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ustomer Centricity, Customer Excellen- ce, Customer Obses- sion. Auch wenn sol- che Buzzwords sus- pekt erscheinen, lau- tet doch die Wahrheit: Die Zukunft gehört den Unternehmen, die tatsäch- lich den Kunden ins Zentrum jedes unternehmerischen Handelns stellen. Walter Freese, Director Business De- velopment bei Interrogare, erklärt, wie Marktforschung und CX Manage- ment verzahnt werden können. C Wie sich MARKTFORSCHUNG UND CX MANAGEMENT optimal ergänzen planung&analyse 4/2018 35 Mit dabei auf der planung&analyse Insights 2018 am 22. und 23 August in Frankfurt

Wie sich MARKTFORSCHUNG UND CX MANAGEMENT optimal … · eine Customer Journey, in der nicht min destens einmal ein Bewertungsportal, eine OnlineCommunity oder ein Blog besucht wird,

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  • ustomer Centricity,Customer Excellence, Customer Obsession. Auch wenn solche Buzzwords suspekt erscheinen, lau

    tet doch die Wahrheit: Die Zukunftgehört den Unternehmen, die tatsächlich den Kunden ins Zentrum jedesunternehmerischen Handelns stellen.Walter Freese, Director Business Development bei Interrogare, erklärt,wie Marktforschung und CX Management verzahnt werden können.

    CWie sich MARKTFORSCHUNGUND CX MANAGEMENT optimal ergänzen

    planung&analyse 4/2018 35

    Mit dabei auf der

    planung&analyse

    Insights 2018

    am 22. und 23 August

    in Frankfurt

  • planung&analyse 4/201836

    wissen&forschung thema

    Im Jahr 2015 hat die Beratungsfirma Kantar

    Vermeer in einem Gemeinschaftsprojekt mit Branchen

    verbänden und anderen Unternehmen eineumfassende Studie vorgestellt, die sich mitden Erfolgsfaktoren von Unternehmen inZeiten der digitalen Transformation beschäftigt. Die Kernbotschaft dieser Untersuchung lautet: Zwischen der CustomerCentricity und der Ertragssteigerung bestehteine positive Korrelation. Auch Roland Berger und das SAS Institut kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen und fordern unter anderem einen professionelleren Umgang mit allen verfügbaren Daten und einestärkere Rolle von Datenanalytikern in denUnternehmen.

    Im Kern bestätigen diese beiden Studienunsere Beobachtungen aus dem Forschungs und Beratungsalltag: Viele Unternehmen tun sich nach wie vor schwer, diegesamte Organisation in Richtung Kundenorientierung zu steuern. CustomerCentricity erfordert einen ChangeProzess.Und gut beraten ist, wer sich an ein paarGrundsätzen orientiert:

    (Management)Commitment: Kundenorientierung sollte in allen Unternehmensbereichen verankert sein und gelebt sowievon der Unternehmensführung unterstützt werden.

    Zusammenführung: Alle verfügbaren Daten aus den unterschiedlichen Unternehmensbereichen sollten zusammengeführtund Silodenken überwunden werden.

    Konsistenz und Kontext: Markenerlebnisse müssen konsistent über alle relevantenTouchpoints hinweg den Bedürfnissen derKunden in der jeweiligen Situation entsprechen.

    Daten werden heute häufig als wichtigster Rohstoff für Wachstum im digitalenZeitalter betrachtet. Doch genau wie Rohöl erst einmal in eine Raffinerie kommt,um brauchbare Produkte daraus herstellenzu können, müssen auch Daten verfeinertoder veredelt werden, um handlungsleitend zu sein. Noch nie waren derart vieleDaten verfügbar. Unternehmen habenKundendaten aus den unternehmenseigenen CRMSystemen, eigene Befragungsdaten, Web Analytics, Feedback über Bewertungsportale oder Social Media, Bestellhistorien, Beschwerden und Serviceanfragen, Anrufe bei der Hotline undvieles mehr – doch all das ist nicht mehr als

    Rohöl. Diese Flut an Daten muss raffiniert– oder sagen wir lieber – kuratiert werden,um aus ihr Informationen zu generieren.Die verfügbaren Daten müssen gesichtet,bereinigt, konsolidiert und im wörtlichenSinne brauchbar gemacht werden. Erstdann helfen die Daten dabei, die Konsumenten, deren Bedürfnisse, Erwartungenund Verhaltensweisen bis ins Detail zuanalysieren und zu beschreiben. So werdenaus Daten Informationen und aus Informationen wird relevantes Wissen.

    Digitalisierung und Transparenz

    Die Digitalisierung und insbesondere derunglaubliche Siegeszug der mobilen Devices als allgegenwärtige Begleiter haben dieErwartungshaltung der Konsumenten verändert: Alles muss jederzeit und überallverfügbar sein. Verschärft wird diese Entwicklung dadurch, dass der Kunde souveräner wird und von den UnternehmenTransparenz erwartet – oder sich diese selber verschafft. Es gibt heute kaum nocheine Customer Journey, in der nicht mindestens einmal ein Bewertungsportal, eineOnlineCommunity oder ein Blog besuchtwird, um Meinungen oder Erfahrungenanderer Nutzer zu finden.

    Und nicht nur die Art, auch die Anzahlder potenziellen Touchpoints zwischenMarke und Konsument nimmt stetig zu.Die Verantwortlichen in den Unternehmenstehen daher vor der schier unlösbarenAufgabe, mit der Entwicklung Schritt zuhalten. Muss ich mit meiner Marke auf Instagram präsent sein? Welche Art von Content stelle ich auf YouTube zur Verfügung?Brauche ich einen Chatbot, um bestimmteArten von Kundenanfragen effizient undzeitnah zu beantworten? Wo suchen meineKunden nach Kaufimpulsen?

    Ein weiterer Aspekt, der beim Einfordern und Einsammeln von Feedback nichtunterschätzt werden darf, ist unter demKürzel WIIFM bekannt: „What‘s in it forme?“ Jede Bewertung, jedes Feedback, jedeTeilnahme an Befragungen bedeutet fürden Konsumenten Zeit, Aufwand, Involvement, also Kosten, für die er einen Nutzenerwartet. Abgegebene Kritik oder negativeBewertungen, die nicht zu Verbesserungenoder dem Abstellen von Fehlern führen,sorgen für ein negatives KostenNutzenVerhältnis und belasten die Kundenbeziehung. Also müssen nicht nur konkrete Beschwerden, sondern auch Hinweise ausder anonymen Marktforschung zu Aktionen im Kundenmanagement führen.

    Marktforschungversus CX Management

    Das alles spricht für eine holistische Betrachtung dessen, was wahlweise als Kundenzufriedenheitsforschung oder Customer Experience (CX) Management bezeichnet wird. Diese Begriffe stehen für diederzeitige Trennung von strategischer, relationaler Marktforschung und operativem,transaktionalem CX Management.

    DDie Marktforschung liefert grundlegende Erkenntnisse über die Stärke der Kundenbeziehungen, über die Bedürfnisse undErwartungen der Kunden oder die Relevanz und den Impact von Markentouchpoints. Allerdings stehen Marktforscher indem Ruf, lieber PowerPointExzesse zu feiern statt konkrete Handlungsempfehlungen abzugeben.

    D Die CXExperten wiederum begleitendie Unternehmen ganz konkret beim Aufbau von Plattformen für die Erfassungenund Auswertung jeder Art von CustomerFeedback zur detaillierten Analyse der verschiedenen Customer Journeys. CX beinhaltet die Erfassung und Verwertung personenbezogener Daten aus den unterschiedlichsten Quellen. Diese Daten werden dann im Datawarehouse konsolidiertund via Dashboards an die relevanten Stakeholder in den Unternehmen per AlertSystem weitergeleitet, um Beschwerden zubearbeiten, Probleme zu lösen oder Interessenten zu betreuen. CX ist immer einClosedLoopProzess auf individuellerEbene. Während den Marktforschern oftder Blick für die konkrete Umsetzung fehlt,gerät den CXExperten häufig das großeGanze aus dem Blick. Für die Etablierungechter Customer Experience Excellencebraucht es aber beide Kompetenzen.

    Die Trennung beider ist jedoch für dieMarktforschung in Deutschland aus standesrechtlichen Gründen notwendig, da inder Regel im CX Management mit personenbezogenen, nicht anonymen Datengearbeitet wird. Aus der Sicht unserer Kunden ist diese Trennung aber kontraproduktiv, da es genau dem Anspruch einer holistischen Betrachtung widerspricht.

    Berufsbilder der Zukunft: DataCurator und Impact Manager

    Bei Interrogare haben wir dieses Problemgelöst, indem wir die beiden Bereichedurch die Gründung der eigenständigen

  • demandi GmbH organisatorisch klar voneinander getrennt haben. Damit unsereKunden trotzdem eine optimale Kundenerfahrung mit uns erleben, halten wir zweiDinge für absolut essenziell:

    Verzahnung: Die Marktforscher von Interrogare und die CXExperten von demandiberaten die Kunden gemeinsam und stellensicher, dass die Schnittstellen optimal gestaltet und die standesrechtlichen Regelnder Marktforschung beachtet werden. Dielangjährige Marktforschungserfahrungund Mitarbeit in diversen Fachgremien desBVM, verbunden mit einer klaren Sicht aufTechnologie und Digitalisierung, sorgenfür die notwendige Sensibilisierung undein optimales Projektverständnis.

    Weiterentwicklung: Wer die berechtigtenErwartungen unserer Auftraggeber erfüllen will, muss sich weiterentwickeln.Marktforscher brauchen die Fähigkeit, unterschiedlichste Daten zu kuratieren und soaufzubereiten, dass die Erkenntnisse aktionabel und adressierbar sind.

    Auf der anderen Seite ist für CX Manager ein gewisses Verständnis für die Marktforschung wichtig. Ein gelegentlicher Blickauf das Big Picture, das von den Marktforschern erstellt wird, hilft bei der Bewertung und Priorisierung von Aktivitäten.

    Marktforschung und CXManagement in einem Boot

    Um das Zusammenspiel zwischen klassischer Marktforschung und CX etwas plastischer zu machen, skizzieren wir ein idealtypisches Projekt:

    Schritt 1: Kundensegmentierung durchquantitative Marktforschung

    CXBefragungen erreichen immer nurden Teil der Konsumenten, der sich in direkter Interaktion mit dem Unternehmenbefindet. Es braucht aber ein ganzheitlichesBild über Kunden und Prospects. Im erstenSchritt sollten daher mittels einer klassischen Marktforschungsbefragung dezidierte Erkenntnisse über die Kundenstruk

    tur und die Markentouchpoints generiertwerden. Durch eine anschließende Kundensegmentierung werden in sich homogene Bedürfnisstrukturen und prototypische Transaktionsmuster aufgedeckt. Zudem werden mittels TouchpointAnalysedie für jedes Kundensegment relevantenKontaktpunkte identifiziert. Auf diese Weise können Touchpoints hinsichtlich ihrerErwartungen und Wirkung klassifiziertwerden. Dies ist ein wichtiger Schritt, umpassgenaue Zielgrößen (sogenannte KPIs)für die Messung des Kundenerlebens aneinem Markentouchpoint zu definierenund Touchpoints hinsichtlich ihrer Relevanz in unterschiedlichen Zielgruppen zupriorisieren.

    Dies ist zentral, da im CX Managementdie Optimierung einzelner Touchpoints imVordergrund steht und keine oder nur sehrgeringe Informationen über die Wirkungeinzelner Touchpoints für die gesamteKundenbeziehung bestimmt werden können. Die Ergebnisse der klassischen Marktforschung bieten somit einen strategischenÜberblick und Steuerungsmöglichkeit fürdas CX Management.

    Schritt 2: Targeting der SegmenteKundensegmentierungen entfalten erstdann eine Wirkung, wenn die beschriebenen Kundensegmente durch Marketingmaßnahmen konkret plan und ansprechbar sind. Um die identifizierten Kundensegmente auch im Rahmen des transaktionalen CX Managements zu nutzen, ist essinnvoll, Kunden anhand weniger Schlüsselfragen beziehungsweise informationenden entsprechenden Segmenten zuordnenzu können. Ein auf wenigen Variablen basierendes Klassifikationsmodell erlaubt eine präzise, schnelle und effiziente Zuordnung zu den Segmenten. Diese Zuordnungsvorschriften werden genutzt, um alleKunden im CRMSystem einem der Segmente zuzuordnen. Bei fehlenden Informationen kann darüber hinaus ein Klassifikationsmodell entwickelt werden, welches etwa auf Kundentransaktionsdatenberuht, also Kauf, Nutzungs, Beschwerde oder Kommunikationsverhalten.

    Schritt 3: CXBefragungenBasierend auf den Ergebnissen der obenskizzierten Marktforschung können nun –für einzelne Segmente individualisierte –KundenBefragungen implementiert werden. Diese helfen, um konkrete Zielparameter des Kundendialogs und Veränderungen hinsichtlich des Zielerreichungsgrads zeitnah kontrollieren zu können.

    Diese Verzahnung der quantitativenMarktforschung hin zur vollständigen Segmentierung aller Kunden im Rahmen vonCX Management ist ein Beispiel, wiefruchtbar ein interdisziplinäres Vorgehensein kann.

    Die Insights aus der Marktforschunghaben jetzt eine direkte Handlungsrelevanz, weil unser Kunde weiß, wie ein konkreter Konsument tickt, wie und womit ererreichbar ist oder für welche Neuprodukteer zu begeistern ist. So entsteht durch unsere Tätigkeit ein messbarer Impact für unsere Auftraggeber.

    Marktforschung und CX Managementhaben ein Ziel: Den Auftraggeber in Zeitender Digitalisierung bei der Entwicklunghin zu einem kundenorientieren Unternehmen zu begleiten und zu fördern. DieKombination und Verzahnung der beidenDisziplinen ist notwendig, sinnvoll und gewinnbringend.

    Walter Freese ist seit April 2018 beiInterrogare als Director BusinessDevelopment für die Neu undWeiterentwicklung von Kundenbeziehungen sowie den Vertriebetablierter und innovativer Projekteverantwortlich. Zuvor war derDiplomSozialwirt 23 Jahre inglobalen Marktforschungskonzernen wie der GfK und Kantar TNStätig.

    [email protected]

    Der Autor

    PAXX_4_2018_035_02-08-2018-114742PAXX_4_2018_036_02-08-2018-114742PAXX_4_2018_037_02-08-2018-114744