4
Wirtschaftsethik by Bruno Molitor Review by: Hermann Sautter FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 48, H. 2 (1990), pp. 347-349 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40912442 . Accessed: 16/06/2014 17:28 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.109 on Mon, 16 Jun 2014 17:28:02 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Wirtschaftsethikby Bruno Molitor

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Wirtschaftsethikby Bruno Molitor

Wirtschaftsethik by Bruno MolitorReview by: Hermann SautterFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 48, H. 2 (1990), pp. 347-349Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40912442 .

Accessed: 16/06/2014 17:28

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access toFinanzArchiv / Public Finance Analysis.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 194.29.185.109 on Mon, 16 Jun 2014 17:28:02 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 2: Wirtschaftsethikby Bruno Molitor

Besprechungen 347

Theorie der sozialen Sicherung". Sie enthält die Mikro- und die Makroanalyse der sozialen Sicherung und wendet sich dann drei Teilbereichen (Rentenversicherung, Gesundheitsöko- nomie, Familienlastenausgleich) zu. Abschnitt C behandelt unter dem Titel „Soziale Siche- rung in der Bundesrepublik Deutschland" die institutionellen Verhältnisse. Abschnitt D ist unter dem Titel „Soziale Sicherung in der Krise" den Anpassungsproblemen des Systems an die Veränderungen von Démographie, Erwerbstätigkeit und anderen Rahmenbedingun- gen gewidmet und skizziert abschließend einige Aspekte einer integrierten Sozial- und Steuerreform.

Den Kern des Bandes (und Vorzug) stellt die ökonomische Theorie der sozialen Siche- rung dar; die Absicht des Autors, hier die Frage der Rechtfertigung von staatlichen Eingrif- fen mit dem Instrumentarium der Theorie anzugehen und darüber hinaus die Wirkungen der Sozialpolitik auf das Verhalten der Bürger zu untersuchen, ist ohne Zweifel ausgespro- chen gelungen. Vom Studierenden erfordern diese Erörterungen einige Vorkenntnisse in der Wirtschaftstheorie.

Petersen arbeitet heraus, daß es ebenso in „individualistisch" wie in „kollektivistisch" angelegten Gesellschaften rationale Begründungen für soziale Sicherungseinrichtungen gibt. Im ersteren Falle sind diese Begründungen wesentlich allokativer, im zweiten Falle distributiver Natur. Beide Paradigmen haben die realen politischen Entscheidungen beein- flußt, „so daß das heute existierende System der sozialen Sicherheit einen mehr oder weniger gelungenen Kompromiß darstellt" (S. 94). Die gesetzlichen Eingriffe der letzten Jahre hält Petersen für zwar im Grundsatz notwendige Anpassungsentscheidungen, sieht aber eine deutliche soziale Schieflage in der konkreten Ausgestaltung. Petersens Empfeh- lung gegen „derartige Sozialdemontage" (S. 249) ist vor allem ein Mehr an Langfristigkeit der Orientierung sozialpolitischer Maßnahmen.

Aufgrund der Konzeption des Bandes ist zwar einleuchtend, daß die Behandlung der institutionellen Verhältnisse und der Entwicklung des Systems der sozialen Sicherung rela- tiv kurz gehalten ist; die drakonische Kürze der Darstellung und der kritischen Behandlung einiger Teilbereiche (z. B. der Arbeitslosenversicherung und der Sozialhilfe) bedingt aller- dings, daß die heute verwendeten Lehrbücher der Sozialpolitik (z. B. von Heinz Lampert) sicher nicht obsolet werden.

DlETHER DÖRING

Bruno Molitor: Wirtschaftsethik. München 1989. Vahlen. 189 Seiten.

Dieses Buch will sich nach der erklärten Absicht des Autors nicht mit der Diskussion ethischer Theorien aufhalten, sondern unmittelbar bei den „Sachen" ansetzen, d. h. bei den Tatbeständen einer Gesellschaftswirtschaft. Die hierfür geltenden Normen sollen aus den Zielsetzungen und Funktionserfordernissen dieser Wirtschaft abgeleitet werden. Dieser Absicht entspricht es, wenn sich der Verfasser nur relativ kurz im II. Kapitel mit den „Grundaspekten der Moral" befaßt. Wichtiger ist ihm das „Sachgerüst" der Wirtschaft, das er im III. Kapitel behandelt. Hier findet der Leser eine Einführung in die „Grundtatsa- chen" einer Gesellschaftswirtschaft (Güterknappheit, Tausch, technischer Fortschritt, Ka- pitalbildung usw.). Die Darstellung entspricht dem, was üblicherweise in Einführungen in die Volkswirtschaftslehre geboten wird, so daß der ökonomisch gebildete Leser kaum etwas Neues erfährt.

In den folgenden Kapiteln IV-X werden dann die mit den einzelnen Aspekten einer Gesellschaftsökonomie zusammenhängenden ethischen Fragen diskutiert. Zunächst (Kapi- tel IV) wendet sich der Verfasser der „Moral der Wirtschaftsordnung" zu. Das Beziehungs- netz der Gesellschaftswirtschaft will organisiert sein. Dies ist Aufgabe einer Ordnung, die freilich nichts mit einem philosophisch verstandenen „Ordo" zu tun haben soll, sondern als

This content downloaded from 194.29.185.109 on Mon, 16 Jun 2014 17:28:02 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 3: Wirtschaftsethikby Bruno Molitor

348 Besprechungen

ein Satz von Funktionsregeln verstanden wird. Ohne alternative Ordnungsformen zu dis- kutieren, beschreibt der Verfasser die Funktionsweise einer marktwirtschaftlichen Ord- nung. Ihr attestiert er mehr implizit als explizit eine hohe moralische Qualität.

Davon ausgehend, daß die wichtigste Funktion einer Gesellschaftsökonomie darin be- steht, Güter für die Bedürfnisbefriedigung bereitzustellen, wird im folgenden Kapitel (V) nach der Entstehung und nach dem Inhalt der Konsumentenpräferenzen gefragt. Die Konsumentscheidungen sind „frei", befindet der Autor. Vorschreiben lasse sich hier nichts. Das hindert ihn aber nicht daran, in speziellen Fällen staatliche Verbote zu fordern, zum Beispiel im Blick auf die „Betätigung einer Präferenz für Drogen". Darin wird ein morali- sches Gebot gesehen.

Aufgabe der Unternehmen ist die „prompte und effiziente Bedienung der Konsumenten- präferenzen". Im nächsten Kapitel beschäftigt sich deshalb der Verfasser mit den Fragen der Unternehmensethik. Das Unternehmen könne keiner Spezialmoral folgen, die von dem abweiche, was die Wirtschaftsethik allgemein in einer Marktwirtschaft fordere. Vielmehr gehe es hier um eine Anwendung der allgemeinen Wirtschaftsmoral auf die Belange des Unternehmensbereichs. Spezifische Fragen einer so verstandenen Unternehmensethik wer- den am Beispiel der Außen- und Innenbeziehungen des Unternehmens diskutiert. Für „unmoralisch" hält der Autor beispielsweise eine Preisdifferenzierung, eine „schamlose" Ausnutzung der Marktmacht gegenüber Zulieferern seitens eines Konzerns, einen „unver- frorenen" Preiswettbewerb mit dem Ziel der Verdrängung von Konkurrenten, eine Neigung von Managern zur „konglomerativen Gigantomanie". Die Begründung dieser moralischen Urteile ist dürftig. Der Leser hat den Eindruck, daß sich der Autor hier - wie auch an anderen Stellen - mehr auf seine Intuition und auf sein Bekenntnis zur marktwirtschaft- lichen Ordnung verläßt als auf begrifflich scharfe Kriterien, die etwa die analytische Ethik bieten würde. Darauf wird weiter unten zurückzukommen sein.

