindung der Lendenwirbel und des Kreuzbeines frfiher, als jene des Ileosacralgelenkes, sowie iiberhaupt in einer sel~" friihen Lebensperiode des Individuums aufgetreten sein miisse, weil die Verkiimmerung der genannten Wirbel und des Kreuzbeines eine wahrhaft enorme, die einseitige Verengung des Beekens hingegen eine so geringfiigige ist, dabs mit vollster Sieherheit angenommen werden kann, das Beeken miisse zu der Zeit, als die Ileosaeral- ankylose als Ursache der einseitigen Verengung desselben zu Stande kam, in seiner Ausbildung sehon viel welter vorgeschritten gewesen sein, als es zu jener Zeit gewesen, in weleher die Entziindung der Lendenwirbel und des Kreuzbeines eintrat.

Ueber die Art und Weise, wie Kyphosen des unteren Ab- schnittes der Wirbels~ule quere Verengung des Beekens bewirken, weiss ieh vor der Hand keine andere, jedenfalls keine bessere Erkl~rung zu geben, als sie yon Anderen, n~mlich yon B r e i s k y nnd yon Moor, bereits gegeben worden ist.

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Fi~ 3.

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VorderansichL Sr &6cAansicht

Fi.~ 4,. ri~ 5.

Ei~ar@