50
61 1.2.1 WAHRNEHMUNG UND BEOBACHTUNG Die Wahrnehmung von Reizen über die Sinne ist ein komplexer und prozesshaft ablaufender Vorgang, der sowohl bewusst als auch unbewusst geschieht. Hierbei werden sowohl angenehme als auch unan- genehme Reize wahrgenommen und verarbeitet. Sie erzeugen vielfältige Reaktionen im emotionalen Bereich und auf der Handlungsebene und sind eng verbunden mit dem eigenen Empfinden und Erle- ben. Ohne die Wahrnehmung von Reizen ist weder Wachstum und Entwicklung noch Leben möglich. Sie unterliegt jedoch einer Reihe von beeinflussen- den Faktoren, die zu Wahrnehmungsverzerrungen führen können. Eine besondere Problematik ergibt sich hieraus für die Wahrnehmung anderer Personen, die sog. soziale Wahrnehmung, bei der verzerrte Wahrneh- mungen zu vorschnellen und falschen Urteilen über andere Menschen führen können. Wahrnehmungsprozess Die klassische Definition von Wahrnehmung ist die Aufnahme von Reizen aus der Umwelt mithilfe der Sinnesorgane. Prof. Dr. A. D. Fröhlich definiert Wahrnehmung als sinngebende Verarbeitung von inneren und äußeren Reizen unter Zuhilfenahme von Erfahrung und Lernen. Dadurch entsteht für den Menschen Bedeutung. Diese Bedeutung un- terliegt individuellen Einflüssen und schließt dabei soziale, emotionale und andere Faktoren ein. Die Wahrnehmungsreize der Sinnesorgane sind zunächst unspezifisch und werden unsortiert zum Gehirn (Thalamus) geleitet. Der Thalamus filtert die aktuell benötigten Informationen heraus und sperrt den Rest aus der bewussten Verarbeitung aus. Die- M Zur Ausübung der Pflege ist der bewusste Um- gang mit der eigenen Wahrneh- mung und der Wahrnehmung anderer Menschen unerlässlich. D Wahrnehmung ist die Aufnahme von Reizen aus der Umwelt mithilfe der Sin- nesorgane. se Filterung ist notwendig und bewahrt vor einer Reizüberflutung. Die so gefilterten Informationen werden zu den spezifischen Gehirnzentren weitergeleitet, dort verarbeitet und z.T. mit anderen Hirnzentren ver- knüpft sowie nachfolgender Reaktion. Diese Verarbeitung des über die Sinnesorgane gewonnenen Informationsmaterials wird als Wahr- nehmungsprozess bezeichnet (Abb. 1.36). Prinzipiell lässt sich die Wahrnehmung äußerer Reize von der Wahrnehmung innerer Reize abgren- zen. Während die äußeren Reize direkt über die Sinnesrezeptoren in den Körper einströmen, gehen innere Reize von den Rezeptoren innerer Organe wie Darm oder Magen aus. Physiologische Grundlagen der Wahrnehmung Der ungestörte Ablauf des Wahrnehmungsprozes- ses ist an intakte und funktionierende Sinnesorga- ne und -zellen, beteiligte Nerven und Gehirnzent- ren gebunden. Die Wahrnehmungen sind komplex und die Empfindungen sehr vielseitig. Sie können sowohl körperlicher oder psychischer Art sein als auch eine Kombination aus beidem darstellen. In der traditionellen Vorstellung wird mit 5 Sin- nesorganen wahrgenommen: Auge, Ohr, Nase, Zunge, Haut. Heute ist bekannt, dass Rezeptoren in Muskeln, Gelenken und inneren Organen ebenfalls Reize aufnehmen und weiterleiten (Tab. 1.1). Die einzelnen Sinneserregungen werden in den spezifischen Hirnarealen verarbeitet und mit an- deren Hirnzentren derart verknüpft, dass die vie- len Einzelwahrnehmungen wie zu einem Mosaik Was ist Wahrnehmung? $ Ohr Gleichgewichtssinn Nase Zunge Lagesinn Muskeln Aufnahme eines Reizes Auge Bewegung Erregungsweiterleitung über Nerven Gehirn/ Zentren Verbindungen und Weiterleitungen andere Hirn- zentren Reaktion (z.B. Flucht) Abb. 1.36 Wahrnehmungsprozess Andreae, Altenpflege in Lernfeldern (ISBN 978-3-13-240270-6), © 2018 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

Was ist Wahrnehmung? - Thieme · der Sinnesorgane. Prof. Dr. A. D. Fröhlich definiert Wahrnehmung als sinngebende Verarbeitung von inneren und äußeren Reizen unter Zuhilfenahme

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1.2.1 WAHRNEHMUNG UND BEoBACHTUNG

DieWahrnehmungvonReizenüberdieSinneistein

komplexer und prozesshaft ablaufender Vorgang,

dersowohlbewusstalsauchunbewusstgeschieht.

Hierbeiwerdensowohlangenehmealsauchunan-

genehme Reize wahrgenommen und verarbeitet.

SieerzeugenvielfältigeReaktionenimemotionalen

BereichundaufderHandlungsebeneundsindeng

verbundenmitdemeigenenEmpfindenundErle-

ben.OhnedieWahrnehmungvonReizenistweder

Wachstum und Entwicklung noch Leben möglich.

SieunterliegtjedocheinerReihevonbeeinflussen-

denFaktoren,diezuWahrnehmungsverzerrungen

führenkönnen.

Eine besondere Problematik ergibt sich hieraus

für die Wahrnehmung anderer Personen, die sog.

sozialeWahrnehmung,beiderverzerrteWahrneh-

mungenzuvorschnellenundfalschenUrteilenüber

andereMenschenführenkönnen.

WahrnehmungsprozessDie klassische Definition von Wahrnehmung ist

dieAufnahmevonReizenausderUmweltmithilfe

derSinnesorgane.Prof.Dr.A.D.Fröhlichdefiniert

Wahrnehmung als sinngebende Verarbeitung von

inneren und äußeren Reizen unter Zuhilfenahme

von Erfahrung und Lernen. Dadurch entsteht für

den Menschen Bedeutung. Diese Bedeutung un-

terliegtindividuellenEinflüssenundschließtdabei

soziale,emotionaleundandereFaktorenein.

Die Wahrnehmungsreize der Sinnesorgane sind

zunächstunspezifischundwerdenunsortiertzum

Gehirn(Thalamus)geleitet.DerThalamusfiltertdie

aktuellbenötigtenInformationenherausundsperrt

denRestausderbewusstenVerarbeitungaus.Die-

M Zur Ausübung der Pflege

ist der bewusste Um-

gang mit der eigenen Wahrneh-

mung und der Wahrnehmung

anderer Menschen unerlässlich.

D �Wahrnehmung ist die

Aufnahme von Reizen

aus der Umwelt mithilfe der Sin-

nesorgane.

se Filterung ist notwendig und bewahrt vor einer

Reizüberflutung.

Diesogefilterten Informationenwerdenzuden

spezifischen Gehirnzentren weitergeleitet, dort

verarbeitet und z.T. mit anderen Hirnzentren ver-

knüpftsowienachfolgenderReaktion.

Diese Verarbeitung des über die Sinnesorgane

gewonnenenInformationsmaterialswirdalsWahr-

nehmungsprozessbezeichnet(Abb.1.36).

Prinzipiell lässt sich die Wahrnehmung äußerer

ReizevonderWahrnehmunginnererReizeabgren-

zen. Während die äußeren Reize direkt über die

SinnesrezeptorenindenKörpereinströmen,gehen

innere Reize von den Rezeptoren innerer Organe

wieDarmoderMagenaus.

Physiologische Grundlagen der WahrnehmungDer ungestörte Ablauf des Wahrnehmungsprozes-

sesistanintakteundfunktionierendeSinnesorga-

neund-zellen,beteiligteNervenundGehirnzent-

rengebunden.DieWahrnehmungensindkomplex

und die Empfindungen sehr vielseitig. Sie können

sowohl körperlicher oder psychischer Art sein als

aucheineKombinationausbeidemdarstellen.

IndertraditionellenVorstellungwirdmit5Sin-

nesorganen wahrgenommen: Auge, Ohr, Nase,

Zunge,Haut.Heuteistbekannt,dassRezeptorenin

Muskeln,GelenkenundinnerenOrganenebenfalls

Reizeaufnehmenundweiterleiten(Tab. 1.1).

Die einzelnen Sinneserregungen werden in den

spezifischen Hirnarealen verarbeitet und mit an-

deren Hirnzentren derart verknüpft, dass die vie-

len Einzelwahrnehmungen wie zu einem Mosaik

Was ist Wahrnehmung? $

Ohr

Gleichgewichtssinn

NaseZunge

LagesinnMuskeln

Aufnahmeeines Reizes

Auge

Bewegung

Erregungsweiterleitung über Nerven

Gehirn/Zentren

Verbindungen undWeiterleitungenandere

Hirn-zentren

Reaktion(z.B.Flucht)

Abb. 1.36 Wahrnehmungsprozess

Andreae, Altenpflege in Lernfeldern (ISBN 978-3-13-240270-6), © 2018 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1zusammengesetzt werden und eine Gesamtemp-

findungerlebbarwird.Mansprichtdaherauchvon

einemWahrnehmungssystem.

Die einzelnen Sinne werden unterschieden in

NahsinneundFernsinne.

Visuelle und auditive Wahrnehmung

– 90%allerInformationenerreichenüberAugeund

OhrdasGehirnunddierestlichenüberdieande-

renWahrnehmungskanäle.

– Zur Patientenüberwachung ist neben dem Seh-

sinn auch die Nutzung von Hör-, Geruchs- und

Tastsinnnotwendig.

– FürdievisuelleWahrnehmunggenügenSchlüs-

selkonturen,derRestwirdvomGehirnausErfah-

rungundFantasiehinzugefügt.

D �Die Nahsinne�vermitteln

dem Körper Informatio-

nen aus dem eigenen Körper, der

Eigenwahrnehmung. Sie werden

auch als propriozeptive Rezep-

toren bezeichnet.

D �Unter viszeraler�Wahr-

nehmung�wird die

Wahrnehmung der inneren Or-

gane bezeichnet, die entspre-

chenden Rezeptoren als Viszero-

zeptoren.

M Augen und Ohren sind

die wichtigsten Schnitt-

stellen zwischen Außen- und In-

nenwelt. Für Pflegende hat diese

Erkenntnis eine zentrale Bedeu-

tung in der Wahrnehmung und

Beobachtung des Menschen.

B Auf Intensivstationen

werden diese Wahrneh-

mungen durch Elektroden ersetzt

und die Ergebnisse auf Monito-

ren sichtbar gemacht. Diese

Form der Patientenüberwa-

chung, auch Monitoring ge-

nannt, hat seine Stellung in der

modernen Medizin etablieren

können, ist aber für die Gesamt-

einschätzung der Patientensitua-

tion nicht ausreichend. Stattdes-

sen ist die Nutzung mehrerer

Wahrnehmungskanäle notwen-

dig, z. B. zusätzlich der Hör-, Ge-

ruchs- und Tastsinn. Es genügt

nicht, die Fieberhöhe lediglich

anhand des Fieberthermometers

zu ermitteln. Vielmehr muss auch

die rote Hautfarbe gesehen, die

heiße, evtl. schweißige Haut ge-

fühlt, eine beschleunigte Atmung

gehört und eine gesteigerte Puls-

frequenz getastet werden.

M Für die Pflegekraft ist

die Kenntnis von Anato-

mie und Physiologie der Sinnes-

organe wichtig, um Wahrneh-

mungsverluste bei Menschen ge-

zielt einschätzen zu können.

– AkustischeReizewerdenwiealleanderenReize

filtriert.ImGegensatzzumräumlichenSehenist

dieakustischeRaumwahrnehmungjedochzuje-

demZeitpunktausallenRichtungenmöglich.

Olfaktorische, gustatorische und haptisch-taktile Wahrnehmung

– Durch Geruchsstoffe erregte Reize werden über

den Riechnerv zum Hypothalamus und zu Ner-

venkernen des limbischen Systems geleitet. Da-

durcherklärtsichdieemotionaleBedeutungdes

Geruchs.

– Gerüche besitzen einen hohen Wiedererken-

nungswert, der Geruchssinn unterliegt einem

starkenGewöhnungseffekt.

Tab. 1.1 Wahrnehmungsmöglichkeiten

Wahrnehmungs-

möglichkeit

Organ und Rezeptor Funktion und Wirkung

1. Sehsinn: visuelles System

Auge: Fotorezeptoren – Raumorientierung und Sicherheit – Mitwirkung am Bewegungssinn – positive und negative visuelle Erlebnisse

2. Hörsinn: auditives System

Ohr: akustische Sensoren in Form von Haarzellen

– Raum- und Richtungsorientierung – Gefahrerkennung – positive und negative Hörerlebnisse

3. Gleichgewichtssinn: vestibuläres System

Gleichgewichtsorgan: vesti-buläre Sensoren in Form von Haarzellen

– Raum- und Richtungsorientierung – Mitwirkung an der Bewegungswahrnehmung

4. Geruchssinn: olfakto-risches System

Riechschleimhaut der Nase: olfaktorische Sensoren in Form von Zilien (fadenför-mige Ausläufer)

– Kontrolle der Einatemluft – Schutz und Orientierung – positive und negative Geruchsempfindungen

5. Geschmackssinn: gustatorisches System

Zunge: Chemorezeptoren der Geschmacksknospen auf der Zunge

– Kontrolle der Nahrung – Schutz und Orientierung – positive und negative Geschmacksempfindun-

gen

6. Berührungssinn: haptisch-taktiles System

Haut:a. Mechanorezeptorenb. Nozizeptorenc. Thermorezeptoren

a. Druck und Vibrationen: Orientierung u. Körper-eigenwahrnehmung

b. Schmerzregistrierung: Schutz, Vorbereitung zur Flucht

c. Temperaturwahrnehmung Wärme und Kälte: Schutz, Orientierung, positive und negative Empfindungen

7. Muskel- und Gelenk-sinn: kinästhetisches System

Muskeln, Sehnen und Ge-lenke:a. Propriozeptorenb. Nozizeptoren

a. Körpereigenwahrnehmung, Beteiligung am Gleichgewichtssinn und Bewegungssinn, To-nusregulation

b. Schmerzwahrnehmung: Schutz, Flucht

8. Bewegungssinn: kinästhetisches System

Gleichgewichtsorgan, Mus-keln, Sehnen, Gelenke und Augen sowie deren Rezep-toren (s. o.)

– Wahrnehmung von Beschleunigung – Orientierung und Abschätzungsmöglichkeiten

bei Bewegung – Tonusausgleich – positive und negative Empfindungen durch

Beschleunigung

9. Innerer Organsinn: viszerales System

Organe des Brust- und Bauch-raumes: Viszerozeptoren, Nozizeptoren

– Vegetative Regulation der Organfunktionen

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1.2.1 WAHRNEHMUNG UND BEoBACHTUNG

– BeiderGeschmackswahrnehmunggibtesunter-

schiedlicheWahrnehmungsqualitätenundWahr-

nehmungsschwellen.

– Die Haut ist besonders empfindlich für mecha-

nische Reize. Nach unterschiedlichen Rezepto-

rentypen wird haptisch-taktile Wahrnehmung,

Temperatur- und Schmerzwahrnehmung unter-

schieden.

– Die Wahrnehmung durch Mechanorezeptoren

mussdurchimGedächtnisgespeicherteInforma-

tionenvervollständigtwerden.

Temperaturwahrnehmung, Schmerz-wahrnehmung und Bewegungssinn

– Temperaturempfindungenkönnensehrwechsel-

haftseinundschnelladaptieren.

– Schmerzrezeptoren sind lebensnotwendig, um

den Körper vor schädigenden Einflüssen zu

schützen.

– Die Mechanorezeptoren der Tiefensensibilität,

Schmerz- und Thermorezeptoren in Muskeln,

Sehnen und Gelenken ermöglichen die Eigen-

wahrnehmungdesKörpers.

– EinGroßteilderMotorikdientderHaltung,nicht

derBewegungdesKörpers.

– DieWahrnehmungeigenerBewegungsabläufeist

bei der Mobilisation bewegungsgestörter Men-

schenwichtig.

– Die„KinästhetikinderPflege“ermöglichtkräfte-

schonendesundrückenschonendesArbeiten.

Wahrnehmung über innere Organe (viszerale Sensibilität)

– Ähnlich wie die Haut, Skelettmuskeln, Sehnen

undGelenkeenthaltenauchdieinnerenOrgane

im Brust- und Bauchraum Rezeptoren, die Vis-

zerozeptoren.

– DieviszeraleSensibilitätdientinersterLinieder

Homöostase,d.h.demGleichgewichtderphysio-

logischenKörperfunktionen.

– DieüberdieViszerozeptorenkommendenInfor-

mationen werden hauptsächlich über das vege-

tative Nervensystem geleitet und dazu genutzt,

Abweichungen von Sollwerten des Körpers zu

erkennenundGegenmaßnahmeneinzuleiten.

– DieVorgängederviszeralenSensibilitätwerden

meistgarnichtodernurzueinemgeringenTeil

bewusstwahrgenommen.

Psychologische Grundlagen der WahrnehmungDerWahrnehmungsprozessbeginntmitdemphy-

siologischen Vorgang der Reizübermittlung. Aus

denReizinformationenentstehensubjektiveWahr-

nehmungserlebnisse. Da der Organismus nicht in

derLageist,alleangebotenenReizeverarbeitenzu

können, greifen auch psychologische Einflüsse in

denWahrnehmungsprozessein.

M Das Zusammenspiel aus

vestibulärem, visuellem

und auditivem Sinn ermöglicht

eine relativ genaue Orientierung

innerhalb eines Raumes.

Selektion. Auf der Ebene der Sinnesangebote be-

steht ein ständiges Überangebot an sensorischen

Informationen.DiebeteiligtenOrganesindnichtin

derLagedieseReizflutzubewältigenundzuverar-

beiten.DieFolgeist,dassnichtallesbewusstwahr-

genommenwerdenkann.

Esistnotwendig,dasseinigeInformationenaus-

geblendet werden zugunsten anderer bewusster

Wahrnehmungsinhalte.BeidiesemVorgangderRe-

duktionundAuswahlderInformationensetzenwir

gezieltunsereAufmerksamkeiteinundorientieren

uns an entsprechenden Notwendigkeiten oder In-

teressen. Das Gehirn kann über das Großhirn zu

einemTeilmitbestimmen,wievielReizeeszulässt.

Ergänzung. Der Wahrnehmende fügt seiner tat-

sächlichenWahrnehmungneueInformationenhin-

zu.Diesgeschieht,weilihmdietatsächlicheWahr-

nehmungzuwenig Informationen liefert,unddas

Wahrgenommenealsunvollständigesoderlücken-

haftes Element erlebt wird. Diese Lücken werden

durchzusätzlicheInformationennachdemPrinzip

desVertrautseinsergänzt.DieInformationenstam-

menausvertrautenBildernundVorstellungen.

B Wenn zur Einschätzung einer Person die Merk-

male „Übergewicht“ und „langsam“ nicht aus-

reichen, sie aber eingeschätzt werden soll, werden u. a.

die Eigenschaften „gemütlich“ und „geduldig“ ergänzt,

um den Menschen ganzheitlicher erleben zu können.

Organisation und Strukturierung.Dieeinzelnauf-

genommenen Informationen werden organisiert

und strukturiert, damit sie als zusammengehörig

wahrgenommen werden können. Der Wahrneh-

mendestrebteineinheitlichesBildan.

B Der Reiz „rot“ kennzeichnet noch kein Blut. Erst

das Verarbeiten der einzelnen Reize Farbe, Kon-

sistenz, Menge, Hintergrund, Lokalisation usw. sowie

Synthese der Einzelinformationen ermöglicht die Wahr-

nehmung einer Blutung.

Interpretation. Die strukturierten Informationen

werden an verschiedene Instanzen weitergeleitet

underkannt.DasErkenneneinesGegenstandeser-

fordert nicht nur das Sehen oder Fühlen, sondern

auch eine Vielzahl von Verknüpfungen im Gehirn,

damitdieBedeutungklarwird.

B Das Sehen einer pulsierenden Blutung am Un-

fallort allein bedeutet noch keine Gefahrener-

kennung, sondern erst die Verknüpfung mit dem Be-

wusstsein und das Wissen der Folgen, die eine pulsie-

rende (arterielle) Blutung nach sich ziehen kann.

M Psychologische Einflüsse

auf die Wahrnehmung:

– Selektion,

– Ergänzung,

– Organisation und Strukturie-

rung,

– Interpretation.

D �Selektion bedeutet,

dass bestimmte Reize

gezielt ausgeblendet werden,

um andere Wahrnehmungsin-

halte bewusst wahrnehmen zu

können.

B Pflegekräfte, die auf ei-

ner dermatologischen

Station arbeiten, werden ver-

stärkt Hautveränderungen bei

Menschen wahrnehmen. Sind sie

hingegen in der Psychiatrie ein-

gesetzt, ist die Wahrnehmung

besonders hinsichtlich Haltung,

Gang, Mimik, Sprache und Ver-

halten sensibilisiert.

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1Beeinflussung der WahrnehmungDieWahrnehmungkannsowohlphysischalsauch

psychologischmehroderwenigerstarkbeeinflusst

werden.AufdereinenSeitesetztdermenschliche

KörperdenSinnesorganenGrenzen, innerhalbde-

rerReizeaufgenommenundweitergeleitetwerden

können.AufderanderenSeitegelingtesdemGe-

hirn bei der Reizverarbeitung nicht, ein ganz ge-

naues Abbild entsprechend den aufgenommenen

Reizen zu reproduzieren. Es entstehen lediglich

ähnliche Abbilder, die zudem mehr oder weniger

stark von der wahrnehmenden Person samt ihrer

Befindlichkeitbeeinflusstwerden.

Physische EinflussfaktorenPhysiologisch-physische EinflussfaktorenZudenallgemeinenphysiologischenEinflussfakto-

renaufdieWahrnehmunggehörenFolgende.

Gewöhnungseffekt. Mit Ausnahme des Schmer-

zes kann eine Adaption bei allen Sinnesorganen

beobachtet werden, wobei das Ausmaß und der

Zeitfaktorunterschiedlichausfallen.MancheSinne

adaptierenrasch,z.B.dieTastempfindungderHaut,

manchelangsamer,z.B.dasOhr.

Entfaltung der Sinne. Genauso wie sich Sinne an

bestimmteReize„gewöhnen“können,isteineEnt-

faltung bestimmter Sinne möglich. Die Hirnzellen

brauchen offensichtlich eine Aufgabe. Fällt ein

Wahrnehmungsbereich imGehirnaus,bildensich

unterdenNervenzellen,jenachAnforderung,neue

VerknüpfungenmiteinemneuenInformationsfluss.

Untersuchungenhabenergeben,dassz.B.Hirnzel-

len im Sehzentrum bei Blindheit keineswegs ver-

kümmern,sondernHöreindrückeverarbeiten.

Wahrnehmungsschwelle. Die Wahrnehmungs-

schwellewirdbeeinflusstdurchdasVerhältnisvon

ReizstärkezumAusgangsreiz. IstderAusgangsreiz

niedrig, wird der hinzukommende Reiz stärker

wahrgenommen,undumgekehrt.

Verschmelzung. Viele Reize hintereinander wer-

den nicht einzeln wahrgenommen, sondern ver-

schmelzenzueinerGanzheit.AufdieseArtkönnen

Verfälschungenentstehen,daeinzelneReizeüber-

decktwerdenodereineneue„Ganzheit“entsteht.

Assimilation. Assimilation bedeutet Angleichung

bzw.Anpassung.Assimilationfindetebensoinpsy-

chologischen Bereichen bzw. in der Lerntheorie

statt.HierwerdenneueSituationenmitbekannten

verglichenundangeglichen.

Kontrastierung.DieKontrastierungistdasGegen-

teilderAssimilation.

M Den physischen Einfluss-

faktoren der Wahrneh-

mung liegen physiologische oder

pathologische Ursachen zugrun-

de.

D �Der Gewöhnungseffekt

wird auch als Adaption

bezeichnet und ist von den Ei-

genschaften der Sensoren eines

Sinnesorgans abhängig.

Spezielle pathologisch-physische Einflussfaktoren

Viele körperliche Erkrankungen greifen beeinflus-

send in den Wahrnehmungsprozess ein. Neben

speziellen Erkrankungen des Nervensystems sind

esvorallemBegleitsymptomeallgemeinerErkran-

kungen,diedieSensibilitätverändern,z.B. fieber-

hafteInfekte,BrechdurchfällemitExsikkose,Stoff-

wechselentgleisungenusw.

Eine Besonderheit der Wahrnehmungsverände-

rungenstellendieSynästhesiendar.Betroffenehö-

renoderriechenFarben,anderewiederfühlenGe-

räusche. Ähnliche Wahrnehmungsveränderungen

könnendurchEinnahmevonDrogenentstehen.

Die Einschränkung eines Wahrnehmungskanals

zieht häufig komplexe Veränderungen anderer

Wahrnehmungennachsich.

Psychische EinflussfaktorenWahrnehmung ist ein bewusster Prozess und von

Empfindungen begleitet. Sie ist individuell und

abhängig von Erfahrungen und Erlebnissen in der

Vergangenheit. Eine Pflegekraft kann z.B. ausge-

ruht und ausgeglichen oder müde und überreizt

sein, und entsprechend unterschiedlich wird sie

MenschenoderSituationenwahrnehmen.Auchim

psychischenBereichfindenunterschiedlicheFilter-

vorgängebzw.Wahrnehmungsverstärkerstatt.

Aktuelle Bedürfnisse. Je nach Intensität der eige-

nenaktuellenBedürfnislagewirddieAufmerksam-

keit auf das entsprechende Bedürfnis gelenkt. Je

stärker das Bedürfnis wächst, desto mehr rücken

andere Wahrnehmungen in den Hintergrund oder

werdengarnichtmehrwahrgenommen.

Aktueller emotionaler Zustand. Stimmungen wie

Wut, Depression, Freude und Sorgen haben einen

ganzerheblichenEinflussaufdieWahrnehmung.

Motivation. Die Aufmerksamkeit wird auf be-

stimmteReize,diezumErfolgführen,gelenktund

stärkerwahrgenommen.MotivationsgeleiteteAuf-

merksamkeit kann zu einer Wahrnehmungsver-

zerrungführen,weilvieleReizenebendemErfolg

nichtwahrgenommenbzw.herausgefiltertwerden.

Interesse. Interessen und Vorlieben greifen in die

Wahrnehmunglenkendein.

Biografie und Lebenserfahrung. Die Wahrneh-

mungwirdbeeinflusstdurcherlebteEreignisseund

bewusstineinebestimmteRichtunggelenkt.

Persönliche Charaktereigenschaften. Jenachdem,

welcheEigenschaftsicheinMenschwünschtoder

welcheerbesitzt,wirderdieseverstärktbeiande-

M Physiologisch-physische

Einflussfaktoren sind:

– Gewöhnungseffekt

– Entfaltung der Sinne

– Wahrnehmungsschwelle

– Verschmelzung

– Assimilation

– Kontrastierung

M Psychische Einflussfak-

toren:

– aktuelle Bedürfnisse,

– aktueller emotionaler Zu-

stand,

– Motivation,

– Interesse,

– Biografie und Lebenserfah-

rung,

– persönliche Charaktereigen-

schaften,

– Einstellungen und Wertvor-

stellungen,

– Reizentzug (Reizdeprivation),

– Reizüberflutung,

– Habituation.

D �Motivation ist die Sum-

me der Beweggründe,

die das menschliche Handeln

hinsichtlich Inhalt, Intensität

und Richtung zum Erfolg beein-

flusst und kontrolliert.

Andreae, Altenpflege in Lernfeldern (ISBN 978-3-13-240270-6), © 2018 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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1.2.1 WAHRNEHMUNG UND BEoBACHTUNG

Soziale Wahrnehmung

DiesozialeWahrnehmungwirdwesentlichgeprägt

durch die Persönlichkeitsentwicklung, individu-

elle Eigenschaften und kulturelle Besonderheiten.

Auch die oben genannten psychologischen Fakto-

renbeeinflussendieWahrnehmungunseressozia-

lenUmfeldes.WirmachenunseinBildvoneinem

Menschen,welchesdieweitereUmgangsweiseund

Beziehungbeeinflusst.

In den Wahrnehmungsprozess fließen Bewer-

tungenein;entsprechendsindunsPersonensym-

pathisch oder unsympathisch. Auf der anderen

Seite können wir uns Bewertungen anderer nicht

entziehen.

Das Problem des ersten Eindrucks

I.d.R. reichen wenige Informationen aus, um sich

einBildübereinenfremdenMenschenzumachen.

EssindmeisteinzelneEigenschaften,diehäufigun-

bewusst wahrgenommen werden, z.B. die äußere

Erscheinung,Körperbau,Mimikusw.Immerwieder

nehmenwirEindrückevonPersonenaufundver-

gleichen sie mit Personen, die wir schon kennen,

oder mit uns selbst. Die Erfahrungen, die wir mit

den bereits bekannten Personen gemacht haben,

fließen in den ersten Eindruck ein. Entsprechend

dem eigenen Wertemaßstab werden Menschen

bereits imRahmendeserstenEindrucksalsunge-

pflegt,intelligentusw.bewertet.

DerersteEindruckbestimmt,obwohlerzufällig

undmitvielenVerfälschungenzustandegekommen

ist,dieweitereVerhaltensweiseundWahrnehmung

undlenktdenBeziehungsaufbauineineRichtung.

DasProblemdeserstenEindrucksistdiezunächst

fehlendeBereitschaftzurKorrektur.Menschennei-

gendazu,aneinmalgebildetenBeurteilungenund

Bewertungenfestzuhalten.

Neben dem Anfangseffekt des ersten Eindrucks

spieltauchderEndeffekteinebesondersprägende

Rolle. Genauso wie die ersten Informationen be-

sondersgutimGedächtnishaften,istauchdasEr-

innerungsvermögen für die letzten Informationen

besondersgutausgebildet.

Wahrnehmungsverzerrungen

WährenddesWahrnehmungsvorgangesgehenuns

bereits viele Informationen durch physiologische

und psychische Mechanismen verloren bzw. wer-

denergänzt.DierestlichenInformationen,diedann

nochpsychologischenEinflussfaktorenunterliegen,

können die Wahrnehmung erheblich verändern.

AuchbeinochsointensiverAnstrengungistesnicht

möglich,einwahresAbbildderWirklichkeiteines

anderenMenschenzuerhalten.EsentstehenWahr-

nehmungsfehler,derenAuswirkungendiegesamte

Interaktiondynamischbeeinflussen, imSinnevon

WirkungundWechselwirkung.

D �Soziale�Wahrnehmung

bedeutet die Wahrneh-

mung von Personen aus der Um-

gebung in Abhängigkeit von der

Selbstwahrnehmung, von sozi-

alen Vergleichsprozessen und

Faktoren aus der Umgebung.

ren wahrnehmen. Ein extrovertierter Mensch, der

sichlieberruhigererlebenmöchte,wirdbevorzugt

ruhige Menschen wahrnehmen. Demgegenüber

achtetein introvertierterMensch,dergernemehr

aussichherausgehenmöchte,eheraufMenschen,

dietemperamentvollersind.

Einstellungen und Wertvorstellungen.Werteund

Normen sind für unsere Sozialisation wichtig, um

unsinderGesellschaft,inderwirleben,zurechtzu-

findenundorientierenzukönnen.Siesindjenach

Kulturunterschiedlich.

Reizentzug (Reizdeprivation). Eine reizarme Um-

gebunglässtimLaufderZeitTrugwahrnehmungen

und Halluzinationen entstehen. Die Menschen se-

henBilderoderSituationen,dienichtrealvorhan-

densind.AuchUmdeutungenvonvorhandenenGe-

genständensindmöglich.DieseReaktionenstellen

eineArtSelbstreizungdesGehirnsdar.

ZuähnlichenReaktionenkannesauchinSituati-

onenextremerMonotoniekommen.Pflegebedürf-

tige,bettlägerigeMenschensindgezwungen,über-

wiegendandieweißeDeckeoderandieWandzu

starren.DasAugeerlebtzuwenigStimulation.Das

GehirnproduzierteigeneImpulse,z.B.Bildungvon

schwarzen,sichbewegendenPünktchen.Patienten

könnendieseauchmitInsektenverwechseln.Dies

istzubeachten,bevorMenschenalsverwirrtoder

psychotischbehandeltwerden.

Reizüberflutung. Offensichtlich funktionieren die

FiltermechanismenankommenderReizenichtoder

nichtausreichend.DieFolgeeinerReizüberflutung

reicht von Nervosität, Aggressivität über gestörte

Orientierungbishinzumsozialenundpsychischen

Rückzug.

Habituation. Informationen über die körperliche

BeschaffenheiterhältdasGehirndurchBewegung.

Verminderte Bewegung oder Bewegungslosigkeit,

z.B. durch Immobilität verursacht, reduziert den

Informationsfluss mit Auswirkung auf die kör-

perliche Wahrnehmung. Gleichermaßen nimmt

die Aufmerksamkeit für andere, z.B. visuelle oder

akustische Reize, ab. Bei bewegungseingeschränk-

ten,bettlägerigenMenschenführenlangeLiegezei-

tendemzufolgezuStörungendesKörperbildesund

veränderter Koordinationsfähigkeit. Auch räumli-

cheundzeitlicheDesorientiertheit,beeinträchtigte

intellektuelle Fähigkeiten und Kommunikations-

störungenkönnenu.a.FolgenderHabituationsein.

In einigen Fällen werden Geräusche und Stim-

menfehlinterpretiertundauchdieeigeneIdentität

verwechselt. Diese Zustände der Verwirrtheit, un-

terdemAspektderHabituationbetrachtet,können

durch Anwendung der Basalen Stimulation, Lage-

rungundBewegunggemindert,beseitigtoderver-

miedenwerden.

Normen s. a. S. 56.

D �Reizentzug�bedeutet,

dass der Mensch nur

sehr wenig bis gar keine Reize

von außen empfängt.

D �Reizüberflutung ist das

Gegenteil vom Reizent-

zug.

D �Mit Habituation�wird

eine fortschreitende Ab-

nahme motorischer und senso-

rischer Reaktionen sowie das

veränderte Körpergefühl auf ei-

nen gleich bleibenden Reizzu-

stand bezeichnet.

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1Was ist Beobachtung?

InnerhalbdesBeobachtungsprozessesverändern

sichdieDatenunddasBefindenderPflegebedürf-

tigen, z.B. in Notfallsituationen oder während der

Genesung. Diese Veränderungen erfordern eine

flexible Gestaltung der Arbeitsabläufe bzw. eine

AnpassungandieBedürfnissedesMenscheninner-

halbdesPflegeprozesses.

B Abb. 1.37 verdeutlicht die Struktur des Beob-

achtungsprozesses:

1.�� Selektion: Einer Pflegekraft fällt das stark gerötete

Gesicht eines spielenden Kindes auf; sie lenkt ihre

Aufmerksamkeit auch auf die Haut weiterer Kör-

perteile. Dabei rücken andere Wahrnehmungen,

wie beispielsweise das Schreien und Toben anderer

Kinder oder das Verhalten beim Spiel, in den Hinter-

grund.

2.� Vergleich: Die rote Gesichtshaut kann Aufregung,

Freude, Hitze durch Fieber oder Anstrengung, aber

auch einen hohen Blutdruck, einen allergischen

Hautausschlag oder einen Sonnenbrand bedeuten.

3.� Interpretation:� Fühlt sich die gerötete Haut heiß

und/oder feucht an? Ist die Hautoberfläche verän-

dert? Wie ist der Bewusstseinszustand? War das

Kind intensiver Sonnenstrahlung ausgesetzt? Wie

ist die Atmung usw.?

4.� Überprüfung:� Die Pflegekraft wird entsprechende

Maßnahmen ergreifen wie Hauttemperatur fühlen,

Messen der Körpertemperatur mit einem Fieber-

thermometer, Hautoberfläche genauer betrachten,

(Fieberkurven)

Fieber?

Heiße Haut? Feuchte Haut?

Ist er wach?

Ist die Hautintakt?

Wie ist derBlutdruck?

Gab es Sonnenein-wirkungen?Wie lange?

Blutdruck-anstieg

Pflege-person

(Waden-wickel)

Patient

Fieb

er?

Sonne?

Freude?

4.Überprüfung

z.B. durch Messenoder Erfragen

5.Bewertung>>Fieber<<

6.Pflegerisches

Handelnund Überprüfen

der Wirkung

Wahrnehmungs-prozess

(s. Abb. 1.1)

3.Frage-stellungenund Inter-preta-tionen

2.Suche nachvergleich-barenMerkmalen

1.Selektion undFokussierungder Wahr-nehmungs-reize

Abb. 1.37 Beobachtungsprozess

Beobachtung ist im Gegensatz zur bloßen Wahr-

nehmung von Situationen und Gegebenheiten

ein bewusster, systematischer und zielgerichteter

Vorgang, bei dem die Aufmerksamkeit auf einzel-

ne Phänomene gerichtet wird. Durch ihn werden

Informationen gewonnen, die eine Anpassung des

HandelnsanaktuelleSituationenermöglichen.

BeobachtungerfordertnebentheoretischemWis-

senundpraktischenFähigkeitenauchEinfühlungs-

vermögen,KombinationsfähigkeitundErfahrung.

BeiderspeziellenBeobachtunginderPflegerich-

tet sich die Aufmerksamkeit insbesondere auf die

gesundenundbeeinträchtigtenAnteileeinesMen-

schen.DabeiwerdenKrankheitssymptome,Verhal-

tensweisensowiedasBefindenmiteinbezogen.Au-

ßerderWahrnehmungmitunserenSinnesorganen

istderEinsatzspezifischerMethodenwiez.B.das

BenutzenvonMessinstrumenten,Befragungender

BetroffenenundAngehörigenoderweitererPflege-

kräfte notwendig. Bei der speziellen Beobachtung

in der Pflege beginnt die Suche nach vergleichba-

ren Merkmalen, Interpretationsmöglichkeiten und

Bewertungen.

Beobachtung als ProzessBeobachtungistkeinstarrerVorgang,sondernvoll-

zieht sich, ähnlich wie die Wahrnehmung, dyna-

mischundprozesshaft.Dasbedeutet,dassdieEr-

gebnissederBeobachtungneueFragenaufwerfen,

nachdenenweitergezieltbeobachtetwird.

M Die Beobachtung pflege-

bedürftiger Menschen

gehört zu den wichtigsten pfle-

gerischen Aufgaben, da die hier-

bei gewonnenen Informationen

die Basis für alle weiteren

Schritte im Pflegeprozess dar-

stellen.

D �Beobachten entsteht,

wenn die zunächst un-

spezifische Wahrnehmung in

untersuchendes und auf Verän-

derung hin gerichtetes Betrach-

ten übergeht.

M Beobachten ist eine

systematische und

planmäßige Form der Wahr-

nehmung mit dem Ziel, neue

Erkenntnisse zu gewinnen und

Entscheidungen zu treffen.

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67

1.2.1 WAHRNEHMUNG UND BEoBACHTUNG

Atemfrequenz und -tiefe messen, Bewusstsein und

Reaktion beobachten usw.

5.�Bewertung:�Die Überprüfung hat ergeben, dass die

Körpertemperatur 39,5° C rektal beträgt, das Kind

schläfrig wirkt, die Atmung und der Puls beschleu-

nigt sind, die Haut feucht, aber glatt ist. Die daraus

resultierende Bewertung stellt Fieber fest, begleitet

von einer Tachykardie und Tachypnoe.

6.�Pflegemaßnahmen: Der Arzt ordnet die Gabe eines

fiebersenkenden Medikamentes und Wadenwickel

an. Die Pflegekraft wird die Wirkung der fiebersen-

kenden Maßnahmen überprüfen, indem sie in ange-

messenen Abständen die Körpertemperatur nach-

misst. Sie wird weiterhin auf zusätzliche fiebersen-

kende (Neben-)Wirkungen achten. Schwitzt das Kind

sehr stark, wird die Pflegekraft für einen Flüssigkeits-

ausgleich sorgen und genügend zu trinken anbieten

oder auf die Anordnung einer Infusionstherapie ach-

ten.

BeobachtungsartenDieBeobachtungkannaufunterschiedlicheArtund

Weisegeschehen.

Subjektive Beobachtung

Subjektive Beobachtung bedeutet, dass einseitig

ausdemBlickwinkeldereigenenPersonbeobach-

tetundbeurteiltwird,d.h.,eineeinzigePersonbe-

obachteteineandere.

Objektive Beobachtung

LetztlichkönnenMenschennichtvollständigobjek-

tiv beobachten, weil ihre Wahrnehmung kontinu-

ierlichbeeinflussendenFaktorenunterliegt;mess-

bare und nachprüfbare Beobachtungen erreichen

jedoch eine größtmögliche Objektivität. Objektive

Beobachtungsergebnisse können durch Messen

bestimmterBeobachtungsmerkmaleermitteltwer-

den.

Eine annähernde objektive Beobachtung von

menschlichemVerhaltenundReaktionenkanner-

reichtwerden,wennmehrerePersonen,unabhän-

gig voneinander, aufgrund eindeutiger Kriterien

zumgleichenErgebniskommen.

Fremdbeobachtung

Pflegendesolltenbemühtsein,ihreBeobachtungs-

ergebnisse so objektiv wie möglich darzustellen.

Esgestaltetsichhäufigschwierig,Reaktionenund

Verhaltensweisen zu beobachten und wertfrei zu

dokumentieren oder im Team zu besprechen, da

Wahrnehmungseinflüsse und -verzerrungen die

BeobachtungbeeinflussenunddieErgebnissenicht

selten wenig über die tatsächliche Befindlichkeit

desPflegebedürftigenaussagen.

Selbstbeobachtung

Wissenschaftlich betrachtet bietet die Selbstbeob-

achtung keine genauen Ergebnisse. Ursache dafür

D �Fremdbeobachtung�ist

die Beobachtung eines

anderen Menschen, seines Ver-

haltens und seiner Äußerungen.

D �Die Selbstbeobachtung�

ist im Gegensatz zur

Fremdbeobachtung auf den ei-

genen Bewusstseinsablauf ge-

richtet. Sie wird auch als Intro-

spektion bezeichnet.

sind die vielen psychischen Einflüsse und die un-

terschiedlichenDarstellungenvonErlebnissen,die

eineobjektiveÜberprüfungverhindern.

ImUmgangmitpflegebedürftigenMenschenbil-

detdieSelbstbeobachtungjedocheineelementare

BasisfürdenAufbaueinerpflegerischenBeziehung

sowohlfürdiePflegekraftalsauchfürdenPflege-

bedürftigen. Der Pflegebedürftige trägt durch die

bewusste Wahrnehmung und Darstellung seiner

EmpfindungenzurErmittlungseinerindividuellen

BedürfnisseundBefindlichkeitbei.DiePflegekraft

istfolglichinderLage,notwendigePflegemaßnah-

menunterderBerücksichtigungder individuellen

Situation zu planen. Diese Vorgehensweise hilft,

Missverständnisse zwischen der Pflegekraft und

dem Pflegebedürftigen zu vermeiden und die Zu-

friedenheitderBeteiligtenzusteigern.

Für die Pflegekraft stellt die Selbstbeobachtung

eine notwendige Voraussetzung dar, ihr pflegeri-

schesHandelnzureflektieren.Jedifferenziertersie

ihre positiven und negativen Gefühle im Umgang

mithilfsbedürftigenMenschenundihrenindividu-

ellenReaktionenwahrnehmenundzulassenkann,

desto gründlicher lernt sie, sich mit ihnen ausei-

nanderzusetzenundsiezuverarbeiten.

DieAuseinandersetzungmitdeneigenenGefüh-

lenisterforderlich,umpsychischeEinflussfaktoren

undWahrnehmungsverzerrungenzuerkennenso-

wiederenBeeinflussungenzumindern.Darausfol-

gend kann sich eine solide Grundlage entwickeln,

in der eine empathische und offene Begegnung

zwischenPflegepartnern,d.h.PflegekraftundPfle-

geperson,möglichwird.

Beobachtung in der PflegeDieBeobachtunginderPflegestellteinederwich-

tigstenpflegerischenAufgabendar.DerPflegealltag

bietetvielfältigeMöglichkeiten.Die systematische

Beobachtung in der Pflege richtet sich nach be-

stimmten Kriterien und Fragestellungen wie Zeit-

punkt,HilfsmittelundSystematik.

Zeitpunkt

Beobachtung in der Pflege erfolgt im Rahmen des

Pflegeprozesses. Sie beginnt mit dem Erstkontakt

und wird intensiviert während der Informations-

sammlungbzw.derPflegeanamnese.

Spezielle Beobachtung von pflegebedürftigen

Menschenistnomalerweiseeinekontinuierliche,in

den Pflegealltag integrierte Maßnahme, z.B. wäh-

rend der Körperpflege oder der Hilfestellung bei

derNahrungsaufnahme.ImLaufdieserkomplexen

PflegehandlungenlenktdiePflegepersonihreAuf-

merksamkeit gleichzeitig auf mehrere Merkmale

wiez.B.denBewusstseinszustand,dieSprache,die

Haut, die Körperhaltung usw. Beobachtung kann

aberauchplanmäßigaufeinzelneKriteriengerich-

tetsein,wiez.B.diehalbstündlicheBlutdruckkont-

rollebeieinerBluthochdruckkrise.

M Standardisierte Überwa-

chungsbögen helfen, ei-

nen angeordneten Zeitrhythmus

korrekt einzuhalten, den Verlauf

der Beobachtung zu dokumen-

tieren und den gesetzlichen For-

derungen nachvollziehbar zu

machen.

M Je nachdem, aus wel-

chem Blickwinkel Beob-

achtung stattfindet, handelt es

sich um:

– subjektive Beobachtung,

– objektive Beobachtung,

– Selbstbeobachtung,

– Fremdbeobachtung.

D �Eine objektive�Beob-

achtung ist im Gegen-

satz zur subjektiven Beobach-

tung sachlich, d. h. nicht von Ge-

fühlen und Vorurteilen beein-

flusst.

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1HilfsmittelAnderBeobachtunginderPflegesindinersterLi-

nieunsereSinnesorganebeteiligt,diejedochhäufig

durchHinweisevonBetroffenenoderdurchBenut-

zenvonHilfsmittelnkomplettiertwerdenmüssen.

EineumfassendeBeobachtungkanndurchfolgende

Maßnahmenerreichtwerden.

Einsatz der Sinnesorgane.EssindprimärdieFern-

sinne, die bei der Beobachtung in der Pflege von

Bedeutungsind,besondersdieAugen,Ohren,Nase

undHaut.DieAugennehmeneinedominanteStel-

lungein,dasiefürfastalleBeobachtungsbereiche

benötigtwerden.AufmerksamesHörenwirderfor-

derlichbeiderBeurteilungvonSpracheundStim-

meundbeiderUnterscheidungverschiedenerGe-

räusche.DieNasehilftuns,VeränderungenbeiAus-

scheidungenundAtmungnäherzudifferenzieren.

Die Haut ist in ihrer Funktion als Tastorgan fähig,

den Spannungszustand eines Muskels zu fühlen

undBewegungenzuspüren.Tasten,Berührenund

Bewegen ermöglichen zudem einen Wechsel von

derverbalenaufdienonverbaleKommunikations-

ebene.DerGeschmackssinnspieltbeiderBeobach-

tunginderPflegeheutenahezukeineRollemehr.

Informationen von Pflegebedürftigen und ihren

Angehörigen. Gewöhnlich wird der pflegebedürf-

tige Mensch im Rahmen des Pflegeprozesses kon-

tinuierlich nach seinen Bedürfnissen sowie seiner

Befindlichkeitbefragt.DurchdenhäufigenKontakt

derPflegekräftezumPflegebedürftigenentwickelt

sich nicht selten eine intensive Kommunikation

mitentsprechendemInformationsaustausch.Dabei

fließen wesentliche Anhaltspunkte in die bereits

ermittelten Beobachtungsergebnisse ein und ver-

vollständigen das Gesamtergebnis. Bei Menschen,

diesichnichtoderkaummitteilenkönnen,stellen

InformationenvonbegleitendenAngehörigenbzw.

Einweisungsberichte/Übergabeberichte von be-

treuenden Einrichtungen oder einweisenden Ärz-

teneinewertvolleHilfedar.

Anwendung spezifischer Instrumente.Bestimmte

Messkriterien, die durch die Sinne nicht oder nur

ungenau erfasst werden, machen den Einsatz von

Hilfsmittelnoder Instrumentenerforderlich.Diese

dienen der annähernd objektiven Sicherung von

Beobachtungsergebnissen. Instrumente,diehäufig

eingesetzt werden, sind das Blutdruckmessgerät,

eine Uhr mit Sekundenzeiger, das Fieberthermo-

meteroderdieWaage.

Anwendung spezifischer Teststreifen. Mittels

Teststreifen können hauptsächlich Blut und Aus-

scheidungen untersucht werden. Sie geben Aus-

kunft über die Mengen an physiologischen und

pathologischen Inhaltsstoffen. Von den Normwer-

M Die nonverbalen Äuße-

rungen können beson-

ders bei bewusstseinseinge-

schränkten Menschen als wert-

volle Informationsquelle genutzt

werden.

M Apparate können ein-

zelne Beobachtungs-

merkmale exakter messen und

die Pflegekräfte entlasten, den

Menschen in seiner Ganzheit-

lichkeit erfassen können sie

allerdings nicht.

tenabweichendeErgebnissemüssenzusätzlichim

Laborüberprüftwerden.

Anwendung von Skalen. Skalen erleichtern die

objektive Einschätzung individuell und subjektiv

ermittelterBeobachtungsdaten.Siekommenhäufig

bei der Einschätzung eines Risikos für bestimmte

VeränderungenzumEinsatz,z.B.dieBraden-Skala

zumEinschätzendesDekubitusrisikos.

Informationen aus dem Team und der Dokumen-

tation.DieErgebnissederBeobachtungmüssendo-

kumentiertundimTeamausgetauschtundbespro-

chen werden. Erst die Auswertung aller Beobach-

tungsdaten führt zu einem annähernd objektiven

Gesamtbeobachtungsergebnis.DieDokumentation

solltesogenauundwertfreiwiemöglichsein,da-

mit jeder einen ungefähr gleichen Informations-

standbesitzt.

SystematikBeobachtung bedeutet Selektion und Sortieren

von wahrgenommenen Informationen kranker

Menschen. Damit die Ergebnisse der Beobachtung

sinnvollverarbeitetwerdenkönnen,isteineSyste-

matisierungnotwendig.EsgibtverschiedeneMög-

lichkeitenderSystematisierung,diejenachBedarf

angewendetwerden.

„Von Kopf bis Fuß“. Bei der „Von-Kopf-bis-Fuß“-

Methode wird der gesamte Körper des Menschen

abschnittsweiseinspiziertunduntersucht,undauf

diese Art werden sämtliche Teile des Körpers ge-

zielt beobachtet. Kein Körperteil wird übersehen

odervergessen.EsbestehtallerdingsdieGefahrder

vermindertenGesamteinschätzung.

Körperorgane. Ein anderes Beobachtungsschema

orientiert sich an einzelnen Körperorganen oder

Organsystemen. Da die Organsysteme in vielen

FällenderäußerlichenInspektionnichtzugänglich

sind, werden andere diagnostische Möglichkeiten

herangezogen. Die Anordnung und Auswertung

dieser Untersuchungen unterliegen überwiegend

dem ärztlichen Bereich wie Röntgen- und Labor-

untersuchungen. Die derart ermittelten Beobach-

tungs- und Untersuchungsergebnisse können nur

einenAusschnittderganzheitlichenBetrachtungs-

weisedesMenschendarstellen,dennderMenschin

seinerkörperlich-geistig-seelischenGesamtsituati-

onrücktindenHintergrund.

Pflegetheorien.DieOrientierunganPflegetheorien

bzw. Pflegemodellen bietet eine weitere Möglich-

keit, Beobachtung zu systematisieren. Ein beson-

ders im deutschsprachigen Raum bekanntes und

angewandtesModell istdasvonNancyRoper,Wi-

nifredLoganundAlisonTierney.

Pflegemodell von Roper, Lo-

gan, Tierney s. a. S. 20

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1.2.1 WAHRNEHMUNG UND BEoBACHTUNG

Klassifikationssystem der Pflegediagnosen. Die

AnalyseausdenInformationenderPflegeanamnese

sowiederBeobachtungführtzurProblemformulie-

rungbzw.Pflegediagnosestellung.Pflegediagnosen

dienen dazu, gesundheitliche Probleme von Men-

schenzuerkennen,zubenennenundLösungsmög-

lichkeiten zu erarbeiten. Gleichzeitig stellen sie

aucheineAbgrenzungzumedizinischenDiagnosen

dar.JesystematischerundklarerdieErgebnisseder

InformationssammlungundderBeobachtungsind,

destoeinfacherundzuverlässigerkanneinePflege-

diagnosegestelltwerden.

Beobachtungsbereiche. Beobachtung kann nach

Beobachtungsbereichen und deren Kriterien re-

gelrecht systematisch abgearbeitet werden. Durch

Beobachten weiterer, ergänzender Beobachtungs-

punkte erfolgt eine zunehmende Abgrenzung und

Eingrenzung. Je sorgfältiger und exakter sowohl

die Ergebnisse einzelner und ergänzender Beob-

achtungsbereiche zusammenhängend ausgewertet

werden,desto leichterundtransparentergestaltet

sich auch hier die Problemformulierung und Pfle-

gediagnosestellung.

Beeinflussende Faktoren bei der BeobachtungWiedieWahrnehmungwirdauchdieBeobachtung

durch physische und psychische Faktoren beein-

flusst,diesowohlphysiologischenalsauchpatholo-

gischenUrsprunghabenkönnen.BeivielenPflege-

personen wird die Beobachtung beeinflusst durch

die eingeschränkte eigene körperliche Verfassung,

oftmals bedingt durch Müdigkeit, Kräftemangel,

zu lange Dienstzeiten und eigene Schmerzen. Der

Beobachtungsradius kann durch die geistige Ver-

fassung z.B. aufgrund fehlender Motivation und

Stress ebenfalls erheblich eingeschränkt sein. In

D �Pflegediagnosen�sind

feststehende, standardi-

sierte Begrifflichkeiten und nati-

onal einheitlich verwendbar.

Pflegediagnose s. a. S. 80.

vielen Fällen entstehen aus diesen Gründen nicht

nur Wahrnehmungsverzerrungen, sondern auch

Beobachtungsfehler.

Um Beobachtungsdaten exakt auswerten und

beurteilen zu können, sollten sie möglichst ob-

jektiv sein. Dieser Vorgang erfordert oftmals ein

hohesMaßanEigenreflexionsfähigkeit.Besonders

schwierigsindBeobachtungenzuobjektivierenund

zubewerten,diedasVerhaltenvonMenschenoder

ihre Stimmungslage sowie die Selbstbeobachtung

betreffen.NichtseltenbestimmenSympathieoder

AntipathiezwischendenPflegepartnerndieBlick-

richtung.

Esempfiehltsich,diesubjektivenDatenaufGül-

tigkeit (Validität)undZuverlässigkeit (Reliabilität)

zuüberprüfen.

Die tatsächliche Befindlichkeit kann durch ein

Gespräch zwischen den Pflegepartnern herausge-

funden werden. Das setzt jedoch voraus, dass der

beobachteteMenschüberseineGefühleredenkann

unddiesauchtunmöchte.

Selektion und Fokussierung

Wie in Abb. 1.37 dargestellt, wird bei der Beob-

achtungausderFüllederWahrnehmungsreizedie

Aufmerksamkeit auf einzelne beobachtbare Merk-

malegerichtet.Dasbedeutet,dasseinigeWahrneh-

mungsreize aussortiert (selektiert) und die Auf-

merksamkeitaufbesondereBeobachtungsschwer-

punktegelenkt(fokussiert)wird.

DieFokussierungderBeobachtungaufganzbe-

stimmteBeobachtungsmerkmaleistinvielenpfle-

gerischenSituationennotwendigundzeichnetdie

ProfessionalitäteinerPflegekraftaus.Damitwich-

tigeInformationennichtverlorengehen,solltensie

zueinemspäterenZeitpunkterfragtwerden.Hilf-

reich ist deshalb die Durchführung der Beobach-

tunganhandeinerSystematik.

M Ein Austausch innerhalb

des Pflegeteams zur Ver-

minderung von Beobachtungs-

verzerrungen ist bei der Auswer-

tung subjektiver Daten unbe-

dingt notwendig.

M Der Beobachtungspro-

zess wird hauptsächlich

beeinflusst durch Selektion und

Fokussierung von Wahrneh-

mungsanteilen.

M Bei der Selektion und Fo-

kussierung gehen Infor-

mationen verloren, die das Ge-

samtbeobachtungsbild der Pfle-

geperson verzerren können.

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70

1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1Bedeutung der Beobachtung in der PflegeWahrnehmung und Beobachtung bilden den Aus-

gangspunkt für den Beziehungsaufbau zwischen

dem pflegebedürftigen Menschen und der Pflege-

person sowie für das pflegerische Handeln. Eine

sorgfältigeBeobachtungverfolgtvielfältigepflege-

rischeundmedizinischeZiele fürdenbetroffenen

Menschen. Eine hohe Beobachtungsqualität trägt

entscheidendzurValiditätundReliabilitätderBe-

obachtungsergebnisse bei. Damit eine möglichst

umfangreiche Informationsquelle für alle an der

Pflege und Therapie beteiligten Personen zur Ver-

fügungsteht,isteinemöglichstpräziseDokumen-

tationnotwendig.EinequalitativguteBeobachtung

setztpflegerischeKompetenzvorausundstelltho-

heAnforderungenandiebeobachtendePerson.

Beobachtung als Grundlage für pflegerisches HandelnBeobachtung bedeutet auch die Fähigkeit und Be-

reitschaft, auf den Pflegebedürftigen zuzugehen,

sich in ihn einzufühlen und Neugierde bzw. Inte-

ressezuentwickeln.Aufmerksamkeit,Konzentrati-

onsvermögen,sowieKontrollenmindernBeobach-

tungsfehler.

UmdenPflegebedürftigeninseinerGesamtsitua-

tioneinschätzenzukönnen,sindalleamPflegepro-

zessbeteiligtenPersonen,einschließlichärztliches

und therapeutisches Personal sowie der pflegebe-

dürftigeMensch,aufgefordert, ihreBeobachtungs-

ergebnissezusammenzutragenundzurVerfügung

zu stellen. Auf diese Art können eine annähernd

sichere Einschätzung der gesunden und kranken

Anteile des Menschen erreicht, eine spezifische

Pflegediagnose ermittelt und weitere Schritte des

Pflegeprozessesumgesetztwerden.

Ziele der Beobachtung in der PflegeDie Ermittlung sollte unvoreingenommen und so

sachlichwiemöglichdurchgeführtwerden.Sie ist

Bestandteil der Informationssammlung und der

Pflegeanamnese innerhalb des Pflegeprozesses.

Durch eine aufmerksame Beobachtung und an-

teilnehmende Befragung können Wünsche und

Bedürfnisse der erkrankten Personen ermittelt

werden. Außerdem werden Fähigkeiten, Probleme

undRessourcenerkannt,aufderenGrundlagePfle-

gemaßnahmengezieltgeplantwerdenkönnen.

WoPflegemaßnahmenwirkungsvollangewendet

werden,könnenunnötigeBelastungendurchüber-

flüssige und ineffektive Maßnahmen für den zu

pflegenden Menschen vermieden, die Gesundheit

gefördertundFolgekrankheitenverhindertwerden.

Die spezielle Beobachtung von bewusstseinsbe-

einträchtigtenunddesorientiertenMenschenzielt

darauf ab, gefährdende Situationen frühzeitig zu

erkennen und abzuwenden und durch besondere

M Beobachtung bildet die

Grundlage für pflege-

risches Handeln innerhalb des

Pflegeprozesses.

M Die Beobachtungsergeb-

nisse stellen eine der

wichtigsten Grundlagen für die

Pflegediagnosestellung sowie

für das pflegerische Handeln

dar.

M Das Aufspüren von Res-

sourcen, die Förderung

und der Erhalt geistiger sowie

körperlicher Fähigkeiten kann

besonders bei alten Menschen

im Vordergrund stehen.

Maßnahmenzufördern,z.B.durchBasaleStimula-

tion.RichtetsichdieBeobachtunginsbesondereauf

die Kommunikation und Interaktion, kann durch

eineaufmerksameundanteilnehmendeUmgangs-

weise eine vertrauensvolle zwischenmenschliche

Beziehungaufgebautwerden.

UmdieEinschätzungderGesamtsituationzuge-

währleisten, sollten das Verhalten des Menschen,

dasindividuelleErlebenvonKrankheitundBehin-

derung sowie die Bewusstseinslage einschließlich

der Orientierung in die Beobachtung einbezogen

werden. In vielen Fällen ist es jedoch notwendig,

sich konkret auf einzelne, spezifische Beobach-

tungsschwerpunktezukonzentrieren,z.B.inAkut-

oderNotfallsituationen.

MittelsderspeziellenBeobachtunginderPflege

werden:

– die Pflegebedürftigkeit eines Menschen einge-

schätzt,

– PflegeproblemeundRessourcenermittelt,

– dieWirkungvonPflegemaßnahmenbeurteilt,

– die Therapie, ihre Wirkung und Nebenwirkung

überprüft,

– derKrankheitsverlaufüberwacht,

– Komplikationenfrühzeitigerkanntundverhütet,

– diemedizinischeDiagnosefindungunterstützt,

– Auswahl therapeutischer und rehabilitativer

Möglichkeitenunterstützt.

SämtlicheMaßnahmenderGesundheitspflegemüs-

sen wirtschaftlichen Ansprüchen gerecht werden.

DaeinesorgfältigeBeobachtungeffizientepflegeri-

sche,therapeutischeundrehabilitativeMaßnahmen

ermöglichen, können unnötige Kosten und Folge-

kostenvermiedenunddieAufenthaltsdauerinInsti-

tutionendesGesundheitswesensverkürztwerden.

Qualität der BeobachtungDie Aussagekraft (Qualität) eines Beobachtungser-

gebnissesistvonverschiedenenFaktorenabhängig.

DiemenschlicheBeobachtungiststarkandasFunk-

tionierenderSinnesorganegebunden,besondersan

Augen,Ohren,NaseundHaut.Verschiedenephysi-

scheundpsychischeEinflüsseveränderndieWahr-

nehmungundinfolgedessenauchdieBeobachtung.

Beim Einsatz spezifischer Instrumente oder

Teststreifen ist das Beobachtungsergebnis von der

korrekten Handhabung und Bedienung abhängig.

InvielenFällenistvordererstenAnwendungeine

spezielle Einweisung bzw. Anleitung notwendig

odersogarvorgeschrieben.

Von entscheidender Bedeutung für die Qualität

derBeobachtungistdastheoretischeHintergrund-

wisseneinerPflegekraftindenBereichen:

– AnatomieundPhysiologie,

– Krankheitslehre,

– Psychologie,

– insbesonderederPflege.

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71

1.2.1 WAHRNEHMUNG UND BEoBACHTUNG

Erst durch das Hintergrundwissen können beob-

achteteSachverhalteinterpretiertundprofessionell

beurteiltwerden.Dasbedeutet,dassdieVorausset-

zung füreinequalitativhochwertigeBeobachtung

eineentsprechendeAusbildungist.

EinMaßstabfüreineguteBeobachtungsqualität

stelltdieÜberprüfungaufGültigkeit(Validität)und

Zuverlässigkeit (Reliabilität) der Beobachtungsda-

tendar.

Anzumerkenist,dasseinestarkaufKrankheiten

bezogeneBeobachtungdenBlickfürdenMenschen

inseinemganzheitlichenErlebeneinengt.Dasbe-

deutet, eine zielgerichtete Beobachtung schränkt

die Wahrnehmung anderer Phänome ein oder

schließt sie aus. Es ist möglich, dass dadurch Ver-

änderungeninanderenBereichenoderZusammen-

hängeübersehenwerden.

DokumentationFürdieDokumentationderBeobachtungsergebnis-

se stehen verschiedene Dokumentationssysteme

zurVerfügung.SiesindfürnahezuallePflegeberei-

cheanwendbarbzw.entsprechendfürspezielleBe-

langeabänderbar.UnterschiedlicheBeobachtungs-

skalen und Einteilungen erleichtern das Eintragen

von Messergebnissen wie z.B. die Temperatur-,

Blutdruck-unddiePulskurve.

WährenddasEintragenderobjektivgemessenen

Beobachtungsergebnisse einfach erscheint, gestal-

tetsichimGegensatzdazudasBeschreibenvonbe-

obachtbaremVerhaltenundWirkungenderdurch-

geführtenPflege-undTherapiemaßnahmenhäufig

problematisch.

UmzuprägnantenBeschreibungenzugelangen,

muss der Beobachtende Begrifflichkeiten verwen-

den, die pflegerischen und medizinischen sowie

psychologischen Bereichen allgemein verständlich

sind. Das heißt, dass Pflegekräfte und ärztliches

PersonaldiegleicheFachsprachesprechenmüssen,

damitalleanderPflegeBeteiligtenunterdenver-

wendetenBegriffenauchdasGleicheverstehen.

Schwierig ist die Formulierung von Verhaltens-

weisen, Emotionen und Reaktionen; psychologi-

scheKenntnissekönnendabeihilfreichsein.

Die Dokumentation sollte möglichst wertfrei,

d.h. so objektiv wie möglich, dargestellt werden.

DaaberauchsubjektiveEinschätzungenhäufigvon

diagnostischerBedeutungsind,solltendieseeben-

sodokumentiertwerden,allerdingsals solchege-

kennzeichnetwerden.

B Ein 68-jähriger adipöser Mann befindet sich auf-

grund einer Hypertonie seit 6 Tagen auf einer

medizinischen Station. Der Blutdruck weist trotz blut-

drucksenkender Medikamente hohe Schwankungen

auf. Eine Pflegekraft beobachtet, dass der Blutdruck be-

sonders nach den täglichen Besuchszeiten im hyperto-

nen Bereich liegt. Sie äußert den Verdacht, dass der

Mann möglicherweise familiäre Probleme hat.

M Eine qualitativ gute Beo-

bachtung, die sich nur

auf die kranken Anteile des Men-

schen richtet, wird nicht immer

einer qualitativ hochwertigen

Beobachtung der Gesamtsituati-

on eines Menschen gerecht.

Derbeschriebene„subjektiveVerdacht“kann,wenn

ersichalszutreffendherausstellt,zuVeränderun-

genderantihypertensivenTherapieführen.ZurUn-

terstützungkönnenProblemlösungsmöglichkeiten,

Entspannungstechniken bzw. eine Behandlung in

derPsychosomatikvorgeschlagenwerden.

Hier wird ebenfalls die Notwendigkeit deutlich,

denbetroffenenMenschenmitindieBeobachtung

einzubeziehen.

DieDokumentationsolltevollständigseinundal-

leInformationenenthalten,dienotwendigsind,um

diePflegeeinesMenschenübernehmenzukönnen.

Besonders im ambulanten Pflegebereich stellt sie

häufigdieeinzigeInformationsquelleüberwichti-

geBeobachtungsmerkmaledar,dadortdiePflege-

kräfte im Gegensatz zu stationären Einrichtungen

überwiegendalleinearbeiten.

Eine lückenlose Dokumentation von Beobach-

tungsergebnissen garantiert zudem eine Verlaufs-

kontrolle, da sie die Beurteilung der Wirkung von

PflegemaßnahmenaufdenPflegebedürftigennach-

vollziehbarundtransparentgestaltet.Esistdeshalb

wichtig, dass die Beobachtungsergebnisse präzise

undnichtungenauformuliertwerden.

B „Fr. X hat einen Blutzucker von 245 mg%“ statt

„Fr. X hat einen hohen BZ“. „Hr. Y hat in der

Nacht von 19.00 Uhr abends bis um 7.00 Uhr morgens

950 ml Urin ausgeschieden“ statt „hat viel ausgeschie-

den“. Weitere übliche Formulierungen wie „hat gut ge-

gessen“ sollten ebenfalls genau beschrieben werden, da

die Mengenangaben nicht konkret sind und unter-

schiedlich interpretiert werden können.

Anforderungen an das PflegepersonalDieBeobachtungdergesundenundkrankenAnteile

desMenschenerfordertmehralsdasBegutachten

undBeurteileneinzelnerMerkmale.EineguteBe-

obachtunginderPflegeverlangtfundiertestheore-

tischesHintergrundwissenmitderentsprechenden

Fähigkeit, aus Einzel-(beobachtungs-)ergebnissen

eineGesamteinschätzungzuerstellen.Sieerfordert

zudemFlexibilitätunddas„Sich-einstellen-Können“

aufwechselndeBedingungen.DieBeobachtungvon

Verhaltensweisen und Reaktionen im zwischen-

menschlichenBereichsetztpsychologischeKennt-

nisse voraus und fordert Reflexionsfähigkeit der

beobachtendenPerson.

BerufserfahrungerleichtertdieBeurteilung,kann

aberauchbetriebsblindmachen;diebeobachtende

PflegekraftsollteihreBeobachtungsergebnissehin-

terfragenundkontrollieren.DieseVorgehensweise

vermindert die Gefahr der falschen Situationsein-

schätzungundInterpretationsowiedasVergessen

wichtiger Informationen und voreilige Schlussfol-

gerungen.

M Die Beobachtung in der

Pflege bildet den Aus-

gangspunkt für pflegerisches

Handeln und nimmt deshalb ei-

nen hohen Stellwert ein.

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72

1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1§ Was ist der Pflegeprozess?

Woher wissen Sie, was Sie bei einem Bewohner/

Klienten pflegerisch zu tun haben? Woher wissen

Sie, welche Art der Unterstützung dieser Mensch

benötigt? Wer entscheidet Art und Umfang der

Hilfe?WererhältUnterstützungwobeiundwozu?

Diese Fragen lassen erahnen, dass professionelle

Pflege nicht einfach geschieht. Pflege basiert auf

Beobachtungen,fachlichenÜberlegungenundver-

folgtimmereinenSinnundZweck,denesfürjeden

Bewohner/Klientenzuerfassengilt.Pflegemaßnah-

menwerdenvonIhnengeplantundSieüberprüfen

auchderenWirksamkeit.DarinstecktdasProzess-

hafte,welchesimPflegeprozess-Modellabgebildet

wird (Abb. 1.39). Die einzelnen Phasen verdeutli-

chenmodellhaft,welcheAufgabenPflegefachkräfte

in der Praxis ausführen. Wie der Pflegeprozess zu

verstehenist,sollenfolgendeAusführungenklären.

Pflegeprozess als ProblemlösungsprozessKybernetischer RegelkreisAbb. 1.38 erläutertdievierProblemlösungsschrit-

te des „kybernetischen Regelkreises“: Ausgehend

vondermomentanenSituation (Ist-Zustand)wird

ein mögliches Ziel (Soll-Zustand) festgelegt, das

dann durch konkretes Handeln (Regelgröße) re-

alisiert werden soll. Am Ende der Handlung wird

dasEndergebnismitdemgeplantenZiel(demSoll-

Zustand) verglichen (Ist-Soll-Abgleich). Dieses Re-

gelkreismodell bildet eine der Grundlagen für die

unterschiedlichenVerfahrendesPflegeprozesses.

Deckensichdasgeplanteunddastatsächlicher-

reichteErgebnisnicht, sobeginntderProzessvon

Neuem.Eskanndannüberlegtwerden,worander

Prozessgescheitertist.EskönnteFehlerinderUm-

setzung geben (fehlerhafte Regelung), im Vorfeld

wurden nicht alle Informationen richtig erfasst

(FehlerinderIst-Zustand-Analyse)oderdasange-

strebteZielwarnichtrealistisch(FehlerinderSoll-

Zustand-Bestimmung).

Pflegeprozess als BeziehungsprozessDiegezielteBeobachtungderPflegendenspielteine

entscheidende Rolle im Pflegeprozess. Fachwissen

undErfahrunghelfenPflegendendabei,dieBedürf-

nisse und Probleme der ihnen anvertrauten alten

Menschen zu erfassen und entsprechende Pflege-

maßnahmenzuplanen.WahrnehmungundBeob-

achtungsindjedochimmerauchsubjektiv.DieVor-

stellung,Gewohnheiten,WünscheundBedürfnisse

einesaltenMenschen„richtig“zuerfassen,istalso

nurzumTeileinlösbar.

Fachwissenund(berufliche)ErfahrungderPfle-

gendenbildenimmernureinenAspekteinergelin-

gendenPflege.DieBeteiligungdesbetroffenenalten

MenschenamPflegeprozessistunerlässlich,damit

D �„Kybernetik“ (griech.

kybernetike = „Steuer-

mannskunst“) ist die Bezeich-

nung für eine Richtung der Wis-

senschaft, die Gesetzmäßig-

keiten in Steuerungs- und Rege-

lungsvorgängen betrachtet und

diese aufzudecken versucht.

M Kybernetische Verfahren

finden überwiegend in

technischen Bereichen Anwen-

dung; aber auch in der Biologie

und Soziologie wird versucht,

Phänomene mithilfe der Kyber-

netik zu erklären.

M Prinzipiell kann jeder –

selbst ein demenziell

veränderter alter Mensch – als

„Experte“ seiner selbst angese-

hen werden!

PflegedemindividuellenMenschen,aberauch ih-

remeigenenberuflichenAuftraggerechtwird,z.B.

dieFörderungvonUnabhängigkeit,Lebensqualität

undWohlbefinden(Krohwinkel2008).Damitdies

geschehenkann,istderAufbaueinerkonstruktiven

Beziehung Grundlage für eine professionelle Pfle-

ge!

Auchdie„Beziehungsfähigkeit“isteinenotwen-

digeEigenschaftprofessionellPflegender.Nurwer

inderLageist,dieWünscheundBedürfnisseeines

alten Menschen aus dessen Perspektive zu sehen

undzuverstehenunddenbetreffendenMenschen

aktivindenProzessderPflegezuintegrieren,wird

seinePflegeandieseneinzigartigenMenschenan-

passenundsomit„professionell“pflegenkönnen.

Einfühlungsvermögen (Empathie), biografische

Informationen und Erfahrung sind zwingend not-

wendig, um einen alten Menschen und besonders

einen demenziell veränderten alten Menschen

„verstehen“ und seine Wünsche, Gewohnheiten

undBedürfnisseerkennenzukönnen.

Pflegeprozessmodelle im Vergleich DasimdeutschsprachigenRaumbekannteste–und

älteste – Pflegeprozessmodell ist das von Verena

FiechterundMarthaMeier(1981).

Auch Fiechter u. Meier betonen – ähnlich wie

Krohwinkel – den prozesshaften Verlauf der Pfle-

ge.SieverstehenPflegealspermanentenEntwick-

lungsprozess, d.h. als ein sich stets fortsetzendes

Geschehen(Fiechteru.Meier1981).

M Fiechter und Meier un-

terscheiden 6 Phasen des

Pflegeprozesses (Abb. 1.39):

– Informationssammlung,

– Erkennen von Problemen und

Ressourcen,

– Festlegung der Pflegeziele,

– Planung der Pflegemaßnah-

men,

– Durchführung der Pflege,

– Beurteilung der Wirkung der

Pflege.

M Monika Krohwinkel s. a.

S. 18.

Ist-Wert(Ausgangslage)

Regelgröße(Handlung)

?Ist-Soll

Abgleich(Evaluation)

Soll-Wert(angestrebtes

Ziel)

Abb. 1.38 Dieses Regelkreismodell bildet eine der Grundlagen für die unterschiedlichen Verfahren des Pflegeprozesses.

Informations-sammlung

Planung vonPflegemaß-

nahmen

?Beurteilungder Wirkung

der Pflege

Durchführungder Pflege

Festlegungder Pflegeziele

Erkennen vonProblemen

undRessourcen

Abb. 1.39 Phasen des Pflegeprozesses (nach Fiechter u. Meier 1981).

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1.2.2 PFLEGEPRozESS

Die erste Veröffentlichung über den Pflegeprozess

stammt von Yura u. Walsh (1967); sie favorisieren

ein vierphasiges Pflegeprozessmodell (Tab. 1.2).

VorallemindenUSAistdiePflegeprozessmethode

immerwiederdiskutiertundüberarbeitetworden.

HeutewirddorteinfünfphasigesModellbevorzugt,

wieesz.B.1975vonMundingeru.Jauronentwickelt

wurde(Aretsu.Mitarb.1999).

Nachteile der PflegeprozessplanungDemstrengmethodischenVorgehennachdemPfle-

geprozess sind Grenzen gesteckt. Situationen, in

denenMenschenbeteiligtsind,sindniemalsgenau

vorher bestimmbar. Problemlösungsprozesse, die

in technischen Bereichen vielleicht hilfreich sind,

sindinBereichenmenschlicherInteraktionnurz.T.

anwendbar.

Der Pflegeprozess sollte daher als ein dynami-

scherProzessinderPraxisgelebtundangewendet

werden. Dadurch wird sichergestellt, dass auch

individuelleAnsprüchederzuPflegendenberück-

sichtigt werden. In bestimmten Fällen muss da-

her von den Standards abgewichen werden. Diese

Abweichung muss aber immer begründet werden

können..

Vorteile der PflegeprozessplanungTrotz der beschriebenen Grenzen bietet ein syste-

matisches Vorgehen im Sinne des Pflegeprozesses

Vorteile:DiegründlicheAnalysederAusgangslage

bzw. der pflegerelevanten Probleme und Ressour-

ceneinesaltenMenschenhilft,dasWesentlichein

denBlickzunehmen.Gemeinsamkönnenrealisti-

sche Ziele gesetzt und Pflegemaßnahmen geplant

werden,diedenBedürfnissendesaltenMenschen

mitPflegebedarfgerechtwerden.

Die – schriftlich dokumentierte – Planung der

PflegehilftallenPflegendeneinesTeamsdabei,die

PflegebeidenbetreffendenaltenMenschenaufei-

nem möglichst gleich bleibenden Qualitätsniveau

zuleisten.DieEvaluationderPflegeisteinBeitrag

zur kontinuierlichen Verbesserung des eigenen

Pflegehandelns und der Entwicklung der eigenen

Kompetenz.Siehilftdarüberhinaus,dassdieQuali-

tätderPflegevonPflegendenselbstverbessertwird

undleistetsoeinenBeitragzurProfessionalisierung

derPflege.

Pflegeprozessplanung in der AltenpflegeEin wesentlicher Bestandteil des Pflegeprozesses

istdieschriftlichePflegeplanung.Dieserdokumen-

tierte Pflegeplan umfasst die Pflegeprozessphasen

2, 3, 4 und 6 nach Fiechter u. Meier 1981 (s. Abb.

1.39). Voraussetzung für das Gelingen geplanter

PflegesindjedochaucheinegründlicheInformati-

onssammlung(Phase1)sowieeineaussagekräftige

DokumentationderPflegedurchführung(Phase5).

Tab. 1.2 Vergleich unterschiedlicher Pflegeprozessmodelle

Schritte des

Pflegeprozesses

Yura u.

Walsh 1967

WHO 1974 Mundinger u. Jauron

1975

Fiechter u. Meier 1981

Schritt 1 Informationssammlung Informationssammlung

Schritt 2 Erhebung Einschätzung (Assessment)

Diagnose Erkennen von Problemen und Ressourcen

Schritt 3 Planung Planung (Plan-ning)

Planung Festlegung der Pflege-ziele

Schritt 4 Planung von Pflegemaß-nahmen

Schritt 5 Durchfüh-rung

Durchführung (Intervention)

Durchführung Durchführung der Pflege

Schritt 6 Auswertung Bewertung (Evaluation)

Bewertung Beurteilung der Wirkung der Pflege

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1InformationssammlungDer erste Schritt im Pflegeprozess nach Fiechter

undMeieristdieInformationssammlung.

InformationenüberdenpflegebedürftigenMen-

schenkönnendurchdieErhebungvonDaten,z.B.

im Rahmen von Messungen, Beobachtungen oder

Befragungen gewonnen werden. Ziel und Zweck

einer umfassenden Informationssammlung in der

Pflegeistes,denzupflegendenMenschenkennen-

zulernenundseineGesundheits-beziehungsweise

Krankheitssituation so vollständig wie möglich zu

erfassen.Die Informationssammlungisteinkonti-

nuierlicherProzess.

Objektive und subjektive DatenIm Rahmen der Informationssammlung wird zwi-

schen objektiven und subjektiven Daten unter-

schieden.

Objektive Daten. ObjektiveDatensindDatenbzw.

Informationen,dieunvoreingenommenundunpar-

teiisch, ohne persönliche Wertung und nicht von

persönlichen Gefühlen und Vorurteilen bestimmt

sind. Sie sind unabhängig von einer subjektiven

Sichtweise. Zu den objektiven Daten gehören alle

messbarenWerte.

Subjektive Daten. Subjektive Daten hingegen sind

immeraufeinSubjektbezogen,siesindvomSub-

jekt ausgehend und von diesem abhängig. Subjek-

tiveDatensindvonGefühlen,StimmungenundUr-

teilenbestimmt,alsobewertetundparteiisch.Sub-

jektiveDatensindÄußerungenübereinEmpfinden.

SubjektiveDatenmüssenneutralzugeordnetund

als subjektive Informationengekennzeichnetwer-

den.DieskanndurchdenZusatz„LautAussagedes

Patienten“o.ä.geschehen.

Um subjektiv geäußerte Informationen besser

zuordnenzukönnen,istgenauesNachfragenerfor-

derlich. Hierdurch werden subjektive Informatio-

nensogenauwiemöglichbeschriebenunddamit

für andere Personen nachvollziehbar. In diesem

Zusammenhangwirdauchvondergrößtmöglichen

Objektivierung subjektiver Informationen gespro-

chen.Die„PQRST-Gedächtnisstütze“kannalsHilfs-

mittel zur Klärung von subjektiven Informationen

eingesetztwerden(Abb. 1.40).

Subjektive Aussagen können durch den Einsatz

von Hilfsmitteln objektiviert werden. Die subjek-

tiv empfundene Schmerzintensität lässt sich z.B.

vondembetroffenenMenschenaufeinerSkalavon

1–10einschätzen.AufdieseWeisekannbeierneu-

tem Auftreten von Schmerzen leichter eine Ver-

gleichsbeurteilungerreichtwerden.

Ein weiterer Aspekt im Zusammenhang mit

subjektivenDatenbzw.Informationenistdersub-

jektive Eindruck von Pflegepersonen bezüglich

bestimmter Sachverhalte oder anderer Personen.

M Es werden unterschie-

den:

– objektive,

– subjektive,

– direkte,

– indirekte Daten.

M Die gesammelten Infor-

mationen sind die Basis

für alle weiteren Schritte im

Pflegeprozess.

M Objektive�Daten sind

z. B.:

– Körpergröße,

– Körpergewicht,

– Körpertemperatur,

– Blutdruckwerte,

– alle Laborwerte,

– Pupillenreaktion usw.

M Subjektive�Daten sind

z. B.:

– Schmerzen,

– Ängste,

– Einsamkeit,

– Müdigkeit,

– Erwartungen.

Auch Empfindungen, Wertungen und Eindrücke

von Pflegepersonen bezüglich der Situation eines

Menschen müssen in der Dokumentation und In-

formationsweitergabealssubjektiveEindrückege-

kennzeichnetwerden,z.B.„FrauZ.wirktheuteauf

michsehrniedergeschlagen“.

Direkte und indirekte DatenDie Unterscheidung zwischen direkten oder indi-

rekten Daten gibt Auskunft darüber, aus welcher

DatenquelledieInformationenstammen.

Direkte Daten können sowohl objektiv als auch

subjektivsein.DasiedirektvombetroffenenMen-

schen stammen, haben sie naturgemäß eine hohe

Aussagekraft. Dabei spielen neben verbalen auch

nonverbale Äußerungen, z.B. mittels der Mimik,

Gestikusw.eineRolle.Siemüssengemeinsammit

dembetroffenenMenschenaufihreBedeutunghin

eingeordnetwerden.

Indirekte Daten können ebenfalls objektiv oder

subjektivsein.Siewerdenvonsog.Drittpersonen,

M Direkte�Daten�bezie-

hungsweise Informatio-

nen werden direkt vom betrof-

fenen pflegebedürftigen Men-

schen erhoben. Dieser stellt hier-

bei die primäre Quelle der Infor-

mation dar.

M Indirekte�Daten�wer-

den aus Sekundärquel-

len, also von anderen Personen

oder aus schriftlichen Aufzeich-

nungen gewonnen.

§Provokative und palliative Umstände

Was taten Sie gerade, als das Symptom zum ersten Mal auftrat oder Sie es erstmals bemerkten? Wodurch wird es verstärkt: durch Stress ? eine bestimmte Körperhaltung? bestimmte Aktivitäten? Streit? Was verschlimmert das Symptom? Was schwächt das Symptom ab: eine andere Er- nährung? veränderte Körperhaltung oder Lagerung? die Einnahme von Medikamenten? aktiv sein?

Qualität und Quantität

Wie würden Sie das Symptom beschreiben– wie fühlt es sich an, wie sieht es aus, wie hört es sich an? Wie stark spüren Sie es im Augenblick? Ist es so stark, dass es Sie an jeder Aktivität hindert? Ist es stärker oder schwächer, als Sie es früher empfanden?

Region und Radiation

Wo tritt das Symptom auf? Strahlt es aus? Bewegt sich der Schmerz den Rücken oder den Armen, den Nacken oder den Beinen entlang?

Schwereskala

Wo würden Sie die Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10 einordnen, wenn die 10 den stärks- ten Schmerz bezeichnet? Zwingt Sie der Schmerz, sich hinzulegen, sich zu setzen oder langsamer zu werden? Scheint sich das Symptom zu bessern, zu ver- schlechtern, oder bleibt es ziemlich gleich?

Timing

An welchem Tag trat das Symptom zum ersten Mal auf? Um wie viel Uhr hat es angefangen? Wie fing das Symptom an: plötzlich? allmählich? Wie oft spüren Sie das Symptom: stündlich? täglich? wöchentlich? monatlich? Wann tritt es meist auf: untertags? abends? am frühen Morgen? Weckt es Sie auf? Tritt es vor, während oder nach dem Essen auf? Tritt es periodisch auf? Wie lange hält das Symptom an?

P

Q

R

S

T

Abb. 1.40 Von der subjektiven zur objektiven Information – die PQRST-Gedächtnisstütze.

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1.2.3 PFLEGEDIAGNoSTIK

z.B. Verwandten, Lebenspartnern, Pflegepersonal,

Ärztenusw.gewonnen.AuchPatientendokumente

wie Kurven, Anamnesebögen, Krankengeschichte,

Pflegeberichte,DokumentationderermitteltenVi-

talzeichenusw.könnenQuellenfürindirekteDaten

sein.

AssessmentinstrumenteDerzeit haben sich einige Assessmentinstrumente

beimFeststellendes tatsächlichenPflegebedarfs in

der Praxis bewährt. Im deutschsprachigen Raum

werden Assessment-Instrumente zur systemati-

schenErhebungdesspeziellenPflegebedarfsvonPa-

tientengruppen,z.B.inderPädiatrie,Onkologieoder

GerontologieundinFormvonSkalenzurEinschät-

zung bestimmter Risiken eines pflegebedürftigen

Menschen,z.B.desThromboserisikoseingesetzt.Es

sindjedochnichtalleInstrumenteausreichendwis-

senschaftlich fundiert und müssen daher in Bezug

aufihreValiditätjeweilskritischüberprüftwerden.

Methoden der DatenerhebungZudenMethodenderDatenerhebunggehörendie

BeobachtungdesMenschensowieGespräche, ins-

besonderedasAufnahmegespräch.

Beobachtung. Beobachten ist das aufmerksame

und bewusste, zielgerichtete und systematische

Wahrnehmen eines Zustandes, Verhaltens oder

einer Situation. Beobachtung geschieht über die

Sinne und kann durch Hilfsmittel und technische

Geräteunterstütztwerden.ZielderBeobachtungin

derPflegeistes,Informationenzuerhalten,umdie

Situation und den Zustand eines Menschen genau

erfassenzukönnen.

Die Beobachtung unterliegt wie die Wahrneh-

mungverschiedenenEinflussfaktoren.Hierzugehö-

renphysischeFaktorenundpsychischeFaktoren,die

sichaufdieQualitätderBeobachtungauswirken.

Beobachtenden Pflegepersonen sollte bewusst

sein,dassessichineinerPflegesituationmeistum

eine teilnehmende Beobachtung handelt. Bei der

teilnehmenden Beobachtung nimmt der Beobach-

terdurchseineAnwesenheitaufdiebeobachteten

Situationen Einfluss. Es ist wichtig, seine eigenen

GefühleunddaseigeneVerhaltenalsEinflussfakto-

renaufdieQualitätderBeobachtungzukennen.

ImZusammenhangmitderBeobachtungistauch

diekörperlicheUntersuchung,dasMessenundEr-

mittelnvonpflegerelevantenphysischenDatenbei

der InformationssammlungvonBedeutung.Durch

denEinsatzvonHilfsmittelnwerdenobjektivePa-

rameter wie der Blutdruckwert festgestellt. Das

ErfassendieserkörperlichenParameterkanninein

AufnahmegesprächzwischenPflegepersonundPa-

tientintegriertwerden.

Die so ermittelten Informationen gehören zu

denobjektivenDaten.AuchWunden,Bewegungs-

einschränkungendespflegebedürftigenMenschen

M Der Begriff�„Assess-

ment“ stammt aus der

englischen Sprache und bedeu-

tet (Ein-)Schätzung.

Beobachtung s. a. S. 66.

Assessmentinstrumente s. a.

S. 81.

o.Ä. müssen im Rahmen der Informationssamm-

lungsopräzisewiemöglichbeschriebenwerden.

Aufnahmegespräch. Es gibt viele Gesprächssitua-

tionen, indenenInformationenausgetauschtwer-

den, z.B. zwischen pflegebedürftigem Menschen

undPflegeperson,Angehörigenundanderenander

Pflege Beteiligten oder zwischen der Pflegeperson

unddenAngehörigen.DieseGesprächssituationen

ergeben sich bei der Pflegevisite, bei der Dienst-

übergabe, den Teambesprechungen, bei der Ver-

richtungeinerPflegetätigkeitoderdemBesuchei-

nesAngehörigenusw.

SobaldderpflegebedürftigeMenschimKranken-

haus oder Pflegeheim aufgenommen ist oder der

ersteBesuchinderhäuslichenPflegestattgefunden

hat,solltedasAnamnesegesprächgeplantwerden.

DabeisindauchAngehörigeeinzubeziehen.

Um auf das Gespräch gut vorbereitet zu sein,

sollten zuvor Arztbriefe, Überleitungsbögen usw.

von der Pflegeperson gesichtet werden. Die Pfle-

gepersonachtetbeidemGesprächaufverbaleund

nonverbale Äußerungen ihres Gesprächspartners.

Sie macht sich während des Gespräches ein Bild

vonderaktuellenSituation,denFähigkeiten,Prob-

lemenunddenmomentanenLebensgewohnheiten

despflegebedürftigenMenschen.

ZieldesGesprächesistes,einVertrauensverhält-

nisaufzubauen,aufdessenBasisdieaufgenomme-

ne Person sich auf detaillierte Aussagen einlassen

kann.Wichtigisteinevorurteilsfreieundempathi-

sche Haltung der Pflegeperson, damit der zu Pfle-

gendeseineWünscheundProblemeoffenanspre-

chenkann.DieErgebnissedesGesprächeswerden

schriftlichdokumentiert.

DokumentationDieDokumentationdererhobenenDatensolltedi-

rekt im Anschluss an die Informationssammlung

erfolgen.DabeimussdieVollständigkeitdererho-

benenDatengewährleistetsein.Essindbestimmte

Kriterien zu berücksichtigen, um ein einheitliches

Vorgehen aller an der Dokumentation beteiligten

Personenzugewährleisten.

Eswirdkurz,knapp,klarundpräziseformuliert.

Dabei müssen die Daten, wenn sie Eigeneinschät-

zungen, Wertungen oder Interpretationen enthal-

ten, entsprechend als subjektive Daten gekenn-

zeichnetwerden.DiesgiltfürAussagenderpflege-

bedürftigen Menschen oder der Angehörigen wie

fürsubjektiveEindrückedesPflegepersonals.

Bei der fortlaufenden Informationserhebung

werdendieReaktionenaufdieBehandlungimKur-

venblattunddemPflegeberichtdokumentiert.Jede

Zustandsveränderung wird eingetragen und mit

derSituationamAufnahmetagoderdengesetzten

pflegerischen Zielen verglichen. Gegebenenfalls

erfordert die fortlaufende Informationssammlung

eineÄnderungimPflegeplan.

M Hilfsmittel�zur�Daten-

erhebung�sind z. B.:

– Blutdruckmessgerät,

– Stethoskop,

– Waage,

– Thermometer.

Das Erstgespräch�zwischen

pflegebedürftigen Menschen

und betreuender Pflegeperson

spielt eine besondere Rolle, da

es der Beginn der pflegerischen

Beziehung ist, und es ist für die

Datenerhebung wichtig.

M Die Begriffe Erstge-

spräch, Aufnahmege-

spräch und Pflegeanamnese

werden oft synonym verwendet.

P Die Schrift muss für alle

am Pflegeprozess Betei-

ligten lesbar sein. Jeder Eintrag

wird mit Datum, Uhrzeit und ei-

ner Unterschrift bzw. einem

Handzeichen versehen.

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76

1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1Erkennen von Pflegeproblemen und RessourcenDerzweiteSchrittimPflegeprozessnachFiechteru.

MeierumfasstdasErkennenvonPflegeproblemen

undRessourcendesPatienten.

PflegeproblemeFiechter u. Meier definieren ein Problem als eine

„BeeinträchtigungdesPatienteninirgendeinemLe-

bensbereich,dieseineUnabhängigkeiteinschränkt

undihnbelastet.WennerdiesesDefizitnichtsel-

berkompensierenkann,brauchterPflege.Wenner

selberdamitfertigwird,isteswederfürihnnoch

für die Schwester ein Problem“ (Fiechter u. Meier

1990).Eswerden fünfArtenvonPflegeproblemen

unterschieden.

Aktuelle Probleme. Die Pflegeprobleme sind of-

fensichtlich, leicht identifizierbar, zum Zeitpunkt

der Informationssammlung vorhanden und erfor-

dernunmittelbarespflegerischesHandeln.DiePfle-

gebedürftigkeitgehtdirektvonBewohnernaus.

Potenzielle Pflegeprobleme. AuchRisikoprobleme.

EssindmöglicheProbleme,diebeieinempflegebe-

dürftigenMenschenaufgrundeinerspezifischenSi-

tuationeintretenkönnen,abernichteintretenmüs-

sen.SiekönnendurcheinequalifiziertePflegeperson

vorhergesehenwerdenundtretenmiteinergroßen

Wahrscheinlichkeit in Zukunft auf. Durch prophy-

laktischeMaßnahmenkannverhindertwerden,dass

einpotenzielleszumaktuellenProblemwird.

Verdeckte Pflegeprobleme. Sie sind nicht offen-

kundig.EntwederkenntderbetroffeneMenschsie

undmöchtenichtdarüberredenodereristsichih-

rernichtbewusst.DiePflegepersonkannverdeck-

tePflegeproblemeanhand ihrerKompetenzenund

aufgrunddesVerhaltensundderStimmungslageei-

nesMenschenlediglichableiten.EinVertrauensver-

hältniszwischenPflegepersonundderzubetreuen-

denPersonistsehrwichtig,damitverdecktePflege-

problemeoffenausgesprochenwerdenkönnen.

Generelle Pflegeprobleme. Eshandeltsichumty-

pische voraussehbare Probleme, die den meisten

PatientenuntergleichenBedingungenundmitden

gleichen Risikofaktoren gemeinsam sind. Generel-

lePflegeproblemebetreffenhäufigdiePhysiologie

desMenschen,essindMechanismen,diebeiallen

Menschen ähnlich ablaufen und zudem wissen-

schaftlicherforschtwerdenkönnen.FürsolchePro-

blemekönnenstandardisiertePflegepläneausgear-

beitetwerden.

EingenerellesProblemkann immerauchzuei-

nem individuellen Problem werden, sobald eine

besondereDispositiondespflegebedürftigenMen-

B Aktuelles�Problem:

Herr M. leidet unter

Schmerzen aufgrund einer Sto-

matitis.

B Potenzielles�Problem:

Herr M. ist aufgrund ei-

ner Nahrungs- und Flüssigkeits-

karenz soor- und parotitisge-

fährdet.

B Verdecktes�Problem:�

Eine Pflegeperson beob-

achtet, dass Herr M. nach dem

Besuch seiner Tochter sehr de-

primiert ist. Sie vermutet die Ur-

sache hierfür in einer problema-

tischen Beziehung zwischen den

beiden.

B Generelle�Pflegepro-

bleme:�Immobile Men-

schen weisen ein hohes Dekubi-

tusrisiko auf.

schen vorliegt oder Abweichungen vom typischen

Verlaufzuerkennensind.

Individuelle Pflegeprobleme. Sie sind charakte-

ristisch für einen bestimmten Menschen und be-

treffenseinepersönlicheLebenssituationundsein

persönliches Erleben. Individuelle Pflegeprobleme

tretenzugenerellenPflegeproblemenhinzu.

Pflegediagnostischer ProzessDas Ergebnis der Informationssammlung und die

erstelltenPflegeproblemebzw.-diagnosenwerden

schriftlich in der Pflegedokumentation festgehal-

ten.

Beim pflegediagnostischen Prozess handelt es

sich um einen dauerhaften Prozess, der mit der

festgestelltenDiagnoseersteinmalbeendetzusein

scheint,dochschonmiteinererneutenInformation

überdiezubetreuendePersonwiedervonNeuem

beginnenkann.Erläuftsowohlbewusstundratio-

nalgesteuertalsauchintuitivundunterEinbezug

vonErfahrungab.

Es lassen sich folgende diagnostischen Schritte

ausmachen: Zunächst werden im Rahmen der In-

formationssammlungsubjektive,objektive,direkte

und indirekte Daten durch Beobachtung, körper-

liche Untersuchungen und im Gespräch ermittelt

(Pflegeanamnese). Die erhobenen Daten werden

analysiert, d.h. systematisch untersucht und im

HinblickaufihreBedeutungfürdenpflegebedürf-

tigenMenscheninterpretiert.Hierausergebensich

eineodermehrereAnnahmenbezüglichdesPflege-

bedarfs,sog.Hypothesen.DieseAnnahmenwerden

durchgezielteweitere Informationssammlungbe-

stätigt,konkretisiertoderwiderlegtundinPflege-

problemenbzw.-diagnosenausgedrückt.

Dokumentation der Pflegeprobleme

Die Pflegeprobleme, denen die Pflegeperson die

meisteBedeutungzumisstundvondenensieüber-

zeugtist,dasssievorrangigbehandeltwerdenmüs-

sen,steheninderRangfolgeganzoben.Eshandelt

essichhierbeiumaktuelleProbleme.

DiePflegeproblememüssenvollständigerhoben

und dokumentiert sein. Erst wenn alle pflegerele-

vantenProblemeerfasstsind,könnenentsprechen-

de Ziele formuliert und die entsprechenden Maß-

nahmeneingeleitetwerden.

Das Problem wird kurz, prägnant und knapp

beschrieben.DabeiistaufeinelesbareSchriftund

Übersichtlichkeitzuachten.

Die Angabe von Ursachen für die bestehenden

Pflegeprobleme ist deshalb notwendig, weil nur

soineinerspäterenPhasedesPflegeprozessesdas

Problemrichtiggelöstwerdenkann.WenndieUr-

B Individuelle�Pflegepro-

bleme:�Herr M. kann

sich aufgrund seiner Sehbehin-

derung nicht selbstständig in

der für ihn ungewohnten Umge-

bung des Krankenhauses bewe-

gen.

D �Als pflegediagnos-

tischer�Prozess�wird

der Weg von der Informations-

sammlung bis zur Formulierung

eines oder mehrerer Pflegepro-

bleme oder Pflegediagnosen be-

zeichnet.

M Im Pflegeplan werden

die Pflegeprobleme nach

ihrer Priorität, d. h. entspre-

chend ihrer Dringlichkeit und

Wichtigkeit aufgelistet.

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77

1.2.3 PFLEGEDIAGNoSTIK

sachedesProblemsnichtbekanntist,isteineViel-

zahlvonMaßnahmenzurProblemlösungdenkbar.

Eine effektive Maßnahmenplanung bzw. Problem-

lösungistnurdannmöglich,wenndieUrsachedes

Pflegeproblemsbekanntist.

WirdnacheinerspeziellenPflegetheoriegearbei-

tet, dann wird bei der Dokumentation der Pflege-

problemez.B.nachOremfestgehalten,inwelchem

Lebensbereich das Selbstfürsorgedefizit besteht,

bzw.beiBezugaufdieLebensaktivitätenvonRoper/

LoganundTierneywirdnotiert,welcherBereichder

LebensaktivitätenaufwelcheWeisebetroffenist.

RessourcenDerBegriffderRessourcenwirdinvielenFachrich-

tungen benutzt. Ressource ist in der Psychologie

dieArt,wieMenschendieansiegestelltenAnfor-

derungenverarbeiten;derpersönliche,individuelle

Verarbeitungsstil des Einzelnen zur Bewältigung

von auftretenden Lebensaufgaben, die sog. Hand-

lungskompetenz.NurwenndieHandlungskompe-

tenz größer ist als die an den Menschen gestellte

Anforderung,kanndiesebewältigtwerden.

SchwesterLilianeJuchlisiehtindemBegriffder

Ressourcen einen Gegenpol zu der stark defizit-

undkrankheitsbezogenenPflege.IhrZielistes,sich

stärkeramGesundendesMenschenzuorientieren,

seinenochvorhandenenMöglichkeitenundFähig-

keitensowieseineSelbstheilungskräfteindiePfle-

geeinzubinden.

HäufigwerdendieRessourceninderPraxisnicht

oder nur unzureichend formuliert. Aber auch das

andere Extrem kann beobachtet werden: Jedem

Pflegeproblem wird unbedingt eine Ressource zu-

geordnet.Diesistabernichtimmermöglich.

InsgesamtergibtsicheingroßerUmfanganmög-

lichen Ressourcen. Um einen sinnvollen Überblick

derGesamtheitallermöglichenRessourcenzuer-

halten,werdendieseinunterschiedlicheKategori-

eneingeteilt.

Körperliche Ressourcen. Zuihnenzählenallekör-

perlichenLeistungenwiedieSehfähigkeit,dasHör-

vermögen, die Bewegungsmöglichkeiten, die wie-

derunterteiltwerdeninFein-undGrobmotorik,in

passiveundaktiveBewegungsvorgänge.DesWeite-

rengehörendazudieAufnahmevonFlüssigkeitund

Nahrungsmitteln,dasAtmenusw.

Innere, intellektuelle, persönliche oder geistige

Ressourcen. Dazuwerdenz.B.gerechnet:

– EntwicklungvoneigenenProblemlösungsstrate-

gien,

– VertrauenindieeigenePerson,

– Verstand,Vernunft,Verstehen,

– logischesundrationalesDenkvermögen,

– Sprachgefühl, Wahrnehmungsfähigkeit, Lernfä-

higkeit,

– dieMöglichkeit,daseigeneLebenzugestalten,

M Die Problemformulie-

rung umfasst die Art

und Weise des Defizits, den Be-

reich der Beeinträchtigung, den

Umfang des Problems sowie

dessen Ursachen und Auswir-

kungen auf den betroffenen

Menschen.

Dorothea Orem s. a. S. 22.

Pflegemodell von Roper, Logan

und Tierney s. a. S. 20.

D �Ressourcen sind Fähig-

keiten und Fertigkeiten,

die dem einzelnen Menschen zur

Verfügung stehen und durch ei-

ne aktivierende Pflege gefördert

werden können. Sie helfen, den

Genesungsprozess positiv zu be-

einflussen oder eine kritische Le-

benssituation beziehungsweise

-aufgabe sinnvoll zu bewältigen.

M Das Ziel�in�der�Pflege

ist es, die Ressourcen

des einzelnen Menschen optimal

zu nutzen und in die Pflege ein-

zubeziehen, damit seine Selbst-

ständigkeit erhalten bleibt, wie-

dererlangt oder Verschlechte-

rungen verhindert bzw. heraus-

zögert werden.

– dieFähigkeit,daseigeneTunzureflektierenund

verantwortlicheEntscheidungenzutreffen,

– LebensmutundLebenslust,

– Kreativität,FantasieundFlexibilität,

– HumorundFreudeusw.

AusdieserKategorieistdiegrößteAktivierungvon

LebenskräftenundEnergiemöglich,dasiesämtli-

cheExistenzebenendesMenschenberührtundda-

mitbeeinflusst.

Räumliche Ressourcen. Darunterverstehtmandie

UmgebungdesMenschen.Lebterz.B. ineineral-

tersgerechtenUmgebung, ist seinHausoderseine

Wohnung rollstuhlgerecht oder barrierefrei oder

-armgestaltet?GibteseinenFahrstuhlimHaus?

Soziale Ressourcen. Hierunter wird die sozia-

le Umwelt des Einzelnen, sein soziales Netz, wie

FreundeundVerwandte,undseinesozialenAktivi-

täten verstanden. Dazu gehört unter anderem die

Frage, welche seiner Verwandten und Freunde in

diePflegeeinbezogenwerdenkönnen.Umsichein

möglichstvollständigesBilddesMenschenmachen

zukönnen,istesauchwichtig,seinenpersönlichen

Lebensstil zu kennen. Welche sozialen Erwartun-

genundWertebesitzter,wasistihmwichtig?

Ökonomische Ressourcen. Hierzu gehören mate-

rielleGüterundfinanzielleMöglichkeiten,diez.B.

dieGestaltungdesLebensraumsermöglichen.

Spirituelle Ressourcen. Hierzu zählen die Werte,

diediebetreffendePersonverinnerlichthat.Soistes

vonBedeutung,obdiezubetreuendePersoneiner

Glaubensrichtungangehörtoderobsienichtgläubig

ist,obsieVorbilderfürihrLebenhat,Sinninihrem

LebensiehtundvollerHoffnungistoderehermutlos

unddieHoffnungindasLebenaufgegebenhat.

Das Erkennen von Ressourcen erfordert Übung.

Viele Pflegepersonen handeln problemorientiert,

d.h. sie erkennen sofort die Pflegeprobleme und

möchtendiesemöglichstschnellbeseitigen.Dabei

werdendieFertigkeitenundFähigkeitenderzube-

treuendenPersonoftübersehen.

Eine ganzheitliche Betrachtung kann helfen.

WerdendieRessourcen imPflegeplanberücksich-

tigt, erlangt der hilfsbedürftige Mensch schneller

seineSelbstständigkeitzurück.

Dokumentation der Ressourcen

Im Pflegeplan werden die ermittelten Ressourcen

des betroffenen Menschen in der dafür vorgese-

henen Spalte schriftlich festgehalten. Sie werden

dabei den Pflegeproblemen zugeordnet, zu deren

Bewältigungsiebeitragen.

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1Was sind Pflegediagnosen?DerProzessdesDiagnostizierensunddasErstellen

von Diagnosen ist nicht an die Zugehörigkeit ei-

ner Berufsgruppe, sondern an die Expertise eines

Menschen für einen bestimmten Aufgaben- und

Handlungsbereich gebunden. Dem Erstellen einer

Diagnose geht ein Prozess der Einschätzung und

BeurteilungeinerSituationvoraus.

Entwicklung der PflegediagnosenDiagnose ist ein gewöhnliches Fremdwort, das in

vielenZusammenhängengebrauchtwirdunddes-

sen Verwendung nicht auf die Berufsgruppe der

Mediziner beschränkt ist. Der Begriff Pflegedia-

gnosewurde1953erstmalsvonV.Fry indenUSA

geprägt.DieFormulierungeinerPflegediagnosesah

siealseinennotwendigenSchrittbeiderFestlegung

einesPflegeplansan.Beides,dieFormulierungeiner

PflegediagnoseunddieFestlegungeinesindividua-

lisiertenPflegeplans,stellteihrerMeinungnachdie

wichtigsteAufgabefürjemandendar,derkreativer

pflegen möchte. Die Entwicklung von Pflegedia-

gnosen hängt also auch eng mit der Orientierung

und Systematisierung pflegerischen Handelns am

wissenschaftlichenAnsatzzurProblemlösung,dem

Pflegeprozess,zusammen.

Pflegepersonen konnten mittels der Pflegedia-

gnosen erstmals sichtbar machen, dass sie einen

eigenständigen und von der medizinischen Diag-

nostik und Therapie unabhängigen Beitrag in der

Betreuung und Versorgung kranker Menschen er-

bringen.DerEinsatzdesPflegeprozessesunddiein

diesemRahmenformuliertenPflegediagnosenhat-

tenundhabensomitaucheinewichtigeFunktion

bei der Entwicklung des pflegeberuflichen Selbst-

verständnissesundinderBerufspolitik.

Aufgrund der starken Nähe zur Medizin setzte

sich die Verwendung des Begriffs Diagnose in der

Pflegejedochnurzögerlichdurch.Erhieltverstärkt

Einzug in die amerikanische Pflegeliteratur nach

demerstenTreffenderNationalGroupfortheClas-

sificationofNursingDiagnosis1973,beidemsich

Pflegepersonen aus Kanada und den USA zu einer

Konferenz zur Klassifikation von Pflegediagnosen

trafen.DieseGruppenanntesichab1982NANDA,

seit 2002 NANDA International, um die weltweite

VerbreitungderOrganisationzuverdeutlichen.

Pflegediagnosen der NANDA

Die NANDA trifft sich seit 1973 in zweijährlichem

Abstand,umanerkannteDiagnosenzuentwickeln,

zu überprüfen und neue Diagnosen zu klassifizie-

ren.Bis2009hatsieeineListevonmehrals200an-

erkanntenPflegediagnosenformuliert,die fortlau-

fendergänztundevaluiertwerden.EinegroßeZahl

dieserPflegediagnosenistindiedeutscheSprache

übersetztworden.DieArbeitderNANDAhatauch

B Der Begriff Diagnose

bezeichnet eine auf-

grund genauerer Beobach-

tungen oder Untersuchungen

abgegebene Feststellung oder

Beurteilung über den Zustand

und/oder die Beschaffenheit von

etwas, z. B. von einer Krankheit.

M NANDA = Nordamerika-

nische Pflegediagnosen-

vereinigung (North American

Nursing Diagnosis Association)

inderdeutschenPflegelandschaftvielfältigeImpul-

segesetzt.

Vorschläge für neue Pflegediagnosen kommen

aus der Pflegepraxis, beispielsweise von praktisch

tätigenPflegepersonen,LehrkräftenoderPflegefor-

schern.DieseVorschlägewerdenandenPrüfungs-

ausschuss der NANDA weitergegeben, der sie ent-

wederzurerneutenÜberarbeitungandieAutoren

zurückgibtoderandasExpertenkomiteeweiterlei-

tet.WenndasKomiteedieEmpfehlungzurAufnah-

me der neuen Pflegediagnose ausspricht, erfolgt

dieletztePrüfungdurchdenNANDA-Vorstandund

dieschriftlicheAbstimmungderMitgliederaufden

zweijährlich stattfindenden Generalversammlun-

gen. Bei mehrheitlich positiver Abstimmung wird

diePflegediagnosezurÜberprüfung inderPflege-

praxisempfohlenundindieListederPflegediagno-

senderNANDAaufgenommen.

AusdieserDefinitionderNANDAlassensichnach

Gordon(2001)mehrereMerkmalevonPflegediag-

nosenableiten:

– Ausgangspunkt fürdieFormulierungeinerPfle-

gediagnosesinddieReaktioneneinesMenschen

odereinerGruppevonMenschen(Familienund

Gemeinden) auf Gesundheitsprobleme oder Le-

bensprozesse. Pflegediagnosen beziehen sich

demnach auf das individuelle Verhalten und

Erleben des Patienten und nicht, wie beispiels-

weisemedizinischeDiagnosen,aufdieKrankheit

selbst.

– DieReaktionenaufoderFolgenvonGesundheits-

problemenoderLebensprozessenlassensichan

einem oder mehreren Zeichen und Symptomen

beobachten.

– GesundheitsproblemeoderLebensprozessekön-

nen einerseits aktuell bestehen, also zum Zeit-

punkt der Diagnosestellung bereits vorhanden

sein, andererseits können sie auch potenziell

vorliegen,d.h.eskanneinRisikofürderenAuf-

tretenbestehen.

– Neben Gesundheitsproblemen können auch Le-

bensprozesse, wie z.B. die Zuschreibung oder

ÜbernahmeneuerRollen,Reaktionenbeieinem

oder mehreren Menschen hervorrufen, die zur

Formulierung einer Pflegediagnose führen, z.B.

einElternrollenkonflikt.

– BeiderPlanungderPflegewähltdiePflegeperson

die Pflegemaßnahmen und erreichbaren Pflege-

ziele aus, die sich auf die in der Pflegediagnose

beschriebenen Reaktionen des Patienten bezie-

hen. Die Pflegediagnose ist Ausgangspunkt für

die Planung, Durchführung und Evaluation der

Pflege.

– Die Pflegeperson ist verantwortlich für das Er-

reichen der aus der Pflegediagnose abgeleiteten

Pflegeziele.

D �Pflegediagnose nach

der NANDA: “Eine kli-

nische Beurteilung einer

menschlichen Reaktion auf Ge-

sundheitszustände/ Lebenspro-

zesse oder einer Vulnerabilität

für diese Reaktion eines Indivi-

duums, einer Familie, Gruppe

oder Gemeinschaft. Eine Pflege-

diagnose stellt die Grundlage für

die Auswahl an Pflegeinterventi-

onen hinsichtlich der Erzielung

von Outcomes dar, für die Pfle-

gende verantwortlich sind“. (an-

genommen auf der 9. NANDA-

Konferenz; verändert in den Jah-

ren 2009 und 2013.) (NANDA-I

2016, S. 499).

M Pflegediagnosen bezie-

hen sich auf die Reakti-

onen eines Menschen, einer Fa-

milie oder einer Gemeinde, auf

aktuelle oder potenzielle Ge-

sundheitsprobleme oder Lebens-

prozesse.

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1.2.3 PFLEGEDIAGNoSTIK

Arten von PflegediagnosenAlle von der NANDA anerkannten Pflegediagnosen

werden mit einem Pflegediagnosetitel und einer

zugehörigenDefinitionversehen.

Pflegediagnosentragendazubei,deneigenstän-

digen und spezifischen Handlungs- und Verant-

wortungsbereichderPflegezubeschreiben,indem

sie Situationen und Zustände benennen und be-

schreiben,dievonberuflichPflegendenfestgestellt

werden und in denen beruflich ausgeübte Pflege

erforderlich ist. Damit verdeutlichen sie – sowohl

innerhalb der eigenen Berufsgruppe, aber auch

gegenüber anderen Berufsgruppen – wichtige Be-

standteile des Pflegewissens. Zugleich wird hier-

durch die Entwicklung eines beruflichen Selbst-

verständnissesvonPflegepersonenunterstütztund

der pflegerische Verantwortungsbereich von dem

andererBerufeimGesundheitswesenabgegrenzt.

Pflegediagnosen verkörpern damit einen Teil

der Pflegefachsprache, die der Verständigung von

Pflegepersonenuntereinanderdient,indemsiedie

gezielteInformationssammlungunddieIdentifika-

tion potenzieller und aktueller Patientenprobleme

unterstütztundeinepräziseundeffizientemünd-

liche und schriftliche Informationsweitergabe er-

möglicht.

Hinsichtlich ihrer Struktur werden aktuell vier

ArtenvonPflegediagnosenunterschieden.

Problemfokussierte PflegediagnosenEine problemfokussierte Pflegediagnose besteht

ausdreiElementen:

1. Pflegediagnosetitel(PD)beeinflusst durch (b/d),

2. beeinflussendeFaktorenangezeigt durch (a/d),

3. bestimmendeMerkmaleoderKennzeichen.

DieeinzelnenElementewerdenmitdenFormulie-

rungen„beeinflusstdurch“bzw.„angezeigtdurch“

verbunden.

SymptomeundZeichen(engl.„cue“)könnenso-

wohl objektiver Natur (z.B. eine messbar „erhöh-

te Körpertemperatur“) als auch subjektiver Natur

(z.B.beobachteteVerhaltensänderungen)sein.Die

bestimmenden Merkmale oder Kennzeichen der

aktuellen Pflegediagnosen lassen sich in Haupt-

kennzeichen(tretenin80–100%derFälleauf)und

Nebenkennzeichen(tretenin50–79%derFälleauf)

unterscheiden.

M Der Pflegediagnoseti-

tel ist eine Bezeichnung,

die kurz und präzise die Reakti-

on eines Menschen auf Gesund-

heitsprobleme/Lebensprozesse

beschreibt.

D �Problemfokussierte�

Pflegediagnosen�sind

„eine klinische Beurteilung einer

unerwünschten menschlichen

Reaktion auf einen Gesundheits-

zustand/ Lebensprozesse, die bei

einem Individuum, Familie,

Gruppe oder Gemeinschaft auf-

treten (NANDA-I 2016, S. 499).

Ein Beispiel für eine problemfokussierte Pflege-

diagnose ist: Flüssigkeitsdefizit beeinflusst durch

(b/d) aktiven Flüssigkeitsverlust angezeigt durch

(a/d)VeränderungdesHautturgorsundAnstiegder

Urinkonzentration.

Risiko-PflegediagnosenRisikopflegediagnosen benennen in der Diagnose

einenodermehrereRisikofaktorenbeimPatienten,

diedasAuftretendieserReaktionbegünstigen.Risi-

kofaktorensindUmstände,dieeinebesondereGe-

sundheitsgefährdungbegründen.Siebestehenaus

zweiElementen:

1. GefahrvonPflegediagnosetitel(PD)beeinflusst

durch (b/d)

2. Risikofaktoren.

Bei der Formulierung einer Risiko-Pflegediagnose

wird der Pflegediagnosetitel mit dem Wort „Ge-

fahr“ergänzt.

InderpflegerischenPraxiskönntedieseDiagnose

dannwiefolgtaussehen:GefahreinesFlüssigkeits-

defizitsbeeinflusstdurch(b/d)übermäßigenFlüs-

sigkeitsverlustüberdiephysiologischenWege.

Pflegediagnosen der GesundheitsförderungPflegediagnosen der Gesundheitsförderung be-

schreiben die Fähigkeiten und Ressourcen des Pa-

tienten,dieereinsetzenkann,umseinWohlbefin-

denzuverbessern,undbeziehensichdamitaufdie

MöglichkeitzurSteigerungdesGesundheitszustan-

des.

Voraussetzung für die Formulierung einer Ge-

sundheitsdiagnose ist entsprechend die Bereit-

schafteinesMenschen,seinenGesundheitszustand

zu verbessern. Sie werden für einzelne Personen,

Familien, Gruppen oder Gemeinschaften formu-

liert.

Pflegediagnosen der Gesundheitsförderung sind

zweiteilige Aussagen. Sie bestehen aus dem Pfle-

gediagnosetitel und bestimmenden Merkmalen

oder Kennzeichen. Ein Beispiel ist die Pflegediag-

nose „Bereitschaft für eine verbesserte Harnaus-

scheidung angezeigt durch (a/d) den geäußerten

Wunsch,dieHarnausscheidungzuverbessern.

D �Risiko-Pflegediagno-

sen�bedeuten „eine kli-

nische Beurteilung der Vulnera-

bilität eines Individuums, Fami-

lie, Gruppe oder Gemeinschaft,

eine unerwünschte menschliche

Reaktion auf Gesundheits-

zustände/ Lebensprozesse zu

entwickeln“ (NANDA-I 2016,

S. 499).

D �Pflegediagnosen�der�

Gesundheitsförderung�

sind „eine klinische Beurteilung

der Motivation und des Wun-

sches, das Wohlbefinden zu stei-

gern und das menschliche Ge-

sundheitspotenzial zu verwirkli-

chen“ (NANDA-I 2016, S. 499).

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1Klassifikation von PflegediagnosenÄhnlich wie bei der Ordnung von Pflegetheorien

werden Ordnungssysteme auch im Zusammen-

hang mit Pflegediagnosen verwendet. Die NANDA

hathierzueinKlassifikationssystem,diesog.Taxo-

nomieII,entwickelt,dasdenUmgangmitunddie

AnwendungvonPflegediagnosenerleichternsoll.

Klassifikation der NANDAZu Beginn ihrer Arbeit listete die NANDA die an-

erkannten Pflegediagnosen alphabetisch auf. Um

Übersichtlichkeit und Anwendung der Pflegediag-

nosenzuerleichtern,entwarfeineGruppevonPfle-

getheoretikern ein Klassifikationssystem. Es geht

von 13 Bereichen (Domänen) und 47 Klassen aus,

denen die einzelnen Pflegediagnosen zugeordnet

werden. Unter einem Bereich wird ein „Wissens-

gebietvonAktivitäten,Untersuchungenoder Inte-

ressen“verstanden;Klassenbezeichnen„eineUn-

tergruppeeinergrößerenGruppe;eineUnterschei-

dungvonPersonenoderDingendurchQualitäten,

ReihenfolgenoderGradierungen“ (Roget1980,zit.

n. NANDA International 2005). Damit umfasst die

Taxonomie IIderNANDA3Ebenen:1.Bereiche,2.

Klassenund3.Pflegediagnosen.

Neue Pflegediagnosen werden ihrer Definition

entsprechendklassifiziert,d.h.demjeweilspassen-

denBereichundeinerspezifischenKlassezugeord-

net. Gleichzeitig werden sie innerhalb der einzel-

nenKlassenalphabetischnachdemdiagnostischen

Begriff (z.B. Selbstversorgung) geordnet und mit

einem fünfstelligen Zifferncode versehen, der die

NummerderanerkanntenPflegediagnoseenthält.

Neue Pflegediagnosen können in die Taxonomie

IIeingeordnetwerden,ohnedassdieCodesderein-

zelnenDiagnosenjeweilsgeändertwerdenmüssen.

Vorteile von KlassifikationssystemenEin Klassifikationssystem ermöglicht die Ordnung

undStrukturierungpflegerischenWissensundträgt

dazubei,wissenschaftlichfundiertesPflegewissen

zubeschreibenundzuentwickeln.DasKlassifika-

tionssystem ermöglicht außerdem die computer-

gesteuerteErfassung,AnalyseundSynthesepflege-

rischerDatensowohl fürdiePflegepraxisalsauch

für die Pflegeforschung. Gerade für den Bereich

der Pflegeforschung sind eine einheitliche Termi-

nologieundeinKlassifikationssystemwichtig,um

Forschungsstudien vergleichbar machen und For-

schungsergebnisseevaluierenzukönnen.DieEnt-

wicklungneuerPflegediagnosenkannauchalsein

Beispiel für die induktive Vorgehensweise bei der

Pflegeforschung gesehen werden. Außerdem wird

durch die Verwendung klassifizierter Pflegediag-

nosendieLeistungserfassungundBerechnungpfle-

gerischerLeistungennachpflegerischen(undnicht

nachmedizinischen)Diagnosenermöglicht.

D �Ein Klassifikationssys-

tem kann vereinfacht

als eine Ordnungshilfe beschrie-

ben werden, die die Zuordnung

einzelner Elemente zu verschie-

denen Klassen und deren Hierar-

chisierung ermöglicht.

Pflegeforschung s. a. S. 25.

Andere OrdnungssystemeEineandereArtderZuordnungvonPflegediagnosen

wirdvonderamerikanischenProfessorinfürPflege

Marjory Gordon vorgeschlagen. Sie verwendet als

Diagnosekategorien elf funktionelle Verhaltens-

muster („functional health patterns“). Neben den

anerkannten und noch im Anerkennungsprozess

befindlichen Pflegediagnosen der NANDA finden

sich in ihrem Handbuch weitere Pflegediagnosen,

diesich inderPraxisalsnützlicherwiesenhaben,

abernochnichtvonderNANDAanerkanntwurden.

Pflegediagnosen im PflegeprozessDerWegvonderInformationssammlungimPflege-

prozessbiszurFormulierungeinerodermehrerer

PflegediagnosenwirdauchalsdiagnostischerPro-

zess bezeichnet. Er beschreibt das Vorgehen einer

Pflegeperson bei der Analyse, Synthese und Inter-

pretation der erhobenen subjektiven und objekti-

ven gesundheits- und krankheitsbezogenen Daten

einespflegebedürftigenMenschenimHinblickauf

eine diagnostische Aussage. Dieser Prozess kann

nach Gordon (2001) in folgenden Schritten be-

schriebenwerden:

– SammlungderInformationen:Ausallenverfüg-

baren Informationsquellen werden pflegerele-

vante subjektive und objektive Informationen

erhoben.

– InterpretationderInformationen:Dieerhobenen

DatenwerdenhinsichtlichihrerBedeutungana-

lysiert,interpretiertundbeurteilt.ErsteSchluss-

folgerungenwerdengezogen.

– BündelungderInformationen:DieInformationen

werdenaufderBasisderSchlussfolgerungenzu

Gruppen, sog.Kennzeichenclustern,zusammen-

gefügt und mit möglichen Diagnosekategorien

abgeglichen. Dabei werden mögliche Pflegedia-

gnosenausderPflegediagnosenlisteausgewählt

und auf Übereinstimmung zwischen Definition

und Merkmalen mit den erhobenen Daten des

pflegebedürftigenMenschenüberprüft.

– BenennungdesKennzeichenclusters:DasErgeb-

nis des Abgleichs wird als definitives Gesund-

heitsproblem des pflegebedürftigen Menschen,

alsoalsPflegediagnosedokumentiert.

Grundlage für das Formulieren einer Pflegediag-

nosebildenfolglichdasAssessmentunddieklini-

sche Beurteilung der Gesundheitssituation eines

Menschen. Hierbei werden subjektive und objek-

tive Daten und Ressourcen systematisch erhoben.

Der pflegediagnostische Prozess verlangt daher

ein kontinuierliches Abgleichen der gezogenen

Schlussfolgerungen mit weiteren Beobachtungen

undneuenInformationenüberdenpflegebedürfti-

genMenschen.

M Pflegediagnosen stellen

wie die formulierten

Ressourcen und Probleme des

pflegebedürftigen Menschen

den Ausgangspunkt für Planung,

Durchführung und Evaluation

der Pflege dar.

Andreae, Altenpflege in Lernfeldern (ISBN 978-3-13-240270-6), © 2018 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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81

1.2.3 PFLEGEDIAGNoSTIK

AssessmentinstrumenteAssessmentinstrumenteunterstützenPflegendebei

Entscheidungen im Verlauf des gesamten Pflege-

prozesses. Sie können an unterschiedlichen Punk-

tenindiesemProzessgreifen.AlleInstrumenteha-

ben das Ziel, Gesundheitsindikatoren, Fähigkeiten

und Verhaltensweisen systematisch festzuhalten

unddarausSchlussfolgerungenzuziehen.

Instrumente haben in erster Linie die Funktion,

bei der individuellen Einschätzung der Situation

einesPflegebedürftigenHilfezuleisten,umsiege-

nauerodereinfacherfeststellenzukönnenalsohne

Instrument.InstrumenteunterstützendiePflegedi-

agnostikundtragenzurEntscheidungsfindungbei.

Aufgaben von AssessmentinstrumentenPflegerelevante Phänomene erfassen. Assessment-

instrumentetragengenerelldazubei,gesundheits-

bzw.pflegebezogenePhänomenezuerfassen.Zum

einen geht es dabei um so komplexe Phänomene

wie Pflegebedürftigkeit, also die Gesamtheit der

gesundheitsbezogenen Indikatoren, die pflegeri-

sche Unterstützung erfordern. Zum anderen wer-

den nur Teile von Pflegebedürftigkeit erfasst wie

bestimmteeinzelnephysio-psycho-sozialeFunkti-

onen (z.B. Mobilitätszustand, Ernährungszustand,

Inkontinenzprofile) (Bartholomeyczik et al. 2009,

Reuschenbach et al. 2011). Das Neue Begutach-

tungsyssessment (NBA), das ab 2017 zur Beurtei-

lungvonPflegegradengenutztwird,kannohnedie

Gradbemessungen auch als individuelles Assess-

mentinstrumentangewendetwerden(GKV2011).

Risiko erfassen. Instrumente zur Risikoerfassung

werdenhäufiggenutzt.MitihnenkönnendieNut-

zer einschätzen, ob Patienten einer bestimmten

Risikogruppeangehören(Dekubitus-,Pneumonie-,

Kontrakturen-, Sturzrisiko). Weniger bekannt sind

Instrumente,diedasRisikodesEintrittsvonPflege-

bedürftigkeit oder der Verschlechterung von Pfle-

gebedürftigkeitimVorausabschätzenkönnen.

Pflegerische Diagnosen erstellen. DasichdiePfle-

genichtmitKrankheiten,sondernmitReaktionen

aufdiesebeschäftigt,alsoehermitdemKranksein

als mit der Krankheit, ist es das Ziel pflegerischer

Assessmentverfahren, zur Erstellung pflegerischer

und nicht medizinischer Diagnosen beizutragen.

WennhierderBegriffPflegediagnosebenutztwird,

dannbeziehtersichnichtaufeinbestimmtesSys-

tem (z.B. NANDA-Diagnosen), sondern bezeichnet

nurdieZusammenführungvonInformationen,die

alsGrundlagefürdieEntscheidungfürpflegerische

Maßnahmendienen.DabeigibtesvieleInstrumen-

te,diesowohlPflegendealsauchÄrztefürihreje-

weilsunterschiedlichenAufgabennutzen.Wesent-

lichisteher,zuwelchenMaßnahmendieErgebnis-

seführen.Ärztlicherseitswirdz.B.dieVAS(visuelle

Analogskala)zurErfassungvonSchmerzeingesetzt,

um die Frage nach weiteren Schmerzmedikamen-

tenzuentscheiden.Pflegendenehmensie,umpfle-

gerische Maßnahmen einzusetzen, Entwicklungen

zuüberprüfenundggf.einärztlichesEingreifenzu

organisieren.

Pflegebedarf einschätzen. Ein weiterer großer

Aufgabenbereich von Assessmentinstrumenten im

Rahmen des Pflegeprozesses ist die Einschätzung

des Pflegebedarfes und des Pflegeaufwandes (also

als Hilfsmittel für das Management). Das Erfassen

der hierfür relevanten Informationen spielt nicht

nur eine wichtige Rolle bei der Planung individu-

eller Maßnahmen, des Einsatzes von Personalres-

sourcenundHilfsmittelnoderbeiderZeitplanung

füreine individuellePatientin,sondernspätestens

seitderEinführungderPflegeversicherungbeileis-

tungsrechtlicher Abrechnung. Die Einführung der

DRGimKrankenhausbereich,dieaufmedizinischen

Diagnosen aufbaut und die ärztliche Behandlung

imMittelpunktsieht,hatdieNotwendigkeitguter

ErfassungsinstrumentefürdieDarstellungpflegeri-

scherLeistungenextremverdeutlicht.

Was heißt eigentlich Assessmentinstrument?Der Begriff Assessmentinstrument ist ein Begriff,

dernichtimmereinheitlichgenutztwirdunddaher

erklärtwerdensoll.

Assessment

Zu einer Einschätzung oder Beurteilung gehören

immerzweiAspekte:

– Informations-oderDatensammlung

– dieInterpretationdieserDaten.

Dasbedeutet,dassnichtnurbeschriebenwird,dass

aneinerbestimmtenStelleeinesPatientendieHaut

gerötet istundbeieinemDruckmiteinemFinger

die Rötung persistiert, sondern auch, was das be-

deutet. In diesem Fall kann dieses ein Dekubitus

im Stadium 1 sein. Eine Einschätzung im Rahmen

der Pflege wird immer mit einem Ziel vorgenom-

men,nämlichInformationenfüreineEntscheidung

zuerhalten,welcheMaßnahmengetroffenwerden

müssen, um das identifizierte Problem positiv zu

verändern.DasAssessmentinderPflegebeinhaltet

gesundheitsbezogene Informationen einer Person,

die möglicherweise der Pflege bedarf. Soweit ist

diesallgemeinderersteSchrittimPflegeprozess.

Assessmentinstrument

Ein Assessmentinstrument ist ein standardisiertes

Hilfsmittel (Instrument),mitdemdasAssessment

durchgeführt werden kann. Standardisiert heißt,

dassesindendafürvorgesehenenFällenimmerin

M Assessment heißt aus

dem Englischen über-

setzt Einschätzung, Beurteilung,

Abwägung.

B Eine einfache Skala ist

die visuelle Analogskala

(VAS) zur Einschätzung der

Schmerzstärke. Je nach Einstel-

lung durch den Patienten wird

ein Punktwert zugeordnet, der

als starker oder weniger starker

Schmerz zu interpretieren ist.

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1der gleichen Art und Weise angewandt wird. Das

bedeutet auch, dass es genaue Verfahrensweisen

gibt, wie das Instrument anzuwenden ist. Meist

kreuzen Nutzer bestimmte Ergebnisse an oder le-

seneineSkalaab.BeideswirdinZahlenübersetzt,

deren Verwendung dann die benötigte Entschei-

dungshilfegibt.

Screening

Instrumente, die relativ einfach und oberflächlich

eineWahrscheinlichkeitvonRisikenoderSchäden

erfassen,werdenalsScreeningbezeichnet.Einein-

fachesScreeningzurErfassungvonAnzeicheneiner

drohenden oder bestehenden Mangelernährung

kannz.B.ausdreiItems(Fragen)bestehen(Schrei-

eretal.2010):

– Gewichtsabnahme in einem bestimmten Zeit-

raum,

– unzureichendeNahrungsaufnahme,

– erhöhter Bedarf durch besondere Unruhe (z.B.

Demenzkranke).

WirdeinesdieserItemsfestgestellt,mussgenauer

untersucht werden, ob es sich tatsächlich um ein

ErnährungsdefizithandeltundindiesemFall,wo-

ran das liegt. Screenings erfordern also üblicher-

weiseeineweitergehendevertiefteDiagnostik,ein

differenziertes Assessment. Andere Instrumente

sind differenzierter, z.B. die Braden-Skala. Ihnen

musssichkeineweitereDiagnostikmehranschlie-

ßen, um entsprechende pflegerische Maßnahmen

zubegründen.

FürfastalleInstrumentegilt,dasssiekeineFra-

gebogenimSinneeinerwörtlichvorzunehmenden

Abfrage darstellen, sondern eher als Leitfaden für

evtl.völligverschiedeneDaten-oderInformations-

quellen zu nutzen sind. Die Datenquellen können

Beobachtungen der Patientin sein, können durch

Befragung bei ihr oder bei Angehörigen erlangt

werden,siekönnendurchUrteilevonKolleginnen

oder anderen Professionen entstehen, direkt oder

aus Dokumentationen. Die Struktururierte Infor-

mationserfassung (SIS) im Rahmen des „Struktur-

modellszurModifizierungdesPflegeprozessesund

derPflegedokumentation“von2014stelltkeinAs-

sessmentinstrumentdar(Beikirchetal.2014).

Nutzen von AssessmentinstrumentenWelchen Nutzen haben Assessmentinstrumente?

KönntemanauchohnevorgegebeneFormulierun-

gen feststellen, ob eine Dekubitusgefahr vorliegt

odereinPatientSchmerzenhat?Ja,natürlich,und

vorallemerfahrenePflegendekönnendieSituati-

onvonPatientenoftmalsguteinschätzen.Dennoch

sind Assessmentinstrumente aus mehreren Grün-

denzuempfehlen:

Pflegediagnostik verbessern. Vor allem dienen

sie–wieobenbereitsdargestellt–alsHilfsmittel

füreinegutePflegediagnostik.Einstandardisiertes

InstrumentkannsoetwaswieeineLandkartesein.

DieKarteistabernichtdieLandschaftselbst,son-

derngibtnurAuskunftüberdieLandschaftundden

Weg.BeiderpflegerischenDiagnostikgehtesaller-

dings um die Gesundheit und Lebensqualität von

pflegebedürftigen Menschen, Irrfahrten in diesem

SinnesindPflegefehlerundabsolutzuvermeiden.

Alle Instrumente sollen die Pflegediagnostik steu-

ern, die Nutzer auf bestimmte Inhalte stoßen, die

eszubeachten,zubeobachten,zuerfragenoderauf

andereArtzuerfassengilt.Siedienenalsoauchals

Gedächtnisstütze.InStudienwurdenachgewiesen,

dasssowohldieGenauigkeitalsauchdieDifferen-

ziertheit von Informationen über die Situationen

vonPatientendurchdieNutzungvonAssessment-

instrumentenzunehmenkannundvorallem,dass

dieIntensitätundEffektivitätvonProphylaxennach

derNutzungvonRisikoskalenzunimmt(Pancorbo-

Hidalgoetal.2006).DerEinflussaufdieDekubitus-

häufigkeitistallerdingsunklar.

Vergleichen. Etwas standardisiert zu erfassen,

heißt immer auch – im Gegensatz zu nicht stan-

dardisierten Verfahren –, dass die Informationen

durchdieimmergleicheArtdesVerfahrensundder

Dokumentation vergleichbar sind. Dies wird vor

allemdadurcherleichtert,dassdie Inhalte inZah-

len übersetzt werden. Durch den Vergleich dieser

Zahlen können Verläufe einzelner Patienten oder

Pflegebedürftiger leicht aufgezeigt werden. Sinn-

vollistesz.B.,einenZustandbeiBeginnderKran-

kenhausbehandlungmitdembeiderEntlassungzu

vergleichen. Wie aussagekräftig solche Vergleiche

sind, hängt ganz wesentlich von der Qualität der

Instrumenteab.Soistz.B.einBarthelindexsogrob,

dass er kleine Fortschritte in der Mobilität und

Selbstpflege kaum aufzeigen kann (Halek 2003).

Assessmentinstrumente können also einen wert-

vollen Beitrag für Qualitätsentwicklungsmaßnah-

menliefern.

Dokumentation erleichtern. Wegen ihrer Stan-

dardisierung istesmöglich,dieDaten leichtEDV-

gängig zu machen. Ein Instrument kann schon in

ein System einprogrammiert und dadurch nutzer-

freundlichgestaltetsein.DaserleichtertdieDoku-

mentation. Die Qualität hängt natürlich auch von

derQualitätderSoftwareab.

Daten zur Verfügung stellen. Sobald Daten stan-

dardisiertgespeichertsind,könnensieauchfüran-

dereZweckeverwendetwerden.SohatdieEinfüh-

rung der DRG-basierten Finanzierung in Kranken-

häuserndazugeführt,dassdiePflegealswichtiger

TeilderKrankenhausversorgungziemlichunsicht-

bargewordenist.Eswerdenzwar–wievomSystem

gefordert – medizinische Diagnosen differenziert

kodiert, aberPflegebedarf,dernichtdirektdaraus

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1.2.3 PFLEGEDIAGNoSTIK

ableitbarist,gehtdabeiunter.Zunennenwärehier

alsBeispieldieMobilitätsbeeinträchtigungundda-

mitverbundeneRisikenwieDekubitus,Pneumonie

oderThrombose.DiesennegativenFolgenvonMo-

bilitätsbeeinträchtigung vorzubeugen ist Kernauf-

gabe der Pflege und relativ unabhängig davon, ob

diemedizinischeDiagnoseHerzinfarktoderDarm-

krebsmitnachfolgenderOperationheißt.Einerster

Schritt, der Pflege einen angemesseneren Stellen-

werteinzuräumen,wäredieSammlungderartiger

Daten,auchimControlling.

Weiterverwertung. Schließlichermöglichtdiever-

stärkte Nutzung standardisierter Instrumente und

deren Integration in Datensysteme Auswertungen

auf ganz anderen Ebenen, denn damit sind nicht

nur die individuellen Daten, sondern auch Grup-

pen vergleichbar. Neben der Möglichkeit, diese

Daten als Qualitätsindikatoren zu nutzen, können

sieauchalsGrundlagefürStudiendienen,z.B.für

epidemiologische Fragestellungen oder eine Pfle-

geberichterstattung(dip2003,Bartholomeycziket

al.2010),zurBegründungvonPflegeaufwandoder

auchfürUntersuchungenzurEffektivitätvonpfle-

gerischerVersorgung(Abb. 1.41).

Grenzen und Gefahren von AssessmentinstrumentenLeider zeigt die Analyse von Pflegedokumenten,

dass das Assessment sehr häufig nicht als solches

genutzt wird, d.h. die Maßnahmenplanung in der

Dokumentation vernachlässigt die Informationen

des Assessments, die Probleme aus dem Assess-

mentfindensichimBerichtoftnichtwieder.Auch

wennsichdiesnuraufdieDokumentationbezieht

und diese nicht identisch mit dem tatsächlichen

Handeln ist, zeigt sie doch Bedeutungen, die Pfle-

gende bestimmten Bereichen geben. Eine Analyse

von 279 Dokumentationen in 26 Altenpflegehei-

menzeigt,dassbeiderPflegeplanunginnichtganz

derHälftederFälle,nämlichin48%Bezugaufdas

Assessmentgenommenwird.Ähnlichsiehtesbeim

Verlaufsberichtaus:Nurin21%derFällewirdauf

dasAssessmentBezuggenommen(Bartholomeyc-

ziketal.2004).

Grenzen und Gefahren sind:

– Ein Assessmentinstrument zu nutzen, um es

dannsäuberlichabzuheftenundniemehranzu-

sehen,istüberflüssig.

– Ebenso überflüssig ist es, ein Assessmentins-

trumentalsErsatz für fachlicheExpertiseanzu-

sehen.EineGefahrbeiderAnwendungstandar-

disierter Instrumente besteht darin, dass viele

Menschen glauben, sie könnten ohne Reflexion

eingesetztwerden.Sosollesvorgekommensein,

dasseinoffensichtlichschmerzgeplagterPatient

sich zu seinen Kommunikationsfähigkeiten, sei-

nen Atemproblemen und anderen Selbstpflege-

fähigkeitenäußernmusste,bevorerdaszentrale

ProblemSchmerzansprechendurfte,nurweildie

vorliegendeChecklistedieseReihenfolgevorgab.

WenneinstandardisiertesInstrumentalsodazu

verführt, das Denken und das Hineindenken in

den Patienten zu vernachlässigen, dann ist dies

ein Missbrauch. Hermeneutische Kompetenz in

demSinne,den„Fall“auchausderSichtdes„Fal-

les“ rekonstruieren zu können, ohne dabei die

professionelle Sicht aufzugeben, ist neben den

Kenntnissen der wissenschaftlichen Grundlagen

Voraussetzung für eine gute Pflegediagnostik

(Schrems2016).

– Die Nutzung von Assessmentinstrumenten ver-

langt eine spezifische Expertise. Neben der Tat-

sche,dassdieNutzerinnenmitdemInstrument

umgehen können und sie wissen, wie sie die

Informationen fachgerecht sammeln, muss die

Nutzerin beurteilen können, ob das Instrument

inderspeziellenSituationüberhauptangebracht

ist. Instrumente können sehr sinnvoll und hilf-

reichsein,wennihreFormnichtmitdemInhalt

verwechselt wird, d.h. wenn sie als Hilfsmittel

verwendet werden, das von qualifizierten Pfle-

genden zur Unterstützung ihrer Arbeit genutzt

wird(Bartholomeycziketal.2009).

– Nicht zielführend sind einzelne Assessmentins-

trumente, die an ein vorhandenes Dokumenta-

tionssystem angehängt werden, ohne zu über-

prüfen,obdiebenötigten Informationenbereits

durch andere Teile des Dokumentationssystems

erfasst werden. Das führt zu Doppeldokumen-

tation mit all den damit verbundenen Frustra-

tionen. Standardisierte Assessmentinstrumente

müssen in das gesamte Dokumentationssystem

integriertsein.

I Internet:

http://www.thieme.de/

cne/fortbildung

http://www.kda.de

http://www.dcm-deutschland.de

Abb. 1.41 Schmerzerfassung bei Menschen, die an Demenz erkrankt sind. (Foto: Stefan Mugrauer)

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1

Wie werden Pflegeziele geplant?Festlegung der PflegezielePflegeziele müssen realistisch, erreichbar und

überprüfbar sein,umsowohldenhilfsbedürftigen

Menschen als auch die an der Pflege beteiligten

Personen zu motivieren, diese Ziele zu erlangen.

WenneinMenschdieangestrebtenZielekenntund

um die Maßnahmen weiß, die ihn zu diesem Ziel

führen,kanneraktivmitarbeiten.Dahersolltendie

Pflegeziele auch immer gemeinsam mit dem be-

troffenen Menschen und ggf. dessen Angehörigen

erarbeitetundfestgelegtwerden.

Pflegezielemüssenüberprüfbarsein,dasieKri-

terienundMaßstäbefürdieEffektivitätderPflege

sind.AlsKriteriumwirdz.B.einbestimmterZeit-

raum angegeben, in dem ein Ziel erreicht werden

soll. Aber auch die Formulierung konkreter Mess-

wertebzw.Mengenangaben,z.B.„Hr.X.trinkt3Li-

terFlüssigkeitamTag“machteinZielüberprüfbar.

Nur durch die Überprüfung kann festgestellt wer-

den,obeingeplantesZiel teilweiseoderkomplett

erreicht ist: Die aktuelle Situation des Patienten

(Ist-Zustand) wird mit dem zu erreichenden Ziel

(Soll-Zustand)verglichen.

Pflegezielebeziehensichnichtnuraufdenkör-

perlichen, sondern auch auf den psychischen Le-

bensbereich.DieZielsetzungkannauffolgendeKri-

terienBezugnehmen(Tab. 1.3):

– LeistungundKönneneinesMenschen,

– WissendesMenschen,

– VerhaltenundErlebendesMenschen,

– messbareBefundeundErgebnisse,

– körperlicherZustand,

– GefahrenundRisiken.

M Zu jedem formulierten

Pflegeproblem gehört

ein Pflegeziel, an dem die zu pla-

nenden Pflegemaßnahmen aus-

gerichtet werden.

M Die konkrete�Formulie-

rung�von�Pflegezielen

macht die durchgeführten Pfle-

gemaßnahmen bewertbar. Das

Nicht-Formulieren von Pflegezie-

len begünstigt das unreflektierte

Handeln nach Intuition, Traditi-

on oder Berufung auf eine Auto-

rität. Die Begründung für die

durchgeführte Pflege ist nicht

nachvollziehbar.

Pflegeziele werden in Nah- und Fernziele unter-

schieden. Fernziele sind übergeordnete Ziele, sie

sollteninnerhalbvonWochenoderMonatenzuer-

reichensein.

DemgegenübersindNahzielekleineEtappenauf

demWegzueinemEnd-oderFernziel.Siesollten

innerhalb weniger Tage erreichbar sein. Jedes er-

reichte Nahziel vermittelt dem pflegebedürftigen

Menschen,dessenAngehörigenundderPflegeper-

son, dem Fernziel ein Stück näher gekommen zu

sein.

Dokumentation von PflegezielenDieFormulierungvonPflegezielenbereitetPflege-

personen häufig Schwierigkeiten, was manchmal

dazu führt, dass sie ganz weggelassen werden.

Dann werden Pflegeprobleme sofort den Pflege-

maßnahmenzugeordnet,ohnedassüberdiezuer-

reichendenZielenachgedachtwurde.

DieFormulierungderPflegezieleerfolgtausSicht

des Patienten auf positive Art und so präzise wie

möglich.Dasbedeutet,dassdieKriterienzurÜber-

prüfungderZiele,z.B.ZeiträumeoderMengenan-

gaben,sogenauwiemöglichangegebenseinmüs-

sen.Dabeiistdaraufzuachten,dassZieleeindeutig,

kurz, knapp und präzise formuliert sind. Sie wer-

den in der Gegenwartsform, im Präsens, verfasst.

Hilfsverben: „können“, „sollen“, „müssen“ nicht

verwenden.SiebeschreibenkeinenkonkretenZu-

stand,somitistdieÜberprüfbarkeitnichtgegeben.

Die Dokumentation der Pflegeziele erfolgt in der

dafürvorgesehenenSpalteimPflegeplan.

M Nicht immer kann von

einer vollständigen Ge-

sundung als Ziel ausgegangen

werden. Manchmal muss die be-

treffende Person lernen, mit Be-

hinderungen zu leben. Ein Ziel

kann auch sein, einen würdigen,

schmerzfreien Tod zu erleben.

B Fernziel. Frau K. läuft

nach dem Einsetzen der

TEP (Total-Endo-Prothese) am

25.07. selbstständig auf dem

Stationsflur mit Unterarmgeh-

stützen.

Nahziele.�

– Fr. K. steht am 21.07. mit

Unter stützung vor dem Bett.

– Fr. K. geht am 22.07. mit-

hilfe einer Pflegeperson und

Unterarmgehstützen bis zu

10 Schritte im Zimmer.

– Fr. K. geht am 23.07. selbst-

ständig mit Unterarmgehstüt-

zen ins Bad.

– Fr. K. geht am 24.07. unter

Aufsicht einer Pflegeperson

und Unterarmgehstützen den

Stationsflur einmal auf und

ab.

M Fernziele sind überge-

ordnete Ziele, welche

den Zustand des Menschen nach

Durchlaufen des Pflegeprozesses

beschreiben. Nahziele�sind ein-

zelne Teilziele, die zum Erreichen

der Fernziele eingesetzt werden.

Tab. 1.3 Beispiele einzelner Pflegezielsetzungen mit den Bezugskriterien (nach Juchli 1991)

Bezug des

Pflegeziels

Praxisbeispiel

Leistung/Können des Menschen

Fr. A. geht in 6 Tagen mit den Unterarmgehstützen selbstständig. Hr. B. wechselt in 5 Tagen unter Anleitung seinen Stomabeutel.

Wissen des Menschen Fr. C. kennt die Risiken bei Einnahme blutverdünnender Medikamente und hält sich an die Verhaltensvorschriften. Hr. D. kennt die Wirkungsweise seiner Medikamente und nimmt diese jeden Mor-gen um die gleiche Zeit (8.00 Uhr) ein.

Verhalten und Erleben des Menschen

Hr. E. spricht über seine Trauer um seine verstorbene Tochter. Peter geht jeden Tag mindestens eine Stunde lang ins Spielzimmer, um mit ande-ren Kindern zu spielen.

Messbare Befunde und Ergebnisse

Fr. G. nimmt täglich eine reduzierte Trinkmenge von 1200 ml zu sich. Hr. H. verliert innerhalb von einer Woche 1 kg Körpergewicht.

Körperlicher Zustand Fr. I. hat eine belagfreie Zunge und eine feuchte Mundschleimhaut. Hr. K. hat bei liegender Nasensonde eine intakte Nasenschleimhaut.

Gefahren und Risiken Fr. L. kennt die gesundheitlichen Risiken des Nikotinabusus und reduziert die tägl. Menge der Zigaretten um eine Zigarette. Hr. M. kennt die Gefahr der Thrombose und führt prophylaktische Maßnahmen selbstständig durch.

§

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85

1.2.4 PLANUNG, DURCHFÜHRUNG UND EVALUATIoN DER PFLEGE

Planung und Durchführung der PflegemaßnahmenPlanung der PflegeNachderFormulierungvonPflegeproblemen,Res-

sourcenundPflegezielenerfolgtimviertenSchritt

desPflegeprozessesnachFiechteru.MeierdiePla-

nung der Pflegemaßnahmen. Hier bringt die Pfle-

geperson ihr Fachwissen und ihre praktischen Er-

fahrungenindenPflegeprozessein.DiePflegemaß-

nahmenorientierensichandenbekanntenPflege-

problemenundRessourcendesPatientensowiean

dengesetztenPflegezielen.

DabeiwirdnichtnurdieArtderPflegemaßnah-

menbestimmt,sondernauch,wer,wie,wann,wo-

mitundwiehäufigdiesePflegemaßnahmedurch-

führt. Die einzelnen Maßnahmen werden so kon-

kretbeschrieben,dassjedePflegepersonsieaufdie

gleicheArtundWeisedurchführenkann.Hierdurch

wirddieKontinuitätderPflegegesichertundeine

BewertungoderBeurteilungerstmöglich.

ImGegensatzdazuistdieungeplantePflegeohne

ErstellungeinesPflegeplaneseinintuitivesHandeln

jedes Einzelnen aus der Situation heraus, wobei

nicht ermittelt werden kann, ob die bzw. welche

Maßnahmeeffizientist.DiePflegemaßnahmener-

gebensichhierbeiausderzufälligenEntscheidung

einzelner Personen, in Abhängigkeit von ihrem

WissenundKönnen.DadurchvariierendiePflege-

maßnahmen,sodassdieErgebnissederPflegehand-

lungennichtausgewertetwerdenkönnen.

Dokumentation der Pflegemaßnahmen

DieerforderlichenPflegemaßnahmenwerdenkurz,

knappundverständlichformuliert.Darüberhinaus

werdensieineinesystematischeundlogischeRei-

henfolge gebracht und in der dafür vorgesehenen

Spalte des Pflegeplanes dokumentiert. Dabei wird

festgelegt:

– Personen, welche die Pflegemaßnahmen aus-

führen.DaskönnenPflegepersonen,Angehörige

oderspezielleFachleuteausanderenFachgebie-

ten wie zum Beispiel Logopäden oder Kranken-

gymnastensein,

– ArtundAnwendungderverwandtenMaterialien,

– Lokalisation der Anwendung (betroffenes Kör-

perteil),

– Häufigkeit,Zeitpunkt,ZeitraumderMaßnahme,

– ggf.derZeitaufwandderAnwendung.

Die Zusammenstellung von Pflegeproblemen, vor-

handenen Ressourcen, Pflegezielen und geplanten

Pflegemaßnahmen wird Pflegeplan genannt. Der

PflegeplanistvongroßerBedeutung,daeralsver-

bindliche Pflegeverordnung für alle an der Pflege

beteiligtenPersonengilt.Erumfasst:

– PflegeproblemedesPatienten/Bewohners,

– RessourcendesPatienten/Bewohners,

– Pflegezielebzw.diezuerreichendenErgebnisse,

Pflegeprozess s. auch S. 72.

M Pflegemaßnahmen sind

die ausgewählten Mittel,

mit denen die im vorherigen

Schritt des Pflegeprozesses for-

mulierten Pflegeziele erreicht

werden können. Sie werden ge-

meinsam mit dem Betroffenen

unter Berücksichtigung seiner

Wünsche und ggf. der seiner An-

gehörigen formuliert.

B Ist z. B. bei einem deku-

bitusgefährdeten Men-

schen zum Erreichen des Pflege-

ziels „intakte Haut“ ein zwei-

stündlicher Lagewechsel von 30°

linker Seitenlage und 30° rechter

Seitenlage als Maßnahme zur

Dekubitusprophylaxe festgelegt,

so lässt sich nur bei kontinuier-

licher Durchführung der festge-

legten Maßnahme die Effektivi-

tät dieser Maßnahme ermitteln.

M Pflegeprobleme, Res-

sourcen des pflegebe-

dürftigen Menschen, Pflegeziele

und ausgewählte Pflegemaß-

nahmen werden im sog. Pflege-

plan dokumentiert. Er ist ver-

bindliche Grundlage für alle an

der Pflege beteiligten Personen.

– Pflegemaßnahmen in systematischer und logi-

scherReihenfolgealsverbindlichePflegeverord-

nung.

Je intensiver pflegebedürftiger Mensch und Ange-

hörige in den Pflegeprozess einbezogen werden,

destomehrkönnensieanderBehebungderPflege-

problememitwirken.Tab. 1.4zeigtdenmöglichen

PflegeplanfürFrauKnapp.

Wurde ein Pflegeziel erreicht, wird die dazuge-

hörige Maßnahme mit einem Absetzungszeichen

(z.B.:>) imPflegeplanabgesetzt,evtl.neuauftre-

tendePflegeproblemewerdenergänzt.

Wird auf die geschilderte Art und Weise mit

demPflegeplangearbeitet,istereinnützlichesund

wertvolles Hilfsmittel in der Pflege. Mit ihm kann

diePflegeindividuellaufdenEmpfängerderPflege

abgestimmtwerden.

Auch die interdisziplinäre Kommunikation und

Kooperation wird gefördert. Pflegerische, medizi-

nische und andere Verordnungen können besser

koordiniert werden, die Pflege selbst wird trans-

parent,undderNachweisderPflegewirdmöglich.

Geradedeshalb istderPflegeplan inderAus-und

FortbildungvonbesondererBedeutung.Ererleich-

tertdieEntwicklungvonFachwissen.DadieErgeb-

nissederPflegesichtbargemachtwerden,steigtdie

berufliche Zufriedenheit der Pflegeperson. Zuletzt

darfderrechtlicheAspekt,derjuristischgeforderte

Nachweis der Dienstleistung Pflege, nicht verges-

senwerden.

Tab. 1.5zeigtdieDefinitionen,ArtenundKriteri-

enfürdieFormulierungvonPflegeproblemen,Res-

sourcen,PflegezielenundPflegemaßnahmen.

Durchführung der PflegeIn der fünften Phase des Pflegeprozesses wird die

Pflege nach dem Pflegeplan durchgeführt. Dabei

mussderPflegeplanvonallenbeteiligtenPersonen

immer wieder kritisch reflektiert und hinterfragt

werden.UmeinenNachweisfürdiedurchgeführten

Pflegemaßnahmen und damit für die erbrachten

Leistungen zu haben, werden diese im Durchfüh-

rungsnachweis der Pflegedokumentation festge-

halten.

DiedurchgeführtenMaßnahmenwerdenmitei-

nemHandzeichenunterdemjeweiligenDatumund

derentsprechendenUhrzeitabgezeichnet.

Werden Veränderungen im Zustand des pflege-

bedürftigen Menschen festgestellt, müssen diese

im Pflegebericht notiert werden. Der Pflegebericht

gibtAuskunftüberdieVeränderungen,diedurchdie

Pflegemaßnahmen eintreten. Vom Pflegeplan ab-

weichendePflegemaßnahmenwerdenhierbegrün-

det und kurz beschrieben. Treten solche Handlun-

genineinemkurzenZeitraumgehäuftauf, istdies

M Die Auswahl und das Zu-

sammenstellen der er-

forderlichen Pflegemaßnahmen

erfordern den optimalen Einsatz

von fachlichem Wissen und

praktischen Erfahrungen. Der

pflegebedürftige Mensch und

seine Angehörigen sollen aktiv

einbezogen werden.

M Die Pflegedokumentati-

on dient u. a. im Fall

eines Schadensersatzanspruches

der rechtlichen Absicherung.

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1einSignaldafür,dasseinneuesPflegeproblemauf-

getreten ist, welches in den Pflegeplan aufgenom-

men werden muss. Die Eintragungen im Pflegebe-

richterfolgenstichwortartig,präzise,klar,kurzund

knappimdafürvorgesehenenFormular(Tab. 1.6).

DerBerichtistsinnvollgegliedert,dabeisinddie

Aussagen objektiv, wertfrei und für jeden gut les-

M Der Pflegebericht ist ein

Teil der Pflegedokumen-

tation. Er gibt über den aktu-

ellen Zustand des pflegebedürf-

tigen Menschen Auskunft, dabei

finden dessen Reaktionen auf

die Pflege, aber auch z. B. auf

Besuche von Angehörigen, dia-

gnostische Maßnahmen o. Ä. be-

sondere Berücksichtigung.

Tab. 1.4 Auszug aus dem Pflegeplan für Frau Knapp

Datum Pflegeprobleme Ressourcen Pflegeziele Pflegemaßnahmen

20.07. Frau Knapp leidet aufgrund der Pyelo-nephritis und Zystitis unter Schmerzen beim Wasserlassen (Dysurie) und Flan-kenschmerzen

Frau Knapp kennt das Krankheitsbild der Zystitis und Py-elonephritis, weiß, woher die Schmer-zen kommen, und kann diese äußern

Frau Knapp hat we-niger Schmerzen und fühlt sich mit ihren Schmerzen angenommen

– Frau Knapp darauf hinweisen, dass sie sich bei starken Schmerzen melden soll

– Spasmolytika und Analgetika nach Arzt-anordnung

20.07. Frau Knapp fühlt sich schlapp und entkräftet aufgrund des Fiebers und hat Bettruhe

– kann deswegen die Körperpflege nicht selbstständig durchführen

Frau Knapp kann den Intimbereich im Bett selbststän-dig waschen

Fernziel: Frau Knapp führt die Körperpflege selbstständig durch Nahziel:�Frau Knapp fühlt sich sauber und ge-pflegt

– 2 × tägl. (7:00 und 19:00 Uhr) Waschschale und eigene Körperpfle-geutensilien am Bett bereitstellen

– je nach Zustand von Frau Knapp Unterstüt-zung bei/ Übernahme der Körperpflege an-bieten

– bei Bedarf kühle Abwa-schungen ermöglichen

– Wechsel der Bettwä-sche nach Bedarf

20.07. Gefahr der Obstipation auf-grund der Bettruhe und des Fiebers

Frau Knapp hat einen regelmä-ßigen (individuell), geschmeidigen Stuhlgang

– führt die Darm-massage selbst-ständig durch

– Stuhlentleerungsfre-quenz und -gewohnhei-ten erfragen

– Gewohnheiten soweit möglich berücksich-tigen

– Anleitung zur Darm-massage

20.07. Frau Knapp macht sich Sorgen um ihre beiden Kinder

– Frau Knapp äu-ßert ihre Sorgen

– ihre Freundin kümmert sich während ihres Krankenhausauf-enthaltes um die Kinder

Frau Knapp fühlt sich mit ihren Sor-gen ernst genom-men

– Telefonanmeldung – freie Besuchszeiten für

die Familie ermöglichen – Gelegenheiten zu

helfenden Gesprächen anbieten

bar.SieenthaltenDatum,UhrzeitunddasHandzei-

chenderjeweiligenPflegeperson.DieEintragungen

sindaufdiePflegeproblemeundPflegezielebezo-

gen und werden direkt nach der durchgeführten

Pflegedokumentiert.

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1.2.4 PLANUNG, DURCHFÜHRUNG UND EVALUATIoN DER PFLEGE

Tab. 1.5 Definitionen, Arten und Kriterien für die Formulierung von Pflegeproblemen, Ressourcen, Pfle-

gezielen und Pflegemaßnahmen

Pflegeproblem Ressource Pflegeziel Pflegemaßnahme

Defini-tion

Beeinträchtigung des Patienten in einem Lebensbereich, die seine Unabhängigkeit einschränkt und ihn belastet

Fertigkeiten und Fähig-keiten, die dem einzel-nen Menschen zur Verfü-gung stehen, um seinen Genesungsprozess posi-tiv zu beeinflussen oder seine kritische Lebens-situation bzw. -aufgabe sinnvoll zu bewältigen

Zustand, der durch die geplante Pflege gemeinsam mit dem Betroffenen ange-strebt wird

pflegerische Tä-tigkeiten, die zum Erreichen der Pfle-geziele ergriffen werden

Arten – aktuelle – potenzielle – verdeckte – generelle – individuelle

– körperliche – innere, persönliche,

geistige – räumliche – soziale – ökonomische – spirituelle

Nah- und Fernziele nehmen Bezug auf:

– Leistung und Können

– Wissen – Verhalten und

Erleben – messbare

Befunde und Ergebnisse

– körperlichen Zustand

– Gefahren und Risiken

orientiert an Pfle-geproblemen und formulierten Pfle-gezielen

Kriterien�zur��Formu-lierung

unter Angabe von: – Name des betroffe-

nen Menschen – Art und Umfang der

Beeinträchtigung – Ursachen und Aus-

wirkungen des Pfle-geproblems

– kurz, präzise und frei von Interpretationen

sinnvolle Zuordnung der Ressourcen zu Pflege-problemen

– aus Sicht des betroffenen Men-schen

– realistisch und erreichbar

– präzise, d. h. unter Angabe von Kriterien zur Überprüfung (z. B. Mengenangaben, Zeiträumen)

so präzise, dass jede Pflegeperson sie auf die gleiche Art und Weise durchführen kann, d. h. unter Be-rücksichtigung der W-Fragen:

– Wer – Was – Wie – Wann – Wie oft – Womit – Wo

Tab. 1.6 Auszug aus dem Pflegebericht von Frau Knapp

Datum Zeit Pflegebericht

21.07. 7:00 Uhr Frau Knapp hat die Körperpflege bis auf das Waschen der Beine selbstständig im Bett durchgeführt, was sie sehr angestrengt hat

21.07. 10:00 Uhr Frau Knapp klagt über starke Flankenschmerzen, bekommt 20 Tropfen Novamin-sulfon auf Arztanordnung, nach 30 Min. laut Frau Knapp deutliche Besserung

21.07. 16:00 Uhr Frau Knapp hatte Besuch von ihren Kindern und ihrer Freundin, wirkte danach deutlich entspannter

21.07. 19:00 Uhr Temperatur rektal 39,5 °C. 15 Min. Wadenwickel durchgeführt, Temperatur an-schließend 38,1 °C. Frau Knapp hat die Wadenwickel gut vertragen, hatte keine Kreislaufprobleme

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1Was sind Pflegestandards?Die berufliche Pflege erbringt ihre Leistung im

Dienstleistungsbereich. Auch diese Arbeit muss

strukturierterfolgenundQualitätgarantieren.Die

hiereingesetztenStandardswerdenalsPflegestan-

dardsbezeichnet.DerEinsatzvonPflegestandards

imRahmendesPflegeprozesseskanndiepflegeri-

scheArbeitu.a.dahingehendunterstützen,dass:

– dieQualitätderzuerbringendenPflegeaufeinem

festgeschriebenenNiveausichergestellt,

– dieEinheitlichkeitvonArbeitsabläufenundPfle-

gemaßnahmenunterstützt,

– ein ökonomisches Zeitmanagement ermöglicht

und

– dieschriftlicheDokumentationerleichtertwird.

Pflegestandards haben den Stellenwert einer

Dienstanweisung oder einer schriftlichen Anord-

nung, die allgemein anerkannt und verpflichtend

für alle Mitarbeiter ist. Die Kriterien in einem

Pflegestandard sind eindeutig formuliert und sind

wissenschaftlichbegründet.SodefiniertedieWHO

1983 in ihrem „Leitfaden für die Entwicklung von

Standards“denPflegestandardals„einvereinbartes

MaßfüreinenbestimmtenZweckbenötigterpfle-

gerischerBetreuung“.AuchindieserDefinitionist

andemBegriff„vereinbartesMaß“dieVerbindlich-

keiteinesStandardsdeutlichzuerkennen.

FürdiePflegegibteseineReiheunterschiedlicher

Standards, die verschiedenen Klassen zugeordnet

werden. Eine Klassifizierung bzw. Einteilung von

Pflegestandards kann u.a. hinsichtlich ihrer Grö-

ßenordnungundArtvorgenommenwerden.

Bienstein (1995) unterteilt Standards in Abhän-

gigkeit von ihrer jeweiligen Größe. Standards der

MakroebenebeziehensichaufdenGesamtstandard

einesKrankenhausesoderandererInstitutionendes

Gesundheitswesens. Mediale Standards definieren

übergreifende,größerepflegerelevanteHandlungs-

einheitenimGegensatzzuMikrostandards,dieein-

zelnePflegesituationenbeschreiben.

NebendieserEinteilungderStandardsnachihrer

Größenordnung ist die Zuordnung zu verschiede-

nen Standardarten gebräuchlich. Hierbei werden

PflegestandardsindreiArtenunterschieden:

1. strukturorientierteStandards,

2. prozessorientierteStandards,

3. ergebnisorientierteStandards.

Strukturorientierte StandardsStrukturorientierte Standards beziehen sich all-

gemein auf die Organisationsstruktur eines Kran-

kenhauses oder einer anderen Pflegeinstitution.

SpezielldavonabgeleitetbeschreibensiedieOrga-

nisationsforminderPflege.Dabeiberücksichtigen

strukturorientierteStandardsdiebetrieblicheZiel-

setzung, budgetäre Verhältnisse, Personalbedarf

und die Qualifikationen der einzelnen Pflegeper-

sonen,MaterialienundAusstattungmitmedizini-

schenGerätensowieräumlicheErfordernisseusw.

M Ein Standard�ist eine

Richtschnur, ein Maß-

stab oder eine Norm. Ziel der

Einführung eines Standards ist

das Erzeugen und die Sicherstel-

lung einer bestimmten Leistung.

M Pflegestandards�sind

allgemein gültige und

anerkannte Maßstäbe für das

Erbringen der Pflege. Sie liefern

Kriterien, anhand derer die Qua-

lität in bestimmten Bereichen

der Pflege erreicht und über-

prüft werden kann.

M Strukturorientierte�

Standards�beziehen sich

auf die Organisationsstruktur

einer Institution und berücksich-

tigen deren personelle, lokale,

temporale, technische, organi-

satorische und ökologische Aus-

stattung.

B Beispiele für strukturorientierte Standards in

Pflegeeinrichtungen:

– Jeder Leiter einer Station hat die Weiterbildung zur

Leitung einer Station oder Funktionseinheit erfolg-

reich abgeschlossen.

– Patienten dürfen nur unter Begleitung einer exami-

nierten Pflegeperson aus dem Aufwachraum abge-

holt werden.

– Jedes Zimmer eines Wohnbereiches hat maximal

zwei Betten und eine räumlich abgetrennte Dusche

mit Waschbecken und WC.

– Mit jedem Bewohner wird ein Aufnahmegespräch

durch die betreuende examinierte Pflegeperson ge-

führt.

– Bei jedem Patienten wird die Pflege nach dem Pflege-

prozess strukturiert und systematisiert.

Strukturstandards können besonders in ihren

räumlichenVorgaben jenachEinrichtungerhebli-

che Abweichungen voneinander aufzeigen. Durch

die institutionsinternen Vorgaben, wie zum Bei-

spiel Aufbau, personelle Besetzung, finanzielle

Möglichkeiten,Ausstattungusw.,werdenderPflege

bestimmte Rahmenbedingungen vorgegeben mit

denensiesicharrangierenmuss.

Manche Strukturstandards, wie die räumliche

Gestaltung,lassensichnurauflangeSichthinver-

ändern.

Prozessorientierte StandardsDie prozessorientierten Standards sagen etwas

über den Ablauf der einzelnen Tätigkeiten in der

Pflege aus. Dabei ist der Pflegeprozess richtungs-

gebend.DerprozessorientierteStandardbeinhaltet

Art und Umfang der pflegerischen Maßnahmen.

Die Pflegemaßnahmen werden durch pflegerische

Zielsetzungen, z.B. durch das Arbeiten nach einer

Pflegetheorie,geleitet. IndieserArtvonStandards

istdieProzessqualität,d.h.dieQualitätderdurch-

geführteneinzelnenPflegemaßnahmenindenBe-

reichen der Diagnostik, Therapie und Behandlung

dokumentiert. Prozessorientierte Standards kön-

nenunterschiedenwerdenin:

– Durchführungsstandards,

– Standardpflegepläne.

Durchführungsstandards

Durchführungsstandards standardisieren, wie die

Bezeichnung bereits ausdrückt, die Durchführung

einzelner pflegerischer Tätigkeiten. Sie enthalten

Angaben dazu, auf welche Weise diese Tätigkei-

ten ausgeführt werden sollen. Sie können z.B. im

RahmenvonArbeitsgruppenindenverschiedenen

Institutionen des Gesundheitswesens entwickelt

werden. Zumeist werden die entwickelten Pflege-

standardsmiteinerNummerversehen. ImPflege-

berichtsindbeiderDurchführungeinerPflegemaß-

nahmenacheinemPflegestandardaufdieseWeise

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1.2.4 PLANUNG, DURCHFÜHRUNG UND EVALUATIoN DER PFLEGE

nurnochdieentsprechendeNummerdesStandards

und evtl. aufgetretene Besonderheiten zu doku-

mentieren.HierdurchkannderZeitaufwandfürdie

Dokumentationerheblichgesenktwerden.

Standardpflegepläne

NachFiechteru.Meier(1981)isteinStandardpfle-

geplaneinekonstantepflegerischeVerordnungfür

eintypisches,unterbestimmtenUmständenauftre-

tendesProblem.

Im Standardpflegeplan werden solche generel-

len und potenziellen Pflegeprobleme festgehalten,

welche bei der Mehrzahl der Patienten einer be-

stimmten Patientengruppe auftreten. Den einzel-

nen Pflegeproblemen werden die entsprechenden

Pflegezieleund-maßnahmenzugeordnet,diesich

durch berufliche Erfahrung und wissenschaftliche

Forschung bestätigt haben. Dabei haben auch die

ZieleundMaßnahmeneinengenerellenCharakter.

Standardpflegepläne können für Patienten so-

wiefürtypischepflegerischeSituationenerarbeitet

werden.HäufigwerdensiefürPatientenmiteiner

bestimmten typischen medizinischen Diagnose

formuliert. Auch für Pflegediagnosen ist die Ent-

wicklung von Standardpflegeplänen möglich. Eine

andere Möglichkeit der Zuordnung sind Pläne für

bestimmte pflegerische Situationen, z.B. für die

postoperativePflege fürbeatmungspflichtigePati-

entenimBereichderIntensivpflege.

Das Arbeiten mit Standardpflegeplänen erleich-

tertdiepflegerischeBerufsausübungvorallemda-

hingehend,dassdasEinarbeitenneuerMitarbeiter

undBerufsanfängersowieLernenderindenPflege-

berufenunterstütztwird.DerZeitaufwand fürdie

schriftliche Dokumentation wird minimiert und

einebestimmteQualitätderzuerbringendenPfle-

geleistungsichergestellt.

Dabei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass

jeder Standardpflegeplan auf die individuellen

Bedürfnisse und Ressourcen des pflegebedürfti-

genMenschenabgestimmtundangepasstwerden

muss.

Individuelle Pflegeprobleme, die keinem Stan-

dard entnommen werden können, werden dem

Standard hinzugefügt. Genauso werden Abwei-

chungenvomStandardimPflegeberichtdokumen-

tiert.UmmitStandardpflegepläneneffektivarbei-

tenzukönnen,müssendiese in festgelegtenZeit-

abständenimmerwiederüberarbeitetundaufden

aktuellenStandderWissenschaftgebrachtwerden.

Ergebnisorientierte StandardsErgebnisorientierteStandardsoder„Outcome-Stan-

dards“ beschreiben die Wirkung der Pflegetätig-

keiten.EswerdengenerellePflegeziele formuliert,

nach denen beurteilt wird, ob durch die durchge-

führte Pflegetätigkeit das Endziel erreicht bzw.

nichterreichtundwarumesnichterreichtwurde.

M Ein Standardpflege-

plan�umfasst generelle

und potenzielle Pflegeprobleme,

-ziele und -maßnahmen, die bei

der Mehrzahl einer Patienten-

gruppe auftreten. Er kann für

Menschen mit bestimmten

Krankheitsbildern, einzelne Pfle-

gediagnosen oder typische pfle-

gerische Situationen erarbeitet

werden.

P Die Vorgehensweise

beim Erstellen�eines�

Standardpflegeplanes�ist je-

weils identisch: Generelle und

potenzielle Pflegeprobleme wer-

den erarbeitet und mit den ent-

sprechenden Pflegezielen und

-maßnahmen versehen.

M Auf keinen Fall dürfen

Standardpflegepläne in

der jeweiligen Situation unre-

flektiert für einen Patienten

übernommen werden.

M Der ergebnisorientierte

Standard beschreibt den

Gesundheits- und Zufrieden-

heitszustand des pflegebedürf-

tigen Menschen, der Angehöri-

gen und der betreuenden Per-

sonen. Er ist das Maß des Er-

folges, welcher durch das Errei-

chen, teilweise Erreichen oder

Nichterreichen der Pflegeziele

nachweisbar ist.

DerergebnisorientierteStandardbeziehtsichauf

den imPflegeprozess letztenSchritt,die „Beurtei-

lung der Wirkung der Pflege auf den Patienten“,

alsoaufdieEvaluationderPflegemaßnahmenund

dergesetztenFernziele.

DieunterschiedlichenStandardartensindunmit-

telbarvoneinanderabhängig.DerErgebnisstandard

kann nur so gut sein, wie der strukturorientierte

undderprozessorientierteStandarddiesermögli-

chen.EsmüssenimmeralledreiBereichebetrach-

tetundbearbeitetwerden,umeinegutePflegequa-

litätzuerreichenundzusichern.

Vorteile und kritische Aspekte beim Arbeiten mit Pflegestandards DasArbeitenmitPflegestandardsbringteineReihe

vonVorteilenmitsich.Sielassensichwiefolgtzu-

sammenfassen.Pflegestandards:

– machenPflegeleistungensichtbarundmessbar,

– dienenalsInstrumentfürdieEvaluationderPfle-

gequalität,

– können eingesetzt werden, um den Bedarf an

Pflegepersonalzueruieren,

– sind Richtlinien für die Inhalte von Curricula in

Aus-,Fort-undWeiterbildung,

– erleichtern im Zusammenhang mit dem Pflege-

prozessdiePflegedokumentation,

– unterstützendieEinarbeitungneuerMitarbeiter,

BerufsanfängerundLernenderinderPflege,

– tragenzurRationalisierungvonArbeitsabläufen

bei, ohne die individuelle Patientenversorgung

zubeeinträchtigen.

BeimArbeitenmitPflegestandardssindallerdings

auch einige kritische Aspekte zu beachten. Pfle-

gestandards dürfen nicht unüberlegt angewendet

werden. Der unreflektierte Einsatz von Standards

führtdazu,dasspflegerischeHandlungenautoma-

tischablaufenundinunvorhergesehenen,plötzlich

eintretenden Situationen u.U. nicht angemessen

reagiertwird.

WerdenStandardpflegeplänenichtandieindivi-

duelleSituationeinespflegebedürftigenMenschen

angepasst,kannkeineaufdieindividuellenBedürf-

nisseundRessourcenabgestimmtePflegeerfolgen.

Nationale ExpertenstandardsNationale Expertenstandards sind bundesweit all-

gemeingültige Richtlinien für alle beruflich Pfle-

genden in allen Einsatzbereichen der Pflege. In

DeutschlandwerdensievonPflegetheoretikernund

–praktikern gemeinsam unter der Federführung

desDeutschenNetzwerksfürQualitätsentwicklung

inderPflege(DNQP)entwickelt.SiewerdenalsMi-

nimalanforderungverstanden,umdieQualitätder

Pflegeeigenständigzufördern.

In der rechten Spalte lesen Sie unter „Merke“,

welcheExpertenstandardsbereitsentwickeltsind.

Pflegeprozess s. a. S. 72.

M Folgende Expertenstan-

dards sind bereits entwi-

ckelt:

– Dekubitusprophylaxe

– Entlassungsmanagement

– Sturzprophylaxe

– Schmerzmanagement

– Kontinenzförderung

– Chronische Wunden

– Ernährungsmanagement

I Internet:

http://www.dnqp.de

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1

ja

ja

nein

Sind die geplantenPflegeziele

erreicht worden? Sind neue Pflegezieleanzustreben?

bisherige Pflegeziele evtl.beibehalten!

gemeinsam mit dem Betroffenenneue Pflegeziele vereinbaren!

gemeinsam mit dem Betroffenenneue Pflegeziele vereinbaren!

gemeinsam geeignetePflegemaßnahmen vereinbaren!

neue Informationen gezielt erfassenund in Pflegediagnosen überführen!

War die Informationssammlungausreichend?

Sind die Pflegeprobleme/-diagnosenund die Fähigkeiten des alten

Menschen korrekt ermittelt worden?

Waren die geplanten Pflegezielerealistisch/erreichbar?

Waren die geplanten Pflegemaß-nahmen ausreichend und korrekt?

Sind die geplanten Pflegemaß-nahmen korrekt und kontinuierlich

durchgeführt worden?

Fehler in der Durchführunggeplanter Pflegemaßnahmen

vermeiden!

neue Pflegediagnostik durchführen!

ja

ja

ja

nein

nein

nein

nein

nein

nein

ja

Wie wird Pflege evaluiert?Im sechsten Schritt des Pflegeprozesses wird die

nach dem Pflegeplan durchgeführte Pflege hin-

sichtlichihrerEffizienzbewertetundbeurteilt.Die

BewertungwirdauchalsEvaluationbezeichnet.

ZurBeurteilungderWirkungderPflegewerden

die festgelegten Pflegeziele (Soll-Zustand) mit der

aktuellenSituationdesPatienten(Ist-Zustand)ver-

glichen.DabeiwerdendieAuswirkungenderPflege

offendargelegtundsomitdiePflegeplanungaufih-

reSinnhaftigkeithinüberprüft.

SinddieformuliertenPflegezieleerreicht,können

die entsprechenden Pflegeprobleme und Pflege-

maßnahmen abgesetzt werden, da der gewünsch-

te Soll-Zustand mit dem Ist-Zustand identisch ist.

WurdendieformuliertenZielenichterreicht,wird

ggf.dieSituationdespflegebedürftigenMenschen

neu eingeschätzt, d.h. es werden neue Informa-

tionen gesammelt. In der Folge müssen entweder

neuePflegezieleformuliertoderanderePflegemaß-

nahmen ausgewählt bzw. die Intensität oder die

Häufigkeit der bereits durchgeführten Pflegemaß-

nahmenvariiertwerden(Abb. 1.42).

In welchen Zeitintervallen eine Evaluation der

Pflegeplanung stattfinden soll, wird individuell

entschieden. Die Zeitrahmen zur Erreichung der

einzelnen Pflegeziele werden in der Pflegepla-

nung mit Kontrolldatum festgelegt. Dieses dient

zur Überprüfung, ob die Pflegeziele durch die ge-

planten und durchgeführten Maßnahmen erreicht

Pflegeprozess s. a. S. 72.

M Evaluation�bedeutet die

sach- und fachgerechte

Bewertung, also das Einschätzen

eines Objektes oder eines Sach-

verhaltes nach seinem Wert und

seiner Bedeutung.

M Als Hilfsmittel für die Be-

wertungsphase im Pfle-

geprozess gilt der Pflegebericht.

Er wird als Ergebnisbericht über

die Wirkung der Pflege sowie

über den sich ändernden Zu-

stand des pflegebedürftigen

Menschen gesehen. Er fungiert

als Feedbacksystem, das die Ent-

wicklung des Gesundheitszu-

standes nachvollziehbar macht

werden konnten. Eine Überprüfung erfolgt immer

auchdann,wennsichderZustanddesbetroffenen

alten Menschen verändert oder wenn ersichtlich

wird,dassdieerstelltePflegeplanungkonkretnicht

umsetzbarist–dannnämlichwirdeineAnpassung

bzw.ÜberarbeitungderPflegeplanungzwangsläu-

figerforderlich.

Beitrag zur Professionalisierung. DassPflegendedie

vonihnengeplantePflegeselbsteinerBeurteilungun-

terziehen,isteinwichtigerBeitragzurProfessionali-

sierungderPflege.DurchdiePflegeevaluationstreben

PflegendeeineOptimierungihrerPflegeanundzwar

zunächstmitBlickaufdieseneinenbetroffenenalten

Menschen.DieEffektivitätundQualitätpflegerischen

Handelns soll so durch Pflegende selbst verbessert

werden(Aretsu.a.1999).

Beitrag zur Wissenserweiterung. Daneben leistet

eine kontinuierliche Auswertung der Pflege einen

wesentlichenBeitragdazu,daseigenepflegerische

WissenundKönnenzuerweiternundErfahrungen

zusammeln.Besonderseffektivisteinegemeinsam

durchgeführte Evaluation der Pflegeplanung im

Team – das Wissen und die Erfahrung von Kolle-

ginnenwirdsodiskutiertundweitergegeben,was

besondersfürAnfängerinderAltenpflegesehrhilf-

reichseinkann!

Abb. 1.42 Leitfragen zur systematischen Evaluation der Pflegeplanung

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1.2.4 PLANUNG, DURCHFÜHRUNG UND EVALUATIoN DER PFLEGE

Pflegevisite– Herstellen einer möglichst optimalen Transpa-

renz zwischen den Pflegendenund den Bewoh-

nernimBlickaufPflegeundBegleitung,

– FördernderWertschätzungunddesWohlbefin-

densdesBewohners,

– Erkennen vorhandener Defizite bei der Durch-

führungderPflege,

– Mitwirkung des Bewohners bei der Pflegepro-

zessplanung und damit Sicherstellung, dass er-

forderliche Interventionen seine Zustimmung

haben,bzw.vonihmgewünschtwerden,

– SichernderQualitätinderPflege,

– Überprüfen des bis dahin erfolgten Pflegepro-

zesses mit der Entscheidung über die weiteren

Maßnahmen.

Die Pflegevisite ist ein Instrument der Pflege. Es

gehtdahernichtumärztlicheDiagnostikundThe-

rapie,esgehtumdieFrage:Welchepflegerischen

und welche begleitenden Maßnahmen sind nötig,

um die Probleme des Bewohners (Pflegediagnose)

zubehebenundseinWohlbefindenzustärken.

Da die Pflegevisite ein Kontrollinstrument ist,

wird sie nicht täglich (wie im Krankenhaus), son-

dernjenachSituationeinmalhalbjährlichzusam-

men mit der Pflegedienstleitung (PDL) oder mo-

natlich zusammen mit der Wohnbereichsleitung

(WBL)undderBezugspflegekraftdurchgeführt.

Ziele der PflegevisiteDurchdiePflegevisitekannimRahmendesQuali-

tätsmanagementsderEinrichtungdieErgebnisqua-

litätbestimmtwerden.ZielederPflegevisitesind:

D �Die Pflegevisite ist eine

Form der Überprüfung

der Pflege, bei der die Pflege-

dienstleitung, die Wohnbe-

reichsleitung und die Bezugs-

pflegeperson zusammen mit

dem Bewohner den Zustand und

die pflegerische Situation der

Bewohner anhand der Pflegedo-

kumentation kontrollieren.

M PDL = Pflegedienst-

leitung

WBL = Wohnbereichsleitung

Bewohner-/Angehörigen-Betreuergespräch:

Beurteilung des Pflegezustandes des Bewohners durch die WBL und PDL:

Bewohnername, Vorname: Bereich:

PDL:

verantwortliche Bezugsperson:

Teilnehmer an der Pflegevisite:

Wie beschreibt der Bewohner seine derzeitige Situation?

Was erlebt der Bewohner als positiv/fördernd?

Was wird als negativ/belastend empfunden?

Wie empfindet der Bewohner die Zusammenarbeit mit Ärzten und Therapeuten?

Wurden die bisherigen (Pflege-) Ziele erreicht?

Sollen die bisherigen Maßnahmen ohne Änderung weitergeführt werden? ja nein

Änderungswünsche (Ziele/Maßnahmen)

Absprache mit dem Bewohner:

Allgemeinzustand

Ernährungszustand

Hautzustand

Erscheinungsbild (Hand-, Fußnägel, Bart/Frisur, Kleidung usw.)

Ödeme (Umfang, Lokalisation)

Dekubiti (Grad, Lokalisation)

Orientierung

Stimmungslage

Sonstiges

Wie empfindet der Bewohner die hauswirtschaftliche Versorgung?– Hausreinigung– Wäscheversorgung– Ernährung

Wie ist seine Zufriedenheit, welche Beschwerden bringt er vor bezüglich derDurchführung der direkten Pflege/Betreuung?

Wie ist seine Zufriedenheit, welche Beschwerden bringt er vor bezüglich dersozialen Betreuung?

Wodurch/Womit möchte der Bewohner darüber hinaus noch gefördert/unterstützt werden?

Datum:

WBL:

Abb. 1.43a

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92

1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1

Abb. 1.43b Mithilfe eines Leitfadens kann die Pflegevisite standardisiert und für jeden Bewohner gleich durchgeführt werden

Pflegevisite vorbereitenDer Bewohner erfährt bereits beim Heimeinzug,

dassPflegevisiteninregelmäßigenAbständenstatt-

finden.TermineundAblaufdergeplantenPflegevi-

sitewerdendemBewohnereinbiszweiTagevorher

mitgeteilt.Erwirddaraufaufmerksamgemacht,dass

AngehörigebeiderPflegevisiteanwesendseinkön-

nen. Die WBL muss sicherstellen, dass die Bezugs-

pflegekraftgenügendZeitfürdasGesprächmitdem

BewohnereinplantundandereMitarbeiterwährend

dieserZeitdieübrigenBewohnerbetreuen.

Pflegevisite durchführenImDienstzimmerfindetzwischenderPDL,derWBL

und der zuständigen Bezugspflegeperson ein kur-

zesVorgesprächstatt,indemdiespezielleSituation

diesesBewohnersangesprochenwird,insbesonde-

redieDinge,dienichtinGegenwartdesBewohners

diskutiertwerdensollten.

Die Leitung der Pflegevisite liegt bei der WBL.

Die Visite findet im Zimmer des Bewohners statt.

B Die Gabe von Plazebos

sollte nicht in Gegen-

wart des Bewohners besprochen

werden.

Im Mehrbettzimmer muss mit dem zu besuchen-

denBewohnerabgeklärtwerden,obdasGespräch

inAnwesenheitderMitbewohnerstattfindenkann.

DasGesprächwirdanhandderPflegedokumentati-

ongeführt,wobeivorallemderBewohnerderRe-

dende,diePflegendendieZuhörendenseinsollen.

DieBeteiligtendürfennichtunterZeitdruckstehen,

füreinePflegevisitewerdenca.20Minuteneinge-

plant.

Im Anschluss an das Gespräch beim Bewohner

findet im Dienstzimmer ein kurzes Nachgespräch

statt. Die notwendigen Veränderungen werden in

das Dokumentationssystem übertragen. Notiert

werden muss, welche Anregungen der Bewohner

selber zur Gestaltung seines Pflegeprozesses bei-

getragenhat.DieseunderkannteDefizite imPfle-

geprozess müssen im Team besprochen werden.

Alternative Pflegemethoden müssen bedacht und

derPflegeplandannentsprechendgeändertwerden

(Abb. 1.43).

Andreae, Altenpflege in Lernfeldern (ISBN 978-3-13-240270-6), © 2018 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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93

1.2.5 GRENzEN DER PFLEGEPLANUNG

Grenzen der PflegeplanungDokumentationspflicht. Ambulante und statio-

näre Pflegeeinrichtungen sind nach § 113 Abs. 1

SGBXIunddenRahmenverträgengem.§75SGBXI,

§13HeimGund§39KhsVOverpflichtet,einePfle-

gedokumentationzu führen(Abb. 1.44).Es istein

fachliches Planungsinstrument, das den Informa-

tionsaustausch der an der Pflege und Betreuung

Beteiligtensichernsoll.ZudemdientdieDokumen-

tationdergeleistetenTätigkeitenalsGrundlage,um

mitdenKostenträgernabrechnenzukönnen.

Situative Besonderheiten. EsgibtjedochGrenzen

der Pflegeplanung. Situationen, in denen Men-

schenimMittelpunktstehen,sindunberechenbar.

Sielassensichnie100%igplanen.Ofterfordertdie

Situationes,spontanzuhandelnunddabeiaufEr-

fahrungen und sein pflegerisches Fachwissen zu-

rückzugreifen.InSituationen,wiedemBeispielauf

dieserSeite,kannmannichtzunächsteinenBlickin

diePflegedokumentationwerfenundseinHandeln

nach dem 6-Phasen-Modell der Pflegeprozesspla-

nung überdenken, sondern muss sofort handeln.

DasWohldesBewohnersstehtimMittelpunkt.Der

Pflegeprozessreagiertaufsichschnellwandelnde,

situative Besonderheiten unflexibel. Würde man

sichalsPflegender immerstrengandasmethodi-

scheVorgehenderPflegeplanunghalten,würdees

unmöglich,spontanzuhandeln.Erfahreneundbe-

sonders fachkompetente Altenpfleger, orientieren

ihr Handeln im Pflegealltag daher nicht allein am

Pflegeprozess,sondernpassenesandieindividuel-

lePflegesituationan.

Pflegehilfskräfte. Ein weiteres Problem stellt der

hoheAnteilanPflegehilfskräften,dieinPflegehei-

men arbeiten, dar. Sie besitzen nur selten ausrei-

chende Fachkenntnisse, um eine fachkompetente

Pflegeplanungzuerstellenundzudokumentieren.

IndiesemFallfälltdieseAufgabeandiePflegefach-

kräfte, die nun noch mehr Zeit für die Dokumen-

tationaufbringenmüssen.DabeihabensiedieBe-

wohnermeistensnichtselbstversorgtundmüssen

sichaufdieÜbergabedurchdieHilfskräfteverlas-

sen. Wenn diese wichtige Aspekte vergessen, z.B.

eineHautläsionamSteiß,undvielleichtsogarüber

mehrereSchichtenkeineDokumentationzudieser

Veränderung erfolgt, können die jeweiligen Fach-

kräftefürdiefehlendenProbleme(arbeits)rechtli-

cheProblemebekommen.

Zeitdruck. Problematisch ist zudem der hohe

Zeitaufwand, der in die Dokumentation investiert

werden muss. Diese Zeit fehlt bei der Versorgung

B Sie begleiten Frau Maier

auf ihrem Spaziergang

über den Wohnbereichsflur.

Plötzlich gibt sie an: „Mir ist so

schwindelig!“ Sie unterstützen

Frau Maier beim Gehen und las-

sen sie auf den nächsten Stuhl

sitzen. Dann holen Sie ein Blut-

druckmessgerät. Der Blutdruck

ist viel zu niedrig. Mit einem

Rollstuhl fahren Sie die Bewoh-

nerin ins Zimmer zurück, helfen

ihr ins Bett, lagern die Beine

hoch und kontrollieren 10 Minu-

ten später erneut ihre Vital-

werte. Anschließend dokumen-

tieren Sie den Vorfall.

undBetreuungderBewohner.EsmussnachMög-

lichkeitengesuchtwerden,Dokumentationszeitzu

sparen,ohnedassdieFachlichkeitundderInforma-

tionsgehaltleiden.EineMöglichkeitistdiegeplan-

te sog. strukturierte Informationssammlung (SIS).

MehrzurSISfindenSieunterwww.ein-step.de.

Wirtschaftlichkeitsgebot. Denn neben dem Zeit-

druck unterliegen die Pflege und damit auch die

Pflegeplanung dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Das

Wirtschaftlichkeitsgebot ist ein Grundprinzip der

gesetzlichen Krankenversicherung. Danach dürfen

diegesetzlichenKrankenkassennurdieKostenfür

Leistungen übernehmen, sofern diese ausreichend

undzweckmäßigsindunddasMaßdesNotwendi-

gen nicht überschreiten. Was aber bedeutet „aus-

reichend und zweckmäßig“ in Bezug auf die Pfle-

geplanung? Laut MDK (Medizinischer Dienst der

Krankenkassen)u.a.:

– Die Pflegeplanung muss handlungsweisende

Informationen enthalten, inhaltlich vollständig

sein und den Verlauf systematisch darstellen.

DieshatvorrangigüberdiePflegeplanungenund

denTagesablaufplanzugeschehen.

– Die Durchführungsnachweise müssen nachvoll-

ziehbar abbilden, dass der Pflegeprozess gezielt

nachanerkanntempflegerischemKenntnisstand

gestaltetwird.

– In der Evaluation des Pflegeprozesses muss er-

kennbar sein, dass z.B. die Fähigkeiten des Be-

wohners gezielt gefördert werden, Krisensitua-

tionen bewältigt werden, der Betreute Mitspra-

cherechthat,seineWünscheundGewohnheiten

berücksichtigt werden und er Teilhabe am ge-

meinschaftlichenLebenhat.

Voraussetzunghierfürist,dassMitarbeitergutge-

schult sind und die Rahmenbedingungen vor Ort,

eine fachgerechte Pflegedokumentation ermögli-

chen.

$

Abb. 1.44 Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, eine Pflegedoku-mentation zu führen. (Foto: Alexander Fischer, Thieme)

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1Instrument der Pflege – PflegedokumentationBedeutung der PflegedokumentationDie Pflegedokumentation in der Altenpflege dient

dazu, die pflegerische Ist-Situation des Pflegebe-

dürftigen,denPflegeprozessunddieerzieltenPfle-

geergebnisseschriftlichzuerfassen.DieEinhaltung

des§113Abs.1SGBXI,derMaßstäbeundGrund-

sätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der

Pflegequalitätfestlegt,bildetdieGrundlage.

Transparenz und Qualität. Durch die Pflegedoku-

mentationwerdenalleSchrittedergeplantenPfle-

getransparentdargestellt.DieVersorgungdesalten

MenschenaufeinemgleichbleibendhohenNiveau

wird unterstützt. Voraussetzung ist, dass die viel-

fältigenInformationensystematischerfasstwerden

undstetsabrufbarsind.

Urkunde. Die Dokumentationsunterlagen gelten

alsUrkunden.Nach§13desHeimgesetzesmüssen

sie mindestens 5 Jahre aufbewahrt werden. Aller-

dingsverweistdasHeimgesetzauchaufsog.„wei-

tergehendePflichtendesTrägerseinesHeims“,d.h.

andere Vorschriften könnten längere Aufbewah-

rungsfristenvorgeben.

Datenschutz. Die Pflegedokumentation unterliegt

dem Datenschutz. Außer dem Bewohner haben

nurPersonen,diedirektoderindirektanderPflege

beteiligtsind(z.B.Pflegepersonal,Ärzte,Therapeu-

ten),dieHeimaufsichtundderMDK(Medizinischer

DienstderKrankenkassen)Einsicht.Außerdemer-

hält imFalleeinesProzesses,z.B.umSchadenser-

satzansprüche,nacheinemSturzeinesBewohners,

die Staatsanwaltschaft und das Gericht eine Ein-

sichtserlaubnis.Esistunerlässlich,dassdieUnter-

lagen regelmäßig, lückenlos, nachvollziehbar und

korrektgeführtwerden.

Konventionelle PflegedokumentationÜber Jahrzehnte erfolgte die Dokumentation nur

aufdemPapier.Noch immergibtesvieleEinrich-

tungen, die handschriftlich dokumentieren. Sehr

häufig ist die Dokumentation dann unvollständig,

z.B. inBezugaufdiegetroffenenMaßnahmen,die

EvaluationunddenPflegebericht.Besondersprob-

lematischistes,wenndieDatierungversäumtwird

und Unterschriften der Verantwortlichen fehlen.

AußerdemwerdendieverwendetenFormulareoft

nicht den Vorgaben entsprechend eingesetzt, es

gibt Formulierungsprobleme, die Dokumentation

erfolgt nicht zeitnah, ist nicht lesbar, lücken- und

fehlerhaft.DiePapierformistzudemeinUnikat.Sie

stehtimmernuraneinemStandortzurVerfügung.

M § 13 Absatz 2 Heimge-

setz:

„Der Träger eines Heims hat die

Aufzeichnungen nach Absatz 2

sowie die sonstigen Unterlagen

und Belege über den Betrieb

eines Heims 5 Jahre aufzube-

wahren.“

M Alle Dokumentationsun-

terlagen, unabhängig

davon, ob sie manuell oder EDV-

gestützt geführt werden, unter-

liegen dem Datenschutz. Die im

Bundesdatenschutzgesetz fest-

gelegten Regelungen sind zu be-

achten.

Gerade für Mitarbeiter, die ungeübt im Formulie-

ren sind oder für ausländische Pflegende, für die

DeutscheineFremdspracheist,stelltdiekonventio-

nellePflegedokumentationzudemeinenurschwer

zubewältigendeHerausforderungdar.

EDV-gestützte PflegedokumentationEinrichtungen, die eine EDV-(= Elektronische Da-

tenverarbeitung) gestützte Pflegedokumentation

einsetzen erhoffen sich eine qualitative Verbesse-

rungdieserAufgabe.

Vorteile

DieEDVunterstütztbeim„Denken“.Sogibtesz.B.

Aufforderungsmechanismen,dieandasregelmäßi-

geAbzeichnenvonPflegeplänenoderdieEvaluation

derPflegeplanungerinnern.DieEintragungenwer-

den korrekter und vollständiger. Außerdem liefert

das System Formulierungsvorschläge. Der Nutzer

kann aus vordefinierten Leistungskatalogen oder

PflegepläneneineAuswahltreffen.DieSpeicherung

aller Daten in einem elektronischen Medium er-

laubtesjederzugriffsberechtigtenPerson,zujeder

ZeitaufdiePflegedokumentationzuzugreifen.Vo-

raussetzung hierfür ist, dass ausreichend Compu-

tersystemezurVerfügungstehen.

Außerdem lässt sich die Dokumentation deut-

lich besser lesen und auswerten. Alle Phasen des

Pflegeprozesses sind im Verlauf gut darstellbar,

dieTransparenzerhöhtsich.FürSchülerbietetdie

EDV-basierte Dokumentation eine sinnvolle Lern-

plattform. Sie werden schrittweise an den Pflege-

prozessherangeführt.Es istz.B.möglich,zunächst

eingeschränkte Nutzungsrechte zu vergeben. Mit

zunehmendem Wissenshintergrund wird die Zu-

griffserlaubniserweitert.

Nachteile

VerschiedeneUntersuchungenanKrankenhäusern

und Pflegeheimen haben auch Nachteile gezeigt.

So steigt zunächst der Zeitaufwand für die Doku-

mentation.DieseZeit fehltwiederumbeiderVer-

sorgung der Bewohner. Außerdem verleiten die

Formulierungsvorschlägezueinerstandardisierten

Dokumentation. Die EDV kann nur dann sinnvoll

eingesetztwerden,wenndieMitarbeiterregelmä-

ßige und verpflichtende Fortbildungen zu diesem

Thema erhalten und intern regelmäßig Qualitäts-

überprüfungenstattfinden.

PflegedokumentationssystemeDasPflegedokumentationssystemdientdazu,Pläne,

Leistungsnachweise,Berichteu.Ä.einesBewohners

in einer Dokumentationsmappe zusammenzufüh-

D �EDV�=�Elektronische�

Datenverarbeitung.

Durch elektronisch gesteuerte

Datenverarbeitungsanlagen

werden Informationen in Form

von Daten automatisch verar-

beitet.

§

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95

1.2.6 PFLEGEDoKUMENTATIoN, EDV

ren.JedereinzelneSchrittdesPflegeprozesseswird

darin, jederzeit nachweisbar, dokumentiert. Auf

einen„Griff“erhältmanallewichtigenInformatio-

nenüberdenBetroffenen.DiesebildendieGrund-

lagederweiterenVersorgungundPflege.DerMarkt

bietet eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme an.

Bekannte manuelle Pflegedokumentationssysteme

sindz.B.OptiplanundDAN-Produkte.Einbekann-

tes EDV-gestütztes Pflegedokumentationssystem

istVEGA(Verwaltungs-undPflegemanagementfür

sozialeEinrichtungenundGesundheitswesen).Die

EinrichtungensindinderWahldesSystemsfrei.Al-

leSystemeenthaltenähnlicheInhalte.

Bestandteile.DiessindFolgende:

– Stammblatt: neben erforderlichen Daten zur

Person (z.B. Name, Geburtsjahr) sollten Anga-

ben zu medizinischen (z.B. behandelnder Arzt,

Allergien,benutzteHilfsmittel)undsozialenBe-

sonderheiten (z.B. Bezugspersonen, gerichtliche

Betreuungssituation)aufgenommenwerden.Das

StammblattwirdbeiderAufnahmeerstelltund

beiBedarfaktualisiert(z.B.Arztwechsel).

– Pflegeanamnese: Beim Aufnahmegespräch mit

dem Pflegebedürftigen und/oder Angehörigen

wird ein differenziertes Bild von Selbstständig-

keitundAbhängigkeit,bezogenaufalleAktivitä-

tendestäglichenLebens(alsoz.B.auchderKom-

munikation), festgehalten. Die Pflegeanamnese

mussregelmäßigaktualisiertwerden.

– Biografiebogen: Um den Bewohner individuell

zu betreuen, zu fördern und sein Verhalten zu

verstehen, müssen Besonderheiten aus der Bio-

grafie (z.B. frühe Verluste, sozialer Status, Hob-

bys)ermitteltwerden.

– Pflegeplanung: DarstellungderRessourcen/Pro-

bleme, Ziele, Maßnahmen und der Evaluation

(regelmäßigeBewertungderZiele)inSpalten.In

derDarstellungsollteaufeineSchwerpunktset-

zung der Pflegeprobleme geachtet werden, d.h.

die wichtigsten Probleme/Ressourcen werden

andenAnfanggestellt.AuchpotenzielleRisiken

(z.B. Dekubitus, Sturzgefahr, Mangelernährung)

müssen erfasst werden. Die Pflegeplanung wird

beiVeränderungen,diesichz.B.ausderEvaluati-

onergebenhaben,aktualisiert.

– Leistungsnachweis gemäß Rahmenvertrag:Der

sog. Durchführungsnachweis dient dazu, nach-

vollziehbar zu dokumentieren, welche pflegeri-

schenMaßnahmen,wannundvonwemdurchge-

führtwurden.PflegendemitDurchführungsver-

antwortung für die jeweilige Tätigkeit zeichnen

diese nach Erbringung mit ihrem Handzeichen

ab.

– Pflegebericht: Innerhalb des Pflegeprozesses

ist der Pflegebericht eines der entscheidenden

Qualitätskriterien des Pflegeprozesses. Er muss

daher kontinuierlich, übersichtlich und nach-

vollziehbar geführt werden. Der Pflegebericht

bezieht sich auf aktuelle Pflegeprobleme, pfle-

gerelevante Informationen/Ereignisseundnach-

vollziehbare Veränderungen in der Zielsetzung

und Pflegeplanung. Nur persönliche Eigenschaf-

tenundÄußerungen,dieimZusammenhangmit

dem Pflegeprozess stehen, sind aufzunehmen.

DiePflegendenhabenkeineWertungoderKom-

mentierung vorzunehmen. Die regelmäßig und

kontinuierlich erbrachten Pflegeleistungen sind

nichtInhaltdesPflegeberichtesdasiebereitsim

Leistungsnachweiserfasstwurden.

– Evtl.darüberhinausgehendeFormulare

(Abb.1.45).

Papierloser PflegeprozessAuch eine EDV-gestützte Pflegedokumentation

erfasst alle Phasen des Pflegeprozesses. Bei den

meisten Programmen ist eine individuelle Pflege-

planung nach den in den Pflegeheimen gängigen

PflegemodellenwienachMonikaKrohwinkel,Do-

rotheaOremoderVirginiaHendersonmöglich.Ein

geeignetes Programm sollte von den Pflegenden

intuitiv bedienbar, d.h. ohne aufwendige Fortbil-

dungsmaßnahme nutzbar sein. Farbige Hervorhe-

bungenundoptischeSignalebietenamBildschirm

einen schnellen Überblick. Viele Systeme sind

selbstlernendundschlagenMaßnahmenundLeis-

tungenvor,dieinderjeweiligenKombinationschon

einmalvorkamen.InBereichenmiteinerkürzeren

VerweildauergibtesdieMöglichkeit,Standardsfür

die Behandlung zu hinterlegen. Diese werden den

einzelnen Bewohnern zugewiesen und individuell

ergänzt.

Leistungen können mit Punkt-, Zeit- und Geld-

wertenversehenwerdenundbildensodieGrund-

lage für eine leistungsbezogene Abrechnung. Die

Zeitwerte können dem internen Controlling und

gegenüber dem MDK als Nachweis dienen. Alle

Pflegedokumentationssysteme bieten ähnliche

Optionen. Sie werden analog zu den Phasen des

Pflegeprozessesvorgestellt.Wennnachfolgendvon

„Seite“dieRedeist,soistimmerdiepapierloseVa-

riante,d.h.dieBildschirmseite,gemeint.Allerdings

kommen auch die aktuellsten auf dem Markt be-

findlichenSystemenichtganzohneeineergänzen-

dehandschriftlicheDokumentation,z.B.fürTrink-

protokolleundLagerungspläne,aus.

Informationssammlung

Bei der Neuaufnahme des Bewohners werden al-

le relevanten Daten möglichst zeitnah erfasst. Die

meistenSystemesehendabeiunterschiedlicheSei-

ten vor: Stammdaten, Anamnese, Biografiebögen,

Medikamente, Vitalwerte, Wunderhebungsbögen,

ErnährungsplänesowieweitereEDV-Formulare.

Erkennen von Ressourcen und Problemen

Die Problemanalyse erfolgt strukturiert anhand

vonChecklistenoderFragebögen.AufderBasisvon

M Im Pflegedokumentati-

onssystem wird jeder

Schritt des Pflegeprozesses

nachweisbar dokumentiert. D. h.

alles was zur Darstellung des

Pflegeverlaufs und des Befindens

des Bewohners notwendig er-

scheint.

Pflegemodelle, s. S.18 ff.

M Die Pflegedokumentati-

on mithilfe der EDV er-

setzt nicht das eigenständige

Denken und Reflektieren. For-

mulierungsvorschläge u. Ä. müs-

sen immer überprüft und ggf.

individuell abgeändert werden.

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1

TextbausteinenwerdendieRessourcenundProble-

meformuliert.DasProgrammnimmtautomatisch

eine Bewertung der Probleme zur Erfolgsüberwa-

chung vor und ermittelt Kennzahlen zur Qualität

derPflege.

Ziele festlegen

AufderBasisderRessourcenundProblemekönnen

Zielformulierungen vorausgewählt werden. Die

FormulierungerfolgtindividuelloderaufderBasis

von Textbausteinen. Außerdem wird für Teilziele

eine zeitliche Planung und Terminüberwachung

abgerufen.

Maßnahmen planen

Auf der Basis der Ressourcen, Probleme und Ziele

trifft das Programm eine Vorauswahl von Maß-

nahmenformulierungen.DiePlanungderMaßnah-

men erfolgt in einer Tagesstruktur. Diese richtet

sichnachdemZeitpunkt,andemdieMaßnahmen

durchgeführtwerdensollen.Außerdemwerdenzur

Vereinfachung der Dokumentation Leistungskom-

plexegebildet.WeiterePläne (z.B.Lagerungsplan)

könnenerstelltwerden.VieleProgrammeschätzen

zudemdenzeitlichenPflegeaufwandein.

Maßnahmen durchführen

Alle Leistungen werden dokumentiert. Ergänzend

gibtesPflegeberichte,Vitalwertekönnenfestgehal-

P „Übung macht den Meis-

ter!“ Dieses Sprichwort

gilt auch für die EDV-gestützte

Pflegedokumentation. Man

sollte ab dem ersten Einsatztag

selbstständig dokumentieren

und sich dabei von erfahrenen

Pflegenden kontrollieren lassen

(Abb. 1.46).

ten, Flüssigkeit bilanziert und eine genaue Zeiter-

fassung bei Leistungserbringung kann vorgenom-

menwerden.Zusätzlichstehenz.B.Protokollefür

den Ernährungszustand, Notfälle, Stürze, Wunden

undMedikamentezurVerfügung.

Pflege evaluieren

Pflegeberichte aus der Datenbank können zusam-

men- und gegenübergestellt werden. Außerdem

erfolgt eine Verknüpfung der Informationen, um

Zusammenhängedarzustellen.

Pflegeplanung

Pflegeziele

Pflegeplanung

– „Stammblatt“ mit allgemeinen Daten– externe Pflegeberichte/Pflegeüberleitungsbögen– Pflegeanamnese + Assessment-Instrumente– Biografiebogen– ärztliche Diagnosen + Therapieplan (Medikamentenblatt)

– Pflegebericht evtl. darüber hinaus:– „Hygieneblatt“– Vitalzeichenkurve– BZ-Kurve– Bewegungsförderungspläne– Assessment-Instrumente (zur Verlaufsdarstellung)– Nachweise von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen (Begründung und Dauer, richterliche Genehmigung erforderlich)– Bilanzierungsbögen– Dokumentation therapeutischer Maßnahmen (KG, ERGO, usw.)– Pflegeleistungsnachweise (nur sofern erforderlich z.B. in der ambulanten Pflege)– usw.

Pflege-maßnahmen

Pflege-diagnosen

Durchführungder Pflege

Evaluationder Pflege

Informations-sammlung

Abb. 1.45 Inhalte einer prozessorientierten Pflegedokumentation (Köther, 2007).

Abb. 1.46 Am Anfang können sich die Pflegenden bei der EDV-gestützten Pflegedokumentation gegenseitig unterstützen. ( Foto: Alexander Fischer, Thieme)

I Literatur:

Ammenwerth, E.: EDV in

der Pflegedokumentation. Ein

Leitfaden für Praktiker. Schlüter-

sche, Hannover 2003

Internet:

http://www. vega-online. de

http://www. danprodukte. de

http://www. managingcare. de

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1.2.6 PFLEGEDoKUMENTATIoN, EDV

EDV-Systeme zur PflegedokumentationEs gibt unterschiedliche EDV-Systeme zur Pflege-

dokumentation. Einrichtungen, die mit der hand-

schriftlichen Dokumentation nicht zurechtkom-

men,stellensichvor,dassmiteinerEDV-gestützten

Dokumentationallesbesserwird.Diestrifftjedoch

nurdannzu,wennmitderEinführungeineQualifi-

kationderMitarbeiter,inderAnwendungdesPfle-

geprozesses und dem Umgang mit dem EDV-ge-

stütztenSystem,einhergeht.Erfolgtdiese,lässtsich

mitdemneuenSystemtatsächlichZeitsparen.Der

Pflegeprozesskanneffektivergesteuertwerden.

WelchesEDV-Systeminfragekommt,muss jede

Einrichtungindividuellprüfen.Esistsinnvoll,dass

sich die EDV-Beauftragten der Einrichtung, z.B.

auf Pflegemessen, informieren. In einem nächsten

Schritt sollte eine Arbeitsgruppe gebildet werden,

die sich Vertreter von in Frage kommender Soft-

wareunternehmen zur Demonstration der Pro-

gramme unverbindlich einlädt. Die wichtigsten

Systemartenwerdenvorgestellt.

Zentrale nicht zeitnahe PlanbestätigungDie Planungen und ihre Ausführung werden an

einerzentralenStelle(z.B.imStationszimmer)re-

gelmäßig (z.B.zumSchichtende)vonderSchicht-

leitungmitderhandschriftlichenPflegedokumen-

tation abgeglichen. Meistens wird ein pauschaler

Soll-Ist-Vergleich vorgenommen. Von Vorteil ist,

dassnurwenigeMitarbeitergeschultwerdenmüs-

sen, es schnell geht und nur geringe Investitions-

kostenanfallen.VonNachteilist,dassteilweiseeine

doppelteDokumentationerfolgt(PCundPapier),es

somit keine zeitlichen Einsparungen gibt und die

Erfassungpauschalundungenauist.Außerdemist

derTerminalamEndederSchichtoftüberlastet,da

jederseineEinträgevornehmenwill.

Dezentrale Leistungs- und ZeiterfassungAnguterreichbarenStellenaufdemWohnbereich

werden Terminals zur Dokumentation errichtet.

Unmittelbar nach der Pflege bei einem Bewohner

werdendiedurchgeführtenLeistungenerfasst,Pfle-

geberichtegeschrieben,Vitalwerteu.a.eingegeben.

AuchZeiterfassungensindsomöglich.VonVorteil

ist,dassderMitarbeiter,derdieLeistungerbringt,

dokumentiert.EineDoppeldokumentationentfällt,

dadurch verringert sich der Dokumentationsauf-

wand.DamehrereTerminalszurVerfügungstehen,

werden Wartezeiten bei der Eingabe vermieden.

VonNachteilist,dassderInvestitionsaufwandhoch

ist.AußerdemistkeineexakteZeiterfassungjeBe-

wohnermöglich.

Lokale reale Leistungs- und ZeiterfassungInallenRäumen, indenensichdieBewohnerauf-

halten(z.B.Bewohnerzimmer,Bad,Gemeinschafts-

raum)werdenDokumentationsterminalsinstalliert.

DiePflegendenerfassennebendenerbrachtenLeis-

tungenauchBeginnundEndederPflege.Außerdem

könnenPflegeberichtegeschrieben,Vitalwerteu.a.

eingegebenwerden.VonVorteilist,dassderMitar-

beiter,derdieLeistungerbringt,dokumentiert.Eine

Doppeldokumentationentfällt.Dadurchverringert

sichderDokumentationsaufwand.DamehrereTer-

minalszurVerfügungstehen,werdenWartezeiten

beiderEingabevermieden.EinegenaueZeiterfas-

sungjeBewohneristmöglich.VonNachteilistder

höhereInvestitionsaufwand.Außerdemkönnendie

Mitarbeiterkontrolliertwerden.

Mobile reale Leistungs- und ZeiterfassungWährendseinerArbeitführtderPflegendeeinmo-

biles Erfassungsgerät (PDA) mit sich (Abb. 1.47).

Dieses tauscht die Daten mit einer zentralen Da-

tenbankaus.UnmittelbarnacheinerPflegetätigkeit

werdendiedurchgeführtenLeistungenerfasst.Au-

ßerdem können Pflegeberichte geschrieben, Vital-

werteu.a.eingegebenwerden.Darüberhinauswird

der gesamte Tagesablauf des Mitarbeiters erfasst,

d.h. auch Nebentätigkeiten wie das Erstellen von

Pflegeplanungen, Pausen usw. Von Vorteil ist, dass

derMitarbeiter,derdieLeistungerbringt,dokumen-

tiert. Eine Doppeldokumentation entfällt, dadurch

verringertsichderDokumentationsaufwand.

DafürjedenMitarbeiterPDAszurVerfügungste-

hen,entfallenWartezeitenbeiderEingabe.Eineex-

akteZeiterfassungistmöglich.DieInvestitionskos-

ten sind vergleichsweise gering. Von Nachteil ist,

dass die mobilen Endgeräte empfindlich sind und

dementsprechend häufig kaputtgehen. Außerdem

müssen die Pflegenden das Gerät immer mit sich

führen.AuchdieKontrolledeseinzelnenMitarbei-

terswirdnochverstärkt.

Abb. 1.47 Mit einem mobilen PDA-Gerät können die Daten zur Pfle-gedokumentation jederzeit aufgenommen und abgerufen wer den. (Foto: Alexander Fischer, Thieme)

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1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1Programme in der AltenpflegeDie Verbesserung der Pflegequalität und die Ver-

braucherrechtederzuPflegendenstehenimMittel-

punktdesimJahr2002inKraftgetretenenPflege-

Qualitätssicherungsgesetz(PQsG).Einwesentlicher

Bestandteil dieses Gesetzes ist die Verpflichtung

jedes ambulanten Pflegedienstes und jedes Pfle-

geheimes, ein einrichtungsinternes, umfassendes

Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzu-

entwickeln.EserfordertumfassendeDokumentati-

onspflichtenvondenPflegenden,derPflegedienst-

leitungundderVerwaltung.Dabeigiltes,denSpa-

gatzwischenQualitäts-undKostenbewusstseinzu

meistern.

Moderne und zukunftsweisende Softwarepro-

gramme zur Pflegedokumentation, Pflegeplanung

und zur Personaleinsatzplanung versprechen die

LösungdiesesProblems.DiemeistenSoftware-Fir-

men bieten modulare Lösungen. Standardmodule

könnendurchsinnvolleZusatzmoduleundZusatz-

programmeerweitertwerdenunderlaubendurch

universelleSchnittstellendieKommunikationund

Integration mit den unterschiedlichsten Software-

produkten.

Anforderungen an Software für die AltenpflegeSoftwarefürdieAltenpflegesolltefolgendenKrite-

rienerfüllen:

– Alle Kernprozesse (z.B. Pflege, Dokumentation,

Bestell-undLieferwesen)müssensichdurchEDV

unterstützenlassen.

– Das Bewohner- und Pflegeinformationssystem

mussumfassendseinunddiePflegeplanungund

-dokumentation nach dem Pflegeprozess integ-

rieren.

– Alle Vorgaben des Pflegequalitätssicherungsge-

setzesmüssenumgesetztwerden.

– Die Leistungsabrechnung muss einfach und ef-

fektivsein.

– EinebedarfsgerechteDienstplanungundAbrech-

nungmussmöglichsein.

– DieSoftwaremussanwenderfreundlichsein,d.h.

auch für Nutzer mit geringen EDV-Kenntnissen

leichtbedienbar.

Auswahl der ProgrammeEsgibtmittlerweileeineVielzahlvonSoftwarefir-

men,diealle„dieinnovativeundgünstigeLösung“

anbieten. Einrichtungen sollten sich unbedingt,

bevorsiesichfüreinProduktentscheiden,umfas-

send informieren und beraten lassen. Sinnvoll ist

es,eineArbeitsgruppe(AG)zugründen,inderauch

Praktiker,diezukünftigmitdemProgrammarbei-

tensollen,mitarbeiten.DieAGkönntez.B.Demo-

VersionenvonverschiedenenAnbieterntestenund

Kosten/Nutzen abwägen. Hilfreich kann es auch

sein,zuPflegeheimen,diebereitsmitdengleichen

Zu Konzepten und Methoden der

Qualitätsentwicklung s. S. 810.

Programmen arbeiten, Kontakt aufzunehmen und

sichüberdiemitdemProgrammgemachtenpositi-

venundnegativenErfahrungenzuinformieren.So

verringertsichdieGefahr,dasssicheinPflegeheim

fürdieverkehrteSoftwareentscheidet.

Pflegeplanung und -dokumentation

EinheitlicheDokumentationsverfahrentragendazu

bei,dassdieZieleQualitätsverbesserungundPfle-

getransparenz unterstützt werden. Schwerpunkte

sind die Pflegeanamnese, Pflegeplanung und Pfle-

gedokumentation(s.S.70ff.).

Bewohnerinformationssystem und Leistungsabrechnung

Die Programme sollten einrichtungsspezifische

Gegebenheiten zu den Themen Verwaltung, Leis-

tungsabrechnung und Bewohnerinformation flexi-

beldarstellen.InformationenüberdieEinrichtung,

PlätzeundBetreute stehenzentral zurVerfügung.

Ein professionelles Dokumentenmanagement für

regelmäßige Tätigkeiten, z.B. Aufnahme, Wechsel

desPflegegrades, solltedieArbeiterleichtern.Au-

ßerdem sollte es differenzierte Möglichkeiten der

AuswertungundStatistikgeben.Dassogewonnene

Datenmaterialmussaussagekräftiggenugsein,um

z.B. Kostenträger bei Verhandlungen zu überzeu-

gen.

Dienstplanmanagementprogramme

Der Dienstplanmanager sollte umfassende Mög-

lichkeiten bieten, um Dienstpläne zu erstellen, zu

verwalten und abzurechnen. Außerdem dient das

Programm der Verwaltung von Mitarbeiterdaten.

InderambulantenAltenpflegegibtesbereitsPro-

gramme, bei denen die Daten über das Handy er-

fasstwerden.BeidiesemwerdenalleSchrittevom

ErstkontaktzumPatientenhinzurLeistungs-,Ein-

satz- und Tourenplanung erfasst. Die Abrechnung

wirddadurchvereinfachtundtransparent.

Programme für das Rechnungswesen und Controlling

Es sind Programme, die die Finanzbuchhaltung,

dasKassenwesen,Barbetragsverwaltung,Anlagen-

buchhaltungunddasControllingvereinfachenund

Betriebsergebnissemessbarmachen.

Weitere spezielle Programme

Neben den, mittlerweile fast zum Standard von

Pflegeheimen gehörenden, gerade vorgestellten

Programmen, gibt es weitere Software, die eine

bessere Organisation von Aufgaben und Abläufen

verspricht.Soz.B.einsog.Hilfsmittelmanagerzur

einfachenundumfassendenVerwaltungvonHilfs-

mitteln oder ein Küchenmanager, zur Warenwirt-

schaftundPersonaleinsatzplanunginderKüche.

I Nachfolgend werden,

ohne qualitative Wer-

tung, verschiedene Anbieter für

Pflegeheimsoftware genannt.

Auf den Homepages kann man

sich über die Produkte näher in-

formieren und häufig Demo-Ver-

sionen der EDV-Pragramme tes-

ten:

http://www. alphacomputer. de

http://www. altenpflege-soft-

ware. de

http://www. heimbas. de

http://www. cella-software. de

http://www. ntconsult. de

http://www. vega-online. de

D �Kernprozess: Tätig-

keiten, die dazu dienen,

Kundenbedürfnisse direkt zu er-

füllen. Der Begriff stammt aus

dem Qualitäts- und Prozessma-

nagement. Er wird auch in der

Betriebswirtschaftslehre ver-

wendet. Kernprozesse beginnen

mit dem Kundenwunsch und

enden mit dessen Erfüllung. Sie

integrieren alle dafür erforder-

lichen Teilprozesse.

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99

1.2.6 PFLEGEDoKUMENTATIoN, EDV

Programme für ältere MenschenUntersucht man den Markt für Softwareangebote,

sofindetmannurvereinzeltCD-RomszuBildungs-

themenodermitInformationen(z.B.zumUmgang

mitdemComputer),dieältereMenschenalsZiel-

gruppedefinieren.AucheinAngebotanUnterhal-

tungsprodukten, die schwerpunktmäßig Senioren

ansprechen,existiertnicht.EsgibtlediglichAnbie-

ter,dieinteraktive„Spiele“z.B.einGedächtnistrai-

ningaufihrenInternetseitenbereitstellen.

Der Markt von eLearning-Angeboten für ältere

Menschen ist umfangreicher aber ebenfalls sehr

unübersichtlich.Schwerpunktmäßigkonzentrieren

siesichaufdieVermittlungvonKursenundSemi-

naren. In ihnenkönnenältereMenschendenUm-

gangmitdemComputerundInterneterlernen,d.h.

Medienkompetenzerwerben.

Bereits vor einigen Jahren haben die Fachhoch-

schulenundUniversitätendenhohenBedarfälte-

rerMenschenanFort-undWeiterbildungerkannt.

SeniorensindschonlangeindennormalenVorle-

sungen als Gasthörer zugelassen und bei entspre-

chendenBildungsabschlüssenwirdihnendernor-

male Studentenstatus eingeräumt. Ein bekannter

Alters-StudentistErwinTeufel,dervon1991–2005

MinisterpräsidentvonBaden-Württembergwar.Im

Altervon66JahrenbegannerimJahr2005einPhi-

losophiestudiuminMünchen.

WenndieFachbereichefürihreStudenteneLear-

ning-ModuleinsInternetstellen,soistderZugang

selbstverständlich auch für ältere Gasthörer ge-

währleistet.AllerdingsgibtesanFachhochschulen

oderUniversitätenbisherkeinAngebot,dassspezi-

ellaufdieBedürfnissealterMenschenzugeschnit-

tenist.InzwischenhabensichzahlreicheBildungs-

anbieterwieAkademienundVolkshochschulen,die

speziell ältere Menschen als Zielgruppe definiert

haben,amMarktpositioniert.NebenThemenwie

Kunst, Kultur, Finanzen und Gesundheit werden

auch Kurse angeboten, in denen ältere Menschen

derUmgangmitdem InternetundComputerver-

mittelt wird. Die meisten Angebote sind Präsenz-

seminare. Nur ein kleiner Teil wird als eLearning-

Kurseangeboten.

Verlage richten sich mit ihren eLearning-Ange-

botenbisherebenfallsnichtspeziellanältereMen-

schen. IhrAngebotgiltErwachsenen imAllgemei-

nen. Sie erachten eine Differenzierung nach dem

Alteralsnichtnotwendig.

D �eLearning: Sammelbe-

griff für die unterschied-

lichsten Formen des Lernens mit

technischer bzw. elektronischer

Unterstützung.

Zunehmend unterbreiten Vereine, Stiftungen,

Forschungsinstitutionen u.a. potenziellen Kunden

derAltersgruppe55+umfassendeInformationsan-

geboteüberdasInternet.SiebietenInternetportale

und-plattformenan,produzierenOnlinemagazine

u.a.ImMittelpunktstehtdieVernetzungvonNut-

zernunddenInstitutionenzuFragenrundumdas

ThemaAlterundAltern.Schwerpunktthemensind

diegesundheitlicheBeratungundpräventiveMaß-

nahmensowiedasWohnenundLebenimAlter.

Ein besonderes Angebot stellt der Deutsche Bil-

dungsserver bereit. Er versteht sich als zentraler

Wegweiser zu Bildungsinformationen im Internet.

Allen Interessierten werden kostenfrei, aktuell

undumfassendvielfältige Informationenzu Inter-

netquellen,rundumdasdeutscheBildungswesen,

angeboten. Neben thematischen Katalogen stehen

AngebotefürverschiedeneAdressatengruppenzur

Verfügung.EinestelltdenälterenMenscheninden

Mittelpunkt. Unter der Rubrik „Seniorenbildung

und Altersforschung“ finden sich verschiedene

Schwerpunktthemen, z.B. Lernen und Wissen im

Alter, neue Medien, Medienkompetenz für Älte-

re, Kursangebote für Senioren. Folgt man diesen

Schwerpunktthemen,kannmandirektaufdieAn-

gebote der verschiedenen Anbieter zugreifen. Als

besonderen Service bietet der Bildungsserver ei-

nen 14-tägig erscheinenden Newsletter und einen

persönlichen Profildienst an. Die Nutzer werden

regelmäßigüberaktuelleNeuigkeitenundihrspe-

ziellensInteressengebietinformiert.

DiedemografischeEntwicklung,mitderstarken

ZunahmeältererMenschenanderGesamtbevölke-

rungwirddeneLearning-Marktverändern.Eswer-

denmehrAngebote,diespeziellaufdieseZielgrup-

pezugeschnittensind,entstehen.

D �Soziodemografie:�Ein

Begriff aus der empi-

rischen Sozialforschung (erhebt

und interpretiert soziale Daten).

Er beschreibt die Bevölkerungs-

merkmale, nach denen die Mit-

glieder einer Stichprobe oder ei-

ner Zielgruppe erfasst werden.

Dazu gehören z. B. Geschlecht,

Alter, Familienstand, Schul- und

Berufsbildung, soziale Schicht.

I Internet:

Deutscher Bildungs-

server unter:

http://www. bildungsserver. de

Interaktive Gedächtnistrainings

unter:

http://www. hjp-multimedia. de

http://www. ipsis. de/themen/

thema_gedaechtnistraining

http://www. memopower. de

Abb. 1.48 Viele ältere Menschen sind auch an den neuen Medien interessiert. (Foto: Erwin Wodicka, Fotolia.com)

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100

1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1

Digitale Lernmittel– Simulationsprogramme: In einer Simulation

werden besonders komplizierte Prozesse de-

monstriert, insbesondere wenn reale Demons-

trationen nicht machbar sind, z.B. weil sie zu

zeitaufwendigoderteuersind(z.B.medizinische

TechnikenwieeineMagenspiegelung).

– Kurse oder Lernprogramme: Sie dienen dazu,

umfassendereFachinhalteneuzuvermitteln,zu

erklärenundzuüben.Lernzieleundeinesinnvol-

le Reihenfolge sind festgelegt, z.B. Sprachkurse,

Fernstudieninhalte.

Lernsoftware bewertenUmzubeurteilen,obeineLernsoftwarefürdenge-

dachtenZweck,z.B.diePrüfungsvorbereitung,ge-

eignetist,helfendienachfolgendenKriterien.

– Grundlegende Informationen: bibliografische

Daten (Titel, Autor, Erscheinungsjahr, Preis);

technische Ausstattung, die zum Betrieb nötig

ist;gibteseinHandbuchmitBedienungshilfen?

– Gestaltung: Ist die Darstellung übersichtlich,

kann Wesentliches von Unwesentlichem gleich

getrennt werden? Wie gelungen ist der Einsatz

von Multimedia (Video, Text, Grafik)? Welche

Navigationshilfen und Suchfunktionen gibt es?

IstdasGesamtlayoutansprechend?

– Inhalt: AnwenrichtetsichdasProgramm(Alter?

Kenntnisse? Voraussetzungen?)? Welche Ziele

verfolgt das Programm? Welche Schwerpunk-

te und Themenbereiche deckt das Programm

ab (Allgemeinwissen? Bestimmte Lernfelder?)?

WiesinddieInhaltestrukturiertundaufbereitet

(sachlicheRichtigkeit,logisch,demThemaange-

messen)?SinddieInhaltemanipuliert(Informa-

tionsauswahl – fehlen wichtige Bereiche? Wer-

denverschiedenePositioneneinandergegenüber

gestellt?)?

DigitaleLernmittelsindComputerprogramme,mit

deren Unterstützung sich Lernende mit bestimm-

tenInhalteneigenständigvertrautmachenkönnen.

AuchinderAltenpflegeausbildungundfürexami-

nierteAltenpflegerfindendieseHilfsmittelzuneh-

mendEinsatz.SeiesimUnterricht,imRahmendes

selbstorganisiertenLernens,inderNacharbeitvon

Unterrichtsinhalten zu Hause oder im Bereich der

selbstorganisierten Fort- und Weiterbildung. Die

meisten Fachverlage haben ihre Bücher um digi-

tale Lernmittel ergänzt (z.B. Filme auf DVD) oder

siebietenzusätzlicheOnline-Portalemitaktuellen

Fachinhalten und Service-Angeboten. Allerdings

befindet sich die Entwicklung in der Altenpflege

immernoch imAnfangsstadium.Lehrendeanden

SchulensetzendigitaleLernmittelbisherseltenein.

Arten digitaler LernmittelUmeinenÜberblicküberdasinzwischenbreitgefä-

cherteAngebotdigitalerLernmittelzubekommen,

hilft nachfolgende Übersicht. Es gibt jedoch auch

MischformendervorgestelltenArten:

– Übungssoftware: Sie dient dazu, einen einge-

grenzten Lernstoff, z.B. Fachwörter, Vokabeln,

Rechenaufgaben, durch Aufgaben, die man wie-

derholt,zuüben.Ggf.erfolgteineKorrekturoder

eswerdenergänzendeErklärungengegeben.In-

zwischengibtesauchmultimedialeÜbungssoft-

ware,diewieeinAbenteueroderSpielaufgebaut

ist.Dieseskannmannur„gewinnen“,wennbe-

stimmteAufgabengelöstwerden.

– Multimediale Informationssysteme: Bei ihnen

stehtdasbreiteWissensangebotimMittelpunkt.

Lernziele gibt es keine, d.h. es bleibt dem Nut-

zerüberlassen,wann,wieviel,wasundzuwel-

chemZweckerlernt.Beispielesindmultimediale

Nachschlagewerke, z.B. gibt es die „Rote Liste“

auchindermultimedialenForm.

D �Digitale Lernmittel =

Lernsoftware.

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101

1.2.6 PFLEGEDoKUMENTATIoN, EDV

Datenschutz(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung

seinerPersönlichkeit,soweiternichtdieRechtean-

dererverletztundnichtgegendieverfassungsmä-

ßigeOrdnungoderdasSittengesetzverstößt.“

JedemEinzelnenwirddamiteinBereichzugesi-

chert,indemersichungezwungenundfreibewe-

genkann,ohneAngsthabenzumüssen,dassUnbe-

fugte Zutritt erlangen, ihn abhören oder beobach-

tenkönnen.DiePrivatsphäreumfasstverschiedene

Bereiche:

– Informations-Privatsphäre, d.h. personenbezo-

geneDatenwerdengeschützt.UmfassendeRege-

lungenzudiesemBereichsind imDatenschutz-

gesetzniedergelegt.

– Privatsphäre des Körpers, d.h. die Wahrung der

Intimsphäre und der körperlichen Unversehrt-

heit.

– PrivatsphäredesTerritoriums,d.h.derSchutzder

Wohnung,desArbeitsplatzesetc.vorunbefugten

EingriffenwieVideo-oderTonbandaufnahmen.

Technologien,z.B.biometrischeDatenbanken,Gen-

Datenbanken, Bankomatkarten, das Internet und

Handy erlauben eine Überwachung des Einzelnen

undgehenmiteinemVerlustderPrivatsphäreein-

her.NurwerdieseTechnologienmeidet,kannder

fastomnipräsentenÜberwachungentgehen.

Privatsphäre im Pflegeheim

BeiMenschen,dieinInstitutionenwieeinemPfle-

geheimleben,wirdindiePrivatsphäreinalleno.g.

Bereichen eingegriffen. Es ist für alle Beteiligten,

den Bewohner und die Pflegenden, nicht einfach,

eine angemessene Balance zu finden. Bei ihr geht

eseinerseitsdarum,diePrivatsphäredesPflegebe-

dürftigenzuwahrenundandererseitsRaumfürdie

AufgabenerfüllungderPflegendenzulassen.Häufig

wirken sich zudem Schutzbestimmungen, wie die

des Brandschutzes, negativ auf die Wohnsituation

und damit auf die Lebensqualität der Bewohner

aus.Esmusssoweitalsmöglichdafürgesorgtwer-

den, dass der Bewohner seinen Lebensraum, d.h.

seinZimmer,individuellgestaltenkann.Außerdem

solltesichergestelltsein,dassdiemitdemRechtauf

PrivatsphäreverbundenenBedürfnisse,wiez.B.Be-

suchzuempfangenoderzuverweigern,Ausübung

persönlicher Bedürfnisse (z.B. Sexualität) und das

RechtaufeinesinnvolleBeschäftigunginderFrei-

zeit, erfülltwerden.Hilfreich sindklare,nachvoll-

ziehbare Strukturen und überschaubare Abläufe,

diefürbeideSeitenOrientierungbieten.

D �Informationelle�

Selbstbestimmung:

Das anerkannte Recht des Ein-

zelnen, grundsätzlich selbst da-

rüber zu bestimmen, wenn per-

sönliche Daten preisgegeben

und verwendet werden. Nur

wenn das Allgemeininteresse

überwiegt (z. B. Gefahr in Ver-

zug – desorientierter Bewohner

ist aus dem Heim weggelaufen)

dürfen diese Daten weitergege-

ben werden (z. B. an die Polizei).

B So spannend der Ar-

beitsalltag auch ist – es

geht niemanden, der nicht un-

mittelbar mit der Arbeit in Ver-

bindung steht (auch nicht ihre

beste Freundin, die in der S-Bahn

neben einem sitzt), etwas an,

dass die 100-jährige Frau Sabine

Veber aus der Tulpenstr. 10 nach

ihrem Apoplex nun ins Heim

zieht.

Bundesdatenschutzgesetz. Mit personenbezoge-

nen Daten, z.B. von Heimbewohnern, kann Miss-

brauch betrieben werden. Es ist daher sinnvoll,

dass sie einem besonderen Schutz unterliegen. Es

gibteineigenesGesetz,dasBundesdatenschutzge-

setz (BDSG). Es regelt zusammen mit den Daten-

schutzbestimmungenderLänderdenUmgangmit

personenbezogenen Daten, die manuell oder in

IT-Systemen verarbeitet werden. §3 Absatz 1 des

Bundesdatenschutzgesetzes definiert diese Daten

als„Einzelangabenüberpersönlicheodersachliche

Verhältnisseeinerbestimmtenoderbestimmbaren

natürlichenPerson.“

Schutzbedürftige Daten.Besondersschutzbedürf-

tigsindnach§3Absatz9BDSGGesundheitsdaten,

Informationen über die rassische oder ethnische

Herkunft,diepolitische,religiöse,gesellschaftliche

oder sexuelle Orientierung. Maßnahmen des Da-

tenschutzessollenjedenMenschendavorschützen,

dassseinepersonenbezogenenDatenanunbefug-

te Dritte mitgeteilt werden und damit sein Recht

aufdie informationelleSelbstbestimmungverletzt

wird.JederMenschsollselbstentscheidenkönnen,

wer, bei welcher Gelegenheit, welche persönliche

Datenüberihnerhält.

Schriftliche Zustimmung. Vor dem Hintergrund

neuer technischer Entwicklungen wie E-Mail, In-

ternet, Videoüberwachung, elektronischen Zah-

lungsmethodenundderVideoüberwachungerhält

die Beachtung des Datenschutzes eine besondere

Bedeutung. So ist es grundsätzlich verboten, per-

sonenbezogene Daten zu erheben, zu verarbeiten

und zu nutzen, es sei denn die betroffene Person

erteiltausdrücklich(meistschriftlich)ihreZustim-

mungdazu.DiesgiltauchfürdenUmgangmitden

DatenvonHeimbewohnern.DerHeimvertragmuss

dahereineKlauselenthalten,inderderBewohner

derErfassung,Speicherung,VerarbeitungundWei-

tergabe personenbezogener Daten, soweit es zur

Vertragerfüllungnotwendigist,durchseineUnter-

schriftzustimmt.

Schutz der PrivatsphäreDiePrivatsphärebezeichnetdenBereicheinerPer-

son, der nur ihn selbst etwas angeht. Der Schutz

derselbenlässtsichausdemGrundgesetzableiten.

Dort heißt es in Artikel 2, Absatz 1: „Allgemeine

Handlungsfreiheit; Freiheit der Person; Recht auf

Leben:

B Auszug aus einem Heim-

vertrag zum Thema „Da-

tenschutz“

„Zur ordnungsgemäßen Er-

füllung dieses Vertrages ist es

notwendig, personenbezogene

Daten zu erfassen, zu speichern,

zu verarbeiten und weiterzu-

geben. Die Bewohnerin/der Be-

wohner stimmt dem zu, so weit

es zur Erfüllung dieses Vertrages

notwendig ist. Eine Entbindung

von der Schweigepflicht kann

nur im Einzelfall und durch die

Bewohnerin oder den Bewohner

erfolgen. Die Datenschutzbe-

stimmungen werden umge-

setzt.“

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102

1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1Pflegeüberleitung und EntlassungsmanagementBedeutung des EntlassungsmanagementsDurcheinerechtzeitigePlanungundBereitstellung

der notwendigen Pflege- und Versorgungsleistun-

gen können für Patientin und Angehörige drama-

tische Engpässe und unnötiges Leid vermieden

werden.Versorgungsbrüchenkannvorgebeugtund

unnötig hohe Kosten für stationäre Aufenthalte

könnenvermiedenwerden.

Ein gutes Entlassungsmanagement ist von zen-

traler Bedeutung für die Gesundheit und Lebens-

qualitätderBetroffenen(Abb.1.50).Diesistinder

Fachwelt seit längerem Konsens. 2002 wurde ein

sogenannter „Expertenstandard Entlassungsma-

nagement inderPflege“erarbeitet,der2017nach

2009zumzweitenMalaktualisiertwird.

GroßeKlinikenhabenzumTeilArbeitsplätzefür

Pflegefachkräfte eingerichtet, deren Aufgabe das

Entlassungsmanagement ist, und auch der Sozial-

dienstübernimmtTeilederOrganisation.BeideBe-

rufsgruppenarbeitenengzusammen.

PflegeüberleitungLeistungen der PflegeüberleitungDieMaßnahmenderPflegeüberleitungumfassen:

– dieEntlassungsvorbereitunginderverlegenden

Einrichtung,

– dieAbstimmungmitderFolgeeinrichtung.

DieguteZusammenarbeitallerbeteiligtenBerufs-

gruppen ist besonders wichtig. Folgende Fragen

müssengeklärtsein:

– Werinformiertwenundwannworüber?

– WelchekonkretenVorbereitungenmüssen

getroffenwerden?

DerArztinformiertüberAnlassundZeitpunktder

Verlegung/Entlassung,denStandderTherapieund

diemedizinischeWeiterbehandlung.

Die Information und Beratung hinsichtlich pfle-

gerischer Belange sowie die unmittelbaren Vor-

bereitungsarbeiten obliegen den Pflegepersonen.

Außerdem sind Therapeuten und andere Fachper-

soneneinzubeziehen(z. B.Ernährungsberater).Die

notwendigen Maßnahmen/Termine sind von der

Pflegepersonzukoordinieren.

Die Auswahl einer geeigneten Folgeeinrichtung

unddieKlärungdernotwendigenfinanziellenund

sozialen Aspekte übernimmt in der Regel der So-

zialdienst.DadiePflegeüberleitungeinsehrkom-

plexesAufgabenfeldumfasst,wurdenbesondersim

Krankenhausbereich spezielle Stellen für die Pfle-

geüberleitunggeschaffen.

Aufgaben der Pflegeperson

DieAufgabendesPflegepersonalsbeiderÜberlei-

tungsind:

D �Unter Entlassungsma-

nagement versteht man

das frühzeitige Erkennen von

Versorgungsproblemen und die

Organisation der weiteren Ver-

sorgung für einen Patienten mit

absehbarem Pflege- und Unter-

stützungsbedarf. Dies geschieht

während eines Aufenthaltes in

einem Krankenhaus, einer Fach-

oder Rehaklinik und soll Versor-

gungsbrüche nach der Entlas-

sung vermeiden.

D �Pflegeüberleitung im

engeren Sinne fasst die

pflegerischen Anteile des Entlas-

sungsmanagements zusammen:

Erfassen des Unterstützungsbe-

darfs, Pflegeübergabe an die

weiter betreuende Einrichtung

oder die weiter betreuenden Per-

sonen, schriftliche Weitergabe

der pflegerelevanten Informati-

onen in Form eines Überlei-

tungsbogens (Abb. 1.49).

M Ziel�der�Pflegeüberlei-

tung ist es, die Versor-

gung durch die einzelnen Ge-

sundheitsdienste aufeinander

abzustimmen.

– Vepflegungsorganisation(z. B.Vereinbareneines

Termins,KlärenderNotwendigkeiteinerBegleit-

personbeimTransport),

– ErstellungdesÜberleitungsberichtes.

Die Kontinuität der Betreuung kann nur gewähr-

leistetwerden,wennInformationenüberdenPati-

entenumfassendundmöglichstzeitnahderFolge-

einrichtungverfügbargemachtwerden.

Überleitungsbericht. Der Überleitungsbericht

(Abb. 1.49)umfasstAngabenüber:

– ZustandundBefindendesBetroffenen,

– denerforderlichenHilfebedarf,

– vorhandeneodernotwendigeHilfsmittel,

– familiäreundsozialeRahmenbedingungendes

Patienten,

– denbisherigenPflegeplandesPatienten.

Besonders in Einrichtungen, in denen eine Lang-

zeitversorgungsichergestelltwird(z. B. imAlten-

pflegeheim),sindbiografiebezogeneAngabenvon

Vorteil. Außerdem sollten die mitgelieferten Do-

kumentemöglichstVerlaufsinformationenenthal-

ten, z. B. zur bisherigen Gesundheitsentwicklung

und zur Mobilitätsgeschichte (Müller-Mundt u. a.

1998).

Begleitbuch. Darüber hinaus wird bei chronisch

Kranken und dauerhaft Pflegebedürftigen bereits

vereinzelt ein sog. Begleitbuch eingesetzt. Es ent-

hältsowohldieGrunddatenalsauchwichtigeHin-

weise des Betroffenen bzw. dessen Angehörigen,

Informationen zu wesentlichen Absprachen mit

FachpersonenundzumBetreuungsverlauf.

Gespräch. Die Weitergabe von schriftlichen Infor-

mationen sollte durch ein persönliches Gespräch

zwischendenbisherunddenzukünftiganderBe-

treuungBeteiligtensowiedemPatientenunddes-

senBezugspersonenergänztwerden.

Einbeziehung des Betroffenen. Generell kommt

der Einbeziehung des Betroffenen und seiner An-

gehörigen im gesamten Überleitungsprozess eine

wesentliche Bedeutung dahingehend zu, dass der

Patient den gesamten Krankheitsverlauf überbli-

cken kann. Außerdem sollten seine mit der Verle-

gung zusammenhängenden Fragen, Bedürfnisse

undSorgenernstgenommenundeinAbgleichder

PerspektivendesBetroffenenundderprofessionel-

lenFachpersonenvorgenommenwerden.

Fachlicher Austausch.Der fachlicheAustausch im

RahmenderPflegeüberleitungstellteineFormder

beruflichenZusammenarbeitdarundbietetChan-

cen, andere Kooperationsformen kennenzulernen

§

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103

1.2.7 Pflegeüberleitung und Case ManageMent

Abb. 1.49 Der Überleitungsbogen enthält alle pflegerelevanten Informationen für die weitere Betreuung (Quelle: DAN Produkte GmbH).

Abbi

ldun

g el

ektr

onis

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104

1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1beitsmittel sollten vorhanden sein? Auf dieser

Ebene werden auch Aussagen über Verantwor-

tungsbereicheinderEinrichtungundnotwendi-

geKompetenzendesPersonalsgemacht.

– Prozessebene (P1–P6): Was wird von wem wie

getan?

– Ergebnisebene (E1–E6): Wie istder Ist-Zustand

nach Durchführung geeigneter Maßnahmen?

WelcheZielewurdenerreicht?

Expertenstandards sind offen formuliert, sodass

sich Handlungsspielräume für Institutionen und

Pflegende ergeben, die individuell ausgestaltet

werdenkönnen.DasDeutschesNetzwerkfürQua-

litätsentwicklunginderPflegeDNQPveröffentlicht

Expertenstandards zu verschiedenen Themen. Sie

sindzufindenunter:www.dnqp.de.

Abb. 1.50 Teil des Entlassungsmanagements ist das Entlassungsgespräch. Der Krankenhausarzt soll dabei die Fragen des Patienten ver-ständlich beantworten und alle wichtigen Untersuchungen und Ergebnisse besprechen. (Foto: Thomas Möller, Thieme)

(z.B.durchdenAustauschüberkonzeptionelleAn-

sätzeundVerfahrensweisen indenverschiedenen

Institutionen).

Expertenstandard EntlassungsmanagementNationale Expertenstandards werden von ausge-

wiesenenFachpersonenentwickelt,dieaufdemje-

weiligenGebieteinebesondere(wissenschaftliche)

Expertise besitzen. Die Standards werden auf der

Grundlage einer kritischen Bewertung des mo-

mentanenForschungsstandesentwickelt.Siespie-

gelndenaktuellenStandderPflegewissenschaftzu

zentralen pflegerischen Themen wider. Experten-

standardssindin3Ebenenunterteilt:

– Strukturebene (S1–S6): Welche Rahmenbedin-

gungen sollten gegeben sein oder welche Ar-

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105

1.2.7 PFLEGEÜBERLEITUNG UND CASE MANAGEMENT

SchnittstellenmanagementEineSchnittstelleentstehtdurchArbeitsteilung.Es

gibtmehrereMöglichkeiteneinerSchnittstelle.

DieSchnittstelle istderPunkteinesVerantwor-

tungsübergangs zwischen zwei Prozessschritten

voneinerPersonaufeineandereodervoneinerOr-

ganisationseinheitaufeineandere(Abb. 1.51).

Innerhalb eines Prozessschrittes gibt es unter-

schiedlicheVerantwortlichkeiten(Abb. 1.52).

DieSchnittstelleentstehtdurchÜberschneidung

zweier Prozesse, die einen gemeinsamen Prozess-

schrittbesitzen(Abb. 1.53).

Identifikation und Regelung von SchnittstellenAnhand der Prozesse mit den jeweiligen Zustän-

digkeitenkann jedeEinrichtungdieSchnittstellen

identifizieren. Dazu müssen die Prozesse erkannt,

definiert,geregeltundschriftlichfixiertsein.Nurso

istihreSteuerungmöglich.

Interne Schnittstellen

AuchwenneswiebeiderPflegeüberleitungumex-

terneSchnittstellengeht,sindinterneSchnittstellen

betroffen.ImKrankenhaussindbeiderPflegeüber-

leitung Ärzte, Pflege, Sozialdienst und Verwaltung

involviert. Die Regelung externer Schnittstellen

setztdieRegelunginternerSchnittstellenvoraus.

Externe Schnittstellen (Beispiele)

Ambulante Versorgung.DieambulanteVersorgung

wirdvoneinerVielzahlanBeteiligtengestaltet.Die

SozialstationbietetPflegeundhauswirtschaftliche

Versorgung an, der Fahrbare Mittagstisch oder ei-

ne Quartiersküche ermöglicht die geregelte Mahl-

zeiteneinnahme. Die Nachbarin kümmert sich um

Einkäufe.FürNotfälle istderHausnotrufdienst in-

stalliert.DerArztmachtggf.Hausbesuche.Undals

HilfefüreinenSpaziergangkommteinHelfervom

Mobilitätshilfsdienst. Hilfsmittelabklärung und

Wohnungsanpassung sind eine große Hilfe. Da-

M Durch gesteuerte Pro-

zesse werden Reibungs-

verluste vermieden, Ressourcen

geschaffen, Versorgungen opti-

miert und Kundenzufrieden-

heiten erreicht.

durch isteinVerbleib inderPrivatwohnungmög-

lich.

Krankenhauseinweisung. Bei einer Krankenhaus-

einweisungausdemPflegeheimwirddiePflegezu-

nächst den niedergelassenen Arzt informieren. Er

prüft,obdieKrankenhauseinweisungwirklichnot-

wendig ist und gibt dann eine Befürwortung. Die

PflegekümmertsichumeineTransportmöglichkeit

und muss ggf. mit der Krankenkasse eine Kosten-

genehmigung klären. Das Transportunternehmen

fährtdenKlientendannmitdenUnterlagen(Pfle-

geüberleitungsbogen, Einweisungsdiagnosen u.a.)

ins Krankenhaus. Die Verwaltung des Heims wird

informiert. Je nach individuellen Verhältnissen

wurdenzuvorbereitsdieAngehörigeneinbezogen.

Krankenhausentlassung.BeiderKrankenhausent-

lassungindiePrivatwohnungwirdderSozialdienst

desKrankenhausesmitderPflegeunddenÄrzten

die weitere notwendige Versorgung abklären und

veranlassen. Zunächst wird entschieden, ob die

stationäre oder mobile Rehabilitation angewendet

wird, oder ob eine ambulante krankengymnasti-

scheBehandlungausreicht.Darüberhinausmüssen

nunalleerforderlichenKomponentenderobenge-

schildertenambulantenVersorgungüberprüftund

jenachBedarfveranlasstwerden.

Krankenhaus

Rehabilitations-klinik

ambulanteBetreuung

ambulanteBetreuung

Alten-pflegeheim

ambulanteBetreuung

ambulanteBetreuung

KrankenhausKrankenhaus

ambulanteBetreuung

Krankenhaus

Hospiz

Lampen: HaustechnikBoden: Reinigungspersonal

Schrank: HauswirtschaftBett: Pflege

usw.

Abb. 1.51 Einige typische Versorgungsketten im Gesundheitssystem mit ihren Schnittstellen

Abb. 1.52 Schnittstellen innerhalb des Prozessschrittes „Zimmer-reinigung im Pflegeheim“

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106

1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1

Lösungsansätze

Das Schnittstellenmanagement dient der indivi-

duellen und bedarfsgerechten Versorgung bzw.

Leistungserbringung. Schwerpunkte sind Zustän-

digkeiten, Information, Kommunikation und Ko-

operation.

Pflegestützpunkte. Heute wird ein Großteil der

Schnittstellenprobleme meist durch den Sozial-

dienst der Krankenhäuser und Sozialstationen

bearbeitet. Pflegebegleiter beraten in Pflegestütz-

punkten hinsichtlich einer verbesserten Versor-

gungimSinnedesFallmanagements(CaseManage-

ment,s.unten).LeistungendesPflegestützpunktes

sindfürdiepflegebedürftigenMenschenkostenlos.

ZielederPflegestützpunkteistdiebesserewohn-

ortnahe und quartiersbezogene Abstimmung und

VernetzungderAngebote fürPflegebedürftigeun-

terBerücksichtigungundEinbindungvorhandener

Strukturen. Die Aufgaben der Pflegestützpunkte

sind:

– AuskunftundBeratungzuRechtenundPflichten

nachdenSozialgesetzbüchern,zurAuswahlund

Inanspruchnahme der rechtlich vorgesehenen

SozialleistungenundsonstigenHilfsangeboten,

– Koordinierung aller für die wohnortnahe Ver-

sorgungundBetreuung inBetrachtkommender

pflegerischer, sozialer, medizinischer und ande-

rergesundheitlicherUnterstützungsangebote,

– HilfestellungbeiderInanspruchnahmederLeis-

tungen,

– Bereitstellung und Vernetzung aufeinander ab-

gestimmter pflegerischer und sozialer Versor-

gungs-undBetreuungsangebote,

– VerankerungdesPflegebegleitersimPflegestütz-

punkt.

AufgabendesPflegebegleiterssind:

– Ermittlung und Feststellung des gesundheitli-

chen, pflegerischen und sozialbetreuerischen

Hilfebedarfs,

– Zusammenstellung von individuellen Hilfe- und

Unterstützungsangeboten,

– UnterstützungbeiderUmsetzungundderInan-

spruchnahmedererforderlichenLeistungen.

Behandlungsprogramme. Die Krankenkassen bie-

ten Behandlungsprogramme für chronisch kranke

Patientenan,beiderdieBehandlungvomkoordi-

nierenden Hausarzt zwischen den verschiedenen

Behandlungsstellen abgestimmt ist. So werden

Doppeluntersuchungen und Mehrfachbehandlun-

genvermieden.DieBehandlungwirdggf.durchPa-

tientenschulungen ergänzt. Behandlungsprogram-

me sind z.B. für Asthma, Brustkrebs, chronische

Bronchitis, Diabetes mellitus Typ 2 und koronarer

Herzkrankheitmöglich.

Entnahme der Wäsche

Durchführung der Grundpflege Pflegeprozess

Wäscheprozess Schnittstelle

Abwurf und Sortierung der Wäsche

WäschereinigungEinsortieren der Wäsche

Händedesinfektionund Dokumentation

Abb. 1.53 Schnittstelle durch Überschneidung bei Prozessen bei der Wäschesortierung

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107

1.2.7 PFLEGEÜBERLEITUNG UND CASE MANAGEMENT

Case ManagementFunktionen des Case ManagersCaseManagerübernehmenimAlltagunterschiedli-

cheFunktionenundRollen(Abb. 1.6):

Gate-Keeper-Funktion. In der selektierenden

Funktion (engl. gate keeper = Schleusenwärter)

kontrolliertderCaseManagerdenZugangdesPa-

tienten zu vorhandenen Ressourcen sowie seinen

Anspruchaufqualitativangemesseneundbedarfs-

gerechte Leistungen. Damit eng verbunden ist die

Aufgabe,dienotwendigenMittelfürdieVersorgung

beidenKostenträgernzubeantragenundeineaus-

gaben- und ergebnisorientierte Steuerung des ge-

samtenVersorgungsprozessesvorzunehmen(Abb.

1.54a).

Broker-Funktion. In der vermittelnden Funktion

(engl. broker = Vermittler) versucht der Case Ma-

nager,dasfürdenPatientenundseinenBedarfop-

timale Versorgungsangebot ausfindig zu machen.

DabeikommtihmseineKenntnisderVersorgungs-

strukturen und der Angebote im „Gesundheits-

markt“ entgegen. Der Case Manager ist in diesem

Fall neutraler Vermittler zwischen den Interessen

von Nutzern und Anbietern sozialer und gesund-

heitsrelevanter Dienstleistungen, wodurch er aber

nur selten auf die Qualität der Leistungen einwir-

kenkann(Abb. 1.54b).

Advocate-Funktion. In der anwaltschaftlichen

Funktion (engl. advocate = Anwalt) stellt sich der

CaseManagerkonsequentandieSeitedesPatien-

tenundbemühtsichdarum,dieAngebotebedarfs-

und bedürfnisgerecht auszurichten. Er achtet vor

allemaufdieQualitätderLeistungenundeinenun-

gehindertenZugangzuVersorgungseinrichtungen.

Gelegentlich setzt er sich auch für die Schaffung

notwendiger neuer Angebote ein – sowohl inner-

halbdesgegebenenfinanziellenundstrukturellen

Rahmens als auch darüber hinausgehend (Abb.

1.54c).

Diese drei Kernfunktionen und Rollen werden

häufig miteinander kombiniert und konzeptionell

auf unterschiedliche Weise gewichtet. Während

die anwaltschaftliche Seite von Case Management

besondersbeisozial-odergesundheitlichbenach-

teiligtenPersonengruppenwiez.B.Migrantenoder

psychischKrankengefragtist,kommtdieselektie-

rende Seite häufig im stationären Bereich bei der

Versorgung von kostenintensiven Patienten oder

auchinderärztlichenPrimärversorgungzumTra-

gen.DievermittelndeFunktionvonCaseManage-

ment ist letztlich in allen Case-Management-Kon-

zeptenenthalten,inKoordinationsstellen(z.B.von

Kommunen)wirdsieaberbesondersbetont.

Case Management bedeutet weitaus mehr als die

OrganisationderEntlassungausdemKrankenhaus.

Die Aufgaben sind komplex, und auch die Funkti-

ondesCaseManagersselbstkannunterschiedlich

aussehen.Dochrichtigverstandenundangewendet

kannderEinsatzdiesesSteuerungsinstrumentszu

positivenErgebnissenführen:Patientenfühlensich

besserversorgt,Über-,Unter-undFehlversorgung

werdenvermieden.

DurchCaseManagementsolldieVersorgungvon

Patienten mit komplexen Problem- und Bedarfs-

lagen entlang des gesamten Krankheits- und Be-

treuungsverlaufs und quer zu den Versorgungs-

strukturenund-angebotengeplantundkoordiniert

werden. Auf diese Weise wird ihnen Hilfe und

OrientierungaufdemWegdurchdasVersorgungs-

system und die Vielfalt seiner Instanzen gewährt

sowie ein ungehinderter Zugang zu sozialen und

gesundheitlichenDienstenermöglicht.

VonverwandtenSteuerungsinstrumenten–bei-

spielsweise Care Management, Disease Manage-

ment, Pathway Management, Utilization Review

Management – unterscheidet sich Case Manage-

ment vor allem dadurch, dass es sich auf ausge-

wähltePatientenmitkomplexenProblemlagenund

ihrunmittelbaressozialesUmfeldkonzentriert.

Case-Management-KonzepteEs gibt zahlreiche Case-Management-Konzepte,

dienachverschiedenenKriteriengeordnetwerden

können,sobeispielsweisenachdeminstitutionel-

len Rahmen, in dem sie eingesetzt werden (z. B.

Case-Management-AbteilungeninKrankenhäusern

oderinambulantenDiensten),nachderAusbildung

bzw.AnbindungderCaseManager(z.B.CaseMa-

nagementdurchehrenamtlicheHelfer,durchPfle-

gende, Sozialarbeiter oder auch multidisziplinäre

Case-Managment-Teams), nach der Art der ange-

botenen Dienstleistung und der zu versorgenden

Nutzergruppe (z. B. „Pflege-Case-Management“,

„Case Management in der Rehabilitation“, „Case

ManagementfürkatastrophaleEreignisse“,„psych-

iatrischesCaseManagement“).

Inzwischenistesinternationalzudemüblich,ge-

meindebasiertes Case Management („community

based“) und krankenhausbasiertes Case Manage-

ment („hospital based“) zu unterscheiden. Wäh-

rend das Case Management im ersten Fall von ei-

nemambulantenDienst,einerBehördeodereinem

Kostenträger(z.B.einerKranken-oderUnfallkasse)

angeboten,verantwortetundfinanziertwird,geht

die Initiative im zweiten Fall von Krankenhäusern

und größeren Gesundheitszentren aus. Case Ma-

nagement wird in diesem Fall oftmals mit dem

EntlassungsmanagementundFunktionendesSozi-

aldienstesverbunden.

M Ordnung der Case-Ma-

nagement-Konzepte

nach folgenden Kriterien:

– nach dem institutionellen

Rahmen, in dem sie eingesetzt

werden,

– nach der Ausbildung bzw. An-

bindung der Case Manager,

– nach der Art der angebotenen

Dienstleistung und der zu ver-

sorgenden Nutzergruppe.

M Auch das krankenhaus-

basierte Case Manage-

ment endet nicht an der Kran-

kenhauspforte. Vielmehr reicht

es weit in den ambulanten Be-

reich und damit auch in den All-

tag der Patienten und ihr sozi-

ales Umfeld hinein.

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108

1.2  PFLEGE ALTER MENSCHEN PLANEN, DURCHFÜHREN, DOKUMENTIEREN UND EVALUIEREN

1Arbeitsweise und Ergebnisse von Case Management

Beim Case Management wird methodisch auf ein

Phasenmodell von einzelnen, logisch aufeinander

aufbauendenArbeitsschrittenzurückgegriffen,das

dem Pflegeprozess ähnelt. Der sog. Case-Manage-

ment-Regelkreislaufbesteht(meistens)ausfolgen-

denStufen(Abb. 1.55):

1. Identifikation/„intake“: AktivesAuffindenvon

PatientenoderGruppenvonMenschen,dievon

CaseManagementprofitierenkönnten;

2. Assessment: SystematischeErhebungundAna-

lyseindividuellerVersorgungsbedürfnisseund

objektivfeststellbarerProblem-undBedarfs-

lagen;

3. Zielfindung und Hilfeplanung:Vereinbarung

vonkurz-,mittel-undlangfristigenVersor-

gungszielenundEntwicklungeinesentspre-

chendenVersorgungsplans;

4. Implementierung:UmsetzungdesVersorgungs-

plansdurchaktiveVerbindungdereinzelnen

KomponentenundKooperationspartner;

5. Monitoring: KontinuierlicheÜberprüfungder

Zielerreichung,derQualitätundderWirtschaft-

lichkeitdererbrachtenLeistungen;

6. Evaluation: AbschließendeAuswertungder

erbrachtenLeistungenbzw.derdurchgeführten

KoordinationnachzuvorvereinbartenKriterien.

DerUnterschiedzumPflegeprozessliegtvorallem

darin,dassbeimCase-Management-Regelkreislauf

eine professions- und organisationsübergreifende

Perspektiveangelegtwird.Zudemwirderlediglich

bei ausgewählten Patienten mit komplexen Prob-

lemlagen angewendet, wohingegen der Pflegepro-

zessgrundsätzlichbeiallenPatientenzumEinsatz

kommt.

Institutionelle Grenzen überwindenDie methodische Herausforderung beim Case Ma-

nagement besteht darin, die komplexen Probleme

und vorhandenen Ressourcen des Patienten und

seinessozialenUmfeldessorgfältigzuerfassen.Die

Service

a

Service

Service

Service

ServiceindividuellesServicepaket

Gate-Keeper Service

Service

Service

b

Broker

Service

Service

Service

Service

individuellesServicepaket

Service

Service

Service

Service

c

Advocate

neuerService

individuellesServicepaket

Service Service

Service

Service

Service

Service Service

Service

Service

Service

Abb. 1.54 Funktionen des Case Managers. a Gate-Keeper-Funk-tion. Der Case Manager filtert für den Patienten die notwendigen Versorgungsangebote. b�Broker-Funktion. Der Case Manager organisiert Versorgungsdienstleistungen als neutraler Vermittler. c Der Case Manager ist als Advocate ein konsequenter Begleiter des Patienten

Identifikation/Intake

Abschluss-Evaluation

Assessment

Zielfindungund Planung

Monitoring

Evaluation

Implementierungerneute

Implementierung

Revisionder Zielfindung

und Planung

fortlaufendesMonitoring

erneuteEvaluation

Re-Assessment

erneuteImplementierung

Revisionder Zielfindung

und Planung

fortlaufendesMonitoring

erneuteEvaluation

Re-Assessment

Abb. 1.55 Der Case-Management-Regelkreis ähnelt dem Pflegeprozess. Jedoch wird dieser bei allen Patienten einer Versorgungseinrich-tung angewendet, der Case-Management-Regelkreis hingegen nur bei Patienten, welche die Intake-Kriterien erfüllen

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109

1.2.7 PFLEGEÜBERLEITUNG UND CASE MANAGEMENT

dann angebotenen Leistungen müssen möglichst

überdiegesamteLängedesKrankheitsverlaufs,zu-

mindestaberüberlängereKrankheits-oderVersor-

gungsperiodenhinwegengmiteinanderverknüpft

werden. Präventive Potenziale sollen genutzt und

einIneinandergreifenderunterschiedlichenGlieder

der Versorgungskette gefördert werden. Beim Zu-

sammenstellen des individuellen Leistungspakets

müssendiestarrenGrenzenzwischenambulanten

und stationären Angeboten ebenso überwunden

werdenwiedieZuständigkeitsbereichederunter-

schiedlichenSozial-undGesundheitsdisziplinen.

Anforderungen an den Case ManagerUm diesen anspruchsvollen Aufgaben gewachsen

zu sein, benötigt der Case Manager ausgeprägte

sozialeundkommunikativeFähigkeiten,Verhand-

lungsgeschick und spezielle methodische Kompe-

tenzen,z.B.fürdieDurchführungdesAssessments,

desZielfindungs-undPlanungsprozessesoderder

Evaluation.WeramehestenalsCaseManagerge-

eignet ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten.

Prinzipiell können alle Sozial- und Gesundheits-

professionen Case-Management-Funktionen über-

nehmen.DieSozialarbeitengagiertsich indiesem

BereichgenausowiediePflegeoder–wenngleich

in deutlich geringerem Maße – auch die Medizin.

International wird mindestens ein Bachelor-Ab-

schlussalsVoraussetzungfürdieeigenverantwort-

licheTätigkeitalsCaseManagergefordert.Hierzu-

landegeltenderzeitaufgrundandererAusbildungs-

strukturen–insbesondereinderPflege–niedrige-

reQualifizierungsstandards.Umdennocheinehohe

Qualitätgewährleistenzukönnen,hatdieDeutsche

GesellschaftfürCareundCaseManagement(DGCC)

inzwischen spezielle Fort- und Weiterbildungsan-

geboteentwickeltundeinZertifizierungsverfahren

fürkünftigeCaseManagereingeführt.Dankdieser

InitiativekannsicheineneueGenerationvonPrak-

tikern – vorwiegend aus der Sozialen Arbeit und

der Pflege – systematisch auf die Übernahme von

Case-Management-Funktionenvorbereiten.

Ergebnisse von Case ManagementRichtig angewendet, verspricht Case Management

ErgebnisseaufunterschiedlichenEbenen:

– Auf der Patientenebene können durch den Ein-

satz von Case Management krisenhafte Zuspit-

zungen vermieden, subjektives Wohlbefinden,

undLebensqualitäterhöht,einverbessertesGe-

sundheitsverhalten und Selbstmanagement so-

M DGCC = Deutsche Gesell-

schaft für Care und Case

Management

wie ein höheres Maß an Patientenzufriedenheit

erreichtwerden.

– AufderSystemebene trägtCaseManagementzur

Vermeidung von Über-, Unter- und Fehlversor-

gungbei,hilftunnötigeAusgabenunddoppelte

LeistungenzuverhindernunddieQualität,Wirk-

samkeit und Wirtschaftlichkeit der Versorgung

insgesamtzuerhöhen.

– Auf der Mitarbeiterebene können Reibungsver-

luste durch den Einsatz von Case Management

abgebaut, die Kommunikation untereinander

verbessert, die Transparenz des Versorgungsge-

schehens erhöht und die Arbeitszufriedenheit

insgesamtgesteigertwerden.

Inzwischen sind in einschlägigen Literaturdaten-

banken zahlreiche Aufsätze mit Forschungsergeb-

nissen zum Thema Case Management zu finden,

vorwiegend solche aus dem englischsprachigen

Ausland. Die darin dokumentierten Erkenntnisse

darüber, ob und wie Case Management bei un-

terschiedlichen Personengruppen, Problemlagen,

SettingsundKonzeptentatsächlichwirkt,sindaus

wissenschaftlicher Sicht nicht immer eindeutig.

GelegentlichwerdendieindereinenStudiebeob-

achtetenpositivenEffekte(z.B.aufdieVerweildau-

ern)ineineranderenStudiewiderlegt.Auchlassen

sichdieseForschungsergebnissenichtohneWeite-

resaufdiedeutscheSituationübertragen.Insofern

besteht mit Blick auf die durch den Einsatz von

CaseManagementzuerzielendenErgebnissenoch

erheblicherForschungsbedarf.

Dessen ungeachtet wird auch in Deutschland

seit einigen Jahren mit Case Management in un-

terschiedlichenAnwendungsbereichenexperimen-

tiert,darunterauchinmehrerenAkutkrankenhäu-

sern.InsbesondereseitEinführungderdiagnosebe-

zogenen Fallpauschalen (G-DRGs) und den damit

verbundenen Veränderungen in den Krankenhäu-

sern ziehen Case Management und verwandte

Steuerungsinstrumente in diesem Bereich mehr

undmehrAufmerksamkeitaufsich.Nochaberwird

oftversäumt,diemitCaseManagementverbunde-

nen konzeptionellen, organisatorischen und qua-

lifikatorischen Veränderungen einzuleiten, dieses

Steuerungsinstrumentsorgfältigaufdiebestehen-

denStrukturenabzustimmenunddiedamiterziel-

tenErgebnissewissenschaftlichnachvollziehbarzu

überprüfen. Dies erschwert eine fundierte Wirk-

samkeitsbeurteilung,die füreinekünftigeEinfüh-

rungvonCaseManagementhierzulandevongroßer

Bedeutungist.I http://www. dgcc. de

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110

1.3  ALTE MENSCHEN PERSONEN- UND SITUATIONSBEZOGEN PFLEGEN

1Einführung in die Anatomie und Physiologie

Zytoplasma. ImZellinneren(Zytoplasma)befindet

sich neben den Zellorganellen die Zellflüssigkeit

(Zytosol).SiebestehtzumüberwiegendenTeilaus

Wasser,indemzahlreicheMolekülewieElektrolyte,

Eiweiße,FetteundKohlenhydrategelöstsind.Das

ZytoplasmadientdemStoff-undInformationsaus-

tauschinnerhalbderZelle.Durchdieunterschied-

liche Durchlässigkeit der Zellmembran und aktive

Transportprozesse(z.B.„Elektrolyt-Pumpen“)kön-

nen für viele Stoffe Konzentrationsunterschiede

zwischen dem Zellinneren und der Zellumgebung

aufrechterhaltenwerden.

ZellorganellenImZellinnerenbefindensichdieZellorganellen,das

sindkleinsteZellorgane,diejeweilsganzbestimm-

teAufgabenhabenundjenachderZellfunktionun-

terschiedlichverteiltsind.

Mitochondrien. Sie sind die Kraftwerke der Zelle,

sie stellen die für das Überleben jeder Zelle not-

wendige Energie bereit. Ihre äußere Form ist oval

mit einer doppelten Hülle (Membran), deren in-

nerer Anteil zahlreiche Auffaltungen aufweist. Die

Energiegewinnung erfolgt hauptsächlich durch

Sauerstoff verbrauchende Zuckerverbrennung (ae-

robe Glykolyse). Der von den Mitochondrien er-

zeugteEnergieträgeristdasATP(Adenosintriphos-

phat), das für verschiedene Prozesse in der Zelle

verwendet werden kann. Zellen mit einem sehr

hohen Energiebedarf (z.B. Muskelzellen) besitzen

sehr viele Mitochondrien, träge Zellen (z.B. Knor-

pel-oderBindegewebszellen)dagegennurwenige.

Zelle als GrundbausteinDer Körper eines erwachsenen Menschen besteht

ausbiszu10Billionen(=10.000.000.000.000)Zel-

lenAbb. 1.56.UmihrespeziellenFunktionenzuer-

füllen,habendieZelleneinsehrunterschiedliches

AussehenundschließensichjeweilszuZellverbän-

den,demGewebe(s.u.),zusammen.Trotzihrerun-

terschiedlichenFormenfindetmanbeiallenZellen

abergemeinsameBestandteile.

Zellmembran und ZytoplasmaZellmembran. Die Zellmembran bildet die Hülle

um den Zellleib. Sie ist die Grundvoraussetzung

füreineigenesZellleben,sietrenntdasZellinnere

vom„Außen“.FürdieFunktionunddasÜberleben

derZelleistesunerlässlich,dassdieseSchutzhülle

nichtstarrundundurchlässig,sondernflexibelund

fürbestimmteStoffedurchlässigist.Siebestehtaus

2 Schichten mit Fettmolekülen (Phospholipiden)

undenthältspezielleKanäle(Carrier-Proteine),die

je nach Bedarf Stoffe in die Zelle bzw. wieder he-

raustransportieren.InderZellmembranfindetman

auchRezeptoren,andiesichnachdemSchlüssel-

Schloss-Prinzip jeweils passende Botenstoffe (z.B.

Hormone)bindenkönnen.DieZellekannsoInfor-

mationen aus dem gesamten Körper erhalten und

sich als Antwort darauf verändern. Das Hormon

Insulinz.B.bindetanRezeptoreninderZellmem-

branundbewirkteineAufnahmevonZuckerindie

Zellen.DieFunktionderZellmembranbestehtalso

gleichzeitigimSchutzvorderäußerenUmgebung

undderVerbindungderZellenachaußen.

D Die Zelle ist der Grund-

baustein des Organis-

mus, die kleinste lebensfähige

Einheit aller Lebewesen.

M Wird die Zellmembran

beschädigt, so dringt

unkontrolliert Flüssigkeit ein

und gefährdet das Überleben

der Zelle. Diese Tatsache macht

man sich bei der Anwendung

von Antibiotika zunutze, die die

Bildung der Zellmembran von

Bakterien stören und sie da-

durch zerstören.

Abb. 1.56 Eine Zelle mit ihren Organellen.

raues endoplasmatisches Retikulum

Zytoskelett

Zellkern

ZellmembranMitochondrium

Lysosom

Kernkörperchen (Nukleolus)

Golgi-Apparat

Ribosomen

§

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