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Wissen was (wirklich !) hilft- medizinisches Wissen auf dem
Prüfstand
• Wie entsteht medizinisches Wissen? • Warum brauchen wir geprüftes Wissen und
Wissens-Synthesen? • Welche Formen von Synthesen gibt es zu Ihrer
Verfügung? • Integration von Wissen und ärztlicher
Erfahrung
Wie entsteht medizinisches Wissen?
Klinische Studien sind Experimente am Menschen zur Überprüfung der Wirksamkeit einer Intervention hinsichtlich des Nutzens aber auch des möglichen Schadens für zukünftige Patienten.
Die experimentelle therapeutische Überprüfung entstammt einer Wissenschaftstheorie, die fordert, Annahmen über die Wirksamkeit in Versuchen zu überprüfen, die möglichst verlässliche Aussagen über die Wirksamkeit einer Therapie zulässt.
Die aus den Studien gewonnen Hinweise (Evidenz) können den Entscheidungsprozess des individuellen Patienten und seiner Ärzte unterstützen – immer im Bewusstsein der methodischen Möglichkeiten und Grenzen der wissenschaftlichen Methoden.
Grundprinzipien von Wissenschaftlichkeit
• Eine Annahme über ein natürliches Phänomen wird in einem Experiment überprüft
• Die Ergebnisse müssen transparent und nachvollziehbar dargelegt werden.
• Die Experimente müssen wiederholt reproduziert werden, um so die Ergebnisse zu bestätigen (verifizieren) oder zu verwerfen (falsifizieren)
• Selbstregulierung durch Begutachtung durch Gleiche (Peers) • Auseinandersetzung im Diskurs mit anderen Ergebnissen • Generierung von Wissenschaft ist ein fortschreitender Prozess
Die ‚erste‘ Studie
• James Lind (1716 - 1794) • Im siebenjährigen Krieg starben mehr
Soldaten an Skorbut als in den Kampfhandlungen
• 1747 erstes kontrolliertes Experiment mit Zitrusfrüchten gegen Skorbut
• Veröffentlicht 1753 • Umgesetzt 80 Jahre später
www.jameslindalliance.org
Medizin, Statistik und die Entwicklung der klinischen Forschung
16. Jhdt. Erste Sterblichkeits-Statistiken
Grundlagenforschung: Theoretisch (Modelle, Methoden und Techniken) und angewandt (u.a. Tier- und Zellstudien, Gensequenzierung )
Forschung am Menschen Phase I (15 – 30) Phase II (unter 100) Phase III (mehr als 100)
Nach Zulassung und Einführung: Implementierungsforschung, Sekundärforschung
Innovation Evaluation Transfer in die Versorgungspraxis
Phasen der Klinischen Forschung
Vorklinische Phase Klinische Phase
Phase IV
Studientypen in der klinischen Forschung
Studien - Designs
Beobachtungsstudien: Der ‚Forscher‘ studiert die bereits vorhandenen Fälle, ohne einzugreifen
Experimentelle (Interventions-) Studien: der ‚Forscher‘ greift steuernd in die Realität ein und beobachtet dann systematisch, was passiert
Querschnitts-Studien
Kohorten - Studien
Fall-Kontroll-Studien
Randomisierte kontrollierte Studien
Quasi-Experimentelle Studien
Warum brauchen wir geprüftes Wissen und Wissenssynthesen?
Überliefertes Wissen
Geprüftes Wissen
Prüfung in einem Experiment:
Kohlensäuregehalt nach 24 Stunden:
Mit Löffel: ca. 40 %
Ohne Löffel: ca. 40 %
Stanford News Release, 12.12.1994, http://news.stanford.edu/pr/94/941221Arc4008.html John Matson, Fact or Fiction: Does a Spoon in the Bootle keep champagne bubbly? Scientific American 4 82013)
Studien, weil….. Wissen aus Studien ist auch nie absolut – aber verlässlicher als das Wissen aus unkontrollierten Alltagserfahrungen Unsere subjektive Wahrnehmung - unterliegt Störeinflüssen (z.B. optische Täuschungen) Das Wissen über einen erwarteten Effekt - kann genau diesen hervorrufen (beim Patienten, wie beim Forscher)
Transfer von Forschung in die Praxis
Forschung / Daten / Studien
Evid
enz -
Nut
zung
Ev
iden
z -Pr
oduk
tion
? • Behandelnde Ärztinnen und Ärzte
• Gesundheitsbehörden
• Krankenkassen, Institutionen
• Klinische Forschung
• Patienten
50 %
~ 2 Mio. Publikationen / Jahr in ~ 25.000 Fachzeitschriften Medline: > 700.000 Clinical Trials > 350.000 RCTs > 20.000 RCTs/Jahr
~ 2 Mio. Publikationen / Jahr in ~ 25.000 Fachzeitschriften Medline: > 700.000 Clinical Trials > 350.000 RCTs > 20.000 RCTs/Jahr
Verschwendung von Wissen
Nicht publiziert (z.B. negative Ergebnisse)
Nicht auffindbar (nicht in den großen Datenbanken indexiert)
Nicht zugänglich (nicht elektronisch verfügbar)
Mangelnde Qualität der Publikation (selektives Berichten)
Sprachbarriere (globales Wissen wird Englisch veröffentlicht)
Technische Barrieren (keine Lizenzen, Abonnements o. IT Ausstattung)
John PA Ioannidis, Clinical trials: what a waste. Trials that are unregistered, unfinished, unpublished, unreachable, or simply irrelevant. BMJ 2014;349:g7089. doi: 10.1136/bmj.g7089
Antiarrythmika nach Herzinfarkt
70er Jahre Einführung, vielfache Anwendung, Studien 1983 Systematischer Review (14 Studien): Kein Nachweis des Effekts 1993 Systematischer Review ( 51 Studien): Mehr Todesfälle in der
Behandlungsgruppe!
80er Jahre 20.000 – 70.000 Tode pro Jahr in USA Moore 1993
1980 Studie abgebrochen (kommerzielle Gründe) nach 9 / 1 Todesfälle in Behandlungs- / Kontrollgruppe : Nicht berichtet
1993 Publikation Cowley et al. 1993
Moore TJ (1993) Deadly Medicine: Why Tens of Thousands of Heart Patients Died in America's Worst Drug Disaster Cowley AJ, Skene A, Stainer, Hampton JR (1993). The effect of lorcainide on arrhythmias and survival in patients with acute myocardial infarction. International Journal of Cardiology 40:161-166.
Plötzlicher Kindstod
1944 Empirische Untersuchung: 2/3 der gestorbenen Kinder lagen auf dem Bauch
1956 - 1958 Erste Fall-Kontroll-Studien 60er Jahre Zunahme der Empfehlungen für Bauchlage Um 1970 Ausreichend Evidenz: Signifikant erhöhtes Risiko durch
Bauchlage
1973 -1988 Empfehlungen für Bauchlage ca. 50.000 vermeidbare Tode
R. Gilbert, G. Salanti, M. Harden and S. See (2005). Infant sleeping position and the sudden infant death syndrome: systematic review of observational studies and historical review of recommendations from 1940 to 2002, International Journal of Epidemiology 34(4):874-87.
Informationsflut und Lesezeit
Sackett DL (2000) Surveys of self-reported reading times of consultants in Oxford, Birmingham, Milton-Keynes, Bristol, Leicester, and Glasgow. In: Rosenberg WMC et al. Evidence-based medicine. London: Churchill Livingstone; Alper, BS (2004) How much effort is needed to keep up with the literature relevant for primary care? J Med Libr Assoc. 92(4): 429–437.
1996 200 Artikel in den 10 führenden Zeitschriften der inneren Medizin/ Monat Für einen Allgemeinmediziner 19 Artikel/ Tag Selbsteinschätzung Lesezeit: unter 40 Minuten/ Woche 2004 341 aktive Journals mit monatlich 7.287 Artikeln in ‚primary care‘ Epidemiologische erfahrene Ärzte würden schätzungsweise 157 Stunden/ Woche brauchen, um diese Artikel kritisch zu lesen
Informationsflut Verfügbare Lesezeit
Systematische Arbeit mit wiss. Literatur um Wissenstransfer zu ermöglichen
Welche Formen von Synthesen gibt es zu Ihrer Verfügung?
Fehl
eran
fälli
gkei
t Randomisierte Kontrollierte
Studien
Kohorten-Studien
Fall-Kontroll-Studien
Fall Serien, Fall Berichte
Expertenmeinungen
Evidenzgrade und Evidenz-Informationsprodukte
Haynes, RB. Of studies, summaries, synopses, and systems: the “5S” evolution of information services for evidence-based healthcare decisions. ACP J Club 2006;145:A-8
Beispiele Zeitschriften: British Medical Journal The Lancet New England Journal JAMA
Nachschlagewerke: UpToDate BMJ Best Practice Clinical Evidence
Datenbanken: PubMed, ERIC, CINAHL, EMBASE, Cochrane Library, Guidelines International Network
Für alle Bürger Norwegens frei zugänglich -
Good doctors use both individual clinical expertise and the best available external evidence, and neither alone is enough. Without clinical expertise, practice risks becoming tyrannised by evidence, for even excellent external evidence may be inapplicable to or inappropriate for an individual patient. Without current best evidence, practice risks becoming rapidly out of date, to the detriment of patients.
David Sackett et al (1996) Evidence based medicine: what it is and what it isn't. BMJ 1996; 312, doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.312.7023.71