Konstitutiv für eine marktwirtschaftliche Ordnung ist der Wettbewerb. Aber es gibt Ausnahmen vom Wettbewerbsprinzip. Eines der Beispiele dafür bietet der Arbeitsmarkt, auf den der Verfasser im Kapitel VII eingeht. Hier interessieren ihn vor allem die morali- schen Anforderungen, denen die Gewerkschaften zu genügen haben. Von ethischen Forde- rungen an die Unternehmen ist hier kaum die Rede, was damit „begründet" wird, daß auf den Arbeitsmärkten die Gewerkschaftsseite „nun einmal die fordernde Partei zu sein pflegt" (S. 123). Schlichtweg unmoralisch sei es zum Beispiel, wenn die Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen „die volkswirtschaftlichen Rücksichten in den Wind schlagen und dann vom Staat . . . erwarten, daß er seinerseits für die Beschäftigungsschäden aufkommt" (S. 122), und wenn die für die Tarifvertragszeit erwarteten Güterpreissteigerungen bei Lohnabschlüssen antizipiert werden.

Ein weiterer Bereich, an dem wirtschaftsethische Fragen exemplifiziert werden, ist der der sozialen Sicherheit (Kapitel VIII). Es bietet sich an, hier die einschlägigen Standardthe- men, wie das Problem des „moral hazard" und des „Samariter-Dilemmas", zu behandeln. Der Autor tut dies mit der deutlichen Absicht, den „überdrehten Sozialstaat" als die Ursache vieler ökonomischer und moralischer Probleme zu kritisieren. Der staatliche Zwang soll auf eine „Grundsicherung" reduziert werden, um die Selbstversorgung und die Teilnahme am Netz kleiner Gemeinschaften zu fördern, wobei allerdings ein steuerfinan- ziertes „Grundeinkommen" als Ausdruck für eine „kommunistische Fiktion" gilt, die „schlankweg der Moral (widerspricht), wie sie in den Grundrechten unserer Verfassung ihren Niederschlag gefunden hat" (S. 140).

Staatliche Eingriffe sind auch in Marktwirtschaften unerläßlich. Deshalb fragt der Autor im Kapitel IX nach der „Moral der Wirtschaftspolitik". Das Hauptproblem sieht er im Mißbrauch und in der Zerstörung marktwirtschaftlicher Funktionsgesetze. Deshalb seien institutionelle Regeln notwendig, die die staatliche Machtausübung begrenzen und für ihre Ordnungskonformität sorgen. Allerdings reiche das nicht aus. Auch auf Seiten der politisch Handelnden sei die Internalisierung moralischer Ansprüche unverzichtbar: „Warum sollten Politiker von Akten der Selbstbeherrschung und auch der Selbstverleug-

This content downloaded from 194.29.185.109 on Mon, 16 Jun 2014 17:28:02 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 4: Wirtschaftsethikby Bruno Molitor

Besprechungen 349

nung (Askese) aus der Sachverpflichtung heraus überfordert sein, die sie andererseits wie selbstverständlich von den maßnahmebetroffenen Bürgern erwarten?" (S. 151)

Schließlich befaßt sich der Autor im Kapitel X mit Fragen der Entwicklungshilfe, vermutlich deshalb, weil dieser Politikbereich besonders anfallig ist für eine vordergründige Moralisierung. Ethisch geboten sei es, Menschen in ihrer Not zu helfen. Dem entspreche das Maßnahmebündel zur Sicherung der Grundbedürfnisse in Ländern der Dritten Welt. Grundbedürfnishilfe sollte aber prinzipiell durch private karitative Organisationen geleistet werden, nicht durch den Staat. Dieser solle sich auf „jenen Teil von Industrialisierungslei- stungen beschränken, der in kooperativen Hilfen an die Regierungen von Dritte-Welt- Ländern besteht" (S. 173). Dem Rezensenten ist nicht klar geworden, was der Autor mit „kooperativen Hilfen" meint. Er hat auch nicht verstanden, weshalb der Wettbewerb von Hilfsorganisationen völlig unterschiedlich bewertet wird, je nachdem ob es sich um private karitative Organisationen oder um internationale Organisationen handelt. Im ersten Fall führt der Wettbewerb „von sich aus zur Projektkonzentration" (?) und ist damit effizienz- fördernd (S. 173). Im zweiten Fall leidet die Effizienz, weil sich diese Organisationen „vor Ort nur zu oft in die Quere kommen" (S. 174). An die Ausführungen in diesem letzten Kapitel wären vom entwicklungspolitischen Standpunkt aus zahlreiche Fragen zu stellen.

Überblickt man das ganze Buch, so gewinnt man den Eindruck einer flüssig geschriebe- nen, mit Polemik gewürzten Einführung in einige ausgewählte wirtschaftsethische Problem- bereiche. Wer an einer Apologie der Marktwirtschaft interessiert ist, wird bei diesem Buch auf seine Kosten kommen. Wer dagegen eine begrifflich scharfe Analyse wirtschaftsethi- scher Probleme sucht, wird eher enttäuscht sein. Es rächt sich eben doch, wenn man meint, sich beim Schreiben einer Wirtschaftsethik nicht mit den ethischen Theorien „aufhalten" zu müssen, sondern unvermittelt bei den „Sachen" ansetzen zu können. Was im II. Kapitel zu den Grundaspekten der Moral ausgeführt wird, ist unzulänglich. Der Autor versteht es zum Beispiel nicht, hier sauber zwischen staatlich sanktionierten Gesetzen und gesellschaft- licher Moral zu unterscheiden. Das macht die Ausführungen in diesem Kapitel reichlich diffus.

Auf Erkenntnisse der analytischen Ethik meint der Autor verzichten zu können, weil sie ein „Moralproblem durch ein Sprachproblem substituieren" (S. 6). Aber von diesem Zweig der Philosophie hätte er zumindest lernen können, ethische Fragen von ideologischen zu unterscheiden und zwischen den verschiedenen Formen wertender Aussagen zu differenzie- ren. Da er meint, sich damit nicht „aufhalten" zu müssen, fehlen ihm begrifflich scharfe Kriterien für die Analyse wirtschaftsethischer Einzelprobleme in den Kapiteln IV-X. Mit welcher Vorstellung vom „guten Leben" wird beispielsweise ein gesetzliches Verbot der „Betätigung von Präferenzen für Drogen" gerechtfertigt? Kommt man, ausgehend von dieser Vorstellung, möglicherweise doch zu einer differenzierteren ethischen Beurteilung des Konsumverhaltens, als sie der Autor vornimmt? Welcher Begriff von „Gerechtigkeit" oder „Gleichheit" liegt einer moralischen Verwerfung der Preisdifferenzierung zugrunde? Ließe sich nicht gerade unter Berufung auf das Gerechtigkeitsprinzip eine Preisdifferenzierung rechtfertigen? Welche Konsequenz hat es für die gesellschaftlichen Vorstellungen vom „Guten", wenn sich die Wirtschaft ausschließlich auf die Güterproduktion beschränken will und die „Moralproduktion" der Familie, den Bildungseinrichtungen und den Weltanschau- ungsgemeinschaften überlassen bleibt? Ist nicht die Devise „the business of business is business" längst überholt? (Man lese dazu etwa, was R. de George in seiner „Business Ethics", 2nd. ed., New York 1986, zu sagen hat.) Fragen dieser Art werden in dem Buch kaum gestellt. Dadurch bleibt es in mancher Hinsicht oberflächlich. Es ist zu wünschen, daß die mittlerweile auch in der Bundesrepublik in Gang gekommene wirtschaftsethische Diskussion mehr gedankliche Tiefe gewinnt, als sie in weiten Teilen dieses Buches geboten wird.

Hermann Sautter

This content downloaded from 194.29.185.109 on Mon, 16 Jun 2014 17:28:02 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions