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Prof. Dr. Matthias Richter
Institut für Medizinische Soziologie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
S M I MLU | Institut für Medizinische Soziologie
Warum die gesellschaftlichen
Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Verhältnisse krank machen
Offene Vorlesungsreihe: Alle inklusive? Zusammenhalt in einer vielfältigen Gesellschaft , 19. Juni 2012
Was bestimmt unsere Gesundheit
Einflussfaktoren auf die Gesundheit
Risiken Ressourcen
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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Gesundheit = Abwesenheit von Krankheit und Behinderung?
Gesundheitspol
Ressourcen (Salutogene Faktoren)
Risiken (Pathogene Faktoren)
Aktueller Zustand
Gesundheits-Krankheitskontinuum (nach Antonovsky)
Krankheitspol
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Etwas genauer gefasst…
Aber was sind jetzt Einflussfaktoren auf die Gesundheit?
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Was fällt Ihnen so ein?
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Risikofaktoren - wie Kinder sie sehen
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Gesundheitsförderliche Faktoren - wie Kinder sie sehen
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Uns wird immer noch gesagt, dass die Wahl des Lebensstils sowohl Bedrohung als auch Rettung unserer Gesundheit ist.
Was aber nicht gesagt wird…
• die Evidenz dafür ist stark umstritten • biomedizinische Interventionen und die Wahl des Lebensstils sind nur ein Bestimmungsfaktor, ob Individuen erkranken oder nicht (Raphael 2003, 2008)
Die Antwort der Biomedizin…
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Was sind die Ursachen der Ursachen?
Es ist kein Zufall, dass bestimmte Personen sich z.B. gesund ernähren und andere nicht! Die Ernährung wird u.a. beeinflusst durch …
• Kulturelle Vorlieben • Wissen über gesunde Ernährung • Finanzielle und zeitliche Ressourcen • Räumliche Möglichkeiten, um Essen zu kaufen
Der größte Teil der heute vorherrschenden Gesundheitsprobleme kann auf die sozialen Bedingungen zurückgeführt werden, in denen wir leben und arbeiten.
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Der Krankheitserreger Nr. 1…
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung
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Menschen sind soziale Wesen, die in sozial organisierten Gesellschaften leben.
http://globalsocietyblog.wordpress.com
Die Reduzierung von Gesundheit und Krankheit auf biologische, zellulare und genetische Ebenen führt zu einer Unterschätzung sozialer (und psychologischer) Faktoren.
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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Gesundheitliche Ungleichheit
„Ein niedriger sozioökonomischer Status ist vermutlich die stärkste einzelne Einflussgröße auf
vorzeitige Erkrankungen und Sterbefälle, nicht nur in den Vereinigten Staaten (und Europa),
sondern weltweit.“
(R.B. Williams 1998, JAMA)
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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„Das Haus Gottes ist dreigeteilt: die einen beten, die anderen
kämpfen, die dritten endlich arbeiten.“ (franz. Bischof um 1016)
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Ein Vorgeschmack auf soziale und gesundheitliche Ungleichheiten
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Ein Vorgeschmack auf soziale Ungleichheiten – hier in Halle
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Die sozialen Determinanten von Gesundheit
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Die Verteilung von Gesundheit und Krankheit innerhalb und zwischen Gesellschaften
Müssen Arme früher sterben?
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung „Beruflicher Status“ und Lebenserwartung um Christi Geburt
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Datenbasis: Grabsteine (2.688 in Rom, 3.726 außerhalb Roms) aus der Zeit um Christi Geburt Quelle: Acsadi 1970, in Mielck 2000:126
Durchschnittliche Lebensdauer (in Jahren)
Männer Frauen Insgesamt
Rom
Sklaven 17,2 17,9 17,5
Freigelassene 26,9 23,4 25,2
Händler, Handwerker 34,1 24,7 31,2
Gebildete 40,3 23,1 36,9
Ländliche Gebiete außerhalb Roms
Sklaven 26,3 24,5 25,5
Freigelassene 33,7 31,5 32,6
Händler, Handwerker 41,0 33,2 39,2
Ärzte, Künstler 43,0 36,4 41,9
Priester 58,8 58,2 58,6
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Passagier-anzahl
Anzahl der Ertrunkenen Ertrunkene
1. Klasse 325 131 40%
2. Klasse 262 150 57%
3. Klasse 712 526 74%
Todesfälle auf der SS Titanic nach Passagierklasse, 15. April 1912
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Die Sache mit der Titanic…
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Etwas neuzeitlicher
Geisteskrankheiten in Großbritannien 1909 nach Berufsgruppen, auf 10.000 Personen Metall-u. Eisenarbeiter 51,0 Techniker/ Ingenieure 49,8 Händler u. Hausierer 40,3 Arbeiter allgemein 38,8 Arbeiterfrauen 31,7 Weibliche Dienstboten 31,3 Bildende Künstler 25,4 Architekten 25,2 Schriftsteller/ Gelehrte 19,4 Mediziner 14,2 Juristen 16,7 Geistliche 10,7
Aus: Voss, G.: Der Einfluss der sozialen Lage auf Nerven- und Geisteskrankheiten, Selbstmord und Verbrechen. In: Mosse, M., Tugendreich, G. (Hrsg.) Krankheit und soziale Lage (1913: S.407)
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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Die einfache Antwort
1923 fasste Alfred Grotjahn folgende Punkte zu einer sozialwissenschaftlichen Betrachtungsweise von Gesundheit und Krankheit zusammen: • Die sozialen Verhältnisse schaffen oder begünstigen die Krankheitsanlage.
• Die sozialen Verhältnisse sind die Träger der Krankheitsbedingungen.
• Die sozialen Verhältnisse vermitteln die Krankheitsursachen.
• Die sozialen Verhältnisse beeinflussen den Krankheitsverlauf.
Rudolf Virchow, 1848: "Die Medicin ist eine sociale Wissenschaft, und die Politik ist nichts weiter als Medicin im Großen."
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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Ausgewählte Ergebnisse der Forschung
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Gesundheitliche Ungleichheit
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
• Erst ab Mitte der 1990er Jahre wurde das Thema „Gesundheitliche
Ungleichheit“ wieder stärker von der Forschung aufgegriffen.
• Der Impuls kam nicht aus der Medizin sondern aus den Soziologie.
• Nach wie vor nimmt die politische und mediale Öffentlichkeit jedoch nur wenig Notiz von diesem Thema.
• Aber: In Deutschland fand die Thematik z.B. Eingang in das Gutachten des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen ebenso wie in die Armut- und Reichtumsberichterstattung.
neue politische Dimension
Wiederaufnahme des Themas im deutschsprachigen Raum
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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100
200
300
400
500
27-34 35-42 43-50 51-58 59-64 > 64
Todesfälle pro 100.000 Personen in der gleichen Einkommensgruppe
Bruttoeinkommen 1985 (in 1.000 DM)
Quelle: Klosterhuis/Müller-Fahrnow 1994 (eigene Darstellung)
Einkommen und Mortalität bei männlichen Angestellten
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung
Quelle: Lampert & Kroll (2007)
Die Situation in Deutschland: Einkommen und Sterblichkeit
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung
Quelle: Lampert & Kroll (2007)
Lebenserwartung und Einkommen in Deutschland
10 (!) Jahre Unterschied zwischen den ärmsten und reichsten in Deutschland
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Einkommen und Gesundheit
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Statistisches Bundesamt & Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) (2011)
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Einkommen und Übergewicht
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Statistisches Bundesamt & Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) (2011)
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung
Quelle: Moor & Richter (2012)
Bildung und subjektive Gesundheit im Kindes- und Jugendalter
1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 0,78 1,69 1,58 1,38 1,56 1,27 1,39 1,89 1,25 1,61 1,74 1,56 2,16 2,05 2,03 1,83 2,98 2,27 0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
Jungen Mädchen Jungen Mädchen Jungen Mädchen
Selbsteinschätzung der Gesundheit (eher schlecht)
Psychosomatische Beschwerden (mehr als 2x/Woche)
Niedrige Lebenszufriedenheit (Cantrill < 6)
Odd
s Rat
io (O
R)
Gymnasium (Ref.) Gesamtschule Realschule Hauptschule
* *
**
*** ***
***
***
***
***
***
**
***
n.s.
n.s.
n.s. n.s.
n.s.
n.s.
Odds Ratios für Schulbildung und verschiedene Gesundheitsindikatoren nach Geschlecht, n=3527
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Übergewicht nach Sozialstatus (KiGGS)
17
22,5
16,2
27
12,7
17,4
12,6
16,1
7,8
12,8
7,2 10,1
0
5
10
15
20
25
30
3-10 J. 11-17 J. 3-10 J. 11-17 J.
Jungen Mädchen
niedriger Sozialstatus mittlerer Sozialstatus hoher Sozialstatus
Quelle: Lampert et al. (2011)
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Die Vergrößerung gesundheitlicher Ungleichheiten
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Sozioökonomische Unterschiede in der Gesundheit ... • werden beobachtet, seit es verfügbare Daten gibt, • konnten in allen industrialisierten Ländern,
• für unterschiedlichste Maße der Gesundheit und des sozioökonomischen
Status nachgewiesen werden,
• folgen einem sozialen Gradienten und weisen keinen „Schwellenwert” (Armutseffekt) auf,
• sind für Frauen schwächer ausgeprägt,
• haben sich in den letzten Jahrzehnten vergrößert (Mortalität).
Zusammenfassung
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Krieger (2005, 2012)
Die Verkörperung sozialer Ungleichheiten
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Die Ergebnisse der medizinischen Soziologie und Sozialepidemiologie unterstreichen
• wie wir (buchstäblich) die Welt, in der wir leben und arbeiten
verkörpern …
• und so Muster der Verteilung von Gesundheit, Krankheit und Sterblichkeit in Gesellschaften produzieren.
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
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3
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1
Richter & Hurrelmann (2009)
Erklärung Etiology
Beschreibung Monitoring
Reduzierung Action
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Herausforderungen in der Analyse gesundheitlicher Ungleichheiten
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Erklärungsansätze gesundheitlicher Ungleichheit Wie wird das „Soziale“ wortwörtlich „verkörpert“ ?
Auf der Suche nach Ursachen…
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Für die Erklärung gesundheitlicher Ungleichheit sind die vorliegenden Ergebnisse aus zwei Gründen bemerkenswert: • Stufenweises Gefälle in der Krankheits- und Sterblichkeitsrate
• Gleichbleibendes Muster der Verteilung
Was sagen uns die deskriptiven Ergebnisse?
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Forschungsfrage: Gründe für den beobachteten Zusammenhang?
Sozialer Status Gesundheit und Krankheit
Sozialer Status Gesundheit und Krankheit
Feststellung: Assoziation zwischen sozialem Status und Gesundheit:
Was sind die Determinanten und Mechanismen?
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Erklärungsansätze gesundheitlicher Ungleichheit
Wie kommt denn aber nun die Gesellschaft unter die Haut?
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
• Erklärung durch soziale Selektion „Survival of the fittest“: Gesundheitliche Ungleichheiten = Ergebnis einer sozialen Aufstiegsbewegung der Gesunden und als sozialer Abstiegsprozess der Kranken angesehen..
• Erklärung durch Verhalten (Lebensstile) Gesundheitsabträgliche Verhaltensweisen tragen durch ihre sozial ungleiche Verteilung zu gesundheitlichen Ungleichheiten bei.
• Erklärung durch strukturelle bzw. materielle Faktoren (Lebensbedingungen) Gesundheitliche Ungleichheit = Ergebnis einer ungleichen Verteilung verschiedener umweltbezogener und psychosozialer Belastungen und Ressourcen
Verursachung (Armut macht krank)
Selektion (Krankheit macht arm)
Erklärungsansätze gesundheitlicher Ungleichheit
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Was steckt dahinter?
Sozioökonomischer Status Gesundheit Blackbox
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Erklärungsmodell (nach Mackenbach 2006)
Sozioökonomischer Status
Materielle Faktoren
Psychosoziale Faktoren
Verhaltensbezogene Faktoren Gesundheit
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Anteil starker Raucher (20 oder mehr Zigaretten am Tag )
Körperliche Inaktivität (gar kein Sport)
Der Einfluss der Schulbildung auf den Tabakkonsum und körperliche Aktivität bei über 18-Jährigen
(Quelle: Lampert et al. 2005 – Datenbasis Telefonsicher Gesundheitssurvey 2003)
Ungleichheiten im Gesundheitsverhalten
25
33
42
29
38
48
20 21
3128
37
49
0
10
20
30
40
50
Abitur Mittlere Reife Volks-/ Hauptschule Abitur Mittlere Reife Volks-/ Hauptschule
Männer Frauen
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Quelle: Bolte, Kohlhuber 2006
0,0
5,0
10,0
15,0
20,0
sehr hoch hoch mittel niedrig
Sozialstatus
hohes Verkehrsaufkommen (≥ 50 Autos/ Minute)Regelmäßig Stau in der Wohnstrasse
Exponierte
Soziale Verteilung der Luftschadstoffbelastung in der Außenluft
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Verteilung von
Gesundheit und Wohlbefinden
Soziale Position
Bildung
Beruf
EInkommen
Geschlecht
Migration
Gesundheitssystem
Materielle Bedingungen
Soziale Kohäsion
Psychosoziale Faktoren
Verhalten
Biologische Faktoren
WHO Commission on the Social Determinants of Health (2008)
Die sozialen Determinanten der Gesundheit
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Einkommen und die Verteilung von Einkommen, wie wir leben und arbeiten existiert in keinem Vakuum…
Was sind die politischen und ökonomischen Determinanten der sozialen Determinanten der Gesundheit?
Die Qualität dieser sozialen Determinanten der Gesundheit werden durch politische, ökonomische und soziale Kräfte geformt, die sich je nach Land, Region und Stadtteil unterscheiden.
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Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Die sozialen Determinanten der Gesundheit… weitergedacht
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Strukturelle Determinanten wie politische und ökonomische Faktoren sind eng mit Gesundheit und gesundheitlichen Ungleichheiten assoziiert (Chung & Muntaner 2007, Eikemo et al. 2008, Navarro et al. 2003, Hurrelmann et al. 2010).
Ökonomische Faktoren • Einkommensungleichheit (Gini-Koeffizient) • Bruttonationaleinkommen (GNI) • Armutsrate
Politische und sozialpolitische Faktoren • Politische Traditionen • Wahlverhalten • Anzahl der Frauen in der Regierung • Öffentlichen Ausgaben für Gesundheit und soziale Sicherung
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Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Die politische Ökonomie von Gesundheit
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Wilkinson & Pickett (2009)
Index of: • Life expectancy • Math & Literacy • Infant mortality • Homicides • Imprisonment • Teenage births • Trust • Obesity • Mental illness
(incl. drug & alcohol addiction
• Social mobility
Index of health and social problems
Matthias Richter | Verkörperte Ungleichheiten
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Die Verteilung gesundheitlicher und sozialer Probleme
Prävalenzraten für multiple Beschwerden nach Wohlfahrtsregimen und Geschlecht bei 11- bis 15-Jährigen, kontrolliert für Alter (in %), N = 134.632
20,8 20,2
25,1
29 26,1
33,2 32
35,5
44,8
39,7
27,1 26,1
30,5
37,2
33,1
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
Soz.-Dem. Konservativ Liberal Südeur. Osteur.
Jungen Mädchen Gesamt
Quelle: Richter, Rathmann et al. (2012)
Wohlfahrtsregime und psychosomatische Beschwerden
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Matthias Richter | Verkörperte Ungleichheiten
Verteilung von
Gesundheit und Wohlbefinden
Soziale Position
Bildung
Beruf
EInkommen
Geschlecht
Migration
Gesundheitssystem
Materielle Bedingungen
Soziale Kohäsion
Psychosoziale Faktoren
Verhalten
Biologische Faktoren
WHO Commission on the Social Determinants of Health (2008) 46
Ökonomischer und politischer Kontext
Governance
Politik (Makroökonomie,
Sozial, Gesundheit)
Kulturelle und soziale Werte und
Normen
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Die sozialen, politischen und ökonomischen Determinanten der Gesundheit
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Zwischenfazit
Der Schlüssel für aktuelle und sich verändernde Bevölkerungsmuster von Gesundheit und Krankheit (inkl. gesundheitlichen Ungleichheiten) findet sich • nicht in den vorherrschenden Hypothesen, die sich mit dekontextualisiertem
und körperlosem „Risikoverhalten“ und Genen auseinandersetzen,
• sondern in den sozialen, materiellen und ökologischen Kontexten, in die wir hineingeborgen werden, in denen wir uns entwickeln und mit denen wir interagieren.
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Verkörperte Ungleichheiten
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Embodiment
Krankheit, Behinderung und Tod sind verkörperte Expressionen der Bedingungen, unter denen Organismen leben.
Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Wir leben unser Leben gleichzeitig als biologische Organismen und soziale Wesen • biologisch: Mensch als biologischer Organismus - das komplexe
Zusammenspiel von Exposition, Vulnerabilität und Widerstand (Evolution, Entwicklung, Homöostase, Allostase…)
• sozial: Die gesellschaftliche Verteilung der Krankheitslast zeigt den Möglichkeitsspielraum menschlichen Wohlbefindens und Gesundheit (Ungleichheiten, Macht, Gerechtigkeit, Menschenrechte…)
• Biologisch UND sozial, da soziale Einflüsse verkörpert werden, Das was wir in unserem Körper manifestieren, ist ein Ausdruck unserer Erfahrungen über den Lebenslauf und deren „Einverleibung“.
Soziale Ungleichheit - eine Zusammenfassung Embodiment als Konzept
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
• auf der Makroebene der sozialen Ungleichheit: eine umfassende Politik der Chancengleichheit
• auf den Zwischenebenen: - ein gezieltes Senken der höheren Belastungen - eine gezielte Stärkung der Bewältigungsressourcen - die gezielte Stärkung des Gesundheitsverhaltens
• für die gesundheitliche Versorgung:
eine Gestaltung, die Chancengleichheit fördert
Wo setzen wir an?
Ein Mehrebenen-Erklärungs-Modell als Interventions-Modell:
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
1. Verringerung sozialer Ungleichheiten
• Abbau sozialer Ungleichheiten, die erst zu einer sozial ungleichen Verteilung der Determinanten gesundheitlicher Ungleichheit führen: z.B. Beseitigung finanzieller, kultureller und sonstiger Barrieren, die einen gerechten Zugang zu Bildungsmöglichkeiten verhindern.
• Gesundheitlicher Ungleichheit kein ausschließlich gesundheitspolitisches Thema: Es berührt alle Politikbereiche (insbesondere die Sozial-, Bildungs- und Arbeitspolitik).
„Upstream“
Möglichkeiten und Inhalte der Reduzierung 1
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
• Kurz- und mittelfristige Maßnahmen auf der mesosozialen Ebene:
Verschiedene Einstiegspunkte: z.B. Gesundheitsverhalten, materielle Faktoren oder psychosoziale Stressoren.
• Leider existieren nur sehr wenige Studien zur relativen Bedeutung unterschiedlicher Determinanten gesundheitlicher Ungleichheit, die Ansatzpunkte für effektive und effiziente Maßnahmen bieten könnten.
2. Verringerung von Unterschieden in den Determinanten ges. Ungleichheit
„Downstream“
Möglichkeiten und Inhalte der Reduzierung 2
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Die Ursachen gesundheitlicher Ungleichheit sind vielschichtig!!! Keine Politik oder Politik-Domäne alleine kann zu einer nachhaltigen Reduzierung der gesundheitlichen Ungleichheiten beitragen. Es ist ein holistischer Ansatz notwendig, der zum einen - die einzelnen Dimensionen sozialer Ungleichheit (Einkommen, Bildung, und Berufsstatus) und - zum anderen die einzelnen Determinanten und Mechanismen berücksichtigt, über die soziale Ungleichheiten die Gesundheit beeinflussen.
Ein kurzes Fazit
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Why treat people… without changing what makes them sick?
Die Rolle der Medizin…
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
1. Don't be poor. If you can, stop. If you can't, try not to be poor for long. 2. Don't have poor parents. 3. Own a car. 4. Don't work in a stressful, low paid manual job. 5. Don't live in damp, low quality housing. 6. Be able to afford to go on a holiday and sunbathe. 7. Practice not losing your job and don't become unemployed. 8. Take up all benefits you are entitled to, if you are unemployed, retired
or sick or disabled. 9. Don't live next to a busy major road or near a polluting factory. 10. Learn how to fill in the complex housing benefit/shelter application
forms before you become homeless and destitute.
Alternative Ten Tips for Staying Healthy
Gordon, D. (1999). An Alternative Ten Tips for Staying Healthy. Personal Communication, October 10, 1999.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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Matthias Richter | Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit