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Ausgabe 3/2007 ISSN 1617 - 1799 Einzelpreis 10 € Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen Institut für demografische Zukunftsfähigkeit Wege zu mehr Kindern in Deutschland

Wege zu mehr Kindern in Deutschland - Wolfgang Gründinger · Dr. Jörg Tremmel Jan Häußler Editorial Alexander Herrath. 4 D ie deutsche Bevölkerung wird äl-ter und kleiner. Der

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Ausgabe 3/2007

ISSN 1617 - 1799

Einzelpreis 10 €

Stiftung für die Rechte zukünftiger GenerationenInstitut für demografische Zukunftsfähigkeit

Wege zu mehr Kindern in Deutschland

Thema: Wege zu mehr Kindern in Deutschland

Editorial 3

Nachhaltigkeit durch höhere Fertilität?von Wolfgang Gründinger 4

Changing minds and politics. Plädoyer für eine nachhaltige Familienpolitikvon Franziska Höring, Jan Lemanski, Stephan Schütze und Christoph Sperfeldt 9

Der Einfluss von Kinderbetreuung und Elterngeld auf die Entwicklung der Kinderzahlvon Ulrike Caroline Müller 15

Historische Beispiele pronatalistischer Geburtenpolitik und ihre Wirkungenvon Wilko Schröter 20

Standpunkte: Inwieweit ist es Ihrer Meinung nach möglich,die Gesamtfertilitätsrate in Deutschland zu steigern? 24

Dr. Ursula von der Leyen Bundesministerin für Familie, Senioren,Frauen und Jugend 24

Dr. Jürgen Dorbritz Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 24

Peter Mersch Vorstandsvorsitzender Mersch Online AG 24

Annelene Wengler und Anne-Kristin KuhntUniversität Rostock 25

Inés Brock Promotionsstipendiatin und Kinderpsychotherapeutin 25

Rezensionen 26

Weniger sind mehr. Warum der Geburtenrückgang ein Glücksfall für unsere Gesellschaft istKarl Otto Hondrich 26

Theorien zur internationalen MigrationPetrus Han 28

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Inhaltsverzeichnis

Die Mutterglück-Falle. Warum wir unser Familienbild ändern müssenKarin Deckenbach 29

Die ausgefallene GenerationHerwig Birg 30

Die Altersrevolution. Wie wir in Zukunft alt werdenPetra und Werner Bruns, Rainer Böhme 31

Demographie. Bewegungen einer Gesellschaft im RuhestandStephan A. Jansen, Birger P. Priddat, Nico Stehr (Hg.) 32

Familie und Beruf. Neue Wege zur VereinbarkeitCarsten Wilhelm 33

Vom Zwang zur Wahl: Der Zusammenhang zwischenWohlstand und Fertilität im Wandel der ZeitChristoph Sax 34

Vorankündigung: Demographic Change and Intergenerational Justice 35

Interna 37

Einladung Symposium 2007 37

Anmeldekarte 39

Stand der Grundgesetzänderung 39

Wilton Park British-German Forum 2007 40

Neue Mitarbeiter 41

Interessante Links 42

Impressum 43

Mitgliedsantrag 44

Das Papier, auf dem die GenerationenGerechtigkeit! gedruckt wird,ist zertifiziert mit dem Blauen Umweltengel (siehe Impressum).

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Die Bevölkerung in Deutschlandwird in den nächsten Jahrzehn-ten älter werden und schrump-

fen. Dieser demografische Wandel istnicht mehr aufzuhalten, daher ist dieWissenschaft aufgerufen, Chancen undRisiken dieser Entwicklung zu benennenund Handlungsoptionen aufzuzeigen.Eine Anpassung an die Alterung undSchrumpfung kann jedoch nicht die einzi-ge Strategie sein. "Eine der tiefstgreifen-den Folgen des demographischen Wan-dels könnte sein, dass sich eine negative,sich selbst verstärkende Spirale vonAlterung und Schrumpfung verstetigt.Diese Gefahr droht dann, wenn dieFolgen des Wandels lediglich ‚verwaltet'werden, seiner entscheidenden Ursacheaber, dem Geburtenrückgang, zu wenigentgegengesetzt wird", so das Fazit derTeilnehmer beim "1. Forum Demographi-scher Wandel" des Bundespräsidenten.Schon seit 1972 übersteigt die Sterberatedie Geburtenrate in Deutschland. DieBasis, von der aus ein Wiederanstieg derBevölkerung erfolgen könnte, wird folg-lich immer kleiner. Noch nie seit demEnde des Zweiten Weltkrieges wurden inDeutschland weniger Kinder geboren alsheute. Selbst dann, wenn dieGesamtfertilitätsrate schrittweise bis 2030auf das Ersatzniveau von 2,1 Kindern proFrau ansteigen würde und außerdem150.000 jüngere Menschen pro Jahr ein-wanderten, so würde es bis 2080 dauern,bis die Schrumpfung zum Stillstand käme.Das von der SRzG aufgebaute Institut fürDemografische Zukunftsfähigkeit schriebdaher den 1. Demografie-Preis fürNachwuchswissenschaftler zum Thema"Wege zu mehr Kindern in Deutschlandunter den Rahmenbedingungen einer libe-ralen Gesellschaftsordnung" aus. DasPreisgeld des zweijährlich verliehenenPreises in Höhe von 10.000 Euro wirdvon der Stiftung Apfelbaum finanziert,wofür ihr die SRzG zu großem Dank ver-

pflichtet ist. Das Ziel des Preises ist,Nachwuchswissenschaftler für Demogr-afie zu begeistern und die Zahl derAbschlussarbeiten und Dissertationen zudemografischen Themen zu erhöhen. DiePreisverleihung findet am 09.11.2007 imRahmen eines Symposiums in Berlin inder Sächsischen Landesvertretung statt.Eine Anmeldekarte für alle Interessiertenfindet sich im Heft.Aus den zahlreichen Einsendungen fürden Preis wählte die Redaktion der GG!einige aus und bat die Verfasser, ihreArbeiten in Kurzform in der Zeitschriftzu publizieren. Das Ergebnis liegt nunvor: Zunächst leitet Wolfgang Gründingerin die komplexen Wechselbeziehungenzwischen Geburtenpolitik und Genera-tionengerechtigkeit ein. Er diskutiertzunächst, wann eine demografische Ent-wicklung das Prädikat "nachhaltig" ver-dient. Schließlich legt er einen 10-Punkte-Plan vor, um die Geburtenrate zu steigern.Franziska Höring, Jan Lemanski, StephanSchütze und Christoph Sperfeldt stellenfest, dass für Kinder und Familie fast nir-gends in Europa so viele Finanzmittel ein-gesetzt wie in Deutschland. Da dieseInvestitionen bisher weder eine entspre-chende positive Auswirkung auf dieGeburtenrate haben werden, noch effek-tiv in der Armutsbekämpfung vonFamilien sind, skizziert das Autoren-Quartett eine Reform dieser finanziellenAnreize. Beide Ziele könnten dadurchbesser erreicht werden.Ulrike Caroline Müller stellt fest, dasssowohl ein Ausbau der Kinderbetreuungals auch das Elterngeld tendenziell zumehr Geburten von beruflich integriertenPaaren führen dürften. Da es sich beimElterngeld um eine Einkommensersatz-leistung handelt, könnte es für Berufs-anfänger aber auch ein Anreiz sein, eineFamiliengründung aufzuschieben, bis eineerste Arbeitsmarktintegration erreichtwurde und somit ein signifikantes

Erwerbseinkommen zur Verfügung steht.Wilko Schröter warnt im letztenHauptbeitrag vor überzogenen Erwar-tungen. Er zeigt an zwei historischenBeispielen (DDR ab 1972; Schweden1980/1986), dass die langfristige Wirk-samkreit politischer Maßnahmen zurGeburtenförderung als sehr begrenzt ein-zuschätzen ist. In beiden Fällen - soSchröter - seien lediglich Tempoeffekteerreicht worden, also ein Vorziehen vonGeburten, aber keine Erhöhung der end-gültigen Kinderzahl.Wie immer folgen auf die Hauptbeiträgeverschiedene kurze Standpunkte, diesmalu.a. von Bundesfamilienministerin Ursulavon der Leyen, zur Frage: "Inwieweit ist esIhrer Meinung nach möglich, dieGesamtfertilitätsrate in Deutschland zusteigern?"Nach so vielen komplexen demografi-schen Tabellen ist die letzte leicht verdau-lich: Lesen Sie, welche Sorgen Männerbefällt, wenn der Schwangerschaftstestihrer Partnerin positiv ist.

Zum Schluss werfen wir einen Blick dar-auf, was andere zum Thema geschriebenhaben. Die Zahl der rezensierten Bücherhat in diesem Heft einen neuenHöhepunkt erreicht, auch ein Hinweis aufden nächsten Sammelband der SRzG fehltnicht. In dem zusammen mit derBertelsmann Stiftung herausgegebenenBand werden die komplexen Beziehungenzwischen Generationengerechtigkeit unddemografischem Wandel untersucht.

Wir hoffen, Sie auf dem Symposium"Wege zu mehr Kindern" am 9.November 2007 in Berlin begrüßen zudürfen.

Bis dahin: Viel Spass beim Lesen derZeitschrift!

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Dr. Jörg Tremmel Jan Häußler

Editorial

Alexander Herrath

4

Die deutsche Bevölkerung wird äl-ter und kleiner. Der Grund liegtvor allem in der anhaltenden

Geburtenschwäche: Seit Mitte der 1960erJahre halbierte sich die Geburtenrate vonetwa 2,5 Kindern pro Frau auf nur nochknapp 1,4 Kinder heute - zu wenig, um dieBevölkerungsgröße stabil zu halten: DerGenerationenersatz wäre erst mit 2,1Kindern pro Frau sicher. Hätten wir keineZuwanderung, würde die Bevölkerung inDeutschland schon seit dreißig Jahrenschrumpfen.2Die Medien schlagen Alarm: "Die Deu-tschen sterben aus", "die Republik ver-greist", Horrorszenarien vom "letztenDeutschen" und vom "Raum ohne Volk"machen die Runde.3 Weil es weniger Jungeund mehr Alte geben wird, drohe einKrieg der Generationen um leere Renten-kassen, um Pfründe, Posten und Park-bänke.4 Der medienbekannte ÖkonomHans-Werner Sinn sieht schon eine "Ge-

rontokratie", eine "Herrschaft der Alten"am Horizont.5 "Gesellschaft und Kulturwerden so erschüttert sein wie nach einemlautlosen Krieg", warnt der prominenteJournalist Frank Schirrmacher, und sieht"ein neues Mittelalter" aufziehen.6 Selbstdie demografische Entwicklung von Hun-den wurde inzwischen zum Problemthe-ma in den Medien,7 was den Höhepunktder erhitzten Debatte markieren dürfte.8Die "demografische Zeitbombe" tickteschon einmal - nur andersherum.9 Nochvor vierzig Jahren erhoffte man sich sin-kende Geburtenraten, weil die rapidewachsende Menschheit von der Erdenicht mehr verkraftet werden könne.Wenn die "Bevölkerungsbombe" explo-diere, so der Biologe Paul Ehrlich, seienHungersnöte und Umweltkatastrophenunausweichlich.10 Hollywood fand einewenig elegante Lösung für die Überbevöl-kerung: Im Film Soylent Green wurdenRentner stilvoll vergiftet und zu Lebens-mitteln verarbeitet.11

Zu viele Menschen, aber zu wenige Deu-tsche? - Da passt etwas nicht zusammen.Aus ökologischer Sicht wären niedrigeGeburtenraten nach wie vor geboten, da

bei kleinerer Weltbevölkerung der Um-weltverbrauch leichter auf ein verträgli-ches Maß reduziert werden könnte. Diesgilt gerade für Industrieländer, deren Pro-Kopf-Umweltverbrauch vielfach höher istals von Entwicklungsländern.12 Im demo-grafischen Wandel stecken noch mehrVorteile: Konfliktforscher vermuten, dassdie Abneigung gegen Kriege in eineralternden und schrumpfenden Gesell-schaft steigt, weil sie empfindlicher fürmilitärische Verluste ist als eine Gesell-schaft mit einem Überschuss junger undhitzköpfiger Männer.13 In den nächstenJahren können in Deutschland rund 100Mrd. Euro allein deswegen gespart wer-den, weil mit den Schülerzahlen auch dieBildungsausgaben sinken.14 Auch dieAngst vor einem Kollaps der Sozial-systeme scheint überzogen: Denn nebender Demografie spielen auch Arbeits-markt, Produktivität und die Struktur derSolidargemeinschaft eine wichtige Rolle

für die Funktions-fähigkeit der Sozial-versicherungen. In-sofern können dieAuswirkungen des

demografischen Wandels durchaus abge-federt werden. Also: Schrumpfen ist auchChance.15

Entwarnung kann dennoch nicht gegebenwerden. Denn auch wenn der demografi-sche Wandel bisher zu Unrecht einseitigals Bedrohung gebrandmarkt wurde, sosollte auch der Blick nicht verstellt werdenauf die komplexen und vielfältigen Her-ausforderungen des Geburtenrückgangs.Die Alterung und gleichzeitige Schrum-pfung unserer Bevölkerung verläuft sorasant, dass wir Gefahr laufen, uns nichtschnell genug anpassen zu können. NebenFinanzierungsproblemen der Renten-,Kranken- und Pflegeversicherung werdenEinbußen beim Wirtschaftswachstum, einVerlust an Innovationskraft und Produkti-vität, eine Verschärfung des Fachkräfte-mangels und ein Veröden ländlicher Räu-me befürchtet, um nur einige besorgniser-regende Trends zu nennen.16 Hinzukommt, dass durch die strukturelle Wäh-lermacht der älteren Bevölkerung Zu-kunftsthemen von der politischen Agendaverdrängt werden könnten, und dadurchdas gesellschaftliche Klima zwischen Jungund Alt vergiftet werden könnte.17

Deutschland demografisch zukunfts-fähig machenEine Entwicklung ist zukunftsfähig, wennsie Bestandssicherheit sowie Erfolg auchin der Zukunft, also für künftigeGenerationen, verspricht.18 Daraus folgt:Eine demografische Entwicklung ist zukunftsfä-hig, wenn sie den Bestand der Bevölkerungsgrößeauf einem bestimmten Niveau erhält (quantitati-ve Dimension) und das Gebot der Generatio-nengerechtigkeit (qualitative Dimension) beachtet.Die erste Maxime, die Bestandserhaltung,erfordert eine langfristige Stabilisierungder Gesamtfertilitätsrate auf dem Ersatz-niveau der Bevölkerung (2,1 Kinder proFrau), wobei Abweichungen von diesemNiveau durch Zuwanderung ausgeglichenwerden können. Eine liberale und über-dachte Zuwanderungs- und Integrations-politik sollte also eine engagierte Gebur-tenpolitik flankieren.19 Eine vorüberge-hende Schrumpfung (oder Wachstum) derBevölkerung ist mit diesem Grundsatzdurchaus vereinbar. Eine ständigeSchrumpfung bzw. ständiges Wachstumwäre aber in letzter Konsequenz absurd -bei Fortschreibung der heutigen Fertilitäthätte ganz Deutschland im Jahr 2300 dannnur noch drei Millionen Einwohner, sovielwie heute Berlin.20 Alles andere als einelangfristige Stabilisierung der Bevöl-kerungszahl dürfte daher kaum überzeu-gen.21

Die zweite Maxime, die Beachtung derGenerationengerechtigkeit, ist dann er-füllt, wenn die demografische Entwick-lung ermöglicht, dass "die Chancen nach-rückender Generationen auf Befriedigungihrer eigenen Bedürfnisse mindestens sogroß sind wie die der ihnen vorangegange-nen Generationen" (so die gebräuchlicheDefinition von Tremmel).22

Der Alterungs- und Schrumpfungspro-zess bringt für nachrückende Gene-rationen gravierende Probleme mit sich,z.B. in der Renten- und Pflegeversicher-ung, bei der Versorgung mit Infrastrukturoder hinsichtlich der wirtschaftlichenDynamik. Gleichzeitig ist die Schrum-pfung aber aus intergenerationellerPerspektive auch zu begrüßen, vor allemweil die Umweltbelastung sinken kann.23

Da der Wohlstand nachrückender Gene-rationen in Wechselwirkungen mit derenAltersstruktur und zahlenmäßigen Stärke

Nachhaltigkeit durch höhere Fertilität?1

von Wolfgang Gründinger

Für Kinder ist das Beste gerade gut genug./ Johann Wolfgang von Goethe /

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Generationengerechtigkeit und Rechte zukünftiger Generationenvon Edith Brown Weiss

steht, bildet das Gebot der Genera-tionengerechtigkeit die Grundlage fürÜberlegungen zur gewünschten Be-völkerungsgröße und zum gewünschtenTempo des Übergangs. Eine "optimale"Bevölkerungsgröße lässt sich wissen-schaftlich schlechterdings nicht bestim-men, aber dennoch sollte die Gesellschaftsich ein Bild davon entwickeln, wohin siesich entwickeln will.24 Am günstigstenscheint, wenn die Bevölkerung zwar klei-ner ist, aber der Übergang so behutsamverläuft, dass die Anpassungsfähigkeit derGesellschaft nicht überfordert wird.25

Zwar sind demografische Prozesse geradein einer liberalen Gesellschaft nicht exaktplanmäßig steuerbar, aber die Zielrichtungmuss klar sein, um eine durchdachtePolitik gestalten zu können.Diese qualitative Dimension demografi-scher Zukunftsfähigkeit unterstreicht,dass es auf weit mehr ankommt als aufeine bloße Steigerung der zu niedrigenGeburtenrate. Wer nur auf die Geburten-rate schielt, läuft Gefahr, dass zwar mehrKinder auf die Welt kommen, aber es die-sen schlechter geht als der Generationdavor. Geburtensteigerung, die zulastender Generationengerechtigkeit geht, istdaher verfehlt. Neben Geburten- undZuwanderungspolitik muss also ein dritterBaustein einer Politik für demografischeZukunftsfähigkeit in der Anpassung andie Auswirkungen des demografischenWandels bestehen.26

Gibt es eine "nachhaltige"Demografie-Entwicklung?Zu der hier vorgeschlagenen Terminolo-gie der demografischen Zukunftsfähigkeitwurden bereits ähnliche Definitionen vor-gelegt. So unterscheiden die ÖkonomenHomburg und Schnabel zwischen quanti-tativer und qualitativer Nachhaltigkeit alsZiele "nachhaltiger Familienpolitik".27

"Quantitative Nachhaltigkeit" deckt sichdort mit der hier formulierten quantitati-ven demografischen Zukunftsfähigkeit."Qualitative Nachhaltigkeit" greift dage-gen zu kurz, da sie auf "die emotionalenund kognitiven Fähigkeiten eines Kindes"begrenzt wird und sämtliche anderenBereiche ignoriert,28 die von der demogra-fischen Entwicklung teils massiv tangiertwerden (z.B. Rentenversicherung, Um-welt) und sich stark auf die Lebens-chancen der nachrückenden Generationauswirken. Qualitative Nachhaltigkeit be-deutet dort also nicht Erhalt der Lebens-chancen, sondern nur Erhalt des Human-vermögens.29 Zudem werden als Adressa-ten des dort formulierten Erziehungs-und Bildungsauftrags nur die Elterngenannt, was öffentliche Betreuungs- und

Bildungseinrichtungen vernachlässigt.Eine andere Definition wird in einerStudie im Auftrag des Rates für nachhalti-ge Entwicklung vorgeschlagen.30 Dem-nach ist eine demografische Entwicklung"generell nachhaltig, wenn sie Genera-tionengerechtigkeit und sozialen Zu-sammenhalt ermöglicht", wobei hierin diequantitative Dimension einer konstantenBevölkerungszahl beigemengt wird undauch regionale und sozioökonomischeKriterien genannt werden. Generationen-gerechtigkeit ist aber, entgegen dem dort

geforderten Postulat einer konstantenBevölkerungsgöße, mit einer schrumpfen-den Bevölkerung durchaus vereinbar, wes-halb die quantitative Dimension separatdiskutiert werden sollte. Außerdem verwi-schen bei der dort vorgeschlagenen De-finition die Grenzen zwischen intra- undintergenerationeller Gerechtigkeit, was dieanalytische Trennschärfe beeinträchtigt.Zudem ist der Begriff der "Nachhaltig-keit", wie er bei den beiden zitiertenTerminologien Gebrauch findet und auchbei den in jüngerer Zeit wiederholtenForderungen nach einer "nachhaltigenFamilienpolitik" verwendet wird, imKontext des Demografiediskurses proble-matisch. Dies liegt zum einen an derUnklarheit der Definition des Begriffs derNachhaltigkeit: Da sich der Nachhaltig-keitsbegriff nicht aus sich selbst herauserklärt, tendiert er zu einer Offenheit undUnbestimmtheit, die Spielraum für unter-schiedliche Vorstellungen und Interpreta-tionen lässt - und daher das Leitbild derNachhaltigkeit zu verwässern und durchinflationären Gebrauch entwertet zu wer-den droht.31 "Offenbar ist es möglich, sichmit unterschiedlichen Absichten, Inter-essenlagen und Wertorientierungen aufdas Konzept einer nachhaltig zukunftsfä-higen Entwicklung zu beziehen. Damitbesteht die Gefahr, dass der Nachhaltig-

keitsbegriff der Beliebigkeit anheim gege-ben wird", merkt eine Enquete-Kom-mission des Deutschen Bundestages kri-tisch an.32

So wurden zahlreiche Definitionen von"nachhaltiger Familienpolitik" vorgelegt,die mangels gründlicher Herleitung alle-samt diffus bleiben und sich in ihrenHandlungsbereichen und -zielen erheblichunterscheiden. So versteht beispielsweiseder Siebte Familienbericht der Bundesre-gierung unter nachhaltiger Familienpolitikdie Schaffung von Rahmenbedingungen,

"die es der nachwachsenden Generationermöglichen, in die Entwicklung undErziehung von Kindern zu investieren,Generationssolidarität zu leben undFürsorge für andere als Teil der eigenenLebensperspektive zu interpretieren",während ein Gutachten im Auftrag desBundesfamilienministeriums daruntereine Familienpolitik versteht, "die glei-chermaßen eine Steigerung der Erwerbs-tätigkeit von Frauen wie auch bessereVoraussetzungen für mehr Kinder zumZiel hat".33

Diese Definitionen haben gemeinsam,dass sie auch Elemente intragenerationel-ler Gerechtigkeit, also Gerechtigkeitinnerhalb derselben Generation (z.B. zwi-schen Arm und Reich, Mann und Frau,Eltern und Kinderlosen) beinhalten, wasaber nur indirekt auf die intergeneratio-nelle Gerechtigkeit, also die Gerechtigkeitzwischen verschiedenen Generationen,wirkt, nämlich dann, wenn durchVerschlechterung der intragenerationellenGerechtigkeit auch die Lebenschancennachrückender Generationen beeinträch-tigt werden.34 Auch wenn sich durchausbeträchtliche Schnittmengen zwischenbeiden Bereichen ergeben können (z.B.was das Problem der Kinderarmutangeht), so gehört die Herstellung intrage-nerationeller Gerechtigkeit nicht zu den

Zielvorgaben demografischer Zukunfts-fähigkeit, obgleich sie natürlich aufgrundanderer Motive mitverfolgt werden kannund soll.Andere Wissenschaftler versuchen unterBerufung auf "demografische Nachhaltig-keit" oder "Generationengerechtigkeit"die Vorstellung von einem Fließgleichge-wicht zu prägen, d.h. dass die Bevölker-ung gleich groß bleiben oder wachsen,aber keinesfalls schrumpfen sollte.35 Dochdiese Vorstellung, wie sie etwa im Bereichder Ökologie Sinn macht ("Holze nichtmehr Wald ab, als wieder in gleicher Zeitnachwächst"), ist nicht so einfach auf diedemografische Entwicklung übertragbar.Denn anders als bei einem Rückgang desNaturkapitals kann ein Rückgang derBevölkerung durchaus die Lebenschancennachrückender Generationen positivbeeinflussen.36

Wege zu mehr Kindern in einer libe-ralen GesellschaftIn einer liberalen und demokratischenGesellschaft sind staatlichen Eingriffen indie Familienplanung enge Grenzengesetzt. Geburtenpolitik wird - und das istauch gut so - nicht die Entscheidungender Menschen selbst beeinflussen können,wohl aber das Entscheidungsumfeld,indem sie Gelegenheiten und Anreizeschafft, die zu mehr Kindern ermutigen.37

Den äußeren Rahmen für eine ethischakzeptable Geburtenpolitik bildet dasMenschenrecht, frei, verantwortlich undinformiert selbst über die Zahl der Kinderund den zeitlichen Abstand der Geburtenzu entscheiden.38

Da die Geburtenrate hierzulande mit ca.1,3 Kindern pro Frau deutlich unter demdurchschnittlichen Kinderwunsch von 1,9Kindern liegt, gibt es offenkundig struktu-relle Hemmnisse, die der freien Entschei-dung für Kinder im Wege stehen.39 DiePolitik bräuchte Geburten also nicht ein-mal zusätzlich stimulieren, um merklichepronatalistische Impulse zu setzen, son-dern müsste lediglich die freie Entfaltungder Persönlichkeit gewährleisten helfen.Führt man sich vor Augen, dass beispiels-weise die skandinavischen Länder ihreGeburtenraten sichtbar erhöht haben undFrankreich mittlerweile wieder beinahedas Ersatzniveau erreicht hat, währendgleichzeitig die niedrige Fertilität in dendeutschsprachigen Ländern und Südeu-ropa weiter stagniert, so zeigt dieserVergleich plausibel, dass die Rahmen-bedingungen in einer Gesellschaft dieZahl der Kinder fühlbar beeinflussen.Die fehlenden Geburten der letzten 30Jahre können nicht nachgeholt werden.Doch mit einer Erhöhung der Fertilität

kann es gelingen, die Bevölkerung langfri-stig (auf einem dann niedrigeren Niveau)zu stabilisieren und die demografischenLasten abzufedern, ohne dabei dieChancen einer schrumpfenden Gesell-schaft ungenutzt zu lassen. Dafür solltedie Gesamtfertilitätsrate bis 2015 auf 1,8Kinder pro Frau angehoben werden, ver-bunden mit einer mittelstarken Zu-wanderung von rund 150.000 Menschenim mittleren Alter von 25 Jahren.40 EineErhöhung auf die Bestandserhaltungsratevon 2,1 Kindern ist also - bei entsprechen-der Zuwanderung - unter dem Aspektdemografischer Zukunftsfähigkeit nichtgeboten.Das Ziel von 1,8 Kindern pro Frau istvollkommen realistisch: es bewegt sich imRahmen der Geburtenziffern von vielenunserer europäischen Nachbarn und liegtsogar knapp unter dem durchschnittlichenKinderwunsch in Deutschland. Erfreulichist die Einschätzung von 80 Prozent derFrauen mit (weiterem) Kinderwunsch,dass eine bessere geburtenrelevante Politi-

k es für sie leichter machen würde, so vieleKinder zu bekommen, wie sie sich wün-schen, und dass auch 20 Prozent derFrauen ohne Kinderwunsch bereit wären,ihre Entscheidung zu revidieren.41 Diepolitischen Perspektiven sind also durch-aus ermutigend.

Die vier Koordinaten demografischerZukunftsfähigkeitEiner zukunftsfähigen Geburtenpolitikkann es gelingen, dieses Niveau zu errei-chen, wenn sie an vier Koordinatenansetzt:1. Geld: Weiterentwicklung des Familien-lastenausgleichs, um die relative Benach-teiligung von Eltern (vor allem vonMüttern) im Steuer- und Sozialsystem zukorrigieren;2. Arbeitsmarkt: Verbesserung der Verein-barkeit von Familie und Beruf für beideGeschlechter, um eine wirklich freie Wahlzwischen Erziehungsarbeit und Berufs-tätigkeit für Mütter und Väter zu ermögli-chen;3. Zeit: Mehr Zeit und Sicherheit für Fa-

milie schaffen, um jungen Menschenüberhaupt erst die Gelegenheit zu geben,sich für Kinder zu entscheiden;4. Kinderfreundlichkeit: Förderung eineskinderfreundlichen Klimas und der Aner-kennung der produktiven Leistungen vonFamilien, um ein Signal zu setzen, dassEltern von der Gesellschaft nicht im Stichgelassen werden.In den vier Koordinaten demografischzukunftsfähiger Geburtenpolitik ist be-reits implizit garantiert, dass der Blicknicht auf die beabsichtigte quantitativeErhöhung der Fertilität verengt wird, son-dern dass auch qualitative Aspekte - wiesoziale Gerechtigkeit, Gleichstellung derGeschlechter, Förderung von Humanka-pital - einbezogen werden. Geburtenpoli-tik hat also einige willkommene Neben-effekte, aus denen heraus sie bereits ge-rechtfertigt werden könnte.42

Die Große Koalition in den 1960er Jahrenavancierte mit ihrem "magischen Viereckder Wirtschaftspolitik" zur Erfolgsge-schichte. Die heutige Große Koalition

könnte eine ähnliche Erfolgsgeschichtewerden: Sie könnte den demografischenWandel aktiv gestalten und mit dem"magischen Viereck der Geburtenpolitik"pronatalistische Impulse setzen und soden Weg zu mehr Kindern in Deutschlandfrei machen. Dazu müsste sie einen 10-Punkte-Plan für mehr Kinder vorlegen,der umfasst:43

1. Ein neues Kindergeld (Erhöhung auf230 Euro, Kinderbonus ab 3. Kind)2. Einführung einer Elternrente3. Grundsatz der Familien- statt Eheför-derung4. Bündelung der Leistungen in einer Fa-milienkasse5. Kinderbetreuung für alle (ganztägig, fle-xibel, ab 13. Monat)6. Einführung eines Betreuungsgutscheins7. Allianz für familiengerechte Unterneh-men (Kooperation Staat, Wirtschaft)8. Verkürzung der Ausbildungszeiten undBekämpfung der "Nesthockerei"9. Soziale Absicherung junger Eltern undBekämpfung von Ausbildungsplatz-mangel und

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Die SRzG ist ein Think-Tank. Was heißt das?

Think Tanks - Denkfabriken - sind unabhängige politische Organisationen, die sichals Forschungs- und Analysezentren für wichtige Themen verstehen. ZugleichBindeglied zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik und auch einer politischinteressierten Öffentlichkeit sammeln sie in einem Fachgebiet Wissen an, entwickelnsystematisch Ideen zu Problemstellungen, arbeiten diese aus und tragen sie gezieltnach außen, um zu beraten und zu lenken.

10. Stopp des Missbrauchs von Praktika11. Eine breite Initiative für mehr Kinder-freundlichkeitEin solcher intelligenter Mix aus Zeit-optionen, Infrastrukturangeboten, Geld-transfers und Bemühungen um ein kin-derfreundliches Klima ist effektiver alsisolierte Einzelmaßnahmen,44 denn z.B.wird auch ein höheres Kindergeld nurunbefriedigend wirken, wenn jungeFrauen nicht darauf vertrauen können,nach der Babypause wieder in denArbeitsmarkt einsteigen zu können.Der 10-Punkte-Plan wird sich nicht nurpositiv auf die Fertilität auswirken, son-dern hat Vorteile für die ganzeGesellschaft: Frauen wird ermöglicht, amberuflichen Leben teilzunehmen und einselbstbestimmtes Leben zu führen;Kinder können früher an Bildungs-chancen teilhaben, wenn sie in gutenKindertagesstätten betreut werden, wasauch für das Humanvermögen unsererGesellschaft wichtig ist; die höhereFrauenerwerbstätigkeit spült mehr Geld indie öffentlichen Kassen; wegen der gün-stigeren Altersentwicklung bleiben dieSozialabgabenquoten stabiler; und: lauteiner Studie des Instituts der deutschenWirtschaft kann durch die richtigeGeburtenpolitik das Wirtschaftswachstumsogar um zusätzlich 24 Prozentpunkte biszur Mitte des Jahrhunderts gesteigert wer-den.45 Kurzum: Durch Geburtenpolitikkönnen alle gewinnen.Wie mehrheitsfähig ist aber eine derartigeGeburtenpolitik? Nachdem die histori-sche Vorbelastung der Geburtenpolitikdurch den Nationalsozialismus aufgear-beitet wurde, ist heute der politische Willezu einer Geburtenstimulierung vorhan-den. Die hier gemachten Vorschläge sindkeine Extremforderungen, sondern wer-den von Wissenschaft und Politik intensivdiskutiert und gehören zum Teil bereitszum Wahlprogramm der großen Parteien.Doch warum wird nur so schleppendumgesetzt, was längst als notwendigerkannt wurde?Kinderlose stellen ein wachsendesWählerpotenzial, Kinder dagegen habenkeine Stimme, und die Interessen derFamilien sind nicht organisiert. Ferner lei-det die Geburtenpolitik, ähnlich wie dieihr nahe stehende Familienpolitik, seitjeher unter dem Schicksal einer Quer-schnittsaufgabe, d.h. die Kompetenzensind über viele Ministerien und zudem aufdie verschiedenen föderalen Ebenen ver-streut, was die Formulierung einer kohä-renten Politik erschwert. InstitutionelleReformen, wie die Aufwertung des Bun-desfamilienministeriums und eine bessereKoordination der Aktivitäten der ver-

schiedenen Ressorts und Ebenen, solltendaher einhergehen mit einer Stärkung derInteressenvertretungen der Kinder undFamilien. Auch der kontroverse Vorschlageines Wahlrechts ohne Altersgrenze, dasKindern und Jugendlichen bzw. derenEltern eine Stimme gibt, sollte ernsthaftdiskutiert werden.46

Die Flaute in den Kreißsälen ist keinNaturgesetz, und wir wissen inzwischenrecht gut, welche Wege zu mehr Kindernbeschritten werden können. Jetzt kommtes darauf an, diese Erkenntnisse nicht nurzu gewinnen, sondern auch in die Tatumzusetzen, denn Hochglanzbroschürengibt es schon genug.

W o l f g a n gGründinger, geboren1984, ist Politik- undSozialwissenschaftler(B.A.) und absolviertderzeit einen Masterin Öffentlichem undBetrieblichem Um-weltmanagement an

der FU Berlin. Er ist Mitglied im ThinkTank 30 des Club of Rome. Kontakt:www.wolfgang-gruendinger.de

Anmerkungen:(1) Dieser Text ist eine gekürzte Fassungdes gleichnamigen Wettbewerbsbeitrags.(2) Kaufmann 2005: 48-50. StatistischesBundesamt (Hg.) 2006(3) Bild vom 15.3.2006, Bild vom18.3.2006, Spiegel-Titel Nr. 1/2004,Spiegel-Titel Nr. 43/2000(4) Schirrmacher 2005: 54-60; Sinn 2004:337-404 (5) Sinn 2004: 347(6) Schirrmacher 2005: 14. 56

(7) Süddeutsche Zeitung Magazin vom21.10.2005: 16(8) Etzemüller 2007(9) FAZ.net Special vom 28.4.2005(10) Ehrlich 1982(11) Soylent Green 1973(12) vgl. Tremmel 2005: 84-111(13) Fukuyama 1998: 38(14) Robert Bosch Stiftung (Hg.) 2006: 18-26, 64-74(15) Hondrich 2007; vgl. Tremmel 2005:261-280(16) vgl. Kaufmann 2005: 63-115; Tremmel2005: 213-310, Sinn 2004: 337-404

(17) Wie dem zu begegnen ist, istAnliegen eines aktuellen Vorstoßes jungerParlamentarier, Generationengerechtigkeitim Grundgesetz zu verankern (Bt.-Drks.16/3399).(18) in Anlehnung an die Definition von"zukunftsfähig" im Duden (2007):"Bestand, Erfolg auch in der Zukunft ver-sprechend, erwarten lassend"(19) United Nations (Hg.) 2000(20) United Nations (Hg.) 2004: 96(21) Tremmel 2005, a.a.O.: 303(22) Tremmel 2003: 27-79, 35; vgl. auchders. 2005: 112-124(23) Tremmel 2005: insb. 84-110, 227-230,309(24) vgl. Kaufmann 2005: 56-61 und 161-163, Tremmel 2005: 54-71(25) vgl. Tremmel 2005: 303(26) Ebenda: 261-280(27) Homburg/Schnabel 2005: 5-7(28) Ebenda: S. 7(29) vgl. Kaufmann 2005: 72-82(30) Klingholz et al. 2006: 9-22(31) Deutscher Bundestag (Hg.) 2001: Tz.21-136(32) Ebenda: Tz. 24(33) BMFSFJ (Hg.) 2003: 62(34) vgl. Tremmel 2003(35) Kaufmann 2005: 198-231, Tremmel2004, ders. 2005 (36) Tremmel 2005: 277-280(37) Kaufmann 2005: 56f.(38) vgl. Tremmel 2005: 125-212(39) Umfrage von stern, ZDF, McKinseyvom 24.4.2006(40) Klingholz et al. 2006: 12; vgl.Bomsdorf 2005: 2-4(41) Robert Bosch Stiftung (Hg.) 2006:63f.(42) BMFSFJ (Hg.) 2006(43) vgl. Gründinger 2007(44) Bertram/Rösler/Ehlert 2005(45) BMFSFJ 2006: Fn. 41

(46) Stiftung für die Rechte zukünftigerGenerationen (Hg.) 2007

Literatur:

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Eine Gemeinde kann ihr Geld nicht besser anlegen, als indem sie Geld in Babies steckt./ Winston Churchill /

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Anders als viele andere Politikbereiche betrifftFamilienförderung die innerste Privatsphäre zwi-schenmenschlichen Zusammenlebens. Einstell-ungen und kulturelle Prägungen spielen dahereine große Rolle und dürfen in ihrerBedeutung nicht unterschätzt werden.Der vorliegende Artikel konzentriertsich jedoch nur auf die Fa-milienpolitik, d.h. auf Maßnahmendes Staates und seiner Institutionen.Vor dem Hintergrund dieserEingrenzung sowie der ungenügendenempirischen Befunde ist eine gewisseBescheidenheit um die Reichweite dervorgeschlagenen Maßnahmen ange-bracht. Familienpolitik kann dieGeburtenrate beeinflussen, doch feh-len das Wissen und notwendigeempirische Daten, um kausale Zu-sammenhänge herzustellen. Zudemwerden viele Maßnahmen erst lang-fristig Ergebnisse bringen, die in derGegenwart nur schwer abzuschätzensind. Letztendlich geht es um dieermöglichenden Bedingungen für eineSteigerung der Geburtenrate - ob die-se in dem Maße eintritt wie erhofft,lässt sich nicht mit Gewissheit vor-aussagen. Der Vergleich mit anderenentwickelten Ländern der westlichenHemisphäre legt nahe, dass zumin-dest eine Steigerung auf das Niveauskandinavischer Gesellschaften mög-lich und daher Ziel von Politik seinmüsste.2

Familienpolitik inDeutschland im internatio-nalen VergleichIm europäischen Vergleich liegtDeutschlands Fertilitätsrate un-terhalb des europäischenDurchschnitts von 1,5 Geburten je Frau.Tatsächlich kann man im Bezug auf dieGeburtenrate von einer demographischenZweiteilung der Europäischen Unionsprechen.3 Auf der einen Seite finden sichdie südlichen, zentral und osteuropäischenLänder inklusive Deutschland mit einerFertilitätsrate von unter 1,5 wieder, wäh-rend Skandinavien, Großbritannien, Ir-land, die Niederlande und FrankreichGeburtenraten zwischen 1,6 und 2,0 auf-weisen. Dies ist zwar immer noch ein Wertunterhalb dessen was für eine stabileBevölkerungsentwicklung nötig wäre (die-

ser läge bei rechnerisch 2,1). Aber durchZuwanderung und eine längere Lebens-erwartung könnte dennoch ein Bevöl-kerungszuwachs verzeichnet werden.

Bei zwei so gegensätzlichen Lagern bietetsich ein innereuropäischer Vergleich an,zumal sich anhand von Staaten wie z.B.Dänemark zeigt, dass wachsender Wohl-stand eines Landes nicht zwangsläufig sin-kende Geburtenraten bedeutet.4 Was lässtsich also von den erfolgreichen LändernEuropas für die Familienpolitik Deutsch-lands lernen? Weisen die erfolgreichenLänder Gemeinsamkeiten auf, die eineKorrelation zu einer hohen Fertilitätsrateerkennen lassen? Und lässt sich darauf aufDefizite in der gegenwärtigen deutschenFamilienpolitik schließen?

Für Kinder und Familie werden inDeutschland im europäischen Vergleichüberdurchschnittlich viele Finanzmitteleingesetzt.5 Gleichwohl scheinen diese

Investitionen keine entspre-chende positive Auswirkungauf die Geburtenrate zu haben.Erschwerend kommt hinzu,dass die Gelder im Vergleichoffenbar auch ineffektiv in derArmutsbekämpfung von Fami-lien sind.

Ziele einer nachhaltigenFamilienpolitik für dieBundesrepublikDeutschlandDer internationale Vergleichhat gezeigt, dass die Bun-desrepublik in einigen Berei-chen ihrer bisherigen Familien-politik besondere Defizite auf-zeigt, die es zu beseitigen gilt.Diese Defizite lassen sich so-wohl normativ als auch struk-turell begründen. Auf der nor-mativen Ebene lässt sich fest-stellen, dass sich staatlichePolitik und Fördermaßnah-men, in Deutschland ebensowie in anderen Staaten, implizitan einem bestimmten Typusvon Familie orientieren. Einunzeitgemäßes Familienbild,das sich auf traditionelleRollen der Geschlechter grün-det, ist demzufolge Ursachevieler Probleme der aktuellenPolitik. Immer noch gehenviele Maßnahmen davon aus,dass ein männlicher Allein-verdiener existiert und die

Erziehung und Betreuung der Kinder eineoriginäre Aufgabe der Frau sei. Viele derfamilienpolitischen Instrumente, wie bei-spielsweise das Ehegattensplitting, werdenauch ohne das Vorhandensein vonKindern gewährt, während andere vorallem auf Ein- und Zweikindfamilien aus-gerichtet sind. Ein solches Familienbilddeckt sich nicht mit den gegenwärtigenVerhältnissen, weshalb vor allemAlleinerziehende, unverheiratete Paare mitKindern und Mehrkindfamilien benach-teiligt werden. Darüber hinaus werdendamit Normen gefestigt, die der

Changing minds and politics.Plädoyer für eine nachhaltige Familienpolitik1

von Franziska Höring, Jan Lemanski, Stephan Schütze und Christoph Sperfeld

Geburtenniveau (Geburten je Frau) im Jahr 2004 in ausgewählteneuropäischen Ländern, entnommen aus: Höhn/ Ette/ Ruckdeschel(2006)

In Deutschland bedeuten Kinder nach wie vor ein erhöhtesArmutsrisiko, wovon vor allem Alleinerziehende und Mehrkind-familien betroffen sind.

2 Erwachsene

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Zukunftsorientierung zuwiderlaufen. DiePolitik muss daher die gesamte Pluralitätfamilialer Lebensgestaltung berücksichti-gen und dementsprechend flexibel reagie-ren.6Auf der strukturellen Ebene muss alsgrößtes Defizit der familienpolitischenAnstrengungen das Fehlen eines Gesamt-konzepts bezeichnet werden. Historischhat der Sozialstaat der BundesrepublikLeistungen an Familien stets als einElement ausgleichender Gerechtigkeitbegriffen. Nach diesem Verständnis galtes, wirtschaftliche und sozialeBenachteiligungen von Familien mitKindern gegenüber kinderlosenLebensformen auszugleichen. Eine aktive,

familien- und geburtenfreundliche Politikwar nicht das Ziel. Eine nachhaltigeKinder- und Familienpolitik ist jedochihrem Wesen nach zukunftsorientiert undsollte daher, ähnlich wie die Bil-dungspolitik, als ein langfristiges Politik-ziel für die Gestaltung der Zukunfts-fähigkeit des Landes betrachtet und dem-entsprechend formuliert werden.Daraus folgt, dass Familienpolitik ihreZiele definieren und ihre Instrumentedaran ausrichten sollte. Eine neue Stoß-richtung muss Orientierung bieten, wegvon einem traditionellen Familienbild undder dominierenden Maßgabe der ausglei-chenden Gerechtigkeit, hin zu einer akti-ven Familienpolitik, die das Umfeld derFamilien positiv gestaltet und Kinder-wünsche realisieren hilft. Partner-schaftliche statt geschlechtsspezifischeArbeitsteilungen in der Familie und derGesellschaft geben das neue Leitbild vor.Strukturelle Barrieren müssen in allenLebensbereichen beseitigt und gleichzeitigdie verschiedenen Formen und Optionender familialen Lebensgestaltung der Bür-ger berücksichtigt werden,7 zumal dann,wenn der Staat ein ursächliches Interessean eben solchen Lebensentwürfen hat.Ein One-size-fits-all-Politikmodell wirddaraus also nicht erwachsen. Nur einPolicy-Mix bietet Antworten, der die ver-schiedenen Faktoren beachtet, alle Po-litikbereiche mit einbezieht und auf dieunterschiedlichen Zielgruppen ausgerich-tet ist.Vor dem Hintergrund der gegenwärtigenLage in Deutschland hat eine nachhaltigeFamilienpolitik das langfristige Ziel, inerster Linie zu einer Erhöhung der

Geburtenrate beizutragen.8 Es gilt Be-dingungen zu schaffen, die bestehendeKinderwünsche verwirklichen helfen unddas Aufwachsen der Kinder in bestemMaße unterstützen. Nur so lässt sich vor-aushandelnd dem demographischen Wan-del entgegensteuern und die langfristigeHoffnung realisieren, dass sich dieDeutschen wieder mehr Kinder wün-schen.Sollen die obengenannten Ziele einernachhaltigen Familienpolitik realisiertwerden, dann müssen mittel- bis langfri-stig in folgenden Bereichen prioritäreAnstrengungen unternommen werden:1. Die finanziellen Transferleistungenmüssen dringend transparenter und ziel-

orientierter ausgestaltet werden.2. Das Armutsrisiko von Familien mussdeutlich verringert werden, insbesonderebei Alleinerziehenden und Mehrkind-familien.3. Die öffentliche Förderung muss stärkervon einer Entscheidung für das erste Kindhin zur Entscheidung für mehrere Kinder(Mehrkindfamilien) gelegt werden.4. Um allen Elternteilen, zur Zeit vorallem den Frauen, eine Teilhabe amErwerbsleben zu ermöglichen, ist einquantitativer Ausbau und eine qualitativeVerbesserung der Kinderbetreuung erfor-derlich.5. Weitere Maßnahmen zur Vereinbarkeitvon Familie und Beruf müssen ergriffenwerden, insbesondere im Bereich flexiblerzeitlicher Vereinbarungen für die Erzieh-ung der Kinder.6. Die Gleichstellung von Mann und Fraumuss verbessert werden, z.B. hinsichtlichder immer noch großen Einkommens-unterschiede.Im Folgenden werden nun die Maß-nahmen beschrieben, die notwendig sind,um diese mittel- bis langfristigen Zieleumzusetzen. Dafür empfiehlt es sich, wiein der Fachliteratur oft beschrieben,9 dieMaßnahmen im Rahmen von drei Di-mensionen einer nachhaltigen Kinder-und Familienpolitik zu verorten: finanziel-le Transferleistungen, Infrastruktur sowieMaßnahmen zur Vereinbarkeit vonFamilie und Beruf. Aus Platzgründen wirdhier nur die erstgenannte Dimension imDetail dargestellt.

Handlungsempfehlungen für diefinanziellen Transferleistungen desStaatesIn den europäischen Wohlfahrtsstaatensind finanzielle Transferleistungen zugun-sten von Familien in den vergangenenJahrzehnten ein wesentlicher Bestandteilfamilienpolitischer Leistungen geworden.Obwohl die wissenschaftliche Forschungallgemeine Zusammenhänge zwischenfinanziellen Zuwendungen und derFertilitätsrate nachweisen kann, so lassensich doch empirisch nur schwer kausaleBeziehungen beschreiben. Umso erstaun-licher ist der enorme Stellenwert, derGeldleistungen in der öffentlichenDiskussion um die Familienpolitik inDeutschland beigemessen worden ist.Denn schließlich lässt sich auch für diesenBereich annehmen, dass die Vielzahl vonEinzelmaßnahmen in der Bundesrepublikohne die Einbettung in ein familienpoliti-sches Gesamtkonzept wirkungslos blei-ben werden.Will man nun die familienpolitischenLeistungen der öffentlichen Hand quanti-fizieren, so sieht man sich mit einerVielzahl von zum Teil stark von einanderabweichenden Zahlen konfrontiert.10 DerGrund für die ungleichen Berechnungenliegt in der Heterogenität der Einzel-maßnahmen und einem damit einherge-henden Mangel an Transparenz ebensowie in unterschiedlichen Auffassungendarüber, welche der vielfältigen Maßnah-men zu familienfördernden Maßnahmenim eigentlichen Sinne zu zählen seien.11

Einige allgemeine Feststellungen lassensich dennoch aus den verschiedenen Bi-lanzierungen ableiten. Im internationalenVergleich weist Deutschland in Bezug aufdie öffentlichen Ausgaben für Familienein überdurchschnittliches Niveau auf,12

wobei mit Blick auf die Fertilitätsrate die-sen Transferleistungen scheinbar nurgeringe Effekte gegenüberstehen. EineAufschlüsselung der Ausgaben zeigtzudem, dass deutlich mehr als zwei Drittelder Ausgaben auf Geldleistungen undSteuererleichterungen entfallen und nurweniger als ein Drittel auf Dienstleis-tungen, insbesondere auf die Kinderbe-treuung.13 In einigen skandinavischenLändern, wie Dänemark, ist dieses Ver-hältnis annähernd umgekehrt.Aufgrund des Fehlens eines Gesamtkon-zepts sind die familienpolitischen Maß-nahmen der Bundesrepublik über die ver-schiedensten Regierungsressorts verteilt,finden sich in der Wirtschafts-, Arbeits-und Sozialpolitik ebenso wieder, wie inder Steuerpolitik und den Sozialver-sicherungen. Mangelnde Transparenz undfehlende Zielgenauigkeit der diversen

Erst bei den Enkeln ist man dann so weit, daß man die Kinder ungefähr verstehen kann./ Erich Kästner /

Finanztransfers sind die Folge.14 Fa-milienpolitische Leistungen müssen beiden unterschiedlichsten Behörden bean-tragt werden. Es ist sogar anzunehmen,dass eine große Anzahl von Familien dieihnen zustehenden Leistungen nicht voll-ständig beansprucht, weil sie ihnen nichtbekannt sind, oder weil der organisatori-sche Aufwand bei der Beantragung als zugroß wahrgenommen wird.Finanzielle Transferleistungen müssensich daher an den Zielen einer nachhalti-gen Familienpolitik ausrichten; Instru-mente entsprechend entwickelt und aus-gerichtet werden. Dazu muss insgesamtein Wandel von einer vom Familien-lastenausgleich dominierten Transfer-politik hinzu einer expliziten Familien-förderpolitik einsetzen. Als Zukunftspo-litik müssen der Familienpolitik zudem dieentsprechenden Mittel bereitgestellt wer-den; doch existieren in Anbetracht dermangelnden Zielorientierung undEffizienz bestehender Maßnahmen nocheinige Spielräume, Familien auch ohnemassive Mehraufwendungen die benötig-ten Leistungen zukommen zu lassen.Bei den nun folgenden Handlungs-empfehlungen wird in Bezug auf diefinanziellen Transferleistungen des Staatesin direkte (Geldleistungen) und indirekte(steuerpolitische und mit den Sozial-versicherungen verbundene) Leistungenunterschieden. Die Ausführungen kon-zentrieren sich ausschließlich auf großeund relevante Ausgabenposten, derenUmgestaltung am ehesten Auswirkungenauf die Gestaltung eines positiven Um-feldes für die Erhöhung der Geburtenrateerwarten lassen.

a) Direkte finanzielle LeistungenBei den Geldleistungen des Staates fürFamilien sind zwei Posten hinsichtlichihres Umfangs entscheidend: das Eltern-geld sowie das Kindergeld.Die Einführung eines einkommensabhän-gigen Elterngeldes ist wohl als größterFortschritt in der jüngeren Geschichte der

Familienpolitik zu werten. Im Sinne derzuvor genannten Ziele einer nachhaltigenPolitik scheinen jedoch auch hier einigeVeränderungen empfehlenswert. Die ers-ten Erfahrungen mit dem Elterngeld lie-gen inzwischen vor. Im ersten Quartal desJahres 2007 erhielten 58.000 PersonenElterngeld, davon waren nur 4.000Männer. Von dieser Mehrheit der Mütter

erhielten 42 Prozent nur den Mindest-betrag von 300 Euro, weitere 50 Prozentblieben unter der 1000-Euro-Marke.15 Eszeigt sich also, dass eine Mehrheit derBezieher nur wenig über dem Mindest-betrag von 300 Euro erhielt. Dies liegt ins-besondere daran, dass das Elterngeldmehrheitlich von Frauen in Anspruchgenommen wird und Männer durch-schnittlich immer noch deutlich höhere

Gehälter beziehen. Da aber genau in denersten Monaten die Unterstützung durchden Staat am wichtigsten ist, sollte an die-ser Stelle an Nachbesserungen gedachtwerden.Mit Blick auf die realistischen Kosten undden Charakter einer Lohnersatzleistungsollte der Mindestbetrag auf mindestens400 Euro angehoben werden. Die schon

praktizierte Besserstellung von Gering-Verdienern bei der Berechnung könnteergänzend weiter ausgebaut werden,wodurch den meist niedrigeren Gehälternvon Müttern in einer ÜbergangszeitRechnung getragen würde. Langfristigmüssten im Rahmen einer Politik derGleichstellung die Gehälter zwischenMänner und Frauen angeglichen werden;nur dann entfaltet das Elterngeld auchseine volle Wirkung.Aufgrund der ohnehin geringen Bezügewerden sich zudem nicht viele Eltern fürden Bezug von 50 Prozent des Eltern-geldes über einen Zeitraum von zweiJahren entscheiden. Daher sollte dieseRegelung in Zukunft entfallen. In Anleh-nung an Modelle aus skandinavischenLändern würde es sich alternativ empfeh-len, den vollen Betrag 12 bzw. 14 Monatelang zu zahlen und für Elternteile, dienicht sofort im Anschluss wieder eineErwerbstätigkeit aufnehmen und mehrZeit mit ihrem Kind verbringen möchten,zusätzlich einen ermäßigten, einkom-

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DiskussionDie Bedürfnisse zukünftiger (und heutiger) GenerationenGenerationenerbschaft I: Natürliches und künstliches KapitalGenerationenerbschaft II: Sozialkapital und Kulturelles Kapital"Generation Praktikum / Generation Prekariat?" Haben Ungleichbehandlung

von Jung und Alt auf dem Arbeitsmarkt Generationengerechte Finanz- und Haushaltspolitik: Finanzielle

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Kinder erleben nichts so scharf und bitter wie die Ungerechtigkeit./ Charles Dickens /

mensunabhängigen Satz, etwa in Höhedes Mindestbetrags, bis maximal zum 18.Monat zu gewähren.16 Dies würde die rea-listischen Kosten mit flexiblerenErziehungszeiten besser in Einklang brin-gen.Das Kindergeld trägt den größten Anteilan den direkten Geldleistungen.17 Es istals Steuererleichterung im Rahmen desFamilienleistungsausgleichs konzipiert -direkte und indirekte Transfers berührensich also in dieser Konstruktion. Es wird

als monatliche Vorausleistung auf eineeinkommenssteuerliche Entlastung (Kin-derfreibeträge) gewährt.18 Grundsätzlichbesteht ein Optionsmodell, bei demEltern entweder Kindergeld erhalten oderFreibeträge geltend machen können.Durch die Zahlung des Kindergeldes wer-den die Freibeträge jedoch nur bei höhe-ren Einkommen wirksam, bei denen dasgezahlte Kindergeld die steuerlicheFreistellung nicht vollständig bewirkt, sodass davon nur eine Minderheit derFamilien betroffen ist.Bei der gegenwärtigen Regelung zeigensich mit Blick auf die formulierten Zieleeiner nachhaltigen Familienpolitik zweiSchwachstellen. Zum einen, und obwohlkinderreiche Familien besonders unter-stützungsbedürftig sind, werden Familienmit mehreren Kindern nur ungenügendgefördert.19 Zum anderen wird dasKindergeld während der Ausbildungszeitan die Eltern ausgezahlt, was eine frühzei-tige Selbständigkeit junger Menschen, diewichtig für eine Familiengründung ist,behindert.Eine lang diskutierte Erhöhung desKindergeldes könnte dazu genutzt wer-den, eine Staffelung unter Berücksich-tigung der Kinderzahl einzuführen. Vieleeuropäische Länder verfügen über solcheRegelungen bzw. zahlen Mehrkindzulagenan Familien aus.20 Für den deutschen Fallkönnte etwa eine progressive stufenweiseAufstockung von z.B. 10 Prozent bis zumfünften Kind angedacht werden.21 Solchein Vorgehen würde Mehrkindfamiliengezielter fördern helfen.Nach Entscheidung der Bundesregierungwird ab 2008 die Altergrenze für denEmpfang von Kindergeld für Kinder inAusbildung von 27 auf 25 abgesenkt. ImSinne einer frühzeitigen Selbständigkeit

junger Menschen könnte diese Alters-grenze in einem nächsten Schritt weiterauf 21 Jahre abgesenkt werden, wobei imGegenzug eine Erhöhung des BafögsAusgleich schaffen würde. Diese Mittelwürden dann jedoch direkt den jungenMenschen zufließen und damit mehrFreiräume für ein selbstgestaltetes Lebenbieten.22

Schließlich muss im Sinne der Trans-parenz langfristig angestrebt werden, dieseTransferleistung aus dem System der

Einkommensbesteuerung auszugliedern,um Kindergeld und Kinderfreibeträge zuentflechten. Die hier angedachten Mehr-ausgaben bei den direkten Leistungenkönnten so zumindest teilweise durch eineReform steuerpolitischer Maßnahmen,wie im folgenden am Beispiel des Ehe-gattensplitting vorgestellt, gegenfinanziertwerden.

b) Indirekte finanzielle LeistungenBei den indirekten finanziellen Leistungenließen sich steuerpolitische Maßnahmenund Maßnahmen im Rahmen der So-zialversicherungen unterscheiden.In den ersten Bereich gehört das vieldis-kutierte Ehegattensplitting, das eine derumfangreichsten Maßnahmen der Steuer-erleichterung darstellt.23 Anfänglich wurdedas Ehegattensplitting aufgrund der histo-risch engen Verbindung von Ehe undFamilie, und der traditionellen Arbeits-teilung zwischen Mann und Frau("Hausfrauenmodell") folgend, als famili-enpolitisches Instrument gesehen.24 Dieheute vorherrschende Pluralität an fami-lialer Lebensgestaltung, die steigende Er-werbstätigkeit von Frauen und die Zu-nahme kinderloser Ehen lassen dieseBegründung jedoch nicht mehr aufrechterhalten.Darüber hinaus fällt bei der Berechnungder Einkommenssteuer von zusammen-veranlagten Ehepaaren der Splittingvorteilumso höher aus, je weiter die Einkommender beiden Ehepartner auseinanderliegen.In Fällen, wo beide Partner jeweils dieHälfte des zu versteuernden Einkommenserbringen, ist der Splittingvorteil alsogleich null. Kinder sind nicht in dasSplitting einbezogen. Dieses Modell be-günstigt damit vor allem Ehepaare mitAlleinverdienern, in den meisten Fällen

von Männern mit den höheren Gehältern,und trägt zur Aufrechterhaltung des tradi-tionellen Geschlechterverhältnisses bei.Vor dem Hintergrund der formuliertenZiele einer nachhaltigen Familienpolitikund der sich wandelnden Rolle der Frau inder Gesellschaft erscheint dieses Systemdaher dringend reformbedürftig.Im europäischen Vergleich lassen sich ver-schiedene Modelle zur Familienbesteu-erung finden. Während viele skandinavi-sche Länder, wie Dänemark und Schwe-den, konsequent auf eine Individualbe-steuerung setzen, um so positive Anreizezur Erwerbstätigkeit beider Ehepartner zusetzen, besteht in Frankreich ein Modelldes tariflichen Familiensplittings, das dieFamilien zusammen veranlagt, Kinder imHaushalt berücksichtigt und zusätzlichnoch eine höhere Gewichtung ab demdritten Kind beinhaltet.Auch in den gegenwärtigen Debatten zurReform des deutschen Ehegattensplittingwerden viele Alternativmodelle diskutiert.Ziel sollte in jedem Fall sein, dass Kinderdurch ein reformiertes Splittingverfahrenberücksichtigt werden und gleichzeitigAnreize für eine Erwerbstätigkeit beiderEhepartner geboten werden. Reformen inRichtung eines Familiensplittings müssenjedoch behutsam angegangen werden, daauch im gegenwärtigen System ein ver-gleichsweise hoher Anteil von Ehepaarenmit Kindern von Splittingvorteilen profi-tieren, obwohl dies strukturell nicht imEhegattensplitting veranlagt ist. Zudemmuss die komplizierte Rechtslage beachtetwerden.Unter den diskutierten Vorschlägen schei-nen Realsplitting-Modelle den obenge-nannten Zielrichtungen mittelfristig amehesten zu entsprechen. Ein Realsplittingorientiert sich, entgegen dem jetzigenSystem eines Tarifsplittings, an einerIndividualbesteuerung der beiden Ehe-partner, bezieht dabei aber grundsätzlichUnterhaltsverpflichtungen innerhalb derEhe/Familie mit ein. Da Kinder imHaushalt berücksichtigt werden müssten,sollte die Einführung eines Familien-realsplittings geprüft werden.25 ErsteModellrechnungen ergeben verhältnismä-ßig milde Auswirkungen hinsichtlich derUmverteilung, wobei Einbußen mehrheit-lich von höheren Einkommensgruppengetragen werden und damit allgemein eineegalisierende Dynamik wahrscheinlichist.26 Alleinerziehende würden im Ver-gleich mit anderen Gruppen überpropor-tional von einer solchen Regelung profi-tieren. Gleichzeitig steigen die Anreize zurAufnahme einer Beschäftigung beiderEhepartner, bei der derzeitigen Situationinsbesondere bei Frauen. Schließlich wird

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Ich verzichte auf alle Weisheit, die nicht weinen, auf alle Philosophie,die nicht lachen, auf alle Größe, die sich nicht beugen kann - im Angesicht von Kindern./ Khalil Gibran /

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bei einer Umsetzung sogar mit geringfügi-gen steuerlichen Mehreinnahmen gerech-net.27

Zusammenfassend würde ein Familien-realsplitting mittelfristig ohne umwälzen-de Auswirkungen zielorientierter wirkenund positive Effekte auf die Erwerbs-tätigkeit beider Ehepartner erreichen.Langfristig sollte jedoch eine grundlegen-de Reform im Bereich der Einkom-mensbesteuerung von Familien angestrebtwerden. Eine Entflechtung von steuerli-chen Erleichterungen, Freibeträgen undKindergeldzahlungen würde das Systemtransparenter gestalten helfen. Dabei darfauch eine vollständige Abschaffung desSplittings und eine Einführung einerIndividualbesteuerung nach skandinavi-schem Vorbild nicht tabu sein, wenn imGegenzug mit den beträchtlichen Mehr-einnahmen Direktleistungen und Infra-strukturmaßnahmen ausgebaut würden.28

Ebenfalls werden beträchtliche Leis-tungen im Rahmen des Familienleis-tungsausgleich im Bereich der Sozialver-sicherungen erbracht. Dazu zählen insbe-sondere die beitragsfreie Mitversicherungvon Kindern und Ehrepartnern in dergesetzlichen Kranken- und Pflegever-sicherung sowie die Berücksichtigung vonKindererziehung bei der Berechnung dergesetzlichen Rentenversicherung.29 Dane-ben existieren noch eine Vielzahl weitererLeistungen, womit der Familienleistungs-ausgleich im Rahmen der Sozialversich-erungen insgesamt ausgesprochen in-transparent und an vielen Stellen auchineffizient ausgestaltet ist. Zudem werdendie Kosten nur von abhängig Beschäf-tigten getragen, deren Gehälter unter derBeitragsmessungsgrenze liegen.Um das bestehende System transparenterund zielorientierter zu gestalten, musslangfristig die Familienförderung von densozialen Sicherungssystemen entflochtenwerden. Als einen ersten Schritt könntezum Beispiel mittelfristig die Mitver-sicherung von Kindern in der Kranken-und Pflegeversicherung aus dem allgemei-nen Steueraufkommen finanziert wer-den.30 Damit würden diese Leistungenklar als familienfördernde Maßnahmenerkenntlich sein und ihre zweckgebunde-ne Ausgabe sicher gestellt werden.Zusätzlich würden auch die Nutznießervon Kindern in der Gesellschaft, vorallem die Kinderlosen, entsprechend ihrersteuerlichen Leistungsfähigkeit stärker zurFinanzierung beitragen.

Struktur und OrganisationSollen die aufgeführten Reformmaß-nahmen der finanziellen Transferleis-tungen erfolgreich umgesetzt werden,

dann bedarf das gesamte System derFamilienförderung auch einer effizientenstrukturellen und institutionellen Aus-gestaltung. Zur Zeit sind die etwa 150Einzelmaßnahmen auf mehrere DutzendInstitutionen aufgeteilt. Eine transparenteund zielorientierte Familienpolitik lässtsich so nicht gestalten. Besonders fürEltern stellt die Unübersichtlichkeit unddie Verteilung der Maßnahmen über vieleInstitutionen einen erheblichen Zeitauf-wand und eine unnötige Last dar.31 Daherwird in der jüngeren öffentlichen Debattevermehrt die Zusammenfassung undBündelung der verschiedenen finanziellenLeistungen gefordert. In diesem Zusam-menhang wird auch die Einrichtung einerneuen Institution, einer Familienkasse, wiesie zum Beispiel auch in Frankreich exi-stiert,32 diskutiert.33

Als ein wesentlicher Bestandteil einernachhaltigen Familienpolitik sollte mittel-fristig die Einrichtung einer solchen Fa-milienkasse erwogen werden, die sowohldie Finanzierung familienbezogenerLeistungen in den sozialen Sicherungs-systemen übernimmt, als auch die Mehr-heit der familienfördernden Maßnahmendes Staates zusammenfasst.34 Die Begrün-dung einer solchen Institution würdezudem die Bedeutung der Familienpolitikauf gesamtstaatlicher Ebene stärken. Umeine nachhaltige Politik und eine sichereFinanzierung zu gewährleisten, sollte derneuen Institution langfristig ein parafiska-lischer Charakter gegeben werden. Dasheißt, die neue Familienkasse würde dannweitgehend unabhängig und selbständigdie gesamtgesellschaftliche Aufgabe derFamilienförderung übernehmen und dieseauch aus eigenen finanziellen Mitteln, z.B.durch einen Anteil an der Einkommens-steuer, finanzieren.35 Auf diese Weisewürde die Familienförderung von kurzfri-stigen haushaltspolitischen Zwängen be-freit und eine langfristige, verlässlicheBasis für die Finanzierung geschaffen.Familienpolitische Maßnahmen könntenbesser aufeinander abgestimmt werdenund damit zielorientierter wirken. Schließ-lich würde die Transparenz für die Öffent-lichkeit wesentlich erhöht. Familien fän-den in den regionalen Vertretungen derFamilienkasse einen einzigen kompeten-ten Anlaufpunkt für alle Belange derFamilienförderung.Die Einrichtung einer derart gestaltetenFamilienkasse könnte schrittweise erfol-gen. So könnten zunächst Maßnahmenauf Bundesebene zusammengefasst wer-den, was einen ersten Konzentrations-punkt schaffen würde. Die Eingliederungweiterer Maßnahmen und Leistungenkönnten folgen. Schließlich sollte im Rah-

men der Neuregelung des föderalen Fi-nanzausgleichs auch eine fiskalischeReform der Familienförderung erwirktwerden. Denn die Neuregelung stellt einehervorragende Möglichkeit dar, eineFamilienkasse mit eigenen steuerlichenEinnahmen einzurichten, die familienbe-zogene Leistungen aus den sozialenSicherungssystemen auszugliedern undzugleich Zuständigkeiten im Bereich derFamilienpolitik zwischen Bund, Ländernund Kommunen klarer zu trennen undAusgleichsfinanzierungen zu regeln.

Franziska Höring, geb. 1978, studiertPolitikwissenschaft in Jena, Auslands-aufenthalte an der University of Leicester(GB) und der University of California inBerkeley (USA), FES-Stipendiatin von2001-2007.

Jan Lemanski, geb. 1979, studiertPolitikwissenschaft in Jena, Auslandsauf-enthalte an der Kansai Gadai University(Japan) und der University of California inBerkeley (USA).

Stephan Schütze, geb. 1972, Studium derPsychologie in Potsdam und Public Policyin Erfurt und Berkeley (USA), zur ZeitResearch Fellow am Max-Planck-Institutfür Ökonomik in Jena.

Christoph Sperfeldt, M.A., geb. 1978,Studium der Politikwissenschaft in Jenaund am IEP Rennes (Frankreich), zur ZeitWissenschaftlicher Mitarbeiter imRektoramt der Universität Jena.

Anmerkungen:(1) Dieser Text ist eine gekürzte Fassungdes gleichnamigen (1) Dieser Text ist einegekürzte Fassung des gleichnamigenWettbewerbsbeitrags..Die Originalfassungbehandelt neben der Finanzpolitik auchdie Dimensionen Infrastruktur und dasProblem der Zeit.(2) In Ländern wie Norwegen, Schweden,Finnland und Dänemark liegt die Ge-burtenrate im Bereich von 1,7 und 1,8.

Die Autoren

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(3) The Economist: Suddenly, the oldworld looks younger, 14.07.2007(4) Die Theorie, nachdem wachsenderWohlstand mit einer sinkenden Gebur-tenrat korreliert wird als "ökonomisch-demografisches Paradoxon" bezeichnet.(5) Vgl. BMFSFJ (2006). DeutschlandsAusgaben für Familien liegen etwa imMittelfeld der hier als erfolgreicheBeispiele herangezogenen Länder.(6) Auf die Berücksichtigung vonPräferenzen und Einstellung in einerGesellschaft mit differenzierten Lebens-entwürfen hat vor allem Catherine Hakimin ihren Studien hingewiesen, vgl. Hakim(2003)(7) So wies der Fünfte Familienbericht aufdie "strukturelle Rücksichtslosigkeit" ge-genüber Familien in der deutschen Ge-sellschaft hin, vgl. BMFSFJ (1995)(8) Konzepte von nachhaltiger Familien-politik wurde ebenfalls von Rürup /-Gruescu und von Bertram/Rösler/Ehlertpräsentiert, vgl. Rürup/Gruescu (2003)und Bertam/Rösler/Ehlert (2003).(9) Vgl. dazu auch Bertram/Rösler/Ehlert(2003).(10) Für das Jahr 2005 gab das Fami-lienministerium (BMFSFJ) den Umfangaller familienbezogenen Leistungen desStaates mit 184 Mrd. Euro an, BMFSFJ2006.(11) Vgl. BMFSFJ/FaFo (2006)(12) Vgl. beispielsweise Rürup/Gurescu(2003), S. 41; und Bertelsmann-Stiftung(2002), S. 38ff.(13) Rürup/Gurescu (2003) und Bertels-mann Stiftung (2002) geben für dieBundesrepublik ein Verhältnis von 71Prozent zu 29 Prozent an(14) Niejahr in ZEIT, 14/2005, "Aus tau-send kleinen Kübeln"(15) Siehe ZEIT Nr. 30 vom 19. Juli 2007(16) Ähnliche Regelungen finden sich z.B.in Schweden. Um die Maßnahmen auchaus den anderen Dimensionen, Infra-struktur und Zeit, sinnvoll aufeinanderabzustimmen, sollte die Elternzeit vondrei Jahren auf 18 Monate reduziert wer-den. So stünde für den gesamten gesetzli-chen Erziehungszeitraum eine adäquateUnterstützung bereit. Ein rechtlicherAnspruch auf eine qualitätsgesichertefrühkindliche Betreuung muss schließlichparallel mit dem frühest möglichenAuslaufen des Elterngeldes ab dem 12.Monat gegeben sein.(17) Im Jahr 2005 wurde dafür annähernd35 Mrd. Euro aufgewendet, BMFSFJ/FIT(2006)(18) Dohmen/Himpele (2006). Verheira-teten Ehepaaren steht ein Freibetrag fürdas allgemeine sächliche Existenzmini-mum von 3.648 Euro und ein Freibetrag

für Betreuungs- und Erziehungszeitenvon 2.160 Euro pro Jahr und Kind zurVerfügung.(19) Bei der derzeitigen Regelung erhaltenEltern für das 1. bis 3. Kind jeweils 154Euro und erst ab dem 4. Kind und für allefolgenden 179 Euro.(20) Eine Staffelung des Kindergeldesnach Kinderzahl ist besonders stark aus-geprägt in Frankreich, wo überhaupt erstab dem 2. Kind Anspruch auf Kindergeldgibt; existiert aber auch z.B. in Finnlandund Belgien. Zudem gibt es Mehr-kindzulagen auf den Normalsatz z.B. inSchweden und Österreich.

(21) Beispielrechnung für eine progressivestufenweise Aufstockung von 10 Prozentausgehend vom derzeitigen Basissatz - 1.Kind: 154 Euro; 2. Kind: 169,40 Euro; 3.Kind: 186,34 Euro; 4. Kind: 204,97 Euro;5. Kind (und für jedes weitere Kind):225,47 Euro.(22) Zur Problematik der frühzeitigenSelbständigkeit junger Erwachsener sieheauch die Langfassung dieses Beitrags.(23) Laut einer Zusammenstellung desBMFSFJ/FIT (2006) wurden 2005 dafüretwa 19,3 Mrd. Euro aufgewendet;Maiterth (2005) gibt etwa 30 Mrd. Euroan. Damit birgt eine generelle Reform die-ses Besteuerungsmodells erhebliche Re-serven für die Familienförderung.(24) Die Förderung von Ehe und Familieist in Art. 6 GG verankert.(25) Dies wäre nicht der Fall bei Modelleneines Ehegattenrealsplitting, wie verschie-dentlich in der öffentlichen Debatte vor-geschlagen.(26) Eine solche Modellrechnung legte dasFinanzwissenschaftliche Forschungsinsti-tut der Universität Köln (FIFO) vor,Bergs et al. (2006).(27) Die FIFO-Studie erwartet fiskalischeMehreinnahmen von mehr als einer hal-ben Milliarde Euro.(28) Eine vollständige Abschaffung desSplittings würde nach unterschiedlichenBerechnungen zu Steuermehreinnahmen

bis zu 30 Mrd. Euro führen. Vgl. Institutder deutschen Wirtschaft (2007).(29) Die Leistungen für die beitragsfreieMitversicherung von Kindern beliefensich im Jahre 2005 in der gesetzlichenKrankenversicherung auf etwa 14 Mrd.Euro und in der gesetzlichen Pflegever-sicherung auf knapp 1 Mrd. Euro. Zudemleiste der Bund Beiträge für Zeiten derKinderziehung an die gesetzliche Renten-versicherung in Höhe von etwa 12 Mrd.Euro. Vgl. BMFSFJ/FIT (2006).(30) Siehe auch Vorschläge des Wissen-schaftlicher Beirat für Familienfragen.Vgl. BMFSFJ (2006b).(31) Großbritannien ist ein gutes Beispielwie durch staatliche Anstrengungen ein"transparente Informationsangebot rundum das Thema Familie" ausgestaltet wer-den könnte.(32) Die dortige Caisse Nationaled'Administration Familiale (CNAF) ist daszentrale Element der französischen Fami-lienförderung.(33) Eine solche Forderung wurde zumBeispiel jüngst auch im Siebten Familien-bericht erhoben. Siehe BMFSFJ (2006a)(34) Ähnliche Vorschläge wurden zumBeispiel von Schmähl (2004) und Spieß(2004) vorgebracht.(35) Mehr zu parafiskalischen Organisa-tionen und eine entsprechende Ausgestal-tung der Familienkasse, siehe Spieß (2004).

Literaturverzeichnis:

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Spieß, Katharina C.(2004): ParafiskalischeModelle zur Finanzierung familienpoliti-scher Leistungen, Deutsches Institut fürWirtschaftforschung (DIW). Berlin.

Der Einfluss von Kinderbetreuung und Elterngeld auf dieEntwicklung der Kinderzahl1

von Ulrike Caroline Müller

F ür Jahrzehnte galt im kollektivenBewusstsein der Deutschen das"Erstmal-Prinzip", wonach "vor dem

Kind erst mal Berufseinstieg, Hausbau, Heirat,finanzielles Polster kommen müssten"2. Beson-ders in den letzten Jahren wurden jedochAlternativen erkundet: Die Vereinbarkeit vonFamilie, Kindern und Erwerbstätigkeit wurde zueinem der wichtigsten Themen der Familien-politik.

Aktuelle Studien zum ThemaDas Institut für Demoskopie Allensbachbefragte im Auftrag des Staatsminis-teriums Baden-Württemberg Ende 2003in 1257 Interviews einen repräsentativenQuerschnitt der 18-44-jährigen Bevöl-kerung zu den Einflussfaktoren auf dieGeburtenrate.Obwohl sich die Befragten mehrheitlichals Ideal die Zwei-Kinder-Familie vorstel-len, sind 63 Prozent der Kinderlosen derMeinung, dass das Glück eines Paaresnicht von Kindern abhängt. Sie sehen inKindern zwar eine Option, die aber nichtzwingend realisiert werden muss. Von denKinderlosen schließen 23 Prozent eineElternschaft kategorisch aus, 35 Prozentsind sich noch nicht sicher und nur 42

Prozent der Befragten wollen bestimmtKinder haben. Das zeigt, dass Kindernicht mehr als eine Selbstverständlichkeitbetrachtet werden.3Mit der niedrigen Geburtenhäufigkeit inDeutschland beschäftigten sich auch nochandere Untersuchungen. So zeigt JürgenDorbritz in seiner Auswertung derPopulation Policy Acceptance Studie, beider bis Mitte 2003 in Ost- und West-deutschland 4000 Frauen und Männerbefragt wurden, dass sich die Befragtenmehrheitlich durchaus im Klaren darübersind, dass der jetzige demografische Trendzu Problemen führen wird. Die zuneh-mende Kinderlosigkeit wird in den neuenBundesländern stärker kritisiert (75,0Prozent) als in Westdeutschland (67,4Prozent). In den östlichen Bundesländernist die Kinderlosigkeit nicht so stark ver-breitet, dafür haben relativ viele Familienaber nur ein Kind. Im Westen dagegenbleiben ziemlich viele junge Frauen kin-derlos, was ebenfalls zu einer geringenGeburtenrate führt. Knapp 30 Prozententscheiden sich ganz bewusst gegenKinder. "Es ist anzunehmen, dass dieGruppe mit ausgeprägt individualistischenOrientierungen familienpolitisch nur

schwer erreichbar und damit ein Faktorgegeben ist, der gegen Erfolge einergeburtenorientierten Familienpolitiksteht".4Auch der nicht vorhandene Partner (sieheTabelle) ist ein Kriterium gegen eineElternschaft. So wird ohne Partner dieRealisierung von Kindern immer weiterhinausgeschoben, bis es irgendwann zuspät ist.

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Eine dritte Studie zum Thema "Kinderund Karriere" stammt vom Max-Planck-Institut für demographische Forschung inRostock aus dem Jahr 2006. So beschrei-ben Holger von der Lippe und LauraBernardi, dass es immer noch Unter-schiede im Ost-West-Vergleich im Bezugauf die Familienplanung gibt. Zwar gibt esim Osten Deutschlands im Allgemeinenschwierigere ökonomische Randbeding-ungen, trotzdem ist der Anteil der Kinder-losen aber niedriger als im Westen.Besonders die Ungleichheiten werden inder Ansicht über die berufliche Verwirk-lichung und Familiengründung hervorge-hoben. Für Westdeutschland gilt, dass"eine Familiengründung vor einer erfolg-reichen beruflichen Etablierung nicht inErwägung gezogen [wird]".5 So ist imWesten "das Bewusstsein, dass eine Fa-miliengründung durchaus auch den beruf-lichen und materiellen Status bedrohenkann (…)" sehr geläufig.6Dahingegen ist in Ostdeutschland dieseÜberlegung weniger ausschlaggebend.Die jungen Menschen, die in Rostockbefragt wurden, legen eher Wert darauf,dass zwischen den Partnern eine Art vonGleichgewicht herrscht. So gab es "(…)häufig Berichte von Familienplänen und -gründungen vor oder während des Be-

rufseinstiegs, währendeiner Existenzgrün-dung oder einfach"ohne groß zu pla-nen".7 Diese Studiezeigt deutlich, dass eszum einen finanzielleSorgen sind, die dasHinausschieben desK i n d e r w u n s c h e sbeeinflussen, anderer-seits aber auch dieschwierige Situationder Vereinbarkeit vonErwerbstätigkeit undFamiliengründung.8Dennoch bleibt einezentrale Frage: "Kannder Staat überhauptetwas bewirken, bei derprivatesten aller Ent-scheidungen? Bei derFrage, wie und mitwem der Mensch seinLeben verbringt, ob erheiratet, sich scheidenlässt, Kinder bekommtoder lieber nicht?".9 ImFolgenden soll daraufeingegangen werden, inwieweit familienpoli-tisch gestaltete Rah-

menbedingungen, wie Kinderbetreuung,die und das Elterngeld sich positiv auf dieGeburtenrate auswirken (können).

KinderbetreuungFormen der Kinderbetreuung undderen AngebotGenerell muss zwischen zwei Grund-formen der Kinderbetreuung unterschie-den werden: die häusliche und außerhäus-liche Kindertagespflege. "Von einemKindertagespflegeverhältnis spricht man

gemeinhin, wenn das Kind von einerPerson betreut wird, die nicht zum enge-ren Haushalt der Eltern gehört, dieBetreuung gegen Entgelt und regelmäßigerfolgt und auf längere Zeit ausgelegtist".10

Während die häusliche Kinderbetreuunginsbesondere für Kinder unter drei Jahrenvor allem von den Kirchen und Kon-servativen gefordert wird und dieseMeinung auch in Westdeutschland nochsehr verbreitet ist, findet man dafür in

Ostdeutschland viel weniger Zuspruch.Da schon zu DDR-Zeiten der Staat sehrbemüht war, die Berufstätigkeit der Frau-en zu unterstützen und in großemUmfang in die Erziehung der Kinder ein-zuwirken, gibt es schon seit langer Zeiteine hohe Versorgungsquote auch fürKinder unter drei und über sechs Jahren.Im Westen wird dagegen mehr auf sozia-le Netzwerke, Verwandte oder Freundegesetzt.11 Insgesamt war die Familien-politik darauf ausgelegt, dass vor allem inden ersten Lebensjahren die Mutter imRegelfall ihr Kind selbst betreut.Nehmen die Familien die außerhäuslicheKinderbetreuung in Anspruch, gibt es ver-schiedene Einrichtungen, die von öffentli-chen und freien Trägern gefördert wer-den. Kinder unter drei Jahren werden aus-schließlich in Kinderkrippen betreut, wäh-rend in Kindergärten Kinder ab dreiJahren bis zum Schuleintritt betreut wer-den. Nur in wenigen Bundesländern, kön-nen die Kinder schon mit zwei bzw. zwei-einhalb Jahren in den Kindergarten gehen.Für Schulkinder gibt es die Möglichkeit,nach bzw. vor der Schule den Hort zubesuchen. Neben diesen Grundformengibt es noch so genannte Kombieinrich-tungen. Nicht zuletzt gibt es noch dieMöglichkeit, Kinder unter drei Jahren zueiner Tagesmutter zu bringen.

Kinderkrippen2006 wurden nach Angaben des Sta-tistischen Bundesamtes etwa 251.000Kinder in Kinderkrippen und 33.500 beiTagesmüttern zumindest zeitweise außer-häuslich betreut. Der Anteil lag damit bei13,5 Prozent (2002: 9 Prozent).Dass der Anteil 2006 in Ostdeutschlandmit etwa 37 Prozent wesentlich höher istals im Westen (nur 6,6 Prozent), liegtdaran, dass es in Ostdeutschland schon zu

DDR-Zeiten ein flächen- und auch be-darfsdeckendes Angebot an Krippen-plätzen gab.

KindergärtenSeit 1996 gibt es in Deutschland einenRechtsanspruch auf einen Kindergarten-platz für Kinder ab drei Jahren. DiesesGesetz sollte den Frauen, die den dreijäh-rigen Erziehungsurlaub voll ausgenutzthaben, die Rückkehr ins Erwerbslebenerleichtern. "Ein Grundproblem der

Die Zukunft des Volkes hängt nicht von der Zahl der Kraftwagen ab,sondern von der Zahl der Kinderwagen./ Kardinal Josef Frings /

Tabelle: Gründe von Frauen in Deutschland gegen ein (wei-teres) Kind, nach Altersgruppen (kombinierte Anteile der"sehr wichtig" und "wichtig" Antworten in Prozent)

Quelle: BiB/Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung(2005) (Hg): Einstellungen zu demographischen Trends undzu bevölkerungsrelevanten Politiken. Ergebnisse derPopulation Policy Acceptance Study in Deutschland.Bearbeitet von Dorbritz, Jürgen / Lengerer, Andrea /Ruckdeschel, Kerstin. Sonderheft der Schriftenreihe des BiB.Wiesbaden, S. 37.

öffentlichen Kinderbetreuung besteht inder Aufgabenteilung zwischen dem Bundund den Bundesländern: Zwar werden,wie im Falle des Kindergartengesetzes,bundespolitische Anforderungen formu-liert, die Ausführungsgesetzgebung ob-liegt jedoch den Ländern. Für die Ausge-staltung der Pflichtaufgaben verbleibt denKommunen dabei ein Ermessens-spielraum, so dass der Umfang und dieForm der Kinderbetreuung zwischenLändern und Kommunen in Abhängigkeitvon den beteiligten Akteuren, der Finanz-lage, der Initiative der Bürger etc. erheb-lich variiert".12

"Zum Jahresende 2002 errechnete sich fürKindergartenkinder in Ostdeutschlandeine Platz-Kind-Relation von 105 Pro-zent, also eine Vollversorgung, währendsich für Westdeutschland nur eine Quotevon 88 Prozent ergab".13 Für 2,8Millionen Kinder im Kindergartenaltergab es trotz des Rechtsanspruchs 2002nur 2,51 Millionen Plätze in Kindergärten.Das heißt, es kann weder von einem flä-chendeckenden noch von einem bedarfs-deckenden Angebot gesprochen werden.Auch eine Platz-Kind-Relation von über100 Prozent heißt nicht zwangsläufig, dassalle Kinder einen Kindergartenplatz ha-ben, da es sich hier nur um statistischeDaten handelt, die keine Aussage darübermachen, wo diese Plätze sind. So kann essein, dass in manchen Regionen oder Ge-meinden ein Überangebot an Plätzen zurVerfügung steht, und andererseits inGemeinden und Städten im gleichenBundesland viele Plätze fehlen.Wichtig für den Vergleich von Betreu-ungsangeboten ist auch der zeitliche Be-treuungsumfang, der von den Betreuungs-einrichtungen geboten wird. Nicht einmalein Viertel der Kindergartenplätze inWestdeutschland boten 2002 eine Ganz-tagsbetreuung an, die in Ostdeutschlandmit 98 Prozent die Regel war. DieGanztagsplatz-Kind-Relation liegt damitin Westdeutschland bei nur 21 Prozent, inOstdeutschland dagegen bei 103 Prozent."In Westdeutschland werden die Plätzeüberwiegend als Vor- und Nachmittags-plätze ohne Mittagessen (48 Prozent)sowie als Vor- oder Nachmittagsplätzeohne Mittagessen (24 Prozent) angeboten.Nur 3 Prozent der Plätze für Kindergar-tenkinder stehen in Westdeutschland alsHalbtagsplätze mit Mittagessen zurVerfügung".14

Während Bayern, Hamburg und Bremendie höchste Ganztags-Platz-Kind-Relationin den alten Bundesländern aufweisen, bil-den Baden-Württemberg mit nur 7 Pro-zent und das Saarland mit 15 Prozent dasSchlusslicht, obwohl sie insgesamt die

höchsten Werte bei der allgemeinen Kind-Platz-Relation bei Kindergärten aufwei-sen.15

Das Tagesbetreuungsausbaugesetz(TAG)Das Tagesbetreuungsausbaugesetz ist am1.1.2005 in Kraft getreten und hat dierechtliche Grundlage für eine Verbesser-ung der Betreuungssituation von Kindernunter drei Jahren geschaffen. So sollen bis2010 insgesamt 230.000 neue Plätze inKindergärten, Krippen und in der Tages-pflege entstehen. Flächendeckend soll fürmindestens 33 Prozent der Kinder unterdrei Jahren ein Platz angeboten werden.Neben diesem Hauptaspekt will mandurch die frühe Förderung der Kinder dieQualität der Betreuung verbessern. DenEltern soll eine Wahlmöglichkeit zwischenden unterschiedlichen Betreuungsmög-lichkeiten eröffnet werden. Das Ziel desAusbaus ist ein bedarfsgerechtes Angebotfür alle Altersgruppen. So soll die Betreu-ung zeitlich flexibel, vielfältig, vor allemaber auch bezahl-bar sein. Außer-dem soll das An-gebot an Ganz-tagsplätzen weiterausgebaut werdenund der hohe Ver-sorgungsgrad inOstdeutschland ge-halten werden.16

Die Kommunensind durch dasTAG gezwungen,zumindest für die-jenigen Kinderunter drei Jahrenein Betreuungs-angebot bereitzu-stellen, deren El-tern erwerbstätigsind oder eine Er-werbstätigkeit auf-nehmen wollen. Dadie dafür benö-tigten Plätze nichtkurzfristig geschaf-fen werden können,hat der Gesetz-geber den Kommunen die Möglichkeitgeschaffen, das geforderte Versorgungs-niveau bis spätestens 1.10. 2010 schritt-weise umzusetzen.17 (§24 SGB VIII)Das Deutsche Institut für Wirtschafts-forschung (DIW) beschäftigte sich eben-falls mit dem Thema Ausbau der Betreu-ungsplätze und untersuchte 2005 auf Ba-sis von Mikrodaten des Sozio-Ökonomi-schen-Panels (SOEP), wie viele Plätze fürKinder unter drei Jahren wirklich fehlen

und kam zu sehr interessanten Ergeb-nissen. Nach Berechnungen des DIWwürden etwa 250.000 Plätze allein fürKinder erwerbstätiger Mütter benötigt, sodass die Zahl von 230.000 geplantenPlätzen zunächst realistisch erscheint.Darüber hinaus wurde aber auch derBedarf an Kinderbetreuungsplätzen fürMütter, die einen starken Erwerbswunschhaben, festgestellt. Das Ergebnis ist beein-druckend. 1,2 Millionen Plätze, würdenvon Müttern mit starkem Erwerbswunschnachgefragt, wenn sie angeboten würden.

So wären nach diesen Schätzungen alsosehr viele Kinder in der "Warteschlange"und für diese würden auch noch nicht dieim Februar 2007 von Frau von der Leyenzusätzlich 500.000 geforderten Betreu-ungsplätze ausreichen.Es müssen also deutlich mehr als 230.000Betreuungsplätze für unter dreijährigeKinder eingerichtet werden. "Außerdemist zu vermuten, dass eine Erhöhung desAngebots an Kinderbetreuungsplätzen die

Erwerbstätigkeit von Müttern insgesamterhöht".18 Das heißt, dass dadurch nochmehr Krippenplätze benötigt werdenkönnten. Die Geburtenrate wird aberauch durch diesen Ausbau von Betreu-ungsplätzen nicht von heute auf morgenexplodieren. Die potentiellen Eltern wer-den dadurch aber sicherlich darin bestärkt,wenigstens ihre Wunschkinderzahl zu rea-lisieren. Dadurch könnte sich also dieGeburtenrate leicht erhöhen.

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Tabelle 1: Hochrechnung: Wie viele Kinder unter drei Jahrenwarten auf einen Platz? In 1000 (gerundet)

Quelle: Spieß, Katharina C./ Wrohlich, Katharina (2005): Wieviele Kinderbetreuungsplätze fehlen in Deutschland? - NeueBedarfsermittlungen für Kinder unter drei Jahren auf Basis vonMikrodaten; in: DIW Berlin (Hrsg.): Wochenbericht; Nr.14/2005; Berlin; S. 226

ElterngeldEltern, die sich in den ersten Monatennach der Geburt eines Kindes zumindestteilweise selbst um die Betreuung des Kin-des kümmern, erhalten Elterngeld. DasElterngeld ist eine familienpolitische Leis-tung des Bundes für Eltern, deren Kindernach dem 1.1.2007 geboren werden undist somit auch ein Teil der neu ausgerich-teten Familienpolitik. Damit tritt das El-terngeld an die Stelle des bisherigen Er-ziehungsgeldes, das für Kinder, die vordem 1.1.2007 geboren wurden, weiterhinbeantragt werden kann.19

"Kernelement des Elterngeldes ist diedynamische Leistung in Anknüpfung andas Erwerbseinkommen".20 Die Neuer-ungen am Elterngeld beziehen sich vorallem auf die Höhe des ausgezahlten Be-trags und darauf, dass mit der Umstellungauf das Elterngeld auch Elternberechtigt sind, die es vorher beimErziehungsgeld nicht gewesenwären. So soll nicht nur die Le-bensgrundlage der Familien gesi-chert werden. Immerhin ersetztdas Elterngeld das nach derGeburt des Kindes wegfallendeNettoerwerbseinkommen zu 67Prozent bis zu einer maximalenHöhe von 1800 € pro Monat. Fürdie Berechnung des Elterngeldssind die letzten zwölf Monate vorder Geburt des Kindes ausschlag-gebend. Bei Selbstständigen wirdder wegfallende Gewinn, abzüg-lich der anfallenden Steuern zu 67Prozent ersetzt. Auch Nicht-Erwerbstätige, Sozialhilfeem-pfänger, Studenten und Schülererhalten Elterngeld in Höhe des Mindest-betrags von 300 €. Für Geringverdienerund Mehrkindfamilien sowie bei Mehr-lingsgeburten kann ein höheres Elterngeldzustande kommen. Bei Mehrlingsgebur-ten erhöht sich der auszubezahlendeBetrag um 300 € je weiterem Kind.21

"Damit ist das Elterngeld in gewissemSinne eine Versicherungsleistung, dieEltern für den Fall absichert, dass sie auf-grund von Betreuungsleistungen nichterwerbstätig sein können".22

Das Elterngeld wird an Mutter und Vaterdes Neugeborenen für maximal 14Monate gezahlt, wobei der Zeitraum unterden Eltern frei aufgeteilt werden kann.Ein Elternteil kann jedoch höchstens 12Monate ausschöpfen, die andern beidenMonate sind für den Partner "reserviert".Dabei können die Eltern selbst wählen,ob sie sich das Elterngeld gleichzeitig odernacheinander auszahlen lassen. Dadurcherhöht sich die Anzahl der Monate abernicht. Alleinerziehende erhalten das El-

terngeld volle 14 Monate lang. Es ist auchmöglich, den halben Betrag für einen dop-pelt so langen Zeitraum zu erhalten.23 Mitder Trennung der 12 zu 2 Monaten sindletztendlich beide Eltern gezwungen, zu-mindest für 2 Monate zu pausieren, umden vollen Betrag auszuschöpfen.Für Eltern, die früher für das Erzieh-ungsgeld zu viel verdient haben, ergebensich dadurch ganz neue Möglichkeiten, diees attraktiver machen könnten, zu Hausezu bleiben.Anders sieht es dagegen bei Studenten,Schülern, Sozialhilfeempfängern, Haus-frauen und in Minijobs Beschäftigten aus.Konnten sie doch mit dem Erziehungs-geld mehr Geld erwarten und das auchnoch über einen längeren Zeitraum.Leicht entsteht der Eindruck, dass dieBundesregierung dadurch vor allem bes-

ser gebildete und höher Qualifizierte dazuermuntern möchte mehr bzw. überhauptKinder zu zeugen, sind es doch geradediejenigen, die sich im Bereich der Repro-duktion eher zurückhalten. Es bleibt je-doch fraglich, ob Besserverdienende, diesich an ein gewisses Konsumniveau ge-wöhnt haben, auf einen großen Teil ihresEinkommens verzichten werden, nur um1800 € monatlich vom Staat zu bekom-men. Und ist es nicht gerade für dieHochqualifizierten besonders schwer(vorstellbar) eine Zeit lang aus dem Be-rufsleben auszusteigen und ihre Karrierezu unterbrechen? Für genau diese Elternwirkt sich möglicherweise die im Eltern-geld vorgesehene Möglichkeit zur Teil-zeitarbeit positiv aus, da sich dadurch dermonatliche Bezug, der sich dann aus El-terngeld und Teilzeitlohn/-gehalt zusam-mensetzt, erhöht. So sieht das Elterngeldvor, dass die Differenz, die sich zwischenTeilzeitlohn/-gehalt und Vollzeitlohn/-gehalt ergibt zu 67 Prozent vom Bund

ausgeglichen wird, was das Elterngeldwiederum sehr attraktiv macht.

Auswirkungen der finanziellen famili-enpolitischen LeistungenSolange die Kinder noch ganz klein sind,steht den Familien am wenigsten Geld zurVerfügung. Das bisherige Erziehungsgeldbewirkte weder eine finanzielle Absich-erung noch bewirkte es, dass mehr Elternihren Kinderwunsch realisierten.Das Elterngeld ist dagegen als eine Ein-kommensersatzleistung (vergleichbar demArbeitslosengeld) konzipiert und soll El-ternpaare erreichen, die sich für einen be-fristeten teilweisen oder komplettenAusstieg aus dem Erwerbsleben entschei-den. "Die Erwerbsbeteiligung von Müt-tern mit Kindern im zweiten Lebensjahrwird nach diesen Schätzungen auf knapp

40 Prozent ansteigen".24 AufBasis der höheren verfügbarenTransfers dürfte es damit zu-nächst zu einer erhöhten Gebur-tenneigung solcher Paare kom-men, die bereits beruflich eta-bliert sind und über eine gewisseEinkommenshöhe verfügen.25

Die Höhe der Leistungen ist be-sonders für mittelmäßig bis gutVerdienende interessant, da sieschon im Arbeitsleben Fuß ge-fasst haben. Andererseits müssensie im Falle des Wegfalls einesTeils des Einkommens aber auchmit den höchsten Verlusten rech-nen. Für Eltern ohne bzw. mitnur geringem Einkommen ist esausschlaggebend, ob sich ihre Si-tuation verbessert, wenn sie sich

für Kinder entscheiden. Sollten sie einerelativ hohe Summe im Vergleich zur der-zeitigen Situation erhalten, würde das dieAnreize für Kinder wesentlich erhöhen.Für diejenigen, die auf dem Arbeitsmarktbereits fest integriert sind spielen finan-zielle Anreize eine untergeordnete Rolle."So ist (…) davon auszugehen, dass einPersonenkreis, der sich ohnehin durch ei-ne starke Arbeitsmarktorientierung aus-zeichnet, weitgehend resistent gegenüberfinanziellen Anreizen einer Elternschaftist".26 Da es sich beim Elterngeld um eineEinkommensersatzleistung handelt, "wirdein starker Anreiz für Männer wie fürFrauen geschaffen, eine Familiengrün-dung aufzuschieben, bis eine erste Ar-beitsmarktintegration erreicht wurde undsomit ein signifikantes Erwerbseinkom-men zur Verfügung steht".27 Das heißt,dass mehr potentielle Eltern zunächst ihreElternschaft aufschieben könnten unddies zu einem Rückgang der Geburtenrateführt. Je später besonders die Frauen sich

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am Arbeitsmarkt integriert haben, destospäter werden sie auch ihren Kinder-wunsch realisieren. Ein Grund mehr, auchgute Einstiegsbedingungen für junge Men-schen in das Erwerbsleben zu schaffen.Es gibt aber auf längere Sicht gesehenauch positive Auswirkungen des Zwangszu einer schnellen Rückkehr auf denArbeitsmarkt nach spätestens einem Jahr:Frauen sind dadurch später finanziell bes-ser abgesichert und haben Anspruch aufeine höhere Rente.Damit aber durch das Elterngeld nicht nurAnreize geschaffen werden, schnell wie-der in das Erwerbsleben zurückzukehren,sondern dies auch realisiert werden kann,ist es zwingend notwendig, dass auch dieBetreuungssituation für unter Dreijährigeausgebaut wird. "Durch die Kopplung anein vorheriges Erwerbseinkommen würdezwar der Anreiz zur Erwerbsbeteiligungverstärkt werden. Die Kombination dieserErwerbstätigkeit mit der Elternschaft blie-be aber ohne zusätzliche Betreuungsange-bote unverändert schwierig".28

Flexible, an das Erwerbsleben der Elternangepasste Öffnungszeiten sollten dabeizu einer Selbstverständlichkeit werden.Denn nur, wenn die Eltern ihre Kindergut aufgehoben wissen, werden sie sich zu

einer Wiederaufnahme der Erwerbstätig-keit trotz eines Kleinkinds entschließenkönnen.Kurzfristig wird das Elterngeld eine El-ternschaft von bereits im ErwerbslebenIntegrierten begünstigen und es ist zu er-warten, dass bei dieser Gruppe die Gebur-tenrate zunächst leicht ansteigen wird.Ganz im Gegensatz zu der Gruppe, diesich erst noch in der Arbeitswelt platzie-ren muss und bei der die Geburtenratezunächst eher zurückgehen wird. Sowohlder Rückgang, als auch der Anstieg derGeburtenrate scheint aber nur durch dieVerschiebung der Geburten nach vornebzw. durch das Hinauszögern der Ge-burten zustande zu kommen und wirddeshalb auch als "Timing-Effekt" bezeich-net. "Ob sich dadurch ein positiver Netto-Effekt auf das Geburtenniveau insgesamtergibt, ist nicht abschätzbar".29

Langfristig wird sich das Elterngeld nurdann positiv auf die Geburtenrate auswir-ken, wenn zum einen insgesamt die Er-werbstätigkeit von Frauen noch mehr ge-fördert wird und dadurch auch das männ-liche Haupternährermodell, wie beispiels-

weise in vielen skandinavischen Ländernerfolgreich passiert, abgelöst wird. Solltezudem kein paralleler Ausbau der Kin-derbetreuungsangebote für unter Drei-jährige erfolgen, könnte das Projekt El-terngeld auch gegenteilige Auswirkungenhaben.

Ulrike CarolineMüller, geboren 1981,studiert seit 2002Demographie an derUniversität Rostock.

Anmerkungen(1) Dieser Text ist eine gekürzte Fassungdes gleichnamigen Wettbewerbsbeitrags..(2) FAZ 21.4.2005; Nr. 92; S. 1(3) Institut für Demoskopie Allensbach2004: Einflussfaktoren auf die Geburten-rate - Ergebnisse einer Repräsentativbe-fragung der 18- bis 44jährigen Bevöl-kerung. o.O. 2004. S. 16ff.(4) Dorbritz, Jürgen 2004: Demogra-phisches Wissen, Einstellungen zum de-mographischen Wandel und Ursachen desGeburtenrückgangs in: Zeitschrift für Be-

völkerungswissenschaft, 29. Jahrgang,Heft 3-4/2004. Sonderheft zur PopulationPolicy Acceptance Study. S. 355.(5) Von der Lippe/Bernardi 2006: 2(6) Dorbritz 2004, a.a.O. S.2(7) Ebenda. S. 2.(8) Ebenda. S. 1-2.(9) Der Spiegel; 26.2.2007; Nr.9. S. 53.(10) Bundesministerium für Familie,Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)(Hrsg.) (2006): Kindertagesbetreuung fürKinder unter drei Jahren - Bericht derBundesregierung über den Stand des Aus-baus für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertagesbetreuung fürKinder unter drei Jahren. Berlin. S. 17.(11) Hank, Karsten/ Kreyenfeld,Michaela/ Spieß, Katharina C. (2003):Kinderbetreuung und Fertilität. In:Deutschland in DIW Berlin (Hrsg.):Diskussionspapiere, Nr.331. S. 12.(12) Bothfeld, Silke (2005): Vom Er-ziehungsurlaub zur Elternzeit - PolitischesLernen im Reformprozess. Frankfurt amMain. S. 51f.(13) Statistisches Bundesamt (Hrsg.)(2004): Kindertagesbetreuung in Deutsch-

land - Einrichtungen, Plätze, Personal undKosten 1990 bis 2002. Wiesbaden. S. 29.(14)Ebenda. S. 32.(15)Ebenda. S. 32ff.(16) BMFSFJ (Hrsg.) (2006): Kindertages-betreuung für Kinder unter drei Jahren.Berlin.(17) Das gesamte Sozialgesetzbuch SGB Ibis SGB XII (2006). Walhalla U. Praetoria.VIII §24.(18) Ebenda. S. 227.(19) BMFSFJ (2006): Elterngeld und El-ternzeit - Das Bundeselterngeld- und El-ternzeitgesetz. Berlin. S. 7.(20) Ebenda. S. 3.(21) Ebenda. S. 7ff.(22) Spieß, Katharina C./ Wrohlich,Katharina (2006): Elterngeld: KürzereErwerbspausen von Müttern erwartet inDIW Berlin (Hrsg.): Wochenbericht, Nr.48/2006. S.689-693. Berlin. S. 690.(23) BMFSFJ (2006): Elterngeld undElternzeit - Das Bundeselterngeld- undElternzeitgesetz. Berlin. S. 10ff.(24) Spieß, Katharina C./Wrohlich,Katharina (2006). S. 689.(25) Büchner, Charlotte/ Haan, Peter/Schmitt, Christian/ Spieß, Katharina C./Wrohlich, Katharina 2006: Wirkungs-studie "Elterngeld" - Gutachten des DIWBerlin im Auftrag des Bundesministe-riums für Familie, Senioren, Frauen undJugend, Berlin; in: DIW Berlin (Hrsg.):Politikberatung kompakt. S. 33.(26)Ebenda. S. 34.(27) Ebenda. S. 35.(28) Ebenda. S. 36.(29) Ebenda. S. 38.

Literaturangaben

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BMFSFJ (2006): Kindertagesbetreuungfür Kinder unter drei Jahren - Bericht der Bundesregierung über den Stand desAusbaus für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertagesbetreuung fürKinder unter drei Jahren. Berlin.

Bothfeld, Silke (2005): Vom Erziehungs-urlaub zur Elternzeit - Politisches Lernenim Reformprozess. Frankfurt am Main.

Büchner, Charlotte/ Haan, Peter/Schmitt, Christian/ Spieß, Katharina C./Wrohlich, Katharina (2006): Wirkungs-studie "Elterngeld" - Gutachten des DIWBerlin im Auftrag des Bundesminis-

Wer viel mit Kindern lebt, wird finden, daß keine äußere Einwirkungauf sie ohne Gegenwirkung bleibt./Johann Wolfgang von Goethe/

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teriums für Familie, Senioren, Frauen undJugend, Berlin. In: DIW Berlin (Hrsg.):Politikberatung kompakt.

Das gesamte Sozialgesetzbuch SGB I bisSGB XII (2006). Walhalla U.Praetoria

Dorbritz, Jürgen (2004): Demogra-phisches Wissen, Einstellungen zumdemographischen Wandel und Ursachendes Geburtenrückgangs in: Zeitschrift fürBevölkerungswissenschaft, 29. Jahrgang,Heft 3-4/2004. Sonderheft zur PopulationPolicy Acceptance Study. S. 329-362.

Hank, Karsten/ Kreyenfeld, Michaela/Spieß, Katharina C. (2003): Kinder-betreuung und Fertilität in Deutschland.In: DIW Berlin (Hrsg.): Diskussions-papiere. Nr.331.

Institut für Demoskopie Allensbach(2004): Einflussfaktoren auf die Gebur-tenrate - Ergebnisse einer Repräsentativ-befragung der 18- bis 44jährigen Bevöl-kerung.

Spieß, Katharina C./ Wrohlich, Katharina(2006): Elterngeld: Kürzere Erwerbspau-sen von Müttern erwartet in DIW Berlin

(Hrsg.): Wochenbericht, Nr. 48/2006.S.689-693. Berlin.

Statistisches Bundesamt (Hg.) (2004):Kindertagesbetreuung in Deutschland - Einrichtungen, Plätze, Personal und Kos-ten 1990 bis 2002. Wiesbaden.

Von der Lippe, Holger/ Bernardi, Laura(2006): Zwei deutsche Ansichten über Kinder und Karriere. In: James W.Vaupel,Max-Planck-Institut für demographischeForschung in Rostock (Hrsg.): Demo-graphische Forschung aus Erster Hand,Jahrgang 3, Nr.3, Rostock; S. 1-2.

Historische Beispiele pronatalistischer Geburtenpolitik und ihreWirkungen1

von Wilko Schröter

Eine pronatalistische Bevölkerungspolitikbezeichnet politische Maßnahmen einerRegierung, die auf eine Erhöhung der

Fertilität und damit auf Bevölkerungswachstumbzw. auf die Verhinderung von Bevölkerungs-rückgang ausgerichtet sind. Dies erfolgt meist mitHilfe von familienpolitischen Maßnahmen wiefinanziellen Anreizen oder materiellen Vergüns-tigungen, die im Zusammenhang mit der Geburtvon Kindern gewährt werden.Gelegentlich haben Regierungenauch versucht, mit Hilfe repressi-ver Maßnahmen einen Geburten-zuwachs zu erreichen, etwa durchdas Verbot von Verhütungs-mitteln oder von Schwangerschafts-abbrüchen (z. B. in Rumänien inden 1960er Jahren).Im Folgenden sollen anhand vonzwei Beispielen (DDR, Schwe-den) die Wirkungen einer prona-talistischen Bevölkerungspolitikdemonstriert werden.

Historische Entwicklungder Fertilität in Deutsch-land nach dem Ende desZweiten WeltkriegsDie Geburtenentwicklung in den erstenJahrzehnten der BRD und der DDRwurde von den in der Zwischenkriegszeitgeborenen Frauen geprägt. Ihre Genera-tion war die Trägerin des "Baby-Booms"der 1950er und 1960er Jahre. In der Mitteder 1960er Jahre stieg die Gesamtfer-tilitätsrate mit über 2,5 auf einen Wert, derseit dem Beginn des Ersten Weltkriegs

nicht mehr erreicht worden war. Die end-gültige Kinderzahl lag allerdings auch indieser Periode nur knapp über zwei, einHinweis darauf, dass auch im "Baby-Boom" das etablierte Ideal der "Zwei-Kinder-Familie" nicht mehr in Frage ge-stellt wurde.Der Wiederanstieg der Geburtenraten warallerdings nur von kurzer Dauer. Bei der

nach dem Zweiten Weltkrieg geborenenFrauengeneration setzte sich der langfri-stige Rückgang der Geburten fort.In der BRD sank die Gesamtfertilitätsrateim Jahrzehnt zwischen 1968 und 1978 von2,4 auf 1,4. Dieser drastische Rückgangwird auch als "Pillenknick" bezeichnet.Die Verfügbarkeit eines neuen, sicherenund ausschließlich in der Verantwortung

der Frauen liegenden Kontrazeptivums,der "Anti-Baby-Pille", erleichterte Gebur-tenkontrolle und Familienplanung. Dasrapide Absinken der Gesamtfertilitätsratelässt sich durch die "Anti-Baby-Pille"allein nicht erklären. Offensichtlich über-lagerte sich der langfristige Wandel derFertilität mit den gesellschaftlichen undkulturellen Umbrüchen der 86er-

Bewegung. Das neuerlicheSinken der Geburten-zahlen seit den 1960erJahren vollzog sich ähn-lich in der gesamten west-lichen Welt und kann als"zweiter Fruchtbarkeits-rückgang" angesehen wer-den. In den letzten dreiJahrzehnten hat sich dieGesamtfertilitätsrate inder BRD bzw. den altenLändern bei einem Wertvon rund 1,4 eingepen-delt. Deutschland liegtdamit mit Ländern wieÖsterreich oder Italien amunteren Ende der westeu-ropäischen Fertilitätsskala.

Die endgültige Kinderzahl ging aber auchin dieser Periode weiter auf einen Wertum 1,6 zurück. Noch immer herrscht dasIdeal der "Zwei-Kinder-Familie" vor, abereine wachsende Zahl von Frauen bleibtnun zeitlebens kinderlos, in der seit 1965geborenen Generation rund ein Drittel.

Gesamtfertilitätsrate seit 1950 im Ost-West-Vergleich

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Die Familienpolitik der DDR 1972Die Gesamtfertilitätsrate verlief in derDDR und BRD am Ende der 1950erJahre trotz der unterschiedlichen wirt-schaftlichen Systeme nahezu identisch.Am Anfang der 1970er Jahre gab es auchin der DDR eine Entwicklung, die alleIndustrienationen erfasst hatte: die verän-derte Rolle der Frau in der Gesellschaft,die Gleichberechtigung der Geschlechterim Bildungssystem und die Verfügbarkeiteines wirksamen Mittels zur Familien-planung ließ die Gesamtfertilitätsrate bin-nen weniger Jahre sinken - in Deutschlandvon einem Wert von etwa 2,5 Kindern jeFrau zur Hochphase des "Baby-Booms"in den 1960er Jahren auf einen Wert von1,4 Mitte der 1972. Die ehemalige DDRleitete am Anfang der 1970er Jahre, ausFurcht vor Bevölkerungsverlusten,umfangreiche familienpolitische Schritteein:1972 wurde für Mütter mit drei Kindernunter 16 Jahren und für Mütter mit zweiKindern, die im Mehrschichtdienst arbei-teten, die 40-Stunden-Woche eingeführt.Am 27. Mai 1976 nach dem IX. Parteitagder SED wurde diese Regelung auf alleMütter mit zwei Kindern unter 16 Jahrenausgedehnt. Außerdem wurde der bezahl-te Schwangerschafts- und Wöchnerinnen-urlaub von 18 auf 20 Wochen verlängert.Ansonsten war es seitdem für Mütter nachder Geburt des zweiten Kindes möglich,sich bei voller Bezahlung für ein Jahr vonder Arbeit freistellen zu lassen. DesWeiteren gab es zusätzliche finanzielleAnreize wie die Erhöhung der Geburten-beihilfe von 500 Mark für das erste Kind,auf 1000 Mark für jedes weitere Kind,und die Gewährung von zinslosen Kre-diten an junge Ehepaare, die Ausweitungdes Wohnungsbaus sowie die weitere För-derung von Kindergärten und -horten.Dies führte dazu, dass, zumindest vor-übergehend, die Gesamtfertilitätsratedeutlich erhöht wurde. Dies ist einZeichen dafür, dass Familienpolitik einedirekte Auswirkung haben kann. Aller-dings sank die Rate ab den 1980er Jahrenwieder, bis sie mit der "Wende" dannkomplett auf 0,7 einbrach.Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieGesamtfertilitätsrate die Entwicklung derFertilität nur unzureichend widerspiegelt,denn Tempoeffekte können die Gesamt-fertilitätsrate beeinflussen. Bei einem Auf-schub der Geburten, häufig ablesbar aneinem steigenden Durchschnittsalter vonFrauen bei einer Erstgeburt, sinkt dieGesamtfertilitätsrate, ohne dass dies not-wendigerweise mit einer Verringerung derKinderzahl pro Frau und damit einemRückgang der endgültigen Kinderzahl ein-

hergehen muss. Bei einem Rückgang derGesamtfertilitätsrate ist somit erst beiVorliegen der endgültigen Kinderzahlerkennbar, ob dies auf einen vorüberge-henden Aufschub von Geburten oder aufeine langfristige Reduktion der Kinderzahlzurückzuführen ist.Desgleichen wird aus einem Anstieg derGesamtfertilitätsrate nicht ersichtlich,inwieweit dies auf einem Nachholen auf-geschobener Geburten oder auf einemlangfristigen Anstieg der Kinderzahl proFrau beruht.Bei Betrachtung der Gesamtfertilitätsratein der DDR ab 1972 zeigt sich, dass derAnstieg der Rate nach der Einführung derpronatalistischen Maßnahmen vor allemdurch ein Vorziehen der ohnehin geplan-ten Geburten ausgelöst wurde, die dannallerdings am Ende der 1980er Jahre fehl-ten und so zu einem Einbruch derGesamtfertilitätsrate führten. Außerdemstieg das Erstgebäralters der Mütter mitder "Wende", löste damit ein Aufschiebender Geburten aus, und verstärkte somitden Einbruch der Gesamtfertilitätsratezusätzlich. In langfristiger Perspektivehaben die pronatalistischen Maßnahmenalso zu keinem Anstieg der Fertilitätgeführt.

Heutiger StandIn der zweiten Hälfte der 1990er Jahrestieg die Gesamtfertilitätsrate in denneuen Bundesländern wieder an, wennauch sehr langsam und ohne die Kluftzwischen dem alten und dem neuenBundesgebiet wirklich zu schließen.Der leichte Anstieg in den 1990er Jahrenin den alten Bundesländern ist auf dieAlterszusammensetzung der Bevölkerungzurückzuführen, da die geburtenstarkenJahrgänge nun selbst die Familiengrün-dungsphase erreichen.Die Gesamtfertilitätsrate schwankt zwar

seit Mitte der 1970er Jahre im früherenBundesgebiet zwischen 1,2 und 1,4Kindern je Frau. Dies bedeutet jedochnicht automatisch eine unveränderteGeburtenentwicklung und kann über dieVerschiebungen der altersspezifischenFertilitätsraten hinwegtäuschen: Bei einemVergleich von 1980 und 2002 mit einerGesamtfertilitätsrate von 1,36 Kindernstellt man fest, dass sich die altersspezifi-schen Fertilitätsraten in den einzelnenAltersjahren der Frauen stark unterschei-den: So beträgt beispielsweise die alters-spezifische Fertilitätsrate im Alter 26 desJahres 2002 lediglich 68 Prozent deraltersspezifische Fertilitätsrate der 26-Jährigen im Jahr 1980; bei den 40-Jährigenist es umgekehrt: Die altersspezifischeFertilitätsrate der 40-Jährigen im Jahr 2002ist mehr als doppelt so hoch wie die imJahr 1980. Diese Veränderungen sindFolge eines langfristigen Prozesses, derdazu führt, dass sich von Jahr zu Jahrnicht nur die Höhe, sondern auch dieVerteilung der Geburten nach dem Alterder Mütter verändert. Aus Zeitvergleichender altersspezifischen Fertilitätsraten sinddiese Veränderungen bekannt und führenzu einem höheren durchschnittlichenGebäralter der Mütter.Die Gesamtfertilitätsrate in den neuenBundesländern weist nach wie vor einniedrigeres Niveau als in den altenBundesländern auf: Der tiefste Stand von1994 ist zwar überwunden, aber dieGesamtfertilitätsrate scheint auf dem imJahr 2000 erreichten Stand von etwa 1,2Kindern zu verharren.

Historische Entwicklung der Fertilitätim europäischen Vergleich seit den1960ernEine der wichtigsten europäischen Da-tenquellen zur demographischen Statistiksind die jährlich erscheinenden ‚Recent

Gesamtfertilitätsrate in ausgewählten europäischen Ländern

Demographic Developments' des Coun-cils of Europe.2 Die aus den Daten dernationalen Statistikämter gespeisten Zu-sammenfassungen erlauben einen Über-blick über wichtige Fertilitätsparameter,wie das Erstheirats- und Erstgeburtsaltervon Frauen oder die Gesamtfertilitätsrateund Endgültige Kinderzahl. Aus Gründender Übersichtlichkeit wurden 10 (bzw. 11vor 1990) europäische Länder ausgewählt,die alle demographischen Entwicklungenrepräsentieren.Bei allen europäischen Ländern ist eindramatischer Rückgang der Gesamt-

fertilitätsrate unterhalb des Reproduk-tionsniveaus (2,085 Kinder) zu beobach-ten. Frankreich weist unter den ausge-wählten Ländern mit 1,91 Kindern nochden höchsten Wert auf.Diese relativ hohe Gesamtfertilitätsratelässt sich durch die hohe Fertilität vonEinwanderinnen aus den ehemaligen Ko-lonialstaaten (vor allem Algerien) erklären.Herwig Birg schätzt, dass die Gesamt-fertilitätsrate ohne diese Migrantinnen beiungefähr 1,7 Kindern liegen würde.3Auch bei der endgültigen Kinderzahl istein Abwärtstrend zu beobachten, derallerdings nicht so dramatisch wie bei derGesamtfertilitätsrate ausfällt. In Deutsch-land haben nur die um 1930 geborenenFrauen eine zur Reproduktion der Eltern-generation benötigte Kinderzahl hervor-gebracht. Sollte sich dieser Trend fortset-zen, so deutet dies darauf hin, dass dieaufgrund des steigenden Gebäraltersdurch die Gesamtfertilitätsrate etwas zuniedrig ausgewiesene tatsächliche Fertilitätnach Abschluss der fertilen Phase aller be-teiligten Generationen nicht mehr zu einerReproduktion der Elterngeneration füh-ren wird. In den skandinavischen Ländernliegt die die endgültige Kinderzahl für die

1960 geborenen Frauen zwischen 1,90(Dänemark) und 2,09 (Norwegen) nochnah am Reproduktionsniveau.

Schwedens Elterngeld 1980/1986In den skandinavischen Staaten sind wiein allen westeuropäischen Ländern dieGesamtfertilitätsraten seit den 1960erJahren deutlich gesunken.Sie stabilisieren sich seit dem Beginn des21. Jahrhundert auf einem im europäi-schen Vergleich relativ hohen Niveau zwi-schen 1,75 (Schweden) bis 1,83 (Norwe-gen) im Jahr 2004.

Die geburtenbezogene Familienpolitik derskandinavischen Staaten mit ihrer Haupt-maßnahme "Elterngeld" zeichnet sich vorallem durch eine Bindung an die vorherigeErwerbstätigkeit aus, um den Erhalt desLebensstandards auch während der Ka-renzzeit ermöglichen, und ist im Allgemei-nen nicht an den Familienstand gekoppelt.

Die schwedische Elterngeldregelung be-sitzt dabei seit 1980 eine Besonderheit, dieden Geburtenabstand betrifft. Eltern, dieein weiteres Kind innerhalb von 24Monaten nach dem vorangegangenenKind gebären (seit 1986 30 Monate), kön-nen Elterngeld auf der Basis des vor demvorherigen Kind erzielten Einkommenserhalten, sodass sich eine Verringerungdes Einkommens etwa durch Teilzeitbe-schäftigung, Elternzeit oder Erwerbsver-zicht nach dem vorangegangenen Kindnicht auf die Höhe des Elterngelds aus-wirkt.4Außerdem gewährt Schweden seit 1980im Falle der Erkrankung des Kindes einenPflegeurlaub von bis zu 120 Tagen proKind und pro Jahr, wobei 60 Tage davonin Anspruch genommen werden können,falls die übliche Betreuungsperson oderBetreuungsinstitution nicht in der Lagesind, das Kind zu betreuen (etwa durchKrankheit der Betreuungsperson oderweil die Betreuungsinstitution geschlossenist).5Die Einführung der "Geschwindigkeits-prämie" beim Elterngeld führte in Schwe-den in den 1980er Jahren zu einem starkenAnstieg der Gesamtfertilitätsrate.Andersson, Hoem, Duvander konntenzeigen, dass die Änderung der Elterngeld-regelung zu einer Verkürzung des Gebur-tenabstandes führte.6 Dies bewirkte inerster Linie einen deutlichen Anstieg derZweitgeburtenraten und Drittgeburtenra-

ten, wie aus den in den skandinavischenLändern erhältlichen Bevölkerungs-Re-gisterdaten eindeutig zu ersehen ist.Der Rückgang der Fertilität in den 1990erJahren war nicht mit einer grundlegendenÄnderung des Verhaltens in Bezug aufden Geburtenabstand verbunden undzeigt auch hier, dass die Elterngeld-

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Endgültige Kinderzahl in ausgewählten europäischen Ländern

Gesamtfertilitätsraten: Skandinavische Länder und Deutschland.

regelung lediglich einen Tempoeffekt aus-gelöst hat, d. h., dass die geplanten Zweit-und Drittgeburten lediglich vorgezogenwurden, aber dann in den 1990er Jahrenfehlten. Diese Art der Tempoeffektedurch vorgezogene Geburten ist im Nach-hinein vor allem durch die sinusförmigeSchwingung der Gesamtfertilitätsrate aus-zumachen. In langfristiger Perspektivebedeutet dies wiederum, dass auch diesepronatalistische Maßnahme zu keinernachhaltigen Erhöhung der Fertilitätgeführt hat. Dies wird umso deutlicher,wenn man in Betracht zieht, dass imVergleich der skandinavischen LänderDänemark eine eher restriktive Gebur-tenpolitik aufweist. So wird das Elterngeldseit seiner Einführung 1984 im Verhältniszum Arbeitslosengeld bezahlt und ent-spricht damit den im Sozialleistungs-bereich üblichen Leistungen. Außerdemliegt die Dauer der Elternzeit bei geradeeinmal 30 Wochen (Schweden: 64Wochen). Dennoch befindet sich auchdort die Gesamtfertilitätsrate mittlerweileauf dem gleichen Niveau der anderenskandinavischen Staaten.

Bewertung bevölkerungspolitischerMaßnahmen Die Erfahrungen von pronatalistischenMaßnahmen, die hier an zwei Beispielendemonstriert wurden, zeigen, dass dielangfristige Wirksamkeit politischer Maß-nahmen zur Geburtenförderung als sehrbegrenzt einzuschätzen ist. Nachgewie-sene langfristige Wirkungen, wenn auchvon geringem Ausmaß, zeigen lediglichMaßnahmen, die auf eine bessere Verein-barkeit von Frauenerwerbstätigkeit undKindererziehung abzielen. Diesen gerin-gen Einfluss der Frauenerwerbstätigkeitauf die Fertilität beweist u. a. die identi-sche Fertilitätsentwicklung zwischen derDDR und der BRD vom Ende der 1950erJahre bis zur Durchführung der bevölke-rungspolitischen Maßnahmen in der DDR1972 bei völlig unterschiedlichen Frauen-erwerbsquoten (z. B. 1970: DDR: 75Prozent, BRD: 48 Prozent).7

Handlungsempfehlungen Da eine rein pronatalistische Familien-politik mittels Mittelzuweisungen lediglichTempoeffekte auslöst, die langfristig keineErhöhung der Kinderzahlen bewirken,muss das Hauptziel darin bestehen, alleHindernisse aus dem Weg zu räumen, dieden bereits vorhandenen Kinderwün-schen im Weg stehen. Zudem tut einenachhaltige Familienpolitik gut daran, dievon den Eltern erbrachten Erziehungs-leistungen in verstärktem Maß anzuerken-nen und die Bevölkerung über die Folgen

eines individuellen demographischenVerhaltens aufzuklären.Dies bedeutet auch zu prüfen, wo Politikim Lebenslauf am besten reagieren kann,um Kindererziehung als mögliche Hand-lungsoption reizvoll zu machen und dieRealisierung solcher Vorstellungen zuermöglichen.

Wilko Schröter ist seit2005 Assistent inAusbildung der Wirt-schafts- und Sozial-geschichte an derUniversität Wien undabsolviert ein Dok-toratsstudium in Ge-schichte.

Anmerkungen:(1) Dieser Text ist eine gekürzte Fassungdes gleichnamigen Wettbewerbsbeitrags.(2) Council of Europe 2005, 2006(3) Birg 2005: 41(4) Hoem 1993(5) Neyer et al. 2006: 19(6) Andersson/ Hoem/Duvander 2006(7) Förster 1991: 18

Literatur:

Andersson, Gunnar / Hoem, Jan Michael/ Duvander, Ann-Zofie (2006): Social dif-

ferentials in speed-premium effects inchildbearing in Sweden. In: DemographicResearch 14.4. S. 51-70.

Birg, Herwig (26.02.2005): 100 JahreGeburtenrückgang. In: FAZ. 48/2005. S.41.

European population Committee of theCouncil of Europe (2005): Recent demo-graphic developments in Europe 2004.

European population Committee of theCouncil of Europe (2006): Recent demo-graphic developments in Europe 2005.

Förster, Annette (1991): Vergleich undAnalysen der Frauenerwerbstätigkeit imDeutschland der Nachkriegszeit. In:Assenmacher, Marianne (Hg.): Frauen amArbeitsmarkt. Marburg: Metropolis-Verlag. S. 17-34.

Hoem, Jan Michael (1993): Public Policyas the Fuel of Fertility. Effects of a PolicyReform on the Pace of Childbearing inSweden in the 1980s. In: Acta Sociologica36. S. 19-31.

Neyer, Gerda et al. (2006): Fertilität,Familiengründung undFamilienerweiterung inden nordischen Ländern. MPIDR WOR-KING PAPER WP 2006-022.

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Der Blick in andere Länder zeigt:Allgemeingültige Rezepte zurGeburtensteigerung gibt es

nicht. Und darin sehe ich auch nicht dieAufgabe einer nachhaltigen Familien-politik. Vielmehr geht es darum, dassMenschen die Zahl an Kindern bekom-men können, die sie sich wünschen. InDeutschland wollen junge Paare derzeitmehr Kinder, als tatsächlich geboren wer-den. Das muss sich ändern! Unsere ge-meinsame Aufgabe ist es, gute Bedingun-gen für ein Leben mit Kindern schaffenund ein Klima, in dem Kinder willkom-men sind.Familienpolitik kann dazu nur den passen-den Rahmen setzen: Familien braucheneinen harmonischen Dreiklang aus finan-ziellen Leistungen, unterstützender Infra-struktur - dazu gehört die Kinderbe-treuung - und Zeit füreinander. Mit demElterngeld hat die Bundesregierung in derfinanziellen Unterstützung von Familienbereits einen neuen Weg beschritten. Dernächste, konsequente familienpolitischeSchritt ist der Ausbau der Kinderbetreu-ung, auf den sich Bund, Länder undKommunen verständigt haben. Wenn esum Zeit für Familien geht, spielen aberauch familienbewusste Arbeitsbeding-ungen eine entscheidende Rolle.Ich freue mich, wenn wir es durch guteFamilienpolitik schaffen, dass sich mehrMänner und Frauen für ein Leben mitKindern entscheiden. Aber diese höchst-private Entscheidung fällt jeder und jedefür sich - und das ist gut so.

Ursula von der Leyenist Bundesministerinfür Familie, Senioren,Frauen und Jugend

Deutschland ist im internationalenVergleich ein Niedrig-Fertilitäts-Land, kann sich bei weitem nicht

mit Schweden oder Frankreich messen.Deutschland ist ein Kinder entwöhntesLand geworden. Ob es der Lage sein wird,das Geburtental zu verlassen, ist nurschwer vorhersehbar. Dagegen sprechengewichtige Faktoren. Kleine Familien sinddie Norm geworden, haben sich also imWertesystem der Gesellschaft verfestigt,Kinderlosigkeit hat ein erschreckendesAusmaß erreicht, die Erwerbsorientierungsehr vieler Frauen lässt sich nicht gutgenug mit der Familiengründung verein-baren, was insbesondere für die Hoch-qualifizierten ein Problem darstellt. Nichtzu vergessen ist, dass Deutschland zueinem individualistischen Land gewordenist, dessen Leitkultur Entscheidungengegen Kinder begünstigt. Zudem sind esdie Kinderkosten, die in einigen sozialenSchichten ein zunehmendes Problem dar-stellen und mit der Gefahr der Aus-weitung von Kinderarmut verbundensind.Andere Länder zeigen uns aber, dass wirbei der Geburtenförderung nicht generellchancenlos sein müssen. Maßnahmen, wieGanztagsschulen oder die Einführung desElterngeldes sind Schritte in die richtigeRichtung. Eines muss allerdings klar sein,Einzelmaßnahmen ändern nicht das so-ziale Klima einer Gesellschaft. Erst wennsich die Kultur der Kinderlosigkeit undder kleinen Familien auflöst, werden wie-der mehr Kinder geboren.

Dr. Jürgen Dorbritzist WissenschaftlicherDirektor am Bundes-institut für Bevöl-kerungsforschung,Wiesbaden

Aus Gründen der Generationenge-rechtigkeit sollten Familienmo-delle sowohl für ausreichende

Nachwuchszahlen als auch für die Wei-tergabe der Kompetenzen einer Genera-tion an die nächste sorgen. Das Verein-barkeitsmodell ist dazu prinzipiell nicht inder Lage, denn nun gilt für Frauen undMänner: Wer qualifizierter ist, hat meistmehr Arbeit und folglich weniger (Zeitfür) Kinder. Auch werden dabei familien-orientierte Frauen von Kernerrungen-schaften der weiblichen Emanzipationausgeschlossen.Unter der Gleichberechtigung der Ge-schlechter ist deshalb die Nachwuchsar-beit von Grund auf neu zu konzipieren.Eine stabile Bevölkerungsentwicklungkönnte z. B. wie folgt garantiert werden:1. Jeder leistungsfähige Bürger muss füreinen Nachfolger sorgen, entweder durchAufziehen eines Kindes oder durch Zah-lung von "Unterhalt".2. Mit den zusätzlichen Einnahmen wirdein neuer Beruf finanziert, bei dem quali-fizierte ErzieherInnen für das Aufziehenihrer eigenen Kinder ein Gehalt bekom-men.

Peter Mersch istVorstandsvorsitzen-der Mersch OnlineAG

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Inwieweit ist es Ihrer Meinung nach möglich, die Gesamtfertili

Fördern Sie die SRzG

Werden Sie ständiger Förderer imFörderkreis der SRzG und unterstüt-zen Sie uns bei der Bewältigung unse-rer Aufgaben. Als Fördermitglied sindSie zu allen öffentlichen Treffen desVorstands und des Kuratoriums einge-laden. Der Jahresbeitrag kostet 50 €,für Unterdreißigjährige sogar nur 25 €.Füllen Sie bitte noch heute denAufnahmeantrag auf der letzten Seiteaus! Vielleicht werden Ihre Kinderund Enkelkinder es Ihnen danken.

Es ist möglich, die Kinderzahl inDeutschland zu steigern - unsererMeinung nach jedoch nur in

einem begrenzten Rahmen. Das für eineBevölkerung bestandserhaltende Niveauvon 2,1 Kindern pro Frau scheint dabeiweder kurz- noch langfristig und auch beibestmöglicher Familienpolitik erreichbarzu sein. Wir sind jedoch davon überzeugt,dass politische Maßnahmen einen Ein-fluss darauf haben, ob Kinder realisiertwerden oder nicht. Dieser Verantwortungsollte sich die Politik bewusst sein undFamilienpolitik entsprechend gestalten:Ansprechend, zeitgemäß und bedarfsge-recht für zukünftige und aktuelle Eltern.Darüber hinaus ist die Familienbildungein aktiver Prozess, dessen Feinheiten sichim Zeitverlauf verändern können. DieseVeränderungen sollten zeitnah erkanntund einbezogen werden. Anstatt lediglicheinzelne familienpolitische Maßnahmenumzusetzen, muss ein ganzheitlichesKonzept entwickelt werden, welches ver-schiedenste Bevölkerungsgruppen an-spricht sowie unterschiedliche politischeEinflussmöglichkeiten vereint.

Annelene Wengler istDiplom-Demogra-phin, wissenschaftli-che Mitarbeiterin amLehrstuhl für Fami-liendemographie ander Universität Ros-tock

Anne-Kristin Kuhntist Studentin imDiplomstudiengangDemographie an derUniversität Rostock

Deutschland aus den Low FertilityCountries herauszulösen, ist nurlangfristig möglich, da die Frau-

en, die heute Kinder bekommen könnten,oft erst gar nicht geboren wurden.Dennoch ist es möglich, den Abwärts-trend zumindestens abzufangen, indemder Anreiz für diese Frauen, auch mehre-re Kinder zu bekommen, erhöht wird.Dazu kann neben der finanziellenAufwertung von Kinderreichtum insbe-sondere beitragen, das Thema Geschwis-terlosigkeit und die Folgen für Kinder undEltern innerhalb der demographischenDebatte zu diskutieren. Das Aufwachsenmit Geschwistern stärkt die individuelleBeziehungsfähigkeit und die gesamtgesell-schaftliche Solidarität. Die Normsetzungfür die kindliche Entwicklung darf sichnicht länger nur an der Kleinstfamilie ori-entieren. Wir brauchen eine wertschätzen-de Betrachtung des Lebens in größerenFamilien.Ein weiterer wichtiger Punkt ist die indivi-duelle Lebensplanung. Eine frühere Mut-terschaft fördert die Entscheidung fürmehrere Kinder. Dazu müssen Ausbil-dung und Familiengründung synchroni-siert werden können. Der Kinderwunschjunger Paare sollte in der Phase verwirk-licht werden, in der sowohl die Frucht-barkeit als auch die Belastbarkeit durchneue Herausforderungen am höchsten ist.

Inés Brock ist Pro-motionsstipendiatinund Kinderpsycho-therapeutin.

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itätsrate in Deutschland zu steigern?10 Dinge, die ein zukünftiger

Vater bei derSchwangerschaft am meisten

fürchtet:

1. Das Baby wird mit einem Geburts-fehler geboren.2. Meine Frau wird bei der Geburtsterben.3. Sex wird nie wieder so sein wie frü-her.4. Ihre Figur wird nie wieder so seinwie früher.5. Die Ehe wird nie wieder so sein wiefrüher.6. Meine Frau wird sich viel mehr fürunser Kind interessieren als für mich.7. Sex wird nie wieder so sein wie frü-her.8. Ich werde ohnmächtig werden,wenn ich Blut sehe, oder ich werde ir-gend etwas Dummes im Kreißsaal tun.9. Die Geburt meines Kindes wird dasEnde meiner Jugend bedeuten undmich direkt ins reife Mannesalter kata-pultieren.10. Sex wird nie wieder so sein wie frü-her.Aus: Barron, James Douglas (1999): Siebekommt ein Baby - und ich die Krise. 7.Auflage. München: Mosaik, S. 19.

10 Dinge, die eine schwangere Frau von ihrem

Ehemann erwartet:

1. Träumen Sie von Ihrem Leben mitdem Baby.2. Helfen Sie ihr bei der Überwindungihrer Ängste.3. Gehen Sie so oft wie möglich mitihr zum Frauenarzt.4. Planen Sie die Ausstattung des Kin-derzimmers mit ihr.5. Massieren Sie ihr Kreuz und ihreFüße.6. Bringen Sie ihr Blumen mit.7. Hören Sie ihre täglichen Beschwer-den und Ängste an.8. Lieben Sie ihre Frau, wenn sie Lustdazu verspürt, aber respektieren Siedie Momente, wenn sie keine Lust hat.9. Gehen Sie nie direkt zu Ihrer Zei-tung, Ihrem Fernseher, Ihrer Post oderIhrer Hausbar, wenn Sie nach Hausekommen. Statt dessen fragen Siezuerst, wie es ihr geht.10. Sehen Sie nie anderen Frauen nach(insbesondere wenn sie dabei ist).Aus: Barron, James Douglas (1999): Siebekommt ein Baby - und ich die Krise.7.Auflage. München: Mosaik, S. 23.

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Karl Otto Hondrich: Weniger sind mehrWarum der Geburtenrückgang ein Glücksfallfür unsere Gesellschaft istRezensent: Jan Häußler

In seinem letzten, postum erschienenenBuch Weniger sind mehr. Warum derGeburtenrückgang ein Glücksfall fürunsere Gesellschaft ist, nimmt sich KarlOtto Hondrich der schrumpfenden undalternden Gesellschaft an. Dabei bezieht

er, wie der Titel schon erahnen lässt, klarStellung gegen die teils panischenAussagen von Feuilletonisten undWissenschaftlern, die vor dem ‚Aus-sterben der Deutschen' oder einer vergrei-senden Gesellschaft warnen. Er macht essich außerdem zur Aufgabe, gegen denherrschenden Konsens, dass massiveSubventionen in der Familienpolitik not-wendig seien, anzuschreiben.Der Geburtenrückgang in den westlichenGesellschaften ist aus Sicht des Autorseine direkte Konsequenz der wirtschaftli-chen, sozialen und technischen Ent-wicklung der letzten einhundert Jahre. DieBildung und Produktivität hat sich in die-sem Zeitraum von Generation zu Gene-ration enorm erhöht. Aus biologischerSicht ist darin ein eindeutiger Paradig-menwechsel weg von einer quantitativen,hin zu einer qualitativen Reproduk-tionsstrategie auszumachen. Aus demRückgang beziehungsweise dem Stag-nieren der Bevölkerungszahlen resultier-ten Veränderungen in diversen Felderndes gesellschaftlichen Lebens. Die Analyseder Auswirkungen auf einzelne sozialeSysteme, wie Wirtschaft, Sozialversich-erung und Familie bilden den Hauptteildes Buches. Dabei werden die sich eventu-ell ergebenden Chancen einer schrump-fenden Gesellschaft aufgezeigt. DesWeiteren wird jeweils skizziert, welchemöglichen Alternativen es zu einerSteigerung der Geburtenrate gibt, um dieStabilität der gesellschaftlichen Subsys-teme zu gewährleisten. Der allgemeineLösungsansatz von Hondrich lässt sich inder These, "Qualität statt Quantität"zusammenfassen.Bei der Betrachtung der einzelnen sozia-len Subsysteme geht der Autor insbeson-dere auf die Situation in Deutschland ein.Dies gilt auch für die Untersuchung derWechselwirkungen von demografischerEntwicklung und ökonomischen Zusam-menhängen, im zweiten Kapitel. Er machtim Zuge seiner Analyse drei Wege aus, aufdenen eine sinkende Geburtenrate dasWirtschaftswachstum einknicken lassenkönnte. Er hält jedoch infolge der altern-den Gesellschaft weder einen Nachfrage-rückgang noch einen Arbeitskräftemangelfür wahrscheinlich, da einerseits derKonsum der Alten die Nachfrageausfälleder Jungen kompensiert und andererseits

die nicht berufstätigen Frauen und poten-tielle Immigranten als Reserve zur Ver-fügung stünden. Auch ein Einbrechen desdeutschen Kapitalstocks ist aus HondrichsSicht nicht zu erwarten, da die, in seinenAugen fest mit der kulturellen Gesamt-erscheinung Deutschlands verbundene,hohe Produktivität erhalten bleiben wird.Diese wiederum verstärke mit "der Krafteines Naturgesetzes" (S. 65) die Senkungder Geburtenrate.Die Renten-, Kranken- und Pflege-versicherung sind - mit steigenden Beiträ-gen und verlängerter Lebensarbeitszeit -einer der Bereiche, in dem schon heute diefallenden Geburtenraten spürbar sind.Hondrich sieht diese Probleme durchausauch, nichtsdestotrotz hält er die Ängstefür überzogen und die Diskussion überdie zukünftige Belastung der Jungen fürirreführend, da bei genauer Betrachtunginsbesondere die mittlere Altersgruppedie dreifache Last, aus Rentner- undKinderversorgung und eigener Absicher-ung, trägt. Mit Blick auf eine zukünftige,stabile Entwicklung der Sozialsysteme isteine Reduzierung der Leistungen auf einniedrigeres Niveau unausweichlich. Je-doch ist die Stabilisierung der Sozialver-sicherung "durch Frauen, durch Fremdeund durch eine Art Kinder in Form derProduktivitätssteigerung" (S. 94), lautHondrich auch ohne eigene Kinderdurchaus möglich. Ein empirischer Belegfür die wirkliche Umsetzbarkeit diesesAnsatzes würde dem Buch an dieser Stellesehr gut zu Gesicht stehen, da die theore-tische Argumentation doch reine Speku-lation verbleibt.Im folgenden Kapitel löst sich Hondrichvon den monetären Folgen des Geburten-rückgangs, und wendet sich der veränder-ten Struktur der modernen Familie zu.Sowohl die Größe, als auch die Zusam-mensetzung und die Aufgaben der Fami-lien haben sich in den letzten Jahrzehnten,in Folge von veränderten sozioökonomi-schen Rahmenbedingungen, dramatischverändert. Dennoch ist in keinem Fall derUntergang der Familie zu konstatieren.Insbesondere ist die Familie in der heuti-gen Zeit durch den Wegfall von anderenFunktionen auf ihren Leitwert, die Liebe,fokussiert. In Kombination mit der Kon-zentration auf weniger Mitglieder ergibtsich für den Autor somit sogar eine

Rezensionen

Inhaltsverzeichnis

Weniger sind mehr. Warum derGeburtenrückgang ein Glücksfall fürunsere Gesellschaft istKarl Otto Hondrich Theorien zur internationalen MigrationPetrus Han Die Mutterglück-Falle. Warum wir unserFamilienbild ändern müssenKarin DeckenbachDie ausgefallene GenerationHerwig BirgDie Altersrevolution. Wie wir inZukunft alt werdenPetra und Werner Bruns, Rainer BöhmeDemographie. Bewegungen einerGesellschaft im RuhestandStephan A. Jansen, Birger P. Priddat, NicoStehr (Hg.)Familie und Beruf. Neue Wege zurVereinbarkeitCarsten WilhelmVom Zwang zur Wahl: DerZusammenhang zwischen Wohlstandund Fertilität im Wandel der ZeitChristoph Sax

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"Qualitätserhöhung" (S. 127) der Familie.Dies führt, zusammen mit der Erwei-terung des klassischen Familienbildes, zurStabilisierung des Systems Familie, auchwenn einzelne Abstammungslinien aufGrund von Kinderlosigkeit aussterben.Eine besonders wichtige Rolle bei denÜberlegungen Hondrichs spielen, wieschon oben erwähnt, die Immigranten ausLändern mit hohen Geburtenraten, diedie deutsche Wirtschaft und die Sozial-systeme erhalten sollen. Im fünftenKapitel beschäftigt er sich mit den schein-bar unvermeidlich auftretenden Integra-tionsproblemen. Im Kontext des Kam-pfes der Kulturen macht er einen Wett-kampf zwischen den westlichen Wertenund den hohen Geburtenraten in denweniger entwickelte Regionen der Weltaus. Wobei er auf lange Sicht die "Anzieh-ungskraft" der westlichen Lebenswelt klarim Vorteil sieht. Insbesondere ist bei Ein-wanderern aus anderen Kulturen eineschnelle Anpassung an die Reproduk-tionsschemen der Industrieländer festzu-stellen. Die langfristige Akkulturationstellt einen gegenseitigen Austausch-prozess dar, bei dem beide Seiten gewin-nen können, aber auch Federn lassen müs-sen. Hondrich kommt folglich zumSchluss, dass "Einwanderung quantitativund qualitativ so zu lenken ist, dass dieAufnahmeländer nicht überfordert wer-den".Auf dem Gebiet der Familien- und Ge-burtenpolitik sieht der Autor staatlicheSteuerungsmaßnahmen hingegen äußerstkritisch, da für ihn die "Geburtenrate vonden staatlichen Zuwendungen relativ un-abhängig ist" (S.251). Dies liege insbeson-dere daran, dass das System ´Politik´ dieImpulse aus anderen gesellschaftlichenBereichen zu weniger Kindern niemalsumkehren kann. So ist ein Wiederanstiegder Geburtenrate nur im unbeabsichtigtenZusammenspiel vieler Subsysteme über-haupt denkbar.Mit der unorthodoxen Sichtweise auf dasThema kann das Buch dazu beitragen, derDiskussion um den Geburtenrückgangeinige interessante Aspekte hinzuzufügen,und eventuelle Ängste vor den Folgen zumindern. Dennoch muss man festhalten,dass die Argumentation Hondrichs oftnicht überzeugt. Manche Lösungen sindschlicht unhaltbar. So stellt sich einerseitsdie Frage, wie die weiterhin als steigendangenommene Produktivität mit demgeplanten Zufluss von typischerweise nie-drig Qualifizierten zusammengeht - ganzabgesehen von den zweifelhaften entwick-lungspolitischen Perspektiven für die aus-blutenden Entsendegesellschafen. Dane-ben ist auch das Reservoir an nicht arbei-

Lieferbare Bücher und Zeitschriften der SRzGGesellschaft für die Rechte zukünftiger Generationen (Hrsg.):

Ihr habt dieses Land nur von uns geborgt, Rasch und Röhring Verlag: Hamburg 1997 10 €

Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (Hrsg.):Die 68er. Warum wir Jungen sie nicht mehr brauchen, Kore Verlag: Freiburg 1998, 10 €

Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (Hrsg):Was bleibt von der Vergangenheit? Die junge Generation im Dialog über den Holocaust. Mit einem Vorwort von Roman Herzog,Ch.Links Verlag: Berlin 1999 20 €

Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (Hrsg):Handbuch Generationengerechtigkeit; oekom Verlag: München 2003 25 €

Jörg Tremmel/Gotlind Ulshöfer (Hrsg.):Unternehmensleitbild Generationengerechtigkeit - Theorie und Praxis. IKO Verlag: Frankfurt 2005 25 €

Jörg Tremmel: (Hrsg.): Handbook of Intergenerational Justice,Edward Elgar Verlag Cheltenham (UK) 2007 50 €

Ausgaben der Zeitschrift GenerationengerechtigkeitFolgende bisher erschienenen Ausgaben können Sie bei der SRzG beziehen:

Finanzielle Generationengerechtigkeit (Jg. 2, Heft 1)Ressourcenproduktivität (Jg. 2, Heft 2)What is Generational Justice? - 1st engl. Ed. (Jg. 2 Heft 3)Generationengerechtigkeit oder Nachhaltigkeit (Jg. 3 Heft 1)Unternehmen und Generationengerechtigkeit (Jg. 3 Heft 2)Generationengerechtigkeit und Familienpolitik (Jg. 3 Heft 3)Generationengerechtigkeit und Bevölkerungspolitik (Jg. 4 Heft 1)Justice, Ethics, Ecology - 2nd engl. Ed. (Jg. 4 Heft 2)Generationenbeziehungen und Bildung (Jg. 4 Heft 3)Dt.-Poln. Ausgabe: Einführung in die Generationengerechtigkeit (Jg. 4 Heft 4)Unternehmensleitbild Generationengerechtigkeit (Jg. 5 Heft 1)Partizipation und Kinderwahlrecht (Jg. 5 Heft 2)Institutionalisation of Intergenerational Justice - 3rd engl. Ed. (Jg. 5 Heft 3)Einwände gegen Generationengerechtigkeit - 1. dt. - franz. Ausgabe (Jg. 6 Heft 1)Generationendialog (Jg. 6 Heft 2)Wahlrecht von Geburt an (Jg. 6 Heft 3)Erneuerbare Energien - 2. dt. - franz. Ausgabe (Jg. 6 Heft 4)"Nachhaltige Entwicklung" in Spanien - dt. / sp. Ausgabe (Jg. 7 Heft 1)Gesellschaftliche Generationen am Beispiel der 89er-Generation (Jg. 7 Heft 2)

Einzelpreis je Heft: 10 € - Abopreis: 25 € jährlich

- DVD über die SRzG

- Kostenlose Schriften der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen :Kurzinformation (Flyer)Das Wichtigste in Kürze! (Die Selbstdarstellung der SRzG)Die SRzG im Spiegel der PresseResolution des Europäischen Jugendkongresses 2000 "Our Common Future -

Realising Sustainability", Resolution des 2.Jugendkongreß der SRzG (Politiktest-Ergebnisse), Resolution des 1. Jugendkongresses der SRzG (neueGenerationenverträge)

Gesprächskultur der SRzGStellungnahme zur Darstellung des Generationskonfliktes in den Medien

Videokassette von YOIS Rally of Youth 2001 (deutsch)Rally of Youth 2001 (englisch)

(zu beziehen bei: Videart 21, Magnus Pechel, fon: 06421-63101 o. 0177-4146743, e-mail [email protected])

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tenden Frauen letztlich nicht unendlich.Dazu kommen irritierende Beispiele, mitdenen die Vorzüge einer alternden Gesell-schaft herausgestellt werden sollen, wie"das Beispiel Aids zeigt, wie die europäi-sche Gesellschaft der Alten ein neuesProblem in den Griff bekommt, an demin Afrika die Gesellschaft der Jungen tra-gischerweise zu scheitern droht" (S. 15).Die häufigen Wiederholungen in derArgumentation und inhaltliche Über-schneidungen führen darüber hinaus zueinem wenig strukturierten Gesamtbild.Durch sein Dogma von "weniger sindmehr", und den offensichtlichen Vorsatzder Provokation, verbaut sich Hondrichletztlich eine wirklich weiterführendeSichtweise auf das Problemfeld.

Karl Otto Hondrich (2007): Weniger sind mehr.Warum der Geburtenrückgang ein Glücksfall fürunsere Gesellschaft ist. Campus Verlag:Frankfurt, ISBN: 978-3593382708, 19,90 €

Petrus Han: Theorien zur internatio-nalen MigrationRezensent: Alexander Herrath

Mit dem Buch Theorien zur internationalenMigration. Ausgewählte interdisziplinäreMigrationstheorien und deren zentraleAussagen hat sich der Autor Petrus Hanein hohes Ziel gesetzt. Schon im Vorwortbemängelt Han, dass es im deutschspra-chigen Raum bisher keine Publikationgibt, die eine "Zusammenstellung ausge-wählter migrationstheoretischer Ansätzeunterschiedlicher Fachdisziplinen präsen-tiert und einen strukturierten Überblickvermittelt" (S. 3). Aus diesem Grund ver-folgt Han den Zweck, ein solchesGrundlagenbuch für den deutschenSprachraum zu veröffentlichen, das diewichtigsten Migrationstheorien übersicht-lich und strukturiert darstellen soll. Als diewichtigsten migrationstheoretischenAnsätze erachtet Han dreizehn ausge-wählte, englischsprachige Monographien.Diese komprimiert Han auf die

Kernaussagen und strukturiert sie nachtheoretisch-inhaltlichen Schwerpunkten insechs Kapitel. Dadurch gewinnt der Leserauch als Laie schnell einen Einblick in diewichtigsten Quellentexte der Migrations-theorien der unterschiedlichen Fachdiszi-plinen.Han eignet sich als Autor eines solchenGrundlagenbuches, da er 2003 mit "Frau-en und Migration - Strukturelle Beding-ungen, Fakten und soziale Folgen derFrauenmigration", sowie 2005 mit "Sozio-logie der Migration - Erklärungsmodelle,Fakten, Politische Konsequenzen, Pers-pektiven" schon zwei Bücher zu diesemThemengebiet verfasst hat. So nimmt Hanmit diesem Buch den Leser an die Handund erzählt diesem in den sechs thema-tisch unterteilten Kapiteln die "Geschich-te der Menschheit als eine Geschichte derMigration" (S. 1). In den verschiedenenKapiteln des Buches versucht Han, mitunterschiedlichen Theorien Antwortenauf die Fragen zu finden, was die Ur-sachen für Migration sind, wie Migrationsich auf Entsende- und Empfängerländerund zum Schluss auf den Menschen selbstauswirkt. Außerdem setzt er die zuneh-mende Globalisierung der Wirtschaft ineinen Zusammenhang mit Wanderungs-bewegungen, und er diskutiert die Mög-lichkeit neuer Migrationsformen.In dieser Rezension wird besonders aufdie Monographien in den einzelnen the-matischen Kapiteln eingegangen, die fürdie Geschichte der Migration oder für diejeweilige Theorierichtung am Wichtigstenwaren.Im ersten Kapitel werden die ursprüngli-chen Assimilations- und Absorptions-theorien zur Klärung dieser Fragen vorge-stellt, die mit Fokus auf die Empfänger-länder von einer vollständigen Aufnahmeder Migranten in die Aufnahmege-sellschaft ausgingen. Diese Theorien sindjedoch seit den Bürgerrechtsbewegungenin den USA, insbesondere der Bewegungder Schwarzen, überholt. Durch dasoffensichtliche Scheitern der Assimila-tionspolitik, hat sich auch der Ansatz derUSA als "Melting Pot" als unzutreffenderwiesen. Abgelöst wurde diese Theoriedurch den Ansatz des ethnischenPluralismus, mit der sich das anschließen-de Kapitel beschäftigt. Das dritte Kapitelwidmet Han der Feminisierung derMigration, die anhand der massenhaftenAuswanderung von jungen Irinnen undJapanerinnen in die USA dargestellt wird.In diesem Kapitel werden erstmals auchdie wirtschaftlichen "Push & Pull"-Faktoren erwähnt, die Anreize zurMigration geben. Im Kapitel zur wirt-schaftswissenschaftlichen Theorie der

Migration werden solche Faktoren nochausführlicher behandelt. Das vierteKapitel des Buches beschäftigt sich mitder Transmigration. Migranten, die"soziale Felder erschließen, die die natio-nalstaatlichen Grenzen überspannen unddadurch mehrfache Beziehungen familia-ler, wirtschaftlicher, sozialer, religiöser,politischer und organisatorischer Art ent-wickeln und aufrechterhalten, wurden alsTransmigranten bezeichnet" (S. 151).Diese Theorierichtung unterscheidet sichstark von den anderen, da sie denSchwerpunkt weg von der Eingliederungin die Aufnahmegesellschaft hin zurKonzeptionalisierung transnationalerRäume, also sozialen Feldern, die dasHerkunftsland mit dem Aufnahmelandverbinden, verlegt. Transmigration istdabei eine regional begrenzte neue Formder Migration. Nach Han wird es beson-ders in regionalen Staatengemeinschaftenwie der EU oder ähnlichen Staatenbündenverstärkt zu dieser Art der Migration kom-men. Diese Staatengemeinschaften wer-den ein regionales Migrationssystem bil-den. Somit gibt Han einen kurzenAusblick auf die Zukunft der Migration.In dem fünften Kapitel zur wirtschafts-wissenschaftlichen Sicht wird Migrationals Folge einer strukturell bedingten Tei-lung des Arbeitsmarktes in zwei Sektorengesehen. Nach dieser "Theorie des dualenArbeitsmarktes" existiert eine Nachfragein den Industrieländern nach Immigra-nten für schlecht bezahlte Arbeit, für diekeine besonderen Qualifikationen erfor-derlich sind. Somit liegt nach dieserTheorie die Ursache für Migration in derWirtschaft und in den Arbeitsmärkten derIndustrieländer selbst. Dieser Ansatz wirdim sechsten Kapitel zur Weltsystem-theorie noch einmal aufgegriffen. DerBegründer dieser Theorie, der Sozial-wissenschaftler Wallerstein, sieht Migra-tion im unmittelbaren Zusammenhangmit der Struktur des weltweiten kapitalisti-schen Wirtschaftssystems. In diesem glo-balen Wirtschaftsraum wird das bipolareDenkmodell von Entsende- und Em-pfängerländern abgelöst. Die Welt wirdnun in drei Bereiche, das Zentrum, dieSemiperipherie und Peripherie unterteilt.Investitionen durch das Zentrum in derPeripherie lösen dort einen strukturellenUmbruch aus, der Arbeitskräfte freisetztund somit für Migrationsbewegungensorgt.Konnte Han nun seinem Anspruch ausdem Vorwort gerecht werden? Als Leserwird man, stets begleitet durch den Autorin den Kapiteleinleitungen, durch sechsverschiedene Erklärungsansätze zur Migr-ation der letzten 100 Jahre geführt. Das

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Buch vermittelt insgesamt dem Lesereinen thematischen Überblick und eignetsich gut zur Erarbeitung der Grundlagenzur Migrationstheorie. In dem Sinne kannman sagen, dass Han seine Intentionerfüllt hat. Durch die bloße Zusammen-fassung von Monographien zu diesemThema leistet das Buch zwar keinen wis-senschaftlichen Mehrwert oder schiebtden Wissensstand auf diesem Gebiet wei-ter hinaus, aber diesen Anspruch stelltsich das Buch auch nicht. Dennoch gibt esin der abschließenden Schlussbemerkungeinen Ausblick auf die zukünftigenFormen der Migration, insbesondere dieder Transmigration und erinnert auchdaran, dass Migration immer eine Folgesozialer Ungleichheit ist, sowie an dieTatsache, dass Migration auch wiedersoziale Ungleichheit produziert (S. 6).Für die benannte Zielgruppe von Stu-denten, thematisch Interessierten sowiePolitikern ist dieses Buch gut geeignet.Erfreulich sind die klare Struktur desBuches und die leichte Verständlichkeit.Es kommt ohne viele Fremdwörter aus,verlangt nicht unbedingt Vorwissen undverzichtet besonders auch bei den wirt-schaftswissenschaftlichen Theorien aufkomplizierte Formeln. Das Buch machtdurch die Menge des vermittelten Wissensund durch die klare Struktur einen durch-weg guten Eindruck, und eignet sichdaher für Interessierte als Einstieg in dasThema Migration.

Petrus Han (2006): Theorien zur internationa-len Migration. Stuttgart: Lucius & LuciusVerlagsgesellschaft mbH. 300 Seiten, ISBN978-3-8282-0359-4, Preis 19,90 €

Karin Deckenbach: Die Mutterglück-Falle - Warum wir unser Familienbildändern müssenRezensentin: Angela Wagner

Der europäische Vergleich zeigt: Deutsch-lands Gesamtfertilitätsrate liegt mit 1,34Kindern pro Frau in der unteren Hälfte,

nur knapp vor einigen osteuropäischenLändern, Griechenland und Italien.1In ihrem 2006 im Deutschen Taschen-buch Verlag erschienenen Werk DieMutterglück-Falle - Warum wir unserFamilienbild ändern müssen sieht KarinDeckenbach den Hauptgrund für diesegeringe und weiter sinkende Geburtenratein den Einstellungen der "antiquiertendeutschen Gesellschaft".Sozial- und familienpolitische Missständewie ein mangelndes oder lückenhaftesAngebot zur Kinderbetreuung schimmernin ihrer Argumentation jedoch ebenfallsals Ursachen dieses in letzter Zeit so oftdiskutieren Übels durch.Im Laufe ihres Buches hinterfragt sie häu-fig die Parallelität dieser beiden Phä-nomene, also dieser archaischen Menta-lität und dem Wirken der Politik. So wirftsie der deutschen (Familien-)Politik vor,dieses, wie sie es nennt, "Gluttermück-Modell", staatlich zu fördern, bspw. mit-tels Ehegattensplitting, einer zu geringenAnzahl an Ganztagsschulen und einkom-mensabhängigem Kindergeld.Sie gibt dem Leser bereits auf den erstenSeiten eine skizzenhafte Definition desvon ihr konstruierten Begriffs "Glutter-mück" - er steht für die vorprogrammier-te Abhängigkeit der Mütter, und derenAlternativlosigkeit: wenn sie nicht ein sin-kendes Ansehen in der Gesellschaft inKauf nehmen und als "Rabenmütter" (S.9) gelten wollen, müssen sie für ihr(e)Kind(er) den Beruf aufgeben. Dabei istdiese Abhängigkeit laut Deckenbach aufsozialpolitische Regelungen zurückzufüh-ren, wie die kostenlose Mitversicherungbei den erwerbstätigen Ehegatten und einScheidungsrecht, dass zum Zuhause-bleiben einlädt.Diesem Schema wird - sehr häufig imLaufe des Buches - die skandinavischeund französische Realität entgegengestellt,wo frühe Kinderbetreuung durch Krippennicht nur von der Gesellschaft akzeptiertwird, sondern schlicht zur Norm gewor-den ist.Eine Folge der langen Betreuungs- undErziehungszeit in Deutschland sind lautder Autorin auch Probleme in derPartnerschaft und eine daraus resultieren-de steigende Scheidungsrate (S. 11). Er alsAlleinernährer überlässt ihr die Kin-derbetreuung und -Erziehung; Frauenarbeiten nach der Geburt weniger, Män-ner mehr. Selbst wenn Mütter wieder insBerufsleben einsteigen (faktisch 40Prozent), lastet ein immenser Druck aufihnen, ausgehend von der Gesellschaftund dem eigenen schlechten Gewissen,meint Deckenbach.Des Weiteren zeigt Deckenbach hier eine

neue Form der "german angst" auf: dadeutsche Paare befürchten, ein Kindkönne sie in die Armut treiben, bleiben siekinderlos (S. 62: "Armutsrisiko Kind").Die Autorin argumentiert weiter, dass dieGeburt eines Kindes neben der Ver-ringerung der möglichen Arbeitszeit aucheine enorme Freizeiteinbuße bedeute, unddamit in den Augen der meisten Fraueneine Abnahme der Lebensqualität. Auchan dieser Stelle fungieren die SituationenSkandinaviens und Frankreichs wieder alsIdealbilder, denn dort werden Kinder frühfremdbetreut oder der Vater nimmt El-ternurlaub (S. 121).Deckenbach versäumt nicht, das"Gluttermück" historisch herzuleiten.Demnach war es zunächst die Propagandades Nationalsozialismus, der Frauen klarihre Rolle als Hausfrau und Mutter zu-schrieb; in der Nachkriegszeit bis zu den1970er Jahren herrschte die Meinung vor,dass Frauen nur dann beruflich aktiv seinmüssten, wenn die Armut sie dazu zwän-ge. Auch die 1968er Generation sprachsich für das Recht der Frau aus, zu Hausebleiben zu dürfen.Gegen Ende des Buches greift sie nocheinmal die Inkompatibilität zwischen demWunsch vieler Frauen, zu arbeiten undgleichzeitig Kinder zu haben und der ein-gerosteten Mentalität der Gesellschaft auf.Dabei seien es vor allem jene Männer,deren Mütter nicht erwerbstätig waren, diediese traditionelle Rolle auf ihre Partnerinprojizierten.Auch für dieses Problem zitiert Decken-bach wieder die schwedische Lösung: dortsind je 60 Tage der Elternzeit an einenElternteil gebunden, um die Rolle desVaters als Bezugsperson zu stärken. Mitdem seit 01.01.2007 geltenden Elterngeldnähert sich Deutschland diesem Modellan: so können Eltern die 12monatigeErziehungszeit um 2 Monate verlängern,indem sie sie sich aufteilen und von den"Partnermonaten" Gebrauch machen.2,3

Beim Lesen dieses Buches stellt sich fürAußenstehende häufig die Frage nach derAktualität des Themas, da eine Verein-barkeit von Beruf und Familie heute inDeutschland möglich erscheint. VieleMissstände, die die Autorin anprangert,werden, zumindest von der Bundesfami-lienministerin, genauso gesehen. Doch dieaktuelle Debatte um Krippenplätze zeigtdeutlich, wie zentral Karin DeckenbachsForderung ist: Noch immer halten ein-flussreiche Kreise in Deutschland an derIdee einer Rundumbetreuung durch dieMutter fest. Doch ist ein radikaler Wechselvom jetzigen zu einem neuen System mitähnlichen Bedingungen wie in Frankreichoder Skandinavien wirklich realistisch und

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sinnvoll? Die Antwort auf die aktuelleFrage, ob der Besuch einer Krippe ab demzweiten Lebensjahr gesetzlich vorge-schrieben werden oder die Wahlfreiheitder Eltern erhalten bleiben soll, wird zei-gen, inwieweit sich die Gesinnung derdeutschen Politik und Gesellschaft derje-nigen Skandinaviens oder Frankreichsangenähert hat. Sich auf Studien berufendschreibt Deckenbach, dass bisher keineNachteile eines Krippenaufenthalts für dieEntwicklung eines Kindes nachgewiesenwerden konnten. Doch bevor Studienoder die Erfahrung nichts Gegenteiligeszeigen, werden einige (potentielle) Elternin Deutschland skeptisch bleiben und sichgegen einen Krippenplatz oder sogar ganzgegen Kinder entscheiden.Deckenbach integriert in ihre Erörterungviele Beispiele aus dem Alltag Deutscher,die in irgendeiner Weise vom "Glutter-mück" betroffen sind. Durch diesenWechsel zwischen Dialog- oder Interview-form und sachlichem Argumentationsstilwird sowohl der Lesefluss erhöht als auchdas Verständnis erleichtert, denn sie klärtüber den politischen Rahmen auf undzeigt gleichzeitig an konkreten Alltagsbei-spielen die Auswirkungen dieser Beding-ungen auf.Als erfahrene Journalistin versteht sie es,komplizierte Sachverhalte leicht verständ-lich darzustellen. Einziger Wermutstrop-fen: die vielen Wiederholungen erzeugeneinen gewissen Kaugummi-Effekt, dersich auch nicht durch zum Teil geschicktformulierte Paraphrasen ausgleichen lässt.Dank der alltagsnahen Fallbeispiele han-delt es sich jedoch nicht um eine trockeneGesellschaftskritik, sondern ihre Schriftist vielmehr eine katalogartige Betrach-tung der aktuellen Situation, die denGrund für die Kinderlosigkeit gleich zuAnfang findet und diesen anhand von ins-gesamt sieben Beispielen aufzeigt; argu-mentativ und trotz vieler Wiederholungenüberzeugend. Jedoch hätten ein paarBeispiele weniger sicher gereicht. Hierstellt sich die Frage, an welchen Leser sichDeckenbach in erster Linie adressiert: andie kinderlose Akademikerin, an jungeEltern oder schlicht an all diejenigen, indenen dieses "antiquierte Familienbild"allzu tief verwurzelt ist?Obwohl sie ihre Argumente häufig mitErgebnissen aktueller Studien, nacktenZahlen, untermauert, kommt der Humor,meist in Form von Sarkasmus oder Ironie,nicht zu kurz. Sie verwendet dazu einenrecht einfachen Stil; ihre Wendungen erin-nern zum Teil eher an Boulevardpresse (s.S. 163: Edmund Stoiber ‚HäuptlingSilberlocke' oder S. 239: ‚hasenfüßigeKoalition der Berliner Betonköpfe') als an

eine wissenschaftlich fundierte Arbeit.Doch Deckenbachs Ziel ist ohnehin weni-ger, einen wissenschaftlichen Meilensteinzu setzen, als die Aufmerksamkeit derLeser auf die ihrer Meinung nach überhol-te Betrachtungsweise der Familie zu len-ken.

Karin Deckenbach (2006): Die Mutterglück-Falle - Warum wir unser Familienbild ändernmüssen. München: Deutscher TaschenbuchVerlag. 240 Seiten, ISBN 3-423-24553-0,Preis 14,50 €

Quellen:(1) Eurostat (Hg.) (2007): http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page?_pageid=1996,39140985&_dad=portal&_sche-ma=PORTAL&screen=detailref&langua-ge=de&product=Yearlies_new_populati-on&root=Yearlies_new_population/C/C1/C12/cab12048.(2) Bundesministerium für Familie, Sen-ioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2007):Elterngeld und Elternzeit. Internet:http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerens te l l e/Pdf-Anlagen/Elterngeld-und-Elternzeit.(3) Regina König (2006): VorzeigelandSchweden - Eltern ohne schlechtes Ge-wissen. Internet: http://www.tages-schau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4431198_NAV_REF1,00.html.

Herwig Birg.: Die ausgefalleneGeneration. Was die Demographieüber unsere Zukunft sagtRezensent: Frank Schmilowski

"Es ist dreißig Jahre nach zwölf" lautet daswenig hoffnungsvolle Resümee vonHerwig Birg nach knapp 150 SeitenDemografie-Crash-Kurs. Doch wofür istes "dreißig Jahre nach zwölf"? Und wiegelangt der Bielefelder Bevölkerungs-wissenschaftler und ehemalige Leiter des

Instituts für Bevölkerungsforschung zudiesem pessimistischen Urteil?Herwig Birg beginnt seinen "Überblicküber das Fach Demographie" (S. 7), derauf einer FAZ-Artikelserie basiert, mit ei-nigen theoretischen und historischenErläuterungen. Dabei geht er vor allemauf die Kontroverse zwischen denPositionen der Bevölkerungswissenschaft-ler Thomas Robert Malthus und JohannPeter Süßmilch ein und bezieht klarStellung. Während er in den malthusiani-schen Bevölkerungdoktrinen die geistigenWurzeln der rassistischen Bevölkerungs-lehre der Nationalsozialisten erkennt (S.18), sind die Ausführungen von Süßmilchzur Migrationspolitik - Birgs Meinungnach - "so modern wie unsere heutigenÜberlegungen" (S. 23).Nach dem einleitenden theoretischen undhistorischen Abriss widmet sich Birg demEnde des Bevölkerungswachstums undder neuen Phase der Weltbevölkerungs-schrumpfung. Das Hauptaugenmerk legter dabei auf "Deutschlands demographi-sche Weltrekorde": 1) Deutschland ist dasLand in dem die Bevölkerungsschrum-pfung am frühsten begann, 2) Deutsch-land weist einen einmalig hohen Anteilvon Frauen und Männern in einem Jahr-gang auf, die zeitlebens kinderlos bleibenund 3) Stärker als in anderen In-dustrieländern werden in Deutschlandfehlende Geburten durch Einwanderungkompensiert (S. 33). Ähnliche Ent-wicklungen ließen sich aber auch in ande-ren west- und osteuropäischen Ländernbeobachten. Anhand von Bevölkerungs-berechnungen der Vereinten Nationenund des Statistischen Bundesamtes stelltder Bevölkerungswissenschaftler zudemdie demographische Alterung in Deutsch-land dar (S. 51). Für Birg liegt in der "nied-rigen Geburtenrate in der Vergangenheit"der Schlüssel für die stark zunehmendedemographische Alterung bis 2050 (S.101). Der Geburtenrückgang lasse sichwiederum auf die "familienfeindlicheFehlkonstruktion der gesetzlichen Ren-ten-, Kranken- und Pflegeversicherung"zurückführen (S. 84). Er schließt sich derbekannten These an: Der Sozialstaat istschuld an der rückläufigen Geburtenrate,da diejenigen am meisten von ihm profi-tieren, die keine Kinder haben. Die demo-grafische Alterung lasse sich auch nichtdurch die Einwanderung Jüngerer stop-pen, so Birg. Die Bevölkerungsentwick-lung Deutschlands führe durch Migrationlediglich zu einer "Multiminoritätengesell-schaft" (S. 109).Das eigentlich dramatische an der Bevöl-kerungsschrumpfung und der demografi-schen Alterung seien jedoch die sozialen

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und wirtschaftlichen Folgen. So prophe-zeit der Bevölkerungswissenschaftlerunter anderem eine Verringerung derWachstumsrate des Volkseinkommensund damit ein Verlust an Einkommen undentsprechenden Steuereinnahmen (S.111). Ebenso sieht er die sozialenSicherungssysteme durch zwangsläufigsteigende Ausgaben und sinkendeEinnahmen in Gefahr. Insgesamt, soschlussfolgert Birg, "(…) werden diedemographischen Veränderungen unsereGesellschaft zu einer Bewegung zurück zugrößerer materieller Ungleichheit zwin-gen" (S. 137) - sowohl auf nationaler alsauch internationaler Ebene. Birgs Lö-sungsvorschlag: eine Soziale Politik stattSozialpolitik.Eine kurzfristige Lösung der gegenwärti-gen und zukünftigen Probleme, hält Birgjedoch für ausgeschlossen. Denn, wieanfangs erwähnt: "Es ist dreißig Jahrenach zwölf". Durch die weit verbreiteteKinderlosigkeit in der Vergangenheit, ins-besondere unter den nach 1940 gebore-nen Frauen und Männern ist eine ganzeGeneration "ausgefallen". Der Rückgangder Geburtenrate in der Vergangenheitwirke sich so stark aus, dass auch einAnstieg der Geburtenrate in der Gegen-wart die Talfahrt auf Jahrzehnte hinausnicht mehr verhindern könne. Die Ge-sellschaft müsse sich deshalb zwangsläufigauf Veränderungen einstellen - unver-meidbare Veränderungen des Sozialsys-tems, der Wirtschaft und der Gesellschaft."Dass es ein demographisches Momen-tum mit irreversiblen Folgen gibt, ist viel-leicht die wichtigste Erkenntnis derDemographie", lautet Birgs ernüchterndeQuintessenz (S. 150).Die effekthaschende Sprache und derlatente Hang zum Dramatischen, wie erim letzten Satz oder in seinem Resümee("Es ist dreißig Jahre nach zwölf") teilwei-se zum Ausdruck kommt, trüben das Bildeines ansonsten gelungenen Buches. Auf

der anderen Seite ist es ein deutlicherPluspunkt des Buches, dass sich HerwigBirg in Die ausgefallene Generation einesbetont journalistischen Stiles bedient, deres auch themenfremden Lesern undDemografie-Neulingen einfach macht,komplexe Inhalte relativ einfach zu erfas-sen. Obwohl nur knapp 160 Seiten dick,zeichnet sich das Buch durch eine großeInformationsfülle aus. Die meisten Teil-gebiete und Problemstellungen der De-mografie werden angeschnitten und ver-mitteln dem Leser so einen gutenGesamtüberblick über das Fach. Derkurze, thematisch gegliederte Literaturan-hang rundet das Informationspaket ab.Seinem Anspruch, den so genannten "Ge-legenheitsdemographen", wie der AutorVolks- und Betriebswirte, Politiker undKulturkritiker bezeichnet, und derenFehlinformationen entgegen zu wirken,wird Herwig Birg damit gerecht.

Herwig Birg (2005): Die ausgefalleneGeneration. Was die Demographie über unsereZukunft sagt. München: C.H. Beck, 158 Seiten,ISBN 3 406 53649 9, Preis 16,90 €

Petra und Werner Bruns, RainerBöhme: Die AltersrevolutionRezensent: Alexander Herrath

Altersarmut scheint erstmal besiegt. Dieheutigen Rentner werden mit Labeln wie"BestAger" und "50plus" von derWerbeindustrie beworben als immer wich-tiger werdende Käuferklientel. Dermenschliche Körper bleibt immer längergesund uns leistungsbereit. Sex im Alterist auch wegen Viagra nicht mehr unge-wöhnlich.Mit dem Buch Die Altersrevolution. Wie wirin Zukunft alt werden springt dasAutorentrio Petra und Werner Brunssowie Rainer Böhme auf den Zug derPublikationen zum demografischenWandel und zur Alterung der Gesellschaftauf. Dabei herausgekommen ist jedochleider nur mittelmäßige Massenware statteinem Qualitätsprodukt.Das Buch hat zum Ziel, Antworten aufderzeit hochaktuelle gesellschaftlicheFragestellungen zu finden. Wie wirkt sichdie (Über-)Alterung der Bevölkerung aufunsere Gesellschaft, unseren Lebensstilaus? Die Lebenserwartung steigt undsteigt und die Rentner beziehen heutewesentlich länger Rente als früher. Aberwie kann man heute seinen Ruhestandgestalten, um das sogenannte neu entstan-dene dritte Lebensalter zu füllen? Statt einer genauen Problemanalyse derbetroffenen gesellschaftlichen Bereicheund einem Konzept zur Neugestaltungdes Alters, wie der Titel erhoffen odererwarten lässt, wird dem Leser etwas kom-plett anderes geboten: Nämlich noch einBuch über die 68er.Es seien mal wieder die 68er, die jetzt, imRentenalter angekommen, gegen die herr-schende gesellschaftliche Vorstellung desAlterns rebellieren würden. Indem sie wiedamals vehement auf Selbstbestimmungund Selbstverwirklichung pochten, revolu-tionieren sie das Alter. Das ist die eigentli-

Liebe Leser,Ihre Meinung interessiert uns!Mit Ihren Impulsen wollen wir die "GenerationenGerechtigkeit!" weiter verbessern. Bitte schreiben Sie uns an:

GG! - RedaktionPostfach 5115D-61422 OberurselTel. +49-6171-982367Fax +49-6171-952566E-Mail: [email protected]

Bitte nennen Sie uns auch Leser aus Ihrem Bekanntenkreis, denen wir eine Ausgabe kostenlos zur Probe zusenden können. WennSie selbst inzwischen eine Ausgabe kostenlos erhalten haben, so bitten wir um Verständnis dafür, dass wir Ihnen keine weiterenProbe-Ausgaben mehr zusenden. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie nun unsere Zeitschrift für 25 Euro im Jahr abonnieren(siehe letzte Seite).

che Kernaussage des Buches.So beschäftigt sich gut die erste Hälfte desBuches erst einmal mit der Entstehungder damaligen 68er-Bewegung, von demBeginn über die Studentenproteste, überden "Marsch durch die Institutionen" bishin zum Ende der rotgrünen Regierung2005. Das Autorentrio stellt sogar einepsychologische Diagnose für die 68er. Soleide diese Generation kollektiv untereinem fehlenden Urvertrauen und einemMangel an seelischem Halt und innererSicherheit und Stabilität verursacht durcheinen Verlust an traditionellen Werten undTugenden, was schließlich in eineAblehnhaltung gegenüber Biotechnologieund Kernkraft gemündet habe. "EinMangel verlangt nach Kompensation.Psychologen verstehen unter Kompensa-tion das Streben nach Ersatzbefriedigungzum Ausgleich von Mangelzuständen derPsyche, wie beispielsweise Minderwertig-keitsgefühlen. Ob allerdings ein Mangelan innerer Sicherheit und Stabilität, dieman im Kindheits- und Jugendalter erwer-ben sollte, später durch eine militanteAblehnung beispielsweise von Biotechno-logie und Kernkraftnutzung ausgeglichenwerden kann, ist mehr als nur zu bezwei-feln" (S. 70). Diese innere Unsicherheitder 68er habe auch zu einem ausuferndenSozialstaat geführt: "Unter der Oberflächewächst zwangsläufig die Unsicherheitimmer wieder und aufs neue an und ver-langt neue Sicherungssysteme. (…) Daherder Wunsch nach einem allumfassenden,sorgenden und umsorgenden Staat, des-sen Ausbau sich diese Generation mitbesonderer Inbrunst widmete,(…)" (S.71).Doch damit beginnt erst die polemischeAbrechnung mit der 68er Generation. Siewird im weiteren Verlauf des Buchersdämonisiert und für so gut wie alle gesell-schaftlichen Probleme unserer heutigenZeit verantwortlich gemacht. Der demo-grafische Wandel? Die Schuld der 68erund der Frauenbewegung! (S. 129/130) Sosei es die größte Errungenschaft derFrauenbewegung gewesen, dass es heuteso viele alleinstehende kinderlose Frauengibt wie nie zuvor. Durch "freie Liebe",die sexuelle Revolution und letztendlichdie Pille seien die 68er Schuld amAusbleiben so vieler Kinder und an derÜberalterung der Gesellschaft. Durch ihreantiautoritäre Erziehung, Ideologiefreiheitund ihren Glauben an die Kommu-nikation und Diskussion seien sie letzt-endlich auch Schuld an den hohen Schei-dungsraten. Außerdem seien sie noch dieTotengräber der klassischen Familie undBegründer der Patchwork-Family.Darüber hinaus verfügten die 68er durch

ihren Lohn und Erbschaften über sovielökonomisches, kulturelles und sozialesKapital (S. 52), dass sie in Kürze dieGesellschaft dominieren könnten. Daswürden sie schon zu einem großen Teilheute tun, und dazu noch auf Kosten derheutigen jüngeren Generation leben. Aufder einen Seite würden die nachrückendenGenerationen zu wenig aufbegehren oderwürden für ihren Teil nicht erwachsen, aufder anderen Seite würden die 68er-Generation sich weigern in Rente zugehen und auf ihren Firmen- undMachtpositionen verharren. Als Belegdafür werden seitenweise Politiker undKünstler aus der 68er aufgeführt, die nachwie vor gesellschaftlich, unternehmerischoder politisch aktiv wären.Hier offenbart sich auch die größteSchwäche des Buches. Neben der polemi-schen Sprache ist es überaus undifferen-ziert und pauschalisierend. Die "68er"sind für das Autorentrio einfach alle zwi-schen 1940 und 1950 Geborenen, egal obpolitisch aktiv gewesen oder nicht. DieseSchwäche zeigt sich bei dem Argument,die 68er würden nicht weichen wollen.Auch hier wird die gesellschaftliche Eliteder 68er einfach komplett mit dem Restder Generation gleichgesetzt.Doch was hat das alles noch mit einerAltersrevolution zu tun? Oder welcheAntwort gibt das auf die Frage, wie wir inZukunft leben werden?Dieser Teil kommt im Buch leider viel zukurz. Die populärsten Ansätze für einneues Altern werden angeschnitten, wiedas Heraufsetzen des Rentenalters und einaktiver Ruhestand, Mehrgenerationen-häuser, gesellschaftlich akzeptierter Sexim Alter oder auch etwas unkonventionel-ler der Vorschlag für altengerechte Ge-fängnisse. Oder dass Väter über 65 diegesellschaftlichen Probleme von Kinder-mangel, Vereinbarkeit von Familie undBeruf und Ausgestaltung des aktivenRuhestands lösen sollten (S. 172).Doch leider bleibt es nur bei einer ober-flächlichen Bearbeitung dieser Ansätze.Somit bleibt auch leider in dem Buch dieversprochene Altersrevolution aus.

Bruns, Petra / Bruns, Werner / Böhme, Rainer(2007): Die Altersrevolution: wie wir inZukunft alt werden. Berlin: Aufbau-Verlag.237 Seiten, ISBN 978-3-351-02644-8, Preis19,95 €

Stephan A. Jansen, Birger P. Priddat,Nico Stehr (Hg.): Demographie.Rezensentin: Julia Köster

Der Sammelband der Herausgeber Jansen,Priddat und Stehr besteht aus einerEinleitung und zehn Beiträgen, die sichmit dem demografischen Wandel und sei-nen gesellschaftlichen Auswirkungenbefassen.Das Buch hat sich das anspruchsvolle Zielgesetzt, nicht nur einen Überblick überaktuelle demografische Tendenzen zu lie-fern, wie er heute vielerorts zu finden ist.Es will zweitens auch konkrete Zu-kunftsperspektiven für Deutschland her-ausarbeiten. Gerade letzteres erscheintbesonders bedeutsam: Einerseits nimmtDeutschland weltweit eine Vorreiterstel-lung ein, was die Geschwindigkeit desdemografischen Wandels betrifft. Somitkann es in Sachen Problemlösung nur be-dingt von anderen Ländern lernen. Hinzukommt teils auch die kulturelle Unter-schiedlichkeit, die es schwer mache,Strategien anderer Länder auf Deutsch-land anzuwenden. Andererseits läuftnachAnsicht der Autoren die Diskussion desdemografischen Wandels bislang meist aufDramatisierung hinaus oder beschränktsich auf "populäre" Themenbereiche wiedas Sozialversicherungssystem. Dadurchfallen viele andere wichtige Gebiete, diegenauso von Veränderungen betroffenseien, gewöhnlich nahezu unter den Tisch.Die Autoren des Sammelbandes nähernsich der Thematik ‚demografischer Wan-del' jeweils aus unterschiedlichen sozial-wissenschaftlichen Perspektiven, wodurchein sehr bunter Mix unterschiedlichsterBetrachtungswinkel entsteht.Der Wirtschaftswissenschaftler Priddatliefert anhand von 20 leicht verständlichenThesen einen generellen Zugang zumwachsenden Generationenkonflikt zwi-schen Jung und Alt und dessen Auswir-kungen auf die gesamte Gesellschaft. Er

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prognostiziert eine "Verlangsamung derGesellschaft" (S. 19) aufgrund des steigen-den Anteils alter Menschen an derBevölkerung. An diese hätten sich überkurz oder lang alle gesellschaftlichen Teil-bereiche anzupassen, was zu aus heutigerSicht massiven Umstrukturierungen füh-ren würde.Die Ökonomen Jansen und Huchlerbeschäftigen sich nach einer Darstellungder Geschichte des demografischen Wan-dels mit seinen bislang kaum beachtetenund genauso wenig erforschten betriebs-wirtschaftlichen Auswirkungen.Die KommunikationswissenschaftlerinKoch nimmt sich der mit dem Wandeleinhergehenden Veränderungen des le-benslangen Lernens an; dabei legt erbesonderes Augenmerk auf das ThemaLernen im Alter und das gesellschaftlicheBild von Alter(n).Die Sozialwissenschaftler Avenarius,Hackenberg, Witte und der Volkswirt-schaftler Vehrkamp setzen sich mit denAuswirkungen des demografischen Wan-dels auf die Zukunft des Sozialstaats aus-einander. Dabei beziehen sie sich auf eineKonferenz aus dem Jahr 2004, bei derdurch die Techniken von Szenario-Management und Zukunftsraum-Mapping konkrete Szenarien für den deut-schen Sozialstaat im Jahr 2030 entworfenwurden. Dieses Vorgehen produziertesowohl Zukunftsbilder, die als hoch pro-blematisch angesehen werden müssen, alsauch wünschenswerte Leitbilder für dieweitere gesellschaftliche Entwicklung.Eine medienwissenschaftliche Betrach-tung des demografischen Wandels findetsich bei den MedienwissenschaftlernHerman und Rhomberg, die seine Kon-sequenzen für die Massenmedien untersu-chen. Sie arbeiten heraus, dass das Le-bensalter die Mediennutzung stark beein-flusst, und zwar sowohl die Art dergenutzten Medien (Zeitung, Fernsehen,Internet, etc.) als auch die für sie aufge-wendete Zeit. Zusätzlich würde der zu-nehmende Anteil alter Menschen immerstärker die Inhalte der Programme beein-flussen und damit voraussichtlich zu einerZunahme von Themen wie Gesundheit,der Lebenslage alter Menschen und Kon-flikten zwischen Alt und Jung führen.Die Betriebswirtschaftlerin Proff geht dasThema demografischer Wandel von derSeite des Internationalen Managementsher an und bemängelt, dass Dimensionenwie die Altersstruktur dort bislang "kaumbeachtet und berücksichtigt" würden (S.207).Der Wirtschaftswissenschaftler Eisenkopfuntersucht in seinem Beitrag, wie ange-messen Deutschlands laufende Investi-

tionsplanung hinsichtlich Güter- und Per-sonenverkehrs auch für zukünftige Ver-hältnisse ist, während sich die Kunst-wissenschaftler van den Berg undLandkammer in ihren jeweiligen Beiträgenmit dem Spätstil von Künstlern beschäfti-gen.Im letzten Beitrag des Bandes setzt sichder Kulturwissenschaftler Weiler mit demThema Migration auseinander. Dabei bil-det die Frage nach dem Umgang mit eth-nisch-kulturellen Minderheiten den Kern-punkt seiner Arbeit, dessen Aktualität undWichtigkeit aufgrund der "migrationsbe-dingt geänderten gesellschaftlichenVerhältnisse" (S. 349) und der damit ein-hergehenden "kulturellen Heterogen-isierung" (S. 339) nicht unterschätzt wer-den dürfen. Er skizziert außerdem einigeder aktuelleren Debatten über die Ver-wendung von religiösen Symbolen imöffentlichen Raum und geht, die europäi-sche Auswanderung nach Übersee im 19.und frühen 20. Jahrhundert und die"Neue Völkerwanderung" (S. 326) verglei-chend, kurz auf Gründe für Integra-tionsdefizite bei Zuwanderern ein.Insgesamt hinterlässt der Sammelbandeinen guten Eindruck, auch wenn mancheBeiträge nur beiläufig an der Thematik desdemografischen Wandels vorbeizu-schrammen. Die Autoren behandeln dasThema angesichts der Tatsache, dass es inLiteratur und Medien sehr präsent ist, fastschon erfrischend unkonventionell. Wieman es erwarten würde, liefern die Auto-ren in ihren Beiträgen einen guten theore-tischen Hintergrund zum Thema Demo-grafie. Teils knüpfen sie dann an diesenan, um im Folgenden aus ihrer eigenenfachlichen Perspektive Aspekte zubeleuchten, die so (noch) nicht im Fokusder öffentlichen Aufmerksamkeit stehen;teils gehen sie auch Gebiete an, die unterdem Licht des demografischen Wandelsbisher noch nicht oder nur wenig unter-sucht worden sind. Bahnbrechende neueErkenntnisse darf man aufgrund des enggesteckten Rahmens eines Sammelbandeszwar nicht erwarten. Jedoch sind es vieleder angesprochenen Bereiche einfachwert, auch einmal derart in den Mittel-punkt der Betrachtung zu rücken. Letzt-endlich bleibt den Autoren dieses Bandesoft genug auch nichts anderes übrig, alsdarauf hinzuweisen, dass die Forschungum den demografischen Wandel und seinegesellschaftlichen Konsequenzen nochlängst nicht an ihrem Endpunkt angelangtist, und auf vielen bislang wenig beachte-ten Gebieten noch immer großer Bedarfnach genaueren Untersuchungen besteht.

Jansen, Stephan A. / Priddat, Birger P. / Stehr,Nico (Hg.) (2005): Demographie. Bewegungeneiner Gesellschaft im Ruhestand. Multidiszi-plinäre Perspektiven zur Demographiefolgen-forschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozial-wissenschaften. 367 Seiten, ISBN3-531-14780-3, Preis 39 €

Carsten Wilhelm: Familie und Beruf.Wege zur Vereinbarkeit.Rezensent: Manuel D. Pollak

Carsten Wilhelm hat der Debatte überVereinbarkeit von Familie und Beruf einegrundlegende wissenschaftliche Analysedieser Problematik hinzugefügt. Er willdamit das allgemeine Bewusstsein dafürschärfen, dass der Wert der Familie aktuelleine Renaissance erfährt und seinenberechtigten Platz in der Arbeitswelt for-dert.Der Autor löst diese Aufgabe in sechsSchritten. Eingangs formuliert er dieProblemstellung seiner Arbeit. Zentral isthier die "Work-Life-Balance", die aufUnternehmensseite noch sehr wenigBeachtung findet. Wilhelm will aufzeigen,für welche Unternehmungen sich einefamilienfreundlichere Politik lohnt undauf welche Handlungsansätze zurückge-griffen werden kann.Im zweiten Kapitel wird die theoretischeUnterfütterung des Themas vorgenom-men, denn es gibt zwei unterschiedlicheBetrachtungswinkel auf das Problem:Einmal die noch immer zurückgehendenGeburtenzahlen mit all ihren negativenFolgen für die Gesellschaft im Gesamten;zum andern die Probleme, die Unter-nehmen in den kommenden Jahren be-kommen werden, weil ihnen gut ausgebil-dete Mitarbeiter fehlen (S. 93). Für denNachwuchskräftemangel sind sowohl derdemographische Wandel als auch dieTatsache verantwortlich, dass sich poten-tielle zukünftige Mitarbeiter für die Unter-

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nehmen entscheiden werden, die demWunsch nach Vereinbarkeit von Arbeitund Familie am ehesten entsprechen.Das Kernstück von Wilhelms Arbeit bil-det die Darstellung familienfreundlicherMaßnahmen in Unternehmen. Hier führter aus, wie sich verschiedene flexibleArbeitszeitmodelle einerseits aus Wettbe-werbsdruck zwischen den Unternehmenheraus, andererseits aufgrund des Bedarfsder Mitarbeiter an mehr individuell ausge-richteter Lebensplanung auswirken. Auchveränderte Arbeitsplatzgestaltung in Formeines "home office" oder Teamarbeit wur-den schon umgesetzt. Der Aspekt derKinderbetreuung spielt dagegen nicht nurauf staatlich-institutioneller Ebene eineRolle. Auch betriebseigene Kindertages-einrichtungen oder die Kooperation mitkommunalen oder freien Trägern stehenals Alternativen zur Verfügung.Im weiteren betrachtet der Autor, wie sichdie vorgestellten Maßnahmen in betriebs-wirtschaftlicher Sicht auf das Unter-nehmen niederschlagen. Einerseits entste-hen dem Unternehmen Kosten für Be-treuung, Kommunikation und Infor-mation. Diese Kosten sind jedoch nichtgenerell, sondern nur für den Einzelfall zuberechnen, da Leistungen, Preis- undLohnniveau sowie öffentliche Fördermög-lichkeiten regional stark divergieren. An-dererseits können mit familienfreundli-chen Maßnahmen erhebliche Einsparpo-tentiale erreicht werden. Verringert wer-den die Kosten für Rekrutierung, Über-brückung und aufwändiger Wiedereinglie-derung. Eine Modellrechnung unter Ver-wendung konkreter Zahlen veranschau-licht die vorangegangene abstrakte Dar-stellung.Wilhelm liefert im vorletzten Teil seinerUntersuchung ein praxisbezogenes Bei-spiel anhand der familienfreundlichenAusrichtung der Unternehmungspolitikder Peugeot Deutschland GmbH. Dabeiuntersucht er wie die von ihm vorgestell-ten Maßnahmen umgesetzt wurden. Da-rüber hinaus gibt er dem UnternehmenEmpfehlungen für eine mögliche Erwei-terung und für die statistische Erhebungdiesbezüglich relevanter Daten.Die vorliegende Arbeit ist als gelungeneEinführung zu betrachten, das einen über-sichtlichen Einstieg in das Thema ermög-licht. Wilhelm hat ein eindeutig formulier-tes Ziel vor Augen. Er fordert nicht nureine Ergänzung der Unternehmungsver-fassung um eine familienfreundlicheKomponente, sondern er tritt auch füreine konkrete Umsetzung dieser Maß-nahmen ein. Hier begrüßt er die Inte-gration der Mitarbeiter bei dem Prozessder Ausarbeitung und Verwirklichung. Die

einzelnen Unterkapitel sind bisweilen kurzund prägnant gefasst und man bekommtLust, die ausführlich belegten Argu-mentationsgänge anhand zitierter Sekun-därliteratur nachzuvollziehen.

Wilhelm, Carsten (2007): Familie und Beruf.Wege zur Vereinbarkeit. Saarbrücken: VDMVerlag Dr. Müller, 119 Seiten, ISBN 978 38364 1166 0, Preis 49 €

Christoph Sax: Vom Zwang zur Wahl.Der Zusammenhang zwischenWohlstand und Fertilität im Wandelder ZeitRezensent: Oliver Goetz

In seiner Dissertation Vom Zwang zurWahl: Der Zusammenhang zwischen Wohlstandund Fertilität im Wandel der Zeit beleuchtetChristoph Sax den Einfluss, den wachsen-der Wohlstand in einer Gesellschaft oderauch individuell auf die Kinderzahl hat.Dabei untersucht er die erstaunliche histo-rische Entwicklung, dass in der Ver-gangenheit ein positiver Zusammenhangzwischen Fertilität und Wohlstand zubeobachten war, dieser jedoch mit derZeit gekippt ist: So haben reichereFamilien weniger Kinder und wohlhaben-de Länder weisen ein geringeres Bevöl-kerungswachstum auf. Die Fragestellungdes Autors setzt dann auch an dieser Stellean: Wie kommt es, dass ab einem be-stimmten Punkt Wohlstand einen negati-ven Einfluss auf die Fertilität zu habenscheint?Um diese Frage im Laufe seines Textes zubeantworten, unterscheidet Christoph Saxdrei Arten von Kinderzahl. Die erste istdie gewünschte Kinderzahl, also die Zahlerwachsener Kinder, die eine Frau sichwünscht. Dabei wird davon ausgegangen,dass sich der Preis eines Kindes mitzunehmendem Wohlstand erhöht und

dadurch die "Nachfrage" nach Kindernreduziert wird. Der Zusammenhang zwi-schen gewünschter Kinderzahl undWohlstand ist also negativ. Die zweite Artvon Kinderzahl ist die möglicheKinderzahl. Diese bezeichne die maxima-le Zahl erwachsener Kinder, die eine Fraugebären und aufziehen kann. Einfluss-faktoren stellen dabei die Kindersterb-lichkeit und die Geburtenzahl dar, die zurmaximalen Zahl erwachsener Kinder füh-ren. Mehr Wohlstand erhöht die Aus-gaben in den Bereichen Ernährung,Medizin und Hygiene, wodurch einerseitsdie Kindersterblichkeit ab-, andererseitsdie Geburtenzahl zunimmt. Der Zu-sammenhang zwischen Wohlstand undmöglicher Kinderzahl ist also positiv zubegreifen. Die eigentliche Pointe inChristoph Sax Modell stellt nun die tat-sächliche Kinderzahl dar. Diese wirdbestimmt durch die gewünschte und diemögliche Kinderzahl und bezeichnet dieZahl erwachsener Kinder, die eine Fraugebärt und aufzieht. Hier greift nun einMechanismus, der gewünschte und mögli-che Kinderzahl zur tatsächlichen kombi-niert. "Unter der Annahme von vollkom-mener Geburtenkontrolle stellt die tat-sächliche Kinderzahl das Minimum vongewünschter und möglicher Kinderzahldar." (S. 8) Dies bedeutet nichts anderes,als dass die kleinere von beiden Kompo-nenten die tatsächliche Kinderzahlbestimmt. Könnte eine Frau also theore-tisch 5 Kinder ernähren, wünscht sichaber nur zwei, so werden auch nur zweiKinder in die Welt gesetzt (gleiches giltauch umgekehrt).Aufgrund dieser Annahmen kommt Saxzu dem Schluss, dass es einen "höckerför-migen" Zusammenhang zwischen Wohl-stand und tatsächlicher Kinderzahl gibt.So ist bei Armut die mögliche Kinderzahlniedriger als die gewünschte, wodurchEltern nicht so viele Kinder großziehenkönnen, wie sie sich eigentlich wünschen.Steigt der Wohlstand dann an, steigt auchdie mögliche Kinderzahl an (begünstigtdurch verbesserte medizinische Verpfle-gung etc.), wodurch zuerst ein positiverZusammenhang zwischen Wohlstand undFertilität zu beobachten ist. Ab einembestimmten Wohlstandsniveau übertrifftjedoch die mögliche die gewünschteKinderzahl. Nun wird die gewünschteKinderzahl zur begrenzenden Kompo-nente und da diese mit steigendem Wohl-stand abnimmt, kann ab einem gewissenWohlstandsniveau ein negativer Zusam-menhang zwischen tatsächlicher Kinder-zahl und Wohlstand attestiert werden.In den folgenden drei Kapiteln werdendiese Annahmen anhand der Theorie der

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demographischen Transition sowie mitIndividual- und Länderdaten überprüft.Dabei kann es nicht schaden, überErfahrung im Lesen volkswirtschaftlicherTexte zu verfügen, denn die Überprüfungder Grundannahmen erfolgt hauptsäch-lich in Form von volkswirtschaftlichenRechnungen und Formeln, die zwar sämt-lich gut erklärt sind, allerdings die ganzeAufmerksamkeit des (ungeschulten) Le-sers beanspruchen dürften. Lässt man sichjedoch darauf ein, und investiert etwasZeit, so erschließt sich nach einiger Zeitdas Denkmodell von Christoph Sax unddas weitere Lesen wird vereinfacht. In denKapiteln, die von der Überprüfung derIndividual- und der Länderdaten handeln,ist es außerdem von Vorteil, sich etwas imBereich der Statistik auszukennen, da sicherst dadurch die beobachteten Zusamm-enhänge vollkommen erschließen. Ge-schieht dies jedoch, lässt sich aufgrunddieser Überprüfungen das vom Autor ent-worfene Modell grundsätzlich bestätigen.Es ist allerdings auch möglich der Ar-gumentation des Autors zu folgen, wennausschließlich die Kapitel eins, zwei undsechs gelesen werden.Mit seiner Dissertation Vom Zwang zurWahl: Der Zusammenhang zwischenWohlstand und Fertilität im Wandel derZeit gelingt es Christoph Sax, eine plausi-ble Erklärung für das Abnehmen derGeburtenraten in den Industrieländernabzuliefern und den Einfluss von steigen-dem Wohlstand auf die Fertilität zu erklä-ren. Insgesamt stellt das Buch also eineninteressanten Ansatz zur Erklärung derschwindenden Geburtenzahlen inDeutschland (wie auch in anderenLändern) dar. Einzig die Schlüsse, die derAutor zieht, um diese Situation zu ändern,enttäuschen auf ganzer Linie. Diesebeschränken sich nämlich auf die Em-pfehlung im letzten Satz des Buches, die"Kinderpreise" künstlich zu senken.Allerdings muss dem Autor hier zugutegehalten werden, dass es ihm nicht darumgeht, eine Lösung, sondern eine Beschrei-bung der aktuellen Situation abzuliefern.Dies ist ihm durchaus gelungen.

Christoph Sax (2006): Vom Zwang zur Wahl:Der Zusammenhang zwischen Wohlstand undFertilität im Wandel der Zeit. Berlin: dissertati-on.de - Verlag im Internet GmbH. 160 Seiten,ISBN 3-86624-206-9, Preis 39 €

Stiftung für die Rechte zukünftigerGenerationen/Bertelsmann Stiftung (Hg.):Demographic Change and IntergenerationalJustice: The Implementation of Long-TermThinking in the Political Decision MakingProcess

This interdisciplinary anthology is compo-sed of articles by demographers, philoso-phers, economists and sociologists fromthe international scientific community. Inputting together this anthology, we weretrying to address the need for a compre-hensive volume that addresses the com-plex relationship of intergenerationaljustice and demographic change.It is composed of five sections thatexplain demographic trends, examine theimpact of demographic developments onkey indicators, investigate the relationshipbetween key sustainability indicators andintergenerational justice, scrutinize inter-generational justice and population poli-cies, and finally apply of long-term thin-king to these issues.In the first section of this book, thedemographic changes are described indetail on a global and national level. Thedynamics of population growth (decline)and aging (juvenescence) must be laid outbecause they set the statistical basis for therest of the volume. As a starting point inthe first section, Prof. Dr. Wolfgang Lutz,director of the Vienna Institute ofDemography and leader of the WorldPopulation Program at the InternationalInstitute for Applied Systems Analysis(IIASA), draws a general picture of globaldemographic trends over the past decadesand likely trends in the future in his article"Low fertility in Europe in a global demo-graphic context". He briefly discusses theforces driving this universal process ofcontinuing demographic transition. Thearticle discusses the possibility that fertili-ty in these countries may actually stay atvery low levels or continue to decline dueto self-reinforcing mechanisms of socialchange. The Low Fertility Trap Hypo-thesis describes three distinct mechanisms(demographic, sociological and economic)that may lead to such a downward spiral infuture fertility. But it is not only the sheernumber of people and their age distributi-on that matters. The possible consequen-ces of demographic changes greatly

depend on the productivity and the skillsof the people, something that economistswould call the quality dimension. Specialattention is given to the future position ofEurope in this changing global context.

The second section examines theimpact of demographic change on keysustainability indicators in certain areas ofinterest such as public debt, retirementsystems, competitiveness, environment,the labor market, and the educationsystem in more detail. In "The impact ofdemographic change on financial sustai-nability in Germany", Dr. Johannes Meier,Member of the Executive Board of theBertelsmann Stiftung, presents the foun-dation's Debt Monitor 2006. In the con-text of financial sustainability, the founda-tion asserts that investments in educationare the crucial factor for retaining the poli-tical capacity to act for future generationsAdditionally, from the analysis of stateswith successful budget consolidation, thefoundation has found it possible to dedu-ce reform measures it deems necessary forGermany.Two articles discuss the effects of demo-graphic change on the economy, includingthat of Michael Hüther from the Institutder Deutschen Wirtschaft who posits thatindividuals and their qualifications are themost important drivers of an expandingeconomy and that a shrinking populationleads to a loss in welfare and prospects.Countering this position, ThomasStraubhaar Hamburg Institute of Inter-national Economics argues that a declinein population does not necessarily lead toeconomic problems. He asserts that fearsassociated with demographic change havenot been empirically proven, and that it ispossible that these changes could even beeconomically positive. In a shrinkingpopulation it is possible for instance toincrease capital intensity per person, lead-ing to increased productivity and percapita income; human capital can also beincreased with a distribution of resourcesbetween fewer people. Furthermore, it isaging rather than shrinking that presentsthe biggest demographic challenges.There are most certainly problems to befaced within an aging society, primarilywith impediments to growth caused bypolicies that are designed for a young andgrowing population, but they can be com-

Vorankündigung / Erscheinungstermin Dezember 2007

Demographic Change andIntergenerational Justice

pensated for through policy changes,especially including incentives for fasttechnogical progress, alterations in theduration of working life, labor force beha-vior, and intelligent reforms in the pensi-on system in order to make it independentof age structure.In a uniquely clear and applicable casestudy, Prof. Dr. Thomas Lindh, researchdirector at the Institute for Future Studies,and Prof. Dr. Bo Malmberg, professor ofgeography at Stockholm University,demonstrate the effects of changing pat-terns of age structure on Swedish post-war socio-economic indicators. In particu-lar they explain how demographic changeaffected the development of saving,growth, investment, current accounts andthe budget balance, which is particularlyeasy to see within the context of thepublic-oriented redistribution of theNordic welfare states.In the third section, we ask how interge-nerational justice is affected if sustainabi-lity indicators change due to demographicchange. The article "The GenerationalBalance" by a team of authors from Eco-logic Berlin, including Andreas Krämerand Anneke von Raggamby, evaluates cur-rent trends and patterns of environmentaland demographic change, in both a globaland national context. Examining suchissues as the Earth's carrying capacity,concurrent urbanisation and industrialisa-tion, present production and consumpti-on patterns, the use of chemicals, naturalresources and energy, the article providesa clear and powerful picture of the state ofour world today and what must be donewithin our society so that future generati-ons can have viable and fulfilling lives. Itadditionally examines the fact that envi-ronmental and sustainability issues canalso be compacted by the ageing of socie-ty and demographic decline that manycountries are now experiencing, and pre-sents recommendations also for theseproblems.In "Intergenerational Justice in anExtreme Longevity Scenario", Dr. UlrichFeeser-Lichterfeld looks at newly emer-ging technologies and the prospect ofextreme longevity that is perhaps nearingfruition. Such a scenario raises many indi-vidual and social issues, which he exami-nes within the context of demographicchange, focusing on its intergenerationalconsequences. The author considers serio-us questions such as whom these techno-logies would benefit and whether theywould produce unintended consequences,such as a new type of agism.The fourth section addresses the ethicallegitimacy of population policies. If we

can influence the well-being of our des-cendants (including, but not limited toadopting certain family or populationpolicies), should we do so? In an articleentitled "An ethical assessment of thelegitimacy of birth policies", Dr. JoergTremmel first discusses whether or notsuch policies can generally be consideredunethical. Unlike some ethicists, his con-clusion is that they cannot be deemedunethical across-the-board. Rather, it isboth possible and necessary to distinguishbetween better and worse types. Whilst itis easy to judge measures that either per-mit a considerable number of freedomsor impose considerable restrictions onthem, it is the measures in the middle ofthe continuum that are more difficult toevaluate. The four-fifths rule is presentedin order to lend substance to the core ofthe problem by providing a rule of thumb.The fifth and last section addresses theissue of institutionalizing our responsibili-ty for future generations. Democraciesface a structural problem, namely the ten-dency to prefer the present and to forgetfuture implications of present decisions.To work toward a solution for this pro-blem, the framework for a fair, future-ori-entated generational political system couldbe mended by an institutional establish-ment of generational justice. Thereby theglorification of the present in everydaypolitics would lessen. In this truly innova-tive section of the book, MarcoWanderwitz (CDU), Peter Friedrich(SPD), Anna Lührmann (Greens) andMichael Kauch (FDP), four young mem-bers of the German Bundestag, present afar-reaching if not revolutionary endea-vour to implement intergenerational justi-ce and sustainability in the GermanConstitution. They describe their realefforts in 2006 and 2007 to institute achange article 20 and article 109 of theBasic Law, each from their party perspec-tive but also from their experience ofworking together to make this proposal areality that is now in its final stages ofconsideration. Their chapter is a goodexample of how theory meets practiceand science meets politics.The final article, "Demographic pressure

and attitudes towards public intergenera-tional transfers in Germany - how muchroom left for reforms", by HaraldWilkoszewski of the Max Planck Institutefor Demographic Research, highlights theallocation problems in an aging societyfrom a political economy perspective. TheGerman political discussion has focusedon reductions of public support for theelderly (e.g. the introduction of a "demo-graphic factor" into the public pensionformula) and an increase of public sup-port for families and the younger genera-tion (e.g. higher spending for family poli-cies). However, the implementation ofsuch reforms might not be feasible in thefuture: the question arises whether a newpolitical group formed by people of thesame age with a common interest is likelyto emerge.

This book is marked by its interdisciplina-ry approach and flexibility to look at cur-rent societal problems from many directi-ons at once. Not only do the authorscome from a multitude of fields and per-spectives, but the contributions addressnot only the typical problems of econo-mic policy, but look also at environmental,societal and philosophical issues.It is far-reaching in scope and mostimportantly makes a paradigmatic shift toneed to see arising challenges of demo-graphic change within a larger view ofintergenerational justice. Also within theseproblems it examines the many and variedcomponents of demographic change andhow they interact and what likely outco-mes they would have.Beyond this, the anthology is eminentlypractical and is focused with policymaking in mind. It examines importantphilosophical and ethical problems thatare inherent in these issues, but surpassesthese limited discussions to offer recom-mendations and solutions for politicalimplementation. Additionally, it has theextremely unique aspect of having fourMPs comment directly on their thoughtsand proposals for change.This volume goes a long way to puttingthe many problems of demographicchange in perspective.

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Verleihung des Demografie-Preises imRahmen eines öffentlichen Sym-posiums "Wege zu mehr Kindern inDeutschland"

Deutschland durchläuft einen demografi-schen Wandel, der nach den Worten desVizepräsidenten des Statistischen Bundes-amtes "nicht mehr aufzuhalten" ist. Daherist die Wissenschaft aufgerufen, Chancenund Risiken dieser Entwicklung zu benen-nen und Politik, Wirtschaft und Ge-sellschaft Handlungsoptionen aufzuzei-gen. Eine Anpassung an die Alterung undSchrumpfung kann jedoch nicht die einzi-ge Strategie sein. "Eine der tiefstgreifen-den Folgen des demographischen Wan-dels könnte sein, dass sich eine negative,sich selbst verstärkende Spirale vonAlterung und Schrumpfung verstetigt.Diese Gefahr droht dann, wenn dieFolgen des Wandels lediglich ‚verwaltet'werden, seiner entscheidenden Ursacheaber, dem Geburtenrückgang, zu wenigentgegengesetzt wird. Oder auch: Wennmanche der Maßnahmen, mit denen wirdiesen Wandel bewältigen wollen, selbstwiederum dazu beitragen, den Geburten-rückgang zu verfestigen oder gar zu be-schleunigen", so das Fazit der Teilnehmerbeim 1. Forum Demographischer Wandeldes Bundespräsidenten.

Die in Deutschland betriebene Bevöl-kerungswissenschaft hat - auch aus histo-rischen Gründen - in den letzten 60Jahren die Determinanten der Fertilitätweniger untersucht als die anderen Kom-ponenten der Bevölkerungsgrundgleic-hung. Dieses Forschungsdefizit ist beson-ders spürbar im internationalen Vergleich.Durch verstärkte Forschungsanstreng-ungen im Bereich Fertilität hierzulandekönnte über die üblichen Transmissions-riemen zwischen Wissenschaft undGesellschaft auch der Wissensstand vonPublizisten und der Allgemeinbevölker-ung verbessert werden. Die öffentliche

Diskussion ist bisher noch durch Hysterieauf der einen und Gleichgültigkeit auf deranderen Seite gekennzeichnet.Um den Forschungsrückstand zu verrin-gern, setzt hier der Demografie-Preis desidz mit dem Thema "Wege zu mehrKindern in Deutschland unter den Rah-menbedingungen einer liberalen Gesell-schaftsordnung" an. Dieser soll Nach-wuchswissenschaftler dazu anregen, An-sätze zu entwickeln, inwieweit es möglichwäre, die Gesamtfertilität in Deutschland

zu steigern. Des Weiteren sollen die jun-gen Wissenschaftler konkrete Handlungs-empfehlungen für die relevanten Akteurein Deutschland, aus der Familien- undSozialpolitik anderer Länder mit einerhöheren Gesamtfertilitätsrate, ableiten.Möglichkeiten zur Steigerung der Ge-samtfertilitätsrate in der Ausschreibungdes Preises sind unter dem Aspekt einerliberalen Gesellschaftsordnung zu be-trachten, denn die Entscheidung zuKindern ist in unserer freien Gesellschaftzu Recht eine individuelle Entscheidung -jedoch mit gesamtgesellschaftlichen Aus-wirkungen. Auf dem Symposium "Wegezu mehr Kindern in Deutschland" wirdgezielt diskutiert werden, wie es Paarenerleichtert werden kann, bestehendeKinderwünsche - in Deutschland wollenFrauen im Durchschnitt 1,74 und Männer1,57 Kinder - in die Praxis umzusetzen. Eswird erörtert werden, warum die Kin-

derwünsche in anderen europäischen Län-dern teilweise höher sind.Bei genauer Betrachtung der Ursachen fürKinderlosigkeit stößt man immer wiederauf Gegebenheiten, die eine Vereinbarkeitvon Beruf und Familie schwierig, oder garunmöglich erscheinen lassen. Die Rollen-bilder bei Männern und Frauen imSpannungsfeld zwischen modernem Indi-vidualismus, verlängerter Adoleszenz undveränderten Bedingungen der Partnerwahlsind sicher auch ein Erklärungsbausteindes Puzzles. Kinder haben immer stärker‚expressiven Charakter', d.h. sie werdendann eingeplant, wenn sie ein Bedürfnisder Individuen erfüllen und somit zuihrem selbstgewählten Lebensentwurfbeitragen. Zudem gilt: Je mehr Flexibilitätund Mobilität der Beruf verlangt, destohöher sind Kinder- und auchPartnerlosigkeit.

Auch wenn der Staat möglicherweise be-grenzte Einflussmöglichkeiten hat, macht-los ist er nicht. Dass eine familienfreundli-che Politik in einem begrenzten RahmenWirkung auf die Geburtenrate hat, zeigenBeispiele wie Frankreich oder Estland.Die Aktivitäten des deutschen Staateshaben sich lange Zeit auf direkte finan-zielle Hilfen für Familien konzentriert.Deren Umfang ist - auch im europäischenVergleich - mit rund 150 Mrd. Euro imJahr beachtlich. Die Einführung desElterngeldes zum 1.1.2007 trug dazu bei,den Schwerpunkt hin zur Senkung derOpportunitätskosten für besser ausgebil-dete Frauen zu verschieben.

Der 1. Demografie-Preis für Nachwuchs-wissenschaftler und das Symposium wol-len den Forschungsstand auf diesem Ge-biet weiter hinausschieben und dadurchauch mittelbar eine gesellschaftliche undakademische Diskussion anregen. Ist esdoch Ziel des idz, den demografischenWandel in der öffentlichen Diskussion zuhalten, und die Zahl der Abschluss-

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Interna

– Öffentliches Symposium –Wege zu mehr Kindern in Deutschland

Verantwortung für Unternehmen, Staat und Gesellschaft

Freitag 09. November 2007 in Berlin

arbeiten und Dissertationen zu diesemThema zu erhöhen sowie Nachwuchs-wissenschaftler für die Demografie zubegeistern.Mit dem Demografie-Preis und dazuge-hörigem Symposium sollen Impulse ge-setzt werden, das Thema gesellschaftlichund auch akademisch bekannter zumachen.

VeranstalterDas Symposium wird vom Institut für de-mografische Zukunftsfähigkeit (idz), ei-nem Institut der Stiftung für die Rechtezukünftiger Generationen (SRzG), veran-staltet.

Die SRzG ist ein seit 1997 bestehendes,gemeinnütziges Forschungsinstitut an derSchnittstelle zwischen Wissenschaft,

Politik und Wirtschaft. Zweck der Stiftungist die Forschung zu den Themen Genera-tionengerechtigkeit und Nachhaltigkeit,insbesondere durch die Durchführungvon Bildungsprojekten, Organisation wis-senschaftlicher Tagungen sowie die Ver-öffentlichung wissenschaftlicher Publika-tionen. Hierzu gehören die Zeitschrift"GenerationenGerechtigkeit", (Auflage:3.000 / vierteljährlich) sowie das "Hand-buch Generationengerechtigkeit". DieSRzG beschäftigt im Schnitt achtFestangestellte und freie Mitarbeiter (mitsteigender Tendenz). Das Institut fürdemografische Zukunftsfähigkeit (idz) istein der SRzG angeschlossenes Institut,welches intern als eigenständige Einheitgeführt wird, jedoch keine eigene juristi-sche Person ist. Seine Aufgabe ist dieErforschung der demografischen The-

menkomplexe der Alterung und Schrum-pfung der Bevölkerung, der Entwicklungder Geburtenrate sowie der Binnen-migration und Einwanderungspolitik.

VeranstaltungsortDas Symposium findet in der Landesver-tretung des Freistaates Sachsen beimBund in Berlin statt. Der Tagungsortzeichnet sich durch seine ideale Lage, beigleichzeitigem thematischen Bezug zumdemografischen Wandel, aus.

TeilnehmerDas Symposium richtet sich an die inter-essierte Öffentlichkeit. Ein gemischterTeilnehmerkreis ist den Veranstaltern will-kommen, um möglichst viele Aspekte desThemas abzudecken.

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Datum Titel Sprecher bis 11 Uhr Individuelle Anreise der Teilnehmer 11.00-11.15 Grußwort des Schirmherren Wolfgang Tiefensee*

(Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung)

11.15-11.30 Begrüßung der Teilnehmer Hermann Winkler (Chef der Staatskanzlei des Freistaats Sachsen)

11.30-12.30 Einführungsvortrag zum Thema des Demografie-Preises, anschließend Diskussion

Prof. Dr. Rainer Dinkel (Lehrstuhl für Demographie und Ökonometrie, Universität Rostock)

12.30-13.30 Gemeinsames Mittagessen 13.30-16.00 Preisverleihung: „1. Demografie-Preises für

Nachwuchswissenschaftler 2006/2007“ in Höhe von 10.000 Euro „Wege zu mehr Kindern in Deutschland unter den Rahmenbedingungen einer liberalen Gesellschaftsordnung“ • Rede der Organisatoren (13.30-14.00) • Laudatio: Prof. Dr. Ulrich (14.00-14.30) • Preisverleihung und Fotos (14.30-15.00) • Vorstellung der Arbeiten durch die drei

Preisträger (jeweils 20 min)

Prof. Dr. Ralf Ulrich (Institut für Bevölkerungs- und Gesundheitsforschung, Universität Bielefeld)

16.00-16.15 Kaffee & Kuchen 16.15-18.30 Abschlussdiskussion:

Wege zu mehr Kindern in Deutschland – Verantwortung für Unternehmen, Staat und Gesellschaft

Prof. Dr. Dr. Helmut Schneider

(Forschungszentrum familienbewusste Personalpolitik, Universität Münster / Steinbeis-Hochschule Berlin),

Dr. Harald Michel

(Institut für angewandte Demografie, Berlin),

Hr. Ristau-Winkler (Leiter der Abteilung 2 "Familie, Wohlfahrtspflege, Bürger-schaftliches Engagement" des BMFSFJ)

anschließend Sektempfang, Ende der Veranstaltung

** = angefragt

Am 10.11.2006 haben mehr als 100Abgeordnete einen Gesetzent-wurf für Generationengerech-

tigkeit im Grundgesetz eingebracht. DieInitiative dazu ging von jungen MdB vonSPD, CDU-CSU, Grünen und FDP aus,nicht von den Fraktionsspitzen.Die Stiftung für die Rechte zukünftigerGenerationen hatte im Vorfeld drei Jahrean den Formulierungen des Antrags mit-gearbeitet. Wie die SRzG nun aus denKreisen der jungen Abgeordneten erfuhr,soll der Antrag im September 2007 behan-delt werden - tagsüber!Warum passierte seit November letztenJahres nicht mehr? Dies ist ein wichtiges

Lehrstück, wie Demokratie funktioniert.Eigentlich müssen Anträge innerhalbeines halben Jahres behandelt werden.Darauf haben die zumeist jungenAntragsteller aber nicht gepocht, weil ersonst eventuell zur Nachtzeit auf dieTagesordnung gesetzt worden wäre. Dieshätte bedeutet, dass er ohne jede Öffent-lichkeit ein stilles Ende im Protokollgefunden hätte. Ob ein Antrag tagsüberoder nachts auf die Tagesordnung gesetztwird, entscheiden die ParlamentarischenGeschäftsführer, wobei jede Partei ent-sprechend ihrer Größe Aufsetzungsrechtehat. Einzelne Abgeordnetengruppen sindhierbei oft auf das Wohlwollen der

Fraktionsspitze angewiesen. Bei diesemAntrag kommt hinzu, dass er interfraktio-nell ist und die kleinen Parteien nicht ihrewenigen Aufsetzungsrechte aufbrauchenwollten.Mit der dritten Lesung wird sich entschei-den, ob Deutschland zu der Länder-gruppe um Israel und Ungarn aufschließt,die Generationengerechtigkeit und Nach-haltigkeit in der Verfassung verankerthaben. Oder ob der Nachweltschutz beiuns weiterhin vernachlässigt wird.

Es bleibt spannend.

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Anmeldekarte

Grundgesetzänderung für mehr Generationengerechtigkeit:1. Lesung voraussichtlich im September 2007

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Wilton Park British-Ger9.-13. Juli 2007

von Dr. Jörg Tremmel

Eine liebliche Hügellandschaft wie das Au-enland aus dem Herrn der Ringe, übersät mitfriedlich weidenden Schafen. Mitten darinein mächtiges Schloss wie das Internat Hog-warts aus Harry Potter, dessen Hoch-sicherheitsschloss sich langsam öffnet, alsdas Taxi heranrollt. Das waren meine erstenEindrücke vom Wilton Park British-GermanForum 2007 (www.wiltonpark.org.uk). AufVorschlag des British Council durfte ich alseiner von 50 Vertretern der "nächsten Ge-neration" an dem jährlich stattfindendenForum teilnehmen. Das diesjährige Themalautete "Creating a sustainable future. How?"Der Fokus lag auf Energiepolitik. Die etwa30 deutschen und 20 britischen Teilnehmerstammten aus den Bereichen Wirtschaft,Verwaltung, Medien, Wissenschaft, Politikoder eben von NGO´s, so wie ich. JungeManager von BP und Shell waren darunter,Angestellte von britischen Lokalverwal-tungen, die deutsche Bundestagsabgeord-nete Anna Lührmann, Mitarbeiter vonThink-Tanks, und Journalisten, erstaunlichviele Journalisten. Diese mussten aber auf-passen, was sie schreiben, denn in WiltonPark gilt die Chatham Rule. Diese Regelbesagt, dass kein Redner ohne seine aus-drückliche Einwilligung mit Aussagen, die erz.B. während einer Diskussion gemacht hat,zitiert werden darf. Dies soll eine offeneRedekultur fördern. Wilton Park ist ein aka-demisches Zentrum für Diskussionen überinternationale Fragen, aber es ist auch eineaußenpolitische Institution der BritischenRegierung, genauer gesagt des Foreign andCommonwealth Office. Es wurde 1946 alsTeil einer Initiative von Winston Churchill

Wiston House in Wilton Park

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gegründet, um Demokratie und Properität inEuropa zu fördern. Etwa 60 Konferenzenpro Jahr werden u.a. zu den Bereichen"Sicherheit und Konfliktvermeidung", "Eu-ropäische Union" und "Nachhaltige Ent-wicklung" veranstaltet. Der normaleTeilnahmebeitrag ist jedoch bis zu 1000Pfund für eine 2 bis 3-tägige Konferenz.

Das diesjährige German-British-Forum warin jedem Fall eine sehr interessante und gutorganisierte Konferenz. Am ersten Tag schil-derte zunächst Hans Joachim Schellnhuber(Potsdam Institut für Klimaforschung) mitdramatischen Worten, was passiert, wenn dieMenschheit ihren Kurs in der Energie- undCO2-Politik nicht ändert, danach zog derKolumnist Dominic Lawson (The Inde-pendent, London) in Zweifel, dass wir aufKosten unserer Enkel leben (ein Devil´sAdvocate durfte nicht fehlen). Am nächstenTag wurde die meiste Zeit in Kleingruppendiskutiert, welchen Einfluss der einzelneKonsument hat, wie Europas Energiemixder Zukunft aussehen sollte und wie Europavom Klimawandel betroffen sein wird. Amdritten Tag machte die Gruppe eine Tourdurch das politische London - Gesprächemit britischen Parlamentarieren, ein Lunch inder Deutschen Botschaft und eine Tourdurch das Oberhaus standen auf demProgramm. Der vierte und letzte Tag wardann der Zusammenführung der verschiede-nen Stränge gewidmet. Dazu hörten wirnoch zahlreiche Referate und arbeiteten wie-der in Kleingruppen.

Alles in allem eine hochklassige und den-noch entspannte Konferenz, bei der auch dieRegel beachtet wurde, dass die wichtigstenGespräche in den Pausen stattfinden. An derHausbar war zwar um 23 Uhr Sperrstunde,aber auch das typisch englische Croquet-Game eignet sich ja sehr gut für intensiveGespräche. Die Konferenz - verbunden mitder Alumni-Mitgliedschaft - brachte michfachlich wie persönlich einen großen Schrittweiter. Mein Großbritannien-Bild, das vor-her aufgrund der Fixierung unserer Nach-barn auf den 2. Weltkrieg unvorteilhaft war,ist korrigiert worden. Von den Kontakten zujungen Briten werde ich sicher noch inZukunft bezüglich Stellensuche in Groß-britannien profitieren können - dies gilt na-türlich auch in umgekehrter Richtung.

man Forum 2007 Neue Mitarbeiter der SRzG

Maren Ziegler,23 Jahre

Mein Name ist MarenZiegler und ich bin 23Jahre jung. Ich studie-re im achten SemesterEuropäisches Ver-waltungsmanagement

an der Hochschule Harz und habe michfür ein fünfwöchiges Praktikum bei derSRzG entschieden, weil mich Themen wieGenerationengerechtigkeit und Nachhal-tigkeit interessieren.Bei früheren Praktika im Landtag vonSachsen-Anhalt und in einer französi-schen Verwaltungsbehörde bin ich bereitsmit demografischen Fragen in Kontaktgekommen, so dass ich diese Kenntnissenun erweitern möchte. Des Weiterenmöchte ich einen Einblick in die Arbeitdieser wissenschaftlichen Stiftung erhal-ten, bevor ich mit meiner Diplomarbeitbeginne.

Lucie Hanzlova,20 Jahre

An den BeruflichenSchulen in Lam-pertheim mache ichmeine schulische Aus-bildung als Fremd-sprachensekretärin.

Ich arbeite zur Zeit größtenteils an derInternetpräsenz in der tschechischenSprache, auch in Polnisch, Deutsch undEnglisch habe ich einige Aufgaben an derneuen Webseite übernommen. DasPraktikum bei der Stiftung habe ichgewählt, weil mich die Themen, mit denensich die Stiftung auseinandersetzt, interes-sieren und ich helfen möchte, die Ideender SRzG zu realisieren

Alexander Herrath,23 Jahre

Ich heiße AlexanderHerrath, bin 23 Jahrealt und studiere im6ten Semester Politik-wissenschaften an derJohann Wolfgang

Goethe-Universität Frankfurt am Main.Nachdem ich im Mai nach einem neunmonatigen Auslandsaufenthalt aus Zy-pern zurück gekehrt bin, absolviere ichnun für die drei Monate bei der SRzG/idz ein Praktikum.Bereits während meines Studiums habenmich die Themen demografischer Wandelund Nachhaltigkeit schon interessiert, undich hoffe, dass ich durch das Praktikummein Wissen in diesen Bereichen vertie-fen, sowie auch das Arbeiten in einer wis-senschaftlichen Stiftung kennen lernenkann.

Angela Wagner,21 Jahre

Mein Name ist An-gela Wagner, ich stu-diere im 4. SemesterGeographie undFranzösisch. Nachmeinem zweiseme-

strigen Aufenthalt in Dijon absolviere ichnun ein Praktikum bei der SRzG, wobeimich innerhalb der demographischenThematik vor allem Migration undBevölkerungsgeschichte interessieren.Des Weiteren ist es sehr interessant, dieArbeitsweise und Aufgaben einer Stiftungkennen zu lernen.

Was eine Kinderseele aus jedem Blick verspricht! So reich ist doch anHoffnung ein ganzer Frühling nicht./August Heinrich Hoffmann von Fallersleben/

Oliver Goetz,25 Jahre

Ich heiße OliverGoetz, bin 25 Jahrealt und stamme ausBraunschweig, wo ichauch an der ansässi-gen TU seit 2003

Soziologie im Hauptfach mit denNebenfächern Politologie und VWL stu-diere. Während meines zehnwöchigenPraktikums in der SRzG werde ich michum die Erstellung der Ausgabe 25 derGenerationengerechtigkeit mit dem The-ma "Gerechtigkeit" kümmern.Durch mein Praktikum hoffe ich, guteInspirationen für meine demnächst anste-hende Magisterarbeit zu bekommen. Ichfreue mich auf die zukünftige Arbeit unddas Zusammenleben mit den anderenPraktikanten.

Julia Köster,23 Jahre

Mein Name ist JuliaKöster und ich machemomentan ein acht-wöchiges Praktikumbei der SRzG. Ich stu-

diere Soziologie mit NebenfachPsychologie in Chemnitz. Ich habe michbei der Stiftung für ein Praktikum bewor-ben, da ich nun, gegen Ende meinesStudiums, gerne einen Einblick in diepraktische Umsetzung der Kenntnisseerhalten wollte, die mir an der Universitätvermittelt werden. Dabei ging es mirbesonders darum, den Umgang mitThemen wie Demografie "live" zu erlebenund an sozialwissenschaftlichen Projektenmitzuarbeiten, die sich mit der Zukunftder Gesellschaft beschäftigen.

Manuel D. Pollak,24 Jahre

Mein Name istManuel DominikPollak, ich bin 24Jahre alt und studierePolitikwissenschaft,Öffentliches Recht

und Philosophie im vierten Semester ander Universität Trier. Ich interessiere michbesonders für politische Philosophie undkönnte mir eine akademische Laufbahngut vorstellen. In der SRzG und im idzwerde ich zwei Monate als Praktikantarbeiten. Besonders die Möglichkeit, diepraktische Seite verschiedener Disziplinenin den Sozialwissenschaften kennen zulernen, ist in der Stiftung gegeben.Interessant sind hier für mich die entwik-kelten Ansätze zur Umsetzung von mehrGerechtigkeit zwischen den Generationenin einer stark individualisierten Gesell-schaft.Vor meinem Studium habe ich 20 MonateWehrdienst bei der Deutschen Marine inWilhelmshaven geleistet.

Viola Hamann,24 Jahre

Mein Name ist ViolaHamann, ich bin 24Jahre alt und studiereFranzösische Philo-logie, Allgemeine und

Vergleichende Literaturwissenschaft;Medienwissenschaft und das ZusatzfachDeutsch als Fremdsprache im 7tenSemester an der Universität Potsdam.Nach meinem zehnmonatigen Erasmus-aufenthalt in Brüssel, Belgien und Cluj-Napoca, Rumänien, absolviere ich nun biszum Beginn des Wintersemesters2007/08 ein 2monatiges Praktikum in derSRzG.Durch dieses Praktikum erhoffe ich mir,mehr Einblick in die Stiftung zu bekom-men und mehr zum Thema Generatio-nengerechtigkeit und Nachhaltigkeit zuerfahren. Ein wichtiger Teil meiner Arbeitwird der Generationengerechtigkeitspreisder SRzG sein.

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Weitere neue Mitarbeiter der SRzG

Damit die Zeit bis zur kommendenAusgabe der GenerationenGerechtigkeit!kurzweilig bleibt, haben wir Ihnen hiereinige interessante Web-Links zusammen-gestellt. Weitere Links finden Sie auchhier:http://www.demografie.net/front_con-tent.php?idcat=20

Bertelsmann Stiftung – Aktion 2050"Aktion demografischer Wandel“ ist einQuerschnittsprojekt der BertelsmannStiftung. Die Site bietet aktuelle Studien,Projekte, Hintergrundinfos undLösungsansätze.http://www.aktion2050.de/cps/rde/xchg/aktion/hs.xsl/index.html

Bevölkerungs- und Gesundheitsfor-schung Uni BielefeldAG Demografie und Gesundheit desInstituts für Bevölkerungs- undGesundheitsforschung der UniversitätBielefeld.http://www.uni-bielefeld.de /gesundhw/ag8/

BIB DemografieAlle Statistiken des Bundesinstitutes fürBevölkerungsforschung.h t t p : / / w w w. b i b - d e m o g r a p h i e . d e/index2.htm

Demographie FrankreichSeite des "Institut national d’études démo-graphiques“, die relevante Daten über fastalle Länder weltweit bietet.http://www.ined.fr/englishversion/figu-res/world/index.html

Demographie und ÖkonometrieLehrstuhl für Demographie und Ökono-metrie an der Universität Rostock,Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Dinkel.http://www.wiwi.uni-rostock.de/%7Edemograf/Html/index.html

Demographischer NewsletterDer Newsletter DEMOS des Berlin-Instituts informiert über demographischeVeränderungen und deren Auswirkungenauf Politik, Entwicklung, Wirtschaft undGesellschaft.http://www.berlin-institut.org/newslet-ter_20september04.html

Interessante Links

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Herausgeber: Stiftung für die Rechte zukünftigerGenerationen (SRzG), Adresse siehe Redaktionsanschrift

Chefredaktion: Dr. Jörg Tremmel, Jan Häußler, AlexanderHerrath

Redaktion: Maren Ziegler, Lucie Hanzlova, Angela Wagner,Oliver Goetz, Julia Köster, Manuel D. Pollak, Viola Hamann

Layout: Frank Schmilowski

Konzept: Dr. Jörg Tremmel

Druck: LokayDruck, Königsberger Str. 3, 64354 Reinheim(www.lokay.de)

Verlag: Eigenverlag, Oberursel, Adresse sieheRedaktionsanschrift

Redaktionsanschrift: SRzG, Postfach 5115, 61422 Oberursel,Tel.: 06171-982367, Fax: 06171-952566,Email: [email protected], www.srzg.de

ISSN 1617-1799

Auflage: 8.000 Stück

Quelle Titelfoto: www.pixelio.de

Die GenerationenGerechtigkeit! (GG!) wird ausschließlichehrenamtlich erstellt und erscheint vierteljährlich. Sie möchte dasBewusstsein unserer Verantwortung für kommende Generati-onen fördern und gleichzeitig themenbezogen über aktuelleEntwicklungen rund um Generationengerechtigkeit undNachhaltigkeit informieren. Außerdem berichtet sie über dieArbeit der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen(SRzG) und über generationengerechte Projekte andererOrganisationen. Pro Jahr gibt es vier Ausgaben. Diese erscheinenin deutsch, englisch oder als zweisprachige Ausgaben (davon bis-her zwei Mal deutsch-französisch, je einmal deutsch-polnischund deutsch-spanisch).

Das Jahresabo kostet 25 Euro und ist im Voraus für ein Jahr zubezahlen. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zumJahresende. Wir wären Ihnen dankbar für eine Einzugser-mächtigung (siehe letzte Seite). Dies erspart Ihnen den Gang zurBank und uns teure Mahnbriefe.

Die veröffentlichten Beiträge geben nicht unbedingt die Ansichtder Mitglieder der Organe der SRzG wieder. Bei korrekter Zitier-weise und Übersendung eines Belegexemplars ist der Abdruckvon Artikeln erlaubt. Alle anderen Rechte vorbehalten. KeineGewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität.

Das Papier, auf dem die GenerationenGerechtigkeit! gedrucktwird, ist zertifiziert mit dem Blauen Umweltengel.

Das älteste Umweltzeichen der Welt: Der Blaue Engel ist dieerste und älteste Umwelt-Kennzeichnung der Welt für Produkteund Dienstleistungen.Sie wurde 1977 ins Leben gerufen. Und zwar als Instrument derUmweltpolitik, mit dem die positiven Eigenschaften vonAngeboten gekennzeichnet werden sollen. Damit stärkt es dieökologischen Aspekte im Wettbewerb und trägt entscheidenddazu bei, den Strukturwandel der Wirtschaft in Richtung nach-haltige Entwicklung zu beschleunigen. Und das mit wachsendemErfolg: Heute tragen rund 3.700 Produkte und Dienstleistungenin 80 Produktkategorien den Blauen Engel.

Beständige Kriterien:Der Blaue Engel zeichnet Angebote aus, die in ihrer ganzheitli-chen Betrachtung besonders umweltfreundlich sind und zugleichhohe Ansprüche an den Gesundheits- und Arbeitsschutz sowiean die Gebrauchstauglichkeit erfüllen.Bezogen auf Papier bedeutet das konkret:

Die Produkte müssen aus 100 % Altpapier bestehenVerzicht auf umweltbelastende Produktionschemikalien und

BleichmittelVerzicht auf Oberflächenbehandlung und umweltbelastende

FärbemittelSparsamer Einsatz von RohstoffenGeringer EnergieverbrauchUmweltgerechte Entsorgung

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Hiermit beantrage ich die Mitgliedschaft im Förderverein der “Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen”.

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Hiermit ermächtige ich die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRzG), meinen Förderbeitrag (Spende) in Höhe von _______€ jährlichbei Fälligkeit (im Dezember) zu Lasten meines/unseres (bei Gemeinschaftskonten) Kontos mittels Lastschrift bis auf Widerruf einzuziehen. Wennmein/unser Konto die erforderliche Deckung nicht aufweist, besteht seitens der kontoführenden Bank keine Verpflichtung zur Einlösung.

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Konto-Nr. bei der (Name der Bank)

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SRzG, Postfach 5115, 61422 Oberursel, PVSt., DPAG, Entgelt bezahlt, D 54906