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Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts
der Stadt Bielefeld
–Abschlussbericht
Dipl.-Soziologe Kapriel Meser & Prof. Dr. Susanne Miller
Bielefeld im November 2016
Fakultät für Erziehungswissenschaft
AG 3 Schultheorie
Inhalt 1. Einleitung ............................................................................................................................... 2 2. Die wissenschaftliche Begleitung .......................................................................................... 4
2.1 Ziele der wissenschaftlichen Begleitung .......................................................................... 6
2.2 Methoden der wissenschaftlichen Begleitung .................................................................. 7 3. Ergebnisqualität aus Sicht der Akteure ................................................................................ 10
3.1 Die Perspektive der Fachkräfte der Kindertagesstätten ................................................. 10
3.1.1 Ziele und Bewertungen der Leitungen der Kindertageseinrichtungen ................ 10
3.1.2 Die Perspektive der pädagogischen Fachkräfte der KIGS-Gruppen ................... 12
3.1.3 Einschätzung der pädagogischen Fachkräfte zur kindlichen Entwicklung mittels PERIK-Bögen .......................................................................................... 18
3.1.4 Zusammenfassung ............................................................................................... 22
3.2 Die Perspektive der Professionellen der Grundschulen ................................................. 23
3.2.1 Ziele und Bewertungen der Schulleitungen ........................................................ 23
3.2.2 Die Perspektive der Lehrkräfte der aufnehmenden ersten Klassen ..................... 25
3.2.3 Zusammenfassung ............................................................................................... 30
3.3 Die Perspektive der KIGS-Kinder .................................................................................. 31
3.3.1 Qualitative Interviewergebnisse .......................................................................... 31
3.3.2 Selbsteinschätzungen der KIGS-Kinder im Vergleich zur Fremdeinschätzung durch ihre Eltern vor dem Übergang in die Grundschule.................................... 33
3.3.3 Quantitative Erhebung der Schulerfahrungen nach dem Übergang .................... 40
3.3.4 Zusammenfassung ............................................................................................... 42
3.4 Die Perspektive der Eltern .............................................................................................. 43
3.4.1 Qualitative Ergebnisse der leitfadengestützten Elterninterviews ........................ 43
3.4.2 Quantitative Ergebnisse des Fragebogens für Grundschuleltern......................... 46
3.4.3 Zusammenfassung ............................................................................................... 48 4. Vertiefende Fallrekonstruktionen ausgewählter Kinder ...................................................... 49
4.1 Lina: Entwicklung von einem ängstlichen zu einem selbstbewussten Kind .................. 50
4.2 Alexej: Der Übergang eines in vielen Bereichen förderbedürftigen Kindes ................. 55
4.3 Marek: Die Entwicklung sprachlicher und sozialer Kompetenzen im KIGS-Projekt ... 61
4.4 Sipan: Die Entwicklung vom passiven Außenseiter zu einem humorvollen Mitglied der Gruppe ............................................................................................ 65
4.5 Zwischenfazit ................................................................................................................. 69 5. Fazit ...................................................................................................................................... 71 6. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis .................................................................................. 76 7. Literatur ................................................................................................................................ 77
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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1. Einleitung
Übergänge stellen pädagogisch und bildungspolitisch ein zentrales Thema im Bildungsbereich
dar. Ein früher wichtiger Bildungsübergang findet sich an der Schnittstelle von
Kindertageseinrichtung und Grundschule. In Anlehnung an ökosystemisch orientierte
Forschungsansätze (Bronfenbrenner 1981; Rimm-Kaufmann/Pianta 2000) und den
Transitionsansatz (Griebel/Niesel 2004) lässt sich der Übergang in die Grundschule als eine
Phase beschreiben, die potenziell krisenhaft für Kinder sein kann. Nicht zuletzt gewinnt das
Thema dadurch Brisanz, dass ein erfolgreicher Übergang in die Grundschule als wichtige
Weichenstellung für die weitere schulische Laufbahn erachtet wird. Daher berühren sich hier
Aspekte von Bildungsgestaltung, Teilhabe und Chancengleichheit. Die erfolgreiche
Bewältigung hängt von verschiedenen Faktoren ab, sie zeichnet sich insbesondere durch ko-
konstruktive und interaktionale Arrangements aus. Die Vernetzung von
Kindertageseinrichtungen, Grundschulen und Familien spielt demnach eine große Rolle, wobei
dadurch weitreichende Transformationen des tradierten Verhältnisses der beteiligten
Institutionen, insbesondere in Hinblick auf die Bezugnahme auf individuelle kindliche
Bildungsprozesse, impliziert sind (Urban et al. 2015; Roßbach 2010). Demgegenüber lassen
sich Ansätze beschreiben, die den Schuleintritt nicht zwangsläufig in Zusammenhang mit
Krisen beschreiben, sondern vielmehr von stabilen Persönlichkeits- und
Verhaltenseigenschaften der Kinder ausgehen, die kaum vom Übergang selbst beeinflusst
werden (Faust et al. 2012; Caspi/Moffit 1991; 1993).
Gerade in Hinblick auf die Notwendigkeit einer individualisierten Gestaltung schulischer
Bildungsprozesse gewinnt eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Kontinuitäten und
Diskontinuitäten in der Transition an Bedeutung. Konkret stellt sich die Frage, wie von den
Institutionen, den Professionellen und den Eltern anschlussfähige Bildungsprozesse für das
einzelne Kind gestaltet werden können. Dabei ist die Gefahr einer potenziellen schoolification
des Elementarbereichs zu beachten (Dollase 1978; 2000; Arndt et al. 2015).
In diesem Sinne hat die Stadt Bielefeld mit „KIGS“ ein Modelprojekt initiiert, bei dem die
Zielsetzung einer möglichst positiven Transitionsgestaltung im Vordergrund stand. Die
konkreten Ziele des KIGS-Projekts lauteten:
die Minimierung der Risiken und Probleme des Übergangs von KiTa in GS eine inhaltliche und strukturelle Verzahnung von Elementar- und Primarbereich die räumliche Anbindung der KIGS-Gruppe in der Grundschule die Fokussierung auf die soziale, gesundheitliche und kognitive Förderung von Kindern,
insbesondere von sozial benachteiligten Kindern
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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die Entwicklung eines Leitbildes für den Elementar- und Primarbereich in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Kooperations- und Präventionsnetzwerken.
Für das KIGS-Projekt wurden zwei Grundschulen und zwei Kindertagesstätten im Stadtgebiet
Bielefeld ausgewählt. Kriterien für die Auswahl der Standorte waren:
- die Möglichkeit einer sozialen Durchmischung der späteren Eingangsklassen in der Grundschule
- es sollte eine möglichst abgeschlossene räumliche Gruppensituation für KiTa-Kinder an der Grundschule geben mit unmittelbar angrenzendem Außengelände und eigenen Sanitäranlagen
- es sollte gewährleistet sein, dass die Grundschule über die Projektlaufzeit bestehen bleibt.
Zusätzlich gab es Kriterien, die sich beispielsweise auf bauliche Beurteilungen, eine
gewünschte Trägerpluralität und bestimmte Sozialdaten bezogen.
Zum Standort 1: Es wurde eine Grundschule ausgewählt, bei der nur sehr geringe
Umbaumaßnahmen notwendig waren, da es eine leerstehende Hausmeisterwohnung mit
angrenzendem Außengelände gab. Außerdem gab es von dort einen direkten Zugang zur
Turnhalle und zu einem Lehrschwimmbecken. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler sollte
bis zum Ende des KIGS-Projektes nur geringfügig sinken. Außerdem arbeitete die Schule
bereits vor Beginn des Projektes mit sechs Kindertageseinrichtungen aus der näheren
Umgebung enger zusammen. Als Stammeinrichtung der KIGS-Gruppe wurde eine Kita
gewählt, die eine der zwei Kindergärten war, aus denen die meisten Kinder an die Schule
wechseln. Zudem ist sie in der Trägerschaft des Kirchenkreises Bielefeld. Insgesamt liegt der
Einzugsbereich der Grundschule im mittleren Bereich sozialer Belastungen (vgl. Kommunaler
Lernreport der Stadt Bielefeld 2012).
Zum Standort 2: Er benötigte zwar teurere Umbaumaßnahmen, jedoch sprachen für diesen
Standort die Lage im Bielefelder Süden und die Sozialstruktur der Bevölkerung im
Einzugsbereich der Schule, die als sehr belastet gilt (ebd.). Auch hier wurde nur von einem
geringen Rückgang der Schülerzahlen ausgegangen. Vorgeschlagen als Stammkindergarten
wurde eine KiTa in der Trägerschaft der Stadt Bielefeld. In der Umgebung wohnen
verhältnismäßig viele sozial benachteiligte Familien. Es war der einzige Standort der sechs
infrage kommenden Schulen, in dem dieser Anteil relativ hoch ist. Dieses Umfeld spiegelt sich
nach Auskunft der Schulleitung auch in der Schule wider.
Für das Projekt wurde auch eine Kooperation mit den offenen Ganztagsschulen der jeweiligen
Schulen vorgesehen, auch diesbezüglich war eine Trägerpluralität gegeben.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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2. Die wissenschaftliche Begleitung
Unter der Leitung von Prof. Dr. Susanne Miller hat die AG 3 der Fakultät für
Erziehungswissenschaft an der Universität Bielefeld die Umsetzung der wissenschaftlichen
Begleitung übernommen. Bei der Konzeption und dem Start der wissenschaftlichen Begleitung
im Oktober 2013 bestand das Forscherinnen-Team aus Susanne Miller und Anne Tecklenborg.
Ab Januar 2014 übernahm Kapriel Meser als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf halber Stelle
die Umsetzung hauptsächlich. Wir danken Rebecca Hummel, die zum Ende des Projekts die
wissenschaftliche Begleitung ergänzte, ganz besonders für ihre Unterstützung bei der
Aufbereitung des quantitativen Datenmaterials.
Im Einschulungsjahrgang 2015 wurde der Feldzugang durch verschiedene Tatsachen
erschwert. Die notwendige schriftliche Zustimmung zu den Erhebungen seitens der Eltern der
KIGS-Kinder wurde trotz mehrfacher Erinnerung und des großen Einsatzes der KIGS-
Gruppenleiterinnen von sehr vielen Eltern erst nach dem Jahreswechsel abgegeben. Somit
konnten einige Erhebungen nur verspätet stattfinden und auf andere, wie etwa eine
Performativbefragung für KIGS-Kinder, musste verzichtet werden. In diesen Zeitraum fiel auch
eine Phase, in der in Kindertageseinrichtungen gestreikt wurde, wodurch einige gemeinsame
Projekte und Aktionen mit der Schule ausfielen oder verschoben wurden. Hierdurch konnten
einige geplante Beobachtungen nicht durchgeführt werden. Dennoch ermöglichte hier
insbesondere die Unterstützung der pädagogischen Fachkräfte eine Gewinnung von KIGS-
Eltern für die Erhebungen.
Unser Dank gilt den am KIGS-Projekt beteiligten pädagogischen Fachkräften, Lehrerinnen und
weiteren Personen, die uns über die Jahre hinweg stets sehr kooperativ Einblicke in ihre Praxis
boten. Insbesondere danken wir den Kindern aus den KIGS-Gruppen und den
Grundschulklassen. Nicht nur ermöglichten sie uns mit ihrer Offenheit Zugang zu ihrem Kita-
und Schulalltag, sondern sie verschafften uns zugleich immer wieder Freude an der
pädagogischen Praxis.
Der Abschlussbericht stellt die Ergebnisqualität des KIGS-Projekts in Form von
Rekonstruktionen der einzelnen Akteursperspektiven und einer daran anschließenden
Erörterung der Implikationen für die Kooperationsbeziehungen an der Schnittstelle von
Elementar- und Primarbildung dar. Er lässt sich als Fortschreibung der Zwischenberichte lesen
und bezieht wesentliche Teile dieser ein und erweitert sie um zeitlich nachgelagerte Erhebungen
und Analysen. Zusätzlich zu den Berichten wurden Ergebnisse der wissenschaftlichen
Begleitung in Form von Vorträgen auf wissenschaftlichen Fachtagungen oder Publikationen in
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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Fachmedien veröffentlicht. Bislang wurden Zwischenergebnisse des KIGS-Projekts auf
folgenden Tagungen vorgestellt:
Kongress Armut und Gesundheit 2015, Titel des Vortrags: „Resilienzförderung in der Transition zwischen Elementar- und Primarbereich“ (Kapriel Meser, Susanne Miller, Robert Stölner, Werner Wörmann), 6. März 2015 in Berlin
DGFE-Sektionstagung Schulpädagogik 2015, Titel des Vortrags: „KIGS: Den Übergang anders gestalten“ (Susanne Miller und Kapriel Meser), 30.09.2015 in Göttingen
Internationale Jahrestagung 2016 der Inklusionsforscher_innen, Titel des Vortrags:
„Die Kommunikations- und Kooperationspraxis im KIGS-Projekt: Potenziale für eine
(inklusive) Übergangsgestaltung“ (Kapriel Meser und Susanne Miller), 17.02.2016 in Bielefeld
DGFE-Kongress 2016, Titel des Vortrags: „Das Bildungshaus-Modell KIGS der Stadt
Bielefeld: Strukturelle Veränderungen und politische Rahmenbedingungen“ (Robert Stölner und Suanne Miller), 16.03.2016 in Kassel
Jahrestagung Grundschulforschung 2016, Titel des Vortrags: „Kita und GS rücken
zusammen: Veränderungen durch gemeinsame Bildungsarbeit "unter einem Dach" im
Bielefelder KIGS-Projekt“ (Kapriel Meser und Suanne Miller), 30.09.2016 in Bielefeld
Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung entstandene und bereits veröffentlichte
Publikation sind:
1) Stölner, Robert, Miller, Susanne & Hilker, Frank (2014): KiGs – ein Projekt aus
Bielefeld zur Gestaltung des Übergangs zwischen Kindertagesstätte und Grundschule.
In: KiTa aktuell NRW, 23, 12, 274-276.
2) Meser, Kapriel/Miller, Susanne (2016): Eine KiTa-Gruppe befindet sich in der
Grundschule: Den Übergang anders gestalten. In: Heinzel, Friederike & Koch, Katja
(Hrsg.): Individualisierung im Grundschulunterricht: Anspruch, Realisierung und
Risiken. Jahrbuch Grundschulforschung, Band 21. Wiesbaden: VS/Springer, 55-60.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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2.1 Ziele der wissenschaftlichen Begleitung
Die Zielsetzung der wissenschaftlichen Begleitung des KIGS-Projekts verfolgt zwei
Schwerpunkte:
1.) Es soll die Ergebnisqualität des Modellprojekts evaluiert werden, indem die Perspektiven
der beteiligten Akteursgruppen (Pädagogische Fachkräfte der Kindertageseinrichtungen1 und
Grundschulen sowie Erziehungsberechtigte2 und Kinder) erhoben werden.
2.) Zum anderen sollen vielversprechende Konzeptvarianten, pädagogische Settings,
Arrangements und Prozesse sowie Kooperationsformen beobachtet werden, um „gute Praxen“
im Sinne einer förderlichen Übergangsgestaltung dokumentieren zu können.
Prozessbegleitend war es ein Anliegen, Raum für einen standortübergreifenden
kommunikativen Austausch der Professionellen der KIGS-Gruppen und ihrer
Stammeinrichtungen zu bieten. Zu diesem Zweck wurden zusätzlich zu den regelmäßig
stattfindenden gemeinsamen Treffen der Steuergruppe mit der wissenschaftlichen Begleitung
auch zwei weitere Austauschtreffen in den Räumen der Universität angeboten, bei denen die
Projektumsetzung reflektiert wurde. In den vielen Gesprächen mit den pädagogischen
Fachkräften der Kita, mit den Fachkräften der KIGS-Gruppen und den Leitungen der
Stammeinrichtungen kristallisierte sich ein Diskussionsbedarf zu verschiedenen Themen der
päd. Praxis heraus (u.a. Jahrgangshomogenität, Übergang in die KIGS-Gruppe, Kollegialer
Austausch der elementarpädagogischen Fachkräfte). Diesem Bedarf konnte, auch mit
Unterstützung der Stadt Bielefeld, durch die Organisation von insgesamt drei Workshops
nachgekommen werden, an denen Vertreterinnen beider Standorte gemeinsam teilnahmen. Die
Workshops wurden durch Frau Dr. Birgit Holler-Nowitzki, einer Mitarbeiterin des Lehrstuhls
mit langjähriger Erfahrung in der Begleitung von Qualitätsentwicklungsprozessen in
Elementarbildungseinrichtungen, organisiert und geleitet. Die Workshops sollten den
Teilnehmenden die Chance bieten, sich kritisch über aufkommende Themen, Unsicherheiten,
Pläne und Ziele auszutauschen sowie wesentliche Punkte der weiteren Umsetzung zu klären.
Dieses Angebot wurde durch die Anwesenden als sehr hilfreich bewertet.
1 Im Folgenden auch PFK. 2 Im Folgenden als Eltern benannt.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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2.2 Methoden der wissenschaftlichen Begleitung
Die Vorgehensweise der wissenschaftlichen Begleitung des KIGS-Projekts lässt sich über drei
Ebenen mit je eigenem Analysefokus beschreiben. Diesen drei Analyseebenen,
Akteursperspektiven, Fallrekonstruktion und Dokumentation der Konzeptvarianten sind
verschiedene Erhebungsinstrumente und Analyseziele zugeordnet (Abb. 1). Dabei sind die
einzelnen Ebenen nicht als strikt voneinander getrennt zu begreifen, sondern als sich
komplementierende Stränge:
Abb. 1: Graphische Darstellung der Analyseebenen
Wie der Abbildung zu entnehmen ist, findet in der wissenschaftlichen Begleitung sowohl ein
quantitatives als auch qualitatives Vorgehen statt, dies ergibt sich u.a. auch aus den jeweiligen
Fallzahlen. Bei den qualitativen Messebenen sind die wesentlichen methodische Instrumente
leitfadengestützte Interviews mit den PFK der KIGS-Gruppen und Grundschulen, Lehrkräften,
Eltern und Kindern sowie teilnehmende Beobachtungen. Das Datenmaterial wurde mithilfe
inhaltsanalytischer Auswertungsverfahren (Mayring 2000) sowie Techniken des offenen und
thematischen Kodierens (Strauß 1994; Strauß/Corbin 1996) ausgewertet. Dafür wurden
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zunächst Transkriptionen der Interviews und aufgezeichneten Gespräche angefertigt, die dann
systematisch strukturiert wurden. Aus dem Material wurden dann in zirkulären Arbeitsschritten
Kategorien abgeleitet, an denen sich die weitere Analyse orientierte.
Im quantitativen Bereich wurden folgende Erhebungsinstrumente eingesetzt:
Kindgerechte (standardisierte) Befragung der KIGS-Kinder3 Elternfragebogen für KIGS-Eltern Elternfragebogen für alle Eltern der ersten Grundschulklassen (nach dem Übergang der
KIGS-Kinder)
Außerdem finden individuelle und gruppenbezogene diagnostische Instrumente zur Erfassung
des sozial-emotionalen Bereichs Verwendung: Sowohl in der KIGS-Gruppe als auch zu Beginn
der Schulzeit wurde für ausgewählte Kinder das Instrument PERIK an die pädagogischen
Fachkräfte bzw. Lehrkräfte verteilt (Mayr & Ullich 2007), um die Perspektive der Fachkräfte
auf sozio-emotionale Aspekte der kindlichen Entwicklung zu erfassen.
In der Schule kam der FEESS 1-2 (Rauer & Schuck 2004) im ersten Halbjahr der ersten Klassen
zum Einsatz, um die sozial-emotionalen Schulerfahrungen der ehemaligen KIGS-Kinder und
der Kinder, die nicht in der KIGS waren, in ihren Klassen zu erheben.
Flankierend wurde durch das Institut für Didaktik der Mathematik unter Federführung von
Sebastian Fricke die Lernentwicklung der KIGS-Kinder im Bereich Mathematik mit dem
EMBI-KiGa (Peter-Koop & Grüßing 2011) erhoben. Anschließend wurde eine individuelle
Förderung für KIGS-Kinder initiiert, wenn die EMBI-Ergebnisse dies nahelegten. Nach dem
Übergang auf die Grundschule wurden die mathematischen Kompetenzen aller Kinder der
ersten Klassen an den Grundschulen mit dem DEMAT 1 (Krajevski et al. 2002) erfasst, um
eine Vergleichbarkeit zwischen Schulkindern aus den KIGS-Gruppen und solchen, die nicht in
KIGS-Gruppen waren, herzustellen. Außerdem sollen die Ergebnisse dazu dienen, Aussagen
über die Wirkung und die Nachhaltigkeit der begleitenden Förderung in den KIGS-Gruppen
machen zu können.
Insgesamt wurden im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung 6 Interviews mit den PFK der
KIGS-Gruppen, 2 Interviews mit den Leitungen der Stammeinrichtungen, 15 Interviews mit
KIGS-Eltern, 58 Kinderinterviews sowie 5 Einzelinterviews mit Personal der Grundschulen
(Schulleitungen, Klassenlehrkräfte, Schulsozialarbeiter) erhoben. Außerdem wurden zum
3 Es handelt sich um eine performative Befragung der Kinder, die dabei ihre Zustimmung bzw. Ablehnung bei einem ihnen vorgelesenen Item durch Hüpfen auf eine grüne bzw. rote Markierung ausdrücken sollen. Die Befragung und die einzelnen Items wurden von Katrin Velten im Rahmen ihres Dissertationsprojekts angelehnt an den Forschungsstand entwickelt.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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Abschluss des Projekts zwei Gruppendiskussionen mit den pädagogischen Fachkräften geführt.
Für alle Kinder des letzten untersuchten KIGS-Jahrgangs wurden insgesamt 79 PERIK-Bögen
zu zwei Erhebungszeitpunkten erhoben.
Ferner wurden an mehreren Erhebungszeitpunkten insgesamt 146 performative
Kinderbefragungen in den KIGS-Gruppen durchgeführt sowie 113 FEESS 1-2 in der
Grundschule erhoben. Außerdem konnten während der wissenschaftlichen Begleitforschung in
den KIGS-Gruppen insgesamt 94 KIGS-Elternfragbögen und nach den Übergängen 121
Fragebögen von allen Eltern der ersten Grundschulklassen erhoben werden.
Erhebungsinstrument Anzahl der Erhebungen
Qualitative Interviews 86
Performative Kinderbefragung 146
Fragebogen für Eltern von KIGS-Kindern 94
Fragebogen für Grundschuleltern 121
PERIK 95
FEESS 1-2 113
Tab. 1: Übersicht der Erhebungsinstrumente und der Anzahl der Erhebungen
Zusätzlich zu den oben aufgeführten Erhebungen konnten im Feld stattfindende
kommunikative Austauschsituationen beobachtet und aufgezeichnet werden, zu nennen sind
hier insbesondere Übergabegespräche zwischen KIGS-Gruppe und Grundschule sowie
Teamgespräche der pädagogischen Fachkräfte. An beiden Standorten wurde abschließend mit
dem Instrument der Gruppendiskussion jeweils die professionelle Reflexion des Projekts und
der konkreten Kooperation erhoben. Darüber hinaus wurden fortlaufend Feldbeobachtungen
von Projekten oder des pädagogischen Alltags in beiden Einrichtungen durchgeführt und
dokumentiert, deren Ergebnisse hauptsächlich in die Fallbeschreibungen und die Handreichung
einflossen.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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3. Ergebnisqualität aus Sicht der Akteure
3.1 Die Perspektive der Fachkräfte der Kindertagesstätten
3.1.1 Ziele und Bewertungen der Leitungen der Kindertageseinrichtungen
Die Leitungen der Kindertageseinrichtungen wurden jeweils im ersten Durchlauf interviewt.
Die Interviews fokussierten hauptsächlich deren Projektziele sowie Bewertungen und
Einschätzungen der konkreten Umsetzung. Mit dem KIGS-Projekt wird an beiden Standorten
die besondere Möglichkeit verbunden, Kindern einen verbesserten Übergang in die
Grundschule zu gewährleisten: „Genau, das [das KIGS-Projekt; K.M.] ist eine gute
Möglichkeit, um Kindern den Übergang von der Kita zur Grundschule gut zu gestalten“
(Interview_Leitung Stammeinrichtung2, Z. 2).
Dabei wird das KIGS-Projekt aufgrund der Ausstattung der Gruppen mit pädagogischem
Material und der im Projekt ermöglichten Angebote als besonders förderlich für die Herstellung
einer Chancengleichheit für sozioökonomisch benachteiligte Familien im Übergang erachtet:
„Die können sich nicht leisten, die Kunst- und Musikschule in Anspruch zu nehmen, und jeden
Monat achtzig, neunzig Euro hinzulegen. Und das sind so Sachen, wo ich denke, genau, (…) da
wird kein Kind zurückgelassen, sondern sie werden alle mit ins Boot geholt (...) im normalen
Kita-Alltag, das find ich immer so wichtig“ (Interview_Leitung Stammeinrichtung2, Z. 100).
Als besonderes Moment des KIGS-Projekts wird im obigen Zitat hervorgehoben, dass
kompensatorische Effekte der Angebote hier in den pädagogischen Alltag integriert werden
könnten und somit zur Normalität für Kinder würden.
Neben der Ausstattung und den erweiterten pädagogischen Angeboten im Projekt wird eine
zentrale positive Erwartung mit der räumlichen Nähe zur Grundschule verknüpft: „[W]ie
komme ich von A nach B, an wen kann ich mich wenden? (…) Wir fühlen uns auch nur da wohl,
wo wir sicher sind, und das ist bei Kindern nicht anders. Und wenn ich »Für kurze Beine kurze
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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Wege« als mein Leitbild quasi auch ein Stück weit habe, dann meine ich das auch so“
(Interview_Leitung Stammeinrichtung1, Z. 70).
Durch die Anbindung an den schulischen Raum sollen die KIGS-Kinder demnach die
Möglichkeit erhalten, Sicherheit im Umgang mit schulischen Personen und Räumen zu
gewinnen. Dies wird hier als Voraussetzung für das Wohlbefinden der Schulanfänger*innen
betrachtet und als Besonderheit des KIGS-Projekts hervorgehoben. Mit der Umsetzung zum
Interviewzeitpunkt zeigen sich die Leitungen der Kindertageseinrichtungen weitestgehend
zufrieden, wobei für beide Standorte eine sich zum Positiven entwickelnde
Kooperationsbeziehung mit der Grundschule konstatiert wird. Dabei wird eine Gemeinsamkeit
in der Zielsetzung gesehen, Kinder im Übergang gut zu begleiten und zu fördern.
„Die Besonderheit der Zusammenarbeit sind die kurzen Wege, das Interesse und das
unglaubliche Einfühlungsvermögen für Kinder, und dass die beiden Professionen, Schule und
Kita, so unterschiedlich, wie manche Haltungen auch sein mögen, jetzt aber ein gleiches Ziel
haben: Das Kind gut im Übergang zu begleiten, im Übergang zu stärken, und wenn es dann
angekommen ist, das fortzuführen. Das ist sehr viel intensiver geworden“ (Interview_Leitung
Stammeinrichtung1, Z. 100).
In diesem Zitat wird die Bedeutung der gemeinsamen Zielsetzung hervorgehoben und die im
KIGS-Projekt möglich gewordenen weniger komplizierte Kontaktierung, hier beschrieben als
„kurze Wege“. Damit ist nicht nur die räumliche Anbindung angesprochen, sondern die
Betonung verweist auf die gemeinsame Übergangsgestaltung und eine darüberhinausgehende
Zusammenarbeit neu entstandener Kommunikationswege, die sich zu etablieren beginnen.
Auch für die Schulen wird seitens der Leiterin einer Stammeinrichtung eine Erweiterung des
Zugangs zu wichtigen Personen und Institutionen in der Transition als positiver Effekt und als
weitere Zielsetzung des KIGS-Projekts hervorgehoben, denn insbesondere durch die
beobachtete Präsenz der Schulleitung in der KIGS-Gruppe könne diese bereits im „Vorfeld (…)
Vertrauen zu Eltern und zu Kindern“ aufbauen. Dies ließe sich als „Tür (…) zur intensiven
Zusammenarbeit“ beschreiben, „egal ob es mit Eltern, mit der Kita oder (…) mit den Kindern
ist“ (Interview_Leitung Stammeinrichtung2, Z. 18).
Auch die Form der Zusammenarbeit der Kindertageseinrichtungen mit den Eltern hat sich durch
das KIGS-Projekt verändert. In ihren Darstellungen verweisen die Leitungen beider
Stammeinrichtungen einerseits auf einen durch das Projekt enger gewordenen Kontakt zu
Eltern. Andererseits seien die KIGS-Gruppen für die Elternschaft mit positiven Erwartungen
verknüpft. Beispielsweise seien die KIGS-Eltern im Vergleich zu den Eltern der Kinder vor
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Projektbeginn nicht mehr so unsicher bezüglich des Übergangs: „Schulvorbereitung ist
überhaupt kein Thema mehr“ (Interview_Leitung Stammeinrichtung, Z. 50).
3.1.2 Die Perspektive der pädagogischen Fachkräfte der KIGS-Gruppen
Die KIGS-Gruppenleiterinnen der beiden Standorte wurden jeweils im November 2013, im
Juni 2014 und im Juli 2015 interviewt. Im November 2013 bestand die Zielsetzung des
Interviews darauf, die Erwartungen und Befürchtungen bezüglich des KIGS-Projekts zum
Programmstart zu erheben. Außerdem sollte herausgefunden werden, wie die pädagogischen
Fachkräfte den Übergang der Kinder von der Stammeinrichtung in die KIGS-Gruppe erlebten
und worauf sie zum Beginn den Fokus ihrer pädagogischen Arbeit legten. Nach Projektstart ist
noch eine Schwerpunktsetzung der KIGS-Fachkräfte auf das Wohlbefinden der Kinder in ihrer
neuen Umgebung zu erkennen. Außerdem lassen sich erste Erfahrungen in dem
Kooperationsprojekt in den Blick nehmen. Die folgenden Interviews fokussieren dann die
konkrete pädagogische Praxis im Projekt und es können Bewertung der Kooperation und
Zusammenarbeit mit der zugehörigen Grundschule, die Erzieherinnenperspektive in Hinblick
auf die Entwicklung der KIGS-Kinder und die Ausgestaltung der Beziehung zu den Eltern
rekonstruiert werden.
Die Gruppenstruktur
Eine Besonderheit der KIGS-Gruppen besteht in der Gruppenstruktur und einer damit
einhergehenden Zusammensetzung aus Kindern unmittelbar vor dem Schulbeginn. Das Thema
der Altersstruktur wurde besonders zu Beginn des Projekts mit einer gewissen Skepsis
betrachtet, da diese Struktur den gewohnten Gruppenkonstellationen in den
Kindertageseinrichtungen nicht entspricht. Die Analyse der Interviews deutet auf eine
mehrheitlich positive Bilanzierung der homogenen Altersstruktur hin. Es zeigt sich dabei
allerdings ein Zusammenhang zwischen den Rahmenbedingungen -Größe der Räume und
Personalsituation- und den Bewertungen.
Die Kinder in den jahrgangshomogenen KIGS-Gruppen regen sich demnach –insbesondere bei
günstigen Rahmenbedingungen– gegenseitig an und lassen sich auf die spezifischen Angebote
sehr motiviert ein: „Naja, die profitieren hauptsächlich hiervon, dass sie mit Gleichaltrigen
zusammen sind, und sich mit Gleichaltrigen messen können einfach. Also es ist, ich finde das
einen unschätzbaren Vorteil“ (PFK2, Interview3, Z. 38).
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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Alle beteiligten Fachkräfte betonen erweiterte Möglichkeiten einer zielgerichteten
pädagogischen Arbeit, die durch das KIGS-Projekt entstanden seien. Durch die ausschließliche
Zugehörigkeit von Kindern im Übergangsprozess sehen sie die Voraussetzungen für ein
individuell zugeschnittenes pädagogisches Angebot gegeben. In diesem Zusammenhang
scheint die übergangsbezogene Arbeit der päd. Fachkräfte vor dem KIGS-Projekt besonders
dadurch erschwert gewesen zu sein, dass neben den Schulanfänger*innen noch viele jüngere
Kinder in der Gruppe waren und sich somit nicht ausreichend auf Erstere fokussiert werden
konnte.
Und die Kinder wollen das im Grunde auch. Die wollen nicht immer irgendwelche Pimpelchen spielen. Was die im Kindergarten immer noch machen, weil die auch die Zweijährigen dazwischen sitzen haben. Also: Für mich der Vorteil ist ganz klar. Ich kann für die Kinder etwas Passendes anbieten, mit denen machen. Ich finde, die werden altersgerechter gefördert… (PFK1, Interview3, Z. 213).
Als ein Problembereich, der in Zusammenhang mit der Altersstruktur entstehen kann, wird ein
höherer sozialer Vergleich zwischen den Kindern von einer KIGS-Leiterin benannt, der gerade
zu Anfang des KIGS-Jahres als erhöhte Unruhe wahrgenommen wird, der durch entsprechende
Angebote begegnet werden muss. In Abwägung der Vor- und Nachteile erfolgt eine klare
Stellungnahme zugunsten der Gruppenstruktur im KIGS-Projekt, da auf die wahrgenommene
Unruhe und gesteigerte Konkurrenzsituation eingegangen werden könne: „Aber sie lernen es
dadurch, dass sie immer zusammen sind, dass wir ihnen natürlich auch helfen“ (PFK2,
Interview3, Z. 38).
Die Tatsache, dass der letzte Jahrgang der Kindertageseinrichtungen im Rahmen der KIGS-
Konzeption in die Schule zieht, bedeutet jedoch auch eine große Veränderung für die
Stammeinrichtungen. Es verbleiben lediglich jüngere Kinder dort und die Vierjährigen sind
plötzlich schon die Ältesten, was viele Veränderungen hervorgerufen hat. Nach einem
Austausch zwischen wissenschaftlicher Begleitung und den Leiterinnen der Stammeinrichtung
wurden mehrere standortübergreifende Workshops initiiert, die Raum für eine breite Reflexion
der Thematik boten. Hierbei konnten Vor- und Nachteile sowie Handlungsideen für den
Umgang mit dieser Veränderung entwickelt werden. Zusammenfassend kann gesagt werden,
dass beide Institutionen nach dieser Auseinandersetzung mit der Jahrgangsstrukturierung
überwiegend überzeugt sind, dass die Beibehaltung der KIGS-Gruppen und der damit
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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zusammenhängenden pädagogischen Konzeption auch in den Stammeinrichtungen als
wünschenswert erachtet wird.
Kooperation zwischen den Institutionen
„Wir haben, das erste Jahr haben wir zugeschaut, da haben wir uns ja noch nicht so getraut, haben das Theaterstück in der Gruppe ja gemacht. Das, jetzt dieses Jahr haben wir die Bühne mitbenutzen dürfen, haben wir Theater gespielt, und haben die Schule eingeladen, und nächstes Jahr wäre es schön, wenn wir sagen würden, wir machen zusammen mit der Schule, dann hätte man einmal so, einmal so, und einmal zusammen alles gemacht“ (PFK2, Interview3, Z. 17).
Die Kooperation mit der Grundschule wird im Projektverlauf als immer intensiver werdend
beurteilt. Angenähert haben sich die Institutionen über die gemeinsame Teilnahme an
bestimmten Aktionen, etwa dem Laternesingen oder Adventskreisen. Die Zusammenarbeit
findet nach einer Anlaufphase dann zunehmend auf weiteren Ebenen statt. Zu einer besonders
erweiterten Form der Zusammenarbeit gehören Übergabegespräche im Vorfeld der
Einschulung der KIGS-Kinder, die eine detaillierte Erörterung der Entwicklung eines jeden
Kindes enthalten. Sie geben den pädagogischen Fachkräften und den Schulleitungen dabei
Raum für gegenseitige Rückmeldungen und für den Austausch. Außerdem finden verschiedene
Formen von gegenseitigen Hospitationen statt. Diese reichen von Kennlernbesuchen über
Unterrichtsbesuche der KIGS-Kinder bis hin zu festen Stunden der Lehrkräfte in der KIGS-
Gruppe. Die KIGS-Leiterinnen sehen ihre eigene Arbeit auch dadurch bestätigt, dass sie eine
sich über die Zeit positiv entwickelnde interinstitutionelle Kooperation beschreiben können.
Der Aufbau von systematischen Kooperations- und Kommunikationsbeziehungen mit den
Lehrkräften der Grundschulen lässt sich über den Rückblick der pädagogischen Fachkräfte als
ein Prozess beschreiben, der nicht ohne Weiteres, etwa allein durch die räumliche Anbindung,
zu einer besseren Vernetzung führte. Die KIGS-Gruppen mussten erst in unterschiedlicher
Weise andocken, gegenseitige spontane Kontaktierungen wurden erst allmählich möglich. Der
persönliche Kontakt zur Grundschule erfolgte zunächst über die Schulleitungen,
darüberhinausgehende feste Zuständigkeiten auf schulischer Seite konnten die pädagogischen
Fachkräfte insbesondere anfangs nur selten erkennen. Im Projektverlauf jedoch wurde die
KIGS-Gruppe insbesondere durch den Austausch und die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften
der ersten Klassenstufen immer deutlicher zu einem Bestandteil des schulischen Raums. Es
erfolgen nach den ersten Jahren dann vielfach Beschreibungen, die auf ein
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
15
Gemeinschaftsgefühl – „ich hab das Gefühl, wir gehören jetzt dazu“ (PFK2, Interview3, Z. 138)
–. innerhalb des KIGS-Schul-Tandems verweisen.
[I]n diesem zweiten Jahr ist es so, dass die Schule, dieses engere Zusammenarbeiten mit der Schule sich komplett zum Positiven verändert hat. Ganz erstaunlich sind so diese, ja, diese Gespräche, die auf dem Schulhof stattfinden. (…) [W]ie die Lehrer hier dieses Jahr uns besucht haben, was wir gemeinsam gemacht haben, (…) hat sich auch verändert (PFK2, Interview3, Z. 6)
Dabei haben sich unterschiedliche Formen der Kooperation an den Standorten entwickelt, die
von den KIGS-Leiterinnen präferiert werden. Hier lassen sich zwei Ausgestaltungsformen
nachzeichnen, die von den pädagogischen Fachkräften besonders positiv bewertet werden. Zum
einen wird eine Annäherung an die Institution Schule rekonstruiert, die auf Befürchtungen einer
Überforderung dadurch reagiert, dass in Vorab-Gesprächen eine Präferenz für wenig
aufwändige gemeinsame Projekte vermittelt wird. Diese Projekte werden dann durch externe
Dritte organisiert und durchgeführt. Hier lassen sich als Beispiele Trommelworkshops an den
Grundschulen sowie NaWi-Projektwochen nennen. An diesen Projekten partizipierten KIGS-
und Grundschulkinder gemeinsam.
Zum anderen wird, anders als zu Beginn des Projekts, positiv Bezug genommen auf nunmehr
vorhandene Möglichkeiten, Räume der Grundschule eigenständig zu nutzen. Sowohl in der
projektbezogenen Kooperation als auch in der Nutzung schulischer Räume lassen sich zwar
standortspezifische Besonderheiten erkennen, jedoch führten kurze Wege in beiden Fällen zu
einer Zusammenarbeit, die mit der Zeit weniger aufwendig wahrgenommen wurde und sich
gerade im dritten Projektjahr als Normalfall in der pädagogischen Arbeit der beiden
Institutionen beschreiben lässt: „[E]s mussten einfach Wege nicht mehr gegangen oder neu
gefunden werden. Die mussten auch gegangen werden, aber die mussten nicht mehr neu gelegt
und erfunden werden. (…) Ich habe auch das Team der Lehrer als sehr positiv erlebt“ (PFK1,
Interview3, Z.9).
Bewertung der Elternarbeit im KIGS-Projekt
Die Beziehung zu den Eltern im KIGS-Projekt empfinden die pädagogischen Fachkräfte in
unterschiedlicher Weise intensiver als sie es aus der Stammeinrichtung gewohnt sind. Einerseits
häufen sich weiterhin Gesprächskontakte, da Eltern über neue Inhalte, anstehende Projekte oder
andere mit KIGS zusammenhängende Aspekte aufgeklärt werden, auch wenn die Ausrichtung
der Elternarbeit als nicht verändert und die Beziehung ohnehin positiv beschrieben wird.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
16
Andererseits wird die Relation zu Eltern im KIGS-Projekt als intensiver und qualitativ
höherwertiger als zuvor rekonstruiert:
Ich hab' auch mit Eltern hier ein anderes Ding, einen anderen (…) Kontakt. (…) Ich hab' 'ne (…) intensivere Art. Das ist hier nicht so Funktionsraum Kita. (…) Es ist näher, sowohl mit Kindern als auch mit Eltern (PFK1, Interview3, Z. 165).
In folgender Passage wird deutlich, dass die PFK eine auf Eltern im Übergang zur Grundschule
zugeschnittene Form des Austausches praktizieren können und somit die Bewertung der
eigenen Elternarbeit im KIGS-Projekt als bedarfsgerechter beschrieben werden kann: „Und
was förderlich ist, was man drüben auch nicht hat, das dürfen wir nicht vergessen, [sind] die
intensiven Gespräche mit den Eltern: (…) (Wir) haben auch ein kompakteres Gesprächsfeld für
die Eltern“ (PFK2, Interview2, Z. 173).
Die engere Relation zeigt sich u.a. in veränderten Formen von Entwicklungsgesprächen, bei
denen unter anderem Bildungsdokumentationen mit den Eltern gemeinsam vervollständigt
werden. Die Zufriedenheit der Eltern schätzen die pädagogischen Fachkräfte als mehrheitlich
hoch ein, erkennen jedoch eine gewisse Bandbreite in der Elternzufriedenheit, die auch kritische
Stimmen enthält. Von Eltern an die pädagogischen Fachkräfte herangetragene Kritik bezog sich
insbesondere im ersten Jahr darauf, dass noch mehr Projekte oder Förderangebote gefordert
wurden. Hohe Zufriedenheit bei den Eltern ergebe sich insbesondere durch die Wahrnehmung
von Entwicklungsfortschritten der Kinder. Im Projektverlauf lässt sich den Angaben der päd.
Fachkräfte entnehmen, dass sich die Eltern im zweiten und dritten KIGS-Durchlauf zufriedener
zeigten, was auf einen gesteigerten Informationsfluss und eine erfahrenere pädagogische Arbeit
in KIGS zurückgeführt wird: „Ja, und im zweiten Jahr ist es ja auch so gewesen, dass die Eltern
nicht mehr so skeptisch waren wie im ersten Jahr. Im ersten Jahr kamen noch sehr viele
Fragen: Wie wird das sein, was machen Sie denn überhaupt hier? (…), im zweiten Jahr waren
viele Eltern schon vorinformiert“ (PFK2, Interview 3, Z. 6).
Entwicklung der KIGS-Kinder
Eine positive Bewertung der Konzeption der KIGS-Gruppen korrespondiert mit der
Vorstellung von einer an den individuellen Bedürfnissen und Entwicklungsverläufen der
Kinder orientierten Arbeitsweise, die in dieser Form in der Stammeinrichtung als weniger
ausgeprägt erachtet wird.
Aber, ähm, was mich sehr freut ist, dass Kinder so strukturierter geworden sind (…) sich selber organisieren können. Also man sieht ja
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
17
nicht nur, die werden größer, sondern man sieht ja auch die innere Entwicklung, und das kann ich hier schon sehen. Ich glaube, die sind ganz, nach allen Kräften vorbereitet auf die Schule (PFK1, Interview 2, Z. 848-860).
Weitere Vorteile des KIGS-Projekts erkennen die PFK über die räumliche Anbindung an die
Grundschule und die im Projektverlauf entwickelte stärkere Fokussierung auf die sozial-
emotionale Stärkung der KIGS-Kinder und auf die Gruppenkohäsion. In diesem
Zusammenhang ist gerade der Faktor „Zeit“ als besonderes Moment zu nennen. Im Projekt
werden Möglichkeiten gesehen, den KIGS-Kindern die jeweils nötige Zeit zu geben, sich an
die schulischen Strukturen zu gewöhnen und dabei schrittweise - und vor allem an den
pädagogischen Präferenzen der Elementarbildungseinrichtung orientiert - vorzugehen. Dies
bedeutet auch, dass die KIGS-Kinder anfangs noch stärker in ihren Gruppenstrukturen
verbleiben und dann im Jahresverlauf vorsichtig an die Personen und Räume der Grundschulen
herangeführt werden. Das Ergebnis dieser zeitlichen Entzerrung sehen die pädagogischen
Fachkräfte am Selbstbewusstsein der KIGS-Kinder verdeutlicht.
Nein, also ich seh´ es als Riesenunterschied. Ich habe letztens noch, als wir (…) Elternnachmittag hatten (…) hab´ ich gesagt: »Ich habe noch nie so selbstbewusste Schulanfänger gesehen (…). Und ich war wirklich schon, erstens bin ich lange im Beruf, ich war in vielen verschiedenen Einrichtungen, ich habe schon viele Schulanfänger miterlebt. Aber so selbstbewusst wie diese waren noch keine, die haben immer alle noch Ängste gehabt (PFK2, Interview 2, Z. 755-760).
Durch positive eigene Beobachtungen sowie durch Rückmeldungen seitens der Grundschulen
und der Eltern haben die päd. Fachkräfte ein gesteigertes Selbstvertrauen entwickelt, diese Zeit
auch in der beschriebenen Form zu nutzen und das damit verbundene sukzessive Annähern
gegenüber Erziehungsberechtigten und auch Externen zu vertreten. Hier enthalten die positiven
Resümees der päd. Fachkräfte auch wahrgenommene Erfolge auf der Ebene der Entwicklung
einzelner Kinder. Insbesondere bei sehr ängstlichen oder von den pädagogischen Fachkräften
im sozial-emotionalen Bereich förderbedürftig wahrgenommenen Kindern zeige sich eine sehr
positive Entwicklung bis zum Schulstart. Selbst für Kinder, bei denen auch nach einem Jahr in
der KIGS-Gruppe noch potenzielle Schwierigkeiten beim bevorstehenden Schulbeginn
vermutet werden, lässt sich eine positive Bilanzierung des Projekts erkennen. Eine solche
positive Bilanzierung erfolgt dann meist über das Benennen von Fortschritten der Kinder in
diversen Entwicklungsbereichen, die diese nach Ansicht der Fachkräfte ohne KIGS nicht
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
18
gemacht hätten. Somit wird fortlaufend ein Vergleich zwischen KIGS und der Zeit vor
Projektbeginn bzw. mit einer imaginierten Betreuung der Kinder außerhalb der KIGS-Gruppen
vollzogen.
Kinder, wo wir noch vor einem Jahr gesagt haben: »Oh meine Güte, das wird wirklich schwierig werden in der Schule«, dass wir da sagen können: »Och, da haben wir was geschaffen für das Kind, und das Kind hat sich selber was geschafft« (PFK1, Interview 2, Z. 16-19).
3.1.3 Einschätzung der pädagogischen Fachkräfte zur kindlichen Entwicklung mittels
PERIK-Bögen
Die über die Interviewanalysen nachgezeichneten positiven Bewertungen der päd. Fachkräfte
in Bezug auf die Entwicklung der KIGS-Kinder spiegeln sich auch in der Auswertung der
erhobenen PERIK-Bögen im letzten KIGS-Durchlauf wider. PERIK, „Positive Entwicklung
und Resilienz im Kindergarten“, ist ein Instrument zur Beobachtung der sozial-emotionalen
Entwicklung von Kindern in Kindertageseinrichtungen. Der Konzeption des Bogens liegt die
Annahme zugrunde, dass die sozial-emotionale Entwicklung der Kinder der Grundstein für ihr
Wohlbefinden und ihre Resilienz ist (vgl. Mayr/Ulrich 2007, Mischo, Weltzien und Fröhlich-
Gildhoff 2011, S. 216f). Das Instrument erfasst die Entwicklungsbereiche Kontaktfähigkeit,
Selbststeuerung/Rücksichtnahme, Selbstbehauptung, Stressregulierung, Aufgabenorientierung
und Explorationsfreude. Die päd. Fachkräfte werden im Bogen aufgefordert, für jedes Kind zu
jedem dieser Bereiche je sechs Fragen zu bearbeiten. Anhand ihrer Antworten kann für jedes
Kind ein Score für die einzelnen Entwicklungsbereiche ermittelt werden. Nachfolgend werden
die Analysen der PERIK-Bögen für den Einschulungsjahrgang 2016 näher betrachtet. Es
wurden für alle Kinder der KIGS-Gruppen Einschätzungen der päd. Fachkräfte zu zwei
Messzeitpunkten erhoben. Die Messzeitpunkte lagen jeweils ca. zwei Monate nach KIGS-Start
– die meisten Kinder sind 5 Jahre alt – und kurz vor dem Ausscheiden aus der Gruppe – die
Mehrzahl der Kinder ist 6 Jahre alt. Ein Mittelwertvergleich der einzelnen Kategorien des
PERIK zu den beiden Messzeitpunkten (Abb. 2) macht deutlich, dass sich die Kinder in der
Einschätzung der pädagogischen Fachkräfte insgesamt über die Zeit in allen Kategorien positiv
entwickelt haben. Insbesondere bezüglich der Selbstbehauptung, der Selbststeuerung und der
Aufgabenorientierung ist ein starker Anstieg festzustellen. Dies sind gerade die
Entwicklungsbereiche, die von den päd. Fachkräften als Schwerpunkte ihrer Arbeit und als
durch KIGS besonders geförderte Bereiche benannt werden.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
19
Abb. 2: Quantitative Auswertung der PERIK-Bögen im Einschulungsjahrgang 2016
In den folgenden Tabellen 2.1 bis 2.6 sind die Werte der KIGS-Kinder in den einzelnen
Kategorien des PERIK etwas differenzierter dargestellt. Bei der Analyse der Zahlen fällt auf,
dass die päd. Fachkräfte der KIGS-Gruppen die Mädchen fast in allen Bereichen deutlich besser
bewerten als die Jungen. Gerade zum Messzeitpunkt 2 sind die Werte der KIGS-Mädchen in
den Kategorien Kontaktfähigkeit (Tab. 2.1), Selbststeuerung (Tab 2.2), Selbstbehauptung (Tab.
2.3), Aufgabenorientiertheit (Tab 2.5) und Explorationsfreude (Tab. 2.6) auch deutlich höher
als die der Normstichprobe. Lediglich die Werte für den Entwicklungsbereich Stressregulierung
fallen etwas heraus, hier liegen die Werte der KIGS-Jungen deutlich unter denen der
Normstichprobe, wohingegen die KIGS-Mädchen zum Messzeitpunkt 2 ähnliche Werte wie
ihre Normstichprobe erhalten. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn die Werte des
Messzeitpunkts1 mitberücksichtigt werden, da die KIGS-Mädchen hier deutlich niedrigere
Werte erreichten als zugehörige Normstichprobe. Die Mädchen scheinen laut den
Einschätzungen der PFK von dem KIGS-Projekt in besonderem Maße profitiert zu haben. Doch
auch für die KIGS-Jungen wurden im Schnitt in allen Bereichen höhere Werte im
Messzeitpunkt 2 angegeben.
18,83
21,41
18,7920,48 20,22 20,65
22,16
25,05 24,1622,74 23,53 23,28
0
5
10
15
20
25
30
Mittelwerte MZP 1 und MZP 2
MZP 1 MZP 2
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
20
Tab 2.1 Ergebnisse PERIK-Kategorie Kontaktfähigkeit
Die Tabellen enthalten die
Werte der Kinder getrennt
nach Geschlecht und lassen
zudem erkennen, wie die
Werte verteilt sind. Tabelle
2.1 ist beispielsweise zu ent-
nehmen, dass die oberen 25%
der Jungen zum Messzeitpunkt 1 in der Kategorie Kontaktfähigkeit 24 und mehr Punkte, die
mittleren 50% 15-23 Punkte und die unteren 25% bis 14 Punkte erreichten. Die Zahlen in den
Klammern geben die entsprechenden Werte der Normstichprobe des PERIK an (Für MZP1 sind
dies die Werte für 5-Jährige Mädchen und Jungen, für MSZ2 für 6-Jährige Mädchen und
Jungen). Beispielitems dieser Kategorie sind u.a. „Kind findet leicht/schnell (positiven)
Kontakt zu anderen Kindern“ oder „seine/ihre Meinung zählt bei den Kindern“.
Tab 2.2 Ergebnisse PERIK-Kategorie Selbststeuerung/Rücksichtnahme
Beispielitems dieser Katego-
rie sind u.a. „kann anderen
Kindern was gönnen, sich
mit ihnen freuen, z.B. wenn
ein Kind ein Geschenk be-
kommt“ oder „respektiert
Verbote, z.B. in Bezug auf
bestimmte Räume, Gegenstände“.
Tab 2.3 Ergebnisse PERIK-Kategorie Selbstbehauptung
Beispielitems für diese Kate-
gorie sind „Kind erzählt von
sich aus der päd. Bezugsper-
son, z.B. vom Wochenende“
oder „bleibt standhaft, lässt
Kontaktfähigkeit MZP 1 Kontaktfähigkeit MZP 2
Jungen Die oberen 25%: 24 (25) und mehr Die mittleren 50%: 15-23 (17-24) Die unteren 25: bis 14 (16)
Die oberen 25%: 26 (27) und mehr Die mittleren 50%: 17-25 (21-26) Die unteren 25%: bis 16 (18)
Mädchen Die oberen 25%: 24 (27) und mehr Die mittleren 50%: 14-23 (20-26) Die unteren 25%: bis 13 (19)
Die oberen 25%: 30 (27) Die mittleren 50%: 20-29 (20-26) Die unteren 25%: bis 19 (19)
Selbststeuerung MZP 1 Selbststeuerung MZP 2
Jungen Die oberen 25%: 23 (24) und mehr Die mittleren 50%: 18-22 (17-23) Die unteren 25: bis 17 (16)
Die oberen 25%: 27 (26) und mehr Die mittleren 50%: 22-26 (19-25) Die unteren 25%: bis 21 (18)
Mädchen Die oberen 25%: 27 (26) und mehr Die mittleren 50%: 18-26 (20-25) Die unteren 25%: bis 17 (19)
Die oberen 25%: 29 (28) und mehr Die mittleren 50%: 25-28 (22-27) Die unteren 25%: bis 24 (21)
Selbstbehauptung MZP 1 Selbstbehauptung MZP 2
Jungen Die oberen 25%: 24 (25) und mehr Die mittleren 50%: 17-23 (19-24) Die unteren 25: bis 16 (18)
Die oberen 25%: 28 (27) und mehr Die mittleren 50%: 19-27 (20-26) Die unteren 25%: bis 18 (19)
Mädchen Die oberen 25%: 22 (25) und mehr Die mittleren 50%: 17-21 (19-24) Die unteren 25%: bis 16 (18)
Die oberen 25%: 28 (27) und mehr Die mittleren 50%: 23-27 (20-26) Die unteren 25%: bis 22 (19)
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
21
sich von anderen Kindern nicht unter Druck setzen, z.B. vertritt eine Meinung, die Andere nicht
teilen“.
Tab 2.4 Ergebnisse PERIK-Kategorie Stressregulierung
Beispielitems der Kategorie
Stressregulierung sind „das
Kind bleibt in schwierigen
Situationen ansprechbar, zu-
gänglich, z. B. wenn es trau-
rig, wütend oder enttäuscht
ist“ oder „wirkt ausge-
glichen“.
Tab 2.5 Ergebnisse PERIK-Kategorie Aufgabenorientierung
Beispielitems dieser Katego-
rie sind „Kind beginnt
schnell mit einem Ange-
bot/einer Aufgabe“ oder
„bearbeitet Aufgaben
selbständig“.
Tab 2.6 Ergebnisse PERIK-Kategorie Explorationsfreude
Beispielitems der Kategorie
sind „das Kind hat Spaß,
Neues kennen zu lernen“
oder „traut sich auch Dinge
zu, die schwieriger erschei-
nen/nicht sicher gelingen“.
Stressregulierung MZP 1 Stressregulierung MZP 2
Jungen Die oberen 25%: 22 (24) und mehr Die mittleren 50%: 20-21 (18-23) Die unteren 25%: bis 19 (17)
Die oberen 25%: 21 (26) und mehr Die mittleren 50%: 19-20 (20-25) Die unteren 25%: bis 18 (19)
Mädchen Die oberen 25%: 24 (26) und mehr Die mittleren 50%: 17-23 (20-25) Die unteren 25%: bis 16 (19)
Die oberen 25%: 27 (27) und mehr Die mittleren 50%: 23-26 (24-26) Die unteren 25%: bis 22 (23)
Aufgabenorient. MZP 1 Aufgabenorient. MZP 2
Jungen Die oberen 25%: 22 (24) und mehr Die mittleren 50%: 14-21 (18-23) Die unteren 25%: bis 13 (17)
Die oberen 25%: 23 (26) und mehr Die mittleren 50%: 19-22 (20-25) Die unteren 25%: bis 18 (19)
Mädchen Die oberen 25%: 27 (26) und mehr Die mittleren 50%: 22-26 (20-25) Die unteren 25%: bis 21 (19)
Die oberen 25%: 30 (27) Die mittleren 50%: 23-29 (24-26) Die unteren 25%: bis 22 (23)
Explorationsfreude MZP 1 Explorationsfreude MZP 2
Jungen Die oberen 25%: 23 (24) und mehr Die mittleren 50%: 17-22 (16-23) Die unteren 25%: bis 16 (15)
Die oberen 25%: 25 (26) und mehr Die mittleren 50%: 19-24 (20-25) Die unteren 25%: bis 18 (19)
Mädchen Die oberen 25%: 24 (25) und mehr Die mittleren 50%: 17-23 (19-24) Die unteren 25%: bis 16 (18)
Die oberen 25%: 28 (26) und mehr Die mittleren 50%: 22-27 (21-25) Die unteren 25%: bis 21 (20)
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
22
3.1.4 Zusammenfassung
Als übergreifendes Ergebnis der Interviews mit den PFK lässt sich festhalten, dass das KIGS-
Projekt übereinstimmend als förderlich für die individuelle Entwicklung der Kinder beurteilt
wird. Aus Sicht der pädagogischen Fachkräfte trägt es positiv zum Übergang der Kinder bei. In
diesem Zusammenhang benennen die pädagogischen Fachkräfte besondere Möglichkeiten
durch die Konzentration ihrer Arbeit auf die zukünftigen Schulkinder. Gerade für Kinder mit
vielen Unterstützungsbedarfen wird die Arbeit innerhalb der KIGS-Gruppen positiv
hervorgehoben. Es wird dabei eine zeitlich entzerrte und kindgerechte Heranführung an den
schulischen Raum befürwortet. Im Fokus der pädagogischen Fachkräfte steht dabei ganz
deutlich die sozial-emotionale Entwicklung der KIGS-Kinder.
Auch wenn besonders im ersten Jahr eine teilweise sehr hohe Belastung für die Pädagogischen
Fachkräfte selber benannt wird, wird die Projektphase auf diverse Weise als besonders positiv
und intensiv in Bezug auf die eigene Arbeit und die Beziehung zu den Kindern rekonstruiert.
Gleichzeitig entstehen in KIGS auch intensivere Formen der Elterneinbindung. Zum Ende der
Projektlaufzeit fühlen sich die pädagogischen Fachkräfte als Teil des schulischen Raums, ohne
von der Schule vereinnahmt zu sein. Die Beziehung zur Grundschule, insbesondere zu den
Lehrkräften der ersten Klassen wird mittlerweile als Bereicherung betrachtet, da der Austausch
nicht nur für die Übergabe in der Schule die Anschlussfähigkeit sichert, sondern die
pädagogischen Fachkräfte auch systematischer Rückmeldung über die Kinder erhalten, und die
Kinder halten unkompliziert Kontakt, wenn sie in der Schule sind. Dies rundet ihre eigene
Arbeit in ihrer eigenen Wahrnehmung sehr viel besser ab. In der Handreichung wird gesondert
dargestellt, welche vielfältigen Formen der Kooperation entwickelt wurden, die sich auch
teilweise von Standort zu Standort unterscheiden.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
23
3.2 Die Perspektive der Professionellen der Grundschulen
Die Erhebung der Perspektiven der Akteure der Grundschulen erfolgte mittels qualitativer
Interviews. Im Juni 2014 wurden vor den Sommerferienferien leitfadengestützte Interviews mit
der Schulleiterin und dem Schulsozialarbeiter an einem der beiden Standorte erhoben.
Entsprechendes Interview mit der Schulleitung wurde am zweiten Standort im Januar 2015
erhoben, da die bei KIGS-Start amtierende Schulleiterin recht überraschend an eine andere
Schule wechselte und die Grundschule anschließend zunächst kommissarisch von einer Person
geleitet wurde, die vorher keinerlei Berührungspunkte und Erfahrungen mit dem Projekt hatte.
Das Leitungsinterview wurde erst erhoben, als die neue Schulleitung im Amt war.
Nach dem Übergang der KIGS-Kinder des ersten und zweiten Durchlaufs in die Grundschulen
wurde pro Standort ein Gruppeninterview mit den Lehrkräften der ersten Klassen erhoben. Die
Interviews sind dabei so strukturiert, dass zunächst generelle Aussagen zum Erleben des KIGS-
Projekts im Mittelpunkt stehen. Anschließend werden Einschätzungen zu den KIGS-Kindern
erfragt. Es folgt die Fokussierung auf die Thematiken Elternarbeit und Kooperation mit der
KIGS-Gruppe. Schließlich beinhalteten die Interviews Bewertungen des Projekts und Ziele für
die weitere Zusammenarbeit.
3.2.1 Ziele und Bewertungen der Schulleitungen
In dem Interview mit der Schulleiterin aus Standort1 im Juni 2014 wird ein großer Vorteil des
KIGS-Projekts darin gesehen, dass sich die Kinder an die Institution Schule herantasten
könnten. Sie werden als sehr viel selbstsicherer und selbstbewusster wahrgenommen als sie es
normalerweise von zukünftigen Schulkindern gewohnt ist: „Ja, die Kinder sind offen. Die
kommen auch mal hier 'rüber, die kennen die Kollegen, wenigstens vom Sehen. Die kennen die
Räumlichkeiten und bewegen sich da schon ganz anders, als Kinder, die vielleicht einmal an
einem Schulvormittag hier hospitiert haben. Also da sind die KIGS-Kinder bestimmt im
Vorteil“ (Schulleitung1, Z. 52).
In diesem Zusammenhang wird das kindliche Wohlbefinden als wichtiger Faktor für einen
gelingenden Schulstart und als Zielsetzung hervorgehoben. Das KIGS-Projekt wird in dieser
Hinsicht als sehr positiv bewertet, da, so die Einschätzung, sich die Kinder im Umfeld der
Grundschule schon heimisch und wohl fühlen würden. Die Schulleiterin verortet die Chancen
des Projekts bei den erweiterten Möglichkeiten durch die räumliche Nähe. Sie sieht darin die
Möglichkeiten, Vorläuferfähigkeiten zu fördern bei gleichzeitiger Erweiterung der
Zusammenarbeit und der Gesprächsanlässe. Parallel dazu werde über das Vertrautwerden der
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
24
KIGS-Kinder mit dem gesamten Schulgelände einschließlich aller Räumlichkeiten der
Grundschule deren Wohlbefinden gesteigert.
Ich kann nur gut lernen, wenn ich mich in einer Umgebung auch wohlfühle. Und zum Wohlfühlen gehört, dass ich die Umgebung kenne, und dass ich mich da einrichten kann, und da kann in dem Bereich KIGS eine Menge schaffen (Schulleitung1, Z. 50)
Die Beziehung zu den KIGS-Eltern sei zwar nicht intensiver als zu den Eltern der anderen
Kinder, jedoch werden geringere Kontakthemmnisse bei Ersteren wahrgenommen. Die Eltern
können während der Bring- und Holphasen angetroffen werden, worüber sich unkompliziert
spontane Gesprächsanlässe ergeben können: „Ja, der Kontakt ist anders. (…) Mal ein bisschen
Smalltalk zwischendurch, und dadurch ein natürlicherer Umgang vielleicht miteinander“
(Schulleitung1, Z. 26).
Die Schulleiterin des anderen Standorts benennt im Interview ähnliche Aspekte der KIGS-
Konzeption als besonders förderlich für die Übergangsgestaltung: „Und das ist was, was ich
jetzt hier ganz, ganz positiv erlebe in dieser KIGS-Gruppe, dass [die KIGS-Leiterin] wirklich,
ja, eine Kindergartengruppe führt, auch bewusst eine Kindergartengruppe führt, aber durch
diese Anbindung an die Schule merkt man einfach, dass die Kinder so einen Rucksack voll
Sicherheit mitbringen, sich auskennen im Schulgebäude, keine Angst mehr vor Begegnungen
mit Lehrern, vor Begegnungen mit großen Kindern haben, was ja sonst für Viele so ein Bruch
ist, wenn die aus dem geschützten Rahmen Kindergarten in die Schule kommen und erstmal die
vielen Kinder auf sie zukommen, die viel älteren Kinder auf sie zukommen“ (Schulleiterin2, Z.
39-46).
Hierbei nimmt Schulleiterin2 positiv Bezug auf die Eigenständigkeit der KIGS-Gruppe als
elementarpädagogische Institution, sowohl in Hinblick auf die enthaltenen Professionen als
auch die pädagogische Praxis. Dabei benennt sie deutlich ein Ziel des KIGS-Projekts, das
bereits bei der Konzeption eine zentrale Rolle spielt. Im Transitionsprozess bekommen die
Kinder Sicherheit und entwickeln Vertrautheit mit der Institution Schule. Diese gründet sich
einerseits auf die alltäglichen Begegnungen und Erfahrungen der Kinder und verweist
gleichzeitig auch auf konkrete pädagogische Produkte, was durch die Metapher des Rucksacks
deutlich wird.
Wesentliche Gelingensbedingungen einer förderlichen Übergangsgestaltung durch KIGS aus
der Schulleitungsperspektive beziehen sich auf Inhalte der kooperativen Vernetzung der
beteiligten Professionen und auf die abgestimmte Einbindung der gesamten Kollegien. Der
erste genannte Punkt lässt sich an folgender Aussage von Schulleiterin1 verdeutlichen:
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
25
„Für mich ist die Kita das Grundlegende, also da werden die grundlegenden Voraussetzungen
geschaffen, damit Kinder schulisch dann entsprechend lernen können. Und, ja, das Bewusstsein
zu stärken, dass diese grundlegenden Fähigkeiten wichtig sind für schulisches Lernen, ja, das
wäre die Verzahnung eigentlich für mich“ (Schulleiterin1, Z. 38).
Zunächst lässt sich der Passage eine Unterscheidung von Bildungsprozessen in
Kindertageseinrichtungen und Schulen entnehmen. Erstere werden hier als basal und
vorbereitend präsentiert. Das schulische Lernen wird geleichzeitig als different erachtet, baut
jedoch auf den Bildungsprozessen der Kita auf. Die Verständigung über solche aufeinander
aufbauende Lernphasen wird hier als präferierter Kooperationsgegenstand aufgezeigt. Die
Schulleiterin betont im Anschluss, dass sie keine Ausweitung von „Fördermaßnahmen, die
teilweise stattfinden“ wünscht, sondern professionelle Kooperation in den Bereichen
„Koordination, Motorik, Grob- und Feinmotorik, Psychomotorik“ (ebenda, 36).
Über einen intensiven Austausch kann auch eine Verständigung über interprofessionelle
Differenzen und Präferenzen in der pädagogischen Arbeit stattfinden, wodurch in KIGS ein
Erkenntnisprozess bezüglich der professionellen Herangehensweisen stattfinden würde.
Also da tauschen wir uns ganz viel aus über, warum macht sie was wie, warum hat sie das so oder so entschieden, was jetzt über den Inhalt an sich hinausgeht einfach, (…) für mich ist es so, das ist natürlich noch mal ein ganz anderer Blick, als ich den habe als Lehrerin und das finde ich für mich persönlich auch sehr bereichernd, dass man da wirklich so einen engen Kontakt hat und auch noch mal wirklich diese andere Profession anders wahrnehmen kann (Schuleiterin2, Z. 149-154).
3.2.2 Die Perspektive der Lehrkräfte der aufnehmenden ersten Klassen
Bei Betrachtung der Interviews mit den Lehrkräften der ersten Klassen fällt zunächst auf, dass
diese zwar ein grundlegendes Wissen über die KIGS-Gruppen haben, sie sich jedoch erst
konkreter mit Potenzialen und Gestaltungsmöglichkeiten des Projekts auseinandersetzen, seit
sie die KIGS-Kinder in diesem Schuljahr als Klassenlehrkräfte betreuen. Aus den Interviews
lässt sich ableiten, dass die meisten Lehrkräfte der Grundschulen im ersten Projektjahr lediglich
während einiger Projekte oder durch Begegnungen auf dem Pausenhof Berührungspunkte mit
den KIGS-Kindern hatten. Diese Einschätzung korrespondiert mit der Wahrnehmung der
pädagogischen Fachkräfte und mit Wünschen der Stammeinrichtungs- und Schulleitung, die
sich mehr Zeit für die Lehrkräfte wünschen, in der diese systematisch mit dem KIGS-Projekt
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
26
arbeiten können. Das intensive Interesse an dem Projekt liege eher bei den direkt beteiligten
Personen, also den aufnehmenden Lehrkräften. Zudem sind in diesem Zusammenhang die
Schulleitung und standortspezifisch zusätzlich die Schulsozialarbeit als mit dem KIGS-Projekt
interagierende schulische Instanzen zu benennen. Die Gründe für diesen relativen späten Bezug
auf die KIGS-Gruppen sehen die Lehrkräfte in strukturellen Gegebenheiten. Bedingt durch den
Umstand, dass die Lehrkräfte der ersten Klassen erst relativ spät im Schuljahr feststünden, sei
es organisatorisch kaum realisierbar, dass zukünftige Klassenlehrkräfte die Kinder schon früh
kennenlernen und erleben. Lehrkräfte, die nicht direkt involviert sind, erfahren hauptsächlich
auf Konferenzen von Einzelheiten und detaillierten projektbezogenen Informationen, ansonsten
ergeben sich Berührungspunkte lediglich in ausgewählten Interaktionssituationen. Im Verlauf
der Projektlaufzeit entwickeln die Standorte jedoch verschiedene Instrumente, um das
erarbeitete Wissen und gesammelte Erfahrungen für die folgenden Lehrkraftgruppen zur
Verfügung zu stellen, etwa in Form eines KIGS-Ordners.
Von den Lehrkräften hervorgehobene Interaktionssituationen mit KIGS-Kindern bilden
gegenseitige Hospitationen. In diesem Zusammenhang werden Besuche der Lehrkräfte in den
KIGS-Gruppen genannt, bei denen diese beispielsweise Geschichten vorlesen, Lieder mit den
KIGS-Kindern singen oder persönliche Fragen der Kinder beantworten, wodurch ein
gegenseitiges Kennenlernen in ungezwungenen Situationen stattfinden kann. Diese
Interaktionssettings unterscheiden sich zwar in beiden Tandems, werden jedoch von allen
Akteuren positiv bewertet. Gleichzeitig bietet sich für die pädagogischen Fachkräfte und KIGS-
Kinder die Möglichkeit, in den ersten Klassen zu hospitieren und somit Grundschulklassen auch
im Unterricht zu erleben. Derartige Unterrichtsbesuche durch KIGS-Kinder und PFK
ermöglichen zudem, dass die ehemaligen KIGS-Kinder in der Schule erlebt werden. Dabei gibt
es eine klare Präferenz für Unterrichtseinheiten, die „nicht so fachlich orientierten, nicht
mathematisch oder sprachlichen Fächern – so etwas wie Kunst und-und Musik und Sport,
solche Sachen“ (Interview2, Lehrkräfte 1, Z. 190) zuzuordnen sind.
Die Lehrkräfte der ersten Klassen berichten von einem großen Interesse, noch intensiver in
Austausch mit den pädagogischen Fachkräften zu treten. Gleichzeitig nähern sie sich den
aktuellen KIGS-Kindern, indem sie in Freistunden in die KIGS-Gruppen gehen und sich dort
vorstellten. Die Lehrkräfte begrüßen die Möglichkeit, auch entwicklungsbezogene Gespräche
über die Kinder mit den KIGS-Leiterinnen führen zu können: „Was aber auch noch ganz
angenehm ist, finde ich, durch diesen Austausch, ist, dass man auch mal Sachen erfährt von
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
27
Kindern, die schon hier sind, die jetzt letztes Jahr noch im KIGS waren, dass man da sich
drüber austauschen kann“ (Interview2_Lehrkräfte1, Z. 37).
Diese Form eines systematischen und elaborierten, vor allem eines kontinuierlichen und über
die Zeitmarke Schulanfang hinausgehenden, kommunikativen Austausches bildet eine
innovative Kooperationspraxis in der Transition vom Elementar- in den Primarbereich. Das
Besondere daran ist neben der Regelmäßigkeit, dass der Informationsfluss nicht einseitig ist,
sondern auch Rückmeldung in die KIGS-Gruppe aus der Schule erfolgen. Aus Sicht der
befragten Lehrkräfte ist es übereinstimmend positiv zu bewerten, dass sie in einem regen
Austausch mit den pädagogischen Fachkräften stehen. Der Kontakt mit den pädagogischen
Fachkräften der KIGS-Gruppen wird im Vergleich zur Vergangenheit intensiver erlebt. Gerade
die räumliche Situation biete dabei eine wichtige Voraussetzung, da sowohl spontane als auch
geplante Gesprächsanlässe sehr viel leichter geschaffen werden können. Gleichzeitig erfolgen
vereinzelte Hinweise auf mögliche Problematiken im Sinne einer zu undifferenzierten und zu
frühen Einbindung der Kinder in das Schulsystem. Gerade die für die Kinder gegebenen
Möglichkeiten, sich sukzessive an die Institution Schule zu gewöhnen, werden aber
überwiegend positiv hervorgehoben. In dieser Hinsicht gewinnen die bereits angesprochenen
Strategien der KIGS-Leiterinnen, den Übergang fließend und an den Bedürfnissen der Kinder
orientiert zu gestalten, an besonderer Bedeutung: „Ja, dass man den KIGS-Kindern, die jetzt in
der Kita sind, hier in der Gruppe, dass man denen wirklich die Zeit geben muss, überhaupt hier
zu sein. Es ist wirklich so, wenn man sie von Anfang an direkt in die Pausen mit 'rein ließe, das
wäre zu viel“ (Interview_Lehrkräfte1, Z.52).
Die räumliche Nähe der KIGS-Gruppen hat aus Sicht der Lehrkräfte große Vorteile gegenüber
weiter entfernten Kindertageseinrichtungen. Zum einen erfolgen positive Bewertungen der
Tatsache, dass KIGS-Kinder sich auf dem gleichen Gelände wie die Grundschülerinnen und
Grundschüler bewegen und somit frühe Erfahrungen mit den älteren Kindern sammeln können.
Zum anderen wird begrüßt, dass die KIGS-Kinder in Musik- oder Kunstprojekte integriert
werden, worüber sie schneller in schulische Kontexte integriert werden könnten. Die „alten“
KIGS-Kinder kennen sich nach Auffassung der Lehrkräfte schon besser in der Schule aus und
profitieren zu Beginn der Schulzeit auch davon. Diese Kinder werden als angstfreier und
selbstbewusster erlebt. Gleichzeitig können sie dadurch den Kindern bei der Eingewöhnung
helfen, die nicht sehr vertraut mit dem Raum Schule sind. Dadurch kann auch eine
Erleichterung für die Lehrkräfte gerade zu Beginn der Schulzeit eintreten: „Also (…) das
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
28
erleichtert uns auch die Arbeit, dass viel einfach so geguckt wird durch Nachahmen, und das
find' ich schon sehr erleichternd. Gerade am Anfang sind die ja sehr wuselig, und das hilft
schon, wenn da eine gewisse Gruppe ist, die Abläufe kennt (…) einfach auch“ (Interview2,
Lehrkräfte2, Z. 51).
Insbesondere bei sehr ruhigen und zurückhaltenden Kindern erkennen Lehrkräfte Vorteile des
KIGS-Projekts. Ohne das Projekt wären demnach einige dieser Kinder nicht so schnell mit dem
Schulalltag zurechtgekommen und hätten größere Schwierigkeiten beim Übergang gehabt.
Über diese sozial-emotionalen Aspekte hinaus werden die ehemaligen KIGS-Kinder als ganz
„normal“ erlebt. Sie seien zwar offener für die Institution Schule, hätten weniger
Berührungsängste und eine bessere räumliche Orientierung.
LK1: Und die alten KIGS-Kinder, ich glaube, ich hab´ sechs oder sieben, die (…) kennen schon mehr von der Schule, kennen den Schulhof, das Gebäude, weil sie (LK2: Schwimmen waren) Turnen, (LK3: Genau, das kennen die alles schon) genau, den Musikraum waren die ja teilweise, im Schulgebäude auch, ja, ihre Stunden haben und sind ein bisschen, ja, hemmungsloser. (B: im positiven Sinne erst einmal) im positiven Sinne, ja, genau. Hemmungslos, haben nicht so viele Ängste vielleicht vor dem Gebäude, vor der ganzen Institution Schule (Interview_Lehrkräfte1, Z. 46-52).
Jedoch könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie generell konzentrierter oder besser im
Unterricht seien. Im Allgemeinen kämen die Kinder alle mit ähnlichen Kompetenzen in die
Schule. Es sei gut, dass die KIGS-Kinder die Schule und die Lehrkräfte schon kennenlernen
konnten. Die Beobachtungen der Lehrkräfte lassen nicht darauf schließen, dass ehemalige
KIGS-Kinder sich auch in der Klasse als eigene abgekapselte Gruppe begreifen, sondern sie
seien gut in das gesamte Klassengefüge integriert. Dies korrespondiert mit unseren Ergebnissen
der FEESS 1-2, wonach keine signifikanten Unterschiede in den Bereichen „Soziale
Integration“ und „Klassenklima“ zwischen KIGS-Kindern und den übrigen Erstklässler*innen
bestehen (Siehe Kapitel 3.3.3).
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass jegliche Problematiken im Transitionsprozess
und insbesondere in der Schuleingangsphase durch die Zugehörigkeit zu einer KIGS-Gruppe
ausgeschlossen werden können. Dies bezeugen auch Lehrkraftangaben, die
Startschwierigkeiten von KIGS-Kindern beschreiben, bei denen schwierige Phasen im
häuslichen Umfeld vermutet werden. Jedoch lassen sich über die Interviews Sichtweisen
nachzeichnen, die auf eine gewisse Stärkung auch dieser Kinder durch KIGS verweisen.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
29
Gerade dieser Punkt kann als weiterer Entwicklungsschritt in der Kooperationsbeziehung
zwischen Grundschule und KIGS-Gruppen beschrieben werden, dessen Weiterverfolgung
potenziell wichtige Anhaltspunkte für die Analyse der Austauschpraxis der pädagogischen
Fachkräfte, Lehrkräfte und Eltern bietet.
Ich finde also das KIGS-Projekt sehr gut, denn wenn ich jetzt H. im KIGS-Projekt gehabt hätte, dann hätten wir jetzt nicht dieses Problem, dass er sich von seiner Mutter nicht hätte lösen können. Also das wäre dann viel einfacher gewesen. Er wäre schon viel selbstsicherer ins erste Schuljahr 'reingekommen. Diese ganze Problematik jetzt, wo ist Mama, Papa kommt nicht, Oma ist nicht da, das wäre alles im kleinen Rahmen schon abgebaut worden, und wäre viel leichter gewesen. Ich habe jetzt eine volle Klasse, muss mich um meine Kinder kümmern, muss auch gucken, dass H. zu seinem Recht kommt, dass er nicht ängstlich ist. In dieser kleinen KIGS-Gruppe ist das viel eher aufzufangen (Interview_Lehrkräfte2, Z. 71-79).
Die Beziehung zu den Eltern der Kinder aus den KIGS-Gruppen wird durch die Lehrkräfte
nicht als andersartig dargestellt, wobei die Lehrkräfte in der Phase der Erhebung ohnehin nur
auf wenige Erfahrungen zu den Eltern in ihren aktuellen Klassen zurückgreifen können. Da bei
den Interviewterminen die Elternsprechtage noch bevorstehen, können keine Vergleiche
gezogen werden.
Übereinstimmend nehmen alle professionellen schulischen Akteure positiv Bezug auf das
KIGS-Projekt. Die Lehrkräfte bewerten das Projekt als sehr gut und hilfreich, gerade für die
Kinder. Der Schulstart werde ihnen sehr erleichtert. Die auf die Zukunft gerichteten Wünsche
für das KIGS-Projekt beinhalten Treffen mit den pädagogischen Fachkräften in regelmäßigen
Abständen, bei denen sich über einzelne Kinder ausgetauscht werden soll und weitere
Planungen erfolgen sollen4.
Also [der Austausch ist] sehr positiv. Also wegen einem Schüler war ich dann auch noch mal drüben, dass wir in Ruhe sprechen konnten. Also es ist ja nur, also ich weiß nicht, dass man noch mehr Hintergrundwissen erfährt über die Kinder, also eigentlich sehr positiv. Nur bereichernd eigentlich, dass man weiß, was drüben auch los war. (Interview_Lehrkräfte1, Z. 571-574)
4 An einem der beiden Standorte finden seit dem zweiten KIGS-Jahr nunmehr monatlich Treffen statt, bei denen sich die KIGS-Leiterin und die Lehrkräfte der Klassen 1 austauschen und koordinieren.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
30
Neben diesem regelmäßigen Austausch wird auch der Wunsch nach zeitlichen Ressourcen für
gegenseitige Hospitationen formuliert. Allgemein wird der Bedarf an mehr Lehrkraftstunden
und höherem finanziellen Budget für das KIGS-Projekt und dafür, dass andere Kitas auch in
KIGS-ähnliche Projekte involviert werden können betont, um positive Wirkungen ausweiten
und auch Kooperationen mit weiteren Kindertageseinrichtungen ausbauen zu können.
3.2.3 Zusammenfassung
Die Perspektive der Grundschule wurde über Interviews mit Schulleitungen und Lehrkräften
zu verschiedenen Zeitpunkten kurz vor oder nach dem Übergang erhoben. Die KIGS-Kinder
werden, bis auf Ausnahmen, als sehr viel selbstsicherer und selbstbewusster wahrgenommen
als die anderen Schulstarter*innen. Das Projekt wird in dieser Hinsicht als sehr positiv bewertet,
da, so die Einschätzungen, die Kinder sich im Umfeld der Grundschule schon heimisch und
wohl fühlen. Auch bei vielen KIGS-Eltern werden geringere Kontakthemmnisse
wahrgenommen. Übereinstimmend nehmen alle Akteure der Schule positiv Bezug auf das
KIGS-Projekt. Die Lehrkräfte beschreiben es als sehr hilfreich, weil der Schulstart erleichtert
werde. Als Wünsche für das KIGS-Projekt werden Treffen mit den pädagogischen Fachkräften
in regelmäßigen Abständen benannt, bei denen sich über einzelne Kinder ausgetauscht werden
soll und weitere Planungen zur Zusammenarbeit erfolgen sollen, die dann zunehmend
aufeinander bezogene Bildungsprozesse fokussieren können. Neben diesem regelmäßigen
Austausch solle sich auch mehr Zeit für gegenseitige Hospitationen genommen werden können.
Allgemein wird der Bedarf an mehr Lehrkraftstunden für das KIGS-Projekt betont und es
werden darüber hinaus Wünsche dahingehend geäußert, dass andere Kitas auch in ähnliche
Projekte involviert werden sollen. Allerdings lässt sich erkennen, dass das KIGS-Projekt,
abgesehen von Begegnung bei gemeinsamen Projekten, vorwiegend erst nach dem Übergang
der Kinder und hauptsächlich bei den Lehrkräften der ersten Klassen ins Zentrum der
Aufmerksamkeit rückt. Dies hängt auch damit zusammen, dass erst relativ spät im Schuljahr
feststeht, wer die zukünftigen Lehrkräfte der ersten Klassen sein werden. Mit zunehmender
Projektdauer ergeben sich dann immer Berührungspunkte und entstehen Erfahrungen bei
weiteren Lehrkräften.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
31
3.3 Die Perspektive der KIGS-Kinder
3.3.1 Qualitative Interviewergebnisse
Im ersten KIGS-Durchgang wurden mit allen Kindern der beiden KIGS-Gruppen jeweils zwei
Interviews in zwei Projektphasen geführt. Die Interviews der ersten Phase fanden im Oktober
statt und fokussierten die Eingewöhnung und das Wohlbefinden der KIGS-Kinder in ihrer
neuen Umgebung. Die Interviews der zweiten Phase hingegen fanden im Juni kurz vor den
Sommerferien statt, sie zielten auf die Erhebung der kindlichen Vorstellungen von Schule und
der Selbstbilder der Kinder als „KIGS-Kinder“ Am Ende der Interviews wurde zudem die
Selbsteinschätzung der Kinder über eine Performativbefragung zu ihren Selbst- und
Sozialkompetenzen erhoben (Hüpfbefragung).
Die Hauptergebnisse der Interviews mit den KIGS-Kindern aus Interview-Phase 1 lassen sich
wie folgt benennen: Der weit überwiegende Teil der Kinder äußert, sich im Wesentlichen in
der KIGS-Gruppe wohl zu fühlen. Als Inhalte von KIGS wird häufig das Spielen oder Malen
genannt. Viele Kinder verbinden mit dem KIGS-Projekt bzw. mit der Zugehörigkeit zur KIGS-
Gruppe die Bedeutung, Teil einer besonderen Gruppe zu sein, wie etwa zu den „Großen“ zu
gehören. Einzelne Kinder berichten von Freunden oder Spielgegenständen, die sie beim Start
des Projekts vermisst hätten. Häufig werden neue Spielmaterialien als Unterschied zur
Kindergartengruppe benannt. Die Kindererzählungen in dieser Phase enthalten selten Kontakte
und Begegnungen mit Lehrkräften der Grundschule, einige KIGS-Kinder kennen diese noch
gar nicht. Sind den Kindern Lehrkräfte bekannt, haben bestehende Kontakte noch wenig mit
eigenen Erfahrungen in KIGS zu tun, sondern gehen auf Erzählungen von Geschwisterkindern,
Freunden oder Nachbarn zurück. Die Vorstellungen von Schule basieren dementsprechend
meist auf Erfahrungen und Berichten anderer Kinder. Die meisten interviewten KIGS-Kinder
freuen sich jedoch auf die Schule, sie bejahen entweder darauf bezogene Fragen oder
thematisieren ihre Vorfreude selbst. Die Freude bezieht sich auf ein Wiedersehen mit Freunden
und Geschwistern, die schon auf der Schule sind oder bestimmte mit dem Schulanfang in
Verbindung gebrachte Rituale oder Gegenstände, wie die Schultüte.
Die Kinder-Interviews der Phase II im Juni werden mittels der Besprechung einer Zeichnung
der Kinder, in der sie ihre Vorstellungen zu ihrer zukünftigen Schulklasse festhalten sollten,
eingeleitet. In den Interviews werden dann die Vorstellungen von Schule, die bislang erfolgten
Kooperations-Projekte sowie die Lernerfahrungen in der KIGS-Gruppe thematisiert.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
32
Die KIGS-Kinder geben nun relativ differenziert Auskunft über die bevorstehende
Grundschulzeit, so können sie neben ihren auf die Zukunft gerichteten Vorstellungen auch auf
selbst gemachte Erfahrungen mit Schule zurückgreifen. Aussagen über unterrichtsbezogene
Thematiken werden dabei oft über die Begriffe Rechnen und Schreiben beschrieben, aber selten
vertieft. Die Kinder bewerten die Präsenz der Lehrkräfte in der KIGS-Gruppe und während
gemeinsamer Projekte positiv und kennen mittlerweile die Namen vieler Lehrkräfte. Die
meisten Kinder freuen sich nach wie vor auf die Grundschule. Sie blicken dem Schulanfang
fast durchweg positiv entgegen. Im Rahmen einer im Projektzusammenhang entstandenen
Masterarbeit mit ähnlichem methodischem Vorgehen konnten Erhebungen in einer externen
Kindertageseinrichtung durchgeführt werden. Beim Vergleich der Kinder kann eine Tendenz
festgestellt werden, dass die interviewten KIGS-Kinder deutlich differenziertere Vorstellungen
von der Schule haben, als Kinder, die nicht in einer KIGS-Gruppe waren5.
Für den ersten Projektjahrgang wurde die sehr aufwändige Kinderinterview-Erhebung mit dem
Hauptziel durchgeführt, potenzielle Beeinträchtigungen des kindlichen Wohlbefindens durch
die Teilnahme am KIGS-Projekt zu erkennen und zeitnah an die Beteiligten zurückzumelden.
Bis auf die bereits benannten vereinzelten Sehnsüchte einzelner Kinder, ließen sich in den
Interviewanalysen keine Schwierigkeiten beim Übergang in die KIGS-Gruppe oder auf das
Wohlbefinden der Kinder erkennen. Gleichzeitig verwiesen weder die einzelnen Befragungen
bzw. Interviews von Eltern und PFK noch die teilnehmenden Beobachtungen der Kinder auf
projektbedingte Negativwirkungen. Aufgrund dieser Einschätzungen wurde für die folgenden
Jahrgänge entschieden, die Kinder der Folgejahrgänge nicht mehr in dieser Weise zu
interviewen. Beibehalten wurde jedoch die Performativbefragung zu den Selbst- und
Sozialkompetenzen, bei der diese ihre Antworten hüpfen sollten.
In den folgenden Abschnitten werden die Ergebnisse dieser Kinderbefragung in der KIGS-
Gruppe sowie die Ergebnisse der Erhebung der Schulerfahrungen der KIGS-Kinder der ersten
beiden Jahrgänge nach den Übergängen dargestellt.
5 Zweifelsohne kann hier nicht von empirisch erhärteten Ergebnissen ausgegangen werden, sondern soll lediglich der Hinweis auf sich andeutende Unterschiede angemerkt werden.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
33
3.3.2 Selbsteinschätzungen der KIGS-Kinder im Vergleich zur Fremdeinschätzung durch
ihre Eltern vor dem Übergang in die Grundschule
Die Erhebung der Selbsteinschätzung der KIGS-Kinder erfolgte über die Befragung, bei der die
Kinder performativ durch ein Hüpfen auf einen grünen oder roten Kreis ihre Zustimmung bzw.
Ablehnung ausdrücken konnten. Die Erhebungen erfolgten zu zwei Messzeitpunkten. Der erste
war im ersten Halbjahr des KIGS-Jahres verortet, der zweite in den letzten Wochenvor den
Sommerferien. Lediglich für den Einschulungsjahrgang 2015 konnte die Befragung der Kinder
nur zu einem Messzeitpunkt am Ende des KIGS-Jahres erhoben werden.
Bei den KIGS-Kinderbefragungen wurden jeweils zwei Items für die Kategorien
Gruppenklima, Soziale Integration, Selbstkonzept, Autonomie und Partizipation, somit 10
Items pro Kind, erhoben. Die Items für das Gruppenklima lauten „In der Gruppe halten wir
zusammen“ und „Wir verstehen uns untereinander gut“. Die Items für die soziale Integration
lauten „Die anderen Kinder aus der Gruppe sind nett zu mir“ und „Ich komme mit den anderen
Kindern in meiner Gruppe gut aus“. Das Selbstkonzept wird über die Items „Ich mache in der
Kita das Meiste richtig“ und „Ich kann ganz gut lernen“ erfasst. Das Autonomieempfinden der
KIGS-Kinder wird mithilfe der Items „Was ich will, schaffe ich auch“ und „Was ich mir selbst
aussuche, schaffe ich auch“ erhoben. Die Items für Partizipation schließlich lauten „Was ich
sage, ist meiner Erzieherin wichtig“ und „Bei vielen Dingen im Kindergarten kann ich
mitbestimmen“.
Zu selben Items wurden die Einschätzungen der KIGS-Eltern in einem Fragebogen im Verlauf
des KIGS-Jahres erhoben. Während die Kinder Zustimmung und Ablehnung der Items über die
Antwortmöglichkeiten „Stimmt“ oder „Stimmt nicht“, jeweils über das Hüpfen auf den grünen
bzw. roten Punkt, ausdrückten, wurde die Elterneinschätzung über eine Likert-Skala mit den
Antwortmöglichkeiten „trifft sehr zu“, „trifft eher zu“, trifft weniger zu“ und „trifft nicht zu“
erhoben.
Die Abbildungen 3.1 bis 3.10 stellen die Ergebnisse der Einschätzungen der KIGS-Kinder und
ihrer Eltern im Vergleich dar und beinhalten die jeweilige prozentuale Zustimmung bzw.
Ablehnung. Damit eine Vergleichbarkeit hergestellt werden konnte, wurden die
Antwortmöglichkeiten „trifft sehr zu“ und „trifft eher zu“ der Eltern als Zustimmung
zusammengefasst und in den Abbildungen mit „Ja“ dargestellt. In diesem Sinne sind die
Antwortmöglichkeiten „trifft weniger zu“ und „trifft nicht zu“ als Ablehnung zusammengefasst
und in den Abbildungen als „Nein“ dargestellt. Außerdem wurden alle Befragungen einer
Akteursgruppe in einem Jahrgang zusammengefasst und nicht nach Erhebungsphasen
unterschieden. Im Einschulungsjahr 2014 wurden die Kinder zu zwei Erhebungszeitpunkten im
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
34
Oktober und im Juni befragt (Insgesamt N=56) und die Eltern nach etwa vier Monaten im
KIGS-Projekt (N=28). Im Einschulungsjahr 2015 wurde aufgrund der bereits angesprochenen
Schwierigkeiten mit den Einverständniserklärungen die Kinderbefragung nur zu einem
Zeitpunkt und erst im Juni durchgeführt (N=28), die Elternbefragung wurde etwa zum Halbjahr
des KIGS-Jahres abgeschlossen (N=28). Im Einschulungsjahr 2016 konnte die Erhebung der
Kinderbefragung wie geplant an zwei Erhebungszeitpunkten im Dezember 2015 und im Juni
2016 durchgeführt werden (Insgesamt N=62), außerdem wurden im letzten begleiteten KIGS-
Durchlauf auch die Eltern der KIGS-Kinder in diesen Erhebungsphasen und somit zweimal
befragt (Insgesamt N=38).
Grundsätzlich können die Angaben zu den Kategorien Gruppenklima, Autonomieempfinden,
Selbstkonzept und Soziale Integration als mehrheitlich positiv interpretiert werden und es
finden sich keine wesentlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Kinder nachhaltig problematische
Erfahrungen durch den Übergang in die KIGS-Gruppen gemacht haben. Auffällig ist u.a. das
zweite auf die Partizipation bezogene Item „Bei vielen Dingen im Kindergarten kann ich
mitbestimmen“. Die Kinder verneinen dies insbesondere in der zweiten Erhebungsphase
mehrheitlich. Lediglich bei den Items, die sich auf partizipatorische Aspekte innerhalb des Kita-
Alltages beziehen, fällt die Ablehnung etwas stärker aus. So sind in allen Jahrgängen jeweils
mehr als 10%, teilweise sogar mehr als 20% der Kinder und befragten Elternteile der
Auffassung, dass die Kinder in der Kita bei vielen Dingen nicht mitbestimmen können.
Auch wenn für den Zusammenhang von Elementarbildungseinrichtungen nicht unbedingt
überraschend ist, dass Kinder nur in einem begrenzten Maße mitbestimmen, bleibt festzuhalten,
dass hier möglicherweise ein Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit
besteht. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Kinder sich insbesondere zum Ende des KIGS-
Jahres in den meisten Fällen aber auch von den pädagogischen Fachkräften ernst genommen
fühlen. Dies wird bei Betrachten des Antwortverhaltens zum ersten Partizipations-Item „Was
ich sage, ist meiner Erzieherin wichtig“ erkennbar. Ein ähnliches Antwortverhalten bezüglich
der Teilhabe an Entscheidungsprozessen zeigt sich auch bei Kindern, die im Rahmen der
World-Vision-Studie befragt wurden (World Vision 2013, S. 298f.). Auch hier äußern
Schulkinder, dass ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten eher gering sind.
Eine weitere Veränderung zwischen Start und Ende des KIGS-Jahres lässt sich beim zweiten
Item zum Selbstkonzept, „Ich kann ganz gut lernen“, beobachten. Hier nimmt der Anteil der
Kinder, die diese Aussage verneinen, sehr deutlich ab. In gleicher Weise wird das zweite Item
zum Selbstkonzept, „Ich mache in der Kita das Meiste richtig“, von dem überwiegenden Teil
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
35
der KIGS-Kinder positiv beantwortet. In den drei Jahrgängen zeichnet sich bei der
Beantwortung aller Items ein ähnliches Bild, die positive Einschätzung der Selbst- und
Sozialkompetenzen überwiegt bei allen Items in den drei Jahrgängen deutlich. Tendenziell
sehen die befragten Elternteile allerdings die Kinder in diesen Bereichen noch etwas positiver
als die Kinder sich selbst. Sie schätzen ihre Kinder also insgesamt stärker als gut integriert,
autonom und kompetent ein, als die Kinder sich selbst. Insgesamt fällt die Selbst- und
Fremdeinschätzung der KIGS-Kinder in allen drei Jahrgängen somit sehr positiv aus.
Kategorie Gruppenklima (GK):
Abb. 3.1: Eltern-Kind-Vergleich Item In der Gruppe halten alle zusammen
Abb. 3.2: Eltern-Kind-Vergleich Item Die Kinder aus der Gruppe / Wir verstehen uns untereinander gut
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Kategorie Soziale Integration (SI):
Abb. 3.3: Eltern-Kind-Vergleich Item Die Kinder aus der Gruppe sind nett zu mir /zu meinem Kind
Abb. 3.4: Eltern-Kind-Vergleich Item Ich (Mein Kind) komme (kommt) mit den anderen Kindern aus der Gruppe gut aus
Kategorie Selbstkonzept (SK)
Abb. 3.5: Eltern-Kind-Vergleich Item Ich mache/Mein Kind macht in der Kita das Meiste richtig
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Abb. 3.6: Eltern-Kind-Vergleich Item Mein Kind/Ich kann ganz gut lernen
Kategorie Autonomie
Abb. 3.7: Eltern-Kind-Vergleich Item Mein Kind / Ich schafft/e das was es sich/ich mir selbst aussucht/e
Abb. 3.8: Eltern-Kind-Vergleich Item Ich schaffe (Mein Kind schafft) das was ich (es) will
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Kategorie Partizipation
Abb. 3.9: Eltern-Kind-Vergleich Item Was ich sage/mein Kind sagt ist der Erzieherin wichtig
Abb. 3.10: Eltern-Kind-Vergleich Item Mein Kind/Ich kann bei vielen Dingen in der Kita mitbestimmen
Nachfolgend erfolgt ein Vergleich der kindlichen Selbsteinschätzungen zwischen zwei
Messzeitpunkten innerhalb eines Jahrgangs sowie zwischen dem ersten und dem letzten KIGS-
Jahrgang. Die Abbildungen 4 (MZP 1) und 5 (MZP2) zeigen, zu welchen Anteilen die KIGS-
Kinder des ersten Einschulungsjahrgangs den Items der jeweiligen Kategorien zugestimmt
haben. Es fällt auf, dass ein relativ hoher Anteil der KIGS-Kinder im ersten Jahrgang 2014 den
stets positiv formulierten Items der Kategorien nicht zustimmte. Dies zeigt sich insbesondere
bei der Kategorie Partizipation, hier verringerte sich der Anteil der Zustimmung zum zweiten
Messzeitpunkt 2 sogar von 63 % auf 57 %. Das Antwortverhalten der Kinder pro Einzelitem
ist hier nicht graphisch dargestellt. Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass die Zustimmung der
KIGS-Kinder zum Item „Was ich sage, ist meiner Erzieherin wichtig“ im Vergleich der beiden
Erhebungsphasen des Einschulungsjahrgangs 2014 von 66% im Oktober auf 83% im Juni
gestiegen ist. Gleichzeitig ist der Anteil der Zustimmung zum zweiten Item der Kategorie, „Bei
vielen Dingen im Kindergarten kann ich mitbestimmen“ von 59% auf 29% gesunken.
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In den Abbildungen 6 und 7 lässt sich erkennen, dass die Selbsteinschätzungen der Kinder im
Einschulungsjahrgang 2016 im Vergleich zum Jahrgang 2014 deutlich gestiegen sind und auch
innerhalb des Jahrgangs zum Ende höhere Werte erreichen als im ersten Messzeitpunkt. So
bejahten in Phase1 85% der KIGS-Kinder ein positives Gruppenklima, dieser Wert erhöhte sich
auf 97% in Phase 2. Entsprechende Werte sind für Autonomie 89% und 95%, für das
Selbstkonzept 92% und 98 für die soziale Integration 90% und 100 % und für die Partizipation
82% und 84%. Bei letztgenanntem Wert für die empfundene Partizipation fällt ähnlich wie im
Jahrgang 2014 auf, dass hier deutlich weniger positive Antworten der Kinder zu verzeichnen
sind als in den anderen Kategorien, allerdings liegt der Wert auch deutlich höher als im ersten
Einschulungsjahrgang. Wie auch die Werte in den Abbildungen 3.9 und 3.10 zeigen, ist dieser
Wert hauptsächlich auf das zweite Item der erhobenen Kategorie Partizipation, „Ich kann bei
vielen Dingen in der Kita mitbestimmen“, zurückzuführen. Das andere Item dieser Kategorie,
„Was ich sage, ist der Erzieherin wichtig“, wurde mit insgesamt 94% der Antworten bejaht.
Abb. 4: Selbsteinschätzungen Messzeitpunkt 1
Abb. 5: Selbsteinschätzungen Messzeitpunkt 2
8973 78 75
63
0
25
50
75
100
GK A SK SI P
2014 Phase 1
Zustimmung Ablehnung
9173
88 85
57
0
25
50
75
100
GK A SK SI P
2014 Phase 2
Zustimmung Ablehnung
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
40
Abb. 6: Selbsteinschätzungen Messzeitpunkt 1
Abb. 7: Selbsteinschätzungen Messzeitpunkt 2
3.3.3 Quantitative Erhebung der Schulerfahrungen nach dem Übergang
Die Kinder wurden jeweils im 2. Halbjahr des ersten Schuljahrs zu ihrem schulischen
Wohlbefinden befragt. Als Instrument diente der FEESS 1-2 (Rauer & Schuck 2004), der über
2 Teilfragebögen –SIKS (Selbstkonzept und Sozialklima) und SALGA (Schul- und
Lernklima)– mit insgesamt sieben Skalen die Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und
Schüler erfragt. Entsprechend des Testmanuals wurden die beiden Teilfragbögen separat für
jede Klasse an jeweils verschiedenen Tagen erhoben. Zwischen den Erhebungen der beiden
Teilfragebögen lag an beiden Schulen jeweils etwa eine Woche. Die Erhebungen wurden immer
durch zwei Personen aus dem Forschungsteam durchgeführt. Entsprechend den
Durchführungsanweisungen wurden die einzelnen Items der Teilfragebögen den Kindern
vorgelesen. Ihre Zustimmung bzw. Ablehnung drückten die Kinder dann durch ein Ankreuzen
der gewählten Alternative, „stimmt“ bzw. „stimmt nicht“, aus. Insgesamt wurden 113 FEESS
1-2 erhoben. In den ersten Klassen befanden sich jeweils sowohl KIGS-Kinder als auch Kinder,
die aus keiner KIGS-Gruppe kamen. Der Vergleich zeigt keine signifikanten Unterschiede
zwischen KIGS-Kindern (N=38) und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne KIGS-
Teilnahme (N=75). Auch innerhalb der einzelnen durch den FEESS 1-2 abgefragten Merkmale
85 89 92 9082
0
25
50
75
100
GK A SK SI P
2016 Phase 1
Zustimmung Ablehnung
97 95 98 10084
0
25
50
75
100
GK A SK SI P
2016 Phase 2
Zustimmung Ablehnung
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
41
Klassenklima, Selbstkonzept der Fähigkeit, soziale Integration, Schuleinstellung, Lernfreude
und Anstrengungsbereitschaft lassen sich keine signifikanten Unterschiede nachweisen
zwischen Kindern, die eine KIGS-Gruppe besucht haben und solchen, die einen
Regelkindergarten besucht haben. Auch wenn man die Jahrgänge einzeln betrachtet, ergeben
sich keine signifikanten Differenzen. Vergleicht man hingegen Jungen und Mädchen
miteinander, so wird deutlich, dass die Mädchen in allen Bereichen außer bei der sozialen
Integration und der Anstrengungsbereitschaft signifikant höhere Werte erreichen. Insbesondere
bezüglich der Schuleinstellung liegen die Werte der Mädchen bedeutend höher als die der
Jungen (s. Abb. 8). Das Instrument erfasst in erster Linie Dimensionen, die sich wohl eher durch
die Bedingungen in der Grundschule erklären lassen als durch die Zuordnung zu einer
elementarpädagogischen Maßnahme. Aufgrund der Anlage des Instruments darf der FEESS
frühestens nach einem halben Jahr in dem Schuljahr eingesetzt werden. Hiermit ist
möglicherweise zu erklären, dass die schulischen Bedingungen das Antwortverhalten so stark
beeinflussen, dass die Einflussgrößen der KITA-Zeit verschwinden, falls sie überhaupt jemals
so groß waren, dass sie das Antwortverhalten maßgeblich beeinflusst hätten. Auch wenn
hierdurch keine Vorteile der KIGS-Kinder im schulischen Bereich nachgewiesen werden
können, stellt das Ergebnis trotzdem aus der Perspektive der Eltern und Kinder, die nicht am
KIGS-Projekt teilnehmen konnten, eine Beruhigung dar, weil ihnen keine signifikanten
Nachteile in der Schulzeit entstehen.
Abb. 8: Mittelwerte der Schuleinstellung der Jungen (N=48) und der Mädchen (N=62)
8,56
11,2710,09
0
2
4
6
8
10
12
Schuleinstellung
Schuleinstellung
Jungen Mädchen Gesamt
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
42
3.3.4 Zusammenfassung
Der Übergang von der Stammeinrichtung in die KIGS-Gruppe verläuft für die große Mehrheit
der KIGS-Kinder relativ reibungslos und ohne nachhaltige Schwierigkeiten. Vereinzelt hängen
Kinder noch an befreundeten Kindern aus den Stammeinrichtungen oder Bezugserzieherinnen.
Diese Sehnsüchte werden durch die päd. Fachkräfte in der KIGS-Gruppe aufgegriffen und
insbesondere das erste Halbjahr in der KIGS-Gruppe wird sich der Eingewöhnung und
Gruppenkohäsion gewidmet. Dies scheint den Kindern gut zu tun, wie die relativ hohen Werte
im PERIK-Bogen oder der kindlichen Selbsteinschätzung bestätigen. Im Verlauf des KIGS-
Jahres entwickeln die Kinder dann eine relativ differenzierte Sicht auf die Schule und kennen
sich schon zunehmend im schulischen Raum aus. Wie die Selbsteinschätzungen der Kinder
nahelegen, entwickeln sich die Kinder insbesondere im sozial-emotionalen Bereich zum
Positiven. Hier profitieren insbesondere Mädchen sehr stark vom KIGS-Projekt. Im Vergleich
mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern aus anderen Kindertageseinrichtungen zeigen sie
keine Unterschiede in vom FEESS 1-2 erfassten Kategorien, dies verweist auch darauf, dass sie
sich in gleicher Weise in das Klassengefüge einfinden.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
43
3.4 Die Perspektive der Eltern
3.4.1 Qualitative Ergebnisse der leitfadengestützten Elterninterviews
Wenige Wochen vor den Sommerferien konnten im ersten Jahr sieben und im zweiten Jahr 8
vertiefende Interviews mit KIGS-Eltern realisiert werden, die deren Perspektive entlang
folgender thematischen Foki erfassen:
Allgemeiner Rückblick auf das Projekt Einschätzung des pädagogischen Settings Übergang in die Grundschule, Kooperation der Institutionen, Elternarbeit Kindliche Entwicklung
Allen erhobenen Interviews lässt sich eine grundsätzliche Zufriedenheit mit dem KIGS-Projekt
entnehmen. Die interviewten Eltern würden ihr Kind erneut anmelden, wenn sie wieder vor der
Wahl stünden. Es erfolgt eine nahezu übereinstimmend positive Bewertung sowohl bezüglich
der Gruppengröße als auch der Altersstruktur der KIGS-Gruppen. Auch die
Entwicklungsverläufe der Kinder in den KIGS-Gruppen werden durch die Eltern positiv
dargestellt. Hierbei wird die Entwicklung in einigen Fällen in einen direkten kausalen
Zusammenhang mit dem KIGS-Projekt bzw. der Arbeit in den KIGS-Gruppen gesetzt.
Beispielsweise sieht eine Mutter, die selbst pädagogische Fachkraft in einer
Kindertageseinrichtung ist, in der eher homogenen Altersstruktur der Kinder der KIGS-Gruppe
eine Parallele zu einer Schulklasse. Zwar entfiele dadurch die Erfahrung, sich um jüngere
Kinder zu kümmern – diesen Punkt benennen auch einige andere Eltern, ohne dies sonderlich
zu problematisieren –, jedoch werde dafür die Gewöhnung an die schulische Situation
erleichtert: „Das ist schon, macht schon den Unterschied. (…) Das ist genau wie in der Schule.
In der Schule sind die Kinder alle gleich alt“ (Interview_Mutter_Berivan, Z. 198f.). Als positiv
werden explizit einige Projekte hervorgehoben, wie etwa Sportaktivitäten mit den Kindern der
OGS unter Anleitung der zuständigen OGS-Fachkräfte und Aktivitäten mit der
Schulsozialarbeit. Seitens der Eltern wird mit dem KIGS-Projekt eine zumeist positiv bewertete
und an der Altersstruktur der Kinder orientierte Form der Angebotsgestaltung verbunden. Dies
ermögliche eine bessere Organisation von Angeboten für zukünftige Schulkinder und eine
intensive Förderung der Kinder. Zudem sei dadurch, dass sich nicht mehr um U3-Kinder
gekümmert werden müsse, die „Arbeit der Kollegen auch hier einfacher und [die] können das
[die Arbeit mit zukünftigen Schulkindern; K.M] intensiver durchführen“ (ebenda, Z. 229-230).
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
44
Also Robin hat das wirklich gutgetan. Also weil sie hier ja nur unter Gleichaltrigen sind, wird besser auf ihre Bedürfnisse eingegangen, wie jetzt, ich sag mal – also drüben war das schon anders. Da waren ja auch die Kleinen, und da hat man auch, natürlich auch Rücksicht auf die Kleinen genommen, (…) dann war das auch schon mal so, dass sie dann wirklich mit ihren Bedürfnissen ein bisschen zu kurz gekommen sind (Interview_Mutter_Robin, Z. 30-37).
In der KIGS-Gruppe sehen die Eltern größere Möglichkeiten auf Schwächen von Kindern
einzugehen und sie dahingehend zu fördern, sich in den Bereichen zu entwickeln. Ähnlich wie
die pädagogischen Fachkräfte selbst, sehen Eltern dies als Folge eines wahrgenommenen
stärkeren Fokus auf Kinder im Übergang, so auch folgende Mutter: „Also, ich glaube, dass die
Erzieherinnen aufmerksamer sind, also aufmerksamer auf die großen Kinder sein können, sich
auf die großen Kinder konzentrieren können“ (Interview_Mutter_Tom, Z. 37)
Als weiteres hervorzuhebendes positives Merkmal des KIGS-Projekts benennen die meisten
interviewten Eltern wiederholt die räumliche Zugehörigkeit zum Schulgebäude und
beschreiben damit zusammenhängende Aspekte über die Begrifflichkeit „Nähe zur Schule“.
Dies ist umso augenscheinlicher, desto größere Schwierigkeiten mit Übergängen bzw. weniger
vertrauten Situationen sie bei dem jeweiligen Kind vermuten. Somit deutet sich an, dass der
Begriff sich sowohl auf geographische als auch auf emotionale Nähe bezieht.
[I]ch denke, dass es für [unsere Tochter] einfach von Vorteil ist, dass sie einfach die Nähe schon zur Schule hat, und das einfach schon kennen lernt, weil [sie] schon eher, ich sag' mal, mit Veränderungen ein bisschen schwerer tut (Interview_Eltern_Andrea, Z. 28-31).
Über die besagte Nähe erfolge auch – en passant – ein frühes Erlernen von Regeln der Schule,
was als nützlich für die Kinder bewertet wird: „Also die wissen schon, wie sie sich hier
benehmen müssen“ (Interview_Eltern_Thorben-Maik, Z. 94). Als Beispiele für diese
alltäglichen Erfahrungen der Kinder werden Begegnungen mit der Schule zugehörigen
Personen herangezogen, neben den Lehrkräften ist beispielsweise das technische Personal zu
nennen. Durch die im Rahmen des KIGS-Projekts vollzogene Annäherung der Institutionen
sehen Eltern auch erweiterte Möglichkeiten eines professionellen Austausches gegeben, etwa
bei Problemen in der Schuleingangsphase. Die PFK und die Lehrkraft könnten „sich dann
einfach austauschen (...). Und das war ja, das ist ja sonst gar nicht möglich“ (ebenda, Z. 457).
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
45
Das Mädchen macht wahnsinnige Schritte nach vorne. Also die ist wirklich […] vom Typus eher ängstlich zurückhaltend oder eher so ein unsicheres Kind […] [u]nd die hat hier riesengroße Schritte gemacht: stabiler, fröhlicher, selbstsicherer, also das ist schon ein Hammer, also wirklich ganz, ganz große Schritte (Interview_Mutter_Lina, Z. 473-480).
In einigen Fällen berichten Eltern davon, dass ihre Kinder in den KIGS-Gruppen Interessen im
künstlerischen Bereich entwickelt hätten, die sie vorher nicht hatten. Die betrifft sowohl den
Bereich Musik als auch das Malen und Zeichnen von Bildern. Dabei wird in einem Interview
ein sich entwickelndes Interesse für das Malen mit einer erweiterten individuellen Bezugnahme
in der KIGS-Gruppe erklärt. Das Beispiel Malen wählt das Elternteil deswegen, weil sich das
Kind in der Stammeinrichtung und zu Hause strikt geweigert habe, zu malen. Ebenso sehen
Eltern die Interessenentwicklung durch in der KIGS-Gruppe gegebene Anreize und alltägliche
Erfahrungen der Kinder in der Einrichtung gefördert – „Ja, singen zum Bespiel. Also dadurch,
dass [die pädagogische Fachkraft] jetzt Gitarre spielt, möchte er auch gerne Gitarre spielen,
also das war ja vorher auch nicht“ (Interview_Mutter_Robin, 665-668).
Ein von Eltern von KIGS-Kindern mit anfangs geringen Deutschkenntnissen häufig genannter
geförderter Entwicklungsbereich ist Sprache. Auffallend ist dabei, dass viele Eltern die positive
Entwicklung direkt auf die Förderung innerhalb der KIGS-Gruppe zurückführen und die
Entwicklungsschritte dabei in Vergleich zu ihren Eindrücken aus der Stammeinrichtungen
setzen. Dies zeigt sich auch an folgender Passage, in der die Mutter eines Kindes im Anschluss
an Berichte über sprachliche Probleme in der Zeit vor dem KIGS-Jahr nun die Entwicklung des
Kindes in der KIGS-Gruppe beschreibt: „Aber seitdem er hier ist, ist wirklich der, ganz anderes
Kind. Also der ist aufgeschlossen, der hat Deutsch gelernt, der spricht wunderbar Deutsch. Der
ist aufgeschlossen, der spielt mit allen Kindern, der ist fröhlich, der freut sich, wenn er
hierherkommt, und hat wirklich ganz, ganz große Fortschritte gemacht“
(Interview_Mutter_Marek, 11).
Die interviewten Eltern beziehen sich zwar mehrheitlich positiv auf die Kooperation zur
Grundschule, doch nur relativ wenige Eltern benennen konkrete Gegenstände, auf die sich ihre
Zufriedenheit bezieht, häufig machen sie es an der wahrgenommenen größeren Sicherheit im
schulischen Raum fest. Die Elternarbeit in der KIGS-Gruppe wird mehrheitlich als positiver
Aspekt des Projekts hervorgehoben. Die Elternaussagen korrespondieren teilweise mit den
Einschätzungen der pädagogischen Fachkräfte, wonach die Beziehung als intensiver und
zielgerichteter als vorher beschrieben wird. Allerdings wird die Beziehung der beiden
Stammeinrichtungen zu den Eltern mehrheitlich als ohnehin gut beschrieben.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
46
3.4.2 Quantitative Ergebnisse des Fragebogens für Grundschuleltern
Nach dem Übergang auf die Grundschule wurde eine Fragebogenerhebung für alle Eltern der
ersten Grundschulklassen durchgeführt, damit werden also nicht nur die KIGS-Eltern, sondern
alle Eltern befragt. Hierzu wurde eine Einverständniserklärung verfasst, in der das Vorgehen
beschrieben und um die Teilnahme gebeten wurde. Der Rücklauf in den Einschulungsjahren
2014 und 2015 beträgt insgesamt 121 Elternfragebögen, davon stammen insgesamt 40 von
KIGS-Eltern.
Der Fragebogen beinhaltet im Wesentlichen einen Fragenteil mit 6 Items zur Eingewöhnung
der Kinder und einen weiteren Teil, in dem die elterlichen Einschätzungen zur
Übergangsbewältigung der Kinder und der Übergangsgestaltung mittels 10 Items erfragt
werden. Die Items des ersten Fragebogenteils erfragen u.a. die Einschätzungen zur „Beziehung
zu den Mitschülerinnen und Mitschülern“ des eigenen Kindes oder dessen Eingewöhnung
bezüglich des Aspekts „Regeln und Rituale“. Als Beispielitems des zweiten Fragebogenteils
lassen sich u.a. „Mein Kind fühlte sich selbstbewusst und stark zu Schulbeginn“, „Mein Kind
ist von Beginn an mit Freude in die Schule gegangen“ und „Mein Kind wurde im letzten Jahr
durch die Kita gut auf die Schule vorbereitet“ benennen.
Für die Beantwortung der 6 Items zur Eingewöhnung ist eine Likert-Skala mit den 4 Stufen
„leicht gefallen“ (1), „eher leicht gefallen“ (2), „eher schwer gefallen“ (3) und „schwer
gefallen“ (4) vorgesehen, für die Antwortmöglichkeiten bei den 10 Items zum zurückliegenden
Übergang die Antwortmöglichkeiten „trifft zu“ (1), „trifft eher zu“ (2), „trifft weniger zu“ (3)
und „trifft nicht zu“ (4). Der erste Teil des Fragebogens zielt auf die Erfassung der
Einschätzungen zur kindlichen Eingewöhnung in der Grundschule entlang verschiedener
Aspekte (Lehrkräfte, Peers, Räume und Rituale etc.). Die sechs Items weisen eine interne
Konsistenz von .767 nach Cronbachs Alpha auf. Der zweite Teil des Fragebogens zielt darauf
ab, Bewertungen zu möglichst vielen verschiedenen Aspekte der Übergangsgestaltung zu
erheben.
Übergreifend lässt sich bei vielen Eltern unabhängig von einer KIGS-Teilnahme eine Tendenz
beobachten, die positiven Antwortmöglichkeiten zu bevorzugen. Im ersten Teil des
Fragebogens lassen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Elterngruppen
berechnen. Damit lässt sich sagen, dass nahezu alle Eltern die Eingewöhnung ihres Kindes
entlang der erfassten Dimensionen positiv bewerten.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
47
Bezüglich der Bewertung des Übergangs und der Übergangsgestalten werden jedoch bei zwei
Items Unterschiede zwischen den Gruppen deutlich: Sie beziehen sich auf die Zusammenarbeit
von Kindertagesstätte und Grundschule und auf die Freude des Kindes am Schulanfang (s. Abb.
9 und 10). KIGS-Eltern nehmen ihre Kinder signifikant mit größerer Freude am Schulanfang
wahr als die Eltern von Nicht-KIGS-Kindern. Außerdem bewerten KIGS-Eltern die
Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und Grundschullehrkräften signifikant
besser.
Abb. 9: Freude des Kindes zu Schulbeginn- Die Mittlere Differenz zwischen KIGS (N=40) und Nicht-KIGS (N=81) liegt bei 0,393 und ist bei P = .005 sehr signifikant
82,5%
63,0%69,4%
10,0%
17,3%14,9%
9,9% 6,6%2,5% 6,1% 5,0%
5,0% 3,7% 4,1%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
KIGS-Teilnahme keine KIGS-Teilnahme Gesamt
Mein Kind ist von Beginn an mit Freude zur Schule gegangen
trifft zu trifft eher zu trifft weniger zu trifft nicht zu keine Angabe
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
48
Abb. 10: Zusammenarbeit der Professionellen - Die mittlere Differenz zwischen KIGS und Nicht-KIGS liegt bei 0,622 und ist bei p = <.001 höchst signifikant
3.4.3 Zusammenfassung
Die Eltern der KIGS-Kinder haben überwiegend positive Erwartungen bezüglich des Projekts.
Die Zufriedenheit bezieht sich zum Start des Projektes besonders auf die Ausstattung und die
Konzeption als innovativ und neuwertig. Allerdings gibt es hier zu Beginn speziell in einer
Einrichtung geäußerte Unzufriedenheiten, was die Gestaltung des Außengeländes und den
Schallschutz betrifft. Den in der KIGS-Gruppe erhobenen Elterneinschätzungen lässt sich
insbesondere nach einigen Monaten im Projekt eine positive Bewertung sowohl der
Gruppengröße als auch der Altersstruktur der KIGS-Gruppen entnehmen. In den Interviews
werden zudem die Entwicklungsverläufe der Kinder durch die Eltern positiv rekonstruiert.
Dabei beziehen sich die Eltern auf die Arbeit der Fachkräfte und eine im KIGS-Projekt
gegebene Förderung von kindlichen Interessen. Aus der Retroperspektive –einige Wochen nach
Schulbeginn– gibt der weitaus größte Teil der befragten KIGS-Eltern analog zu den übrigen
Eltern an, ihr Kind habe den Übergang gut geschafft, sich gut eingewöhnen können und fühle
sich in der Schule wohl. Zudem deutet sich an, dass die Eltern von KIGS-Kindern die
Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und Lehrkräften der Grundschule
positiver bewerten.
57,5%
30,9%39,7%
27,5%
32,1%
30,6%
7,5%
18,5%14,9%
9,9%6,6%
7,5% 8,6% 8,3%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
KIGS-Teilnahme keine KIGS-Teilnahme Gesamt
Erzieherinnen und Grundschullehrkräfte haben bei der
Übergangsgestaltung gut zusammengearbeitet
trifft zu trifft eher zu trifft weniger zu trifft nicht zu keine Angabe
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
49
4. Vertiefende Fallrekonstruktionen ausgewählter Kinder
Auf Grundlage der Interviews mit den KIGS-Leiterinnen und anschließenden Gesprächen, der
Kinderinterviews sowie der KIGS-Elternfragebögen wurden pro Standort vier Kinder
ausgewählt, bei denen eine empirische Fokussierung vorgenommen wurde, die in Fallanalysen
mündete. Die Fallanalysen sollten dabei exemplarisch die Entwicklung von Kindern innerhalb
des KIGS-Projekts nachzeichnen. Hierfür wurden sowohl die Eltern und die pädagogischen
Fachkräfte befragt als auch eigene Beobachtungen in verschiedenen pädagogischen Situationen
vorgenommen. Die Auswahl der Fälle wurde danach getroffen, hier eine möglichst große
Bandbreite abbilden zu können, wobei von vornherein aber der Fokus auf Kindern lag, bei
denen die Notwendigkeit einer Unterstützung im Transitionsprozess von den Erzieherinnen
angenommen wurde.
Diese empirische Fokussierung umfasst Interviews und Befragungen der Kinder und ihrer
Eltern, Thematisierung der kindlichen Entwicklung in den Interviews mit den Professionellen
der KIGS-Gruppen und Grundschulen sowie die Analyse von Bildungsdokumentationen,
FEESS 1-2 und PERIK-Bögen. Die ausgewählten Kinder wurden im Verlauf des KIGS-Jahres
zudem mehrmals teilnehmend beobachtet. Im Folgenden werden vier Kinder aus der KIGS-
Gruppe vorgestellt, deren Übergänge in die Grundschule fokussiert wurden und nunmehr in
Fallbeschreibungen dargestellt werden können. Dabei handelt es sich im ersten Fall um einen
eher als gelungen bewerteten Übergang in die Grundschule, bei dem ein Mädchen gerade in
sozial-emotionalen Bereich von dem KIGS-Projekt profitiert zu haben scheint. Der zweite Fall
eines Übergangs in die Grundschule beinhaltet die Transition eines Jungen, bei dem von den
Akteuren vielfältige Probleme angesprochen wurden. Der dritte Fall beschreibt die sprachliche
und soziale Entwicklung eines Jungen und im letzten Fall wird ein junge fokussiert, der sich
zunehmend in das Sozialgefüge in KIGS-Gruppe und Grundschule einfindet. Die Fälle wurden
so gewählt, dass eine möglichst große Varietät der Voraussetzungen und der Übergangspraxis
dargestellt werden kann. Die Differenzen betreffen u.a. das Geschlecht, den familiären
Hintergrund, die Beurteilungen der kognitiven Fähigkeiten der Kinder sowie den KIGS-
Standort.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
50
4.1 Lina: Entwicklung von einem ängstlichen zu einem selbstbewussten Kind
Lina ist ein Mädchen, welches zu Beginn des KIGS-Projektes von ihren Eltern und den PFK
als sehr ängstlich beschrieben wurde. Im kognitiven Bereich hingegen deuten weder die
Einschätzungen der Erwachsenen noch die Bildungsdokumentation auf Problematiken, für das
Kind sind keine Förder- bzw. Entwicklungsaufgaben festgehalten.
Die Eltern des Mädchens standen dem KIGS-Projekt schon von Beginn an sehr positiv
gegenüber. Sie beschreiben auch für ihre Tochter, dass diese sich über die Zugehörigkeit zur
KIGS-Gruppe freue. Gleichzeitig beobachten sie anfänglich auch Ängste bezüglich der neuen
Räumlichkeiten und der neuen Gruppe. In den ersten Monaten nach dem KIGS-Start äußern
die Eltern bezüglich der altershomogen Gruppe, dass sie es etwas schade fänden, dass ihr Kind
dadurch nicht zu den „Großen“ innerhalb der Stammeinrichtung gehören könne. Diese
Einschätzung passt zu der Wahrnehmung, nach der Lina in einer Gruppe von gleichaltrigen
Kindern zu ängstlich agieren könne. Die Eltern sehen aber auch einen Vorteil in der
Fokussierung auf die Altersstufe, da dadurch genauer auf die Kinder eingegangen werden
könne. Diese Ansicht vertreten die Eltern insbesondere zum Ende des Projekts sehr deutlich. In
dieser Hinsicht stimmen ihre Bewertungen mit denen der PFK überein, auch diese sehen einen
Vorteil gerade für Lina in der Altersstruktur der KIGS-Gruppe.
Von dem KIGS-Projekt erhoffen sich die Eltern im Fragebogen, dass es keine Vorschule
darstellt und dass es geförderte Aktionen gibt. Am Ende des KIGS-Jahres berichtet die Mutter,
dass sie sehr zufrieden mit dem gesamten Projekt sei. Das Verhältnis zwischen geplanten
Angeboten und Freiräumen für die Kinder sei sehr gut gewesen. Sie hebt ein positiv erlebtes
Gemeinschaftsgefühl der Gruppe hervor und äußert ihre Ansicht, dass alle Kinder mit ihren je
eigenen Eigenschaften akzeptiert würden. Sie lobt die Sprachförderung, auch wenn ihr Kind
selbst diese nicht benötigt habe und die auf Naturwissenschaften bezogenen pädagogischen
Angebote in der KIGS-Gruppe.
Zu Beginn war die Angst
Vor dem KIGS-Projekt wird Lina als sehr ängstlich und an Erwachsenen orientiert beschrieben.
Die Eltern bezeichnen sie als einen eher ängstlichen Typ. Lina habe immer alle (negativen)
Aussagen aus ihrem Umfeld auf sich bezogen. Auch die pädagogischen Fachkräfte äußern
einen ähnlichen Eindruck: „Immer wenn man die anguckte oder irgendwas zu ihr gesagt hat,
war die sofort verschreckt und hatte Angst, dass sie irgendwas gemacht hat“ (PFK2,
Interview2, Z. 897-905). Die Angst des Kindes beschreiben die PFK insgesamt als
ungewöhnlich groß. Lina habe eine große Abhängigkeit von den Fachkräften gezeigt. Wenn sie
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
51
etwas geleistet hatte, habe sie zeitnah eine Rückmeldung über ihr erstelltes Produkt gebraucht,
eine Bestätigung. Die Reaktionen der Erziehenden darauf hätten direkten Einfluss auf das
emotionale Wohlbefinden des Kindes. Bei Kritik hingegen fange sie schnell an zu weinen.
Diese Unsicherheit von Lina habe sich auch in einer Suche nach körperlicher Nähe
widergespiegelt. Phasenweise hätten sich manche PFK durch diese extreme Nähe zu sehr
eingeengt gefühlt.
Die Entwicklung des Selbstbewusstseins
Alle Beteiligten am Projekt sind sich einig, dass die Entwicklung von Lina im KIGS-Jahr sehr
positiv verlaufen ist. Die Mutter beschreibt im Interview kurz vor den Sommerferien, dass ihre
Tochter an ihrem Leistungsstand abgeholt worden sei, insbesondere an der Angst des Kindes
sei gearbeitet worden: „Das Mädchen macht wahnsinnige Schritte nach vorne. Also die ist
wirklich von, vom Typus eher ängstlich zurückhaltend oder eher so ein unsicheres Kind (...)
[u]nd die hat hier riesengroße Schritte gemacht: stabiler, fröhlicher, selbstsicherer, also das
ist schon ein Hammer, also wirklich ganz, ganz große Schritte“ (Interview_Mutter_Lina, Z.
473-480).
Auch die Erzieher bestätigen dies und verbinden diese Stärkung des kindlichen
Selbstbewusstseins mit der pädagogischen Arbeit in der KIGS-Gruppe durch die Vermutung,
dass die Entwicklung bei Verbleib in der Stammeinrichtung nicht in dieser positiven Art
verlaufen wäre: „Und mittlerweile ist die so selbstbewusst, dass man sie schon wieder bremsen
muss, (...). Das find ich, das sind natürlich Vorteile, ich vermute, ich glaube, dass sie das in der
alten Kita so nicht hinbekommen hätte“ (PFK2, Interview2, Z. 897-905).
Sowohl Linas Eltern als auch die PFK berichten von einem positiven Austausch untereinander,
bei dem die Ängstlichkeit des Kindes häufig thematisiert worden sei. Im von den PFK für Lina
ausgefüllten PERIK-Bogen finden sich insgesamt nur wenige Items, die nicht mit dem
höchstmöglichen Skalenwerten bewertet wurden, zwei davon finden sich in der Kategorie
„Selbstbehauptung“. Es sind die Items „kann sich verteidigen (körperlich, verbal), wenn es von
anderen Kindern bedrängt/angegriffen wird“ und „bleibt standhaft, lässt sich von anderen
Kindern nicht unter Druck setzten, z.B. vertritt eine Meinung, die Andere nicht teilen“. Somit
sind es insbesondere Situationen, in denen das Kind sich mit Forderungen, Angriffen und
Offensiven von anderen konfrontiert sieht, die hier mit einem mittleren Wert versehen wurden.
Bezüglich der auf ihr Kind bezogenen pädagogischen Arbeit in der Gruppe hebt die Mutter
hervor, dass auf ihr Kind individuell eingegangen worden sei, dass an den Ressourcen
angeknüpft wurde und das Selbstbewusstsein gezielt gestärkt worden sei:
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
52
„Und das merke ich auch bei meiner Tochter, weil das eben anders Selbstbewusstsein, sicherer
ist, wo sie vorher Ängste gehabt hat. (...) Und sie ist fröhlicher und selbstsicherer geworden.
