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Wandbild im Bunker der SS-Fahrbereitschaft auf dem Gelände der ehemaligen Neuen Reichs-kanzlei

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BERNO BAHRO

DER SS-SPORT

Organisation – Funktion – Bedeutung

Ferdinand SchöninghPaderborn · München · Wien · Zürich

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54

UrhG ausdrücklich gestatten.

© 2013 Ferdinand Schöningh, Paderborn(Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn)

Internet: www.schoeningh.de

Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, MünchenPrinted in Germany.

Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn

E-Book ISBN 978-3-657-77288-9ISBN der Printausgabe 978-3-506-77288-6

Der Autor: Berno Bahro, Jahrgang 1977, Studium von Geschichte und Sportwissenschaft in Potsdam. Seit 2005 wissenschaftlicher

Mitarbeiter an der Universität Potsdam.

Umschlagabbildung:Heinrich Himmler trainiert für das Reichssportabzeichen, Bad Tölz 1936 –

Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz

Abb. S. 2: Michael Ley / Julius H. Scholps (Hg.): Der Nationalsozialismus als politische Religion, Bodenheim 1997

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INHALT

EINLEITUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Forschungsstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10Methodische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Leitende Frage- und Zielstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18Hypothese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19Quellengrundlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

1 DIE ANFÄNGE DER SS BIS ZUR ERHEBUNG ZUR EIGENSTÄNDIGEN GLIEDERUNG 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

1.1 Vorgeschichte: Entstehung der SA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.1.1 Die SA – von der Turn- und Sportabteilung zur

Sturmabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.1.2 Die Rolle des Sports in der frühen SA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

1.2 Die Anfänge der SS (1923-1925) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.2.1 Von der Stabswache zum Stoßtrupp Hitler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.2.2 Bürgerbräu-Putsch 1923. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.2.3 Parteiverbot und Verhaftung Hitlers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

1.3 Neuaufbau von Partei, SS und SA (1925-1927) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.3.1 Neugründung der Partei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.3.2 Reorganisation und Sonderstellung der Schutzstaffel . . . . . . . . . . 33 1.3.3 Verlust der Unabhängigkeit – die SS unter dem Obersten

SA-Führer v. Pfeffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.3.4 Der Sport als zentraler Bestandteil der SA-Ausbildung . . . . . . . . 37

1.4 Die Verschärfung des Abgrenzungskurses unter Heinrich Himmler (1927-1933) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

1.4.1 Kurzbiografie Himmlers bis 1927 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1.4.2 Ausgangssituation: Das Verhältnis von SA und SS . . . . . . . . . . . . 41 1.4.3 Himmlers SS als »Schwarzer Orden« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1.4.4 Komponenten einer SS-Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1.4.5 Organisatorischer Aus- und Umbau – Emanzipation

von der SA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1.4.6 SA- und SS-Sport Anfang der 1930er-Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

1.5 Von der »Machtergreifung« bis zum »Röhm-Putsch« (1933-1934). . . . . 65 1.5.1 Machtübernahme und Machtverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1.5.2 Die SA als Störfaktor im Prozess der NS-Herrschafts-

konsolidierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1.5.3 Das blutige Ende der Revolution – die Ausschaltung der

SA als Machtfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1.5.4 Die Auswirkungen des 30. Juni 1934 für SS und SA . . . . . . . . . . . 70

1.6 Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

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Inhalt 6

2 DIE ANFÄNGE EINES »SS-SPORTS« UND DIE AUSGESTALTUNG DES DIENSTSPORTS BIS ZUM KRIEGSBEGINN 1934-1939. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

2.1 Kurzer Überblick über die Entwicklung der SS bis zum Kriegsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

2.2 Die Suche nach einem »SS-Sport-Konzept« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

2.3 Die Zuständigkeit für Sportfragen in der SS bis zum Kriegsbeginn . . . . 83 2.3.1 Organisationsstruktur Reichsführung-SS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2.3.2 Das System der Sportreferenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2.3.3 Das Amt für Leibesübungen unter Richard Herrmann . . . . . . . . 86

2.4 Die praktische Umsetzung des »SS-Sports«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2.4.1 Allgemeine SS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2.4.2 Bewaffnete SS-Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2.4.3 SS-Junkerschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

2.5 Die Ausgestaltung des Dienstsports bis zum Kriegsbeginn und der Einfluss der Sportabzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

2.5.1 Deutsches Reichssportabzeichen und SA-Sportabzeichen . . . . . . 96 2.5.2 Das geplante SS-Leistungsabzeichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2.5.3 Einführung der Sportabzeichen in den Dienstsport . . . . . . . . . . . 101 2.5.4 Anpassung des Dienstsports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2.5.5 Verschärfter Erfolgsdruck – »die Quote soll stimmen« . . . . . . . . 115

2.6 Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

3 »WER DAS BESTE BLUT HAT« – DAS LEISTUNGSSPORTLICHE STREBEN DER SS BIS ZUM KRIEGSBEGINN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

3.1 Die Einstellung der Nationalsozialisten zum Leistungssport . . . . . . . . . 127 3.1.1 Von der Fundamentalopposition zu den Olympischen

Spielen in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3.1.2 Die sportliche Vorbereitung auf die Olympischen

Spiele 1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

3.2 Die Einstellung der SS zum Leistungssport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3.2.1 Der vorolympische Paradigmenwechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3.2.2 Die Förderung der SS-Olympiakader. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3.2.3 Die SS und die Olympischen Spiele in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3.2.4 Himmlers »Vision«: die SS als Kern zukünftiger

Olympiamannschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

3.3 Handlungs- und Konfliktfelder auf dem Weg zur Sportelite . . . . . . . . . . 136 3.3.1 Die Gründung der SS-Sportgemeinschaften als Instrument

der Sportförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3.3.2 Die Neuorganisation des deutschen Sports und die Ansprüche

der Parteigliederungen bis 1936. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3.3.3 Das Ende der Schonfrist für den DRL nach den Olympischen

Spielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

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7 Inhalt

3.4 Aufbau eines Wettkampfsystems und sportlicher Vergleich mit NS-Gliederungen und Wehrmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

3.4.1 Wintersportwettkämpfe der Gliederungen der NSDAP . . . . . . . 172 3.4.2 SS-Frühjahrswettkämpfe und Herbstwaldläufe. . . . . . . . . . . . . . . 175 3.4.3 SS-Sonnenwendwettkämpfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3.4.4 Die SS bei den NS-Kampfspielen und beim Turn- und

Sportfest in Breslau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3.4.5 Gepäckmarschmeisterschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3.4.6 Die Kooperation zwischen Leibstandarte SS und dem

Ruderklub am Wannsee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

3.5 Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

4 TRANSFORMATION UND METAMORPHOSE – VOM TURNFECHTEN ZUM SS-FECHTSPORT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

4.1 Exkurs: Geschichte des deutschen Fechtsports bis 1933. . . . . . . . . . . . . . 192

4.2 Der deutsche Fechtsport in den Jahren 1933/34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

4.3 Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

4.4 Reinhard Heydrich und die Förderung des Fechtsports in der SS 1935/36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

4.5 Auf dem Weg zum SS-Fechtsport 1937-1939. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

4.6 Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

5 »SS-REITER VORAN« – DER REITSPORT UND DIE SS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

5.1 Reitsport und berittene SS vor 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 5.1.1 Die Verbände für Reitsport und Pferdezucht. . . . . . . . . . . . . . . . . 222 5.1.2 Die Anfänge der berittenen SS zu Beginn der 1930er-Jahre . . . . . 224

5.2 Gleichschaltung und Selbstgleichschaltung von Pferdezucht und -sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

5.3 Organisation und Ausbildung der SS Reiterei 1933-1939. . . . . . . . . . . . . 234 5.3.1 Ausbau der berittenen SS-Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 5.3.2 Nichtsportliche Ausbildung und »Dienst am Pferd« . . . . . . . . . . 237

5.4 Die sportliche Orientierung der SS-Reiterei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

5.5 Der Reitsport nach den Olympischen Spielen 1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 5.5.1 Die schwarzen Reiter »auf dem Weg zur Weltspitze«. . . . . . . . . . 243 5.5.2 Der Wettstreit zu Pferde mit Wehrmacht und SA . . . . . . . . . . . . . 246 5.5.3 Auseinandersetzungen um die nationale Zuständigkeit . . . . . . . . 251 5.5.4 Der Krieg gefährdet die olympischen SS-Reiterfolge . . . . . . . . . . 254

5.6 Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

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8 Inhalt

6 Der SS-Sport im Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

6.1 Die unmittelbaren Auswirkungen auf den Sportbetrieb (1939) . . . . . . . . 258

6.2 Der Sport unter der Führung Heydrichs (1940-1942) . . . . . . . . . . . . . . . 260 6.2.1 Heydrich übernimmt das Kommando . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 6.2.2 Die Übernahme weiterer Ämter im NSRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

6.3 Die Zeit nach Heydrich – Neuorientierung im totalen Krieg (1943-1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

6.3.1 Die Nachfolge des Reichssportführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 6.3.2 Der programmatische Wandel vom Dienstsport zur

»Leibeserziehung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 6.3.3 Die Neuausrichtung des Sportabzeichenwesens . . . . . . . . . . . . . . 274

6.4 Die Passion Fegeleins – der Reitsport. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 6.4.1 Der Reitsport nach Kriegsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 6.4.2 Fegeleins Nachkriegsvisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

6.5 »Heydrichs Lieblingskind« – der Sonderfall Fechten . . . . . . . . . . . . . . . . 280 6.5.1 Die Funktionärsambitionen Heydrichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 6.5.2 Die versuchte Übernahme des internationalen

Fechtverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 6.5.3 Der deutsche Fechtsport in der Zeit nach Heydrich . . . . . . . . . . . 292

6.6 Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

7 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

8 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

9 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

10 Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 10.1 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 10.2 Periodika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 10.3 Literatur vor 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 10.4 Literatur nach 1945. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

11 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

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EINLEITUNG

In den naiven Wandfresken des im Juni 1990 freig elegten Bunkers der SS-Fahr bereit-schaft der ehemaligen Neuen Reichskanzlei in Berlin stilisiert der unbekannte Kü nstler SS-Mä nner als militä rische und sportliche Helden.1 Dabei war die Verknüp-fung von Sport und Militär keine Erfindung der SS, sondern zählte spätestens nach dem Ersten Weltkrieg zum Grundrepertoire der bürgerlichen Sportbewegung.2 Den durch Demokratisierung und Kriegsende ausgelösten allgemeinen Aufschwung des Sports in der Weimarer Zeit, der anhand der explosionsartig ansteigenden Mitglie-derzahlen in den Turn- und Sportorganisationen ersichtlich wird,3 bezeichnete HAFF-NER in seinen Erinnerungen als »große(n) deutsche(n) Massenwahn, dem ich selbst miterlegen bin.«4 Vor dem Hintergrund der gestiegenen Popularität des Sports und den wiederholten Forderungen nach einer staatlichen Unterstützung des Sports als Wehrpflichtersatz verwundert es nicht, dass die SS wie die anderen paramilitärischen Organisationen der Weimarer Zeit und insbesondere der Nationalsozialisten dem Sport eine besondere Beachtung schenkten. Die Wandbilder im Bunker der SS-Fahr-bereit schaft illustrieren dabei die enorme Bedeutung des Sports, der mit quasi religi-ösen Inhalten aufgeladen zum eigentlichen Daseinszweck der SS hochstilisiert wurde und für das propagierte Selbstbild der SS als einer rassischen Leistungselite des »Dritten Reiches« zu einem zentralen Kommunikationsmittel der eigenen Leistungs-fähigkeit avancierte.5

1 Berno Bahro: Reinhard Heydrich und Hermann Fegelein. Sportler – Soldaten – Helden, in: Stadion 34 (2007) 1, S. 111-130, S. 111. Zu den Fresken im Bunker der SS-Fahrgemeinschaft: Alfred Kernd’l: Wandbilder im Fahrerbunker auf dem Gelände der ehemaligen Neuen Reichskanzlei, Berlin-Mitte, in: Michael Ley und Julius H. Schoeps (Hg.), Der Nationalsozialismus als politische Religion, Bodenheim b. Mainz 1997, S. 252-260.

2 Bereits die Begründung des Deutschen Turnens – im kollektiven Gedächtnis verankert durch die Eröffnung der Berliner Hasenheide unter Friedrich Ludwig Jahn im Jahr 1811 – orientierte auf eine allgemeine Wehrhaftmachung und Mobilisierung der männlichen Bevölkerung mit dem Ziel der Befreiung von der Napoleonischen Fremdherrschaft. Im Laufe des 19. Jahrhunderts verfestigten sich diese Ansätze zum Ideal des wehrhaften Staatsbürgers. Erst im 20. Jahrhundert aber und enorm beschleunigt nach dem Ersten Weltkrieg entwickelten sich Turnen und Sport zu Massenbewegun-gen. Peter Tauber: Vom Schützengraben auf den grünen Rasen: der Erste Weltkrieg und die Ent-wicklung des Sports in Deutschland, Berlin u.a. 2008; Christiane Eisenberg: »English sports« und deutsche Bürger. Eine Gesellschaftsgeschichte 1800-1939, Paderborn u.a. 1999; Erich Beyer: Sport in der Weimarer Republik, in: Horst Ueberhorst (Hg.), Geschichte der Leibesübungen, Bd. 3/2: Leibesübungen und Sport in Deutschland vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart, Berlin 1982, S. 657-700.

