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Westfälische Wilhelms-Universität MünsterProf. Dr. W. Woyke 1
Internationaler Terrorismus als
sicherheitspolitische Herausforderung
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Terrorismus/Terror
Terrorismus ist zu unterscheiden vom Terror Terror=
Staatliche Schreckensherrschaft gegen seine Bürger oder bestimmte Bürgergruppen
Terrorismus= International einheitliche Definition von
Terrorismus existiert nicht Begriff wird meist verwendet im
Zusammenhang mit Gewaltakten, die von Minderheiten oder Randgruppen in ihrem Bemühen um Einfluss und Macht ausgehen
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Aber: Ob man von Terrorismus spricht, hängt davon ab, ob man bestimmte Gewalttaten für gerechtfertigt hält oder nicht „Auf welche Weise man das Wort benutzt, ist eine Frage der Perspektive. Fasst man die Welt als im Grunde friedlich auf, dann gelten Gewalttaten als Terrorismus, erkennt man sie dagegen als in einem Kriegszustand befindlich, können Gewalttaten legitim erscheinen. Sie dienen dann als Präventivschläge, als Verteidigungstaktik in einem langwierigen Kampf oder als Symbole, die der Welt zeigen sollen, in welch einem konfliktbeladenen Zustand sie sich befindet.“ ( Juergensmeyer 2004, S.31)
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Terrorismus – Definition 1
Versuch einer Definition nach der relativen Einigkeit in der Terrorismusforschung:
Terrorismus = das Verbreiten von Angst und Schrecken durch überraschend, organisiert und fortgesetzt begangene Gewalttaten, um politische Ziele zu erreichen
Beabsichtigt ist eine breitere Wirkung auf den Gegner, der eingeschüchtert und zu einer Verhaltensänderung gebracht werden soll
Moderne Terrorismus beabsichtigt vor allem eine emotionale, psychische Wirkung
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Terrorismus – Definition 1
Bevölkerung des Gegners in Angst und Schrecken versetzen
Sympathie und Unterstützung von potentiellen interessierten Dritten
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Terrorismus – Definition 2
'Terrorismus' kann definiert werden als eine andauernde und geplante Gewaltanwendung mit politischer Zielsetzung, um mit 'terroristischen Mitteln' das (politische) Verhalten des Gegners zu beeinflussen. Die Definition umfasst fünf Komponenten:
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Terrorismus - Definition
Es muss sich um Gewaltanwendung über eine bestimmten Zeitraum handeln, um einmalige Zeitpunkt-Ereignisse wie z.B. der Tyrannenmord aus der Definition auszuschließen.
Die Gewalt muss geplant bzw. organisiert sein, damit spontane Gewaltausbrüche wie z.B. bei Demonstrationen nicht als 'Terrorismus' gelten.
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Terrorismus - Definition
Es muss sich um eine politische Motivation handeln, damit eine Abgrenzung zu allgemeiner Kriminalität möglich wird.
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Terrorismus - Definition
Es muss sich um 'terroristische Mittel' als 'Nadelstichtaktik der Gewalt' mit Bomben, Schusswaffen oder anderen Waffen handeln. Sie werden als Kommunikationsstrategie mit dem Gegner mittels Mord, Zerstörung bzw. Erzeugung von Angst und Verunsicherung benutzt. Die Gewaltanwendung muss zudem von der Gesellschaft als unverhältnismäßig wahrgenommen werden. Damit wird eine Abgrenzung zu klassischen Befreiungs- und Guerillabewegungen sowie Aufständen gegen herrschende (diktatorische) Regime, die nicht unter 'Terrorismus' fallen, möglich.
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Terrorismus - Definition
Das primäre Ziel von 'Terroristen' ist es, die Handlungen des Gegners zu beeinflussen. Sie wollen ihn aber in der Regel nicht durch sich selbst ersetzen, wie dies bei klassischen Rebellenbewegungen der Fall ist, deren primäres Ziel die Regierungs- bzw. Machtübernahme ist.
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Internationaler Terrorismus
11. September 2001 Schlüsseldatum der Weltgeschichte
Gegebenheiten nicht schlagartig und unwiderruflich verändert, sondern vielmehr sind Prozesse sichtbar geworden, die schon länger in Entwicklung befindlich waren
Mit Terroranschlag von Al-Qaida 2001 ist etwas geschehen, was außerhalb des Denkmodells lag, dass die sicherheitspolitischen Beziehungen durch die Machtrivalitäten zwischen den großen Mächten bestimmt werden
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Internationaler Terrorismus
Als zentrales Sicherheitsproblem aller großen Mächte der Welt stellt sich ein nichtstaatliches Phänomen heraus
Ein von einer radikalen Ideologie motivierter globaler Terrorismus, der
kein staatliches Territorium kontrolliert auf keine Schutzmacht angewiesen ist auf der politischen Weltkarte nicht lokalisierbar ist
Eine in der Weltgeschichte völlig neue Lage: USA, Russland, China, Indien, EU, Australien, Japan
sehen sich der gleichen Bedrohung bzw. dem gleichen Feind gegenüber
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Neue Konfliktkonstellationen
Diese Entwicklung stellen neue Konfliktkonstellationen dar, wofür im wissenschaftlichen Schrifttum eine Reihe von Begriffen existieren
Low intensity wars Kleine Kriege Privatized or informal conflicts New Wars
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„Krieg gegen den Terrorismus“
„Krieg gegen den Terrorismus“, den die Anti-Terror-Koalition nach den Worten des US-Präsidenten führt, ist politisch und juristische eher eine internationale Jagd auf Kriminelle und Mörder, da Al-Qaida der Status einer Kriegspartei gerade nicht zuerkannt wird
Militärische Machtmittel des Staates, seine Streitkräfte, können diese Form des internationalen Terrorismus nicht bekämpfen, da sich bei der Organisationsstruktur „Al-Qaidas“ mit Ausnahme eventueller Ausbildungslager keine vernünftigen militärischen Ziele bietet „Soldaten gegen Ideologien?“
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„Krieg gegen den Terrorismus“
Dennoch wird über eine „Anti-Terror-Einheit“ im Rahmen der Nato nachgedacht
Credo „Al-Qaida“ gerade jenseits nationalstaatlicher Unterstützung zu agieren
Überspitzt könnte man schlussfolgern: Man versucht immer noch, neue Herausforderungen den traditionellen Strukturen anzupassen, und nicht umgekehrt
Eine strukturelle Reform auf internationaler Ebene unumgänglich, um dem Problem des internationalen Terrorismus zu begegnen
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Internationaler Terrorismus gestern und heute: Sieben Veränderungen
In den letzten 30 Jahren sieben wichtige Veränderungen im internationalen Terrorismus stattgefunden1. Internationalisierung des Terrors2. Veränderung in den Tatbegründungen3. Nutzung moderner Massenmedien4. Neue Durchführungsmöglichkeiten5. Neue Organisationsstrukturen6. Zielauswahl 7. Querverbindungen
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Internationaler Terrorismus gestern und heute: Sieben Veränderungen
1. Internationalisierung des Terrors Internationalisierung des Terrors deutlich
erhöht Überregional und global operierende
Organisationen Grundlagen für diese Entwicklung schon bei
dem Anschlag von 1972 in München bei den Olympischen Spielen gelegt
Kampf beschränkte sich nicht mehr auf den Nahen Osten, sondern auch in Europa, USA und Nordafrika wurden geheime Stützpunkte eingerichtet
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Internationaler Terrorismus gestern und heute: Sieben Veränderungen
2. Veränderung in den Tatbegründungen Drei Grundmotive zu erkennen die in Reinform,
additiv oder substitutiv auftreten: Sozialrevolutionäre Anschauung
Wünsche nach ideologischer Neuausrichtung der Gesellschaft (RAF), aber das Solidarisierungspotential in der Gesellschaft nicht sehr hoch
ethno-nationalistische Anschauung Stellt bis heute die überwiegende Mehrheit
bei der Begründung des Terrorismus dar, aber auch das Solidarisierungspotential in der Gesellschaft nicht sehr hoch
Beispiele sind ETA, PKK, IRA, PLO
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Internationaler Terrorismus gestern und heute: Sieben Veränderungen
Religiös-weltanschauliche Anschauung Erstmalig „islamische Revolution“ im Iran
unter Ajatollah Chomeini brachte die Idee des gewaltsamen Exports einer „Glaubensrevolution“
Glaube erhöht Solidarisierungsgrad, da er Menschen Antworten auf Fragen gibt und verhaltenssteuernd, identitätskonstituierend wirkt und einen sozialen Bezugsrahmen vermittelt
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Internationaler Terrorismus gestern und heute: Sieben Veränderungen
3. Nutzung moderner Massenmedien Anschlag kann auch in einer anderen Hinsicht
erfolgreich sein, wenn er durch seine Dramatik und seine Zielauswahl die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zieht
Terrorismus wurde zunehmend Kommunikationsstrategie über die Medien
Zwei Zielgruppen Zum Einen wenden sich die Terroristen an
potentielle Unterstützer Zum Anderen über die Wahl der Opfer an alle,
die aus Sicht der Attentäter die gleichen Merkmale wie diese haben; unter diesen soll Angst ausgelöst werden
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Internationaler Terrorismus gestern und heute: Sieben Veränderungen
4. Neue Durchführungsmöglichkeiten In Vergangenheit bei Durchführungsformen
kaum variiert Entweder Schusswaffen bei Entführung von
Menschen oder um Bomben (Autobomben) gegen mobile oder immobile Ziele
Seit Giftgasanschlag der Aum-Sekte 1995 hat das Thema NBC-Terrorismus in der Öffentlichkeit breite Beachtung gefunden
NBC=Nukleare Waffen, Biologische Waffen, Cyberterrorismus
Doch nicht alles Denkbare ist auch wahrscheinlich Keine Anhaltspunkte dafür, dass eine
ausreichende Menge an spaltbaren Materials von Terrororganisationen beschafft wurden
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Internationaler Terrorismus gestern und heute: Sieben Veränderungen
Wahrscheinlicher öffentlichkeitswirksame Verschmutzung
Biologische Agenzien und chemische Substanzen
Milzbrand-Briefe im Oktober 2001 in den USA Cyberterrorismus
Politisch motivierte Hackeroperationen mit und gegen Computersysteme- und Netze
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Internationaler Terrorismus gestern und heute: Sieben Veränderungen
5. Neue Organisationsstrukturen Organisationsstrukturen variantenreicher Alte Organisationsform bestimmbar und
hierarchisch Organisationsform „Al-Qaida“ weniger gut
bestimmbar, da nicht: Homogen Hierarchisch gegliedert
Besteht aus Einzelkämpfern aus der ganzen Welt
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Internationaler Terrorismus gestern und heute: Sieben Veränderungen
6. Zielauswahl Zielauswahl fundamental verändert Angriff von symbolischen Zielen nicht mehr
nur Machthaber oder Repräsentanten politischer, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Ordnung sind Opfer von terroristischen Anschlägen
Wollen laut Terrorismus Handbuch der „Al-Qaida“ Ziele mit Symbolcharakter unter Inkaufnahme hoher Opferzahlen treffen
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Internationaler Terrorismus gestern und heute: Sieben Veränderungen
7. Querverbindungen Querverbindungen unter Osama Bin Laden
sehr weit ausgeprägt Einerseits Vorsitzender einer
betriebswirtschaftlich geführten Terrorismus-Plattform
Andererseits Geschäftsmann über Mittelmänner von einem Geflecht an Firmen
Kapital von Bin Laden und „Al-Qaida“ auf 300-500Mio$ geschätzt
Hohes Maß an Vernetzung mit anderen Terrororganisationen
Westfälische Wilhelms-Universität MünsterProf. Dr. W. Woyke 30
Fazit
Herkömmliche Definition von innerer und äußerer Sicherheit bei den heutigen Formen von Terrorismus nahezu obsolet geworden
Profil des internationalisierten Netzwerk-Terrorismus erschwert in mehrfacher Hinsicht die nationale und internationale Terrorbekämpfung und stellt Erfahrungen der Vergangenheit in Frage