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S 6 Das Leben – eine Reise?  S 10 «Ich bin meine Reise» S 18 Die Reise begann   im Postauto S 20 Auf zur letzten Reise S 26 Erben – der ungerechte Lohn  der Geburt   S 30 Vollgeld im Steigflug S 38 Die postrevolutionäre Möhre S 52 Hinter dem Schleier der Propaganda  S 58 Kaiser&Schmarrn 120 Für intelligente Optimistinnen und konstruktive Skeptiker Juli/August 2012 10.– CHF / 8.– €

ZP 120 – Lebensreisen

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| Für intelligente Optimistinnen und konstruktive Skeptiker

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Page 1: ZP 120 – Lebensreisen

S 6 Das Leben – eine Reise?  S 10 «Ich bin meine Reise»  S 18 Die Reise begann  im Postauto S 20 Auf zur letzten Reise S 26 Erben – der ungerechte Lohn der Geburt   S 30 Vollgeld im Steigflug S 38 Die postrevolutionäre Möhre S 52 Hinter dem Schleier der Propaganda  S 58 Kaiser&Schmarrn

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Für intell igente Optimist innen und konstruk t ive Skept iker

Juli/August 201210.– CHF / 8.– €

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Impressum

ZeItpunkt 120 JulI/August 2012Erscheint zweimonatlich, 21. Jahrgang

VerlAg / redAktIon / AboVerwAltungZeitpunktWerkhofstrasse 19CH-4500 SolothurnAboverwaltung: Hannah WillimannTel. 032 621 81 11, Fax 032 621 81 [email protected], www.zeitpunkt.chPostcheck-Konto: 45-1006-5IBAN: 0900 0000 4500 1006 5ISSN 1424-6171

VertrIeb deutschlAndSynergia Verlag und MediengruppeErbacher Strasse 107, 64287 DarmstadtTel. (+49)6151 42 89 10 [email protected]

redAktIonBrigitte Müller BM, Cécile Knüsel CK, Melanie Küng MK, Christoph Pfluger CP, Roland Rottenfußer RR; Ständige MitarbeiterInnen: Sagita Lehner SL, Alex von Roll AvR, Ernst Schmitter, Billo Heinzpeter StuderGrafik & IIllustrationen*: tintenfrisch.net (* falls nicht anders angegeben)

AnZeIgenberAtungCécile KnüselZeitpunkt, Werkhofstrasse 19CH-4500 SolothurnTel. 032 621 81 [email protected]

AbonnementspreIseDer Abopreis wird von den Abonnentinnen und Abonnenten selbst bestimmt.Geschenkabos: Fr. 54.– (Schweiz), Fr. 68.– (Ausland), Einzelnummer: Fr. 10.– / Euro 8.–.

druck und VersAndAVD Goldach, 9403 Goldach

herAusgeberChristoph Pfluger

bIldnAchweIsTitelbild: tintenfrisch.net

beIlAgenEiner Teilauflage dieser Ausgabe liegt ein Prospekt der Schweiz. Energiestiftung SES bei. Wir bitten um Beachtung.

pApIerRebello Recycling

Das Reisen führt uns zu uns selbst zurück. Albert Camus

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„Das Reisen, das gleichsam eine höhere und ernstere Wis-senschaft ist, führt uns zu uns selbst zurück.“Albert Camus

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Zeitpunkt 120  3

Editorial

IrgendwIe sInd wIr Alle gestrAndet

Liebe Leserinnen und Leser

Eine persönliche Bemerkung vorweg: Ich bin selbst auch ein bisschen ratlos. Im Verlagsgeschäft gilt: Mehr Informationen und höhere Auflagen sind besser. Dabei wollen die Leser das Gegenteil – möglichst wenig Informationen in einer möglichst exklusiven, auf sie zugeschnittenen Auflage. Auf dieses Paradox habe ich noch keine Antwort. Aber ich spüre, die Zeit ist gekommen, das Gewohnte zu verlassen.

Der Schritt ist kurz von meiner kleinen Ratlosigkeit zur grossen Verwirrung der Welt. Während Generationen konnten die Menschen darauf hoffen, ihre Kinder würden es besser haben. Und die Hoffnung wurde meistens bestätigt. Die Le-bensreise hatte ein Ziel, dem man zumindest näher kam.Heute ist das anders. Das Kollektiv der Menschheit hat höchst unsichere Per-spektiven. Die Armut greift um sich, vor allem im Süden. Bildung wird wieder zu einem Privileg und der Fortschritt raubt uns unsere Heimat: die Erde. «Al-ternativlos» sagen die Mächtigen über ihre Massnahmen. «No future» sagen die, denen sie gelten.

Irgendwie sind wir auf unserer Reise in ein vermeintlich besseres Leben in einem unwirtlichen Niemandsland gelandet, wo die letzten Strassen in den Einöden des Endzeit-Kapitalismus, der Umweltzerstörung oder im big-brother-country enden. Die Reiseleiter feilschen um abenteuerliche Rettungsbusse, zweifelhafte Notrationen wechseln für Unsummen die Hand. Gespannte Ruhe liegt in der Luft. Die letzten Sorglosen – die konsumierende Mehrheit – grölen noch in den Public Viewing Areas. Aber auch dieses Spiel geht zu Ende und das Bier wird knapp.

Wer hier weiter will, muss den Pfad verlassen und irgendetwas zwischen Wildnis und Wüste wagen. Das schärft die Sinne und plötzlich sieht man neue Mög-lichkeiten. Wüste wie Wildnis sind gastfreundliche Orte: Wo man aufeinander angewiesen ist, hilft man sich. Der Mensch ist vielleicht allein mit sich, aber zusammen mit andern.

Was die Geschichten in diesem Heft zeigen: Reisen in die Welt sind immer auch Reisen zu sich selber. Dazu wollen wir mit diesem Zeitpunkt anregen. Ich wün-sche Ihnen gute Reise und freue mich auf ein Wiedersehen in zwei Monaten. Es wird bestimmt etwas zu erzählen geben.

Mit herzlichen GrüssenChristoph Pfluger, Herausgeber

PS: Das für den 30. Juni und den 1. Juli geplante Jubiläumsfest musste ich leider absagen. Unsere Vorfreude war grösser als unsere Kräfte, ein zweitägiges, grosses Fest an einem Ort mit wenig Infrastruktur über die Bühne zu bringen. Der Anlass wird nachgeholt, nicht als Jubiläum und in kleinerem Rahmen.

Man darf nicht aufhören, ganz unten anzufangen.

