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Wie wird die koartikulatorische Nasalisierung im Signal
wahrgenommen?
Inhalt
• Grundlagen
• Experiment 1
• Experiment 2
• Experiment 3
• Zusammenfassung
Grundlagen
Wie "entdecken" Hörer phonologische Eigenschaften von gesprochenen
Äußerungen?
1. Phonologische Kategorien sind kognitiv
2. Phonologische Kategorien setzen sich aus Gesten zusammen
Worüber geben akustische Informationen Auskunft?
• Über abstrakte mentale Kategorien
• oder über phonologische Aktionen des Vokaltraktes?
Welche Art der Aufmerksamkeit wird dem Sprachsignal entgegengebracht?
2 Arten von Aufmerksamkeit
1. Der Hörer versucht Hinweise für abstrakte phonologische Kategorien zu finden
2. Der Hörer versucht Informationen über die Gesten zu erhalten- Verschiedene Gesten haben verschiedene Effekte
- der Hörer muss das Signal ‚parsen‘, d.h. Informationen extrahieren
Parsen als Grundlage des Lautwandels
Ohala (1981): ungenügendes Parsen und überhöhtes Parsen als Grundlage
Theorie: Nasale Vokale haben sich entwickelt aus einem nachfolgenden Nasal. Dieser Nasal wird abgeschwächt und fällt weg.
-> Hörer können die Nasalisierung nicht mehr einem Konsonanten zuordnen
Das Parsen koartikulatorischer Nasalität
• Studie von Fowler und Brown
Die Sequenz VN beinhaltet drei Gesten:
1. Vokalische Geste
2. Geste des oralen Verschlusses
3. Absenken des Velums (zeitliche Überlappung mit den anderen Gesten)
Wird Nasalität dem Konsonanten und dem Vokal zugeschrieben oder nur dem Konsonanten?
• Wenn Hörer Gesten wahrnehmen, parsen sie die nasale Geste von der Geste des Vokals
Grund: Die nasale Geste ist auf den Konsonanten abgestimmt, nicht auf den Vokal.
Experiment 1Methode:Audiomaterial aus natürlicher Sprache,Gesplicte und cross-gesplicte Silben aus /bamə/, /banə/,
/babə/ und /badə/
bamə1 x bamə2
-> Splicen
bam1mə2
bam2mə1
-> Cross-Splicen
bam1bə1 ban1də1
bam2bə2 ban2də2
Experiment 1
Ergebnisse:
Experiment 1
Auswertung:
Reaktionszeiten für die crossgesplicten Silben waren langsamer als die für die gesplicten
Hörer reagierten langsamer und ungenauer, wenn der Vokal falsche Informationen über den Charakter des Vokals gibt
Experiment 2Warum waren die Reaktionszeiten bei crossgesplicten Silben so viel langsamer?
1. Vokale werden nasaliert wahrgenommen und verleiten Hörer dazu, einen Nasal vorherzusagen
Oder2. Vokale werden nicht als nasal wahrgenommen.
Die Information +nasal wird für den folgenden Konsonanten geparst
Oder3. Beide Möglichkeiten, da das Parsen unvollständig
geschieht
Experiment 2
- synthetisches AXB-Kontinuum mit A und B für /abə/ und X für /amə/
- Der erste Vokal hinsichtlich seiner Nasalität variiert
Vorhersage:
X= /amə/ wird zugeordnet dem /abə/ mit der niedrigeren Nasalität
Beim Parsen der Nasalität vom Vokal her sollte der Hörer den Vokal als weniger nasal wahrnehmen als er ist.
Ergebnisse
Gibt es für X=/amə/ einen Punkt, wo die Tendenz zum weniger nasalierten A oder B sich umdreht?
Ergebnisse
Hörer entschieden sich bei X=/amə/ bei über der Hälfte für den weniger nasalisierten Sample
Wenn X= /abə/ weniger als halb so oft.
Diskussion
• Hörer bewerteten /a/ mit einem gegebenen Grad an Nasalität anders wenn es vor /mə/ steht, als wenn es vor /bə/ steht.
• Es gab keinen Übergang in der Präferenz vom schwächer nasalierten zum stärker nasalierten von A oder B
Experiment 3
Geschieht das Parsen vollständig?
Untersucht wird natürliche Sprache in einem Vowel-matching-task
/a/ oder /ʌ/
Variation im Grad der Nasalisierung
Gefolgt von oralem oder nasalem Konsonanten
3 verschiedene Trials
1. Die ersten Vokale der Doppelsilbe sind gleicha) sie sind nasaliert und gefolgt von einem Nasalb) sie sind oral und werden gefolgt von einem oralen Konsonanten
2.Einer der Vokale wird von einem Nasal gefolgt, der andere von einem oralen Konsonanten
a) entweder beide sind nasaliertb) oder beide sind oral
Der dritte Trial hat Vokale, die sich in der Nasalität unterscheiden, werden aber gefolgt von einen Konsonanten, der zur Nasalität passt wie bab1bə2 - bam1mə2.
Vorhersagen für Parser
Trial 2 ist für Parser schwieriger
Grund:
Bsp.: bam1mə2 - bam1bə2
Bei /a/ in bam1mə2 wird die Nasalisierung nicht wahrgenommen
Bei bam2bə2 würde die Nasalität allerdings gehört.
Vorhersagen für non-Parser
• Trials 1 und 2 sind gleich schwer
• Trial 3 ist schwerer
Grund: gleiche Vokale unterscheiden sich in der Nasalierung
Ergebnissefür Trials mit Antwort ‚gleich‘
Ergebnissefür Trials mit Antwort ‚verschieden‘
Diskussion
• Die Grafiken drehen sich um
• Faktoren, die Vokale gleich klingen lassen verkürzen die Reaktionszeit
• Wenn Vokale gleich sind verlängert sich die Reaktionszeit
• Wenn Vokale verschieden sind verkürzt sie sich
Reicht Parsen aus einen nasalierten Vokal im Kontext eines Nasals wie einen oralen Vokal klingen zu lassen?
-> Nein! Parsen der akkustischen Konsequenzen einer nasalen Geste für einen Nasal im Bereich des Vokals nur teilweise statt.
Zusammenfassung
1. Antizipierte koartikulatorische Information könnte ein wahrgenommenes Segment kontextsensitiv klingen lassen
-> der Vokal klingt nasalisiert
2. Hörer hören das onset für eine Geste in der das Velum abgesenkt wird und sehen das als Information für einen folgenden Nasal.
-> Der Vokal klingt nicht nasalisiert
3. Das Parsen aus Grund 2 findet nur teilweise statt. Dadurch hört sich selbst nach dem Parsen der Vokal noch nasalisiert an.
Zusammenfassung
Experimente 2 und 3 lieferten Hinweise für beide der ersten Möglichkeiten und erhärten den Verdacht, dass das Parsen nur teilweise geschieht.
Literatur
Fowler, C. & Brown, J. (2000) Perceptual parsing of acoustic consequences of velum lowering from information for
vowels. Perception & Psychophysics, 62, 21-32
Danke für die Aufmerksamkeit!