Das hat hier ganz, ganz viel beigetragen“ (Interview_Mutter_Lina, Z.109-116).
Die Verantwortung für die positiven Veränderungen lässt die Mutter insbesondere dem
pädagogischen Personal der KIGS-Gruppe zuteilwerden. Sie resümiert für ihr Kind: „Die Angst
ist weg“ (ebenda, Z. 249).
Die Entwicklung Linas im Umgang mit anderen Kindern
Die PFK beschreiben, dass Lina erst zum Ende der KIGS-Zeit offen und spielfreudig geworden
sei und auch erst nach und nach Freundschaften geschlossen habe. Auch im Interview, das mit
Lina in Phase 1 durchgeführt wurde, zeigte sie sich als ein relativ offenes und nicht allzu
scheues Kind. Allerdings benannte sie auf Nachfrage keine Kinder aus der KIGS-Gruppe als
Spielkameraden. Lina hingegen wurde von vielen anderen Kindern als Kind benannt, mit dem
gespielt werde. Die Mutter beschreibt, dass sich Lina dadurch, dass sie alles auf sich bezog,
immer mehr zurückgezogen habe. Die KIGS-Leiterin, habe dies schnell in den Blick
genommen und darauf geachtet, das Kind diesbezüglich zu stärken.
Linas sozio-emotionale Kompetenz wird in der Bildungsdokumentation von den PFK
durchweg als positiv eingeschätzt. Auch die teilnehmend beobachteten Situationen konnten
zeigen, dass Lina stets aktiv und konzentriert handelte. Zudem zeigte sie sich in Interaktionen
mit Anderen sehr selbstbewusst. In einer NaWi-Woche konnte sie in ihrer Gruppe, nach
anfänglicher Zurückhaltung, eine aktive Rolle einnehmen sowie Tipps und Arbeitsaufträge
geben. Ebenso war sie nicht zu scheu, Hilfe für sich selbst zu erbeten. Ihre aktive Rolle wird
auch in Beobachtungssituationen deutlich, in denen sie es schafft, andere Kinder zu motivieren,
Anweisungen zu erteilen und über Spielinhalte zu bestimmen. Zudem erscheint Lina im
Rahmen der Beobachtungen als eine sehr hilfsbereite Person, die sich um andere Kinder
kümmert. Insgesamt, so die geteilten Einschätzungen, spielt Lina zum Ende des KIGS-Jahres
viel freier, ist nicht mehr so ängstlich und sucht nicht mehr die extreme Nähe der
Bezugspersonen. Sie kann Spielsituationen gestalten und dabei eine aktive Rolle einnehmen.
Aus Sicht der Mutter transportiere Lina das in der KIGS-Gruppe Gelernte, insbesondere ihre
neue Kompetenz im Umgang mit anderen Kindern, auch in ihr häusliches Umfeld und nutze
sie dort ebenfalls.
Erwartungen an Linas Start in der Schule
Im ersten Interview beschreibt Lina, dass sie von der Schule erwarte, dort richtig Rechnen und
Schreiben zu lernen. Dies geschehe in der KIGS-Gruppe nicht. Detailliertere Angaben zu dem,
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
53
was in der Schule passiere, könne sie nicht machen, dies wisse sie nicht (Lina_Interview1, Z.
84f.). Ihre eigene besondere Fähigkeit sehe sie im „Mithören“ (ebenda, Z. 104). Schon im
ersten Interview sagte sie ebenso wie im zweiten Interview, dass sie sich auf die Schule freue,
was durch ihre Mutter im Elterninterview bestätigt wurde. Im Juni 2014 kann Lina dann
verschiedene Elemente aus einem Klassenzimmer auflisten, die sie bereits kenne. Sie nennt
zum Beispiel „Lehrer“, „Tafel“, „Tische“, „Lernbücher“ und das „Rechnen“ und beschreibt
eine Unterrichtssituation (Lina_Interview2, Z. 15ff.). Anscheinend hat Lina auch schon ein
Wissen über das Regelsystem der Schule entwickelt. Sie erwähnt bei der Beschreibung ihres
Bildes (Zeichnung einer Schulklasse), dass zwei Kinder „zu spät“ (ebenda, Z. 17) gekommen
seien, weshalb ein Tisch leer sei. Sie benennt auf Nachfrage die Namen zweier Lehrkräfte. Sie
kenne zwar mehr Lehrkräfte, deren Namen fielen ihr aber nicht ein. Mit einer der beiden habe
sie zusammen einen Marienkäfer gebastelt. „Bisschen Rechnen und Schreiben ein bisschen“
(ebenda, Z. 120) sollen alle Kinder können, wenn sie auf die Schule kommen. Sie selbst könne
schon „Oma und Opa und Mama und Papa“ (Z. 121f.) sowie ihren Namen schreiben. Ebenso
beherrsche sie das Rechnen: „[E]ins Plus eins macht zwei und fünf plus fünf macht zehn und
drei plus drei macht sechs“ (Z. 124f.).
Lina erwartet von den Hausaufgaben in der Schule, dass dabei geschrieben und gerechnet
werden muss. In der KIGS-Gruppe hingegen bestünden die Hausaufgaben zum größten Teil
aus dem „Kleben“ und „Schneiden“ (ebenda, Z. 128f.). Des Weiteren beschreibt Lina ihre
Kompetenzen, die sie während des Jahres erworben hatte wie folgt: Sie habe „gelernt, dass
man den anderen nicht schubsen oder hauen oder ärgern soll und dass man nicht weglaufen
soll“ (ebenda, Z. 234f.).
Die PFK schätzen die schulischen Kompetenzen Linas als sehr hoch ein, da sie ein sehr
wissendes und nachdenkliches Kind sei. Für die Schule wünschen sie Lina, dass sie ausreichend
Zeit bekommen soll, über Dinge nachzudenken und dass sie nicht durch zu viel Misserfolg
wieder ihr Selbstbewusstsein verliert. Erst dann könne sich das Verhalten des Kindes
stabilisieren. Denn es gäbe „Punkte, die […] ganz schnell kaputtzumachen“ (PFK2, Interview
2, Z. 1015f.) seien „durch ein falsches Erwachsenenverhalten oder durch ein Verhalten von
Kindern“ (ebenda, Z. 1016f.) auf das die Lehrkräfte dann nicht ausreichend achten. Die
Erzieherinnen stellen somit insgesamt die positive Entwicklung des Kindes in den Vordergrund
ihrer Beschreibungen, verweisen jedoch auf eine gewisse Fragilität in der Entwicklung der
sozial-emotionalen Kompetenzen.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
54
Der Abbau einer Hemmschwelle und ein gelungener Start in die Schule
Lina beschreibt im ersten Interview die Besonderheiten von KIGS über eine geringe Anzahl
von Kindern. Sie berichtet nur von wenigen gemeinsamen Aktionen mit der Schule,
hauptsächlich sind dies Spiele auf dem Schulhof. Zu diesem Zeitpunkt kennt Lina noch keine
Lehrkräfte. Im Juni 2014 berichtet sie von Lehrkraftbesuchen im Stuhlkreis, von ihrem
Sportunterrichtsbesuch und von den gemeinsamen Projekten mit der Grundschule, die ihr gut
gefallen haben (NaWi-Aktionswoche und Trommelzauber).
Ihre Mutter sieht insbesondere den Vorteil von KIGS für die Schule darin, dass die Kinder
bereits die Möglichkeit bekämen, die Schule kennen zu lernen. Zum Beispiel erzählt die Mutter:
„[D]as Mittagessen mit dem ´rübergehen, diesen Alltag, das ist auch ein fester Punkt, der ihr,
glaube ich, meiner Tochter wichtig ist, der ihr auch bisschen Mut beigebracht hat“
(Interview_Eltern_Lina, Z. 74f.). Die Kinder kennen sowohl die Räumlichkeiten der Schule,
als auch Lehrkräfte und andere Schulkinder. „Also ich sehe ganz klar die Vorteile, dass diese
Angst vor dem – es ist ja nicht vor der Schule, die freuen sich alle wie Bolle auf die Schule.
Aber diese, diese fremden Räumlichkeiten, dieses, diese Hemmschwelle, diese Räume zu
betreten, die ist einfach weg, weil die hier sich schon, die sind hier zu Hause“ (ebenda, Z.237-
240). Dadurch behauptet die Mutter, fühle sich ihre Tochter bereits eher der Schule zugehörig.
Insbesondere die kleinschrittige und im Alltag stattfindende Annäherung an die Schule wurde
von Linas Mutter als sehr positiv aufgenommen.
Die Einschätzungen der Lehrkraft Linas im November nach der Einschulung deuten auf einen
gelungenen Start in der Schule. Auf die Frage nach den Eigenschaften und Besonderheiten des
Kindes antwortet sie, dass Lina sehr motiviert, leistungsstark und sozial sei. Lina habe
Lernfreude und sie zeige gerne, was sie geschafft hat. Im sozialen Bereich könne dem Kind
bescheinigt werden, dass es sehr hilfsbereit sei. Lina sei jedoch manchmal sehr gutmütig und
lasse sich dann schnell von anderen Kindern ausnutzen. Sie habe aber einen guten Stand in der
Klasse und werde von allen Kindern akzeptiert. Lina könne sehr gut schreiben, sei sehr fit im
Lernen und zudem schnell. Sie ruhe in sich selbst, wisse aber wie sie mit den Kindern
auskommen soll: „Klassenlehrkraft Lina: Sie hat einen guten Stand. Sie wird ja akzeptiert als
jemand, wenn Probleme sind, auch wenn wir bei Mathe jetzt an der Tafel, aha, sie weiß
Lösungen, und da wird dann auch gerne drauf zurückgegriffen. Wenn jetzt Gruppenarbeit ist,
ist sie eigentlich immer gefragt auch in der Gruppe, »kannst du mir das mal zeigen«, also sie
hat sich total gut integriert, ist also gar nicht irgendwie ängstlich aufgetreten, von Anfang an,
also sehr sicher, das ist mein Platz, hier bin ich richtig, hier arbeite ich mit“
(Interview_Lehrkräfte2. Z. 621-626).
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
55
Neben der ohnehin positiv ausfallenden Bewertung der kognitiven Kompetenzen, verdeutlicht
die Interviewpassage außerdem, dass auch Linas Stand in der Klasse und ihr Selbstvertrauen
durchweg positiv wahrgenommen werden. Die Befürchtungen der PFK vor dem Übergang, in
der Grundschule könnten sich Rückschritte ergeben, haben sich demnach nicht erfüllt. Auch
Linas mit dem FEESS 1-2 erfassten Angaben zu ihren Schulerfahrungen stimmen mit den
positiven Einschätzungen der Lehrkraft überein. Linas Rohwertsummen sind bei fast allen
Skalen höher oder mindestens gleich dem jeweiligen Klassenmittelwert. In den Skalen Soziale
Integration, Selbstkonzept, Schuleinstellung und Gefühl des Angenommenseins erreicht sie den
höchstmöglichen Wert. Linas T-Werte6 in diesen Skalen liegen jeweils auch über eine
Standardabweichung über den Durchschnittswerten. Eine Ausnahme bildet Linas Einschätzung
des Klassenklimas, hier liegt sie mit der Rohwertsumme 7 knapp unter dem Klassenmittelwert
8, wobei auch der T-Wert des Klassenmittelwerts mit 45 unter dem Mittelwert der Normskala
liegt.
4.2 Alexej: Der Übergang eines in vielen Bereichen förderbedürftigen Kindes
Alexejs Start in das KIGS-Projekt
Alexej ist ein Junge, dessen Eltern aus dem russischsprachigen Ausland zugewandert sind, er
selbst ist in Deutschland geboren. Alexej ist das jüngste Kind der KIGS-Gruppe. Kurze Zeit
vor Beginn der Erhebungen hat seine Mutter ein weiteres Kind bekommen.
Ihren Angaben im Fragebogen zufolge rechnen die Eltern wegen sprachlicher Schwierigkeiten
des Kindes mit einem eher schwierigen Übergang in die Grundschule. Gleichzeitig sind sie
zuversichtlich, dass das Kind sich dort mit der Zeit zurechtfinden werde. Nach Aussagen der
Eltern im KIGS-Fragebogen sei Alexej ein Junge, dem es gut in der KIGS-Gruppe gehe und
der Gefallen an dem Projekt finde. Er sei gut gestartet. Insbesondere die neuen Freunde –hier
unterscheidet sich die Elternsicht von der PFK-Perspektive– das gemeinsame Essen, die längere
Betreuung und große Lernmöglichkeiten werden als Vorteile für das Kind gesehen. Durch die
Projektteilnahme erwartete Probleme werden keine benannt. Lediglich die als eng betrachteten
Räumlichkeiten gefallen den Eltern weniger. Im Fragebogen wird die Erwartung mittgeteilt,
dass Alexej durch das KIGS-Projekt ruhiger werden und zudem Lieder, Zahlen und Buchstaben
6 Der T-Wert bezeichnet einen Normwert und gibt Aufschluss darüber, wie der im Test beobachtete Wert sich zum Mittelwert 50 und der Standardabweichung 10 der Normskala verhält.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
56
kennen lernen solle. Im Interview vor den Sommerferien benennt Alexejs Mutter anfängliche
Bedenken, die sie gegenüber KIGS gehabt habe, da die Kinder aus der Gruppe zu klein seien,
um mit den Schulkindern zu spielen. Diese Bedenken hätten sich aber nicht bestätigt. Wobei
unklar bleibt, ob sie das gemeinsame Spiel von KIGS- und Grundschulkindern nicht mehr
bedrohlich findet oder davon ausgeht, dass die Kinder nicht zusammen spielen. Positiv nimmt
die Mutter Bezug auf die Elternarbeit in der KIGS-Gruppe.
Die PFK können am Anfang des KIGS-Jahres keine festen Freundschaften des Kindes
beobachten und sehen ein teilweise problematisches Verhalten gegeben. Das Kind habe beim
Start in die KIGS-Gruppe ein sehr großes Bedürfnis nach Nähe gezeigt und sei diesem
Bedürfnis auch nachgegangen, beispielsweise während eine PFK Gitarre spielte – „ich konnte
nicht Gitarre spielen. Der ist zwischen Gitarre und meinem, also der ist zwischen Gitarre und
mir geschlupft, weil er da 'rein wollte“ (PFK1, Interview 2, Z. 1088f.). Ebenso sei das Kind im
Stuhlkreis nicht auf einem Stuhl sitzengeblieben, sondern habe sich auf den Schoß einer
Erzieherin setzen wollen. Dies führt die Erzieherin im Interview an keiner Stelle auf mögliche
in Zusammenhang mit der neuen Umgebung in der KIGS-Gruppe stehende Ängste zurück,
sondern vielmehr auf Umstände im familiären Umfeld des Kindes. Das Kind habe „zu Hause
[…] einen (...) schwierigen Background“ (ebenda, Z. 1091). Die PFK kommuniziert den
Eindruck, dass mit dem Kind zu Hause wenig gesprochen werde. Es bekomme nach der Geburt
eines Geschwisterkindes nicht mehr die gleiche Aufmerksamkeit wie vorher.
Alexej beschreibt im ersten Interview seinen Alltag in der KIGS-Gruppe so, dass er viel bastle
und spiele. Er habe eine beste Freundin. Er berichtet, dass er in einem Theaterstück einen Hasen
spiele. Schade finde Alexej, dass er einen Freund in seiner alten Kindergartengruppe habe
zurücklassen müssen. Besonders die Turnübungen, die er in der KIGS-Gruppe machen könne,
fänden sein Gefallen. Zudem habe er bereits gelernt, seinen Namen zu schreiben, zu spielen
und aufzuräumen.
Das KIGS-Projekt und die Bedürfnisse Alexejs
Trotz weiterhin bestehender Problematiken, die die PFK in Hinblick auf Alexejs Entwicklung
sehen, konstatiert die KIGS-Leiterin eine besondere Rolle des KIGS-Projekts für Alexej und
benennt dabei Vorteile einer individualisierten pädagogischen Arbeit:
„[Alexej] [wurde] sehr gesehen in seiner Person und in seinen Fähigkeiten, und in seinen, ich
sag’s mal, Förderbedürfnissen, und da ist sehr, also auf Alexej sind wir sehr eingegangen, der hat Frühförderung bekommen, Logopädie, er hat wirklich alles gekriegt. Sprache, Mathe und
Tonfeld“ (PFK1, Interview2, Z. 1076-1079).
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
57
Alexej wird von den Erziehern als ein sehr förderbedürftiges Kind gesehen. Dies wurde auch
im PERIK-Bogen ersichtlich. Es wurde zumeist angegeben, dass Alexej die Items kaum oder
nur teilweise erfülle. Insbesondere die sozio-emotionalen Kompetenzen erscheinen dabei als zu
fördernde. Die Tonfeldarbeit sollte Alexej hierbei unterstützten. Die Mutter berichtet allerdings,
dass dieses Angebot dem Kind keinen Spaß gemacht habe und er deswegen dort auch nicht viel
gelernt habe. Die pädagogischen Fachkräfte äußern den Eindruck, das Kind solle im häuslichen
Umfeld stärkere Förderung erhalten. Die eigene Arbeit hingegen wird von den pädagogischen
Fachkräften resümierend als sehr an den individuellen Bedürfnissen des Kindes orientiert
beschrieben.
In Alexejs KIGS-Gruppe wird als Bildungsdokumentation eine Form der Leuvener
Engagiertheitsskala verwendet. Dieser wird eine zweiseitige Einschätzung der sprachlichen
Kompetenzen des Kindes beigelegt. Demnach verweisen die Kompetenzen des Kindes in der
deutschen Sprache auf einen Bedarf, in diesem Bereich noch zu fördern.
Seine Mutter berichtet, dass Alexej an der Frühförderung teilnehme und diese ihm Spaß mache.
Insbesondere die Aussprache habe er dadurch verbessern können. Zudem sei er durch die
Förderung im sprachlichen Bereich auch selbstbewusster geworden. Auch die Erzieher
schreiben in der Dokumentation, dass sich der deutsche Wortschatz in den letzten Monaten
durch die Förderung stark verbessert habe, Alexej allerdings weiterhin viel Unterstützung in
diesem Bereich benötige.
Alexej wurde auch im Bereich Mathematik gefördert. Bei dem ersten EMBI-KiGa erzielte er
0,5 von 11 Punkten. Hierbei muss beachtet werden, dass zum Erhebungszeitpunkt eventuell
sprachliche Hürden bestanden. Zu Beginn nahm Alexej nur ungern an der anschließenden
Mathematikförderung teil, da sie sich mit Freispielzeiten überschnitt. Seine Beziehung zur
Förderung wurde besser, als es keine Überschneidungen mehr gab. Der Fokus der
Mathematikförderung lag bei Alexej insbesondere auf der flexiblen Zahlwortreihe. Fortschritte
verzeichnete er den Angaben der Förderkraft zufolge weniger im mathematischen Bereich,
sondern vielmehr in seinem allgemeinen Verhalten: Zuhören, Ausreden lassen und andere
Meinungen akzeptieren. Wenn Alexej bei einem Spiel Begeisterung gezeigt und nicht
abgelenkt worden sei, habe er sich sehr gut konzentrieren können. Musste er hingegen bei
Spielen aussetzen oder verlor er, so die Mathematikförderkraft, stellte die Situation für ihn eine
Herausforderung dar. Dauerte die Förderung länger, sei Alexej immer unruhiger und auch
anfälliger für Streitigkeiten geworden. Am Ende der Mathematikförderung wurde erneut das
EMBI-KiGa erhoben, Alexej erzielte dieses Mal 5 Punkte und erreichte den Ausprägungsgrad
„1“.
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Die Entwicklung Alexejs im KIGS-Projekt
Die Beschreibungen der PFK zu Alexej als ein Kind, welches keine festen Freundschaften hat
und problematisches Verhalten zeigt, wurden auch durch die Einschätzungen im PERIK-Bogen
bestätigt. Diesem ist zu entnehmen, dass Alexej nur teilweise kontaktfähig sei und er kaum
Freundschaften habe. Diese Ansicht widerspricht den Aussagen der Mutter. Ihr zufolge habe
Alexej in KIGS neue Freundschaften geschlossen. Allerdings beschreibt sie auch, dass Alexej
viel von einem anderen Kind geärgert worden sei und er deswegen eine Zeitlang nicht gerne in
die KIGS-Gruppe gegangen sei. Letzteres wird auch durch die PFK benannt: Alexej sei viel
von einem bestimmten Kind geärgert worden und habe deswegen viel geweint. Gerade wenn
Alexej mit Worten geärgert werde, habe er es schwer. Er könne sich sprachlich noch nicht gut
wehren, obwohl seine sprachlichen Fähigkeiten inzwischen besser geworden seien. Aus Sicht
der KIGS-Leiterin versuche Alexej sich anzupassen und den Anderen zu gefallen. Der
Schulsozialarbeiter berichtet von häufigen Auseinandersetzungen zwischen Alexej und anderen
Kindern, wenn keine Erwachsenen in der Nähe sind. Im Beisein von Erwachsenen halte er sich
an die Regeln. Ähnliches konnte in einigen Situationen teilnehmend beobachtet werden. Dort
rangelt er mit einem anderen Kind zunächst um einen Sitzplatz. Sobald er jedoch durch die PFK
ermahnt wurde, verhielt sich Alexej den Anweisungen entsprechend. Insgesamt konnten die
Beobachtungssituationen die Beschreibungen des Sozialarbeiters bestätigen. Zusätzlich fiel
auf, dass Alexej gegenüber Fremden zunächst sehr zurückhaltend ist. Ist jedoch seine Mutter
dabei, tritt er deutlich aktiver und selbstbewusster auf. Auch die Mutter beschreibt eine mit
diesen Beobachtungen konforme Einschätzung. Gleichzeitig macht sie auf Unterschiede im
Verhalten des Kindes zu Hause und in der KIGS-Gruppe aufmerksam: „Er hat gezeigt, hat nie
gesprochen. Aber zu Hause hat er gesprochen. (...) Also sehr viel gesprochen. Er hat sich
geschämt, ja. Weil die, fremde Leute das sind. (...) Und dann, mit der Zeit, hat er so besser
gelernt und so, und jetzt ist so, der ruft also: ´Kann ich zu dir kommen´“ (Interview_Mutter_
Alexej, Z. 424-432).
Die Mutter beschreibt die Fortschritte von Alexej in erster Linie im sprachlichen Bereich.
Zudem habe sich die Merkfähigkeit des Kindes verbessert. Doch auch im Sozialen sieht sie
Fortschritte zum Beispiel darin, dass er neue Freunde kennengelernt habe und sich auch privat
mit diesen verabrede. Im Interview berichtet die Mutter, dass Alexej nun zu Hause häufiger
male oder bastle und mit Legosteinen baue. Dies sind alles Aktivitäten und Interessen, die das
Kind noch vor einem Jahr nicht verfolgt habe: „Ja, die basteln viel, und hat er früher nicht gern
so gemalt. Und jetzt malt er gern. Ja, bastelt er gern, und, ähm, spielt gern Lego“
(Interview_Mutter_ Alexej, Z. 71f.).
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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Alexejs Entwicklung kurz vor dem Schulstart
Alexej selbst berichtet im ersten Interview, dass er bereits ein paar Schulkinder und Lehrer
kenne. Er freue sich auf die Schule und wünsche sich dort Schreiben und Malen zu lernen.
Die Mutter äußert ihre Einschätzung, dass es positiv sei, dass ihr Kind bereits die Schule kenne
und nunmehr wisse, auf welche Art und Weise Schulkinder spielen. Im Interview zum Ende
des KIGS-Jahres berichtet sie, dass der Wille des Kindes erkennbar sei und Alexej sich auf den
Start freue, auch wenn er derzeit noch denke, dass in der Schule gespielt werde. Sie berichtige
ihn, wenn er diese Einschätzung äußert. Zu Hause lerne sie mit dem Kind Buchstaben und
Zahlen, was Alexej aber zunehmend missfalle. In einem Kurzinterview mit der KIGS-Leiterin7
äußert Alexej seine Vorstellungen, dass in der Schule geschrieben und gespielt, zu Mittag
gegessen sowie in der OGS Trampolin gesprungen werde. Diese Äußerungen sind vermutlich
auf seine Erfahrungen bei Nutzung der schulischen Räumlichkeiten zum Spielen
zurückzuführen.
Die PFK haben Bedenken bezüglich des Schulstartes von Alexej. Die KIGS-Leiterin bekundet
ihre Unsicherheit, inwieweit die Schule die individuelle Förderung von Alexej weiterführen
kann. Sie beschreibt ihren Eindruck, dass Alexej eine Person brauche, die ihm zur Seite steht.
Die KIGS-Leiterin hätte es besser gefunden, wenn er noch ein Jahr in der KIGS-Gruppe
verbliebe. Auf diese Weise wäre es besser möglich gewesen, dass er sein Potenzial entfaltet.
Auch die Schulleiterin äußert den Eindruck, dass Alexej trotz seiner bereits sehr positiven
Entwicklung weiterhin Förderung benötige.
Es gab bereits ein gemeinsames Gespräch zwischen der Mutter, der Schulleiterin und der KIGS-
Leiterin. Dieses Gespräch habe sich Ad hoc bei einem zufälligen Kontakt der drei im Büro der
KIGS-Leiterin ergeben. Ziel des Austausches sei gewesen, der Mutter die Angst zu nehmen
und ihr deutlich zu machen, dass Alexej noch viel Förderbedarf habe. Die Schulleiterin
berichtet rückblickend sehr positiv von dem Gespräch und vermutet, dass der Mutter darüber
die Sicherheit gegeben werden konnte, dass Alexej integriert und gefördert werden wird, er
außerdem mit seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen gesehen werde. Die Schulleiterin hebt eine
geringe Gruppengröße im KIGS-Projekt positiv hervor und beschreibt, dass dies ermöglicht
habe, dass Alexej mehr Ruhe erfahren konnte. Im Rahmen ihrer Beteiligung an einem von der
KIGS-Leiterin als Kooperationsprojekt initiierten Musicals der KIGS-Kinder habe sie Alexej
beobachten können: „[Alexej] ist auch das Kind, das ähm, wo es eben dieses problematische
7 Alexej konnte nicht für die Teilnahme an dem Interview in der zweiten Phase gewonnen werden. Stattdessen befragte ihn die KIGS-Leiterin auf eigene Initiative und stellte dem Team seine Antworten zur Verfügung.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
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Gespräch auch gab. Das ist sicherlich ein Kind, wo wir in der Schule auch gucken müssen,
aber [Alexej] war ja auch in dem Regenbogenfischprojekt. Bei [Alexej] hab ich den Eindruck,
dass das wirklich, dass so die Förderung, die er erfahren hat in KIGS und die Sicherheit, die
er schon hier gewonnen hat, dass sich das bereits auswirkt. Also ich hab´ ihn am Anfang als
sehr viel schwieriger erlebt, als es sich jetzt zum Ende hin darstellt. Ich glaube, da hat sich
unheimlich viel getan. Auch in der Gruppenfähigkeit, in dem Einbinden in eine Gruppe“
(Schulleitung1, Z. 581-589).
Alexejs Klassenlehrkraft in der Grundschule beschreibt ihn nach der Einschulung als ein Kind,
das sehr große Probleme habe, die es schon im KIGS-Jahr gezeigt und von zu Hause
mitgebracht habe: „[U]nd ich weiß aus dem Austausch mit der Kita, die hatte er auch schon im
KIGS-Projekt. Ähm, ja, er hat ganz große Probleme von zu Hause einfach mitgebracht. Er hat
eine ganz geringe Toleranzgrenze oder Hemmschwelle, was so Soziales, was so den sozialen
Bereich anbelangt. Ich habe Sachen sehen können, die auch in der Kita schon waren oder im
KIGS-Projekt“ (Interview_Lehrkräfte1, 350-355).
An diesem Gesprächsausschnitt wird deutlich, dass die Lehrkräfte erweiterte Informationen
über die Kinder erhalten können. Hier ergeben sich Möglichkeitsräume über die
Austauschkommunikation der Lehrkräfte, der pädagogischen Fachkräfte und der Eltern des
Kindes. Die Klassenlehrkraft sieht Alexejs Probleme u.a. im Kontakt mit seinen
Mitschülerinnen und Mitschülern. Wenn ein anderes Kind etwas in den Händen halte, das
Alexej haben möchte, mache er diesen Gegenstand lieber kaputt, anstatt jemand anderes damit
spielen zu lassen. Melde er sich im Unterricht und komme nicht dran, weine er und bekomme
schlechte Laune. Alexej werde sehr schnell aggressiv und suche sich dann Kinder, mit denen
er auffällig werden könne. Es komme vor, dass er handgreiflich gegenüber seinen Mitschülern
werde. Dieses Sozialverhalten werde versucht zu verbessern, indem die Lehrkraft dem Kind
fortlaufend erkläre, wie es sich angemessen verhalten könne. In Hinblick auf seine weitere
Entwicklung, müsse Alexejs Mutter ihm zu Hause Grenzen setzen, ansonsten erwarte die
Lehrkraft, dass die Probleme im kognitiven sowie sozialen Bereich weiter bestehen bleiben
werden.
Alexejs mit dem FEESS 1-2 erhobenen Schulerfahrungen verweisen ebenso auf Problematiken
des Kindes im schulischen Bereich. Für ihn wurden in jeder Skala des Fragebogens niedrigere
Rohwertsummen berechnet als die jeweiligen Mittelwerte seiner Klasse. Auch die T-Werte für
Alexejs Individualdaten liegen weit unter der angegebenen Norm. Besonders drückt sich dies
bei den Skalen Selbstkonzept (Rohwertsumme 3 im Vergleich zum Klassenmittelwert 12),
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
61
Schuleinstellung (Rohwertsumme 1 im Vergleich zum Klassenmittelwert 9) und Lernfreude
(Rohwertsumme 1 im Vergleich zum Klassenmittelwert 8) aus. Die höchste Annäherung an
den Klassenmittelwert lässt sich mit 9 zu 11 für die Skala Anstrengungsbereitschaft erkennen.
4.3 Marek: Die Entwicklung sprachlicher und sozialer Kompetenzen im KIGS-
Projekt
Marek ist ein Junge, der zu Beginn des KIGS-Jahres nur sehr geringe Deutschkenntnisse hatte
und deswegen auch nur sehr wenig sprach. Gleichzeitig war er sehr zurückhaltend und leise,
was vermutlich auch mit seinen sprachlichen Fertigkeiten zusammenhing. Seine Mutter sprach
selbst kaum Deutsch und kommunizierte mit ihrem Sohn auf ihrer Muttersprache, für das
Elterninterview wurde eine Dolmetscherin engagiert. Marek ist das ältere von zwei Kindern der
Familie.
Hohe Elternzufriedenheit mit den Förderangeboten– Ein anderes Kind
Zu Beginn der KIGS-Zeit sei das Kind laut seinen Eltern sehr zurückhaltend gewesen, was
allerdings bereits in der Stammeinrichtung so gewesen sei. Marek habe die KIGS-Kinder
bereits gekannt. Nach den ersten drei Monaten sei ein Gespräch zwischen den PFK und den
Eltern geführt worden. Damals sei es sehr schwierig mit Marek gewesen. Am Ende habe es ein
erneutes Gespräch gegeben, worin den Eltern eine positive Entwicklung des Jungen aufgezeigt
worden sei. Marek habe in der KIGS-Gruppe deutlich mehr Deutsch gelernt, gehe nun auch auf
die anderen Kinder zu und sei aufgeschlossener und fröhlicher als vorher. Mit den anderen
Kindern komme er gut zurecht, sei sehr sozial. Insgesamt habe Marek große Fortschritte
gemacht, was sowohl die PFK als auch Verwandte den Eltern bestätigen würden. Mareks
Entwicklung finden die Eltern in der Bildungsdokumentation festgehalten. Zunächst sei das
Lesen der Bildungsdokumentation für die Mutter sehr deprimierend gewesen, weil der Sohn so
schlecht gewesen sei. Bei dem letzten Entwicklungsgespräch jedoch habe man dann eine tolle
Entwicklung des Kindes bescheinigt bekommen: „Aber, dann eben bei dem letzten Gespräch
mit [der PFK] hat sich herausgestellt, dass er sich wunderbar entwickelt hat, und dass das
wirklich nicht dasselbe Kind ist wie am Anfang“ (Interview_Eltern_Marek, Z. 109).
Mareks Eltern seien erfreut gewesen, dass er in der KIGS-Gruppe deutlich länger betreut wird,
zuvor war er lediglich drei Stunden in der Kindertageseinrichtung. Zudem erhofften die Eltern,
dass ihr Kind in der KIGS-Gruppe auch deutlich mehr gefördert werden kann. Rückblickend
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
62
sind die Eltern mit dem Projekt und mit der Entwicklung ihres Sohnes sehr zufrieden: „[D]as
Kind hat sich sehr gesteigert, das ist nicht dasselbe Kind“ (ebenda, Z. 24). Einzelne
Förderangebote werden dabei hervorgehoben, wie häufiges Vorlesen, Mathematikförderung
und das Schwimmprojekt. Dabei scheinen die Angebote die Erwartungen der Eltern übertroffen
zu haben: „Ich war [im positiven Sinne] schockiert, als ich erfahren habe, wie die Kinder hier
gefördert werden“ (ebenda, Z. 30f). Zusätzlich habe Marek an der Sprachförderung und an der
Tonfeldarbeit teilgenommen. Letztere sei besonders förderlich für sein Selbstvertrauen
gewesen– „[D]er ist jetzt ganz anders“ (ebenda, Z. 86).
Im Austausch mit den PFK wurde für Marek außerdem eine externe logopädische Förderung
initiiert, was seiner sprachlichen Entwicklung ebenfalls sehr gut getan habe. Der Alltag
innerhalb der KIGS-Gruppe bereite die Kinder gut auf die Schule vor, so die Mutter, da nicht
ausschließlich gespielt werde. Durch das Projekt werde der Übergang zur Schule deutlich
erleichtert, weshalb Mareks Eltern hoffen, dass auch ihr jüngerer Sohn in Zukunft an KIGS
teilnehmen kann. Insbesondere die Förderungen und das Kennenlernen der Grundschule seien
Erleichterungen für den Übergang, die es laut den Eltern in der Stammeinrichtung nicht
gegeben hätte: „[W]äre der dageblieben, dann würde der quasi ahnungslos in die Grundschule
gehen. Und hier wird er vorbereitet auf die Grundschule“ (ebenda, Z. 87). Dabei bringt Mareks
Mutter im Interview eine Dichotomie zum Ausdruck: In der KIGS-Gruppe würden die Kinder
eher gefördert und auf die Schule vorbereitet, während in der Kita im Wesentlichen freigespielt
werde. Diese unterschiedlichen Inhalte in den jeweiligen Settings finde sie allerdings gut. Als
weiteren positiven Aspekt der KIGS-Gruppe hebt die Mutter die Jahrgangshomogenität hervor,
da dadurch die Kinder gleiche Spiele spielen können, die PFK könnten sich so auf die
spezifische Altersgruppe konzentrieren und dadurch die Kinder besser im Übergang begleiten
als in der Stammeinrichtung: „Wären sie da noch geblieben, dann wären sie nicht so gefördert“
(Interview_Eltern_Marek, Z. 103).
In der KIGS-Gruppe empfand die Mutter die Elternarbeit und die Betreuung durch die PFK
deutlich intensiver, es habe laufend Gespräche über die Förderungen und Veranstaltungen
gegeben. Jedoch seien die Fachkräfte sowohl in der Stammeinrichtung als auch in der KIGS-
Gruppe sehr freundlich und hätten Verständnis für ihre fehlenden Deutschkenntnisse gezeigt.
Die Mutter bewertet im Elterninterview die Betreuung des jüngeren Sohnes in der
Stammeinrichtung ebenfalls positiv – „Der ist auch zufrieden, muss ich sagen“ (ebenda, Z.
133) –, was sich als Bestätigung dafür deuten lässt, dass sie KIGS als besonders geeignet für
ihren Sohn im Übergangsprozess bewertet. Obwohl sie mit der Elternarbeit und der Betreuung
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
63
für den jüngeren Sohn zufrieden scheint, benannte sie mehrfach, dass Marek in dieser Phase
kurz vor Schuleintritt sich hätte in der Stammeinrichtung weniger gut entwickeln können.
Bezüglich des Schulstarts, äußert die Mutter vor dem Übergang ihre Angst, dass Marek in der
Schule sehr lange stillsitzen und sich konzentrieren müsse, dies jedoch noch nicht gewohnt sei.
Marek freue sich jedoch bereits sehr auf die Schule, insbesondere auf die Bücher und den
Tornister. Zu Hause seien mit dem Kind das Alphabet oder Buchstaben geübt worden, was ihm
nicht sehr gefallen habe. Für ihren Sohn wünscht sich die Mutter, dass er aufgeschlossener und
selbstischerer werden soll. Sie selbst sei als Kind ebenfalls zurückhaltend gewesen. Sie ist der
Ansicht, dass ihm eine gesteigerte Selbstsicherheit einiges vereinfachen würde: „Solche
Kinder, solche Menschen haben [es] einfacher im Leben, wenn sie einfach aufgeschlossen sind
und nicht schüchtern, wenn man sich alles traut. Das wünsche ich mir deshalb“ (ebenda, Z.
139).
Marek findet sich immer mehr in der Grundschule zurecht
Die PFK benennt rückblickend auf Mareks KIGS-Jahr ähnliche Schwierigkeiten wie die Eltern,
betont jedoch auch ebenso eine sehr gute sprachliche Entwicklung– „der ist hier fast explodiert
sprachlich“ (PFK1, Interview3, Z. 199) – obwohl Marek in die KIGS-Gruppe gekommen sei,
ohne ein Wort zu sprechen. Ähnlich wie die Eltern verweist auch sie auf ein gesteigertes
Selbstwertgefühl des Kindes, was sie auf die Tonfeldarbeit zurückführt.
In einem Übergabegespräch kurz vor dem Übergang kann die KIGS-Leiterin der Schule diese
Entwicklungsschritte Mareks auch weiterleiten und somit Befürchtungen auf schulischer Seite
abmildern. Während die Schulleiterin bei dem erwähnten Gespräch Notizen schulischer
Beobachtungen zum Kind aus dem November und Eindrücke der Schulärztin aus der
Untersuchung Mareks benennt – „Also insgesamt viel Förderbedarf, und auch hier hat die
Schulärztin ein AO-SF-Verfahren [empfohlen]“ (Übergabegespräch1, Z.94), kann die KIGS-
Leiterin auf positive Entwicklungen und Erfolge der Förderprozesse hinweisen, die inzwischen
eingetreten seien: „Also Marek freut uns im Grunde gerade sehr. Der (...) hat jetzt Tonfeld
gemacht, und das hat dem so gutgetan, dass wir alle gesehen haben, da ist wirklich ein Knoten
geplatzt, und dass er sehr viel offener ist, sehr viel kommunikativer, dass wir auf einmal
Potenzial sehen, was vorhanden ist. Also da ist, haben wir ja noch gestern besprochen, das ist
was, was uns freut“ (Übergabegespräch, Z. 95).
Als Reaktion darauf lässt sich die Schulleitung auf die alternative Betrachtung der KIGS-
Leiterin ein und deutet an, sich die Entwicklung des Kindes zunächst anzuschauen: „[M]üssen
wir jetzt gucken. Wenn sich da so viel getan hat, kann ja sein“ (Übergabegespräch, Z. 98). Diese
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
64
dialogische Auseinandersetzung mit Mareks Entwicklung beinhaltet Angebote alternativer
Beobachtungen für die beteiligten Professionellen, bietet Möglichkeiten, Informationen über
Ressourcen und Förderprozesse punktuellen Diagnosen gegenüberzustellen und dadurch für
alle Beteiligten eine Erweiterung des Kontextwissens.
Mareks Start in die Grundschule sei dann auch tatsächlich nicht ganz problemlos verlaufen. Als
Ergebnis des Austausches mit seinen Klassenlehrkräften resümiert die KIGS-Leiterin, dass der
Junge unaufmerksam erscheine, sehr viel träume und als unglaublich langsam bewertet werde.
Ähnliches Verhalten habe er bereits in der KIGS-Gruppe gezeigt. Er sei in der Schule jedoch
nicht unsicher, oder ängstlich. Die KIGS-Leiterin vermutet, dass Marek Sicherheit dadurch
gewonnen habe, dass er schon das Schulgelände kannte: „Er ist kein anderes Kind in der
Schule. Hatte aber z.B. keine Angst. Mit Unsicherheiten hatte er nicht zu kämpfen wohl“ (PFK1,
Interview3, Z. 199).
Die Lehrkräfte beschreiben Marek nach dem Übergang als einen sehr ruhigen und
zurückhaltenden Jungen, der mehr könne als er zeige. Bei den Kindern sei Marek jedoch gut
angekommen. Er sei gut integriert und habe auch engere Freundschaften, teilweise noch aus
der KIGS-Gruppe. Auf dem Schulhof hingegen könne er mit den anderen Kindern auch laut
sein und toben, er sei den Kindern gegenüber offen. Marek sei ein ruhiges Kind, das aber sehr
viel könne. Er sei langsam, aber wolle inzwischen mehr schaffen und wisse, dass er dazu hin
und wieder Erinnerungen brauche. Seine sprachlichen Kompetenzen seien mittlerweile gut,
auch wenn er leise spreche und hin und wieder grammatische Fehler mache. Er gehe seit einiger
Zeit aber in die OGS, weil die Eltern wollten, dass er mehr Kontakt zur deutschen Sprache
bekommen soll. Durch den Austausch mit der KIGS-Gruppe seien die Lehrkräfte informiert
worden, dass Marek viele Förderangebote erhalten habe und anfangs ein Sorgenkind gewesen
sei. In seinem Verhalten in der Grundschule werde dies auch noch deutlich. Bei
Einzelbetreuung und intensiver Beschäftigung mit dem Kind zeige sich, dass Marek sehr viel
könne und verstehe:
„Ja, man muss es von ihm einfordern. Das wird immer wieder klar so. er selber bringt es also
er traut sich nicht so, das zu sagen, und er hat auch Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren auf
längere Sicht. Also dann träumt er. Aber wenn man so mit ihm alleine spricht und wenn man
sich um ihn kümmert bei den Aufgaben, dann kann er ganz, ganz viel“ (Lehrkräfte1, Interview2,
Z. 103).
Zum Ende des letzten Schuljahres können die Lehrkräfte eine positive Entwicklung Mareks
beschreiben. Während sie zu Beginn des Schuljahres Mareks Zurückhaltung noch auf einen
Mangel an Selbstsicherheit zurückführten –– „sein Selbstwertgefühl [ist] nicht so hoch“
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
65
(ebenda, Z. 99) –, sei man nunmehr zu der Einsicht gekommen, Marek habe schlicht ein sehr
ruhiges Naturell, was sich in der Klasse durch seine Zurückhaltung zeige, jedoch keine
Rückschlüsse auf Mareks Kompetenzen zulasse: „Klassenlehrkraft Marek: Und da sagen wir
immer wieder, so stille Wasser sind tief. Denn bei ihm, erst dachten wir immer, der kann ganz
wenig, und da haben wir gemerkt, das stimmt nicht. Der kann ganz viel, der zeigt das nur nicht
so“ (Gruppendiskussion1, Z. 103).
4.4 Sipan: Die Entwicklung vom passiven Außenseiter zu einem humorvollen
Mitglied der Gruppe
Bedingungen im KIGS-Projekt und Entwicklung von Vorläuferkompetenzen
Sipan ist ein Junge der den PFK zu Beginn des KIGS-Jahres durch eine unbeteiligte Art und
große Trägheit aufgefallen sei. Er habe sich kaum an Aktivitäten beteiligt und meist
teilnahmslos auf dem Boden herumgelegen. Die Erwartungen seiner Mutter an das KIGS-
Projekt waren, dass die Kinder spielerisch auf die Grundschule vorbereitet werden. Sie ist im
Rückblick auf das Jahr sehr von dem KIGS-Projekt begeistert: „Das ist super, das ist toll“
(Interview_Eltern_Sipan, Z. 14). Besondere Zufriedenheit lösen Lernfortschritte beim Lesen
und im Umgang mit Zahlen aus, Sipan könne seiner Mutter zufolge bereits einzelne Wörter
korrekt lesen und Zahlen schreiben. Das Lesen sei nicht von seinen Eltern zu Hause mit ihm
geübt worden, sondern wird von der Mutter als Erfolg des Projekts erachtet. Das Programm
Hören, Lauschen, Lernen habe Sipan beispielsweise geholfen. Gleiches gilt für die Förderung
mathematischer Kompetenzen: Zu Beginn des Projektes habe Sipan bei dem EMBI-KiGa
einige Aufgaben noch nicht lösen können, nunmehr könne er aber alle Aufgaben erfüllen. Die
Mutter vermutet, dass die Erzieher durch die geringere Gruppengröße spezieller auf die
Bedürfnisse der einzelnen Kinder eingehen können und dadurch die Fortschritte entstehen.
Auch seine pädagogischen Fachkräfte benennen die Lesekompetenz des Kindes: „Ja, er kann
schon lesen, (…) er kann die Namen schon alle sehr gut erkennen eben auch. (…) Bei Vielem
weiß er auch, was da steht, und sagt dann: Guck mal, das kann ich da, ich lese das“ (PFK2,
Interview3, Z. 194).
Im Elterninterview wird ein deutlicher Unterschied zum älteren Bruder Sipans angesprochen:
„Gegenteil von meinem anderen Sohn, der nicht die KIGS-Gruppe besucht hatte, ist schon ein
sehr großer Unterschied“ (Interview_Eltern_Sipan, Z. 47). Zwar sei auch er in der Kita
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
66
gefördert worden, jedoch erfolge die Förderung im KIGS-Projekt durch die
Jahrgangshomogenität – „man wird auch nicht von anderen, kleineren Kindern gestört“
(ebenda, Z. 47) – und in räumlicher Nähe zur Grundschule viel gezielter gefördert. In diesem
Punkt sieht die Mutter auch den Hauptvorteil des KIGS-Projektes. Die Kooperation zwischen
der KIGS-Gruppe und der Grundschule empfindet die Mutter als gut, könne sich aber eine
Ausweitung von gemeinsamen Projekten vorstellen. Das Kind nahm an gemeinsamen
Aktionen, wie Trommel-, und Kunstprojekten teil, besuchte auch schon die erste Klasse. Zu
Hause berichte Sipan dann mit Freude darüber und könne zeigen, was er gelernt habe. Die
Elternarbeit wird von Sipans Eltern positiv bewertet, da die Gespräche mit den PFK sehr
hilfreich seien und Erziehungstipps enthielten. Insgesamt könne die Mutter nur Positives vom
KIGS-Projekt berichten: „Nachteile? Ich glaube nicht. Nur Vorteile, ich hab´ nur Positives bis
jetzt gesehen und mitbekommen, nur positiv“ (ebenda, Z. 272).
Sipan entwickelt sich zu einem zufriedenen Kind
Aus Sicht der Mutter verlief der Start im KIGS-Projekt eher problemlos, das Kind habe sich im
Vorfeld sehr auf die KIGS-Gruppe gefreut und sei morgens auch eher freudig in die Gruppe
gegangen. Sipan scheint eine für ihn positiv behaftete Identität als KIGS-Kind entwickelt zu
haben, was sich unter anderem darin zeigt, dass der Junge seine Mutter immer wieder darauf
hinweise, dass er in die KIGS-Gruppe gehe und eben nicht in den Kindergarten. Zu Beginn des
KIGS-Projektes sei Sipan gelegentlich bockig oder schlecht gelaunt gewesen, etwa wenn ihm
etwas kaputtgegangen sei oder er ermahnt wurde. Das sei inzwischen nicht mehr der Fall, er
habe gelernt, gelassener mit derartigen Situationen umzugehen. Eine ähnliche Entwicklung
wird auch durch die pädagogischen Fachkräfte der KIGS-Gruppe beschrieben: Sipan habe zu
Beginn eine Phase gehabt, in der er sehr trotzig gewesen sei und habe in dieser emotionalen
Situation verharrt. Mittlerweile habe sich dies verbessert: „Ja, er kommt schneller raus. Das
geht schneller“ (PFK_Austauschgespräch2, Z. 115). Sipan freue sich bereits sehr auf die
Schule, insbesondere auf seinen Tornister. Er spiele auch mit den Schulsachen seines älteren
Bruders, was er „Hausaufgaben machen“ (Interview_Eltern_Sipan, Z. 144) nenne.
Sipan wird durch die Fachkräfte seiner KIGS-Gruppe als ein sehr kleines Kind beschrieben,
das jedoch abgesehen vom Körperlichen ein „großer Junge“ geworden sei. Im ersten Vierteljahr
habe er hauptsächlich ohne sichtliche Aktivitäten auf dem Bauteppich herumgelegen oder sei
durch den Gruppenraum gerobbt. Inzwischen sei er ein aufgewecktes Kind, wisse was es tun
soll, sei offener und traue sich viel mehr zu. Diese Veränderung führen die pädagogischen
Fachkräfte unter anderem darauf zurück, dass er sich mit den anderen Kindern messen musste
und auch konnte. Ihm habe das KIGS-Jahr diesbezüglich viel geholfen. Er habe sich gut
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
67
entwickelt und könne nunmehr andere Seiten von Sich zeigen: „Jetzt kennen Sie ihn ja selber
mit seinem, wie er erzählt, diesen ganzen Witz, der dahinter steckt und hier und da und dieser
ganze Humor und Schalk, der jetzt dahinter steckt, ne. Hat einfach auch damit zu tun, wir haben
ihn, in der ersten Zeit haben wir ihn auch so gelassen, dass er da liegen konnte“ (PFK2,
Interview3, Z. 183).
Er habe im KIGS-Projekt die Zeit bekommen können, nur zu beobachten und sei gleichzeitig
von den pädagogischen Fachkräften beobachtet worden. Er sei dann langsam dazu ermuntert
worden, sich zu beteiligen. Sipan habe sich dann immer öfter eingebracht und einen gewissen
Ehrgeiz entwickelt, Aufgaben erfolgreich zu lösen oder eigene Rollen im Spiel gut und kreativ
zu füllen: „[W]ir haben gemerkt, dass er immer mehr Faxen für sich in so kleinen Zügen da
eingebaut hat selber. Der hat dann selber sich die Rolle […] gestaltet. […] Und das ist das, wo
wir sagen, das ist die Zeit, die wir hier haben“ (ebenda, 185).
Insgesamt sei er in der KIGS-Gruppe sehr bedacht aufgetreten und habe abwägen können, was
er wann tut. Die Pädagogischen Fachkräfte vermuten vor dem Übergang, dass Sipan in der
Schule zunächst ruhiger sein wird, attestieren dem Kind jedoch ein enormes
„Durchhaltevermögen“ (ebenda, 194). Das Kind verweile manchmal zu lange in abwartender
Position und habe dadurch wenige Freunde, sei jedoch mit dieser Situation nicht unglücklich.
Er sei sehr zufrieden mit sich selbst und spiele immer wieder mal mit verschiedenen Kindern,
„also dass er jetzt einen festen Freund braucht, glaub ich nicht“ (ebenda, Z. 195). Sipan könne
Situationen sehr gelassen nehmen, was eine seiner Stärken sei. Diese Stärken würden nicht
sofort auf dem ersten Blick auffallen und könnten in der besonderen Struktur der KIGS-Gruppe
viel besser wahrgenommen werden. Dies wird insbesondere mit der Gruppengröße und der
Jahrgangshomogenität in KIGS begründet. Gleichzeitig wird ein Vergleich zur Situation in der
Stammeinrichtung und anderen jahrgangsheterogenen Settings hergestellt, der analog zur
bereits dargelegten Bewertung durch die Mutter zugunsten der Konzeption in KIGS ausfällt:
„Die [Stärken; K.M.] würden da drüben untergehen, das würden wir wahrscheinlich gar nicht
mal mitkriegen, weil so viel drumrum ist, so viel andere Sachen einfach, (…) man ist abgelenkt,
man kann sich nicht so auf die Altersstufe konzentrieren. Das ist so“ (ebenda, Z. 201).
Sipan kommt in der Schule an
Die vor dem Wechsel auf die Schule seitens der KIGS-Leiterin geäußerte Vermutung, das Kind
werde zunächst ruhig auftreten und sich dann nach und nach durchsetzen, wird seitens seiner
Klassenlehrerin im Interview nach dem Übergang teilweise bestätigt. Sipan wird darin als ein
sehr ruhiger Junge beschrieben, der aber inzwischen etwas aufgetaut sei. Er bringe sich gut ein,
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
68
sei aber eher zurückhaltend und könnte eigentlich viel mehr als das Gezeigte: „Der ist sehr
zurückhaltend und der könnte einfach doch auch ein bisschen mehr aus sich 'rauskommen und
wirklich auch mehr zeigen davon“ (Lehrkräfte2_Interview2, Z. 69).
Die Zurückhaltung im Unterricht wird von seiner Lehrerin nicht in Zusammenhang mit
mangelndem Selbstvertrauen gesehen. Sipan halte sich an die Regeln, die in der Klasse
herrschen und könne sehr gut mit anderen zusammenarbeiten. Die Klassenlehrerin vermutet,
Sipan wisse, dass er was kann. In diesem Punkt stimmt die Einschätzung der Lehrkraft also mit
der Leiterin der KIGS-Gruppe überein.
Insgesamt sei Sipan auch in der Grundschule eher zurückhaltend, habe aber inzwischen zwei,
drei Kinder gefunden, mit denen sich nun Freundschaften entwickelten. Das Kind stehe in der
Klasse zwar eher am Rande der Gruppe, aber nicht im negativen Sinne. Gerade bei Partnerarbeit
sei er beliebt, weil er „ein netter, netter Junge ist, wo man eben auch weiß: Man kann gut mit
ihm zusammen auch was machen, ohne eben mit ihm anzuecken mit ihm oder in problematische
Situationen zu geraten“ (ebenda, Z. 75).
Die Art des Jungen scheint im Klassengefüge gut anzukommen, was auch durch folgende
Eindrücke der Klassenlehrerin unterstrichen wird:
„Das ist so, so ein kleiner Schelm. Ja-ja-ja-ja. Oder auch so, manchmal so versteckt, so, auch
sehr hilfsbereit. Da hab' ich jetzt auch schon erlebt. Wenn irgendwie was ist, da fällt irgendwem
was 'runter, der hebt das auf. Also andere, da muss man ja förmlich drüber weg stolpern, dass
ein anderer da was aufhebt. Er ist, er teilt auch gerne 'n Radiergummi oder irgendwelche
anderen Arbeitsmaterialien mit anderen Kindern, also wirklich vom, vom so vom ganzen
Sozialverhalten her wirklich ein Guter“ (ebenda, Z. 83).
Ebenso wie die PFK der Kigs-Gruppe sieht auch die Lehrkraft einen Sinn für Humor als Stärke
des Kindes. Darüber hinaus zeichne ihn auch ein prosoziales Verhalten aus, wodurch er im
Verlauf seiner Schulzeit bislang immer mehr im Klassengefüge Fuß fassen konnte. Auch
während der Beobachtungen durch das Forscher*innen-Team fiel Sipan als aufgewecktes Kind
auf, das sehr viel Gefühl für Witz und Ironie zeigte und sich sehr freute, wenn seine kleinen
Späßchen verstanden und gewürdigt wurden.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
69
4.5 Zwischenfazit
In diesem Kapitel wurde der Übergang von vier Kindern dargestellt. Über diese exemplarische
Darstellung der Übergänge konnten verschiedene Dimensionen der Transition im KIGS-Projekt
aufgezeigt werden. Erwartungsgemäß lassen sich durch KIGS nicht alle
Übergangsschwierigkeiten und Probleme beim Schulstart beseitigen. Jedoch birgt die
veränderte Transitionsgestaltung an den beiden Standorten Potenziale einer darauf abzielenden
pädagogischen Praxis. Unabhängig vom Erfolgsgrad der Bewältigung des Übergangs wird ein
positiver Einfluss auf das Kind benannt. Dabei lassen sich u.a. vier Kategorien erkennen, die
eine Übergangsgestaltung im KIGS-Projekt charakterisieren:
Eine besondere pädagogische Praxis und Struktur in den Gruppen Die Form des kommunikativen Austauschs der beteiligten Akteure Die Nähe zum Raum Schule Eine zeitlich entzerrte Begleitung im Übergangsprozess
Bei Lina wird die positive Entwicklung ihres Selbstbewusstseins in einen direkten
Zusammenhang mit der pädagogischen Praxis und Konzeption ihrer KIGS-Gruppe gebracht.
Hier habe das Mädchen lernen können, sich im Umgang mit ihren Peers zu behaupten und ihre
Ängstlichkeit ablegen zu können. Für Alexej wird die Teilhabe am KIGS-Projekt als
Möglichkeit rekonstruiert, sich in Entwicklungsbereichen zum positiven entwickeln zu können.
Angesprochen sind hier insbesondere die sprachlichen und sozial-emotionalen Kompetenzen
sowie die Interessenentwicklung. Gleiches gilt für Marek, er konnte die Förderangebote im
Rahmen der KIGS-Gruppe sehr gut für sich nutzen und insbesondere seine sprachlichen
Fähigkeiten gut entwickeln.
Im Falle Linas beziehen sich die Fachkräfte der KIGS-Gruppe und die Mutter auf eine von
beiden positiv bewertete Austauschkommunikation zur Förderung des kindlichen
Selbstbewusstseins. Die Tatsache, dass auch die Lehrkraft Linas das Thema Ängstlichkeit
anspricht, das Kind sei von Beginn an nicht ängstlich aufgetreten, kann als Hinweis auf einen
kommunikativen Austausch der Lehrkraft mit der Mutter oder der PFK hindeuten, da hier eine
Eigenschaft thematisiert wird, die das Kind nicht demonstriert. Alexej hingegen konnte im
Rahmen des KIGS-Projekts im freien Spiel und in weniger unterrichtsähnlichen Situationen
durch die KIGS-Leiterin und die Schulleiterin gemeinsam beobachtet werden, wodurch ein
kommunikativer Austausch möglich wurde, der ansonsten nur sehr selten zwischen elementar-
und primarpädagogischen Einrichtungen stattfindet. Über diese gemeinsamen Erfahrungen
werden auch eine Einbeziehung der Familie und somit eine abgestimmte Förderplanung schon
vor dem Übergang zumindest möglich. Ein sich abzeichnender kontinuierlicher
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
70
kommunikativer Austausch zwischen KIGS-Gruppe und Grundschule (auch nach dem
Übergang) kann als ein konsequentes Weiterdenken einer solchen Praxis angesehen werden.
Dies konnte in dem Übergangstandem auch beobachtet werden, indem sich zum einen
regelmäßige Austauschtreffen zwischen den Lehrkräften der Klassenstufe 1 und der KIGS-
Leiterin etabliert haben und zum anderen ein jährlich wiederkehrendes Übergabegespräch vor
Schuleintritt fest installiert wurde, welches genutzt wird, um einen erweiterten Austausch über
alle Kinder eines KIGS-Jahrgangs zu ermöglichen und den beteiligten
Alternativbeobachtungen seitens der Kooperationspartner nahebringen.
Über die Nähe zur Schule, wie schon oben gezeigt sowohl geographisch wie emotional,
sammeln die Kinder bereits früh Erfahrungen im schulischen Raum. Hierdurch verlieren die
Kinder im günstigen Fall mögliche Schulängste, werden mit Personen und Räumen vertraut
und fühlen sich wohler und sicherer. Hier ist weiterhin auf eine mögliche Überforderung
mancher Kinder, die sich nur langsam auf neue Situationen einstellen können zu achten. Die
Nähe bedeutet nicht zuletzt kurze Wege zur interinstitutionellen Kontaktaufnahme bei Bedarf
und den Ausbau einer regelmäßigen Kooperationsbeziehung. Positive Wirkungen der
räumlichen Nähe und damit verbundenen frühen Eingewöhnung im schulischen Raum zeigen
sich bei allen vier Fallrekonstruktionen.
Zusätzlich wurde insbesondere in den Fällen Sipans und Mareks die Bedeutung einer zeitlich
entzerrten Annäherung an die Institution Schule und dadurch eine auf die Bedürfnisse und
Voraussetzungen der Kinder zugeschnittene pädagogische Praxis beschrieben. Eine
erfolgreiche Umsetzung förderlicher pädagogischer Prozesse im KIGS-Projekt steht dabei in
unmittelbarem Zusammenhang mit dieser verfügbaren Zeit, die einerseits die Eingewöhnung
der Kinder ermöglicht und andererseits mehr Raum lässt, um Förderprozesse bei Kindern im
Übergang zu initiieren und institutionelle Kooperationen entstehen zu lassen. Folgt man den
aufgezeigten Einschätzungen, konnte sich Sipan die Zeit nehmen, die er benötigte, um seine
Kompetenzen zu entwickeln und auch zu demonstrieren. Gleichzeitig konnten sich die
Fachkräfte Zeit nehmen, die kindliche Entwicklung zu beobachten und zu begleiten. In diesem
Sinne bedeutet die Konzeption der KIGS-Gruppen, dass sich gänzlich einer für die Kinder
förderlichen Übergangsgestaltung gewidmet werden kann. Dies wird durch die pädagogischen
Fachkräfte und die Eltern in einem engen Zusammenhang mit der Jahrgangsstruktur gesetzt.
Wenngleich die einzelnen Fallbeschreibungen einzelne der oben genannten Kategorien
besonders verdeutlichen, lässt sich doch festhalten, dass alle vier Kategorien miteinander
zusammenhängen und sich im KIGS-Projekt gegenseitig ergänzen oder gar voneinander
abhängen.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
71
5. Fazit
Die wissenschaftliche Begleitung evaluierte die Ergebnisqualität des KIGS-Projekts aus Sicht
aller beteiligten Personengruppen. Die Umsetzung der Ziele an den beiden Standorten wurden
neben den Rekonstruktionen der einzelnen Akteursperspektiven auch durch die Analyse
konkreter Übergänge von Kindern nachgezeichnet. Über diesen mehrperspektivischen Zugang
wurde die Bedeutung verschiedener Inhalte und Konzepte dargelegt, die für eine Zielumsetzung
an den Standorten wesentlich erschienen. Die pädagogische Praxis der beiden KIGS-Gruppen
und die Umsetzung mit verschiedenen Praktiken lassen spezifische Möglichkeiten der
Unterstützung und Förderung der KIGS-Kinder ebenso erkennen wie neu entwickelte Formen
der Interaktion und Kooperation von am Übergang beteiligten Personengruppen und den
Institutionen.
Die pädagogische Arbeit in der Gruppe ist insbesondere durch die räumliche Anbindung an die
Grundschule und die Gruppenzusammensetzung in Jahrgangshomogenität gekennzeichnet.
Wohingegen auf bildungspolitischer Ebene und gemeinhin eher eine Jahrgangsheterogenität als
konstitutives Element des Elementarbereichs aufgefasst wird. In der wissenschaftlichen
Literatur zur Altersstruktur in elementarpädagogischen Einrichtungen finden sich sowohl
positiv als auch negativ bewertete Aspekte altershomogener bzw. –heterogener Gruppen in
Kindertageseinrichtungen (Griebel & Minsel 2009; Textor 2009a, 2009b; Wüstenberg &
Riemann 2008). Insbesondere Textor empfiehlt, dass die einzelnen Kindertageseinrichtungen
in Auseinandersetzung mit ihren Rahmenbedingungen selbst entscheiden sollen, welche Form
der Altersstruktur sie in den einzelnen Gruppen vorziehen.
Die pädagogischen Fachkräfte in den KIGS-Gruppen wägen in ihren Rekonstruktionen positive
und negative Folgen ihrer Jahrgangsstruktur ab. Zwar lassen sich im Vergleich beider KIGS-
Gruppen Unterschiede in den Graden der Zufriedenheit festhalten, jedoch bewerten die
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
72
pädagogischen Fachkräfte die gegebene Altersstruktur letztlich eher positiv. Es zeigt sich dabei
ein Zusammenhang zwischen den Rahmenbedingungen – wie Größe der Räume und die
Personalsituation – und den Bewertungen. Die Kinder in den jahrgangshomogenen KIGS-
Gruppen regen sich demnach gegenseitig im positiven Sinne an und lassen sich auf die
spezifischen Angebote sehr motiviert ein. Die Analyse der Interviews mit Eltern zeigte zudem,
dass sie die homogene Altersstruktur mehrheitlich als positiven Aspekt des Projekts bewerten.
Durch die ausschließliche Zugehörigkeit von Kindern im Übergangsprozess erkennen sie die
Voraussetzungen für individuell zugeschnittene pädagogische Angebote. Die Ergebnisse der
Kinderbefragungen und –beobachtungen zeigen, dass diese sich in ihren KIGS-Gruppen
wohlfühlen.
Für die Kinder wurde der Übergang von der Stammkita in die KIGS-Gruppe am Anfang
dadurch gestaltet, dass viel auf Vertrautes gesetzt wurde. In diesem Sinne werden seitens der
pädagogischen Fachkräfte und auch einiger Eltern vertraute Erzieherinnen, vertraute Gruppen
und schon bekannte Spielmaterialien als hilfreich für die Kinder erachtet. Die Mehrheit der
interviewten pädagogischen Fachkräfte, Eltern und Lehrkräfte bewerten das KIGS-Projekt als
sehr förderlich für kindliche Entwicklungsprozesse und eine gelingende Transition in die
Grundschule. Dies trifft insbesondere auf die sozial-emotionalen Entwicklungsbereiche zu.
Darüber hinaus werden mit dem KIGS-Projekt erweiterte Potenziale einer kindbezogenen
individuellen Förderung im sprachlichen und mathematischen Bereich gesehen. Damit ist auch
die Möglichkeit einer jahrgangsbezogenen Förderung und Forderung angesprochen, die nach
Einschätzung der Beteiligten viel intensiver und individualisierter umgesetzt werden kann. Es
entstehen demnach erweiterte Möglichkeiten einer Fokussierung in der pädagogischen Arbeit.
Die Fachkräfte richten ihre Arbeit danach aus, besondere Bedarfe der Kinder wahrzunehmen
und entsprechende Angebote bereitzustellen. Dadurch, dass alle Kinder vor dem Übergang in
der Schule stehen, fühlen sie sich den Kindern näher.
Wird den nahezu übereinstimmenden Rekonstruktionen der beteiligten Akteure gefolgt, gibt
die räumliche Anbindung an die Grundschule den Kindern Vertrautheit für den Schulbeginn.
Es wird ein gesteigertes Wohlbefinden und eine größere Sicherheit der KIGS-Kinder
wahrgenommen. Die Kinder selbst entwickeln differenziertere Vorstellungen von Schule.
Parallel dazu entstehen neue Formen der kommunikativen Praxis von Entwicklungsgesprächen
mit Eltern, die stärker in Förderprozesse einbezogen werden sollen. Die Falldarstellungen
zeigten jedoch auch, dass im KIGS-Projekt zwar vielfältige Potenziale für bruchlose und
erfolgreiche Übergang geschaffen werden, aber keine Erfolgsgarantie gegeben ist. Vielmehr
erfordern die einzelnen Kinder in bestimmten Fällen ein besonderes Augenmerk.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
73
Nach der Eingewöhnungszeit wurden Projekte zwischen den Institutionen zunehmend geplant
und umgesetzt. Sie entwickelten sich im Laufe der drei Jahre zu „normalen“ und zum Alltag
gehörende Elemente. Außerdem wurden immer mehr Berührungspunkte wahrgenommen, die
systematisch in die Arbeitsprozesse integriert wurden. Die jeweiligen KIGS-Gruppen und
zugehörigen Grundschulen verstehen sich nun als Einheit in der Transitionsgestaltung.
Gleichzeitig erhalten sich die Institutionen ihre Eigenständigkeit in organisatorischer Hinsicht.
Vor allem die Kita-Leitungen fungieren als Bindung zu den Stammeinrichtungen. Die
pädagogische Eigenständigkeit zeigt sich in den dargelegten Strategien der pädagogischen
Fachkräfte der KIGS-Gruppe zur Förderung der Gruppenkohäsion, die sich primär am
Wohlbefinden und den Bedarfen der KIGS-Kinder orientieren. Somit können die KIGS-
Leiterinnen mittels der Fokussierung auf Kinder im Übergangsprozess und der direkten
Beobachtung der kindlichen Bedarfe im schulischen Umfeld eigene spezifische Ziele für die
einzelnen Kinder im Transitionsprozess formulieren. Durch die gemeinsame Zielsetzung von
KIGS-Leiterinnen und Lehrkräften bezüglich eines erleichterten Übergangs in die Grundschule
entstehen aber auch vielfältige Formen der Kooperation, die weit über die Zusammenarbeit in
der Vorphase des Modellprojekts hinausgehen. Diese sind zwar hier aufgrund der räumlichen
Nähe entstanden, prinzipiell aber nicht daran zwangsläufig gebunden.
Bislang gehört eine Übergabe von Bildungsdokumentationen an den beiden Standorten nicht
zur gängigen Praxis. Diese bilden keine explizite Gesprächsgrundlage zwischen den
Institutionen. Cloos, Schulz, Urban & Werning (2015, S. 86f.) weisen darauf hin, dass die im
Rahmen von Bildungsdokumentationsverfahren beobachteten und dokumentierten Inhalte auch
indirekt in die kommunikative Praxis der am Übergang beteiligten Akteure einfließen können,
ohne als solche „gekennzeichnet“ zu sein. Ähnliche Befunde können für die Kooperation im
KIGS-Projekt bestätigt werden. Auch hier findet kaum ein Transfer von
Bildungsdokumentationsinstrumenten in die Grundschule statt, aber fortlaufend wird in den
Kommunikationen auf in der KIGS-Gruppe generiertes Wissen über die Kinder
zurückgegriffen. Gleichzeitig zeichnet sich eine Zunahme der Zusammenarbeit von KIGS-
Gruppe, Grundschule und Familien ab, wie dies beispielhaft an einigen Fallrekonstruktionen
gezeigt werden konnte. Im KIGS-Projekt konnte insbesondere die kontinuierliche Präsenz der
Schulleitungen und der Schulsozialarbeiter*innen bei gemeinsamen Veranstaltungen eine frühe
Begegnung mit den Eltern ermöglichen, wodurch auch Hemmschwellen abgebaut werden
konnten. Die Ergebnisse aus den unterschiedlichen Standorten zeigen jedoch auch, dass die
empfundene Qualität dieser Kooperationsformen stark von den jeweiligen
Rahmenbedingungen –materielle, räumliche und personelle Ausstattung– und der
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
74
Kommunikationspraxis vor Ort abhängen. Allein die räumliche Nähe ist kein Garant für eine
bessere Vernetzung, diese muss von weiteren Beteiligten erarbeitet werden. Für beide
Institutionen bedeutet die Umsetzung des KIGS-Projekts auch nach drei Jahren noch eine
ressourcentechnische Herausforderung. Im Zeitverlauf zeichnen sich Erleichterungen ab,
Kommunikations- und Kooperationsabläufe werden alltäglicher und als zunehmend hilfreicher
empfunden. Dennoch sind die Belastungen der Akteure beider Institutionen im KIGS-Projekt
erheblich und die Erfolge sind auch auf freiwilliges Engagement zurückzuführen.
Die Hauptzielsetzung des KIGS-Projekts besteht darin, den Kindern einen gelingenden
Übergang in die Grundschule zu ermöglichen. Dieser ist idealerweise an den individuellen
Bedürfnissen und Voraussetzungen der Kinder orientiert und zeichnet sich durch eine
Vernetzung und Kooperation der beteiligten Institutionen (Kita, Grundschule und Familie) aus.
Durch die Anlage des KIGS-Projekts sowie der Konzeptionierung der KIGS-Gruppen und der
Transitionsgestaltung konnten an beiden Projektstandorten veränderte Bedingungen geschaffen
werden, die sich deutlich positiv von denen der Vorprojektphase unterscheiden. Trotz einiger
Einschränkungen kann somit eine erfolgreiche Umsetzung des Projekts aus Akteursperspektive
konstatiert werden. Die wissenschaftliche Analyse zeigt von Beginn an Muster von positiven
Übergangsgestaltungen: KIGS ermöglicht den Kindern eine frühe Heranführung an die
alltäglichen Abläufe, Strukturen und Rituale der Grundschule, in welche sie sukzessive
hineinwachsen können. Der Übergang für die Kinder zeichnet sich durch eine hohe Kontinuität
im Sinne einer gesteigerten Vertrautheit mit schulischen Räumen, Personen und Ritualen aus.
Darüber hinaus wird die gegebene Alters- bzw. Jahrgangshomogenität als Grundlage für
individualisierte und auf zukünftige Schulkinder zugeschnittene pädagogische Angebote und
Förderprozesse rekonstruiert, die in einem interprofessionellen kollegialen Austausch
prozessbegleitend reflektiert werden.
Anzeichen für negative Wirkungen eines durch KIGS erzeugten bildungsbiographischen
Bruchs und damit einhergehende nachhaltige negative Einflüsse auf die Entwicklung der
Kinder konnten im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung nicht erkannt werden. Ebenso
ist festzuhalten, dass trotz der ausgebauten Vernetzung sich bislang keine starke
„Schoolifacation“ des Kindergartens zeigt. Dies hängt damit zusammen, dass die KIGS-
Leiterinnen und folglich das pädagogische Personal des Elementarbildungsbereichs eine
tragende Rolle bei der Konzeption der pädagogischen Prozesse einnehmen. Die Intensität und
Ausgestaltung der Kooperationspraxis wird an den wahrgenommenen Bedarfen der Kinder
orientiert. Hier ist weiterhin auf eine mögliche Überforderung von Kindern zu achten, die sich
langsamer auf neue Situationen einstellen können. Außerdem wird eine Verschulung im Sinne
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
75
einer Verlagerung von schulischen Lernstoffen von den beteiligten Lehrkräften und
pädagogischen Fachkräften selbst als mögliche Gefahr erachtet und die Kooperationspraktiken
gemeinsam reflektiert: Für beide Institutionen steht das Wohlbefinden der KIGS-Kinder im
Vordergrund. Gerade im Bereich der sozial-emotionalen Kompetenzen werden die Vorteile für
die KIGS-Kinder verortet. Für die Einrichtungen und die Familien entstehen neue
Kooperations- und Kommunikationspraktiken, die auch institutionsübergreifende Bildungs-
und Entwicklungsprozesse der Kinder avisieren. Die Nähe der Institutionen ermöglicht durch
kurze Wege interinstitutionelle Kontaktaufnahmen und den Ausbau dauerhafter
Kooperationsbeziehungen. An geplante und ungeplante Begegnungen von pädagogischen
Fachkräften und Lehrkräften schließen Gespräche mit Eltern an, wodurch ein Einbezug der
Familie und somit eine Vorbedingung für eine abgestimmte Förderplanung schon vor dem
Übergang möglich wird. Unter den sehr speziellen Rahmenbedingungen des KIGS-Projekts
lassen sich viele Aspekte einer Ko-Konstruktion bzw. Kontinuitätsaspekte im Übergang
erkennen, die aus Sicht der Akteure zu einer positiven Transitionsgestaltung beitragen, wobei
selbstredend nicht für jedes Kind ein erfolgreich bewältigter Übergang berichtet wird. Es
ergeben sich allerdings Potenziale, ein erweitertes Kontextwissen für individualisierte und an
kindlichen Bedarfen orientierte Lernarrangements im Unterricht zu nutzen.
Eine gute Kooperation zwischen Elementar- und Primarbildungsinstitutionen sowie ihrer Fach-
und Lehrkräfte stellen einen wichtigen Bereich der wissenschaftlichen Übergangsdiskurse dar
und können als Hauptziel aktueller Modellprojekte und konkreter Kooperationen benannt
werden. Es können unterschiedliche Formen und Niveaus der Kooperationsbeziehung
unterschieden werden (vgl. Gräsel, Fußnagel und Pröbstel 2006; Hanke, Backhaus und Bogatz
2013). Dabei heben die Autor*innengruppe um Gräsel und im Anschluss daran auch Hanke et
al. die drei Kooperations-Niveaus Austausch, Arbeitsteilung und Ko-Konstruktion hervor. Das
letzte genannte Niveau gilt als besonders anspruchsvolle Kooperationsstufe. Diese Form
zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Beteiligten „neues Wissen aneignen und gemeinsam zu
neuen Aufgaben- und Problemlösungen gelangen“ (Hanke et al. 2013, S. 15). Im KIGS-Projekt
lassen sich sehr viele Kooperationsformen auf der Ebene des Austausches zuordnen, hier sind
die Umsetzungen abhängig von den Präferenzen entweder systematisch und elaboriert oder
fußen auf Adhoc-Kontakten bei Bedarf. Zunehmend entstehen aber auch arbeitsteilig
konzipierte pädagogische Arrangements oder Projekte und ko-konstruktive
Kooperationsprozesse wie dieser Abschlussbericht zeigt.
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
76
6. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 1: Graphische Darstellung der Analyseebenen 7
Abb. 2: Quantitative Auswertung PERIK-Bögen 2016 19
Abb. 3.1: Eltern-Kind-Vergleich Gruppenklima 1 35
Abb. 3.2: Eltern-Kind-Vergleich Gruppenklima 2 35
Abb. 3.3: Eltern-Kind-Vergleich Soziale Integration 1 36
Abb. 3.4: Eltern-Kind-Vergleich Soziale Integration 2 36
Abb. 3.5: Eltern-Kind-Vergleich Selbstkonzept 1 36
Abb. 3.6: Eltern-Kind-Vergleich Selbstkonzept 2 37
Abb. 3.7: Eltern-Kind-Vergleich Autonomie 1 37
Abb. 3.8: Eltern-Kind-Vergleich Autonomie 2 37
Abb. 3.9: Eltern-Kind-Vergleich Partizipation 1 38
Abb. 3.10: Eltern-Kind-Vergleich Partizipation 2 38
Abb. 4: Selbsteinschätzungen 2014 MZP1 39
Abb. 5: Selbsteinschätzungen 2014 MZP2 39
Abb. 6: Selbsteinschätzungen 2016 MZP1 40
Abb. 7: Selbsteinschätzungen 2016 MZP2 40
Abb. 8: Mittelwerte Schuleinstellung 41
Abb. 9: Freude des Kindes zu Schulbeginn 47
Abb. 10: Zusammenarbeit der Professionellen 48
Tab. 1 Übersicht der Erhebungsinstrumente und der Anzahl der Erhebungen 9
Tab. 2.1: Ergebnisse PERIK-Kategorie Kontaktfähigkeit 20
Tab. 2.2: Ergebnisse PERIK-Kategorie Selbststeuerung 20
Tab. 2.3: Ergebnisse PERIK-Kategorie Selbstbehauptung 20
Tab. 2.4: Ergebnisse PERIK-Kategorie Stressregulierung 21 Tab. 2.5: Ergebnisse PERIK-Kategorie Aufgabenorientierung 21 Tab. 2.6: Ergebnisse PERIK-Kategorie Explorationsfreude 21
Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht
77
7. Literatur
1. Arndt, A.-K., Rothe, A., Urban, M. & Werning, R. (2015): Im Spannungsverhältnis von Kontinuität und Diskontinuität - Perspektiven von Erzieher/innen und Lehrkräften auf die kindliche Lernentwicklung in der Transition. In: Urban, Michael; Schulz, Marc, Meser, Kapriel & Thoms, Sören (Hrsg.): Inklusion und Übergang. Perspektiven der Vernetzung von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 120-135.
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