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F. Wolf. Wirkungsquerschnitte bei Ionensto/3en. usw. 527 Wirkumgsquerschnitte bei Ionenstofien mit Resonamxverstirnmung (He+, Ne+, Hi --f He, Ne, Ar) Yon Fran;t! WoJf (Mit 9 Figuren) Inhalt: I. Bemerkungen eu den Versuchen. - 11. Ergebnisse und Folgerungen: 1. Kurvencharakter, Einzelwirkungen; 2. Vergleiehe mit der kinetischen Gastheorie; 3. Zur Streuung ; 4. Zur Umladung. .- Zusammenfassung. In zwei vorangehenden Veroffentlichungen l), habe ich gezeigt, da8 die mittels einer normalen Wirkungsquerschnittsanordnung er- faRbaren Wechselwirkungen von Heliumgas mit langsam bewegten He+-Ionen in der Hauptsache Umladungsvorgangen bestehen. Streuung, die sicher auch eine wesentliche Rolle spielen mu8, ge- schieht bei gro8eren Geschwindigkeiten offenbar unter so kleinen Winkeln gegen die Strahlrichtung, daB sie sich in meinen Wirkungs- querschnittsmessungen rnit verschieden weiten Blenden nicht geltend machte. Dagegen miiBten derartige Versuche mit engeren Blenden und besonders bei kleinsten Geschwindigkeiten, wo groBere Streu- winkel haufiger sein sollten, einen merkbaren EinfluB der Streuung auf den Wirkungsquerchnitt erwarten lassen. Rost agni3) hat in- zwischen unabhangig durch Anwendung enger Blenden den Streu- anteil am Wirkungsquerschnitt deutlich festgestellt und sein Wachsen mit abnehmender Ionengeschwindigkeit verfolgt. Die Arbeiten von Rostagni3),".) iiber die drei leichteren Edel- gase, meine obigen Messungen an Helium sowie noch unveroffent- lichte Versuche rnit Neon und Argon zeigen, daB das beschriebene Verhalten wahrscheinlich charakteristisch ist f iir alle StoBe, bei denen Gasmolekiile yon ihren eigenen Ionen getroffen werden. Diese Erfahrung wiirde im besten Einklang rnit theoretischen Oberlegungen stehen. Man hat danach im Fall der ,,strengen Resonanz", d. h. bei 1) Ann. d. Phys. [5] 33. S. 285. 1935, im folgenden kurz ,,Ann.I" genannt. 2) Ann. d. Phys. [5] 93. S. 627. 1935, im folgenden kurz ,,Ann.IILL genannt. 3) A. Rostagni, Atti. Acc. Sc. di Torino 70. S. 47'2. 1935. 4) A. Rostagni, Nuovo Cim. 13. S. 134. 1935.

Wirkungsquerschnitte bei Ionenstößen mit Resonanzverstimmung (He+, Ne+, H → He, Ne, Ar)

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F. Wolf. Wirkungsquerschnitte bei Ionensto/3en. usw. 527

Wirkumgsquerschnitte bei Ionenstofien mit Resonamxverstirnmung

(He+, Ne+, Hi --f He, Ne, Ar) Yon Fran;t! WoJf

(Mit 9 Figuren)

I n h a l t : I. Bemerkungen eu den Versuchen. - 11. Ergebnisse und Folgerungen: 1. Kurvencharakter, Einzelwirkungen; 2. Vergleiehe mit der kinetischen Gastheorie; 3. Zur Streuung ; 4. Zur Umladung. .- Zusammenfassung.

In zwei vorangehenden Veroffentlichungen l), habe ich gezeigt, da8 die mittels einer normalen Wirkungsquerschnittsanordnung er- faRbaren Wechselwirkungen von Heliumgas mit langsam bewegten He+- Ionen in der Hauptsache Umladungsvorgangen bestehen. Streuung, die sicher auch eine wesentliche Rolle spielen mu8, ge- schieht bei gro8eren Geschwindigkeiten offenbar unter so kleinen Winkeln gegen die Strahlrichtung, daB sie sich in meinen Wirkungs- querschnittsmessungen rnit verschieden weiten Blenden nicht geltend machte. Dagegen miiBten derartige Versuche mit engeren Blenden und besonders bei kleinsten Geschwindigkeiten, wo groBere Streu- winkel haufiger sein sollten, einen merkbaren EinfluB der Streuung auf den Wirkungsquerchnitt erwarten lassen. Ros t agni3) hat in- zwischen unabhangig durch Anwendung enger Blenden den Streu- anteil am Wirkungsquerschnitt deutlich festgestellt und sein Wachsen mit abnehmender Ionengeschwindigkeit verfolgt.

Die Arbeiten von Rostagni3),".) iiber die drei leichteren Edel- gase, meine obigen Messungen an Helium sowie noch unveroffent- lichte Versuche rnit Neon und Argon zeigen, daB das beschriebene Verhalten wahrscheinlich charakteristisch ist f iir alle StoBe, bei denen Gasmolekiile yon ihren eigenen Ionen getroffen werden. Diese Erfahrung wiirde im besten Einklang rnit theoretischen Oberlegungen stehen. Man hat danach im Fall der ,,strengen Resonanz", d. h. bei

1) Ann. d. Phys. [5] 33. S. 285. 1935, im folgenden kurz ,,Ann.I" genannt. 2 ) Ann. d. Phys. [5] 93. S. 627. 1935, im folgenden kurz ,,Ann.IILL genannt. 3) A. Ros tagn i , Atti. Acc. Sc. di Torino 70. S. 47'2. 1935. 4) A. R o s t a g n i , Nuovo Cim. 13. S. 134. 1935.

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Gleichheit der vom Ion durch Neutralisierung abgegebenen Energie mit der vom getroffenen Molekul zur Ionisation aufgenommenen Energie, zu erwarten, daB bei allen Geschwindigkeiten starke Urn- ladung stattfindet. Der Umladungsquerschnitt muB bis zur Ge- schwindigkeit Null herab langsam anwachsen und den Hauptteil der Wechselwirkungea ausmachen, iiber den sich dann noch, je nach den apparativen Bedingungen rnit abnehmender Geschwindigkeit immer deutlicher merkbar, ein Streuanteil uberlagert.

Ich habe nun auch Messungen durchge fiihrt fur verschiedene Falle, bei denen ,,Resonanzverstimmung" vorliegt, d. h. bei denen Neutralisierungsenergie des Ions und Ionisierungsarbeit des ge- troffenen Molekiils mehr oder weniger voneinander verschieden sind. Hier erwartet man , daB der Umladungsanteil des Wirkungsquer- schnitts mit abnehmender Ionengeschwindigkeit allmahlich gegen Null geht, so daB bei kleinsten Geschwindigkeiten nur in wachsen- dem MaB Streuung nachweisbar sein miiBte. Im Qbergangsgebiet zwischen beiden Erscheinungen sollte der Wirkungsquerschnitt ein Minimum zeigen. AuBer den Messungen von R a m s a u e r und Beeckl) bei kleinsten und einigen Versuchen von J o r d a n ? bei grol3eren Geschwindigkeiten sind umfangreiche derartige Unter- suchungen bisher nur mit Protonen als Geschossen von Ramsaue r , K o l l a t h und Li l ientha13) durchgefuhrt worden. Ihre Wirkungs- querschnittskurven zeigen durchaus den Charakter, den auch die theoretischen fjberlegungen spater entwickelten. Doch ist von vorn- herein nicht sicher, ob es sich hier nicht vielleicht um eine nur fur Protonen giiltige Einzelerscheinung handelt. Daher sind Er- fahrungen iiber lonen rnit ausgedehnten Elektronenschalen erwunscht. Die vorliegende Untersuchung gilt zunachst der Messung des ge- samten Wirkungsquerschnitts bei solchen Stohorgangen. Seine Zerlegung in Einzelanteile bleibt einer spateren Veroffentlichung vorbehalten.

I. Bemerkungen eu den Versuchen

Die Wirkungsquerschnittsmessungen geschahen mit der Ver- suchsanordnung von Ann. I. nach dem dort angegebenen Verfahren mittels zweier Elektrometer. Zur Erhohuug der Zuverlassigkeit wurde die Druckmessung am Mac Leod-Manometer jetzt stets genau gleichzeitig mi t der Aufladung der Elektrometer durch die

I) C.Ramsauer u. 0. B e e c k , Ann. d. Phys. S'i. S. 1. 1928. 2) E. B. J o r d a n , Phys. Rev. 47. S. 467. 1935. 3) C. Ramsauer , R. K o l l a t h u. D. L i l i e n t h a l , Ann. d. Phys. [5] 8.

S. 709. 1931.

F. Wolj. Wirkungsquerschnitte hei Ionenstopen usw. 529

Strahlionen vorgenommen. Folgende StoBvorgange kamen zur Unter- suchung :

1. He+-+ Ne, 2. Ne+-tHe, 5. H,+-t Ne, 3. He+-t Ar, 6. H,+-t Ar.

In den Figg. 1-6 sind die erhaltenen Wirkungsquerschnitte (cm2/cm3 bei 1 mm Druck und O o C) iiber der Ionengeschwindigkeit (‘v&) aufgetragen. Jeder Einzelpunkt wurde wie friiher aus zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Messungen bei verschiedenen Gas- drucken gewonnen. Die Abszisse, die jeder Gruppe eng benach- barter Punkte geneinsam ist, wird durch kleine senkrechte Striche

4. H,+ --+ He,

Fig. 1. Wirkungsquerschnitt von He+ -+ Ne

angegeben. Wieder erfolgten die Messungen nicht in der regelma6igen Sufeinanderfolge der Abszissen, sondern die verschiedenen Geschwin- digkeiten kamen durcheinander zur Untersuchung, um dadurch eine Probe fur die Reproduzierbarkeit der Beobachtungen abzugeben. Tatsachlich lassen sich trotzdem die einzelnen Punktgruppen gut zu glatten Kurven zusammenschlieben. Eine weitere Bestatigung der Reproduzierbarkeit der Messungen besteht darin, daB die bereits in Ann. I. veroffentlichten, ein Jahr friiher gemessenen Punkte fur den StoB H,+- t He (Fig. 4) bei 223 Volt (14,9 l/mt) sich befrie- digend in die neu gewonnene Kurve einordnen lassen.

Die MaBstabe fur Abszisse bpzw. Ordinate sind in allen 6 Figuren die gleichen. Einerseits erstreckt sich die Untersuchung namlich stets etwa uber denselben Geschwindigkeitsbereich mit den Extremen von 21 und 1055 Volt. Andererseits bietet, wenn auch die einzelnen StoBvorgange sehr verschieden groBe Wirkungsquerschnitte ergaben, einheitlicher OrdinatenmaBstab den Vorteil bequemer Vergleichbarkeit

Annalen der Physik. 5 . Folge. 25. 36

530 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 2.5. 1936

der Iiurven. - Die in Figg. 3 und 6 eingezeichneten gestrichelten Linien bedeuten Wirkungsquerschnittswerte, die der Arbeit von J o r d a n (a. a. 0.) zum Vergleich entnommen sind. F u r Fig. 6

Fig. 2. Wirkungsquerschnitt von Ne+ 3 He

( H , + - - t Ar) konnte einfach J o r d a n s Kurve iibernommen werden, fur Fig. 3 (He+-tAr) dagegen habe ich selbst eine Kurve durch J o r d a n s Einzelmessungen hindurchgelegt.

Fig. 3. Wirkungsquerschnitt von He+ 3 Ar

Gase. Die verwendeten Edelgase waren mir von der Linde A. G. zur Verfiigung gestellt. Ihr Reinheitsgrad betrug nach Angabe der Firma mindestens 99,5O/,. Den Wasserstoff, der nur in Form von

Fig. 4. Wirkungsquerschnitt von H8+ 3 He

Ionen, nicht als Gas, zur Anwendung kam, verdanke ich einer ge- wissen Unvollkommenheit der Apparatur. Schon in der Fig, 2 von Ann. I. wurde das Auftreten von Wasserstoffionen neben den Helium- ionen festgestellt, und' H+ wie H,' konnten durch scharf getrennte Intensititsmaxima bei der magnetischen Massenanalyse zweifelsfrei identifiziert werden. Inzwischen fand ich, daB es sich hierbei nicht

F. Wolj. Wirkungsquerschnitte bei Ionenstopen usw. 531

um Verunreinigungen des Heliums handeln konnte, da die Wasser- stoffionen mit unveranderter Intensitat auch dann auftraten, wenn die Nachlieferung des Heliumgases abgestellt wurde. Vielmehr miissen die Eisen- und Messingteile des Ionenerzeugungsraumes selbst trotz wochenlanger Evakuierung und bester Kiihlung unter der Elektronen-

Fig. 5. Wirkungsquerschnitt von H2+ --+ Ne

beschieBung standig so vie1 Wasserstoff abgeben, daB ein anhaltender Ionenstrahl geniigender Intensifat zustande kommt. Die Erscheinung zeigt eine gewisse Ermiidung, doch ist die Intensitatsabnahme gering genug, daB man viele Stunden, lang ungehindert damit arbeiten kann. nber Nacht stellt sich die alte Intensitat wieder her. DaB es sich

Fig. 6. Wirkungsquerschnitt von H,' 3 Ar

ganz bestimmt um Wasserstoff handelt, beweist am besten die Massen- analyse, die ja auch wahrend der StoBversuche stets zur Anwendung kommt. Durch sie sind die H-Ionen quantitativ an He+ angeschlossen. Um aber eine weitere Kontrolle zu erhalten, habe ich auch noch den Wirkungsquerschnitt von Helium gegeniiber den aus dieser Quelle stammenden Protonen nachgemessen, der aus den Versuchen, von Ramsaue r , Ko l l a th und L i l i e n t h a l (a. a. 0.) bereits bekannt ist. Bei der Protonengeschwindigkeit von 475 Volt (21,s VVolt) fand sich

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als Mittel aus fiinf wenig streuenden Einzelmessungen der Wert 1,3 cm2/cm3. Bei den vielen Unsicherheiten, die allen derartigen Messungen anhaften, bedeutet das eine recht befriedigende 8ber- einstimmung mit dem Wert 0,9 cm2/cm3 von R a m s a u e r , K o l l a t h und L i l i en tha l . Danach schien es mir unbedenklich, diese bequeme Ionenquelle auch fiir neue Versuche arxszunutzen.

Zur Genauigkeit meiner Messungen mochte ich noch folgendes bemerken: R o s t a g n i hat kiirzlich in zwei Noten 1),2) seine MeBergeb- nisse fur den gesamten Wirkungsquerschnitt und fiir die Umladung beim Stof3 He+-+ He den meinigen gegeniibergestellt. Dabei werden erstens Griinde dafiir gesucht, weshalb meine Umladungsquerschnitte zu groB ausfielen. Dieser Mangel, den ich bereits in meiner Ver- ijffentlichung iiber die Umladung von He durch HeS (Ann. 11.) hervor- hob, war fur die dort gezogenen Schliisse belanglos. Inzwischen ist es mir gelungen, seine Ursache aufzuklaren. Doch mijchte ich hier- auf erst in einer spateren Verijffentlichung im Zusammenhang mit neuen Umladunqsmessungen eingehen. - Zweitens bezeichnet Ro - s t a g n i ganz allgemein sein eigenes MeBverfahren als so vie1 zu- verlassiger, daB er in einer tabellarisc,hen Gegeniiberstellung meine Wirkungsquerschnitte mit zwei Ziffern, die seinigen aber um eine Zehnerpotenz genauer, mit drei Ziffern angibt. Dabei ist ubrigens nicht klar, weshalb gerade diese Zahlen, die offensichtlich unter anderen Blendenverhaltnissen gewonnen sind, mit den meinigen ver- glichen werden, wahrend aus R o s t a g n i s Untersuchungen mit vari- ierten Blenden sicher geeignetere Werte zur Verfiigung stehen.

Der Grund fur meine Ungenauigkeit sol1 in der Inkonstanz meiner Ionenquelle liegen. Diese Feststellung kann nur auf einem MiBverstandnis beruhen. Denn meine in Ann, I. ausfuhrlich be- schriebene MeBmethodik schaltet j a bewuBt durch gleichzeitige Be- obachtung an zwei Elektrometern jeden EinfluB van Intensitats- schwankungen auf die Ergebnisse grundsatzlich aus.

Auch abgesehen hiervon scheint mir aber ein solcher Unter- schied in den Genauigkeiten nicht zu bestehen. Denn meine in die Schaubilder eingetragenen Pnnkte bedeuten, wie schon gesagt, stets Einzelwerte des Querschnitts, die nur aus zwei aufeinanderfolgenden Messungen bei verschiedenen Gasdrucken gewonnen wurden. Sie geben also einen Einblick in die Genauigkeit der Einzelbestimmung. Dagegen tragt Ros tagn i in seine Bilder Mittelwerte ein, die durch Ausgleichung von ,,Druckgeraden" aus vielen Einzelmessungen bei

1) A. Ros tagn i , Hicerca scientifica. VI. 3. Nr. 5-6. 2) A. Rostagni , Ann.d.Phys.[5]24. S. 543. 1935.

F. Wolf. Wirkungsquerschnitte bei Ionensto/3en usw. 533

variiertem Druck berechnet sind '). Wurde man seine Beobachtungen nach meinem Verfahren auswerten, so wurden die sich ergebenden Einzelwerte eine ahnliche Streuung aufweisen wie die meinigen. Man darf also in den Kurvenbildern nicht die Genauigkeit seiner Mittelwerte mit der meiner Einzelmessungen vergleichen.

Wirklich uberlegen in der Leistungsfahigkeit ist R o s t a g n i s N&odik der meinigen bei kleinsten Strahlgeschwindigkeiten, unter- halb 50 Volt, weil dort meine Intensitaten bei der magnetischen Massenzerlegung gering werden. Aber im iibrigen besteht meines Erachtens der Unterschied beider Verfahren nur mehr in der Dar- stellungsweise. Die Genauigkeit der Einzelmessung diirfte bei beiden nahezu dieselbe sein.

Es kommt wohl auch nicht so sehr darauf an, daB man einen Wirkungsquerschnitt mit einer Dezimalen mehr angeben kann. Besteht doch immer die Oefahr, daB die ganzen Messungen durch unerkannte und autlerordentlich schwer auffindbare systematische Einfliisse um ganz erhebliche Betriige gef alscht sind. Wie schwer es ist, daB verschiedene Autoren auch nur zu annahernder uber- einstimmung gelangen, beweist erneut die Zusammenstellung von R a m s a u e r und Kol la thz) uber samtliche bisherigen Messungen der Querschnitte von Wasserstoff und Argon gegenuber Protonen. Die wichtigste Aufgabe ist jedenfalls, sich gegen systematische Fehler zu schutzen. Und in diesem Zusammenhang weiB ich nicht, ob man R o s t a g n i s Anordnung fur so vie1 sicherer halten soll. die zwar zu kleineren Geschwindigkeiten vordringt, dies aber durch Preisgabe der Strahlhomogenisierung mittels Massenanalyse erkauft, und die uberdies die Strahlen anstatt mit den bewahrten Faraday- kafigen mit ebenen Platten auffangt, vor denen zum Festhalten von reflektierten Teilchen und Sekundarelektronen nur mittels Netzes ein Feld aufrecht erhalten wird.

11. Ergebnisse und Folgerungen 1. Kurvencharakter , E i n z e l w i r k u n g e n

Ein flberblick uber die gemessenen Kurven der Figg. 1-6 zeigt, daB sie alle den gleichen Charakter haben. Der Wirkungsquerschnitt

1) DaB auch meine Anordnung gute Druckgeraden zn liefern vermag, habe ich inzwischen zuin Zweck der Kontrolle mehrfaeh fur den StoBHe+-+He gepruft. Die hieraus folgenden Wirkungsquerschnitte fallen reeht genau mit der fruher veroffentlichten Kurve zusammen.

2) C. Ramsauer u. R. Kol lath , ,,Wirkung aeutraler Gasmolekule gegen- uber langsamen Elektronen und laugsamen Protonen". Jahrb. d. Forscbungs- inst. der BEG. im Druck. Auch hier danke ich den Autoren bestens, daB sie mir diesen interessanten Aufsatz noch vor seinem Erscheinen zugiinglich machten.

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fallt mit zunehmender Ionengeschwindigkeit zunachst mehr oder weniger steil ab, durchlauft ein Minimum und beginnt bei groBeren Geschwindigkeiten wieder langsam anzusteigen. Bei He+ --t Ne (Fig. 1) ist dieser Anstieg zwar noch kaum zu merken, aber es be- steht wohl kein Zweifel, daB er bei noch gr6Beren Geschwindig- keiten ebenfalls deutlich zu finden ware. Die untersuchten Wir- kungsquerschnittskurven verhalten sich also ganz analog wie diejenigen, die R a m s a u e r , K o l l a t h und L i l i e n t h a l gegenuber Protonen als Geschossen fanden. Sie entsprechen damit in ihrem Aussehen auch theoretischen fjberlegungen l), die einen anfanglichen Abfall wegen des Zurucktretens der elastischen Streuung und einen Wiederanstieg bei groBeren Geschwindigkeiten infolge der allmahlich anwachsenden Umladung erwarten lassen.

Ob diese selben Einzelerscheinungen, die bei Protonen schon vor der theoretischen Behandlung nachgewiesen wurden , wirklich auch die Form meiner neuen Wirkungsquerschnittskurven be- stimmen, suchte ich durch ahnliche Sonderversuche zu prufen, wie ich sie schon in Ann. I. S. 299 beschrieben habe. Einerseits zeigte sich durch Anwendung besonders enger Blenden auf den Fall H,+--t Ar, daB elastische Streuung tatsachlich mit abnehmender Strahlgeschwiu- digkeit in wachsendem Mag an der Gesamtwirkung beteiligt ist. Der Abfall der Wirkungsquerschnittskurve mit zunehmender Geschwin- digkeit ist demnach auch hier so zu erlrlaren, daB die lonen nur unter immer kleineren Winkeln gegen die Strahlrichtung gestreut und von den endlichen Blenden der Versuchsanordnung nicht mehr als beeinflufit abgefangen werden. - Andererseits waren zunachst fur den StoB H,+ -+ He bei groBen Geschwindigkeiten ganz langsam bewegte Ladungen deutlich nachweisbar, bei kleinen dagegen nicht. Dies zeigt, daB- im Gegensatz zu den StoBen mit strenger Resonanz - die Umladungsvorgange hier erst bei groBeren Strahlgeschwindig- keiten eine merkliche Rolle zu spielen beginnen. - Auf Einzel- heiten weiterer solcher Versuche, die schlieBlich auf eine genauere Zerlegung des Wirkungsquerschnitts in seine Bestandteile hinzielen, mochte ich erst in einer spateren Veroffentlichung eingehen. Man darf aber schon jetzt als sicher aussprechen, daB auch bei den vor- liegenden Wirkungsquerschnittskurven ganz allgemein der anfang- liche Abfall dem Zurucktreten der Streuung, der folgende Wieder- anstieg der Zunahme der Umladung zu verdanken ist.

In diesem Zusammenhang ist auch die Abweichung der in Fig. 6 gestrichelt mit eingezeichneten Kurve J o r d a n s fur H,+- + Ar von der meinigen gut zu verstehen. Diese Kurve, die in der

l i H. S. W. Massey u. R.A. S m i t h , Proc. Roy. SOC. A. 142. S. 142. 1933.

F. Wolf. Wirkungsquerschnitte bei Ionenstopen usw. 535

Originalarbeit noch bis zu viel groSeren Geschwindigkeiten (63 fwt) reicht , zeigt im ganzen ebenfalls den zu erwartenden charakte- ristischen Verlauf, mit einem Minimum bei etwa 29 VVolt. Die Ordinaten wachsen aber gegen kleinere Geschwindigkeiten hin viel rascher an als bei mir. Da J o r d a n viel engere Blenden in seiner Wirkungsquerschnittsanordnung verwendet als ich, zeigt dieser Unterschied gerade erneut, daB es sich bei dem Anstieg bei kleinen Geschwindigkeiten um den EinfluB der Streuung handelt, die sich bei seinen engen Blenden nur deutlicher bemerkbar macht als bei meinen weiten. I m ubrigen bedeutet die befriedigende fjber- einstimmung dieser ganzlich unabhangig voneinander gewonnenen Kurven bei gr6Beren Geschwindigkeiten eine gute Stutze fur die Zuverlassigkeit der gemessenen Querschnitte. - Auch bei der ge- strichelten Kurve J o r d a n s in Fig. 3 fur He+- tAr wird ein guter Teil der Abweichung gegenuber meiner Kurve auf die von ihm starker bemerkte Streuung zuruckzuf uhren sein. Doch reicht dies vielleicht nicht ganz, besonders bei meinen groI3ten Geschwindig- keiten, zur volligen Beseitigung des bestehenden Unterschieds aus. DaB J o r d a n s MeBpunkte, die bis 36 1/mt reichen, nur einen lang- samen Abfall, aber kein Minimum andeuten, konnte wie in der Fig. 6 durch erhebliche Verlagerung seines Minimums nach rechts infolge des groBeren Streuanteils erklart werden.

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2. V e r g l e i c h e m i t d e r k i n e t i s c h e n G a s t h e o r i e

Ganz abgesehen von dem allen Kurven gemeinsamen charakte- ristischen Verlauf unterscheiden sich die Wirkungsquerschnitte der einzelnen StoBprozesse ganz erheblich in ihren Ordinaten. Man erkennt dies in den Figg. 7 und 8, in denen je drei der gemessenen Kurven zusammengezeichnet sind. Um die Unterschiede quantitativ zu fassen, habe ich in Tab. 1 fur die einzelnen Falle die Ordinaten bei drei verschiedenen Strahlenergien l) einander gegeniibergestellt, und zwar bei 6,5 1/mt (Spalte 2), im Kurvenminimum (Spalte 3) und bei 301m (Spalte 4). Es ist interessant, diese Werte mit den Sngaben der kinetischen Gastheorie zu vergleichen. Die gas- kinetischen Querschnitte (Spalte 5) sind aus den mittels der inneren Reibung gewonnenen Radien 2, berechnet. Sie bedeuten ,,gegen- seitige" Wirkungsquerschnitte der Gase bei 1 mm Druck und O°C

1) Man beachte: Y V x ist hier auch nur ein allen Ionen gemeinsames EnergiemaB, jedoch wegen der verschiedenen Massen kein gemeinsames Ge- SchwindigkeitsmaB.

2) L a n d o l t - B i i r n s t e i n , I. Erganzungsband. S.69. 1927, nach S u t h e r - land. Vgl. auch diese Arbeit Abschn. 11.4.

536 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 25. 1936

T a b e l l e I

StoBvorgang

I W Q in cm1/cm3 I I Messung

6,5 VV- I Minimum I 30 l/v

He+-+Ne 52 1 1; 1%

Ne+-tHe 13 7 He++Ar 27 17 18 H,+-+He 24 5 9 H,+ -+ Ne 30 10 11 H,+ -+ Ar 52 44 50

52,c 0,209 ~ 0,456 52,6 0,076 0,276 66,l 0,257 0,506 48,8 0,102 1 0,330 57,O 0,175 0,420 70,9 0,621 1 0,786

Fig. 7. Vergleich verschiedener Kurven

gegenuber den neutralen Molekulen als Strahlpartikeln, wobei die Relativgeschwindigkeit zwischen den StoBpartnern auBer Betracht, gelassen ist. Man stellt fest, daB die gemessenen Querschnitte

Fig. 8. Vergleich verschiedener Kurven

meist ganz erheblich kleiner bleiben als die gaskinet,ischen. Fur das Iiurvenminimum liegt der Quotient aus gemessenem durch gas- kinetischen Querschnitt (Spalte 6) zwischen dem Hochstwert von 0,62 fur H,+-rAr und dem kleinsten von nur 0,OS fur Ne+-+He. Die Teilchen konnen sich also bei diesen grogen Relativgeschwin-

F. Wolf. Wirkungsquerschnitte bei Ionenslopen usw. 537

digkeiten weitgehend ,,durchdringen", ohne daB eine merkliche Be- einflussung stattfindet. Die noch ubrig bleibende Streuung unter kleinsten Winkeln ist eben im Sinne des Experiments keine merk- liche Beeinflussung mehr. Der Grad der ,,Durchdringung" wird noch deutlicher, wenn man fur zwei Stohpartner die Radien- summe 0 , die sich beim Minimum aus der Wirkungsquerschnitts- kurve ergibt, mit der der gaskinetischen Sto8e vergleicht (Spalte 7). Hiernach nahern sich die Kerne der beiden Partner im Extremfall des Ne+ --f He bis auf weniger als drei Zehntel des gaskinetischen Kernabstands, ohne daB eine merkbare Beeinflussung stattfindet! Qbsolut genommen wird hier

cgsth. = 2,17-10-8 cin, aber cmin = 0,60.10-* crn,

also kaum grijBer als der Bahnradius des ersten Bohrschen Kreises im Wasserstoffatom.

DaB die Reihenfolge der im Kurvenminimum gemessenen Wir- kungsquerschnitte wenigstens angenahert mit der Reihenfolge der gaskinetischen Querschnitte iibereinstimmt, durfte wohl mehr ein Zufall sein. Hier tritt ja der fur einen solchen Vergleich vor allem bedeutsame Streuanteil sicher schon sehr zuriick. Bei den kleinsten untersuchten Geschwindigkeiten, wo die Streuung noch eine erhebliche Rolle spielt, ist die Reihenfolge der gemessenen Wirkungsquerschnitte sogar eine ganz andere als die der gas- kinetischen. Es sieht ubrigens so aus, als ob die meisten Kurven sich gegen noch kleinere Geschwindigkeiten hin weit uber den fur neutrale Partikel berechnsten gaskinetischen Wert erheben wollten, vielleicht ein Zeichen fur die groBeren gaskinetischen Querschnitte der Ionen I). - Die Verhaltnisse liegen im ganzen ubrigens ahnlich auch bei den von R a m s a u e r , KoI l a th und L i l i e n t h a l unter- suchten StoBen von Protonen gegen verschiedene Gase.

3. Z u r Streuung

uber die Streuung selbst genaue quantitative Angaben zu machen, ist nicht mijglich. Denn einmal ist der in den Kurven enthaltene Streuanteil von den Abmessungen der Apparatur ab- hangig, und selbst wenn man dies in Kauf nehmen will, weiB man ferner nicht, wie weit die gesamte Wirkungsquerschnittsordinate bei kleinen Geschwindigkeiten noch einen Umladungsanteil enthalt. Zudem ist die Zuverlassigkeit der Messungen gerade bei kleinen Geschwindigkeiten gering. Unter der rohen Annahme, daB beispiels-

1) Vgl. auch Rostagnis entsprechendes Ergebnis fur StiiBe mit exakter Resonanz. Atti Acc. Sc. di Torino a. a. 0.

538 Annabn der Physik. 5. Folge. Band 25. 1936

weise bei 6 1/m der von meiner Apparatur erfaote Streuanteil ge- geben werde durch den Unterschied der Wirkungsquerschnittsordinate bei 6 f m minus Ordinate im Kurvenminimum, zeigen die hier- nach berechneten Werte (WQ, - WQmin) der Tab. 2 folgende Regel: Der Streuanteil nimmt ab, wenn man einer Ionensorte Atome von wachsender Masse entgegenstellt. Man betrnchte hierzu die beiden vorhandenen Reihen dieser Art, namlich H,+ --t He, Ne, ,4r, sowie He+ -+ Ne, Ar. - Ein ganz analoges Verlialten deuten auch Streu- messungen von R a m s a u e r und K o l l a t h l ) an, wenn man den Pro- tonen Ar, Kr oder S e gegeniiberstellte.

Tabe l l e 2

He+ + Ne Ne+ +He He* + Ar H,+ +He H,+ --f Ne H,+ + Ar

57 11 10 29 27 9

30,O 5,O 099

16,O 12,3

2,6

Man kann auch unter der freilich ebenso unsicheren Annahme, da6 der Umladungsanteil bei kleinsten Geschwindigkeiten nahezn horizontal verlauft. dort die Neigungen der verschiedenen Wirkungs- querschnittskurven miteinander vergleichen, urn wenigstens ein rohes Bild von der Neigung der betreffenden Streuanteile zu erhalten. In der dritten Spalte von Tab. 2 sind diese Werte (Absolutbetrage) fur die Strahlenergie von 6,5 YVolt zusammengestellt. Die Zahlen geben etwa ein Ma6 dafiir, wie rasch sich der enge Facher der ge- streuten Ionen auf grijBere, noch von der Apparatur erfaBbare Streu- winkel3 ausbreitet, wenn die Strahlenergie von 7 auf 6 VVolt ver- ringert wird. Es zeigt sich die dem Obigen ganz analoge Regel, daB die Steilheit der Kurven abnimmt, wenn man einer Sorte von Strahl- ionen Atome von wachsender Masse entgegenstellt. Die Reihen H,+-+ He, Ne, Ar und He+-+ Ne, Ar zeigen wieder beide dieses Verhalten. - Es ist bemerkenswert,, daB R o s t a g n i 3, abnehmende Steilheit der Kurven auch fand, wenn er von He+-+He iiber Ne+ - -t Ne zu Sr+ --f Ar iiberging.

_ _

1) C . R a m s a u e r u. R. K o l l a t h , Ann. d. Phys. 17. S. 755. 1933. Vgl.

2) GroBer als etwa 5O, vgl. Ann. I. S. 300. 3) A. Rostagni , Att. Ace. Sc. di Torino a. a. 0.

S. 770.

F. Wolf. Wirkungsquerschnitte b e i Ionensto pen usw. 539

Die Ansatze von Massey und S m i t h (a. a. 0.) lassen un- mittelbar nicht erkennen, ob eine derartige Massenabhangigkeit fur die vorliegenden StoBvorgange theoretisch zu erwarten ist. Das von Darwin’) auf die Mitbewegung des getroffenen Kerns erweiterte Rutherfordsche Streugesetz, das sich ja nur auf Coulombkrafte zwischen Atomkernen bezieht, lieBe gerade ein Snwachsen er- warten, wo hier Abnahme zu beobachten ist. Aber man kann aus ihm ferner ablesen, daB Streumenge und Kurvensteilheit abnehmen miiBten, wenn man umgekehrt durch ein bestimmtes Gas Ionen machsender Masse hindurchschickte. Diese Regel la& sich in der Tab. 2 nicht durchgehend bestatigen. nberhaupt scheint es sich bei den obigen Erfahrungen um individuelle Erscheinungen zu handeln. Denn sowohl bei den StoBversuchen mit Protonen von R a m s a u e r , Kol la th und L i l i e n t h a l , als auch bei den Messungen mit Alkali- ionen von Ramsaue r und Beeck (a. a. 0.) lassen sich Versuchs- reihen herausgreifen, die mit ihnen im Widerspruch stehen.

4. Zur Urnladung

Da die Streuung nach allen bisherigen Erfahrungen sich ganz allgemein mit wachsender Geschwindigkeit rasch auf sehr kleine Winkel gegen die Strahlrichtung zusammenzieht , diirfte ihr Anteil an den gemessenen Gesamtquerschnitten jenseits der Kurvenminima Bald verschwinden. Offeiibar hat man es dort hauptsachlich mit Umladung zu tun. Zwar weiB man, daB bei groBeren Geschwindig- keiten auch Anregung und Ionisation haufiger werden, doch zeigen bisher untersuchte , den vorliegenden einigermaBen vergleichbare Falle z, Ausbeuten, die klein sind gegeniiber den hier gefundenen Gesamtquerschnitten. Es liegt deshalb nahe, die gemessenen Wir- kungsquerschnitte bei gr6Beren Geschwindigkeiten zunachst einfach als Umladungsquerschnitte aufzufassen, und von diesem Standpunkt aus sollen sie hier miteinander verglichen werden. Ganz auger Betracht sol1 dabei fur die Stof3e der H,+-Ionen allerdings die Frage bleiben, ob nicht etwa, - was prinzipiell denkbar ware, - ein , Teil des Wirkungsquerschnitts der getroffenen Gase auch durch Dissoziation der Molekulionen in H und H+ zustandekommt. Wahrend bei H,+--t He indirekte Versuche von Dempster3) auf einen solchen Vorgang hindeuten, scheinen fur die anderen Falle keine esperi-

1) C. 8. D a r w i n , Phil. Mag. 27. S. 499. 1914. 2) Vgl. z. B. 0. Beeck , Phys.Ztschr. 35. S. 36 u. 454.1934; W. de G r o o t

u. F. M. P e n n i n g in Handb. d. Phys. 23./1. S. 146 f., sowie F. Wolf , Ann. d. Phys. [5] 23. s. 645. 1936.

3) A. J .Demps te r , Phil. Mag. 3. S. 115. 1927.

540 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 25. 1936

mentellen Erfahrungen vorzuliegen. Aus den Wirkungsquerschnitten allein laBt sich hieriiber nichts aussagen. Erst der Vergleich wirk- licher Umladungsmessungen mit den Gesamtquerschnitten wiirde Schlusse in dieser Richtung ermiiglichen.

Naeh den Uberlegungen von K a l l m a n n und Rosen') ist die Wahrscheinlichkeit fur das Auftreten der Umladung vor allem be- dingt durch die GriiBe der ,,Resonanzverstimmung", also durch

wenn En die vom Strahlion bei der Neutralisation abgegebene und Ei die zur Ionisierung des getroffenen Gasmolekuls erforderliche Energie ist. Fu r A = 0, strenge Resonanz, ist der groBte Um- ladungsquerschnitt zu erwarten. AuBerhalb von A = 0 fallt die Wahrscheinlichkeit fur die Umladung nach beiden Seiten hin mit wachsendem J A l ziemlich rasch ab nach Art einer Resonanz- kurve. - DaB unter Umstanden von Molekulen beim StoB auch noch Kernschwingungsenergie aufgenommen w i d , kann hier wohl auger Betracht bleiben, weil die in den H,+-Ionen verfiigbare potentielle Energie bei den untersuchten Fallen hierzu zu klein ist.

Zur Berechnung der A-Werte habe ich die Ionisierungs- spannungen der Tab. 3 benutzt2). Bei Wasserstoff kann man dabei etwas im Zweifel sein. Denn neben dem in der Tabelle an- gefiihrten spektroskopischen Wert fanden viele Untersuchungen

T a b e l l e 3

A =En-- E i ,

durch ElektronenstoB noch einen zweiten Wert von etwa 15,s Volt, der oflenbar so zustande kommt, daB das Molekul bei seiner Ioni- sation gleichzeitig durch den StoB des Elektrons noch Schwingungs- energie aufnimmt. An den folgenden Betrachtungen wurde aber die Wahl von 15,8 an Stelle des benutzten Wertes von 15,34 nichts Grundsatzliches andern. Mittels der Ionisierungsspannungen erhalt man fiir die fraglichen StoBprozesse die A-Werte der Tab. 4. Bei positivem A verlauft die Umladung unter EnergieiiberschuB, der in kinetische Energie verwandelt werden kann. Bei negativem A aber findet Umladung iiberhaupt nur dann statt, wenn auBer der potentiellen Energie des stoBenden Ions auch noch kinetische auf- gewandt wird.

1) H. Kal lmann , B. R o s e n , Ztschr. f. Phys. 61. S. 61. 1930. 2) W. d e G r o o t u. F .M.Penn ing , Handb. d. Phys. 23/1.

F. Wolf. Wirlcungsquerschnitte bei Ionenstopen mu. 641

T a b e l l e 4

Die A-Werte sind auch in den Egg. 7 und 8 rechts an die entsprechenden Kurven angeschrieben. Man erkennt , da8 das Ilesonanzprinzip zunachst in groben Ziigen erfiillt ist insofern, als der Umladungsquerschnitt fur H,+ --f Ar mit dem sehr kleinen UTert A = - 0,34 Volt uberragend grog ist, wahrend die anderen Falle mit gro8erem A erheblich dahinter zuriickbleiben. Aus dem sehr flachen Verlauf der Kurve fur H,++ Ar und dem wenig aus- gepragten Minimum scheint iibrigens hervorzugehen, dab die Um- ladung hier iiberhaupt eine groBe Rolle spielt, auch bis zu kleinen Geschwindigkeiten herab. Das Resonanzprinzip wird auch insofern erfullt, als die Ordinaten der Kurven fur H,*-t He, Ne, Ar bei groBen Geschwindigkeiten nach derselben Reihenfolge abnehmen, wie A zunimmt. Aber eine vollstandige Ein- ordnung der verschiedenen Kurven nach der Reihenfolge der Id I ist nicht moglich.

Deutlicher werden dime Verhaltnisse, menn man die zu einer festgewahlten Strahl- energie gehorigen Ordinaten der verschiedenen liurven iiber der jeweiligen Reso- nanzverstimmung A auftragt, also eine Resonanzkurve zu konstruieren versucht. In Pig. 9 ist dies durchgefuhrt unter Benutzung der schon in Tab. 1 aufgefuhrten Querschnitte bei 30 1/mt, (wenn die Resonanzuberlegungen auch wohl fur etwas kleinere Energien aufgestellt sind). Die gleichzeitig eingezeichnete Kurve deutet roh den Charakter der Abhangigkeit an, die man nach dem Resonanzprinzip etwa zu erwarten hatte, (ohne da8 ihr Verlauf irgendwie quantitativ aus den MeEpunkten ab- geleitet ist). Die Messungen erfullen eine solche Abhangigkeit, wie man sieht, schlecht. Das gleiche gilt iibrigens auch fur die von Ramsaue r , K o l l a t h und L i l i e n t h a1 gefundenen Wirkungs-

Fig. 9. Wirkungsqucrsehnitte und Resonanzverstimmung

542 dnnalen der Physik. 5. Polge. Band 25. 1936

querschnitte gegeniiber Protonen. Auch sie lassen sich keiner ein- heitlichen Resonanzkurve einfiigen. E s fallen offensichtlich neben dem Resonanzprinzip noch individuelle Eigenschaften der StoB- partner wesentlich mit ins Gewicht, die sich in den Wechsel- wirkungsenergien von K a l l m a n und R o s e n s Ansatzen SuiuWern miiSten; falls nieht doch irgendwelche Anregungen oder Dissoziation eine wesentliche Rolle spielen.

Am meisten scheinen sich die StoBe Nei - tHe , H e + - - t N e und Hei --t Ar der Einordnung in eine zusammenhangende Kurve zu widersetzen. Die kleinen Werte fur Ne+ --f He und He+ -+ Ne konnten durch die annahme gedeutet werden, daB bei Ne eine Be- sonderheit vorliegt ’). Ne nimmt ja auch insofern eine Sonderstellung unter allen Elementen ein, als es das schwerste Atom mit ab- geschlossener Schale ist, bei dem gleichzeitig samtliche mogliclien Platze mit Elektronen besetzt sind. In der nach S u t h e r l a n d berechneten Reihe der gaskinetischen Radien zeigt Ne zwar keine grobe Un- regelmaBigkeit. Aber es ist in diesem Zusammenhang interessant, dab T r a u t z 2 ) unter Anwendung eines von J. C1. Maxwel l an- gegebenen Kraftgesetzes aus der inneren Reibung bei der kritischen Temperatur gaskinetische Radien berechnet, aus deren Reihenfolge u e deutlich herausfallt. Sein Radius wird hier kleiner als der des He und des B,. In Tab. 5 sind diese beiden Reihen gaskinetischer Radien in cm einander gegeniibergestellt 3).

HP 1 Ne ~ . H e Gas

T a b e l l e 5

Ar

11 Anm. bei der Korrektzcr: Auch fur Hzi +Ne hat sich inzwischen der reine Umladungsquerschnitt vie1 zu klein ergeben. Vgl. dazu die nachstens in diesen Ann. erscheinende Arbeit.

2) M. T r a u t z , Ann. d. Phys. [5] 16. S. 19s. 1932. Fur den Hinweis auf diesen Zusammenhang danke ich Herrn T r a u t z bestens.

3) In ahnlicher Weise fallt Ne auch aus der sonst vollig linearen Reihe der Siedepunkte samtlicher Edelgase heraus. Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Kosse l . Vgl. W. K o s s e l , Ztschr. f. Phys. 1. S. 395. 1920.

4) L a n d o l t - B o r n s t e i n a. a. 0.

F. Wolf. Wirkungsquerschnitte bei Ionenstogen usw. 543

mugten. Dies ist aber, wie Fig. 7 zeigt, weder in dem Gebiet, wo die Streuung eine Rolle spielt, noch im Bereich der Umladung bei gro Ben Geschwindigkeiten der Fall. Entsprechend liegen auch die betreffenden Punkte in Fig. 9 bei A = + 3 und - 3 Volt entgegen der einfachsten Auffassung des Resonanzprinzips verschieden hoch. Man muB vielmehr feststellen, daB die Umladung offenbar wahr- scheinlicher ist fur den Fall, daB potentielle Energie im nberschul3 zu Verfiigung steht (d = + 3), als wenn zu der potentiellen noch kinetische Energie des Ions hinzugenommen werden mu8 ( A I - 3), um die Umladung uberhaupt zu ermoglichen. Ganz derselbe Grund konnte vorliegen fur den grogen Unterschied zwischen H,+ --t He und He+-+ Ar. Die Aufnahme von 9,l Volt kinetischer Energie bei H, + --f He ist weniger wahrscheinlich als die Abgabe von 8,s Volt bei He+-+ Ar.

Zusammenfassung

Mit fruher beschriebener Versuchsanordnung wird zwischen durchschnittlich 30 und 1030 Volt der Wirkungsquerschnitt in Ab- hangigkeit von der Ionengeschwindigkeit gemessen fiir die StoB- vorgange He++ Ne, Ar; Ne++ He; H,+ -+ He, Ne, Ar.

Ergebn i s se

Der Wir- kungsquerschnitt f allt mit wachsender Geschwindigkeit zunachst mehr oder weniger steil ab bis zu einem Minimum und steigt bei groBen Geschwindigkeiten wieder langsam an (11. 1).

2. Durch qualitative Sonderversuche konnte der Abfall auf das Zuriicktreten der Streuung, der Wiederanstieg auf zunehmende Um- ladung zuriickgefiihrt werden. Dieses Verhalten wird auch auf Grund theoretischer Erwagungen erwartet (11. 1).

3. Gegenuber den gaskinetischen sind die gefundenen Quer- schnitte besonders bei gro8eren Geschwindigkeiten meist aulSer- ordentlich klein. Z. B. konnen im Falle von Nef -t He die Kerne sich bis auf weniger als drei Zehntel des gaskinetischen Kern- abstands nahern, ohne daB eine feststellbare Beeinflussung auftritt

4. Bei kleinen Geschmindigkeiten laBt sich folgende Regel fur die Streuvorghge feststellen: Sowohl die beobachtete Streumenge selbst als auch ihre Zunahme mit Verringerung der Geschwindigkeit gehen zuruck, wenn man einer bestimmten Sorte von Strahlionen Atome wachsender Masse entgegenstellt (11. 3).

1. Sh t l i che MeBkurven zeigen gleichen Charakter.

(11. 2).

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5. Unter der Voraussetzung, dal3 die Querschnitte bei grogen Geschwindigkeiten im wesentlichen durch Umladung entstehen, wird untersucht, wie weit die Messungen das Resonanzprinzip von Ka l l - m a n n und Rosen befolgen. Im einzelnen zeigen sich folgende Abweichungen: StoBe, an denen Neon beteiligt ist, zeigen zu kleine Querschnitte, was auf eine Be- sonderheit dieses Elements hindeutet. Berner erweist sich der Um- ladungsvorgang als wahrscheinlicher, wenn hierzu potentielle Energie des Strahlions im UberschuB zur Verfiigung steht, als wenn noch kinetische Energie verbraucht werden mul3, um die Urnladung uber- haupt zu ermoglichen (11. 4).

6. Die MeBergebnisse werden vielfach rnit anderweitigen Er- fahrungen verglichen.

Zu groBem Dank bin ich verpflichtet der Helmholtz-Gesell- schaft fiir vielfaehe Unterstiitzung, sowie der Linde-A. G. fiir die bereitwillige Schenkung der Edelgase.

D anz ig -Langfuhr , Physikalisches Institut der Technischen Hochschule.

In groben Ziigen ist es erfiillt.

(Eingegangen 20. Dezember 1935)