3 Beyer, Sport in der Weimarer Republik; Christiane Eisenberg: Massensport in der Weimarer Repu-blik. Ein statistischer Überblick, in: Archiv für Sozialgeschichte 33 (1993) S. 137-178.

4 Die Ausführung zum Sport: Sebastian Haffner: Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914-1933, München 2002, S. 39 u. 73ff.

5 Zur Selbstinszenierung der SS: Paula Diehl: Macht – Mythos – Utopie: die Körperbilder der SS-Männer, Berlin 2005.

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10 Einleitung

FORSCHUNGSSTAND

Trotz der Hinwendung der Allgemeinen Historiografie zum S port als Teil der Kul-turgeschichte6, ist die Bedeutung des Sports innerhalb der SS, insbesondere für die Ausprägung und Darstellung ihres elitären Selbstbildes, von der bisherigen Forschung zur SS übersehen worden.

Die mittlerweile zu den Schutzstaffeln der NSDAP erschienene Literatur ist kaum noch zu überblicken.7 Neben wissenschaftlichen Aufsätzen und Monografien wurden und werden Mengen an populären Publikationen auf den Markt geworfen, welche einen fundierten Blick auf die Geschichte der SS eher verschleiern.8 Die Darstellung der SS als Gesamtgebilde unterlag seit den 1940er-Jahren einem Wandel von der The-se eines »SS-Staates im Staat«9 über der SS als »Alibi der Nation«10 bis hin zu ausdif-ferenzierten Studien, welche die Perspektive auf die innere Struktur der SS lenkten und damit die Basis für die modernde Erforschung der SS-Ge schichte legten.11 Zu Recht liegt ein Schwerpunkt der Erforschung auf der Darstellung und Aufarbeitung der von der SS begangenen Verbrechen und dem System der Konzentrationslager.12 Der Stand der Forschung zur Verfolgungs- und Vernichtungspolitik der SS kann im Allgemeinen als sehr gut angesehen werden. Mittlerweile existieren daneben Untersuchungen zu einzelnen Hauptämtern, wie bspw. dem SS-Wirt schafts- und Verwaltungshauptamt, dem Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) oder angeschlossenen Organisations-strukturen wie dem Lebensborn e.V., dem Freundeskreis Himmler oder der For-

6 Olaf Stieglitz, Jürgen Martschukat und Kirsten Heinsohn: Sportreportage. Sportgeschichte als Kultur- und Sozialgeschichte, in: H-Soz-u-Kult, 28.5.2009, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/2009-05-001.

7 Die Darstellung des Forschungsstandes muss sich daher auf Kernfelder und Sportbezüge reduzie-ren. Eine umfangreiche Bibliografie zur SS gibt u.a. Bernd Wegner: Hitlers politische Soldaten: die Waffen-SS 1933-1945: Leitbild, Struktur und Funktion einer nationalsozialistischen Elite, unveränd. Nachdr. der 5., erw. Aufl. 1997, Paderborn u.a. 2008; eine detaillierte Analyse des aktuellen For-schungsstandes zur SS bietet: Jan Erik Schulte: Zur Geschichte der SS. Erzähltraditionen und Forschungsstand, in: Ders. (Hg.), Die SS, Himmler und die Wewelsburg, Paderborn u.a. 2009, S. XI-XXXV, insb. XII-XXXIII.

8 Schulte, Zur Geschichte der SS, XI. 9 Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, Frankfurt/M. 1946.10 Gerald Reitlinger: The SS. Alibi of a Nation 1922-1945, New York 1968 [EA 1956]; in der deutschen

Übersetzung: Gerald Reitlinger: Die SS. Tragödie einer deutschen Epoche, München 1956.11 Hans Buchheim: Anatomie des SS-Staates, 8. Aufl. München 2005 [EA 1965]; Hans Buchheim: SS

und Polizei im NS-Staat, Duisdorf b. Bonn 1964; Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS, Bindlach 1990.

12 Miroslav Kárný: Waffen-SS und Konzentrationslager, in: Jahrbuch für Geschichte 33 (1986) S. 231-260; Martin Cüppers: Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939-1945, Darmstadt 2005; Bernd C. Wagner: IG Auschwitz. Zwangs-arbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941-1945, München 2000; Mark Spoerer: Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945, Stuttgart u.a. 2001; Sybille Steinbacher: Dachau – die Stadt und das Konzentrationslager in der NS-Zeit. Die Untersuchung einer Nachbarschaft, Frankfurt/M. u.a. 1993. In Arbeit ist ein mehrbändiges Gesamtwerk, das einen Überblick über das KZ-System in seiner Gesamtheit erlauben wird. Wolfgang Benz und Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, München 2005ff.

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11 Forschungsstand

schungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e.V.13 Ebenso gut untersucht ist die Ge-schichte der Waffen-SS,14 obwohl WEGNER im Vorwort zur 10. Auflage des Standardwerks »Hitlers Politische Soldaten: Die Waffen-SS 1933-1945«, die 2010 er-schien, konstatiert, dass sich am Forschungsstand seit der Erstauflage 1982 bemerkens-wert wenig verändert habe.15 Er übersieht damit das neue Standardwerk von LELEU »La Waffen-SS«.16 Bei Publikationen zu einzelnen SS-Ein heiten überwiegt die Zahl der populärwissenschaftlichen gegenüber wirklich fundierten Darstellungen.17 Nicht erst durch die inzwischen mehrfach neu aufgelegten Sammelbände zu einzelnen SS-Führern durch SMELSER, SYRING und anderen ist die Thematik auch um die biogra-fische Perspektive erweitert worden.18

Wie bereits angemerkt, wurde der Rolle des Sports in der SS in der überwiegenden Zahl der Publikation in der allgemeinen Geschichtswissenschaft bislang zumeist nur wenig oder gar keine Beachtung geschenkt.19 Wenden sich die Autoren dem Sport zu, dann vor allem im Rahmen der Betrachtung von Ausbildung und Erziehung innerhalb

13 Jan Erik Schulte: Zwangsarbeit und Vernichtung. Das Wirtschaftsimperium der SS. Oswald Pohl und das SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt 1933-1945, Paderborn u.a. 2001; Peter-Ferdi-nand Koch: Himmlers graue Eminenz. Oswald Pohl und das Wirtschaftsverwaltungshauptamt der SS, Hamburg 1988; Isabel Heinemann: »Rasse, Siedlung, deutsches Blut«. Das Rasse- und Sied-lungshauptamt der SS und die rassenpolitische Neuordnung Europas, Göttingen 2003; Thomas Bryant: Himmlers Kinder. Zur Geschichte der SS-Organisation »Lebensborn« e.V. 1935-1945, Wiesbaden 2011; Klaus Drobisch: Der Freundeskreis Himmler, in: Zeitschrift für Geschichtswis-senschaft 8 (1960) 3, S. 304-32; Reinhard Vogelsang: Der Freundeskreis Himmler, Göttingen 1972; Michael H. Kater: Das »Ahnenerbe« der SS 1935-1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches, 4. Aufl. München 2009.

14 Hier neben vielen anderen vor allem die neueren Veröffentlichungen von Helmut Günther: Von der Hitler-Jugend zur Waffen-SS: die Generation der Verdammten, Coburg 2001; Wegner, Waffen-SS; Gordon Williamson: Die SS, Hitlers Instrument der Macht: Die Geschichte der SS von der Schutz-staffel bis zu Waffen-SS, Neuaufl. Klagenfurt 2010; Jean-Luc Leleu: La Waffen-SS. Soldats politiques en guerre, Paris 2007.

15 Wegner, Waffen-SS, S. 13.16 Leleu, La Waffen-SS. Der 1.200 Seiten umfassende Titel ist noch nicht in deutscher Übersetzung

erschienen.17 Bspw. James J. Weingartner: Hitler’s Guard. The Story of the Leibstandarte SS Adolf Hitler, 1933-

1945, Carbondale/London u.a. 1974; Jean-Luc Leleu: 10. SS-Panzer-Division »Frundsberg«. Nor-mandie, 1944, Bayeux 1999.

18 Ronald Smelser und Enrico Syring (Hg.): Die SS. Elite unter dem Totenkopf. 30 Lebensläufe, Pa-derborn u.a. 2000; Ronald Smelser (Hg.): Die braune Elite, Bd. 1 – 22 biographische Skizzen, 4., akt. Aufl. Darmstadt 1999; Ronald Smelser: Die braune Elite, Bd. 2 – 21 weitere biographische Skizzen, 2., akt. Aufl. Darmstadt 1999; Ruth Bettina Birn: Die Höheren SS- und Polizeiführer. Himmlers Stellvertreter im Reich und in den besetzten Gebieten, Düsseldorf 1986; Jens Westemei-er: Joachim Peiper (1915-1976). SS-Standartenführer. Eine Biographie, Osnabrück 1996; Josef Ackermann: Heinrich Himmler als Ideologe, Göttingen 1970; Josef Ackermann: Heinrich Himm-ler – Reichsführer-SS, in: Ronald Smelser und Rainer Zitelmann (Hg.), Die braune Elite. 43 biogra-phische Skizzen, 2 Bde., Bd. 1, Darmstadt 1989, S. 115-133.

19 So zum Beispiel Guido Knopp: Die SS – Eine Warnung der Geschichte, München 2002. Es findet sich im gesamten Buch ein einziger Sportbezug im Zusammenhang mit Reinhard Heydrich : »Wäh-rend der Massenmord im Rücken der Front im vollen Gange war, fand Heydrich Zeit und Muße, Sport zu treiben. Im August 1941 nahm er an den deutschen Fechtmeisterschaften in der Reichs-sonderklasse der besten Zwölf teil …« (S. 182). Die Ausnahme bildet mein kurzer Beitrag aus dem Jahr 2007: Berno Bahro: Der Sport und seine Rolle in der nationalsozialistischen Elitetruppe SS, in: Historical Social Research 32 (2007) 1, S. 78-91.

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12 Einleitung

der SS.20 Demgegenüber weist HEIN in seiner jüngsten Publikation »Elite für Volk und Führer, Die Allgemeine SS und ihre Mitglieder 1925-1945, München 2012« auf die Instrumentalisierung sportlicher Erfolge von SS-Mit gliedern zur Imagepflege des »Schwarzen Ordens« als Elite der Volksgemeinschaft hin und legte eine erste gründ-liche Untersuchung zur Allgemeinen SS vor. 21

In den bisherigen biografischen Arbeiten zu hochrangigen SS-Führern, die wie Reinhard Heydrich 22 und Hermann Fegelein 23 als Sportler und Sportfunktionäre in Erscheinung traten, spielten diese Aspekte bisher eher eine untergeordnete Rolle.24 Erst jüngst widmete sich die Forschung einzelnen SS-Sport funktion ären aus der zwei-ten Reihe, wie Friedrich Rainer , Arthur Seyß-Inquart und Christian Weber .25 Die

20 Wegner, Waffen-SS, S. 169-170, der hier insbesondere die Ausbildung des Führernachwuchses für die Waffen-SS an den SS-Junkerschulen behandelt. Ebenso zum Fach Leibeserziehung an den SS-Junker schulen, wenn auch nur wenig ausführlicher: Richard Schulze-Kossens: Militärischer Füh-rernachwuchs der Waffen-SS – die Junkerschulen – Officer training in the Waffen-SS, Osnabrück 1987. Die Rechtfertigungsschrift von Hausser betont den Sport als Bestandteil der Ausbildung: Paul Hausser: Soldaten wie andere auch. Der Weg der Waffen-SS, Osnabrück 1966, S. 47ff.; Rudolf Lehmann: Die Leibstandarte, Bd. 1, 2., verb. Aufl. Osnabrück 1978, S. 102ff.; René Rohrkamp: »Weltanschaulich gefestigte Kämpfer«. Die Soldaten der Waffen-SS 1933-1945. Organisation – Per-sonal – Sozialstrukturen, Paderborn u.a. 2010; ausführlicher zuletzt: Bastian Hein: Elite für Volk und Führer? Die Allgemeine SS und ihre Mitglieder 1925-1945, München 2012, S. 213-224.

21 Schulze-Kossens, Junkerschulen, S. 102-106.22 Die Ausnahme ist Popplow, der von der inzwischen widerlegten Ansicht ausgeht, dass Heydrich

jüdische Vorfahren besaß und in diesem Bewusstsein versuchte den Makel der Abstammung durch besondere Leistungen auf dem Gebiet des Sports auszugleichen. Ulrich Popplow: Reinhard Hey-drich und die Aufnordung durch den Sport, in: Olympisches Feuer 8 (1963) S. 14-20. Auf der In-terpretation von Popplow fußend: Joachim C. Fest: Das Gesicht des Dritten Reiches. Profile einer totalitären Herrschaft, 6. Aufl. München u.a. 2002, S. 139-155, der Heydrich als große, blonde und sportlich gestählte Inkarnation des Nationalsozialismus charakterisiert. Ansonsten wird das leis-tungssportliche Engagement Heydrichs zumeist nur kurz erwähnt, auf seine sportlichen Funktio-nen u.a. als Leiter des Fachamtes Fechten im DRL, die Leitung der Zentralführung der SS-Sport-gemeinschaft und der Sportgemeinschaft-SS Berlin selten eingegangen. So u.a. auch Günther Deschner: Reinhard Heydrich – Technokrat der Sicherheit, in: Ronald Smelser und Rainer Zitel-mann (Hg.), Die brauen Elite I. 22 biographische Skizzen, 3. Aufl. Darmstadt 1994, S. 98-114. Nur erwähnt wird die Berichterstattung über Hermann Fegelein in Das Schwarze Korps: William L. Combs: The Voice of the SS. A History of the SS Jornal »Das Schwarze Korps«, New York u.a. 1986, S. 380. Eine genauere Analyse der Rolle von Reinhard Heydrich als Leiter des Fachamtes Fechten und die versuchte Übernahme des Internationalen Fechtverbandes geben: Hans Joachim Teichler: Internationale Sportpolitik im Dritten Reich, Schorndorf 1991, S. 344-347, 354f.; Harald Oelrich: »Sportgeltung – Weltgeltung«. Sport im Spannungsfeld der deutsch-italienischen Außen-politik von 1918 bis 1945, Münster 2003, S. 489ff. Erst 2007 erschien: Bahro, Sportler – Soldaten – Helden.

23 So gibt es zum Beispiel zum SS-Reiter und Kommandeur der SS-Hauptreitschule München Her-mann Fegelein bisher nur einen biografischen Aufsatz: Volker Riess: Hermann Fegelein: Parvenu ohne Skrupel, in: Ronald Smelser (Hg.), Die SS. Elite unter dem Totenkopf. 30 Lebensläufe, 2. Aufl. München 2003, S. 160-172. Nissen bringt in seinem Pferdelexikon eine »Mischbiografie«, indem er Erfolge und Lebensdaten von Herrmann und seinem Bruder Waldemar vermengt. Jasper Nissen: Großes Reiter- und Pferdelexikon, Gütersloh 1976, S. 137.

24 Eine biografische Untersuchung zu Richard Herrmann existiert bislang nicht. Biografische Infor-mationen bietet bisher vor allem: Erik Eggers: Handball. Eine deutsche Domäne, Göttingen 2004, S. 65f.

25 Matthias Marschik: Friedrich Rainer – Sportführer der »Ostmark«. Vorläufige Anmerkungen zur Biografie eines politischen Sportlers, in: SportZeiten 6 (2006) 3, S. 7-28; Maurice Williams: Gau, Volk und Reich. Friedrich Rainer und der Österreichische Nationalsozialismus. Eine politische

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13 Forschungsstand

bisherigen Publikationen zur Reichszeitung der SS, Das Schwarze Korps, erwähnen zwar die regelmäßige Berichterstattung über sportliche Ereignisse und Themen, gehen jedoch nur bedingt auf die Rolle und Funktion des Sports in der SS ein.26

Auch von Vertretern der Sportgeschichtsschreibung, die sich mit dem Sport im Nationalsozialismus auseinander gesetzt haben, ist der Untersuchungsgegenstand »Sport in der SS«, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bislang eher stiefmütterlich behandelt worden.27 Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass in BERNETTs kom-mentierten Quellenband »Nationalsozialistische Leibeserziehung« aus dem Jahr 1966, der die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Sportgeschichte in Deutschland maß-geblich angestoßen hat, Dokumente zum SS-Sport keine Aufnahme fanden.28 Zwar räumte schon Diem in »Der deutsche Sport in der Zeit des Nationalsozialismus« der Rolle des Sports in den einzelnen Parteigliederungen ein eigenes Kapitel ein und ging in diesem Zusammenhang auf einer halben Seite auch auf den SS-Sport ein, doch wur-de diese Abhandlung erst 1980 durch PEIFFER herausgegeben.29 Ende der 1970er-Jahre wurde die SS tendenziell als kleinere NS-Gliederung wahrgenommen, die ebenso wie die Sturmabteilung (SA) und die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF) ver-suchte, das Vereins- und Verbandwesen auszuhöhlen.30 In seiner grundlegenden Un-tersuchung »Der Weg des Sports in die nationalsozialistische Diktatur« nimmt BER-

Biographie nach Selbstzeugnissen, Klagenfurt 2005; Johannes Koll: Aufbau der »Volksgemein-schaft« durch Vereinspolitik – Arthur Seyß-Inquart und der Alpenverein 1938-1945, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 60 (2012) 2, S. 124-146. Koll bereitet eine umfangreiche Biografie zu Seyß-Inquart vor. Thomas Martin: Aspekte der politischen Biographie eines lokalen NS-Funktio-närs. Der Fall Christian Weber, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 57 (1994), S. 435-484; Thomas v. Berg: Korruption und Bereicherung. Politische Biografie des Münchner NSDAP-Frak-tionsvorsitzenden Christian Weber (1883-1945), München 2003; Markus Schiefer: Vom »Blauen Bock« in die Residenz. Christian Weber, in: Marita Krauss (Hg.), Rechte Karrieren in München, München 2010, S. 152-165.

26 Combs erwähnt die Sportberichterstattung im Schwarzen Korps nur am Rande. Vgl. Combs, The Voice of the SS, S. 375f., 380. Sehr knapp äußert sich Zeck zur Sportberichterstattung und dessen Funktion: Mario Zeck: Das Schwarze Korps. Geschichte und Gestalt des Organs der Reichsführung SS, Tübingen 2002, S. 291f.

27 Die Bibliografie von Lorenz Peiffer aus dem Jahr 2004 verzeichnete keine einzige Publikation in der Rubrik »SS«, die 2. Auflage aus dem Jahr 2009 nur eine: Lorenz Peiffer: Sport im Nationalso-zialismus. Zum aktuellen Stand der sporthistorischen Forschung. Eine kommentierte Bibliografie, Göttingen 2004; Lorenz Peiffer: Sport im Nationalsozialismus. Zum aktuellen Stand der sporthis-torischen Forschung. Eine kommentierte Bibliografie, 2., überar. Aufl. Göttingen 2009.

28 Hajo Bernett: Nationalsozialistische Leibeserziehung. Eine Dokumentation ihrer Theorie und Organisation, Schorndorf 1966. Erst in der Neuauflage von 2008 finden sich Quellen zum SS-Sport: Hajo Bernett (Hg.): Nationalsozialistische Leibeserziehung. Dokumentation ihrer Theorie und Organisation. Überarbeitet und erweitert von Hans Joachim Teichler und Berno Bahro, 2., überarb. Aufl. Schorndorf 2008, S. 274-278.

29 Carl Diem: Der deutsche Sport in der Zeit des Nationalsozialismus. Bearbeitet von Lorenz Peiffer, Köln 1980, S. 30f.

30 Zur Rivalität zwischen SA und KdF einerseits und der Reichssportführung andererseits: Hajo Ber-nett: Nationalsozialistischer Volkssport bei »Kraft durch Freude«, in: Stadion 5 (1979) 1, S. 89-149; Hajo Bernett: Der Weg des Sports in die nationalsozialistische Diktatur. Die Entstehung des Deut-schen (Nationalsozialistischen) Reichsbundes für Leibesübungen, Schorndorf 1983; Andreas Luh: Betriebssport zwischen Arbeitgeberinteressen und Arbeitnehmerbedürfnissen. Eine historische Analyse vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, Aachen u.a. 1998; Andreas Luh: Auf dem Weg zu einem nationalsozialistischen Sportsystem. Vom Vereinssport zum parteigebundenen Sport, in: Stadion 31 (2005) 2, S. 181-198; Teichler, Internationale Sportpolitik, S. 213ff.; Bernett, NS-Volkssport bei KdF.

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14 Einleitung

NETT dahingehend eine Korrektur vor, dass er neben der Darstellung des Abkommens zwischen SS und DRL aus dem Jahr 1937 die freundschaftliche Verbundenheit von Himmler und Reichssportführer v. Tschammer betont. Darüber hinaus weist er auf die Übernahme von Funktionen im DRL/NSRL durch hochrangige SS-Führer und die Rolle Heydrichs hin.31 Den Beginn des sportlichen Engagements der SS datiert er allerdings auf das Jahr 1937, den Zeitpunkt der Gründung des SS-Amtes für Leibes-übungen, und übersah damit die Entwicklungen im Vorfeld der Olympischen Spiele in Berlin seit der Erhebung der SS zu einer eigenständigen Gliederung nach dem »Röhm-Putsch« 1934. Auch in den 1980er- und 1990er-Jahren erfolgte keine grund-legende Untersuchung zum SS-Sport, aber die SS rückte nun als Bündnispartner der Reichssportführung gegen die Ambitionen von SA und KdF stärker in den Fokus, wobei sich insbesondere der Einfluss einzelner SS-Funktionäre im Fokus befand.32 So hob bspw. TEICHLER die Rolle Himmlers und der SS im Zuge der Neubesetzung des Amtes des Reichssportführers nach dem Tod v. Tschammers im Frühjahr 1943 hervor.33

Einen neuen Anstoß erfuhr die Thematik durch DWERTMANN, der die Rolle der SS innerhalb des NS-Sports betonte.34 Er interpretiert das Bündnis zwischen Reichssport-führung und SS als eine Radikalisierung des Sports und »Hinwendung zum SS-Staat«35 und thematisiert die zunehmende »Durchdringung« des DRL/NSRL mit SS-Personal auf Basis der Vorarbeiten vor allem von BERNETT.36 Darüber hinaus stellte DWERTMANN zentrale Aufgaben des SS-Sports im Rahmen der Ausbildung dar und wies auf die Bedeutung des Leistungssports hin.37

Eine kontroverse Diskussion initiierte die Studie »Fußball unterm Hakenkreuz« von HAVEMANN.38 Er legte seinen Schwerpunkt auf das Verbandsinteresse, die als lästig empfundene Konkurrenz anderer Fuballverbände zu beseitigen und wirtschaft-liche Vorteile zu erlangen.39 HAVEMANN stellt den fußballerischen Pragmatismus als

31 Bernett, Der Weg des Sports, S. 39ff. u. 59f.32 Insbesondere: Teichler, Internationale Sportpolitik; Oelrich, Sportgeltung – Weltgeltung; Hajo

Bernett: Franz Breithaupt – Vom Geschäftsführer der Deutschen Turnerschaft zum General der Waffen-SS, in: Sozial- und Zeitgeschichte des Sports 12 (1998) 3, S. 30-49.

33 Hans Joachim Teichler: Der Streit um die Nachfolge des Reichssportführers von Tschammer und Osten im Frühjahr 1943, in: Andreas Luh und Edgar Beckers (Hg.), Umbruch und Kontinuität im Sport – Reflexionen im Umfeld der Sportgeschichte. Festschrift für Horst Ueberhorst, Bochum 1991, S. 432-441.

34 Hubert Dwertmann: Legendenbildung und Perspektivenwechsel. Die Thematik Nationalsozialis-mus im Blickwinkel von historischer Forschung und Sportgeschichtsschreibung, in: SportZeiten 2 (2002) 3, S. 43-64.

35 Hubert Dwertmann: Sportgeschichtliche Biographieforschung im Trend – Moden und Methoden in der Rekonstruktion von Lebensgeschichten, in: Hans Joachim Teichler (Hg.), Moden und Trends im Sport und in der Sportgeschichtsschreibung. Jahrestagung der dvs-Sektion Sportgeschichte vom 8.-10. Juni 2001 in Potsdam, Hamburg 2003, S. 44-57, S. 54.

36 Dwertmann, Legendenbildung und Perspektivenwechsel, S. 49f. Dass es einer Einzelfalluntersu-chung bedarf, um zu entscheiden, ob die Besetzung eines Funktionärspostens mit einem SS-Führer oder der Verleihung eines SS-Ehrenführerranges an einen Sportfunktionär zu einem wachsenden Einfluss der SS-Führung führte, wird im Verlauf der Arbeit thematisiert.

37 Ebd., insb. S. 52ff.38 Nils Havemann: Fußball unterm Hakenkreuz. Der DFB zwischen Sport, Politik und Kommerz,

Frankfurt am Main u.a. 2005.39 Hans Joachim Teichler: Verzögertes Erinnern. Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im bundes-

deutschen Sport, in: http://www.zeitgeschichte-online.de/node/9792.

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15 Forschungsstand

Motiv für das schnelle Arrangement des DFB und seiner Vereine mit den neuen Machthabern in den Vordergrund seiner Interpretation und vernachlässigt ideologi-sche Schnittmengen der DFB-Funktionäre mit dem Nationalsozialismus oder stritt diese sogar ab.40 Dies provozierte zu Recht den Widerspruch diverser Sporthistoriker, welche die persönlichen Verstrickungen und Arrangements der DFB-Funktionäre um das SS-Mitglied Felix Linnemann betonten.41 Damit erfuhr die SS auch in der Sportgeschichte einen neuen Impuls, was sich anhand verschiedener Publikationen nachweisen lässt.42 Aktuelle sportartengeschichtliche Untersuchungen, insbesondere zum Fechten und zum Reitsport im Nationalsozialismus, haben diesen Impuls auf-genommen und thematisieren die Rolle der SS und insbesondere der maßgeblich handelnden SS-Akteure.43

Dass zum SS-Sport damit noch immer keine größere Untersuchung vorliegt, ver-wundert insofern, als sich die SS ausdrücklich als »Tat-Elite« deklarierte und – neben ihren zentralen Aufgaben als Sicherheitsdienst und Privatarmee Hitlers – den Sport zu ihren wichtigsten Tätigkeitsfeldern zählte. Diese Missachtung korreliert möglicher-weise mit der Annahme, wonach der Sport in der SS – ähnlich wie in der weitaus größeren SA – lediglich als Beschäftigungstherapie fungierte,44 weshalb er als Bewäh-rungsfeld zur Legitimation sowie körperlichen und geistigen Wehrhaftmachung der »Tat-Elite« bislang unterschätzt wurde. Mit diesem Etikett begab sich die SS ebenso selbstsicher wie gezielt in die Abhängigkeit von der öffentlichen Begutachtung des moralischen Wertes ihrer Taten (»actions«), welche der bürgerlichen Öffentlichkeit

40 Havemann schreibt damit u.a. die von Linnemann im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens initiierte und vom DFB aufgenommene und perpetuierte Auffassung seiner inneren Gegnerschaft zum Nationalsozialismus trotz seiner SS-Mitgliedschaft fort. Dazu vor allem: Hubert Dwertmann: Sportler, Funktionäre, Beteiligte am Massenmord. Das Beispiel des DFB-Präsidenten Felix Linne-mann, in: SportZeiten 5 (2005) 1, S. 7-46. Zum Fußballhistorikerstreit: Markwart Herzog: Fußball-sport in der Zeit des Nationalsozialismus: Quellen – Methoden – Erkenntnisinteressen, in: Andrea Bruns und Wolfgang Buss (Hg.), Sportgeschichte erforschen und vermitteln. Jahrestagung der dvs-Sektion Sportgeschichte vom 19.-21. Juni 2008 in Göttingen, Hamburg 2009, S. 51-64.

41 Vor allem: Dietrich Schulze-Marmeling und Lorenz Peiffer (Hg.): Hakenkreuz und rundes Leder. Fußball im Nationalsozialismus, Göttingen 2008; Dwertmann, Felix Linnemann.

42 Mit Bezug auf Heydrich und die Rolle der SS im Sport: Hans Joachim Teichler: Olympischer Lor-beer, Prestige, Hybris: die Folgen der Olympischen Spiele 1936 für den deutschen Sport, in: Rainer Rother (Hg.), Geschichtsort Olympiagelände, Berlin 2006, S. 38-57. Zur Rolle der SS im Poli-zeisport: Andreas Luh: Polizeisport in Deutschland von den Anfängen im Kaiserreich bis zum Ende des Nationalsozialismus, in: Stadion 8 (2002) 2, S. 215-249.

43 Berno Bahro: Die Zeit des Nationalsozialismus. Fechten bis zum Untergang, in: Deutscher Fechter-Bund (Hg.), En Garde! Allez! Touché! 100 Jahre Fechten in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte, Aachen 2012, S. 44-53. Mit Schwächen bezüglich der Einordnung in den sporthistorischen Kontext und der Tendenz Rückschlüsse ohne hinreichende Quellennachweise zu ziehen: Nele Maya Fah-nenbruck: NSRK, SA-Reiterei, Reiter-SS – Organisation und Struktur des Pferdesports im Natio-nalsozialismus, in: SportZeiten 12 (2012) 1, S. 7-35. Zuletzt: Nele Maya Fahnenbruck: »…reitet für Deutschland«. Pferdesport und Politik im Nationalsozialismus, Göttingen 2013. Krebs veröffent-lichte jüngst eine Untersuchung zur Frühgeschichte des Basketballs in Deutschland und geht dabei auch auf die Rolle der SS bzw. einzelner SS-Mitglieder ein. Dieser Aspekt wird daher im Folgenden weitestgehend ausgeklammert. Hans-Dieter Krebs: Basketball – ein deutscher Spätstarter. Eine Chronik der deutschen Frühgeschichte 1895-1945, Hagen 2012.

44 Diese These vertritt bspw.: Robert John Shalka: The »General-SS« in Central Germany, 1937-1939. A Social und Institutional Study of SS-Main Sector Fulda-Werra, Ann Arbor 1972, S. 152f. u. 324f.

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16 Einleitung

seit der Aufklärung inhärent ist.45 Doch die reale Bewährung des ideologischen An-spruchs war aufgrund konkurrierender Sportorganisationen ebenso notwendig wie schwierig. Im Zeitraum nach der Machtübernahme bis zum Beginn des Zweiten Welt-krieges war die Demonstration der rassischen Überlegenheit des »besten Blutes« mit-tels sportlicher Erfolge unabdingbar, um die Selbstzuschreibung als Elite durch über-durchschnittliche Taten zu bestätigen. Somit war das Streben nach sportlichen Erfolgen aufs engste verknüpft mit dem Kampf um die eigene SS-Iden ti tät. Welche Vorraussetzungen, Mittel, Strategien, Strukturen, Entwicklungen und Personen nötig waren, um dieser ritterlichen Don Quichotterie der SS-Führung in der Praxis gerecht zu werden, soll in der Folge nachgegangen werden.

Hiermit wird nicht nur die erste umfassende Untersuchung zum Sport in den Schutzstaffeln der NSDAP mit sportgeschichtlichem Fokus vorgelegt, sondern darü-ber hinaus werden sportartenspezifische Problem- und Konfliktfelder in den Blick genommen, die verdeutlichen, dass dem Eliteanspruch des »Schwarzen Ordens« selbst auf sportpolitischer Ebene nicht immer folgerichtig, d.h. widerstandslos oder gar selbstverständlich der Weg zum Erfolg geebnet wurde. Denn den Mythos des besten Blutes konnte die SS nur auf Kosten konkurrierender Sportverbände, deren bestes »Menschenmaterial« sie für sich beanspruchte, am Leben erhalten.

METHODISCHE VORÜBERLEGUNGEN

Die vorliegende Arbeit verfolgt im weitesten Sinne einen sozialgeschichtlichen Ansatz und im engeren Sinne einen strukturgeschichtlichen, welcher der Sozialgeschichte inhärent ist.46 Die sozialgeschichtliche Betrachtungsweise der Vergangenheit differen-ziert dabei nach MAX WEBER unterschiedliche Formen der Vergesellschaftung oder Gemeinschaftsbildung von Menschen47, wie hier der Mitglieder der SS. Von zentraler

45 Demnach trat neben die hobbessche Gesinnungsmoral die heilige Schrift des modernen Bürgertums des 18. Jahrhunderts von John Locke, »Essay concerning Human Understanding« aus dem Jahr 1676, durch welche die Gesinnung zum bürgerlichen Gesetz inklusive der Macht des moralischen Urteils über die Taten anderer avancierte. Dementsprechend sollte sich die Gesinnung auch in den Taten widerspiegeln. Darüber, was Tugend heißen soll und was nicht, entscheiden die Bürger selbst und können dabei je nach Zeit, Ort und Gelegenheit Tugend für Laster und Laster für Tugend er-klären. Reinhart Koselleck: Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Frankfurt/M. 1973, S. 43f. Koselleck sah die Pathologie der bürgerlichen Gesellschaft – den Verfall aufklärerischer Öffentlichkeit – schon im Öffentlichkeitsmodell der Aufklärung angelegt: »Ihre kritische Funktion konnte sie seiner Meinung nach nur aus der Position politischer Illegalität be-haupten; einmal zur Herrschaft gelangt, musste sie tendenziell zum Totalitarismus jeder moralischen Absolutsetzung politischer Programmatik verkommen.« Lucian Hölscher: Die Öffentlichkeit be-gegnet sich selbst. Zur Struktur öffentlichen Redens im 18. Jahrhundert zwischen Diskurs- und Sozialgeschichte, in: Hans-Wolf Jäger (Hg.), »Öffentlichkeit« im 18. Jahrhundert, Göttingen 1997, S. 11-32, hier S. 17.

46 Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, München 2010, S. 173.

47 Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, rev. v. Johannes Winkelmann, 5. Aufl. Tübingen 1972, S. 21f.

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17 Methodische Vorüberlegungen

Bedeutung für die Rolle und die Entwicklung des Sports innerhalb der SS sind die Prozesse der Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung, die deshalb kurz erläutert werden sollen. Die große Mehrzahl sozialer Beziehungen trägt teils den Charakter der Vergemeinschaftung und teils der Vergesellschaftung, so dass deren Differenzierung im Einzelfall beispielsweise den Korpsgeist der SS hinterfragen und einen Blick »hin-ter die Fassade« ermöglichen kann. So soll Vergemeinschaftung eine soziale Beziehung heißen, »wenn und soweit die Einstellung des sozialen Handelns – im Einzelfall oder im reinen Typus oder im Durchschnitt – auf subjektiv gefühlter (affektueller oder traditionaler) Zusammengehörigkeit der Beteiligten beruht.«48 Vergesellschaftung soll demgegenüber eine Beziehung heißen, »wenn und soweit die Einstellung des sozialen Handelns auf rational (wert- oder zweckrational) motiviertem Interessenausgleich oder ebenso motivierter Interessenverbindung beruht.«49 Diese Differenzierung kenn-zeichnet zugleich die unterschiedlichen Motivationen der Sportler in der SS, die entweder affektuell/emotional und/oder zweckrational im Namen der SS Karriere machten. Insofern konstatierte WEBER, dass gerade Vergesellschaftungen sehr oft Kompromisse widerstreitender Interessen darstellen, welche nur einen Teil der Kampf-mittel ausschalten, aber den Interessengegensatz selbst und die Konkurrenz um die Chancen bestehen lassen. Als Beispiel hierfür sei der Reiter Marten v. Barnekow ge-nannt, der aufgrund der besseren Trainingsbedingungen in der Wehrmacht um seine Entlassung aus der SS bat und erst nach Beendigung seiner Sportler-Karriere als Trai-ner in den SS-Reit sport zurückkehrte. Gleichgültig ob es sich um eine Vergemeinschaf-tung oder Vergesellschaftung handelt, konstituiert sich nach WEBER der Verband – und als solchen wollen wir die SS betrachten – als eine nach außen regulierend beschränk-te oder geschlossene soziale Beziehung, deren Ordnung garantiert und erzwungen wird durch einen Leiter, dessen Verhalten auf die Durchführung der Ordnung einge-stellt ist.50 Dabei geht es nicht um die abstrakte historische Betrachtung des »sozialen Kollektivs« die SS. Denn insofern Sozialgeschichte ihr Hauptaugenmerk auf soziale Institutionen oder Gruppen richtet, war und ist ihre Perspektive vielfach die der so-zialen Morphologie.51 Letztere widmet sich der Erforschung der materiellen Gestalt von Gesellschaften und geht davon aus, dass alle gesellschaftlichen Einrichtungen (Familie, Kirche, Staat, Unternehmen etc.) materielle Formen besitzen, so genannte soziale Tatbestände, die sich materiell darstellen lassen hinsichtlich der Anzahl ihrer Mitglieder, dem Schaubild ihrer Beziehungen, ihrer Orte und Dichte – physisch, geo-graphisch, organisch, biometrisch.52

Die SS im Allgemeinen und ihre Sport ge mein schaften im Besonderen erscheinen demnach zwar als kollektive Institutionen des sozialen Lebens. Solange sie jedoch nur ein abstrakter Blick streift, »solange wir sie nicht in einen Teil des Raumes zurückver-

48 Ebd., S. 21f. Ebenso heißt es: Vergemeinschaftung kann auf jeder Art von affektueller oder emoti-onaler oder aber traditionaler Grundlage ruhen, z.B. eine kameradschaftlich zusammenhaltende Truppe, nationale Gemeinschaften, Familiengemeinschaften.

49 Ebd.50 Ebd., S. 26.51 Raphael, Geschichtswissenschaft, S. 186; Maurice Halbwachs: Soziale Morphologie. Ausgewählte

Schriften, hg. und aus dem Französischen übersetzt von Stephan Egger, Konstanz 2002. Der fran-zösische Soziologe Habwachs (1877-1945) wurde im KZ Buchenwald ermordet.

52 Halbwachs, Soziale Morphologie, S. 11 u. 15.

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18 Einleitung

setzen, solange wir nicht der menschlichen Gruppen gewahr werden, die ihren Bestand sichern, sind sie auch nur abstrakte Gedankengebilde.«53 Damit Institutionen wie die SS und ihre Sportgliederungen nicht einfach nur Gedankengebilde sind, müssen sie »… auf die Erde gebracht werden, ganz mit Stofflichem beschwert, menschlichem Stoff und unbelebtem Stoff, mit Lebewesen aus Fleisch und Blut. Mit Bauwerken und Häusern, Plätzen, dem Gewicht des Raumes.« Dies ist die Aufgabe der vorliegenden Arbeit, denn nur die morphologische Struktur von Gruppen ermöglicht uns, »deren innere Zustände und Wandlungen, ihre Einrichtungen, Sitten und Lebensweisen zu beschreiben.«54

Zur Erläuterung des Begriffs Institution, wie er den Betrachtungen zur sozialen Struktur des Sports in der SS zugrunde liegt, soll auf einige seiner wesentlichen Merk-male hingewiesen werden. So bezeichnen Institutionen zugleich abgrenzbare soziale Systeme, denen ein bestimmtes Regelsystem zugrunde liegt. Sie dienen also der ord-nenden Gestaltung menschlicher Interaktionen, wobei deren funktionale Ordnung »auf der ordnenden Tätigkeit eines ordnenden Wesens«55 basiert. Diese ordnende Tätigkeit bezeichnet der Sozialphilosoph und Ökonom V. HAYEK als Organisation und versteht darunter das bewusste und zielorientierte strukturieren einer Unternehmung – wie hier dem SS-Sport – durch bestimmte autorisierte Personen, denen sich die vorliegende Arbeit fokussiert widmet. Diese »Organisatoren« – die SS-Führer schaft und hochrangige Sportfunktionäre – geben den anderen Organisationsmitgliedern eine verbindliche Ordnung vor.56 Dementsprechend ist nach der Rolle der SS und ihrer maßgeblich handelnden Akteure im Rahmen der Umgestaltung des deutschen Sport-systems nach 1933 und insbesondere infolge der weiteren Radikalisierung dieses Pro-zesses nach den Olympischen Spielen 1936 vor dem Hintergrund der Angriffe von SA und KdF auf das Vereins- und Verbandswesen im Sport zu fragen.

LEITENDE FRAGE- UND ZIELSTELLUNG

Entsprechend der methodischen Vorüberlegungen beschäftigt sich die Arbeit mit der prozessorientierten und institutionellen Organisation57 des SS-Sportes, also mit dem Vorgang der Ordnungsentstehung des SS-Sportes und dem System der institutionali-sierten formalen und informalen Regeln. Damit verbinden sich Fragen nach konkreten Normen, Zielen und Funktionen sowie nach den gestaltenden Akteuren – den Orga-nisatoren – des SS-Sports im Kontext ihrer funktionsspezifischen Handlungs- und Konfliktfelder. Darüber hinaus werden neben den verschiedenen Ausprägungen und

53 Wie das Folgezitat ebd., S. 1554 Ebd., S. 17.55 Friedrich A. v. Hayek: Arten der Ordnung, in: Friedrich A. v. Hayek (Hg.), Freiburger Studien.

Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1994, S. 32-47, hier S. 32f.56 Franz Xaver Bea und Elisabeth Göbel: Organisation. Theorie und Gestaltung, 3., neu bearb. Aufl.

Stuttgart 2006, S. 3.57 Zur Differenzierung des Organisationsbegriffes, ebd., S. 3 u. 6-8.

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19 Hypothese

Formen des SS-Sports schließlich auch dessen Erfolge sowie deren Darstellungen und Wirkungen nach innen und außen analysiert.

Die Vorgehensweise folgt den Prinzipien des hermeneutischen Zirkels wissenschaft-licher Analyse, indem die allgemeine prozessorientierte und institutionalisierte Orga-nisation der Institution Sport in der SS im Allgemeinen ins Verhältnis gesetzt wird mit dem Besonderen, das in dieser Untersuchung repräsentiert wird durch den exempla-rischen sportartengeschichtlichen Fokus auf den SS-Reit- und Fechtsport.58 Selbige genossen neben dem Motorsport und dem Modernen Fünfkampf die besondere Auf-merksamkeit und Förderung der SS-Führung. Diesen Sportarten ist gemeinsam, dass sie aufgrund der notwendigen materiellen Voraussetzungen nicht von einer Masse betrieben werden konnten und zudem von einer Aura des Militärischen umgeben waren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass andere Sportarten ausgeblendet werden, denn der prozessorientierten Organisation des SS-Sports ist das Spektrum sportartenspezi-fischer Umstrukturierungen, Ambitionen und Konflikte inhärent.

Für die vorliegende sportgeschichtliche Untersuchung und Darstellung des Gegen-standes, die vornehmlich auf der Basis von Quellenrecherchen durchgeführt wurde, bot sich eine Gliederung nach thematischen Schwerpunkten an. Eine chronologische Behandlung wäre nicht nur aufgrund der teilweise extremen Lückenhaftigkeit der Quellenbasis, sondern vor allem aufgrund der Vielfältigkeit der Thematik nicht prak-tikabel.

HYPOTHESE

Meine Hypothese korreliert mit den gesellschaftstheoretischen Gedankengängen MAX WEBERS, wonach »jedes typisch und massenhaft stattfindende Kämpfen und Konkur-rieren trotz noch so vieler ausschlaggebender Zufälle und Schicksale doch auf die Dauer im Resultat zu einer ›Auslese‹ derjenigen führt, welche die für den Sieg im Kampf durchschnittlich wichtigen persönlichen Qualitäten in stärkerem Maße be-sitzen.«59 Darüber, welche dieser Qualitäten als außergewöhnlich oder über dem Mas-sendurchschnitt stehend gelten, entscheiden laut WEBER die Kampf- und Konkurrenz-bedingungen – wie sportliche Wettkämpfe –, zu denen neben »allen denkbaren individuellen und Massenqualitäten auch jene Ordnungen gehören, an denen sich […] das Verhalten im Kampf orientiert«60 – wie Regeln der Sportarten und Verhaltensregeln der SS-Sportler an sich oder Normvorstellungen des Nationalsozialismus. Wenngleich

58 Zum Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps hat Hochstetter eine grundlegende Studie vorgelegt, die am Rande auch auf die Rolle der SS eingeht. Dorothee Hochstetter: Motorisierung und Volks-gemeinschaft: das nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) 1931-1945, München 2005. Dar-über hinaus: Uwe Day: Silberpfeil und Hakenkreuz: Autorennsport im Nationalsozialismus, Ber-lin 2005. Zum Modernen Fünfkampf zuletzt: Tobias Bürger: Der Sport der »waffentragenden Mä nner«? Die Geschichte des Modernen Fü nfkampfes in Deutschland im »Zeitalter der Weltkrie-ge« 1912-1939, unveröffentlichte Magisterarbeit Potsdam 2012.

59 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 20.60 Ebd.

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20 Einleitung

die Weberrezeption in Deutschland erst auf den Soziologenkongress des Jahres 1959 datiert wird61, erscheinen seine Erörterungen geradezu programmatisch für die Am-bitionen der SS im Allgemeinen und die des SS-Sportes im Besonderen. So heißt es bei WEBER über die bis heute gängigen Prinzipien der Auslese:

»Nicht jede soziale Auslese ist Kampf [kursive Hervorhebungen i.O. gesperrt, B.B.]. ... Nur wo wirklich Konkurrenz stattfindet, wollen wir von Kampf sprechen. Nur im Sinne von Auslese ist der Kampf tatsächlich, nach der bisherigen Erfahrung, und nur im Sinne biologi-scher Auslese ist er prinzipiell unausschaltbar.«62

Der Kampf- und Auslese-Topos findet sich bereits in der Auffassung der Organisato-ren der Olympischen Spiele 1916 in Berlin, welche die internationalen Wettkämpfe zu einem »Symbol des Weltkrieges« stilisierten.63 Carl Diem führte diese Argumentation 1920 weiter, indem er den (Wett)Kampf zum universellen Leistungsprinzip erhob,64 und unter anderem forderte, dass auf den Schulen nicht länger »Bleichsüchtige, Schwächlinge und Brillenträger« herangezogen werden dürften.65 Darüber hinaus wurde Diem zu einem der schärfsten Befürworter einer Sportförderung als notwen-digem Wehrpflichtersatz und besten Mittel der Wehrhaftmachung.66 Diese militärische Sinngebung des Sports wurde schon vor 1933 verbunden mit der Erwartung staatlicher Unterstützung zur Standardparole des bürgerlichen Sports. An diese Ideen konnte die SS anknüpfen, um das Prinzip der biologischen Auslese innerhalb der Volksgemein-schaft auch in der Friedenszeit (1933-1939) umsetzen zu können.

Mit Bezug auf WEBER und die zeitgenössische Sportauffassung gehe ich von der übergeordneten Hypothese aus, dass der SS-Sport in zweierlei Hinsicht für den Pro-zess der Auslese durch Kampf bzw. Konkurrenz von Bedeutung war: Zum einen begrenzte sich die Rolle des SS-Sports nicht nur auf die interne Auslese von Vorbildern, die der Verbreitung des Sportgedankens, der Festigung des Korpsgeist sowie der Imagepflege bzw. Legitimation der Elite nach außen diente und der allgemeinen Sport-begeisterung vor den Olympischen Spielen 1936 entsprach. Zum anderen erscheint der SS-Sport auch als Teil der »NS-Wett kampf gesellschaft«, deren konkurrierende Gliederungen um die Vormachtstellung im deutschen Sport kämpften und das Prinzip der Auslese perpetuierten. Die Lücken in der Gleichschaltung des Sports bzw. die fehlende Installation eines NS-Hauptamtes für Leibesübungen erscheinen als gezielter Schachzug der politischen Führung, um den Prozess der Auslese zu garantieren und zu radikalisieren.

61 Ottheim Rammstedt: Formierung und Reformierung der Soziologie im Nachkriegsdeutschland, in: Karl Acham (Hg.), Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste. Kontinuitäten und Diskontinuitäten in den Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften zwischen den 20er und 50er Jahren, Stuttgart 1998, S. 251-289, hier S. 278.

62 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 21.63 So äußerte sich 1913 Dr. Martin Berner , Schriftführer der Zeitschrift Fußball und Leichtathletik,

der von seinem Freund Carl Diem als Pressechef für die Olympischen Spiele 1916 vorgesehen war. Zit. n. Karl Lennartz: Die VI. Olympischen Spiele Berlin 1916, Köln 1978, S. 72f.; Eisenberg, Eng-lish sports, S. 290f.

64 Carl Diem: Sport, Leipzig u.a. 1920, S. 5f.65 Diem, Sport, S. 18, nach Frank Becker: Den Sport gestalten – Carl Diems Leben (1882-1962), Bd.

2: Weimarer Republik, Duisburg 2011, S. 55.66 Diem, Sport, S. 8, nach ebd., S. 55.

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21 Quellengrundlage

QUELLENGRUNDLAGE

Die genannten Fragestellungen und Thesen meiner Untersuchung wurden anhand von Quellenbeständen auf drei Ebenen überprüft. Zunächst wurden erstens die Akten der zentralen Institutionen der SS untersucht. Neben den Beständen des Persönlichen Stabes Reichsführer-SS (BArch NS 19) waren dies vor allem der Bestand SS-Haupt amt und insbesondere des Amtes für Leibesübungen im SS-Haupt amt (BArch NS 31). Die Aktenbestände der Zentralführung der SS-Sport ge mein schaft in Berlin wurden eben-so wir der Schriftverkehr des Inspekteurs für Leibesübungen und des SS-Amtes für Leibesübungen durch einen Brand nach Bombeneinwirkung im Dezember 1943 voll-ständig vernichtet.67 Erst durch die Rekonstruktion aus anderen Provenienzen konn-te der Bestand teilweise »wiederhergestellt« werden, ist aber entsprechend lückenhaft. Für die Zeit vor 1934 wurde die Überlieferung innerhalb der SA untersucht (BArch NS 23). Darüber hinaus wurden zweitens exemplarisch regionale Aktenbestände, hier vor allem der Leibstandarte SS, der Oberabschnitte Fulda-Werra, Rhein, Main und Spree herangezogen, um die Umsetzung der zentralen SS-Befehle auf regionaler Ebe-ne nachzuvollziehen (BArch NS 17). Drittens nutzt die Untersuchung die vom Berlin Document Center (BDC) übernommen personenbezogenen SS-Akten im Bundesar-chiv Berlin. Aufgrund der Masse der mehrere hunderttausend Datensätze umfassenden Sammlung konnte diese nicht systematisch ausgewertet werden, sondern wurde gezielt zur Ergänzung der aus den anderen Beständen gewonnen Informationen genutzt.68 Da die Aktenbestände der Reichssportführung ebenso dem Krieg zum Opfer fielen, wie die der meisten nach Berlin umgesiedelten Fachämter und angeschlossenen Verbände, wurde versucht, diese Lücke über die Auswertung von Periodika des DRL/NSRL wie den Gauverordnungsblättern69 und NS-Sport70 zu schließen. Darüber hinaus konnte der seit kurzem zugängliche, leider sehr lückenhafte Nachlass des Reichsportführers Hans v. Tschammer und Osten herangezogen werden.71 In Hinblick auf die sportar-tengeschichtlichen Teilaspekte wurden die einschlägigen Fach- und Verbandszeit-schriften ausgewertet: zum Fechtsport die Fechter-Zeitung (bis 1934) und die Deutsche Fechterzeitung; für den Reitsport Landvolk im Sattel, Sankt Georg und Deutsche Reiterhefte. Ergänzt werden diese Quellen durch die Auswertung einer Auswahl rele-vanter Zeitschriften und zeitgenössischer Publikationen. Auf Sportbezüge untersucht wurden die SS-eigenen Zeitschriften, wie die ab 1934 erschienene FM-Zeitschrift72, die

67 Rundschreiben v. Daniels, 9.12.1943, BArch NS 17/FW 170; Rundschreiben v. Daniels, 20.12.1943, BArch NS 21/350.

68 Der BDC-Bestand umfasst ca. 69.000 Führerpersonalakten und ca. 290.000 Datensätze zu SS-Unter-führern und SS-Männern.

69 Die Gauverordnungsblätter wurden ab 1936 von den einzelnen Sportgauen bzw. später Sportbe-zirken des DRL/NSRL herausgeben. Sie enthielten überregionale Bekanntmachungen des Reichs-sportführers und der Fachämter sowie regionale Bekanntmachungen der Gauführer und Gaufach-warte.

70 NS-Sport wurde als zentrales Organ der Reichssportführung nach der Umwandlung des DRL in den NSRL ab 1939 herausgeben.

71 BArch N 2528.72 Die Monatszeitschrift erschien ab April 1934, war kostenlos, aber nicht im Handel erhältlich, son-

dern wurde an alle Fördernden Mitglieder der SS verteilt. Sie erreichte bis 1939 eine Auflage von

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22 Einleitung

erstmals 1935 herausgegebene Reichszeitung der Schutzstaffeln der NSDAP Das Schwarze Korps73 sowie die SS-Leithefte.74 Zusätzlich wurden in Hinblick auf die Parteigliederungen unabhängige Zeitungen wie der Völkische Beobachter, aber auch Periodika der »Konkurrenz« wie der SA-Mann und der SA-Führer herangezogen.

über 350.000. John M. Steiner: Power politics and social change in national socialist Germany. A process of escalation into mass destruction, The Hague u.a. 1976, S. 230.

73 Das Schwarze Korps erschien ab 1935 in einer Auflage von 75.000 Stück. Sie wurde durch ihre teilweise partei- und gesellschaftskritische Berichterstattung unter dem Schriftleiter Gunter d’Alquen zu einer der meist gelesenen Wochenzeitschriften im Nationalsozialismus. Mit einer Auflage von 750.000 im Jahr 1944 war sie die zweitgrößte politische Wochenzeitung im Reich. Zeck, Das Schwarze Korps. Geschichte und Gestalt des Organs der Reichsführung SS; Combs, The Voice of the SS. Zur Person d’Alquen: Werner Augustinovic und Martin Moll: Gunter D’Alquen – Pro-pagandist des SS-Staates, in: Ronald Smelser und Enrico Syring (Hg.), Die SS. Elite unter dem Totenkopf. 30 Lebensläufe, Paderborn u.a. 2000, S. 100-118.

74 Es handelt sich um ein Informations- und Schulungsheft, das zwischen 1935 und 1944 vom SS-Rasse- und Siedlungshauptamt herausgegeben wurde.

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1 DIE ANFÄNGE DER SS BIS ZUR ERHEBUNG ZUR EIGENSTÄNDIGEN GLIEDERUNG 1934

Von ihren Anfängen bis zur Erhebung zu einer eigenständigen Parteigliederung, die Hitler direkt unterstellt war, ist die Geschichte der SS eng an die SA gekoppelt. Eine Darstellung der wichtigsten Etappen dieser Entwicklung bis 1934 erscheint daher geboten. Ausgehend von der Entstehung der SA und SS soll dabei das oft spannungs-reiche Verhältnis beider Organisationen beleuchtet werden. Insbesondere gilt es den Fragen nachzugehen, inwiefern die Entwicklung der SS zu einer eigenständigen Or-ganisation durch die bewusste Ausprägung eines Selbst- und Fremdverständnisses als Elite und der Schaffung einer SS-Iden ti tät bedingt wurde. Zuletzt muss hinterfragt werden, ob und wenn ja, welche Rolle dem Sport bzw. der sportlichen Ausbildung in diesem Zusammenhang zukam.

1.1 VORGESCHICHTE: ENTSTEHUNG DER SA

Einzuordnen ist die Entstehung der SA in die besondere Nachkriegssituation Bayerns Anfang der 1920er-Jahre. Nachdem sich im Spätsommer 1918 die militärische Nieder-lage bereits deutlich abzeichnete, gab die immer stärker als katastrophal wahrgenom-mene Lebenssituation in der Landeshauptstadt München den Anstoß für den Umsturz vom 7. November – noch zwei Tage vor den revolutionären Ereignissen in Berlin.1 Der von der USPD-Füh rung initiierte Umsturz führte zur Ausrufung der Republik in Form eines bayrischen Freistaates durch Kurt Eisner . Das Ziel, die alte Ordnung als Vorraussetzung für die rasche Beendigung des Krieges zu überwinden, wurde je-doch nur von Teilen der Bevölkerung unterstützt. Die Mehrheit in den städtischen und ländlichen Mittelschichten stand den sich abzeichnenden politischen Verände-rungen mindestens skeptisch, wenn nicht gar abweisend gegenüber.2 Da die neuen Machthaber nicht in der Lage waren, dem Wunsch nach Ruhe und Ordnung zu ent-sprechen, schlug ihnen bald eine harsche Ablehnung entgegen.3 Die Ermordung Eis-ners und die Ausrufung einer kommunistischen Räterepublik führten Ende April zu einer Radikalisierung der revolutionären Bewegung. Es verwundert daher nicht, dass weite Kreise die Niederschlagung der Räteherrschaft mit der Eroberung Münchens durch Regierungstruppen und Freikorps Anfang Mai 1919 begrüßten. Diese Ereig-nisse der Revolutionszeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg prägten Bayern grundlegend und führten zu einem nachhaltigen politischen Rechtsruck, der durch die Angst vor einem weiteren kommunistischen Umsturzversuch genährt wurde. Aus

1 Peter Longerich: Die braunen Bataillone. Geschichte der SA, München 1989, S. 10.2 U.a. Hans Fenske: Konservatismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918, Bad Homburg

1969, S. 62f.3 Longerich, Die braunen Bataillone, S. 10.

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1 Die Anfänge der SS 24

diesem erheblichen Misstrauen gegenüber der staatlichen Autorität, verbunden mit der unsicheren außenpolitischen Lage der jungen Weimarer Republik entwickelte sich ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis, das den Nährboden für die Entstehung der rasch anwachsenden Einwohnerwehren legte.4 Spätestens seit der Übernahme der Regierung durch den vormaligen oberbayrischen Regierungspräsidenten Gustav Rit-ter v. Kahr im März 1920 wurde Bayern zum Sammelbecken für zahlreiche rechtsge-richtete, auch per Haftbefehl gesuchte Republik-Gegner. So fanden nach dem geschei-terten Kapp-Putsch beispielsweise Erich Ludendorff und Hermann Ehrhardt im Raum München sicheren Unterschlupf. Mit v. Kahr gelangte zudem ein entschiedener Förderer der Einwohnerwehren an die Macht, deren Zahl bis zu ihrer erzwungenen Auflösung auf Drängen der Alliierten im Frühjahr 1921 auf bis zu 300.000 Wehrmän-ner anstieg.5 In dieser Atmosphäre des Widerstands gegen die alliierten Anordnungen entstanden eine Reihe von Geheimbünden, paramilitärischen Organisationen und politischen Kampfverbänden, die teilweise ihren Einfluss von Bayern aus auf das ge-samte Reichsgebiet auszuweiten suchten.6 Trittbrettfahrer dieser Gemengelage wurde auch die nationalsozialistische Bewegung, die sich mit der SA einen eigenen paramili-tärischen Verband schuf.

Eine zentrale Rolle beim Aufbau der SA spielte Ernst Röhm . Die Erfahrungen des verlorenen Weltkrieges hatten ihn, wie viele seiner Zeitgenossen maßgeblich geprägt. Als Offizier des Freikorps Epp nahm er aktiv an den gegenrevolutionären Kämpfen um München teil, was in ihm die im Zuge des verlorenen Weltkrieges ausgeprägte Vorstellung festigte, dass in erster Linie die militärischen Sachzwänge das politische Handeln zu bestimmen hätten.7 Durch Maßnahmen, wie die grundlegende Militari-sierung von Staat und Gesellschaft und die in seinen Augen notwendige Errichtung einer autoritären Staatsform wollte Röhm die Wiederherstellung der deutschen Groß-machtstellung erreichen.8

Nach dem Krieg nutzten Röhm nicht nur seine Erlebnisse als aktiver Frontkämpfer und seine Verwendung als Adjutant des Chefs der Armeeabteilung des bayrischen Kriegsministeriums, sondern vor allem seine Erfahrungen als Nachschuboffizier einer Division, bei der er sich zuletzt mit den Aufgaben der militärischen Organisation und Logistik vertraut gemacht hatte. Diese Kenntnisse konnte er als Stabsoffizier und

4 Zu den Einwohnerwehren v.a. Horst Günter Wolfgang Nußer: Konservative Wehrverbände in Bayern, Preußen und Österreich 1918-1933, mit einer Biographie von Georg Escherich 1870-1941, München 1973; Fenske, Konservatismus und Rechtsradikalismus in Bayern, S. 76-112.

5 Longerich, Die braunen Bataillone, S. 12f. Zur Peson v. Kahr Stephan Deutinger: Gustav von Kahr. Regierungspräsident von Oberbayern 1917-1924, in: Stephan Deutinger (Hg.), Die Regierungsprä-sidenten von Oberbayern im 19. und 20. Jahrhundert, München 2005, S. 281-231.

6 Zu nennen sind hier u.a. die Organisation Escherich und die Organisation Kanzler (Fenske, Kon-servatismus und Rechtsradikalismus in Bayern, S. 108-112; Nußer, Konservative Wehrverbände, S. 173-195); daneben auch die Brigade Ehrhardt (Gabriele Krüger: Die Brigade Ehrhardt, Hamburg 1971) und die von ihm aufgebaute Organisation Konsul (Fenske, Konservatismus und Rechtsradi-kalismus in Bayern, S. 148ff.).

7 Peter Longerich: Die Geschichte der SA, München 2003, S. 20. In dieser Überzeugung Röhms , von der er zeitlebens nicht mehr abrückte, deutete sich der spätere Konflikt mit Hitler um das Primat von Partei oder bewaffneten Arm der Bewegung bereits an. Deutlich wird diese Einstellung vor allem in: Ernst Röhm: Geschichte eines Hochverräters, 5. Aufl. München 1934, S. 349ff.

8 Zur Rolle Röhms: Longerich, Geschichte der SA, S. 15-22, hier insb. S. 20; Röhm, Geschichte eines Hochverräters.

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1.1 Vorgeschichte: Entstehung der SA 25

»Waffenreferent« der Brigade Epp, die mittlerweile in die Reichswehr integriert war, gewinnbringend einsetzen. Röhm verantwortete damit an entscheidender Position die Ausstattung der Einwohnerwehren mit Waffen, Munition und Gerät und konnte beim Versteckspiel mit den alliierten Kontrolleuren nicht nur sein volles organisatorisches Talent zur Geltung bringen, sondern spann gleichzeitig weiträumige Netzwerke, die sich später als nützlich erweisen sollten.9 Seine politischen Aktivitäten, die er 1919 bei der Deutschnationalen Volkspartei begann, waren auf das Ziel ausgerichtet, die ver-schiedenen antirepublikanischen und antisozialistischen Kräfte innerhalb der Reichs-wehr und den verschiedenen politischen Gruppierungen und Kampfverbänden zu mobilisieren und zusammenzufassen. Wie Röhm in seinen Memoiren feststellt, fand er zur Partei des bereits zum Chefpropagandisten aufgestiegenen Hitler vor allem aus einem Grund: »Mein besonderes Interesse galt der Sturmabteilung der NSDAP.«10

1.1.1 DIE SA – VON DER TURN- UND SPORTABTEILUNG ZUR STURMABTEILUNG

In ihrem Anfangsstadium deklarierte sich die SA als Turn- und Sportabteilung der Partei.11 Es handelte sich dabei um eine Gruppe von Randalierern und Rausschmeißern um Emil Maurice , die zum Schutz von Parteiveranstaltungen und zum Angriff auf politische Gegner ausrückte. Die Konsequenz dieser Ausrichtung als »Sporttruppe« korrespondierte jedoch deutlich mit der im Parteiprogramm geforderten Turn- und Sportpflicht.12 Die NSDAP verankerte als einzige Partei der Weimarer Republik einen solchen Anspruch in ihrem Programm, indem sie vermutlich Anleihen bei den ver-schiedenen Initiativen aus dem organisierten Sport übernahm, insbesondere des Deut-schen Reichsausschusses für Leibesübungen (DRA).13 Der Dachverband des bürger-lichen Sports hatte den Entwurf einer Gesetzesvorlage zur Sportförderung mehrfach an den Deutschen Reichstag herangetragen. In der Begründung der am 20. August 1920 übergebenen, bereits 1919 in der Deutschen Turnzeitung publizierten Denk-schrift, heißt es:

»Die Hebung der sittlichen und physischen Kräfte des Volkes ist eine der ersten Aufgaben des Reiches, um Deutschland lebensfähig zu erhalten, um Deutschland wieder neu aufzubauen. Besondere Maßnahmen auch zur körperlichen Gesundung sind um so nötiger, als die uns auferlegten Friedensbedingungen auf eine weitere Schwächung der Volkskraft ausgehen.«14

Eine ähnliche Zielrichtung verfolgten auch die Beschlüsse der Studententage in Würz-burg (1919) und Göttingen (1920), welche die Durchsetzung einer Pflicht zum Betrei-

9 Longerich, Geschichte der SA, S. 15.10 Röhm, Geschichte eines Hochverräters, S. 125.11 Zu den Anfängen des SA-Sports im Folgenden: Hajo Bernett: Untersuchungen zur Zeitgeschichte

des Sports, Schorndorf 1973, S. 39-58.12 Gottfried Feder: Das Programm der NSDAP und seine weltanschaulichen Grundgedanken, Mün-

chen 1934, S. 17, Punkt 21: »Der Staat hat für die Hebung der Volksgesundheit zu sorgen durch … Herbeiführung der körperlichen Ertüchtigung mittels gesetzlicher Festlegung einer Turn- und Sportpflicht …«.

13 Teichler, Internationale Sportpolitik, S. 22.14 N.N.: Gesetzliche Verpflichtung der Jugend beiderlei Geschlechts zu körperlicher Übung von der

Schulzeit bis zur Mündigkeit, in: Deutsche Turnzeitung 64 (1919) 39, S. 460, zit. n.: ebd., S. 22.

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1 Die Anfänge der SS 26

ben von Leibesübungen für jeden Studierenden forderten.15 Körperliche Ertüchtigung und Sport als Mittel des Wehrpflichtersatzes waren ein verbreiteter Appell.16 Aus der Deutschen Turnerschaft (DT) äußerten sich in diesem Sinne der spätere Vorsitzende Edmund Neuendorff 17 und ebenso der Geschäftsführer, Major a.D. und spätere SS-Grup pen führer Franz Breithaupt mit dem Beitrag »Gedanken zur körperlichen Ge-sundung des deutschen Volkes«.18 Die Initiativen des DRA, die sich vielfältiger Un-terstützung sicher sein konnten, scheiterten letztlich jedoch nicht nur an mangelnden Mehrheitsverhältnissen im Reichstag und fehlenden Rahmenbedingungen, wie der nicht ausreichenden Zahl ausgebildeter Sportlehrer, sondern vor allem am katego-rischen Widerstand der Alliierten gegen jede staatliche Maßnahme, die den Anschein eines Wehrpflichtersatzes trug.

Den Grundstamm der SA bildete in den Anfängen Personal aus dem bewaffneten Freikorps Ehrhardt, das sich wie viele andere Soldaten- und Frontkämpferbünde entgegen der alliierten Anordnungen nicht aufgelöst hatte. Es ist nach wie vor fraglich, wie groß in dieser Anfangsphase der tatsächliche Einfluss Hitlers auf die SA im Ver-gleich zu Röhm und Ehrhardt war.19 Als erster SA-Führer zeichnete Marineleutnant a.D. Ulrich Klintzsch ab 1921 für die planmäßige Ausbildung der Turn- und Sportab-teilung verantwortlich.20 Als Vorsitzender des eingerichteten Turn- und Sportaus-schusses wandte er sich im August 1921 mit einem Aufruf im Völkischen Beobachter an die jungen Aktivisten der Partei, sich als »eiserne Organisation« zu konstituieren, die unter anderem »Trägerin des Wehrgedankens« sein sollte.21 In der Literatur werden die Gründung als Turn- und Sportabteilung und der »Sportaufruf« von Klintzsch mitunter als Tarnung interpretiert,22 zumal sich bereits Ende 1921 die Bezeichnung Sturmabteilung durchsetzte.23 Gegen diese Tarnungsthese spricht der frühe Konflikt um die Deutungshoheit zwischen der Partei und dem militärischen Arm der Bewe-gung. Hitler hatte bereits zeitig die Gefahr erkannt, auf die Rolle eines Agitators re-

15 U.a. Hans Joachim Teichler: Nationale und internationale Meisterschaften im Studentensport vor dem 2. Weltkrieg. Zum Weg des deutschen Studentensports von der sportlichen zur sportpolitischen Hegenmonie in Europa, in: Hochschulsport 11 (1984) 2, S. 4-14; Wolfgang Buss: Die Entwicklung des deutschen Hochschulsports vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des NS-Staates – Umbruch und Neuanfang oder Kontinuität, Göttingen 1975; Beyer, Sport in der Weimarer Re-publik, S. 665ff.

16 Hermann Bach: Volks- und Wehrsport in der Weimarer Republik, in: Sportwissenschaft 11 (1981) 3, S. 273-294; Hajo Bernett: Wehrsport – ein Pseudosport, in: ebd. 11 (1981) 3, S. 295-308. Alle Zitate wurden – ohne den Sinn zu verändern – an die neue deutsche Rechtschreibung angepasst.

17 Zu Neuendorff: Horst Ueberhorst: Edmund Neuendorff, Turnführer ins Dritte Reich, Berlin u.a. 1970.

18 Deutsche Turnzeitung 64 (1919) 52, S. 621f. Zur Person: Bernett, Breithaupt.19 Longerich, Die braunen Bataillone, S. 25. Die spätere offizielle NS-Geschichtsschreibung stellte die

SA auch in der Anfangsphase vor allem als Werkzeug Hitlers dar.20 Andreas Werner: SA und NSDAP. SA: »Wehrverband«, »Parteigruppe« oder »Revolutionsarmee«?

Studien zur Geschichte der SA und der NSDAP 1920-1933, Erlangen-Nürnberg 1964, S. 23. Johann-Ulrich Klintzsch wurde 1898 in Lübbenau geboren. Er erlebte als Angehöriger der kaiserlichen Marine die Revolution in Kiel und stieß nach dem Ablegen des Notabiturs 1919 zur Brigade Ehr-hardt und nahm am Kapp-Putsch teil. Krüger, Brigade Ehrhhardt, S. 105f.

21 Völkischer Beobachter 11.8.1921, abgedruckt in: Bernett, Zeitgeschichte des Sports, S. 57.22 Bspw. Konrad Heiden: Die Geschichte des Nationalsozialismus bis Herbst 1933. Geburt des drit-

ten Reiches, Zürich 1934, S. 82.23 Werner, SA und NSDAP, S. 41.

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1.1 Vorgeschichte: Entstehung der SA 27

duziert zu werden und die Kontrolle über die SA zu verlieren,24 denn Röhm und Ehrhardt vertraten als ehemalige Reichswehroffiziere die Auffassung, dass den Kampf-verbänden das Primat zustände. Die Partei galt ihnen als politischer Arm der Bewe-gung und sollte auf die Funktion einer Werbetruppe für die paramilitärische Organi-sation reduziert werden. Hitler suchte dagegen seit der Gründung der SA den erheblichen Einfluss der Militärs zu begrenzen, was die Frage der Namensgebung und Programmatik in einem anderen Licht erscheinen lässt. Es ist anzunehmen, dass Hit-ler auch deshalb dem vermeintlich unpolitischen Sport im ersten Parteiprogramm eine solche, vergleichsweise herausgehobene Stellung zuwies.

1.1.2 DIE ROLLE DES SPORTS IN DER FRÜHEN SA

Der allgemeine Aufschwung der Sportbewegung zur Zeit der Weimarer Republik er-fasste offensichtlich auch politische Kampfverbände wie die SA und wurde zu einem festen Bestandteil des Gemeinschaftslebens.25 Weitgehend im Dunkeln bleibt das tat-sächliche Ausmaß der sportlichen Aktivitäten in den Anfangsjahren der SA.26 Belegt sind eine Reihe von Aufrufen zur Teilnahme an Sportspielen, sportliche Aktivitäten als Freizeitbeschäftigung im Rahmen von SA-Aufmärschen und Hinweise auf Wande-rungen in Verbindung mit Baden, Spiel und Erholung. Darüber hinaus wurden Mar-schieren, Exerzieren und Geländeübungen im Rahmen von »sonntäglichen Ausflügen« praktiziert.27 Unter der Leitung von Klintzsch erhielt der SA-Dienst damit eine sport-liche Ausrichtung, die sich jedoch durch die vermehrte Integration kampfsportlicher Elemente zunehmend an den Erfordernissen des Versammlungsschutzes ausrichtete. Die Verpflichtung des Boxers Ludwig Haymann 28 im November 1921 verdeutlicht die Ernsthaftigkeit dieser Bemühungen. Der spätere Deutsche Meister im Schwergewicht unterrichtete die SA Anfang 1922 zunächst zwei- bis dreimal wöchentlich in seiner Paradedisziplin.29 Dass Hitlers Ablehnung einer Bewaffnung der SA dennoch eine Radikalisierung der Auseinandersetzungen implizierte, verdeutlichen seine Absichten:

»Hitlers Plan ist, bis zum kommenden Frühjahr einen Stamm von 60-80 ausgebildeten Boxern und ca. 500 sonstige Angehörige des Sturmtrupps zu haben, so dass die andersdenkenden

24 Longerich, Geschichte der SA, S. 31.25 Zur Entwicklung des Sport in der Weimarer Republik immer noch grundlegend: Beyer, Sport in

der Weimarer Republik. Ausführlicher, aber die Rolle des Wehrsport überschätzend: Eisenberg, English sports. Einen anschaulichen Eindruck von der wachsenden Sportbegeisterung insbesonde-re der Jugend vermittelt: Haffner, Erinnerungen 1914-1933, S. 72-76.

26 Ich beziehe mich im Folgenden auf die Untersuchung von Bernett, Zeitgeschichte des Sports, S. 42.27 Longerich, Die braunen Bataillone, S. 25.28 Haymann wurde 1924 Hochschulmeister im Boxen, wechselte ein Jahr später in das Lager der

Berufsboxer und wurde 1928 Deutscher Meister im Schwergewicht. Nach dem Gewinn der Deut-schen Meisterschaft ging Haymann nach Amerika, ohne dass ihm dort der Durchbruch gelang. Adolf Löffler: In der Weltarena. Der Kampf Ludwig Haymanns, Berlin 1941, S. 157ff. u. 216ff. Nach seiner Rückkehr 1930 begann Haymann eine journalistische Karriere beim Angriff und publizierte im SA-Mann. 1932 wurde er der erste hauptamtliche Sport-Redakteur des Völkischen Beobachters in München. Ebd., S. 303ff.

29 Nach ebd., S. 130f., sollen Hitler und Dietrich Eckhardt an den seinerzeit 19jährigen Haymann wegen der Boxausbildung der SA herangetreten sein. Nach Werner, SA und NSDAP, S. 41, soll Haymann die SA ab Februar 1922 auch in Jiu-Jitsu unterrichtet haben.

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1 Die Anfänge der SS 28

Parteien es mit der schlotternden Angst zu tun bekommen werden, sobald sie nur von Hitlers Box- und Sturmtrupp hören …«30

Dies korrespondierte mit Hitlers wachsender Begeisterung für den Faustkampf, die sich vermutlich in dieser Zeit ausprägte und später in »Mein Kampf«31 niederschlug. Dies legte die Grundlage für die Aufwertung und Förderung des Boxsports in der Erziehungspraxis der Nationalsozialisten nach der Machtübernahme.32

Dass sich trotz der Bemühungen Hitlers um eine Versportlichung der SA-Ausbil-dung die Militärs um Röhm und Ehrhardt mit ihren Vorstellungen zunehmend durch-setzen konnten, war auch der politischen Lage geschuldet, die sich mit dem Einmarsch der Franzosen in das Ruhrgebiet im Januar 1923 zuspitzte.33 Zwar verschärfte Hitler den eingeschlagenen Konfrontationskurs der Bewegung gegenüber der Regierung, doch die in Aufmärschen zur Schau gestellte Unabhängigkeit der Nationalsozialisten blieb Fassade. Zum einen hatte sich auch durch die immer wieder notwendig gewor-denen Interventionen Röhms gezeigt, wie sehr man vom Wohlwollen des Münchener Reichswehrkommandos abhing. Zum anderen band die Reichswehr die paramilitä-rischen Verbände zunehmend enger in ihre versteckten Mobilmachungsvorberei-tungen ein – zunächst für einen möglichen Krieg gegen Frankreich, dann für eine eventuelle innenpolitische Auseinandersetzung. Um den Einfluss der paramilitä-rischen Verbände zu begrenzen, übergab Hitler Anfang 1923 die Führung der SA bewusst nicht an Röhm , sondern an Herrmann Göring .34 Der gerade einmal 30-jährige, hoch dekorierte Jagdflieger des Ersten Weltkriegs, den das Image eines jugendlichen Draufgängers und Kriegshelden umgab, schien am besten geeignet, das Gewicht der SA im Lager der paramilitärischen Einheiten und Verbände zu stärken.35 Diese Rech-nung ging letztlich nicht auf. Einerseits löste Göring zwar die SA sukzessive aus der persönlichen Unterstellung unter Ehrhardt und andere Freikorpsführer, indem er ein Oberstes SA-Kommando schuf. Gleichzeitig band er jedoch die SA in die Arbeitsge-meinschaft der Paramilitärischen Kampfverbände36 ein und entzog sie damit letztlich dem Zugriff der Partei und ihres politischen Führers.

30 Bericht über die Zusammenkunft des Sturmtrupps der NSDAP am 30.11.1921, zit. n. Werner, SA und NSDAP, S. 41, Anm. 76.

31 Adolf Hitler: Mein Kampf, 21. Aufl. München 1933, S. 451ff. Boxen wird von Hitler als einzige Sportart explizit und mehrfach in seiner Kampfschrift als besonders positiv und förderungswürdig erwähnt.

32 Boxen wurde u.a. Bestandteil der zum Winterhalbjahr 1935/36 eingeführten dritten Schulstunden im Fach Leibeserziehung für die männliche Oberstufe. Der entsprechende Erlass des Reichsmini-steriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung findet sich in: Deutsche Sportlehrer-Zeitung 10 (1935) 11, S. 170. Zur Aufwertung des Boxens u.a. Hans Schingnitz: Boxen als Grund- und Kampfsport, Leipzig u.a. 1935.

33 Zu den Hintergründen und der Rolle Röhms, der die SA als Teil eines paramilitärischen Kampf-bündnisses ansah, in diesem Zusammenhang: Longerich, Die braunen Bataillone, S. 33ff.

34 Damit wird auch deutlich, dass sich Hitler zunehmend an den konservativen Kräften orientierte. Der Offizier a.D. Göring , Sohn des ehemaligen Gouverneurs von Südwestafrika und Bruder eines Industriellen, hatte Beziehungen zu Wirtschaftskreisen und führte Hitler ab 1922 in die gehobene Gesellschaft von München ein. Charles Bloch: Die SA und die Krise des NS-Regimes 1934, Frankfurt/M. 1970, S. 14.

35 Longerich, Die braunen Bataillone, S. 34f.36 Fenske, Konservatismus und Rechtsradikalismus in Bayern, S. 188ff.

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1.2 Die Anfänge der SS (1923-1925) 29

1.2 DIE ANFÄNGE DER SS (1923-1925)

1.2.1 VON DER STABSWACHE ZUM STOSSTRUPP HITLER

Hitler schuf sich im März 1923 mit der »Stabswache Berlin« ein stärker auf ihn zuge-schnittenes Instrument, das HÖHNE als die »Urzelle der SS« bezeichnet.37 Die in ihr zusammengezogenen alten Kämpfer schworen, Hitler unter Einsatz ihres Lebens gegen äußere und innere Feinde zu schützen. Auf Grund dieser persönlichen Bindung sollte diese zunächst zahlenmäßig kleine Kampforganisation schon bald eine Sonderrolle innerhalb der NS-Bewegung einnehmen. Es handelte sich in erster Linie um kampfer-probte Männer des Münchener Infanterieregiments 19. Die Stabswache blieb in dieser Form jedoch nur ein vorübergehendes Konstrukt. Nachdem sich Hitler und Röhm im Mai 1923 mit Ehrhardt überworfen hatten und dieser seine Brigadisten, unter denen sich auch Klintzsch befand, aus der SA abrief, wurde die Stabswache zum »Stoßtrupp Adolf Hitler« unter der Leitung von Julius Schreck und Joseph Berchtold umgebildet. Anders als der bisherige Kern der SA, der sich vor allem aus ehemaligen Weltkriegsve-teranen rekrutierte, entstammten die Stoßtruppler einem anderen sozialen Milieu, eher dem Kleinbürgertum und der Arbeiterschaft. Es handelte sich jedoch durchweg um im Straßenkampf erprobte Freikorpsangehörige: Schreck , der spätere Leibwächter und Fahrer Hitlers, war ursprünglich Schauspieler;38 der seinerzeit zweite Kassierer der NSDAP, Berchtold , Schreibwarenhändler; der wichtigste Leibwächter Hitlers, Ulrich Graf , hatte den Metzgerberuf erlernt und sich als Amateurringer betätigt;39 der Uhr-macher Emil Maurice stand wegen Unterschlagung im Strafregister;40 der ehemalige Pferdeknecht Christian Weber verdingte sich mit einer Anstellung als Hausdiener und Rausschmeißer in der Münchener Gastwirtschaft »Blauer Bock«;41 Josef Dietrich hatte eine Fleischerlehre abgeschlossen, war nach dem Weltkrieg allerdings in der bayrischen Landespolizei untergekommen;42 Jakob Grimminger war gelernter Modellschreiner.43 Dieser kleine Kreis um Hitler zeigte sich treu und ergeben und war immer »schlagkräf-tig« zur Stelle, wann immer ihr »Führer« es von ihnen verlangte.

37 Höhne, Orden, S. 23.38 Zu Schreck (1898-1936) existieren nur wenige Informationen. Er wurde 1925-26 Reichsführer-SS

und leitete 1925 kurzzeitig die Münchner SS. Anna Maria Sigmund: Des Führers bester Freund. Adolf Hitler, seine Nichte Geli Raubal und der »Ehrenarier« Emil Maurice – eine Dreiecksbezie-hung, München 2005, S. 87-91, 241f.

39 Graf (1878-1950) war Hitlers Leibwächter und Mitbegründer der SA. Beim Putsch 1923 wurde er schwer verwundet und galt seitdem als Lebensretter Hitlers. 1925 wurde Graf erster Beisitzer des Obersten Parteigerichts, ab 1931 berief man ihn zusätzlich in die wirtschaftspolitische Abteilung der Reichsorganisationsleitung. Mathias Rösch: Die Münchner NSDAP 1925-1933. Eine Untersu-chung zur inneren Struktur der NSDAP in der Weimarer Republik, München 2002, S. 514f.

40 Sigmund, Des Führers bester Freund.41 Martin, Christian Weber; Schiefer, Christian Weber; Rösch, Die Münchner NSDAP 1925-1933.42 Zu Dietrich: Christopher Clark: Josef »Sepp« Dietrich – Landsknecht im Dienste Hitlers, in: Ronald

Smelser und Enrico Syring (Hg.), Die SS. Elite unter dem Totenkopf. 30 Lebensläufe, Paderborn u.a. 2000, S. 119-133.

43 Der 1892 geborene Grimminger wurde 1923 als Träger der »Blutfahne« bekannt. Später fungierte er zeitweise als Münchner Stadtrat, blieb aber nach 1925 ohne politischen Einfluss. Rösch, Die Münchner NSDAP 1925-1933, 511, 514f.

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1 Die Anfänge der SS 30

1.2.2 BÜRGERBRÄU-PUTSCH 1923

Während sich die politische Atmosphäre durch die fortgesetzte Ruhrbesetzung und den allgemeinen Notstand infolge von Wirtschaftskrise und Hyperinflation weiter aufgeheizt hatte, radikalisierten sich die äußersten rechten Kräfte um Hitler und Lu-dendorff durch die Gründung des Deutschen Kampfbundes als neuem Dachverband der Wehrverbände Anfang September.44 Die Aufgabe des passiven Widerstandes der Regierung Stresemann an der Ruhr, Ende September, wurde in rechtsgerichteten Krei-sen als feige Kapitulation empfunden und verschärfte die Situation. Indem es Röhm gelang, Hitler als politischen Führer des Kampfbundes durchzusetzen, manövrierte er ihn in die Position eines Gegenspielers zur bayrischen Regierung, wenngleich Luden-dorff als graue Eminenz im Hintergrund für einen Großteil der radikalen Rechten der potentielle Diktator im Falle eines Umsturzes blieb. Die bayrische Regierung reagier-te auf die sich verschärfende Lage mit der Verhängung des Ausnahmezustandes und ernannte den im nationalen Milieu anerkannten v. Kahr zum Generalstaatskommissar. Diese Maßnahme bewirkte zweierlei: Zum einen spaltete sie den Kampfbund, in dem Teile mit dem »Diktator auf Zeit« v. Kahr offen sympathisierten und sich die innen-politische Situation in Bayern damit zumindest teilweise entspannte. Zum anderen reagierte die Reichsregierung mit der eigenen Verhängung des Ausnahmezustandes, was zu Kompetenzstreitigkeiten führte, die sich insbesondere am Landeskomman-danten der Reichswehr in Bayern, Generalmajor Otto Hermann v. Lossow, fest mach-ten, der von beiden Seiten in Anspruch genommen wurde. Als v. Lossow von der Reichswehrführung abgesetzt wurde, weil er die Weisungen der Reichsregierung igno-rierte, setzte ihn v. Kahr unverzüglich wieder ein und unterstellte sich ebenso die bayrische Reichswehrdivision. Mit der Besetzung von Einrichtungen des Reiches hatte sich die bayrische Landesregierung mit der Reichsregierung schließlich derart überworfen, dass ein Abfall Bayerns vom Reich unmittelbar bevor zu stehen schien.45 Durch diese äußeren Umstände und den im eigenen Lager brodelnden Aktionismus und Umsturzwillen sah sich Hitler schließlich zum Handeln gezwungen, wollte er seine Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen. Als v. Kahr für den Abend des 8. No-vember eine Versammlung in den Bürgerbräukeller einberief, vermutete Hitler , dieser wolle die Unabhängigkeit Bayerns proklamieren. Mit einer Überraschungstat sollten die bayrischen Partikularisten – mit vorgehaltener Waffe und den zu allem entschlos-senen Stoßtrupplern im Gefolge – zum angestrebten Putsch mitgerissen und ein Marsch auf Berlin nach italienischem Vorbild erzwungen werden. Angesichts der unmittelbaren Konfrontation im Bürgerbräukeller gaben die anwesenden v. Kahr , v. Lossow und Hans v. Seißer (Chef der Landespolizei) den Forderungen Hitlers nach, der zusammen mit Ludendorff sowohl die bayrische als auch die Reichsregierung für abgesetzt erklärte und die Bildung einer provisorischen Reichsregierung ausgerufen hatte. Die Putschisten begingen jedoch den Fehler, die Festgesetzten zu entlassen, was diese unverzüglich nutzten, um öffentlich ihre Zusagen zu widerrufen und gegen die

44 Im Folgenden Longerich, Die braunen Bataillone, S. 33-44; Ernst Deuerlein: Der Hitler-Putsch. Bayerische Dokumente zum 8./9. November 1923, Stuttgart 1962.

45 Damit verfolgte v. Kahr mit seinen Umsturzplänen letztlich das gleiche Ziel wie das Duo Hitler /Ludendorff , nämlich die Ersetzung der Reichsregierung in Berlin, jedoch mit anderen Mitteln. Longerich, Die braunen Bataillone, S. 39f.