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Rechtliches Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche Bei der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche handelt es sich um einen eigenen, außerhalb der Hilfen zur Erziehung stehenden Rechtsanspruch seelisch behinderter oder von seelischer Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher im Rahmen der Jugendhilfe . Anspruchsvoraussetzungen und Hilfeform sind im § 35a SGB VIII (KJHG ) festgelegt. Die grundsätzlich pädagogischen Hilfeformen können durch psychotherapeutische Hilfen ergänzt werden. Auch in Ergänzung einer Hilfe zur Erziehung für die Eltern kann Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII geleistet werden. Ein Antrag ist an das Jugendamt zu richten. Hilfen zur Erziehung Die Hilfen zur Erziehung sind in Deutschland staatliche (kommunale) Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe für Familien mit Kindern . Gesetzlich geregelt sind diese Hilfen in §§ 27–40 des SGB VIII - Kinder und Jugendhilfe . Die in §§ 28–35a aufgeführten Hilfen werden nach Durchführung des Hilfeplanverfahrens (§ 36 ) von den örtlichen Jugendämtern gewährt. Bei Inanspruchnahme von Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen anerkannter Träger der freien Jugendhilfe (§ 4 SGB VIII) entsteht im Leistungserbringungsrecht ein Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsträger, Leistungserbringer und Leistungsberechtigtem. Rechtsanspruch

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Rechtliches

Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und JugendlicheBei der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche handelt es sich um einen eigenen, außerhalb der Hilfen zur Erziehung stehenden Rechtsanspruch seelisch behinderter oder von seelischer Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher im Rahmen der Jugendhilfe. Anspruchsvoraussetzungen und Hilfeform sind im §   35a SGB VIII (KJHG) festgelegt.

Die grundsätzlich pädagogischen Hilfeformen können durch psychotherapeutische Hilfen ergänzt werden. Auch in Ergänzung einer Hilfe zur Erziehung für die Eltern kann Eingliederungshilfe nach §   35a SGB VIII geleistet werden. Ein Antrag ist an das Jugendamt zu richten.

Hilfen zur ErziehungDie Hilfen zur Erziehung sind in Deutschland staatliche (kommunale) Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe für Familien mit Kindern.

Gesetzlich geregelt sind diese Hilfen in §§ 27–40 des SGB VIII - Kinder und Jugendhilfe. Die in §§ 28–35a aufgeführten Hilfen werden nach Durchführung des Hilfeplanverfahrens (§   36 ) von den örtlichen Jugendämtern gewährt.

Bei Inanspruchnahme von Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen anerkannter Träger der freien Jugendhilfe (§   4 SGB VIII) entsteht im Leistungserbringungsrecht ein Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsträger, Leistungserbringer und Leistungsberechtigtem.

RechtsanspruchPersonensorgeberechtigte – meist die Eltern, gegebenenfalls ein Vormund oder Pfleger – haben einen Rechtsanspruch auf Hilfen zur Erziehung für sich und ihr Kind, „wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist“ (§   27 Abs. 1 SGB VIII). Es besteht also kein Anspruch auf eine bestimmte Hilfeform, sondern nur auf eine geeignete und notwendige Hilfeform. Die Grundlage für die Gewährung von entsprechenden pädagogischen Angeboten ist das Hilfeplanverfahren, in dem sowohl die Sorgeberechtigten, die Kinder oder Jugendlichen sowie das Jugendamt beteiligt werden müssen.

HilfeartenEs existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote von ambulanten, teil- und stationären Erziehungshilfen. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz nennt beispielhaft die Leistungsformen:

§   28 Erziehungsberatung,

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§   29 Soziale Gruppenarbeit, §   30 Erziehungsbeistand, Betreuungshelfer, §   31 Sozialpädagogische Familienhilfe, §   32 Erziehung in einer Tagesgruppe, §   33 Vollzeitpflege, §   34 Heimerziehung, betreute Wohnform und §   35 Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung Eine Sonderstellung nimmt die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und

Jugendliche (§   35a ) ein, da ihre Zugehörigkeit zu den Hilfen zur Erziehung nicht eindeutig geklärt ist und der Paragraf einen eigenen Rechtsanspruch beinhaltet.

Flexible Erziehungshilfen werden rechtlich als Leistungen nach §   27 Abs. 2 SGB-VIII gewährt. Es gilt, dass Inhalt und Form des Hilfeangebotes dem jeweiligen Einzelfall so anzupassen sind, dass schwierige Lebenssituationen insbesondere durch die Förderung und Stärkung der vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse der hilfesuchenden Menschen von diesen selbst bewältigt werden können. Auch junge Volljährige können gemäß §   41 SGB-VIII Hilfen zur Erziehung erhalten - Hilfe für Junge Volljährige.

Eine besondere Form der Familienhilfe sind sogenannte Familienklassen. Eltern und Kinder besuchen unter psychologischer und pädagogischer Anleitung einmal wöchentlich eine besondere Schulklasse.

HilfeplanverfahrenDas Hilfeplanverfahren dient in der Kinder- und Jugendhilfe dazu, eine geeignete Erziehungshilfe für Kinder, Jugendliche und Familien zu regeln bzw. die Ziele und Rahmenbedingungen der Hilfe festzuschreiben. Gesetzlich geregelt ist das Hilfeplanverfahren in §   36 des Kinder- und Jugendhilfegesetz. Der Gesetzgeber schreibt dem öffentlichen Jugendhilfeträger (Jugendamt) vor, vor Installation einer Hilfe zur Erziehung ein ordentliches Hilfeplanverfahren durchzuführen.

Beteiligte des Hilfeplanverfahrens sind

die Personensorgeberechtigten (Eltern, Vormund und/oder Pfleger), das betroffene Kind bzw. der betroffene Jugendliche (in altersangemessener Form) sowie mindestens ein Vertreter des zuständigen Jugendamtes

entsprechend der Hilfeform weitere Mitwirkende (Pflegeeltern, Vertreter des für die Durchführung der Hilfe in Frage kommenden Trägers etc.)

nach Fall- und Problemgestaltung weitere mit dem Kind bzw. Jugendlichen betraute Personen (Lehrer, Ausbilder, Ärzte etc.)

wobei alle Beteiligten das Recht haben, sich von einer Person ihres Vertrauens (einem sogenannten Beistand nach SGB X §   13 Abs. 4) begleiten zu lassen. Dies ist insbesondere für die betroffenen Kinder und Jugendlichen mitunter eine große Hilfe, sich aktiv in das Hilfeplangespräch einzubringen.

Entsprechende Hilfepläne werden während der Hilfeleistung regelmäßig (je nach Situation zwischen ein und vier Mal im Jahr), mindestens aber zum Ende einer vorgesehenen Dauer, durch ein erneutes Hilfeplangespräch überprüft. Hierbei wird festgestellt, ob die geleistete Hilfeart geeignet und die Hilfeziele angemessen waren, ob die Hilfemaßnahme verändert oder

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unverändert fortgeführt oder beendet wird. Ebenso ist „vor und während einer langfristig zu leistenden Hilfe außerhalb der eigenen Familie (ist) zu prüfen, ob die Annahme als Kind in Betracht kommt.“ (SGB VIII § 36 Abs. 1 Satz 2)

In einem Hilfeplan muss das Jugendamt die Beteiligten über die Rahmenbedingungen und (langfristigen) Folgen der Hilfemaßnahme aktiv informieren. Dazu sollen folgende Fragen beantwortet werden:

Beteiligte am Hilfeplanverfahren rechtlicher und zeitlicher Rahmen der Hilfe Beschreibung der Situation, die eine Hilfe nötig macht (Anamnese) bzw. durch Hilfe

bereits erreichte Situation konkreter Hilfebedarf konkretes Hilfeangebot Ziele der Hilfe mögliche Schritte zum Erreichen dieser Ziele

Hinzu können weitere Verabredungen kommen, insbesondere über eine Probezeit, mögliche Bedingungen für eine frühzeitige Beendigung der Hilfe oder Auflagen für einzelne Hilfeplanbeteiligte.

Das Hilfeplanverfahren unterliegt besonderen Auflagen des Datenschutzes, die insbesondere auch für die Erstellung von Erziehungs- oder Entwicklungsberichten gelten – der Informationsaustausch zwischen durchführender Einrichtung/Pflegeeltern und Jugendamt soll auf die für den Hilfeplan notwendigen Punkte begrenzt bleiben. Zu beachten ist, dass die Hilfen nach § 65 KJHG in einem besonders geschützten Vertrauensverhältnis stattfinden. Damit ist festgelegt, dass Informationen nur mit Zustimmung der Betroffenen oder bei einer besonderen Gefährdung des Kindeswohles weitergegeben werden dürfen.

Das Hilfeplanverfahren ist von anderen Formen der Hilfegespräche zu unterscheiden und kann auch nicht durch diese ersetzt werden. Helfergespräche zum Beispiel sind Gespräche, in denen sich verschiedene Fachbeteiligte (z.B. Helfer aus Schule, Therapie, Betreuung etc.), die mit einer Familie zusammenarbeiten, sich über eine gemeinsame Vorgehensweise austauschen.

Das Hilfeplanverfahren regelt unter anderem Familienhilfe, Erziehungsbeistandschaft und Heimunterbringung.

JugendgerichtshilfeIn Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) wirkt in Deutschland in der Regel auch das Jugendamt mit (§   52 Achtes Buch Sozialgesetzbuch). Nach § 52 SGB VIII ist die "Mitwirkung im jugendgerichtlichen Verfahren" eine sog. "andere" Aufgabe des Jugendamts, kein davon getrennter Dienst auch wenn die Aufgabe zumeist durch spezialisierte Fachkräfte wahrgenommen wird, die traditionell (mit Bezug zum JGG) als Jugendgerichtshilfe (JGH), zunehmend aber auch als Jugendhilfe im oder in Strafverfahren (JuHiS) bezeichnet werden. Als Vertreter der Jugendgerichtshilfe (Jugendgerichtshelfer/-in, JuHiS-Fachkraft) wird bezeichnet, wer diese Aufgabe wahrnimmt.

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Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen unter anderem sozialpädagogische Gesichtspunkte in Strafverfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung, indem sie (schriftlich und/oder mündlich) über die Beschuldigten berichten. Ebenfalls prüfen sie, ob Leistungen der Jugendhilfe eingeleitet werden sollten und ob es Alternativen zu einem förmlichen Strafverfahren gibt (Diversion). Eine andere mögliche Alternative, bei der sich Täter und Opfer außergerichtlich aussprechen können ist der Täter-Opfer-Ausgleich. Sie nehmen Einfluss auf den weiteren Gang des Verfahrens und organisieren und überwachen gerichtlich angeordnete pädagogische Maßnahmen (§   38 und §   50 JGG).

Heranziehung der JugendgerichtshilfeIm gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen (zur Tatzeit 14–17 Jahre) oder Heranwachsenden (18–21 Jahre) muss die Jugendgerichtshilfe vom Jugendgericht herangezogen werden. Die Jugendgerichtshilfe entscheidet jedoch nach ihrem eigenen pflichtgemäßem Ermessen, ob und in welcher Weise sie im Verfahren mitwirkt.

Auf Heranwachsende kann allgemeines Strafrecht (wie bei Erwachsenen) oder Jugendstrafrecht angewandt werden, wenn eine jugendtypische Straftat vorliegt, oder der/die Heranwachsende in ihrer Entwicklung noch auf einer jugendlichen Stufe steht; auch hierzu äußert sich die Jugendgerichtshilfe.

Aufgaben der JugendgerichtshilfeDie Jugendgerichtshilfe berät die jungen Straftäter und ihre Familien, nimmt an den Gerichtsverhandlungen teil, macht einen Vorschlag für ein mögliches Urteil und übt die Nachbetreuung aus (z.B. Vermittlung und Überwachung sozialer Arbeitsstunden oder eines Verkehrserziehungskurses, Besuch in der Justizvollzugsanstalt, Durchführung einer Betreuungsweisung oder eines Sozialen Trainingskurses usw.).

Jugendgerichtshilfe als JugendhilfeHeute wird statt des Begriffs Jugendgerichtshilfe vielfach der Begriff Jugendhilfe im Strafverfahren verwendet. Mit ihm wird das Selbstverständnis der Jugendgerichtshilfe als Teil der Jugendhilfe und als Hilfe für den Jugendlichen und seine Familie besser beschrieben. Die Jugendgerichtshilfe ist also nicht in erster Linie Hilfe für das Gericht. Das Gericht ist gegenüber der Jugendgerichtshilfe nicht weisungsbefugt. Rechtsberatung, die häufig von Betreuten erwartet wird, ist ihr nur sehr eingeschränkt gestattet, weil Rechtsanwälten vorbehalten.

Wahrnehmung der AufgabeDie Jugendgerichtshilfe wird in der Regel von Sozialarbeiter/-innen oder Sozialpädagog/-innen des jeweiligen Jugendamtes, aber auch von freien Trägern der Jugendhilfe im Auftrag des Jugendamtes, wie zum Beispiel der Arbeiterwohlfahrt o.ä., ausgeübt.

Jugendhilferecht

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Unter Jugendhilferecht werden in Deutschland alle gesetzlichen Regelungen zusammengefasst, die sich auf die Kinder- und Jugendhilfe beziehen. Daneben sind die zu den gesetzlichen Regelungen ergangenen Richtlinien, Empfehlungen, Rundschreiben sowie Weisungen örtlicher Jugendamtsdirektoren zu beachten.

Einschlägige GesetzeKern des Jugendhilferechts ist das Achte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII)[1]. Es wurde als Artikel 1 des Artikelgesetzes „KJHG“ im Jahre 1990 verabschiedet.[2] Auch das Jugendgerichtsgesetz (JGG) beinhaltet Jugendhilferecht, ebenso das Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit und das Bürgerliche Gesetzbuch im Abschnitt Familienrecht. Die Bundesländer haben in den 1990er Jahren durchweg Ausführungsgesetze zum SGB VIII verabschiedet, die „AG KJHG“ abgekürzt werden. Außerdem haben viele Bundesländer Landeskindertagesstättengesetze verabschiedet.

Aktuelle DiskussionDie herausragenden Diskussionspunkte im Jahr 2012 betreffen weiterhin die Finanzierbarkeit der Erzieherischen Hilfen nach §§ 27 bis 41 SGB VIII und die Gestaltung des neuen §   8a , §   8b SGB VIII (Kinderschutz). Die Bundesregierung verabschiedete am 1. Januar 2012 ein eigenständiges Kinderschutzgesetz (Artikelgesetz) zur Präzisierung von Fragen des Datenschutzes und der Verschwiegenheitsverpflichtung, der Eingriffsmöglichkeiten ins Elternrecht gemäß Art.   6 GG, mit Familienhebammen und mit Fragen der Führungszeugnisse sowie deren Eintragung ins Bundeszentralregister.[4] Psychisch kranke Kinder und Jugendliche können über den eingefügten §   35a SGB VIII adäquat versorgt werden.[5] Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die 'sozialräumliche Orientierung', ein Paradigmenwechsel in der Jugendhilfe der 1990er Jahre, der so nicht im Bundesgesetz angedacht war.[6]

Kinder- und JugendnotdienstKinder- und Jugendnotdienste (KJND), auch als Jugendschutzstelle bekannt, sind Einrichtungen der örtlichen Jugendhilfe, die es in den meisten bundesdeutschen Gemeinden gibt. Sie sind zentrale Anlaufstelle für Kinder und minderjährige Jugendliche in Krisen- oder Notlagen. Gesetzliche Grundlage der Kinder- und Jugendnotdienste ist der § 42 SGB VIII, Inobhutnahme. Kinder- und Jugendnotdienste nehmen sowohl Selbstmelder, Fremdmelder als auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf, sofern eine Notsituation vorliegt. Einige Jugendämter bieten sogenannte Mädchenschutzstellen als geschlechtsspezifische Schutzräume an.[1] Je nach Räumlichkeiten und Personal haben diese Kriseneinrichtungen 5–20 Plätze. Wird eine minderjährige Person in Obhut genommen, sind die Mitarbeiter verpflichtet, unverzüglich die Personensorgeberechtigten hierüber zu unterrichten. Widersprechen diese der Inobhutnahme und ist keine weiterführende Gefährdung zu erwarten, sind die Minderjährigen den Personensorgeberechtigten zu übergeben.

Aufgaben der Kinder- und JugendnotdiensteSozialpädagogische Krisenintervention für Kinder, Jugendliche und deren Familien

Sicherstellung materieller Grundversorgung (Essen, Schlafen, Körperpflege), gemeinsame Interventionsplanung/ Erwartungsabgleich,

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die Schaffung von Entlastung durch Sicherheit, Ruhe und Zeit sowie Gewährleistung emotionaler Zuwendung,

umfassende sozialpädagogische Beratung und Stabilisierung mit dem Ziel Handlungsperspektiven aufzuzeigen.

Beratung im Rahmen der Krisenintervention/ auch Kriseninterventions-TelefonberatungIn den Räumlichkeiten des KJND besteht die Möglichkeit, dass Kinder, Jugendliche, Eltern oder andere von einer Krisensituation Betroffene, sich jederzeit persönlich von den Mitarbeiter-/ innen beraten zu lassen. Die Beratungen werden grundsätzlich vertraulich und auf Wunsch anonym behandelt. Kinder und Jugendliche haben nach § 8 Absatz 3 des SGB VIII / KJHG das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an eine Einrichtung der Jugendhilfe zu wenden. Aufgrund einer Not- und Konfliktlage können sie sich ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten beraten lassen, solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde. Die Beratung als Prävention, in akuten Notsituationen oder auch wenn nötig die Vermittlung an andere Hilfeeinrichtungen stehen im Vordergrund.

Übernahme des Bereitschaftsdienstes zu den Schließzeiten des Referates ASD und des Jugendamtes

Bereitschaftsdienst beinhaltet Aufgaben nach §§ 8a, 42 und 50 SGB VIII. Im Sinne der §§ 8a und 42 KJHG ist der KJND verpflichtet und berechtigt alle Maßnahmen zum Schutz des betroffenen Kindes oder des betroffenen Jugendlichen einzuleiten. Außerhalb der Öffnungszeiten des Jugendamtes übt der KJND die Aufgaben entsprechend § 8a und § 42 KJHG alleinig aus. Der KJND ist für alle Fälle zuständig bei denen es um die Gefährdung des Kindeswohl bei Kindern und Jugendlichen geht auch wenn diese nicht in erzieherische Maßnahmen des ASD eingebunden sind. Liegen die Voraussetzungen einer Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 BGB vor und stimmen die Personensorgeberechtigten einer Inobhutnahme nicht zu, ist der KJND (zu den Schließzeiten des ASD / des Jugendamtes) verpflichtet, schnellstmöglich (nächstmöglicher Werktag) auf der Grundlage des § 50 SGB VIII eine Entscheidung des Familiengerichtes einzuholen. Bei einer Inobhutnahme gegen den Willen der Sorgeberechtigten ist die Vorgehensweise mit dem ASD und dem Jugendamt abzustimmen. Der KJND verfügt über die notwendigen Informationen um mit Polizei und Familiengericht zusammenarbeiten zu können.[2]

In einigen Fällen verständigt der ASD oder das Jugendamt den Kinder- und Jugendnotdienst über Notsituationen in denen sich Kinder oder Jugendliche befinden und führen diese dem Kinder- und Jugendnotdienst zur Inobhutnahme zu, oder weisen den KJND an eine Inobhutnahme durchzuführen. In Fällen von Selbstmeldern oder einer Aufnahme aus anderen Gründen, wird am ersten Werktag nach erfolgter Inobhutnahme, auf der Grundlage der §§ 8a und 42 und des § 50 SGB VIII, der ASD und das Jugendamt darüber in Kenntnis gesetzt.

Psychologisches Clearing und ProblemanalyseDer KJND hat Erfahrungen gesammelt, dass Kinder und Jugendliche auch bei kurzen Verweildauern der Inobhutnahme Problemlagen benennen, die sich in ihrer Persönlichkeitsentwicklung durch traumatische Erlebnisse und Ereignisse manifestiert haben. Zum Beispiel durch längerfristige Straßenkarrieren, Missbrauchserfahrungen, Sucht, Beschaffungskriminalität und/oder Prostitution kann eine Planung und Zielsetzung für anschließende weitere Hilfen massiv beeinträchtigt werden.

Mutter-Kind-PlatzDieses Angebot beinhaltet für minderjährige Mütter mit Kind eine gemeinsame Unterbringung, denn eine getrennte Unterbringung (Kind: Kinderbereich, Mutter:

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Jugendbereich) wäre aus bindungstheoretischem Aspekt für die Mutter-Kind-Beziehung ein Risiko. Die Unterbringung und Betreuung sowie die Krisenintervention muss zusammen erfolgen.

Vermittlung und Zusammenarbeit mit den Bereitschaftspflegestellen

KindesmisshandlungKindesmisshandlung ist Gewalt gegen Kinder oder Jugendliche. Es handelt sich um eine besonders schwere Form der Verletzung des Kindeswohls. Unter dem Begriff Kindesmisshandlung werden physische als auch psychische Gewaltakte, sexueller Missbrauch sowie Vernachlässigung zusammengefasst. Diese Handlungen an Kindern sind in den meisten westlichen Industrieländern strafbar. Statistiken haben ergeben, dass die Täter häufig die Eltern oder andere nahestehende Personen sind.

DefinitionKindesmisshandlung kann verstanden werden als eine nicht zufällige, bewusste oder unbewusste, gewaltsame, psychische oder physische Schädigung, die in Familien oder Institutionen (beispielsweise Kindergärten, Schulen, Heimen) geschieht, die zu Verletzungen, Entwicklungshemmungen oder sogar zum Tod führt und die das Wohl und die Rechte eines Kindes beeinträchtigt oder bedroht (nach SchBast[1]).

In dieser Definition sind Formen der alltäglichen und systematischen Kinderfeindlichkeit, wie sie sich beispielsweise in schlechten Wohnbedingungen oder lebensbedrohlichem Verkehr ausdrücken, nicht berücksichtigt. Diese ebenfalls zur Misshandlung zu zählen, würde den Begriff zu ungenau machen.

Missbrauchsformen Körperlicher Missbrauch Sexueller Missbrauch Emotionaler Missbrauch und Vernachlässigung [2]

Zum körperlichen Missbrauch zählen körperliche Gewalt und schwere Züchtigungen durch Erziehungsberechtigte. Zum sexuellen Missbrauch zählt die Entblößung des Täters bzw. exhibitionistische Handlungsformen sowie sexueller Missbrauch mit Körperkontakt. Von emotionaler Misshandlung wird gesprochen, wenn das Kind dauerhaft feindliche Zurückweisung, Entwertung, Verspottung, Drohung, Liebesentzug oder Isolierung erfährt und sich nicht menschenwürdig entfalten kann. Andererseits stellen auch unangemessen kontrollierendes Verhalten, Verwöhnen oder das Drängen des Kindes in eine überfordernde Rolle als Partnerersatz emotionalen Missbrauch dar. Die Inzidenz beträgt in USA und Großbritannien circa 10 Prozent bei Frauen und 4 Prozent bei Männern.[3] Zu wenig Beachtung findet in Wissenschaft und Gesellschaft die Missbrauchsform der emotionalen und körperlichen Vernachlässigung.[2] Die Vernachlässigung ist oftmals nicht unmittelbar erkennbar, da gesundheitliche Folgen oder Entwicklungsdefizite erst nach länger anhaltender Mangelversorgung sichtbar werden.

Oft bedingen sich diese Misshandlungsformen gegenseitig, so kann beispielsweise die Einschüchterung des Kindes nach der Misshandlung als emotionaler Missbrauch verstanden

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werden. Aus der Vernachlässigung eines Kleinkindes kann körperliche Misshandlung entstehen.

Rechtliche Fragen

Deutschland

Nach §   1631 Abs. 2 BGB haben in Deutschland Kinder „ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ Zudem stehen bestimmte Formen der Misshandlung nach dem Strafgesetzbuch unter Strafe, so beispielsweise nach §   225 StGB Misshandlung von Schutzbefohlenen (beziehungsweise den §   221 – §   229 StGB (Tötung und Körperverletzung)) und nach §   177 – §   178 StGB (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung).

Eine Strafverfolgung von Missbrauchstourismus ist möglich, dadurch können Menschen, die Kinder im Ausland vergewaltigen, dafür auch in Deutschland bestraft werden. Die meisten dieser Paragraphen bezeichnen Offizialdelikte, das heißt die Staatsanwaltschaft muss bei Hinweisen ermitteln, selbst wenn eine Anzeige zurückgezogen werden sollte.

Widersprüchlichkeit in der Gesetzgebung

Die Gesetzgebung hat eine in sich widersprüchliche Form angenommen. Zum einen wird Kindesmisshandlung als Straftat aufgefasst und das Strafgesetzbuch fordert mit §   225 StGB bis zu zehn Jahre Haft bei einem solchen Vergehen. Mit dem neueren Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung wurde jedoch der Grundsatz „Hilfe statt Strafe“ verankert [5]. Zitat aus dem Gesetzentwurf (nur hier wurde das Konzept „Hilfe statt Strafe“ benannt):

„Ziel des Gesetzentwurfs ist die Ächtung der Gewalt in der Erziehung ohne Kriminalisierung der Familie. Nicht die Strafverfolgung oder der Entzug der elterlichen Sorge dürfen deshalb in Konfliktlagen im Vordergrund stehen, sondern Hilfen für die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Eltern.“[6]

Die Veröffentlichung des verabschiedeten Gesetzes im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2000 I Nr. 48) zeigt neben Änderungen der Unterhaltsregelungen die zwei Gesetzesmodifikationen zum Schutz von Kindern vor Gewalt:

Änderung des BGB:§   1631 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:„(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII):„Sie (Kinder- und Jugendhilfe) sollen auch Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können.“

Daneben floss diese Widersprüchlichkeit auch in die Verwaltungsvorschrift zum Tätigwerden der Staatsanwaltschaften (RiStBV, Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren) ein. Dort heißt es in der ab dem 1. Februar 1997 bundeseinheitlich geltenden Fassung unter Abschnitt 235[7]:

„Kindesmisshandlung

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(1) Auch namenlosen und vertraulichen Hinweisen geht der Staatsanwalt grundsätzlich nach.(2) Bei einer Kindesmisshandlung ist das besondere öffentliche Interesse grundsätzlich zu bejahen. Eine Verweisung auf den Privatklageweg ist in der Regel nicht angezeigt.(3) Sind sozialpädagogische, familientherapeutische oder andere unterstützende Maßnahmen eingeleitet worden und erscheinen diese erfolgversprechend, kann ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung entfallen.“

Die Umsetzung des Konzeptes Hilfe statt Strafe spiegelt sich in den Richtlinien für die zuständigen Behörden wider. So leitet das vom Familienministerium geförderte Handbuch Kindeswohlgefährdung [8] die Mitarbeiter des Jugendamtes und des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) dazu an, über den Schutz der Kinder wie folgt zu entscheiden:

„Die Einschaltung der Polizei ist nur dann möglich, wenn die gesetzlichen Möglichkeiten des ASD zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl nicht ausreichen, das Tätigwerden der Polizei zum Schutz der Kinder also zwingend erforderlich ist, und wenn der Erfolg der eigenen Tätigkeit des ASD durch die Einschaltung der Polizei nicht gefährdet ist.“[9]

Kindesmisshandlung ist zwar ein Offizialdelikt, wird aber nur strafrechtlich verfolgt, wenn eine Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden erfolgt. Auch wenn für den Kinderschutz verantwortliche Behörden Polizei und Staatsanwaltschaft nicht hinzuziehen, so bleibt Kindesmisshandlung dennoch eine Straftat:

„Wer den Tatbestand des §   223 StGB an seinem Kind erfüllt, der hat sich damit strafbar gemacht.“[10]

Gespaltene Haltung des Staates

Diese Ausprägung der Gesetzgebung bringt eine gespaltene staatliche Haltung gegenüber Fällen von Gewalt in Familien zum Ausdruck. Das zeigt sich besonders an dem Paradox, dass ein gegen den Partner gewalttätiger Ehegatte, nach dem bei erwachsenen Opfern geltenden Gewaltschutzgesetz mit Sorgerechtsentzug, Wohnungsverweis und schließlich auch Freiheitsentzug zu rechnen hat, wogegen aber bei Kindesmisshandlung durch dieselbe Person Unterstützung durch Jugendhilfemaßnahmen (sog. Hilfen zur Erziehung) zur Linderung einer Überforderungssituation als Lösung verfolgt wird. Bei den staatlichen Maßnahmen gegen häusliche Gewalt werden Kinder als eigenständige Opfergruppe ausgenommen. So lässt die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt in ihren „Standards und Empfehlungen“[11] Kinder nur als indirekt betroffene Opfer gelten.

Reaktionen nach Medienberichten

Nachdem die Medien über eine große Zahl von schweren Kindesmisshandlungsfällen mit zum Teil tödlichem Ausgang berichteten, bei denen die Jugendämter vorher eingeschaltet waren, wurde deren Kompetenz bei Maßnahmen gegen familiäre Gewaltverbrechen an Kindern in Frage gestellt. Dies führte im Jahr 2005 zu einer Neufassung des Schutzauftrages[12] im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII). Seitdem sind die Jugendämter bei Gefährdungssituationen dazu verpflichtet, Fachkräfte und als letzte Möglichkeit auch die Polizei hinzuzuziehen. Bereits zuvor waren die Jugendämter verpflichtet, bei erkennbaren Kindeswohlgefährdungen ggf. eine Inobhutnahme vorzunehmen (§   42 SGB VIII).

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Begrenzte Möglichkeiten der Jugendhilfe

Gegen die Einschaltung der Polizei wird bei Jugendhilfe und Kinderschutz bisweilen argumentiert, dass Eltern sich dann allen Angeboten der Hilfe zur Erziehung entziehen würden. Eine Problematik liegt insbesondere darin, dass das 1991 in Kraft getretene Kinder- und Jugendhilfegesetz anders als das Jugendwohlfahrtsgesetz zuvor den Sorgeberechtigten und nicht das Kind als Anspruchsberechtigten betrachtet. Daher waren bis zur Einfügung des §   8a SGB VIII die Eingriffsmöglichkeiten des Jugendamtes weitgehend beschnitten worden. Mit der Einführung des § 8a sind die Jugendämter nunmehr aufgefordert, Konzepte zu entwickeln, wie im Falle von Kindeswohlgefährdung in Jugendhilfeeinrichtungen diese durch gestufte Interventionen zu beheben ist.

Auch nach Einführung der neuen gesetzlichen Instrumentarien bleibt aber ein großes Problem, dass die überwiegende Zahl der Fälle von Kindesmisshandlung weder den Jugendämtern noch der Polizei bekannt werden und somit die betroffenen Kinder völlig schutzlos bleiben. Dem soll eine Bundesratsinitiative Rechnung tragen, die die Einführung von Pflichtuntersuchungen vorsieht.[13]

Meldepflicht

Auch mit der Einführung des §   8a SGB VIII ist in Deutschland noch keine Meldepflicht beim Bekanntwerden von einzelnen Misshandlungen entstanden. Ärzte, Sozialpädagogen und Psychologen sind grundsätzlich an ihre Schweigepflicht gebunden (§   203 StGB). Wenn es allerdings um eine Gefahr für die physische und/oder psychische Entwicklung von Kindern/Jugendlichen geht, können sie nicht nur einen „rechtfertigenden Notstand“ geltend machen, der die Verletzung der Schweigepflicht rechtfertigt (was schon vorher bei Gefahr für Leib oder Leben der Fall war (§   34 StGB)). Bei einer Kindeswohlgefährdung (z. B. wiederholte Misshandlungen) sind Berufsgeheimnisträger berechtigt (nicht jedoch verpflichtet), das Jugendamt zu informieren, wenn Betroffene keine geeigneten Hilfemaßnahmen annehmen. Die Entscheidungsfindung und Ablehnung von Hilfsangeboten durch die Betroffenen sollten schriftlich dokumentiert werden. Die Berufsträger haben gegenüber dem Träger der Jugendhilfe einen Beratungsanspruch zu Fragen des Vorgehens; Fragen des Datenschutzes beantworten auch die zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörden. Zum Vergleich: In den USA sind Vertreter der mit Kindern befassten Institutionen durch gesetzliche Regelungen („Reporting Act“) dazu verpflichtet, die Strafverfolgungsbehörden zu informieren. Diese sogenannten Mandated Reporters können anonym bleiben und genießen Immunität, solange sie sich korrekt verhalten.

Kindesmisshandlung als Kriminalität

Ursachen mit strafrechtlicher Relevanz

Kindesmisshandlung liegt vor, wenn in der Erziehung gegen grundlegende rechtliche Normen verstoßen wird:

Verstoß gegen das „Recht auf gewaltfreie Erziehung“ (§   1631 Abs. 2 BGB)

und insbesondere:

Verstoß gegen das Verbot der Misshandlung Schutzbefohlener (§   225 StGB)

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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes „setzt Strafe eine Schuld“[27] und „Schuld eine Vorwerfbarkeit“ voraus.[28] Der „innere Grund des Schuldvorwurfs“ liegt darin, dass der Mensch auf freie und verantwortliche Selbstbestimmung angelegt ist und die Fähigkeit besitzt, das rechtlich Verbotene zu vermeiden.[29]

Wenn Eltern nach diesen Kriterien Misshandlung und Gewalt einsetzen, dann ist kriminelles Verhalten die Ursache der Kindesmisshandlung. Beispiele für Kindesmisshandlungsgründe dieser Kategorie sind:

Gewalt als reguläres Erziehungsmittel unter Missachtung des geltenden Rechts Züchtigungen mit der Folge bleibender gesundheitlichen Schäden (z. B.

Hirnverletzungen durch Schütteltraumata) Auslassen von außerfamiliär verursachten Aggressionen an Kindern, unter

Ausnutzung von deren Schutzlosigkeit und Abhängigkeit im nicht sozial kontrollierten Privatbereich

Traumatisierende Rache für unerwünschtes Verhalten anstelle kindgemäßer Erziehung Anwendung von gewaltbasierten Erziehungsmethoden aus anderen Kulturkreisen

unter Missachtung der geltenden Gesetze Missbrauch von Kindern durch Verleitung zu Straftaten (z. B. Diebstahl), um deren

Strafunmündigkeit zu nutzen Missbrauch aus sexuellen Motiven

Ursachen für Schuldunfähigkeit und Strafmilderung

Eine Entlastung der Täter bei Kindesmisshandlung ist – wie bei allen Straftaten – nur bei den in den §§ 19, 20 und 21 des StGB geregelten Gründen möglich:

Nach §   19 StGB: Schuldunfähig sind Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben

Nach §   20 StGB: Schuldunfähig sind Personen mit krankhaften seelischen Störungen, tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen, Schwachsinn oder schwerer seelischer Abartigkeit

Nach §   21 StGB: Strafmilderung erhalten Personen bei erheblich verminderter Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit

Ursachen für Straffreiheit

Obwohl nur in wenigen Fällen Schuldunfähigkeit oder Strafmilderung zugrunde zu legen sind, werden nur sehr wenige Kindesmisshandlungen als Straftaten verfolgt. Die wesentlichen Gründe dafür sind:

Mangelnde Sensibilisierung der Bevölkerung: Eine extrem niedrige Anzeigequote führt dazu, dass der weit überwiegende Teil der Fälle von Kindesmisshandlung den Strafverfolgungsbehörden gar nicht bekannt wird.

Sozialpädagogische, familientherapeutische oder andere Maßnahmen: In Aussicht gestellt alternative Maßnahmen veranlassen in vielen Fällen von Kindesmisshandlung die Staatsanwaltschaften dazu, unter Berufung auf die RiStBV (Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren) Abschnitt 235[7] auf eine Strafverfolgung zu verzichten.

Mangelnde Beweislage: Die bei Gewalt in Familien typische schwierige Beweislage hat oft zur Einstellung von Verfahren geführt.

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FolgenDer Erkennung von Verletzungsfolgen durch Misshandlungen kommt eine große Bedeutung bei den derzeitig erörterten Früherkennungssystemen zu.

Akute Verletzungen

Kindesmisshandlung kann eine Vielzahl von schweren Folgen für das betroffene Kind (und unter Umständen auch für Geschwisterkinder) haben. Diese sind von der Form der Gewaltanwendung abhängig.

Chronische Verletzungsfolgen

Beispiele für dauerhafte Misshandlungsfolgen sind:

Entwicklungsverzögerungen Nicht-organische Gedeihstörungen .[33]

posttraumatische Belastungsstörung , Anpassungsstörung, Borderline-Persönlichkeitsstörung und Bindungsstörung als Folge aller Misshandlungsformen.

Folgen im Erwachsenenalter

Psychische Belastungen und Stress in der Kindheit wie z.B. Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch oder auch das Miterleben von Krieg und Naturkatastrophen können psychische Störungen im Erwachsenenalter (z.B. affektive Störung oder Angststörung, Persönlichkeitsstörung, Essstörung, Schizophrenie, Substanzmissbrauch), aber auch Veränderungen im Immunsystem, im neuroendokrine System oder in zentralnervösen Strukturen (Hippokampusvolumen) zur Folge haben.

Die Folgenschwere von Gewalt und Vernachlässigung für das älter werdende Kind und den späteren Erwachsenen ist umstritten. Die Extrempositionen reichen von „hat mir gutgetan“ oder „eigene Schuld“ bis hin zu „hat mein Leben zerstört“. Dies hängt unter anderem mit der Schwere des Erlittenen, den situativen Gegebenheiten und den Möglichkeiten zur Verarbeitung zusammen, aber auch damit, dass mit dem Erwachsenwerden die Erinnerungen an den eigenen kindlichen Schmerz verblassen, ohne dass dem Erwachsenen dies selbst bewusst wird. Mit dem Verschwinden der Erinnerung an beispielsweise demütigende Gefühle kann später mit ehrlicher Überzeugung behauptet werden, dass einem die Schläge von einst „doch ganz gut getan“ haben.

Folgen von sexuellem Kindesmissbrauch

Als Kurzzeitfolgen werden Folgen bezeichnet, die innerhalb der ersten beiden Jahre nach der sexuelle Misshandlung auftreten. Unter Langzeitverfolgen sind Folgen zu verstehen, die länger als zwei Jahre andauern oder die um mehr als zwei Jahre verzögert auftreten. Meistens treten sie erst während der Adoleszenz oder im Erwachsenenalter auf.

Kurzzeitfolgen

Somatische Folgen: Verletzungen im Genital-, Anal-, Oralbereich. Schwangerschaften, Geschlechtskrankheiten

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Emotionale Reaktionen: Angst, Schuld- und Schamgefühle, Ärgerneigung, Feindseligkeit, selbstschädigendes Verhalten, Impulsivität

Psychosomatische Folgen: Chronische Bauchschmerzen ohne körperlichen Befund, Essstörungen, Schlafstörungen, Bettnässen, Einkoten

Unangemessenes Sexualverhalten: Ausufernde Neugier an Sexualität, frühe sexuelle Beziehungen, offenes Masturbieren, Exhibitionismus, unangemessenes sexualisiertes Verhalten im Sozialkontakt

Sozialverhalten: Weglaufen von Zuhause, Schulschwierigkeiten, Schwänzen, Rückzugsverhalten, Hyperaktivität, aggressives Verhalten, physische Angriffe, Konsum von Suchtmitteln

Langzeitfolgen

Chronische Traumatisierung: Flashbacks, Vermeidungsverhalten von traumaassoziierten Reizen, erhöhtes Erregungsniveau, Reizbarkeit, Gedächtnislücken

Kognitive Störungen: Negative Selbstwahrnehmung, Unsicherheit, niedriges Selbstwertgefühl

Sozialverhalten: Schulversagen, chronische Probleme im Kontakt mit Gleichaltrigen, schlechte körperliche Gesundheit, Alkoholabhängigkeit, Drogenabhängigkeit

Persönlichkeitsveränderung: Veränderung der Identität, veränderte Weltanschauung[34]

Prävention

Keine Gewalt gegen Kinder: Sonderbriefmarke von 1998

Prävention soll Kindesmisshandlungen verhindern. Wie in der Kriminalprävention üblich, wird nach zeitlicher Zuordnung und nach Zielgruppen unterschieden:

Grundlegende vorbeugende Maßnahmen („Primäre Prävention“) Früherkennung/frühzeitiges Einschreiten („Sekundäre Prävention“) Verhindern von Wiederholung („Tertiäre Prävention“) Opferbezogene Prävention Täterbezogene Prävention Aktivierung des sozialen Umfeldes

Grundlegende vorbeugende Maßnahmen

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Verbreitung des Leitbildes „Gewaltfreie Erziehung“[35]

Schaffung von Unrechtsbewusstsein und Furcht vor Strafverfolgung sowie sozialer Ächtung. Diese Funktion erfüllen oft die Medienberichte über die Strafverfolgung von Tätern.

Anleitung zu gewaltfreier Erziehung bei Risikogruppen (z. B. durch Hebammen oder Jugendämter)

Förderung von Elternkursen Erziehungsberatung und Hilfen zur Erziehung durch das Jugendamt (Familienhilfe,

Erziehungsbeistandschaft) und von Beratungsstellen wie beispielsweise den Kinderschutzzentren

Früherkennung/frühes Einschreiten

Frühzeitiges Erkennen soll fortdauernde Misshandlung oder Eskalation verhindern. In Deutschland wurde dazu von der seit 2005 regierenden Koalition im Koalitionsvertrag (S. 98) die Einrichtung von Frühwarnsystemen vereinbart. Das dadurch mögliche Erkennen einer Gefährdung ermöglicht verschiedene Formen von Sofortinterventionen:

Kurzzeitige Fremdunterbringung Veranlassung einer Inobhutnahme durch das Jugendamt (§   42 SGB VIII) Familientherapie zur Verarbeitung von Konflikten, bevor es zu Eskalationen kommt

Verhindern von Wiederholung

Sozialpädagogische Familienhilfe , Therapie, langfristige Fremdunterbringung des Kindes

Zivilrechtliche Maßnahmen: Sorgerechtsentzug, Wohnungsverweis und Näherungsverbot für den misshandelnden Elternteil (siehe Gewaltschutzgesetz)

Strafrechtliche Maßnahmen: Verurteilung und Inhaftierung der Täter (§   225 StGB)

Opferbezogene Prävention

Auffangeinrichtungen für Kinder Mädchenhäuser Krisentelefone: Verschiedene Institutionen mit unterschiedlichen Angeboten, in

Deutschland bundesweit unter der Nummer 0800-111 0 444

Täterbezogene Prävention

Angebote von Jugendschutz und Jugendhilfe für Eltern, die misshandeln oder befürchten zu misshandeln (z. B. Erziehungsberatung, Eltern-Selbsthilfegruppen, Krisentelefone (s.o.))

Therapie Inhaftierung

Aktivierung des sozialen Umfeldes

Aufklärung der Bevölkerung zum Erkennung von Misshandlungssituationen Ermutigung zu Zivilcourage / zum Tätigwerden Medienkampagnen zur Verbesserung der Anzeigebereitschaft

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Bewußtmachung der Pflicht zur Hilfe (§   323c StGB: „Unterlassene Hilfeleistung – Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“).

Achtes Buch SozialgesetzbuchBasisdaten

Titel:Achtes Buch Sozialgesetzbuch– Kinder- und Jugendhilfe –

Kurztitel: Achtes Buch Sozialgesetzbuch

Abkürzung: SGB VIII

Art: Bundesgesetz

Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland

Rechtsmaterie: Sozialrecht

Fundstellennachweis: 860-8

Ursprüngliche Fassung vom:

26. Juni 1990(BGBl. I S. 1163)

Inkrafttreten am:

3. Oktober 1990 (neue Bundesländer),1. Januar 1991 (alte Bundesländer)

Neubekanntmachung vom:

11. September 2012(BGBl. I S. 2022)

Letzte Änderung durch:Art. 1 G vom 28. Oktober 2015(BGBl. I S. 1802)

Inkrafttreten derletzten Änderung:

überw. 1. November 2015tw. 1. Juli 2017(Art. 5 G vom 28. Oktober 2015)

GESTA: I010

Weblink: Text des Gesetzes

Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Achte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) (Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) – Kinder- und Jugendhilfe –) ist ein vom Deutschen Bundestag und mit Zustimmung des Deutschen Bundesrates beschlossenes Gesetz und umfasst die bundesgesetzlichen Regelungen in Deutschland, die die Kinder- und Jugendhilfe betreffen.

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GeschichteDas SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe wurde 1990 als Artikel 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG = „Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts“ von 1990) auf den Weg gebracht. Das KJHG trat am 1. Januar 1991 in den westlichen Bundesländern in Kraft und löste das bis dahin geltende deutsche Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) von 1961 ab. In den neuen Bundesländern erlangte das KJHG bereits mit dem Beitrittstermin am 3. Oktober 1990 seine Gültigkeit.

Das KJHG war ein Artikelgesetz mit insgesamt 24 Artikeln, seine Artikel enthielten Änderungsaufträge an andere Gesetze zum Zeitpunkt 1991, zum Beispiel an das Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), das Jugendgerichtsgesetzes (JGG) sowie Übergangs- und Schlussvorschriften. Im Zuge der gesetzlichen Neuordnung der Kinder- und Jugendhilfe waren diese Änderungen anderer Gesetze notwendig geworden, da sie im Widerspruch zu den neu gefassten Regelungen standen. 1995 erfolgte die letzte Änderung und 1996 entfielen die letzten zeitlichen Einschränkungen des KJHG.[1]

Ziele des KJHG

Mit dem KJHG von 1990 wurde die politische und fachliche Kritik an der Kontroll- und Eingriffsorientierung des vorherigen Jugendwohlfahrtsgesetz aufgenommen und ein Angebote- und ‘Leistungsgesetz’ für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern geschaffen, das auf Unterstützung und Hilfsangebote setzt. Das Inkrafttreten des KJHG wird daher auch als Paradigmenwechsel in der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland angesehen.

Einerseits ist sein Zuschnitt nun der eines modernen Leistungsgesetzes, andererseits setzt es Traditionen fort, die bereits 1920 durch die Reichsschulkonferenz begründet wurden und in das 1924 in Kraft getretene Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt (RJWG) einflossen: Die Kinder- und Jugendhilfe bleibt Teil des Sozialwesens; die Angebote sollen im Wesentlichen von den freien Trägern erbracht werden; die Leistungsverpflichtung liegt überwiegend bei den Kommunen; das Jugendamt bleibt in seiner Doppelstruktur – bestehend aus Verwaltung und Jugendhilfeausschuss – erhalten. Auch eine spezielle Ausformung des Subsidiaritätsprinzips (im jugendhilferechtlichen Sinne der Vorrang freier Träger vor öffentlichen Leistungserbringern; der Vorrang von Selbsthilfe und Unterstützung durch die freie Wohlfahrtspflege gegenüber der öffentlichen Verantwortung) findet hier seine frühe Grundlage. Diese Wurzeln bestimmen bis heute als wesentliche Strukturprinzipien die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland..

Überführung in das SGB VIII

Das KJHG wurde zum Kern des aktuellen Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) mit aktuell 105 Einzelparagraphen,[2] in das das KJHG überführt wurde. Das Sozialgesetzbuch Deutschlands enthält neben dem Achten Buch 11 weitere Bücher anderer Sachgebiete. Wenn umgangssprachlich noch vom „Kinder- und Jugendhilfegesetz“ gesprochen wird, ist das SGB VIII gemeint.

Leistungsumfang

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Das SGB VIII regelt bundeseinheitlich die Leistungen gegenüber jungen Menschen (Kinder, Jugendliche, junge Volljährige) sowie deren Familien (insb. Eltern, Personensorgeberechtigte, Erziehungsberechtigte). Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (in der Regel also das jeweilige Land als überörtlicher Träger und die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger) sind verantwortlich dafür, dass die Leistungen erbracht werden. Sie richten zur Durchführung ihrer Aufgaben Landesjugendämter und Jugendämter ein.

Leistungen und 'andere Aufgaben' der Kinder- und Jugendhilfe sind:

Jugendarbeit , Jugendsozialarbeit, erzieherischer Kinder- und Jugendschutz Familienförderung Kindertagesbetreuung Hilfen zur Erziehung Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche Hilfen für junge Volljährige Inobhutnahme Herausnahme Vormundschaft , Beistandschaft Registerauskunft an die Mutter (Negativattest = schriftliche Auskunft über

Nichtabgabe und Nichtersetzung von Sorgeerklärungen) Beurkundungen (Vaterschaftsanerkennung, Unterhalt, Sorgeerklärungen).

Weiterhin regelt das SGB VIII

welche Behörde örtlich und sachlich zuständig ist, die Struktur des Jugendamts sowie des Landesjugendamts, Datenschutzangelegenheiten , (neuerdings auch) Maßnahmen der Qualitätssicherung der Jugendhilfe, das Verhältnis der Kinder- und Jugendhilfeleistungen zu Leistungen anderer zum SGB

XII (Sozialhilfe) ist vorrangig, zu Leistungen der Agenturen für Arbeit nachrangig.

Die Angebote (Leistungen), Einrichtungen und Dienste werden überwiegend von den freien Trägern der Jugendhilfe vorgehalten. Das Land Berlin hat aber 12 bezirkseigene EFB. Die 'anderen Aufgaben', wie z. B. Beistandschaften, Beurkundungen und Bewilligung von Negativattesten, können nur vom Jugendamt wahrgenommen werden.

Die Regelung der Kinder- und Jugendhilfe gehört in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung und der Bund hat von seinem Regelungsrecht mit dem SGB VIII Gebrauch gemacht. Wie in vielen Bundesgesetzen wird aber auch im SGB VIII nur der Rahmen bestimmt; das Nähere wird in Landesausführungsgesetzen (AG KJHG) festgelegt und kann in verschiedenen Bundesländern unterschiedlich geregelt sein. Die Umsetzung liegt gem. §   85 SGB VIII überwiegend bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (i.d.R. den Kreisen und kreisfreien Städten) soweit nicht der überörtliche Träger zuständig ist (i.d.R. das Land oder Landschaftsverbände). Weiterführende Informationen dazu stehen im Artikel: Kinder- und Jugendhilfe.

Das SGB VIII wurde seit 1991 oft überarbeitet, geändert und novelliert, bis 2012 etwa 40 Mal. Wesentlich wurde es im Rahmen der Neugestaltung des Schwangeren- und Familienrechtes 1992 überarbeitet, mit dem der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz bundesrechtlich bestimmt wurde. Wesentliche Änderungen hat das SGB VIII durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) vom 27. Dezember 2004 (siehe: Kindertagesbetreuung),

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das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz – KICK) vom 8. September 2005 sowie durch das Kinderförderungsgesetz - KiföG vom 10. Dezember 2008 erfahren.

VerfahrenAllgemein gilt für das Verwaltungsverfahren des SGB VIII, wie für alle Sozialgesetzbücher, das SGB X und ergänzend das SGB I, soweit nicht für einzelne Aufgaben etwas anderes bestimmt ist, z. B. FGG.

Kein Antragserfordernis Leistungen der Jugendhilfe sind ähnlich wie Leistungen der Sozialhilfe nicht von einem förmlichen Antrag abhängig. Anders als in der Sozialhilfe (dort §   18 SGB XII) setzt die Leistung der Jugendhilfe aber nicht mit dem Bekanntwerden eines eventuellen Bedarfs an erzieherischer Hilfe oder Eingliederungshilfe ein. Erforderlich ist eine eindeutige Willensbekundung der Personensorgeberechtigten bzw. des jungen Volljährigen, Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Nur der §   35a SGB VIII begründet einen eigenständigen Rechtsanspruch des Minderjährigen gegenüber dem Kostenträger. Kosten einer Jugendhilfe werden nur übernommen, wenn das Jugendamt die Kostenentscheidung auf der Grundlage eigener Ermittlungen getroffen hat. Dazu gehört, dass das Jugendamt einen Bedarf an Erzieherischer Hilfe, Hilfe für junge Volljährige bzw. eine seelische Behinderung im Sinne des §   35a SGB VIII festgestellt hat und eine Entscheidung über im Einzelfall geeignete Hilfsangebote getroffen hat (§   36a SGB VIII). Die Möglichkeit, für selbst beschaffte Hilfen ohne vorherige Entscheidung des Jugendamtes Kostenerstattung zu erhalten, ist auf enge Ausnahmefälle beschränkt (§   36a Abs. 2 SGB VIII).

Mitwirkung und Hilfeplan Am §   36 SGB VIII wird der oben erwähnte Paradigmenwechsel in der öffentlichen Jugendhilfe deutlich. Statt einer einseitigen Verwaltungsentscheidung des Jugendamtes verlangt §   36 SGB VIII eine Kooperation zwischen den Fachkräften der Behörde und den beteiligten Hilfesuchenden. Bestandteil der Kooperation ist eine umfassende Beratung. Der Hilfeprozess und die Entscheidung des Jugendamtes sind in einem Hilfeplan zu dokumentieren.

Rechtsmittel Wer glaubt, in seinen Rechten verletzt worden zu sein, kann gegen die Entscheidungen des Jugendamtes Widerspruch einlegen. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift innerhalb eines Monats einzulegen. Nach Erlass des Widerspruchsbescheids kann Klage erhoben werden, sofern dem Widerspruch nicht abgeholfen wurde. Zuständig für Streitigkeiten in Angelegenheiten der Jugendhilfe sind die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit. In einigen Bundesländern, darunter Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wurde das Widerspruchsverfahren weitgehend abgeschafft, so dass dort der direkte Klageweg offensteht.

Bei Ermessensentscheidungen des Jugendamtes überprüft das Gericht lediglich, ob die Entscheidung ermessensfehlerfrei getroffen wurde. Ist das der Fall, wird das Gericht die Entscheidung des Jugendamts nicht aufheben. Dagegen unterliegt die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe wie z. B. „eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung“ (§   27 Abs. 1 SGB VIII) der uneingeschränkten Überprüfung durch das Verwaltungsgericht.

Datenschutz

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Das SGB VIII beinhaltet auch spezielles Recht zum Sozialdatenschutz (§   61 bis §   68 SGB VIII). Der Erfolg der persönlichen und erzieherischen Hilfe ist in der Regel von einem besonderen Vertrauensverhältnis abhängig (§   65 SGB VIII). Für andere Aufgaben des Jugendamts wie Amtspflegschaft, Amtsvormundschaft, Beistandschaft und Gegenvormund gilt hingegen nur §   68 SGB VIII.

UN-Kinderrechtskonvention

Vertragsstaaten Nur unterzeichnet, nicht ratifiziert Nicht unterzeichnet

Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, kurz UN-Kinderrechtskonvention (englisch Convention on the Rights of the Child, CRC), wurde am 20. November 1989 von der UN-Generalversammlung angenommen und trat am 2. September 1990, dreißig Tage nach der 20. Ratifizierung durch ein Mitgliedsland, in Kraft. Beim Weltkindergipfel vom 29. bis 30. September 1990 in New York verpflichteten sich Regierungsvertreter aus der ganzen Welt zur Anerkennung der Konvention.

Der Kinderrechtskonvention sind mehr Staaten beigetreten als allen anderen UN-Konventionen, nämlich alle Mitgliedsstaaten mit Ausnahme der USA. Zuletzt hat Somalia im Oktober 2015 die Kinderrechtskonvention ratifiziert.[1] Einige der 195 Staaten (auch die Nichtmitgliedsstaaten Cookinseln, Niue, Palästina und der Heilige Stuhl) haben die Konvention ratifiziert, erklärten allerdings Vorbehalte (darunter zunächst auch Deutschland, Österreich und Schweiz).[1]

Weltweite StandardsDie Konvention (Übereinkunft) definiert Kinder als Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht abgeschlossen haben, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht (wie z. B. in manchen islamischen Ländern) nicht früher eintritt. Dabei geht die Kinderrechtskonvention nicht genauer darauf ein, ab wann sie für das einzelne Individuum Geltung bekommt: Sei dies ab der Geburt, erst später oder schon vorher.

Sie legt wesentliche Standards zum Schutz der Kinder weltweit fest und stellt die Wichtigkeit von deren Wert und Wohlbefinden heraus. Die vier elementaren Grundsätze, auf denen die Konvention beruht, beinhalten das Überleben und die Entwicklung, die Nichtdiskriminierung, die Wahrung der Interessen der Kinder sowie deren Beteiligung.

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Zehn GrundrechteIm Originaltext braucht es dazu 54 Artikel in sehr komplizierter und sicher nicht kindgerechter Sprache.[2] Die UNICEF, die Kinderrechtsorganisation der UNO, fasst den 20 Seiten langen Text in zehn Grundrechten zusammen[3] (Die Nummerierung entspricht nicht jener der Artikel!):

1. das Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung unabhängig von Religion, Herkunft und Geschlecht;

2. das Recht auf einen Namen und eine Staatszugehörigkeit;3. das Recht auf Gesundheit;4. das Recht auf Bildung und Ausbildung;5. das Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung;6. das Recht, sich zu informieren, sich mitzuteilen, gehört zu werden und sich zu

versammeln;7. das Recht auf eine Privatsphäre und eine gewaltfreie Erziehung im Sinne der

Gleichberechtigung und des Friedens;8. das Recht auf sofortige Hilfe in Katastrophen und Notlagen und auf Schutz vor

Grausamkeit, Vernachlässigung, Ausnutzung und Verfolgung;9. das Recht auf eine Familie, elterliche Fürsorge und ein sicheres Zuhause;10. das Recht auf Betreuung bei Behinderung.

In der Praxis heißt das, Kinder haben das Recht, in einer sicheren Umgebung ohne Diskriminierung zu leben. Sie haben das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung, medizinischer Versorgung, Ausbildung und auf Mitsprache bei Entscheidungen, die ihr Wohlergehen betreffen.

UmsetzungDer Deutsche Bundestag hat der Kinderrechtskonvention mit Gesetz vom 17. Februar 1992 (BGBl. II S. 121) zugestimmt. Nach Ratifikation am 6. März 1992 ist die Konvention am 5. April 1992 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten (BGBl. II S. 990). Die dabei zunächst erklärten Vorbehalte sind 2010 zurückgenommen worden (BGBl. 2011 II S. 600).

Ein Nationaler Aktionsplan für ein kindergerechtes Deutschland 2005 – 2010 dient der Bundesrepublik zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention. Er ist eine Initiative der Bundesregierung, die aus dem Abschlussdokument "Eine kindgerechte Welt" der Vereinten Nationen, 2002 in New York, hervorgegangen ist. Basis dieses Aktionsplans ist dementsprechend die UN- Konvention über die Rechte des Kindes. Das Grundanliegen des deutschen NAP ist die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern sowie ihrer Rechte. Hierzu wurde er in sechs Themenfelder unterteilt:

Chancengerechtigkeit durch Bildung Aufwachsen ohne Gewalt Förderung eines gesunden Lebens und gesunder Umweltbedingungen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen Entwicklung eines angemessenen Lebensstandards für alle Kinder Internationale Verpflichtungen