Wolfgang Neuss

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�  Zeitpunkt 120

6    Das Leben – eine Reise? Ein Schiff ist am sichersten im Hafen. Aber dafür ist es nicht gebaut Roland Rottenfußer

10   «Ich bin meine Reise» Seit bald fünfzig Jahren ist der 72-jährige Heinz Stücke mit dem Fahrrad unterwegs Andrea Freiermuth

15   Allein, aber nicht einsam Walter Glomp – 30 Jahre unterwegs… Roland Rottenfußer

17  Wir haben nicht die Wahl. Wir haben nur einander Christine Ax 18  Die Reise begann im Postauto   Von der Kunst, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind… Melanie Küng20   Auf zur letzten Reise

Der Ruf nach den FährFrauen ertönt, wenn die Zeit sich neigt Brigitte Müller

22   «Auf der Walz» … und weitere Kurzmeldungen

25  Das Leben, eine Reise: LeserInnentipps

26   Erben – der ungerechte Lohn der Geburt Der Sohn von Michael Ballack wird nicht nächster Kapitän der Fussball-Nationalmannschaft. Roland Rottenfußer

30  Vollgeld im Steigflug Immer mehr Menschen wollen die private Geldschöpfung durch die Banken stoppen Christoph Pfluger

31   Bundesrat und Geldschöpfung:  Diskussion unerwünscht

33   «Heatball» – mit Humor gegen das Glühlampenverbot   Christoph Pfluger

3�   Der amerikanische Kongress muss sich  mit der Geldreform befassen … und weitere Kurzmeldungen

Inhalt

schwerpunkt: lebensreIsen

26 entscheIden & ArbeIten

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Zeitpunkt 120  5

Inhalt

38 VollwertIg leben

52 horIZonte erweItern

38   Die postrevolutionäre Möhre Der Kapitalismus steckt auch in unseren Köpfen. Jan-Hendrik Cropp

�0  Geld trennt, aber es geht auch anders Christoph Pfluger�1   Grüner Spuk zwischen Beton und Asphalt

Der neue Gärtner – aufgetaucht aus dem Nichts, hat er in kürzester Zeit die Städte erobert Melanie Küng

�2  Urin – Dünger der Zukunft Beat Rölli��   wahre Werte �5   Kampf dem grünen Wischiwaschi – Thomas Vellacott,

der neue Chef des WWF Schweiz ist gefordert Christoph Pfluger�7   Einfamilienhäuser verbieten! … und weitere Kurzmeldungen�9   Die gute Adresse für Ihr Zuhause50  Gegen Depressionen ist ein Kraut gewachsen  … und weitere Kurzmeldungen51   Die gute Adresse für Ihre Gesundheit

52   Hinter dem Schleier der Propaganda – sechzehn deutsche Journalisten, Fotografen und Intellektuelle besuchen den Iran       Jürgen Elsässer

55  Die gute Adresse zur Horizonterweiterung56   «Die Universität der Wildnis» 

Immer wieder reiste John Muir in sein «heiliges Land» Dieter Steiner

57   Die gute Adresse für sanften Tourismus 58  Kaiser & Schmarrn: Grüssgott!

sagt Billo Heinzpeter Studer59  Die guten Adressen60  Ein Festival wie von einer anderen Welt 

… und weitere Kurzmeldungen61   Agenda62   Kleinanzeigen6�  Leserbriefe66   Brennende Bärte – wir geben Gas?

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› › ›

Unser Leben besteht aus Abreise und Ankunft, und doch sind wir auf ewig verankert. Ziel ist nie ein Ort, sondern eine neue Art die Dinge zu sehen.   Henry Miller

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dAs leben – eIne reIseEin Schiff ist am sichersten im Hafen. Aber dafür ist es nicht gebaut. Wir reisen, um ein Ziel zu erreichen oder um ein anderer Mensch zu werden. Hauptzweck der Reise ist aber die Reise selbst. Für das Leben gilt dassel-be. Wer mit den Gedanken dort bleibt, wo er herkommt, verpasst, wofür er aufgebrochen ist.     von Roland Rottenfußer

das Leben ist eine Reise, auf der wir vergessen haben, wo wir zuhause sind. Je nach Glaubensbekenntnis füllen wir dieses Nichtwissen mit Vorstellungen aus. Wir seien aus einer «geistigen Welt»

hervorgegangen, einem «Jenseits». Pessimisten deuten unser Erdenleben sogar als «Exil». Man kann es aber auch positiver sehen: Die Erde ist unser Reiseland: ebenso fremd und anstrengend wie schön und fas-zinierend.

Die Metapher von der «Lebensreise» wird selten zu Ende gedacht. Einen wichtigen Denkanstoss lieferte Joseph Campbell 1949 mit seiner Theorie der «Heldenreise». Er sah darin ein Grundmuster mythologischer Erzählungen, das man in allen Epo-chen und bei allen Völkern der Erde findet. Der Held befindet sich in einer stabilen Ursprungssituation, wenn ihn der «Ruf des Abenteuers» ereilt. Er über-schreitet die Schwelle zu einem unbekannten Bereich jenseits der Komfortzone. Er erlebt dort Abenteuer und Prüfungen, häufig auch einen «Abstieg in die Unterwelt». Er birgt einen Schatz oder befreit eine Prinzessin, um am Ende gereift an seinen Ausgangs-punkt zurückzukehren. Man findet das Schema der Heldenreise in vielen Märchen und Sagen, im Tarot, in Romanen oder in modernen Kinofilmen wie «Krieg der Sterne».

Was bedeutet das Schema der Heldenreise über-tragen auf unsere Leben? Im Kleinen umfasst der Mythos das Erwachsenwerden des jungen Mannes oder der jungen Frau. Er beschreibt die Lehr- und Wanderjahre, die in der Gründung einer eigenen

Familie münden. Und darin, dass sich der Held be-ruflich etabliert. Heute zerfallen Berufs- und Liebes-leben in viele kleine Heldenreisen. Das Ankommen wird durch einen verworrenen Beziehungs- und Ar-beitsmarkt erschwert, und für viele gestaltet sich das Leben eher als Antihelden-Reise.

Neben diesen vielen kleinen Abenteuerreisen gibt es jedoch auch die eine grosse Heldenreise, die unser ganzes Leben umfasst. Einige archetypische Stationen möchte ich hier beschreiben.

1. Der «Ruf zum Abenteuer» (nach Campbell). Man kann darin einen vorgeburtlichen Drang der Seele sehen, sich zu verkörpern – aus welchen Gründen auch immer.

2. Mit der Reise schwanger gehen. Die Idee zu einer Reise, speziell einer langen und gefährlichen, reift in uns heran wie der Fötus im Mutterleib. Viele erleben ein Zögern vor der Schwelle, den Wunsch, doch lieber in der Komfortzone zu bleiben. Ande-rerseits ist da eine vibrierende Aufbruchs-Energie: Reisefieber.

3. Der Aufbruch des Helden. In Geschichten ist es der Moment, in dem der Held über die Schwelle nach aussen tritt. Im Leben vergleichbar mit der Geburt: einer der beiden Eckpunkte der Reise.

4. Eingewöhnungsphase. Man muss sich erst noch mit den Lebensbedingungen im Gastgeberland ver-traut machen, agiert entsprechend unbeholfen. Man braucht Helfer, um überhaupt zurecht zu kommen: Reiseleitung, Flugpersonal, Herbergsvater … Dem entsprechen im Leben die Eltern. Sie lehren uns, zu gehen und lassen los, wenn wir selbst laufen

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können. In der «Jugend» scheint die Reise noch endlos vor uns zu liegen, kein Ende ist in Sicht.

5. Reisebekanntschaften. Gefährten, Begleiter, auch Gegner treten auf. Es kommt vor, dass wir uns auf Reisen verlieben und einen kurzen Rausch erleben, der mit einem schmerzlichen Abschied endet. Reizvolle und verstörende Bilder ziehen an uns vorüber, keines können wir festhalten. Alle Begegnungen – mit Orten und Menschen – laufen nach dem gleichen Schema ab: Erste Begegnung, Vertiefung, (manchmal) Konflikt, Abschied.

6. Das Bergfest. In der Mitte der Reise umweht uns eine Ahnung von Vergänglichkeit. Wir beginnen, das Ende ins Auge zu fassen und eine erste Bilanz zu ziehen. Melancholie oder hektische Aktivität, um noch etwas zu erleben, prägen den Rest un-serer Reise. Im Leben entspricht diese Phase der Midlife-Crisis.

7. Die späte Phase. Traurigkeit und das Gefühl, die Zeit nicht optimal genutzt zu haben, prägen oft den «Abend» einer Reise oder unseres Lebens. Manch-mal gelingt es uns, jeden Augenblick mit Blick auf das nahende Ende noch intensiver zu geniessen. Manche halten vor allem Rückschau, für andere dominiert schon das Heimweh.

8. Der Abschied. Die zweite wichtige Schwelle ist der Abschied vom Reiseland. Im Lebenslauf eines Menschen entspricht er dem Tod. Im Gegensatz zum Leben ist das «Danach» bei Reisen jedoch meist bekannt.

9. Die Ankunft zuhause. Manche sind euphorisch, wenn sie zuhause ankommen. Manche fühlen sich eher genervt oder gelangweilt und träumen schon von der nächsten Reise. Was uns nach dem Ende unseres Lebens erwartet und ob es weitere «Reisen» geben wird – darüber können wir nur spekulieren.

10.Die Auswertung. Wir speichern und ordnen unsere Fotos, erzählen von der Reise, denken über das Erlebte nach. Ob es nach dem Tod so eine «Auswer-tungsphase» gibt, wissen wir nicht. Plausibel ist es aber. Welches sind unsere Erträge? Was haben wir gelernt? Wie hat das Reisen uns verändert?

Viele Menschen  lassen  sich durch eine Reise nicht verändern. Sie bleiben in jeder Hinsicht die Alten. Der Spiesser beklagt sich über den Dreck in Venedigs Kanälen anstatt von den Wundern mensch-licher Kreativität zu schwärmen. Er jammert, dass die Würste auf der «Pizza con Wurstel» nicht so gut waren wie daheim in Paderborn. «Auf Reisen suchen viele Deutsche eigentlich nicht das fremde Land, sondern Deutschland mit Sonne», sagte Erwin Kurt Scheuch. Ihr Leben gleicht dann eher einem zweiwöchigen Club Med-Aufenthalt als einer Pilgerreise.

Pilgerfahrten sind immer ein Abbild des Lebens selbst – ob nach Rom, Santiago oder anderswohin. Unser Leben kann als grosser «quest» zu einem Hei-ligtum gedeutet werden. Paulo Coelho erfand für seinen Bestseller «Der Alchimist» eine gewagte Hand-lung: Der Held Santiago reist unter vielen Mühen von Andalusien bis Ägypten, um am Ziel einen Hinweis auf seinen Schatz zu erhalten: Er ist an dem Ort ver-graben, von dem er aufgebrochen war. Das Heilige war schon immer da, scheint Coelho sagen zu wollen. Du hattest es nur nicht erkennen können. Erst in der Ferne erschloss sich dir der Wert des Nahen.

Allerdings hat auch der Vergleich mit einer Pilger-fahrt einen Schwachpunkt: Es wird unterstellt, dass das Erreichen eines Ziels Hauptzweck der Reise wäre.

Dabei sagte schon Goethe: «Man reist ja nicht um an-zukommen, sondern um zu reisen.» Egal, ob man vom Hotel mit dem Aufzug an den Strand gefahren oder schwitzend mit dem Rucksack angereist ist: Wenn sich im Meer die Gischt an unserem Körper bricht und wir danach mit prickelnder Haut die Wärme der Sonne aufsaugen, dann zählt nur der Augenblick. Zu welchem Ziel geniessen wir die Reise, geniessen wir unser Leben? Wenn wir eins sind mit dem Glück unseres Daseins, stellt sich die Frage nicht.

Spirituelle  Menschen  stehen  oft  schon  mit einem Bein im «Jenseits» und weigern sich, richtig im Leben anzukommen. Sie leben quasi immer im Hinblick auf künftiges Totsein. Dazu aber wurde uns das Leben nicht geschenkt. Wenn wir nach Italien reisen, nehmen wir die Erfahrungen mit, die wir nur dort machen können. Wir essen Spaghetti Von-gole und Tiramisu und nicht Sauerkraut und Rösti. Wenn wir in einer materiellen Welt zu Besuch sind, sollten wir Erfahrungen suchen, die wir nur dort machen können: Wie fühlt es sich an, krank zu sein und die Schwere eines Körpers zu spüren? Wie fühlt sich ein Zungenkuss an oder ein Orgasmus? Wie ist es, betrunken zu sein oder nach stundenlangem Fussmarsch durch die Berge halb verhungert in ein Käsebrot zu beissen? Wie ist es, auf engem Raum zusammengepfercht zu sein und die Menschen nicht

Heute zerfallen Berufs- und Liebesleben in viele kleine Heldenreisen. Das Ankommen wird durch einen verworrenen Beziehungs- und Arbeitsmarkt erschwert, und für viele gestaltet sich das Leben eher als Antihelden-Reise.

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zu sehen und zu hören, sondern nur zu spüren und zu riechen? Solche Erfahrungen sind typisch irdisch und insofern unendlich wertvoll.

Vielleicht geht es gar nicht um das Erreichen eines Ziels, sondern schlicht darum, zu erfahren, wie es sich anfühlt, ein Mensch zu sein. Haben wir das erkannt, gibt es fast nichts, womit wir unsere Auf-gabe verfehlen können. Es ist zweitrangig, ob unser Leben im herkömmlichen Sinn «gelingt», ob wir die Anerkennung möglichst vieler Mitreisender erringen. Auch das Scheitern ist ein Teil der Antwort auf die Frage, wie es sich anfühlt ein Mensch zu sein. Es gibt eigentlich nur einen Weg, wie wir unsere Le-bensaufgabe verfehlen können: Wenn wir versuchen, etwas anderes als ein Mensch zu sein, eine Art Über-

mensch, der über irdischen Erfahrungen in erhabener Gleichgültigkeit thront.

Unterwegs sein ist beschwerlich, aber welche Rei-se haben wir im Nachhinein wirklich bereut? Für mich sind es eher die halbherzigen Reisen, an deren Ende ich dachte: «Das hätte ich zuhause auch haben können». Zu leben, das kann bedeuten, eine Lust zu kosten, um die uns körperlose Gespenster beneiden. Oder sich zu fühlen wie ein Fremder auf Erden, den bitteren Geschmack eines unbestimmten Heimwehs auf der Zunge. Unser Ego will immer ein «gutes» Leben, einseitig von angenehmen Erfahrungen geprägt. Unsere Seele dagegen inszeniert gern das «ganze» Leben: beste-hend aus Höhen und Tiefen. Sagen wir ja dazu!

Das Leben – eine Reise

Ich bin dann mal da

Was das Reisen so wertvoll macht, bereichert auch den Alltag. Die meisten werden sich nie in einem Fischerboot 1450 Kilometer den Mekong Fluss hinuntertreiben lassen oder ohne Gepäck in sechs Wochen fünf Kontinente bereisen, wie dies der amerikanische Reiseschriftsteller Rolf Potts in seinen mehr als 15 Jahren Unterwegssein getan hat. Es geht ja nicht nur darum, was wir tun, son-dern warum und wie wir etwas tun. «Betrachte Reisen als eine Metapher dafür, wie du dein Leben zuhause lebst», sagt Rolf Potts und fasst seine wichtigsten On-the-Road-Erkenntnisse in fünf Punkten zusammen:1.DeineZeitistdeinwahrerReichtum.Kein Ein-

kaufsbummel kann die Glücksgefühle ersetzen, wenn wir tun, was wir gerne tun, interessante Menschen kennenlernen und Zeit mit der Familie oder Freunden verbringen. Die Erfahrungen machen uns reich an Leben, nicht die materiellen Dinge.

2.Seiwodubist.Das Schöne am Reisen ist das Einlassen auf das Hier und Jetzt. Wir nehmen be-

wusster wahr, was sich vor unseren Augen abspielt. Das können wir auch zuhause. Statt uns immer nur um das Gestern und Morgen zu sorgen, dauernd unsere Emails zu checken und uns vom Fernseher ablenken zu lassen, sollten wir uns auf Erlebnisse in Echtzeit konzentrieren.

3.Entschleunige. Ob auf Reisen oder im Alltag, sobald wir aufhören von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdig-keit oder von Termin zu Termin zu hetzen, werden wir offen für Neues und Unerwartetes. Ein Leben ist dann erfüllend, wenn wir uns die Zeit nehmen, es täglich auszukosten.

4.Keepitsimple.Reisen zwingt uns, nur das Nötigste mitzunehmen und unterwegs nicht zu viel Unnötiges anzuhäufen. Macht nichts. Das Wichtigste sind die Erinnerungen, und darauf gibt es kein Gewichtslimit. Auch zuhause dürfen wir uns fragen: Was brauchen wir wirklich, um glücklich zu sein?

5.SetzedirkeineGrenzen.In ferne Länder zu reisen

eignet sich besonders, um alten Gewohnheiten, Angst und Misstrauen ein Ende zu bereiten. Wir sind ge-zwungen, uns auf fremde Menschen und ungewohnte Lebensweisen einzulassen. Mit Offenheit, Neugierde und Mut, Neues anzunehmen, erschliessen sich auch im Alltag ganz neue Möglichkeiten.

Die längste Reise ist das Leben selbst. Solange wir ihm jeden Tag mit Offenheit und Neugierde begegnen, uns auf den Moment und auf uns selbst einlassen, wird auch das Leben zuhause ein Abenteuer bleiben. mk

Rolf Potts‘ Reisetipps zur Umsetzung zuhause unter:http://www.fourhourworkweek.com/blog/2010/02/25/rolf-potts-vagabonding-travel/

MehrzurKunstdesReisens:RolfPotts:Vagabonding – An Uncommon Guide to the Art of Long-Term World Travel. Villard, 2002. 224 S., Fr. 20.90 / 11,95 Euro.

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«Ich bIn meIne reIse»

Seit bald fünfzig Jahren ist der 72-jährige Heinz Stücke mit dem Fahrrad unterwegs und hat es damit als «most travelled man» ins Guiness Buch der Rekorde geschafft.Was wird aus einem Reisenden, der nie an-kommt? Antworten von Heinz Stücke im Gespräch mit Andrea Freiermuth

das Leben des 72-jährigen Heinz Stücke ist eine einzige grosse Reise: Er hat 195 Länder, 86 Ter-ritorien und andere Regionen mit speziellem poli-tischen Status besucht, rund 622 000 Kilometer zurückgelegt – also 15 Mal die Erde umrundet

– und das alles mit seinem 3-gängigen Fahrrad! Wenn der Deutsche gerade mal nicht auf dem Sattel sitzt, weilt er in einem Zimmer in Paris, seinem «Bunker», wo sich Reiseerinnerungen in zahlreichen Kartonschachteln stapeln.

Wie kommt es, dass dein Leben eine einzige Reise ist?

Schon in der Schule war ich sehr interessiert an Geo-grafie. Ich verschlang eine Menge Bücher über Reisen und fremde Länder. Bald wollte ich nicht nur darüber lesen, sondern auch eigene Abenteuer erleben.

Das wollen wir alle, aber die meisten kehren irgend-wann nach Hause zurück oder werden sesshaft.

Das hatte ich auch vor. Auf meine erste Weltreise brach ich mit 20 auf, im August 1960. Ein Jahr, 20 Länder und 17 000 Kilometer später war ich wie-der zu Hause in Hövelhof, Westfalen. Ich hatte so viel erlebt und sah mich in Deutschland mit einem langweiligen Leben konfrontiert – als Fabrikarbeiter und Sklave der Industrie und der Gesellschaft. Also stieg ich 1962 erneut auf mein Rad und bin seither nie mehr zurückgekehrt. Heute bin ich ein Sklave meiner Reise.

Warum bist du immer weitergefahren?1977 wollte ich eigentlich einen Punkt machen. Ziemlich genau 14 Jahre nachdem ich Europa über Gibraltar verlassen hatte, setzte ich am Bosporus mit der Fähre über. Doch irgendwie hatte ich Angst, auf direktem Weg nach Hause zu fahren, dieses Leben voller Freiheit und Abenteuer aufzugeben. Die Vor-stellung, wieder in mein erzkatholisches Dorf zu-

rückzukehren. You know, ich hatte die ganze Welt gesehen und dabei entdeckt, dass es nicht nur eine Religion gibt. Dass es viele verschiedene Möglich-keiten gibt, das Leben zu leben. Und dass die abso-lute Wahrheit nicht existiert. Also sagte ich mir: Du musst dich erst wieder an Europa gewöhnen und radelst lieber hier noch ein wenig weiter. In Holland, nur 200 Kilometer von meinem Heimatort entfernt, besuchten mich mein Vater und meine zwei Schwe-stern und deren Familien für ein Wochenende. Meine Mutter war inzwischen gestorben. Als ich von ihrem Tod erfahren hatte, war sie schon beerdigt.

Du hast deine Familie nach 17 Jahren bloss für ein Wochenende gesehen?

Ja, sie mussten schliesslich arbeiten und am Montag wieder zurück. Das machte mir klar, dass ich noch

«Ich war in allen Ländern dieser Welt, ausser dem Südsudan. Den gibt es erst seit letztem Jahr. Er ist mein nächstes Ziel.»

Lebensreisen

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Zeitpunkt 120  11

nicht aufhören würde. Also begann ich neue Pläne zu schmieden. Ich ging nach England und dann …

… das mutet wie eine Flucht an. Für mich ist es eher eine Suche. Es ist das Unbe-kannte hinter der nächsten Wegbiegung, das mich vorwärts treibt. Es gibt so vieles zu entdecken auf dieser Welt. Ich möchte den ganzen Globus sehen, den ganzen Erdball fühlen und die Entfernungen spü-ren. Und mit den Jahren habe ich mir natürlich auch persönliche Ziele gesteckt, wollte Rekorde aufstellen. Lange Zeit war ich auf der Jagd nach dem besten Foto, nach möglichst vielen Kilometern, nach allen Ländern. Letzteres ist gar nicht so einfach, weil es immer wieder politische Veränderungen gibt und das Guinness-Buch auf bestimmten Vorschriften besteht, damit die Rekorde akzeptiert werden. Mir war das immer zu kompliziert. Bekannte haben die Anträge für mich eingereicht, damit ich meine Fotos besser verkaufen konnte. Inzwischen habe ich niemanden mehr, der das für mich macht. Darum werde ich auch nicht mehr aufgeführt. Egal. Ich war in allen Ländern dieser Welt, ausser dem Südsudan. Den gibt es erst seit letztem Jahr. Er ist mein nächstes Ziel.

Heinz Stücke wurde 1940, mitten im 2. Weltkrieg, in eine Arbeiterfamilie geboren. Nach der Schule absolvierte er eine Lehre als Werkzeugmacher. Doch da war dieser Drang nach mehr – nach der Begegnung mit Menschen aus verschiedenen Kulturen, nach dem Anblick der Weltwunder und vor allem nach persönlicher Freiheit. Sein Fernweh und Reisefieber haben ihn in alle Ecken dieser Welt getrieben – in Urwälder, durch Wüsten

und über alle möglichen Gebirge. Einzig die beiden Pole hat er ausgelassen. Er spricht fliessend Französisch, Englisch und Spanisch, kann sich auf Russisch, Arabisch und Japanisch unterhalten. In vielen weiteren Sprachen verfügt er über einen Basiswortschatz.

Warum hast du ausgerechnet das Fahrrad als Transportmittel gewählt?

Mit 20 war es natürlich vor allem eine Geldfrage. Aber ich lernte das Fahrrad bald als perfektes Fortbewe-gungsmittel schätzen. Es ist der ideale Reisepartner, um die Welt zu entdecken – langsam genug, um Land und Leute kennenzulernen und schnell genug, um grössere Entfernungen zu bewältigen. Es macht mir Spass, mich körperlich zu fordern. Ich will beim Reisen nicht nur konsumieren, sondern auch etwas leisten.

Ist das Fahrrad ein Türöffner?Auf jeden Fall. Wobei man sagen muss, dass ich frü-her, als es auf der Welt noch weniger Touristen gab, viel häufiger von Einheimischen eingeladen wurde. Auf manchen Strecken sind heutzutage selbst Radtou-risten keine Exoten mehr. Das ist nebst der Inflation der Hauptgrund, warum ich viel mehr Geld brauche als früher. Das teuerste Jahr war 2003 mit 13 000 Euro. Allerdings habe ich in jenem Jahr viele Inseln besucht, die mir noch fehlten – und musste deshalb oft fliegen oder Tickets für Schiffsfahrten kaufen.

Der 3-Gänger von Heinz Stücke ist eine echte Attraktion. Es ist immer noch dasselbe Rad, mit dem er 1962 auf sei-

«Es ist das Unbekannte hinter der nächsten Wegbiegung, das mich vorwärts treibt. Es gibt so vieles zu entdecken. Ich möchte den ganzen Globus sehen und die Entfernungen spüren.»

Ich bin meine Reise

Heinz Stücke (r.) 1976 in Afghanistan

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ne unendliche Reise aufgebrochen ist. Allerdings musste der Weltenradler den Rahmen inzwischen 16-mal schweissen und alle Komponenten mehrmals ersetzen. Speziell ist der doppelte Lenker, den er sich angebaut hat, um verschiedene Sitzpositionen einzunehmen und damit Rückenschmerzen vorzubeugen. Und natürlich die Weltkarte, die im Rahmen eingeschweisst ist und die Reise dokumentiert – mit fünf verschiedenen Farben für die fünf Jahrzehnte, die diese «Tour du Monde» bereits dauert.

Wie kommst du zu Geld?Ganz einfach – ich verkaufe das einzige Produkt, das ich habe: meine Reise. Vor Jahren habe ich eine Broschüre erstellt, die ich in mehrere Sprachen über-setzen liess. Inzwischen habe ich wohl 80 000 davon verkauft – für drei Dollar oder Euro das Stück. Wobei die Leute oft gar kein Wechselgeld wollen.

Nicht nur Stückes Fahrrad ist ein Oldtimer. Auch er selber ist von gestern. Ein Dinosaurier unter den Globetrottern. Man stelle sich vor: Gestartet ist er noch bevor die Beatles ihren ersten Hit einspielten und bevor der erste Mensch auf dem Mond stand. Inzwischen haben wir Handys, Internet und Apps für alles Mögliche. Digitale Speicher, virtuelle Welten und interaktive Foren. Mit all dem kann Heinz Stücke nichts anfangen. Er ist ein digitaler Analphabet und hat den Anschluss verpasst – und zwar komplett. Selbst die Metro in Paris benutzt er nicht mehr, seit man die Tickets an vielen Stationen nur noch am Automaten bekommt. Stücke sitzt in seinem Bunker auf einem Schatz. Er weiss es und träumt davon, ein Buch zu schreiben sowie seine rund 80 000 Dias zu sichten und nach Themen zu ordnen. Doch das Schreiben ist nicht sein Ding. Und was nützen ihm sortierte Dias, wenn in den Agenturen und Redaktionen alles immer erst am Computer begutachtet wird?

Wo ist es am schönsten auf dieser Welt? Das kann ich nicht sagen. Was man am liebsten hat, hängt davon ab, was man am liebsten tut oder sieht. Für die einen sind es die Berge oder die Seen, für

andere das Meer oder die Wüsten. Für andere sind es fremdartige Kulturen, exotische Menschen, Tiere und Pflanzen. Wieder andere wollen Abenteuer erleben, unberührte Gebiete entdecken oder luxuriöse Feri-enfahrten geniessen. So hat jeder seine Vorstellung. Ich habe mir diese Frage nie wirklich gestellt, denn ich bin nicht auf der Suche nach dem Paradies. Ich fahre einfach und versuche, meine Augen offen zu halten, möglichst aufnahmebereit zu sein und zu verstehen, was meines Weges kommt.

Wie hat sich die Welt in den letzten 50 Jahren verändert?

Ich bin nie zweimal auf der gleichen Strecke unter-wegs. Es gibt Drehscheiben, wo ich immer wieder vorbeikomme, aber ich mag keine Wiederholungen. Einzig das Pedallieren: Die Beine gehen immerzu rauf und runter. Ich habe mir selber auferlegt, dass ich jedes Jahr 12 000 Kilometer fahren muss. 2008 habe ich mit 21 505 am meisten Kilometer zurück-gelegt, gefolgt vom Jahr 2002 mit 21‘350. Aber was war die Frage?

Wie sich die Welt verändert hat.Es gibt viel mehr Touristen und Autos als früher. Ich bin froh, die grossen Dinge noch vor den Massen gesehen zu haben. In Machu Picchu beispielsweise habe ich zwischen den Ruinen gecampt. So was wäre heute unvorstellbar. Und man muss alles buchen, Mo-nate im voraus – sogar wenn man wandern will, wie zum Beispiel auf dem Milford Track in Neuseeland. Zum Glück ist es zwischen den grossen Städten und bekannten Hotspots auch heute vielerorts noch ruhig. Und mit dem Rad kommt man da auch problemlos hin. Natürlich hat die touristische Entwicklung auch Vorteile. Es ist viel leichter, ein Visum zu erhalten, Geld zu beziehen und man kann viel günstiger te-lefonieren.

Hast du viele gefährliche Situationen im Verkehr erlebt?

Ich hatte vier Autounfälle. Allerdings sass ich immer als Beifahrer im Wagen und nicht etwa auf dem Rad. Auf zwei Rädern bin ich x-mal im Graben ge-landet. Oft war ich selber schuld, weil ich auf dem Rad eingeschlafen war. Natürlich wurde ich auch ein paar Mal von einem Auto abgedrängt. Das Resultat

Ich habe mich nie gefragt, welches der schönste Ort ist – ich suche nicht 

das Paradies. Ich fahre einfach und versuche, meine Augen offen zu halten, 

aufnahmebereit zu sein und zu ver-stehen, was meines Weges kommt.

Heinz Stücke in Zahlen 72 Jahre alt 622 000 Fahrrad-Kilometer 195 Länder 86 Territorien oder andere Regionen mit speziellem politischen Status 50 Jahre unterwegs 80 bis 120 Kilometer pro Tag 3- Gang-Velo mit 25 Kilo Eigengewicht 40 bis 50 Kilogramm Gepäck 6 Mal wurde das Velo gestohlen 6 Mal fand er es wieder 21 mit Stempeln gefüllte Reisepässe 4 Autounfälle als Beifahrer 1 ernsthafter Fahrradunfall 16 Rahmenbrüche 80 000 Dias www.heinzstucke.com

v.l.n.r.: Heinz Stücke 1981 in Madagaskar, 1981 in Yemen, 1977 in Bosnien und 2000 in Österreich.(alle Bilder: heinzstucke.com)

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Lebensreisen

Zeitpunkt 120  13

waren aber meist nur ein paar blaue Flecken. Den beängstigendsten Radunfall hatte ich Anfang 2000 in Deutschland, auf einem Radstreifen – ein Autofahrer missachtete meinen Vortritt. Radstreifen sind gefähr-lich. Es ist viel sinnvoller, wenn man als Fahrradfahrer mit dem Verkehr rollt, dann wird man auch beachtet. Wie in Indien: dieses Chaos. Dennoch passiert dort wenig, weil alle aufpassen.

Und sonstige Gefahren?Ich könnte dir 1000 Geschichten erzählen – von wilden Tieren, arroganten Militärs, korrupten Po-lizisten, aggressiven Bienenschwärmen. Damit ich jeweils nicht völlig ausufere, wenn die Leute eine Frage stellen, schreibe ich mir Memos mit Stichwör-tern. Ich notiere alles in meinen Tagebüchern und kann alles lückenlos zurückverfolgen. Zum Beispiel, in welchem Jahr ich wo Weihnachten verbracht habe, wie oft ich pro Jahr campe, privat übernachte oder im Backpacker schlafe. Oder wie viele Grenzen ich in einem Jahr überschritten habe. Nur mit den Tagen habe ich ein Problem – ich entdecke immer wieder Ungereimtheiten in meinen Unterlagen.

Hat dich das Reisen verändert? Was soll ich sagen – ich bin 50 Jahre älter als damals, als ich aufbrach. Jeder verändert sich mit den Jahren. Es ist schwierig zu sagen, was dabei das Reisen und was das Alter ausmacht. Ich bin meine Reise. Das lässt sich nicht mehr trennen.

Hast du Angst vor dem Altwerden?Was will man machen: Mein Alter wird mir irgend-wann Grenzen setzen. Derzeit steige ich wie ein alter Mann auf meinen 3-Gänger, mit dem Bein zu-erst über das Sattelrohr. Ich war zu lange mit dem Faltvelo unterwegs, das hat meine Beweglichkeit eingeschränkt, denn es ist viel niedriger. Und dann die Vergesslichkeit – wenn ich meine Lesebrille nicht

immer an den selben Ort lege, finde ich sie fast nicht mehr. Das Vergessen, das ist meine schlimmste Befürchtung.

Wenn du auf dein Leben zurückblickst: was wür-dest du anders machen?

Ich bedaure, in der Schule keine Sprachen oder das Fotografieren gelernt zu haben. Das wäre mir auf meinen Reisen nützlich gewesen.

Gibt es Dinge, die du in deinem Leben vermisst?Fussball und Familie. Ich war in jungen Jahren richtig gut mit dem Ball. Und je älter man wird, desto mehr wünscht man sich Enkelkinder um sich.

Fühlst du dich manchmal einsam?Nein. Es gibt immer was zu tun. Wenn ich unterwegs bin, muss ich mich ständig organisieren. Die Prio-ritäten sind Essen, Trinken, Radeln. Und wenn ich mal nichts zu tun habe, dann bin ich am Träumen oder Planen. Ich kann mich stundenlang in Karten vertiefen. Hier in meinem Bunker fällt mir manch-mal das Dach auf den Kopf, doch dann führe ich einfach meine Listen nach und bereite die nächste Reise vor.

Wenn du mal nicht mehr Radfahren kannst, er-hältst du auch kein Geld mehr. Hast du nie Existenz-ängste?

Meine Reise ist meine Rente. Darum möchte ich ja auch endlich das ganze Material sichten. Wenn es gar nicht anders geht, bin ich immer noch Deut-scher Staatsbürger und könnte eine Minimalrente von 360 Euro beziehen. Wenn man so gelebt hat wie ich, kommt man damit schon durch. Aber eigentlich möchte ich beweisen, dass es auch ohne Väterchen Staat geht.

Wie lange wirst du noch weiterfahren? Vielleicht steige ich Ende 2012 endgültig ab. Im No-vember bin ich ja seit 50 Jahren unterwegs. Das wäre ein guter Moment.

Das Interview stammt aus dem Globetrotter, einer Art Gesundheitsmagazin für Fernwehkranke. Aus diesem schönen Heft – und nicht etwa umgekehrt – entstand das Reisebüro «Globetrotter», einer der führenden Anbieter der Schweiz. Jahresabo mit vier Ausgaben: Fr. 30.–. Kontakt: Globetrotter Club, PF 7764, 3001 Bern. Tel. 031 313 07 77. www.globetrotter-magazin.ch

«Das Fahrrad ist der ideale Reisepartner, um die Welt zu 

entdecken – langsam genug, um Land und Leute kennenzulernen und schnell genug, um grössere 

Entfernungen zu bewältigen.»

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Kommen Sie in das«etwas andere» AlbergoIn den historischen Mauern der Casa SantoStefano erwartet Sie eine stilvolle, gepflegteEinfachheit, verbunden mit modernem Komfort.

Eine Auswahl aus unserem Kursprogramm 2012

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3. 8. – 9. 8. Yogaferien im Tessin9. 8. – 12. 8. FineArt Printing & Imaging

12. 8. – 18. 8. Sommergarderobe selber nähen2. 9. – 8. 9. Yogaferien im Tessin6.10. – 13.10. Malwoche: Vom Motiv zum Bild

13.10. – 19.10. Wandern auf der Alpensüdseite20.10. – 21.10. Heissi Marroni mit E. Bänziger

Neben den Kursen ist stets auch Platz fürIndividualgäste.

Angeli und Christian WehrliCH-6986 Miglieglia, Tel. 091-609 19 35www.casa-santo-stefano.ch

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Hotel Garni – Seminarhaus

im Malcantone, Südtessin

5. 5.– 6. 5. Wildkräuter-Kochwanderkurs 14. 5. – 18. 5. Yogaferien im Tessin 20. 5.–25. 5. Yogaferien – rundum gesund 8.–14. 7. Schmuckwerkstatt im Tessin 28. 7.– 3. 8. Yogaferien im Tessin 3. 8.– 9. 8. Yogaferien im Tessin 9. 8.–12. 8. FineArt Printing & Imaging 12. 8.–18. 8. Sommergarderobe selber nähen 2. 9.– 8. 9. Yogaferien im Tessin 6.10.–13.10. Malwoche: Vom Motiv zum Bild 13.10.–19.10. Wandern auf der Alpensüdseite 20.10.–21.10. Heissi Marroni mit E. Bänziger

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Berufsbegleitende Ausbildung 2012/13 Die Ausbildung Natur- und Wildnis-pädagogik bietet dir die Möglichkeit, deine Beziehung zur Natur und zu dir selber zu stärken. Du lernst, dich in deiner natür-lichen Umgebung heimisch zu fühlen und dich als Teil von ihr zu verstehen. Du trai-nierst deine Wahrnehmung und übst, dein Wissen mit natürlichen Lehrmethoden weiterzugeben.

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Zeitpunkt 120  15

AlleIn, Aber nIcht eInsAm von Roland Rottenfusser

Walter Glomp war stinksauer. Monate-lang hatte sich der 18-jährige Gymnasiast da-rauf gefreut, mit Freunden per Interrail nach Norwegen zu reisen – sein Traum. Doch einer nach dem anderen machte schlapp. «Norwegen? Da laufen doch Eisbären auf der Strasse rum.» «Ach nö – dann doch lie-ber nach Griechenland an den Strand.» Der Münchner hatte genug und entschied, allein zu fahren. Er campierte im Wald, kochte für sich selbst. Schliesslich trampte er zum Nord-kap – stimmungsvoller Höhepunkt der Tour. Als Walter zurückkam, hatte er sich ver-ändert. Ich erlebte das hautnah, da ich in seine Klasse ging. «Ich war damals in der Schule extrem uncool und wurde gemobbt», gibt er zu. «Es fehlte mir einfach an Selbst-sicherheit. Durch Norwegen merkte ich: Du kannst auch allein eine Menge erreichen.» Die Clique war Walter fortan egal. Er hatte auf Reisen weit «coolere» Typen kennen ge-lernt – und die akzeptierten ihn so wie er war. «Vielleicht lag es also nicht nur an mir, wenn ich in der Schule unbeliebt war.» Die-se Erkenntnis markierte einen Durchbruch. Ich bin überzeugt: Was die Persönlichkeit Walter Glomp heute ausmacht, wurde vor allem auf Reisen «geschmiedet».

Das Image vom «Norwegen-Walter» war geboren. Der, der allein in den hohen Nor-den reist und keine Strapaze scheut, mutig, exzentrisch im wahrsten Sinn. Denn Walter mied Zentren und Menschenansammlungen. «Draussen bin ich allein, aber nicht einsam»,

sagt er. «Ich bin aufgehoben in der Natur, bei den Tieren und Pflanzen.» Obwohl er gesellig ist, liebt es Walter bis heute, allein zu reisen. «Wenn was schief geht, kann ich mich nur über mich selbst aufregen.»

Fehler  blieben  nicht  aus  in  gut  30 Jahren als Reisender. Walters kühnstes Unterfangen: Mit zwei Freunden baute er ein Floss und fuhr 500 Kilometer auf dem Yukon flussabwärts. Keiner der drei hatte Flossbau studiert. Mit praktischem Verstand mussten sie alle Probleme lösen: Bäume fällen, entasten und zusammenfügen. «Ich habe nie wieder so hart gearbeitet», erzählt der Abenteurer. Schliesslich war die Kon-struktion fertig, sogar mit einem «1. Stock», einer Plattform für das Zelt. Neben Bären und Stromschnellen war das andauernde Hantieren mit Werkzeugen die grösste Ge-fahr. Walter sägte sich in den Finger. Mit not-dürftigem Verband lief er viele Kilometer bis zur nächsten Indianersiedlung. Dort nähte ihn ein Arzt mit 19 Stichen. Aufgeben kam nicht in Frage, die Flossreise ging weiter.

Walter Glomp ist heute 50. Er war in Alas-ka, in Nordwestrussland, in Neuseeland, Island und Spitzbergen – Hauptsache weit weg, Hauptsache Natur. Besonders gern mag er den Nordwesten von Kanada, das Yukon-Territorium, Schauplatz der Romane von Jack London. Leben in und aus der Natur fasziniert ihn. «Man kann tagelang gehen, ohne auf Anzeichen von Zivilisation

zu stossen.» Walter erlebte magische Mo-mente, wenn das Lagerfeuer knisterte, der Duft von selbst gefangenem Fisch aufstieg und von fern die Wölfe heulten. Und die Kälte? «Gegen Kälte kann man sich anzie-hen, gegen Hitze nicht», sagt er pragmatisch. Trotzdem verschlug es ihn auch ins heisse Australien – und in die libyische Sandwü-ste, die kaum ein Europäer betritt. Letzteres hatte berufliche Gründe. Walter Glomp ist Geologe – genau der richtige Beruf für ihn. So kann er professionell in menschenleere Gegenden reisen.

Den harten Kerl zu spielen ist Walter Glomp fremd. Strapazen sind eher unver-meidliche Begleiterscheinung, wenn man die schönen Seiten des Reisens erleben will. «Survival bedeutet für mich: mit dem Wenigen, das man mitnehmen kann, ein Maximum an Bequemlichkeit erreichen.» Es gibt sicher noch extremere «Fälle» als Walter – Menschen, die sich bewusst in Gefahr begeben oder ihr ganzes Leben auf Reisen verbringen. Walters Erweckungserlebnis ist jedoch für die meisten von uns erreichbar und macht Mut, selbst den Aufbruch zu wagen.

Mit das Beste am Reisen ist für Walter Glomp sowieso das Heimkommen: Wieder den Lichtschalter anknipsen und ins warme Bett kriechen. Manchmal muss man erst weit weg gewesen sein, um zu verstehen, wie schön es daheim ist.

Lebensreisen

Page 16: ZP 120 – Lebensreisen

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Zeitpunkt 120  17

Lebensreisen

wIr hAben nIcht dIe wAhl.Wir haben nur einander

von Christine Ax

Manchmal kommt  es mir  vor,  als  sässe  ich  in einem Zug, der mit grosser Geschwindigkeit auf ein unbekanntes Ziel rast. Ich schaue interessiert aus dem Fenster und sehe, wie die Landschaft des Lebens an mir vorüber zieht. Manches kommt mir bekannt vor. Anderes ist mir fremd. Manchmal schlägt mein Herz höher. Und es gibt auch Dinge die mir so fremd sind, dass ich sie nicht einmal erkennen kann. Sie erinnern mich an gar nichts.

Ich weiss nicht wirklich, wie ich in diesen Zug hi-neingekommen bin. Ich erinnere mich nicht an den Augenblick, in dem ich einstieg. Aber ich erinnere mich an den Augenblick der Erkenntnis, dass ich aus die-sem Zug nicht aussteigen kann. Und dass ich mir die Mitreisenden nicht ausgesucht habe. Sie sind meine Zeitgenossen. Wir haben (nur) einander. Wir haben nicht die Wahl. Nicht einmal den Zeitpunkt des Aus-stiegs wählen wir.

Mein Vater ist jetzt nach langen Jahren am Ende seiner Reise angekommen. Er hat kein Bewusstsein von der Zeit mehr. Er ist den Weg, den er zu Beginn seiner Lebensreise gemacht hat in den letzten Jahren rückwärtsgegangen und hat «entlernt». So etwas nennt man Demenz und es kann so ziemlich alle treffen. Wir müssen nur alt genug werden. Ich gehe diesen Weg seit über einem Jahr mit ihm und es ist eine sehr bewegende Erfahrung. Denn ich habe das Gefühl, dass dieser letzte Abschnitt unserer gemeinsamen Lebensreise mich noch stark verändert.

Wir machen auf unserer Lebensreise viele existen-zielle Erfahrungen. Die Liebe gehört sicher dazu. Sie berührt und verändert uns in unserem tiefsten Wesen. Denn unsere Existenz verdanken wir der Sehnsucht des Lebens nach dem Leben. Von unseren Eltern lernen wir in den ersten Wochen, Monaten, Jahren, was uns zu mitfühlenden und sozialen Wesen macht. Von ihnen erwerben wir auch ein Bild, Mutter oder Vater zu sein. Doch wir sind es dann noch nicht.

Zu echten Müttern und Vätern machen uns erst unsere Kinder. Von ihnen lernen wir das Eltern-Sein. Erst sie bringen diese Fähigkeiten, die in uns schlum-mern, zur Entfaltung.

Dabei werden wir auch ein zweites Mal Kind und zum zweiten Mal Mensch. Unsere Kinder sind unsere Spiegel. Was wir ihnen nicht geben konnten, wird ihnen fehlen. Was wir falsch gemacht haben, wird sie prägen und uns noch lange beschäftigen.

Jetzt – da meine Kinder groß sind – und mein Vater zum Kind wurde, lerne ich noch einmal viel über mich und über das Ende dieser Reise. Wenn ich meinem Vater begegne, dann bin ich auch ein Kind, das von seinem Vater Abschied nimmt. Aber ich tue es auch als Mutter. Von einem Vater – der zum Kind geworden ist – und der jetzt das Gefühl hat, dass ich alles bin, was ihm Frauen in seinem Leben waren. Dass die Mutter in mir meinem Vater mit der gleichen mütterlichen Empfindung begegnen kann, wie ich meinen Kindern begegnet bin, ist eine unerwartete Erfahrung.

Es gibt Empfindungen und Rollen,  auf die uns niemand vorbereiten kann. Es gibt Brücken, über die wir nur alleine gehen können. Und es gibt Brücken über die jeder von uns ein erstes Mal und ein letztes Mal gehen muss. Brücken, die uns in Landschaften führen, die auf keiner unserer vielen Landkarten ver-zeichnet sind.

Die Begleitung meines Vaters auf dem letzten Stück seiner Lebensreise gehört in diese Kategorie. Und ich fühle: Es schliesst sich ein Kreis. Was ich von ihm be-kam und an meine Kinder weitergab, gebe ich ihm jetzt zurück. Und habe das Gefühl dass ich ihn in den Tiefen seiner Träume erreiche. So wie er mich damals erreichte. Als meine Reise begann. So wie es anfing, geht es wohl auch zu Ende.

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Lebensreisen

dIe reIse begAnn Im postAuto«Es ist, wie es ist!» heisst es am Anfang des Buches «Hinwendung» von Ru-dolf Hausammann, das wichtige Lehrreden des Buddha zusammenfasst. Von der Kunst, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind, handelt nicht nur Hausammanns Buch, sondern auch sein Leben.    von Melanie Küng

es ist der Gang aufs Arbeitsamt, der den gelernten Schlosser Rudolf Hausammann im Sommer 1975 zum ersten Mal an den Fuss des Himalaya bringt. Ein Schweizer Restaurantbesitzer in Kathmandu sucht

einen Chauffeur, um ein ausgedientes Postauto ge-meinsam nach Nepal zu überführen. Das Postauto soll in Zukunft Touristen von Kathmandu in die rund 200 Kilometer nord-westlich gelegene Stadt Pokhara befördern. Schon 14 Tage später machen sich der 26-jährige Hausammann und der Restaurantbesitzer auf den knapp 10 000 Kilometer langen Weg. Mit an Bord finden sich auch immer wieder einige Welten-bummler – vom Vietnam-Söldner über abenteuer-lustige Studenten bis hin zu Professoren –, die auf Zwischenhalten in der Türkei, in Afghanistan und Indien aus- und zusteigen. