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Grundlagen der Chemie und Physik zum Verständnis der Werkstoffkunde
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WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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Approaches of materials teaching:
nach M.F. ASHBY, Teaching Materials and Processes to First and Second Year Students
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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Frage des Tages
Wie lassen sich die unter-
schiedlichen Eigenschaften
der Werkstoffe erklären?
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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Stoffeigenschaften = 𝑓(Struktur)
Hauptsatz der Werkstoffkunde
Umgekehrt gilt: Die Struktur prägt die Eigenschaften eines Werkstoffes,
Strukturänderungen führen zu Änderungen der Eigenschaften.
Strukturänderungen sind z.B. das „Werkzeug“ bei den Verfahren der
Wärmebehandlung der Stähle und treten auch bei Fertigungsverfahren auf.
Bsp.: Härten/Vergüten von Stählen, Weichglühen gehärteter Stähle
Blick auf die atomare Struktur der Werkstoffe und die Kräfte, die die Teil-
chen zusammenhält (Theorie der chemischen Bindung)
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
1.3. KRISTALLE
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1. AUFBAU DER MATERIE
1.1. ATOME UND ELEMENTE
1.2. GRUNDLAGEN DER CHEMISCHEN BINDUNG
Teil A
Metalle
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Atome und Elemente
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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„If, in some cataclysm, all of scientific knowledge were to be destro-
yed, and only one sentence passed on the next generations of crea-
tures, what statement would contain the most information in the few-
est words?
I believe it is the atomic hypothesis (or the atom fact, or whatever you
wish to call it) that all things are made of atoms – little particles that
move around in perpetual motion, attracting each other when they are
a little distance apart, but repelling upon being squeezed into one an-
other.“
Richard Feynman, Lectures on Physics (1963)
Atome
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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Struktur/Strukturhierarchie der Materie nach heutigem Wissensstand:
Atome Atombau
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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Von einer Idee über eine Hypothese…
DEMOKRIT VON ABDERA (460 – 371 v.Chr.)
„Vater“ der Atomtheorie
Atome bestehen alle aus dem gleichen Stoff, unter-
scheiden sich in Gestalt, Masse und Anordnung
JOHN DALTON (1766 – 1844)
„A New System of Philosophy“ (1809)
Atome Atombau
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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…zu den Architekten der modernen Vorstellung vom Atom:
MAX PLANCK (1858 – 1947)
Quantenhypothese (1900) – Widerlegung des Lehrsatzes
„Natura non facit saltus.“
NIELS BOHR (1885 – 1962)
Atommodell (1913): Atome haben stationäre
Zustände mit diskreten Energieniveaus für El-
ektronen
ERWIN SCHRÖDINGER (1887 – 1961)
Wellengleichung (1926): HΨ = EΨ Grundlage des Orbitalmodells
Atome Atombau
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„Steckbriefe“ der atomaren Elementarteilchen:
Atome Atombau
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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Atomkern:
Anzahl der Protonen (= Ordnungszahl) bestimmt Atomart (= Element)
Durchmesser: um 10 fm, Dichte: um 1014 g/cm3
starke Kernkräfte (100fach stärker als elektrostatische Kräfte, aber nur kur-
ze Reichweite) bewirken Zusammenhalt des Kerns
Kern, Kernaufbau und –eigenschaften für Chemie weitgehend irrelevant
Atomhülle:
Veränderungen in der Atomhülle (Elektronenaufnahme bzw.
–abgabe) sind Grundlage der chemischen Reaktionen und
vieler anderer Eigenschaften (z.B. Farbe) – Elektronen ver-
mitteln außerdem die chemische Bindung!
etwa 10000fach größer als Atomkern
„Chemie ist Physik der Atomhülle.“
Atome Atombau
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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NIELS BOHR begründete 1913 mit seiner Arbeit „On the Constitution of Atoms
and Molecules“ sein Atommodell, dem er zentrale Postulate voranstellt:
Die Elektronen bewegen sich auf ganz bestimmten Kreisbahnen (Schalen) um
den Atomkern. Die Schalen wurden später mit K, L, usw. bezeichnet:
Die Elektronen absorbieren bzw. emittieren Energie nur bei quantisierten
Übergängen zwischen
den Niveaus:
Absorption von Energie Emission von Energie
E E
Atome BOHRsches Atommodell
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Quantenzahlen dienen im Modell zur Beschreibung der Energiezustände von
Elektronen im Atom:
Quantenzahl mögliche Werte Bedeutung
Hauptquantenzahl 𝑛 𝑛 = 1, 2, 3, …
K-, L-, M-Schale
grundlegendes Energie-
niveau
Nebenquantenzahl 𝑙 𝑙 = 0, 1, 2, …, 𝑛-1
s-, p-, d-Unterschale
feineres Energieniveau
Magnetquantenzahl 𝒎 𝒎 = 0, ±1, ±2, …, ±𝑙 magnetische Eigenschaften
des Elektrons
Spinquantenzahl 𝒔 𝒔 = ±½ Eigenrotation des Elek-
trons
Atome BOHRsches Atommodell
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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BOHRsches Atommodell erklärt bestimmte Phänomene ausreichend gut,
u.a..:
Absorptions-/Emissionsspektren der Elemente sowie spektrale Übergänge
Modell weist viele Schwächen und Widersprüche auf, z.B. kann das Zustan-
dekommen von chemischen Bindungen nicht erklärt werden.
Entwicklung des quantenmechanischen Orbitalmodells
Atome BOHRsches Atommodell
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Quantenmechanisches Orbitalmodell I:
trotz Erweiterungen ( BOHR-SOMMERFELD-Modell) war mit der Formulierung
der Quantenmechanik Mitte der 1920er Jahre die Vorstellung eines „Plane-
tenmodells“ der Atome nicht länger haltbar
Welle-Teilchen-Dualismus: DE BROGLIE konnte 1924 zeigen, daß
Teilchen wie Elektronen auch Welleneigenschaften aufweisen
DE-BROGLIE-Gleichung: 𝜆 = 𝘩/𝘱
HEISENBERGsche Unschärferelation (1927): Bestimmte Meß-
größen (z.B. Ort und Impuls) können nicht gleichzeitig belie-
big genau ermittelt werden.
Atome Quantenmechanik
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Quantenmechanisches Orbitalmodell II:
SCHRÖDINGER-Gleichung (1926): Hψ = E ψ
Berechnung der energetisch unterschiedlichen Zustände des
H-Atoms als stehende Wellen
Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte |ψ|2 macht Aussagen über den Aufenthaltsort eines
Elektrons (BORNsche Wahrscheinlichkeitsinter-
pretation)
1s-Funktion eines H-Atoms
Atome Quantenmechanik
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Orbital: Aufenthaltsraum, in dem sich das beobachtet Elektron mit 90%
Wahrscheinlichkeit aufhält
definierte Trajektorien (BOHRsches Atommodell) → stochastische Verteilung
charakteristische Formen für verschiedene Werte von 𝑙: 𝑙 = 0 (s-Orbitale): kugelsymmetrisch (𝑚 = 0 einfach entartet)
𝑙 = 1 (p-Orbitale): hantelförmig (𝑚 = 0, ±1 dreifach entartet)
𝑙 = 2 (d-Orbitale): doppelhantelförmig (𝑚 = 0, ±1, ±2 fünffach entartet)
𝑙 = 3 (f-Orbitale): komplizierte Symmetrie (𝑚 = 0, ±1, ±2, ±3 sieben-
fach entartet)
Atome Quantenmechanik
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Energie
1s
2s
3s
2p
3p
↑
↑
↓
↓
↑ ↓ ↑ ↑ ↓ ↓
↑
Wasserstoff, H:
Helium, He:
Lithium, Li:
Beryllium, Be:
Bor, B:
Kohlenstoff, C:
Stickstoff, N:
Sauerstoff, O:
Fluor, F:
Neon, Ne:
Natrium, Na:
1s1
1s2 K-Schale abgeschlossen
1s2 2s1
1s2 2s2
1s2 2s22p1
1s2 2s22p2
1s2 2s22p3
1s2 2s22p4
1s2 2s22p5
1s2 2s22p6 L-Schale abgeschlossen
1s2 2s22p6 3s1 Besetzungsschema
HUNDsche Regel
PAULI-Prinzip
Atome Quantenmechanik
Besetzungsschema
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PAULI-Prinzip (1925):
„In einem Atom dürfen zwei Elektronen nicht
in allen vier Quantenzahlen übereinstimmen.“
Ein Orbital kann maximal zwei Elektronen aufnehmen.
PAULI-HUND-Hotel
HUNDsche Regel (1927):
„Der Gesamtspin 𝑆 eines Atoms nimmt den maximal möglichen Wert an,
die Spins der einzelnen Elektronen 𝑠i stehen also möglichst parallel.“
Energetisch gleiche („entartete“) Niveaus werden
zunächst einzeln, dann doppelt besetzt.
Atome Quantenmechanik
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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Reihenfolge der Orbitalbesetzung:
16S: 1s2 2s22p6 3s23p4
26Fe: 1s2 2s22p6 3s23p63d6 4s2
79Au: 1s2 2s22p6 3s23p63d10 4s24p64d104f14 5s25p65d10 6s1
Valenzelektronen
Atome Quantenmechanik
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mögliche Elektronenkonfigurationen bei den ersten drei HQz:
Atome Quantenmechanik
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Darstellung der HUNDschen Regel bei den Elementen der 2. Periode:
Atome Quantenmechanik
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Elektronenkonfiguration der Hauptgruppenelemente:
Atome Quantenmechanik
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Chemische Elemente:
ROBERT BOYLE in „The Sceptical Chymist“ (1661):
Grundstoffe, die sich mit chemischen Methoden nicht weiter auftrennen
lassen
Gold Eisen Schwefel
Elemente
„ …
”
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Elemente als Bestandteil der Stoffsystematik:
Reinstoffe
Verbindung Elemente
Schwefel, Eisen,
Gold usw.
Wasser, Kochsalz
usw.
TRENNUNG:
Elektrolyse, Thermolyse usw.
chemische Trennverfahren
Gemische
heterogen homogen
Bronze, Messing,
Luft usw. Granit, Erze usw.
TRENNUNG:
Destillation, Extraktion, Flotation, Filtrie-
ren, Sedimentieren/Dekantieren usw.
physikalische Trennverfahren
STOFFE
Elemente
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Elementhäufigkeit in der Erdkruste (bis etwa 40 km Tiefe):
Elemente
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Definition des Begriffes „chemisches Element“:
chemical element (IUPAC, „Gold book“):
1. A species of atoms; all atoms with the same protons in the atomic
nucleus,
2. A pure chemical substance composed of atoms with the same number of
protons in the atomic nucleus. Sometimes this concept is called the
elementary substance as distinct from the chemical element as defined
under 1, but mostly the term chemical element is used for both concepts.
Ergänzung: Atome von Reinelementen bestehen nur aus einem einzigen Nuklid
(z.B. 9F, 13Al), solche von Mischelementen zeigen eine Isotopenverteilung
(z.B.: 6C: 12C, 13C, 14C).
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Elemente
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Periodensystem
der Elemente (1869):
D.I. MENDELEJEW
L. MEYER
Elemente
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Ia IIa IIIb IVb Vb VIb VIIb VIIIb Ib IIb IIIa IVa Va VIa VIIa VIIIa
Periodensystem der Elemente: Gruppenbezeichnungen
Alk
alim
eta
lle
Erd
alka
lime
talle
Erd
me
talle
Ko
hle
nst
off
-Gru
pp
e
Pn
iko
gen
e
Ch
alko
gen
e
Hal
oge
ne
Ede
lgas
e
Nebengruppenelemente d-Elemente
Haupt- gruppenelemente
Übergangsmetalle
Lanthanoide (Seltenerdmetalle)
Actinoide (einschl. Transurane)
s- p-Elemente
f-Elemente
Elemente
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Metalle, Halbmetalle und Nichtmetalle im Periodensystem der Elemente:
Elemente
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Modifikationen: Elemente und Verbindungen können je nach Bedingungen
(Temperatur, Druck usw.) in verschiedenen festen Zustandsformen existieren
Verbindungen: Polymorphie
Eis: 16 kristalline Formen (Eis Ih, Ic, II – XV), dazu fünf amorphe Vertreter)
Elemente: Allotropie
Kohlenstoff: u.a. Diamant, Graphit Phosphor: weiß, rot, schwarz usw. Eisen: α-Eisen, γ-Eisen, δ-Eisen
Elemente
E. MITSCHERLICH
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Kohlenstoff – „klassische“ Modifikationen: Graphit und Diamant
sehr ungleiche „Brüder“
Elemente
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Graphit und Diamant: gravierende Unterschiede in der Struktur führen zu
Eigenschaftsunterschieden
Graphit-Struktur: zweidimensionale Schichtstruktur
mit delokalisierten Elektronen
Diamant-Struktur: dreidimensionales Netzwerk,
keine delokalisierten Elektronen
Elemente
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Kohlenstoff – neuartige Modifikationen: Fullerene, Nanotubes und Graphen
Fullerene (Nobelpreis 1996)
sphärische Moleküle mit hoher
Symmetrie (C60 Fußball)
Nanotubes
Graphen (Nobelpreis 2010)
Monolayer von C-Atomen
E-Modul mit Diamant vergleichbar, Zug-
festigkeit 125mal höher als Stahl,
Dichte ca. 0,8 mg/m2 (!)
Elemente
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Phosphors „Farbenspiel“: weißer, roter, violetter und schwarzer Phosphor
Elemente
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Polymorphie von Eis:
Struktur von normalem Eis (Eis Ih)
Zustandsdiagramm von Eis (vereinfacht)
Elemente
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Zustands- oder Phasendiagramme von Reinstoffen ohne Anomalie (z.B. CO2):
Temperatur-Druck-Diagramm (T-p-Diagramm)
Phasengrenzlinien
kritischer Punkt, CP
Tripelpunkt, TP
Elemente
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Zustands- oder Phasendiagramme von Reinstoffen mit Anomalie (z.B. H2O):
negative Steigung der Schmelzdruckkurve:
Wasser kann durch Druckerhöhung bei niedri-
geren Drücken (bis etwa 2000 bar) nicht zu
Eis verfestigt werden;
Eis besitzt eine geringere Dichte als Was-
ser
Elemente
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GIBBSsche Phasenregel (1876):
Im thermodynamischen Gleichgewicht können nicht beliebig
viele Phasen gleichzeitig nebeneinander vorliegen.
Für die Zahl der Freiheitsgrade 𝑓 gilt:
𝑓 = N – P + 2
N: Zahl der Komponenten
P: Zahl der Phasen
Elemente
Bsp.: N = 1, P = 1, 𝑓 = 2 p und T variabel (Phasengebiet)
N = 1, P = 2, 𝑓 = 1 p oder T variabel (Phasengrenzlinie)
N = 1, P = 3, 𝑓 = 0 p und T festgelegt (Tripelpunkt)
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Grundlagen der
chemischen Bindung
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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Frage des Tages
Warum gehen Atome
chemische Bindungen ein?
(Schließlich sollten sie sich aufgrund der elektrostatischen
Wechselwirkung zwischen den Atomhüllen abstoßen!!!)
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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LENNARD-JONES-Potential (1924):
Beschreibung der Wechselwirkung zwischen ungeladenen, unge-
bundenen Atomen: bei großer Entfernung überwiegt Anziehung,
bei kleinem Abstand dominiert Abstoßung
anziehende Kräfte: LONDON-Kräfte, VAN-DER-WAALS-Kräfte, permanente Dipol-
Dipol-Wechselwirkungen
FA ~ C/r7 V ~ - C/r6 (da V = - dF/dr)
abstoßende Kräfte: elektrostatische Abstoßung der Elektronenhülle (PAULI-
Repulsion)
FR ~ - C/r13 V ~ C/r12
(12,6)-Potential: V(r) = 4ε[(σ/r)12 – (σ/r)6] = ε[(rm/r)12 – 2(rm/r)6]
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LENNARD-JONES-(12,6)-Potential:
~ C/r12
~ - C/r6
Parameter:
V: Potential
r: Kernabstand
rm: Gleichgewichtsabstand
rm = 21/6 r
ε: Gleichgewichtsenergie
σ: r(V = 0)
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Chemische Bindung
Ionenbindung
metallische
Bindung
Elektronenpaarbindung
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Ionen-bindung
Ionenbindung:
exotherme Reaktion von Metallen mit Nichtmetallen führt zur Bildung von
Salzen:
2 Na (s) + Cl2 (g) → 2 NaCl (s) + Energie
Redox-Reaktion: Abgabe/Aufnahme von Elektronen Bildung von Ionen
Kationen (positiv geladen)
Anionen (negativ geladen)
Metalle: Elektronendonatoren ( Kationen)
Nichtmetalle: Elektronenakzeptoren ( Anionen)
Ziel: Elektronenoktett/Edelgaskonfiguration
(KOSSEL 1916)
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Bildung eines Ionengitters: BORN-HABER-Kreisprozeß
Ionen-bindung
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Anziehung/Abstoßung der Ionen: COULOMB-Kräfte
COULOMBsches Gesetz: F(r) = 1/4πε0 • q1q2/r2
COULOMB-Potential: U(r) ~ 1/r
Kation + Anion → Ionenpaar → Ionengitter
Ionengitter:
sehr regelmäßig (COULOMB-Kräfte sind radialsymmetrisch)
Eigenschaften von Ionenverbindungen (Salze):
hohe Schmelzpunkte/hohe Siedepunkte
elektrisch leitend in Schmelze/Lösung (Leiter 2. Ordnung)
hart/spröde: keine plastische Verformung
Ionen-bindung
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physikalische Daten von Ionenverbindungen - Beispiele:
Ionen-bindung
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Typ des Kristallsystems abhängig vom Ionenradienverhältnis:
rK/rA < 0,414 (Kationenradius sehr viel kleiner als Anionenradius)
Zinkblende- oder Zinksulfid-Gitter (ZnS-Gitter)
Zahl der jeweils nächsten Nach-
barn im Ionengitter gleich 4
Koordinationszahl (KoZ) 4
AB-System
Ionen-bindung
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0,414 < rK/rA < 0,732 (Kationenradius kleiner als Anionenradius)
Kochsalz- oder Natriumchlorid-Gitter (NaCl-Gitter)
KoZ 6
AB-System
Ionen-bindung
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rK/rA > 0,732 (Kationenradius ≈ Anionenradius)
Caesiumchlorid-Gitter (CsCl-Gitter) – kubisch-raumzentriertes Gitter
KoZ 8
AB-System
Ionen-bindung
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AB2-System
Calciumfluorid- oder Fluorit-Gitter (CaF2-Gitter)
KoZ 8 (für Ca),
KoZ 4 (für F)
Ionen-bindung
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A2B-System
Lithiumoxid- oder Antifluorit-Gitter (anti-CaF2-Gitter)
KoZ 4 (für Li),
KoZ 8 (für O)
Ionen-bindung
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Elektronen-paarbindung
Elektronenpaarbindung:
Normalfall: Bindungen zwischen Nichtmetallen
LEWIS-Konzept: Annahme von Bindungselektronenpaaren, die
zwischen zwei Atomen aus ungepaarten Elektronen der äußeren
Schale (Valenzschale) gebildet werden
Elektronenoktett ist hier nur durch gemeinsame Benutzung von
einem oder mehreren Elektronenpaaren möglich:
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Elektronenpaarbindung II:
in Abhängigkeit von der Zahl der Valenzelektronen kommt es zu Einfach-,
Doppel- und Dreifachbindungen:
+ → H ─ H Einfachbindung (Elektronendublett!)
+ → Einfachbindung
+ → Doppelbindung
+ → Dreifachbindung
Oktettaufweitung:
(unter Beteiligung von d-Orbitalen)
S P
56
Elektronen-paarbindung
F │ ─
─ •
H •
O │ ─
• •
F │ ─
─ •
O │ ─
• •
N │ •
• •
N │ •
• •
H •
F │ ─
─ ─ F │
─
─
O │ ─
─ ─ O │ ─
N │ N │ ─ ─ ─
O
O
O
‖ l
l
l
F
F
F F
F
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Elektronen-paarbindung
Elektronenpaarbindung III:
Es gilt näherungsweise: Je höher die Bindungsordnung ist, desto größer ist
die Bindungsenergie und desto geringer ist der Bindungsabstand:
Spezies Name Bindungs-
ordnung
Bindungs-
länge
Bindungs-
enthalpie
O2+ Dioxygenyl-Kation 2,5 112 pm 632 kJ/mol
O2 Sauerstoff 2,0 121 pm 493 kJ/mol
O2- Hyperoxid-Anion 1,5 126 pm 398 kJ/mol
O22- Peroxid-Anion 1,0 149 pm 139 kJ/mol
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Elektronen-paarbindung
Elektronenpaarbindung IV:
Bei der Formulierung der LEWIS-Formeln können Formalladungen auftreten:
Kohlenstoffmonooxid, CO:
Nitrosyltrifluorid, NOF3:
Mesomerie: Bindungsverhältnisse in einem Molekül lassen sich manchmal
nicht durch eine einzige LEWIS-Formel darstellen:
Benzol, C6H6:
O │ C │ ─ ─ ─ C │ O │ ─
─ ─ X ⊕ ⊖
F
O
F
‖ N
F F
O
F N
F
⊕
⊖
X
↔ Bindungsordnung 1,5 Bindungslänge
zwischen Einfach- und Doppelbindung
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Elektronen-paarbindung
Molekülgitter:
Gitterkräfte: LONDON-Kräfte, VAN-DER-WAALS-Kräfte u.ä.
Eigenschaften von Molekülverbindungen:
niedrige Schmelzpunkte, oft Zersetzung vor Erreichen des Kp.
elektrische Isolatoren
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Elektronen-paarbindung
Vorhersage von Molekülgeometrien: VSEPR-Modell
GILLESPIE und NYHOLM entwickelten dieses Modell 1957
auf der Grundlage einfacher elektrostatischer Über-
legungen
Valence Shell Electron Pair Repulsion
Atome bzw. Atomgruppen (sogenannte Liganden L) ordnen sich so aufgrund
der elektrostatischen Abstoßung so um ein Zentralatom Z im Mittelpunkt
einer gedachten Kugel an, daß sie maximalen Abstand voneinander besitzen
freie (d.h. nicht-bindende) Elektronenpaare können wie weitere Liganden
behandelt werden, sie nehmen aber – ebenso wie Doppelbindungen – mehr
Platz ein
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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Elektronen-paarbindung
VSEPR-Modell: Molekülgeometrien
WERKSTOFFE 1.1 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, Dezember 2013
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Elektronen-paarbindung
… a closer look on molecular structure: MO-Modell (HUND/MULLIKAN ab 1928)
LEWIS-Konzept und VSEPR-Modell stellen nützliche Mittel zur
Beschreibung von Molekülstrukturen dar, sind aber nichts-
destoweniger starke Vereinfachungen, die bestimmte Phäno-
mene nicht erklären können, z.B. den Paramagnetismus von
molekularem Sauerstoff, O2
Molekül: Ansammlung von Atomkernen und zugehörigen Elek-
tronen, wobei alle Teilchen untereinander in Wechselwirkung
stehen, auch die Elektronen innerer Schalen
quantenmechanisches Molekülorbital-Modell (MO-Modell)
Nobelpreis für Chemie 1966 an ROBERT S. MULLIKAN „for his fundamental
work concerning chemical bonds and the electronic structure of mole-cules by the molecular orbital method”.
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Elektronen-paarbindung
MO-Theorie: Linearkombination von Atomorbitalen (LCAO-Methode)
Kombination von Atomorbitalen (AO) führt zu Molekülorbitalen (MO), wobei
gilt: Jeweils zwei AO ergeben immer zwei MO, ein energieärmeres bindendes
MO und ein energiereicheres antibindendes MO.
Kombination von s-AO führt zu σ- bzw. σ*-MO, die Kombination von p-AO
führt zu π- bzw. π*-MO.
Besetzung der MO erfolgt nach PAULI-Prinzip und HUNDscher Regel
Bsp.: Wasserstoff, H2
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Elektronen-paarbindung
MO-Diagramme von zweiatomigen Elementmolekülen (Li2 bis N2):
2p
↑ ↑ ↑
Atomorbitale
↑ ↓ ↑ ↓
↑ ↓
Molekülorbitale
2p
↑ ↑ ↑
Atomorbitale
Energie
Lithium, Li Li2
Beryllium, Be Be2
Bor, B B2
Kohlenstoff, C C2
Stickstoff, N N2
X 2s
↑ ↓
↑ ↓
↑ ↓
2s
↑ ↓
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Elektronen-paarbindung
MO-Diagramme von zweiatomigen Elementmolekülen (O2 bis Ne2)
2p
↑ ↓ ↑ ↑ ↓ ↓
Atomorbitale
↑ ↓ ↑ ↓
↑ ↓
Molekülorbitale
2p
↑ ↓ ↑ ↑ ↓ ↓
Atomorbitale
Energie ↑ ↓
↑ ↓ ↑ ↓
Sauerstoff, O O2
Fluor, F F2
Neon, Ne Ne2 X
2s
↑ ↓
↑ ↓
↑ ↓
2s
↑ ↓
O │ ─
─ O │ ─
Diradikal
O2 kommt neben nicht nur im „Triplett-zustand“ (3O2), sondern angeregt auch als „Singulett-Sauerstoff“ (1O2) mit ge-paarten Elektronen (⇅) vor. Dieser wandelt sich unter Licht-Emission wie-der in 3O2 um: 2 1O2 → 2 3O2
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Elektronen-paarbindung
Spezies Bindungs-
länge
Bindungs-
enthalpie
Bindungs-
ordnung Bemerkung
Li2 267 pm 105 kJ/mol 1 Diamagnetisches Molekül existiert in
der Gasphase.
Be2 245 pm 9 kJ/mol 0
B2 159 pm 289 kJ/mol 1 Paramagnetisches B2 nachgewiesen
bei sehr hohen Temperaturen.
C2 124 pm 599 kJ/mol 2 Diamagnetisches Molekül existiert bei
sehr hohen Temperaturen.
N2 110 pm 942 kJ/mol 3 Diamagnetisch.
O2 121 pm 494 kJ/mol 2 Paramagnetisch.
F2 141 pm 154 kJ/mol 1 Diamagnetisch.
Ne2 - - 0
Homonukleare Elementmoleküle der 2. Periode – Übersicht:
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Elektronen-paarbindung
MO-Theorie ist auch auf kompliziertere Verhältnisse anwendbar:
MO-Schema von Mo2 mit einer Sechsfachbindung!
MO-Schema von Ferrocen, (C5H5)2Fe
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vier typische Eigenschaften:
metallische Bindung
gute elektrische Leitfähigkeit
gute Wärmeleitfähigkeit
gute Verformbarkeit (Duktilität)
metallischer Glanz
Metalle
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Elektronengasmodell der metallischen Bindung:
Metallatome besitzen aufgrund ihrer Stellung im PSE wenige Valenzelektro-
nen Elektronenoktett durch Elektronenpaarbindung nicht möglich
Modellvorstellung: Abgabe der Valenzelektronen an die Umgebung als frei
bewegliches „Elektronengas“ (delokalisierte Elektronen) Metallionen
(Atomrümpfe) sind in das Elektronengas „eingebettet“
metallische Bindung Metalle
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Beschreibung der metallischen Eigenschaften mit dem Elektronengasmodell:
elektrische und thermische Leitfähigkeit: frei
bewegliche Elektronen ermöglichen Ladungs- und
Wärmetransport (σ für T, aber λ für T)
WIEDEMANN-FRANZ-Gesetz: Zusammenhang zwi-
schen elektrischer und thermischer Leitfähigkeit:
λ/σ = LT mit LORENZ-Zahl L = 2,1-2,910-8 WΩ/K2
DRUDE-Modell: Ursache des elektrischen Widerstandes Kollision der Lei-
tungselektronen mit den Atomrümpfen
σ = ne2τ/m n: Konzentration freier Elektronen, e/m: Ladung/Masse eines
Elektrons, τ: mittlere Flugzeit zwischen zwei Stößen
metallische Bindung Metalle
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Beschreibung der metallischen Eigenschaften II:
Verformbarkeit:
elastische Verformung: Atomrümpfe schwingen
einer Feder ähnlich um ihre Gleichgewichtsla-
ge
plastische Verformung: Elektronengas als Puf-
fer für die positiv geladenen Atomrümpfe
metallischer Glanz: delokalisierte Elektronen ermöglichen sehr hohes Licht-
reflektionsvermögen
Halbleiter-Eigenschaften z.B. lassen sich mit dem Elektronengasmodell
nicht erklären quantenmechanisches Bändermodell
metallische Bindung Metalle
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Nan
Cl2
S8
P4
Sin
Aln
Mgn
SCl2
PCl3
SiCl4
AlCl3
MgCl2
NaCl Na2S Na3P Na4Si NaAl NaMg
kovalent
Bindungs-dreieck
Bindungsdreieck: Übergänge zwischen den Bindungsarten (3. Periode)
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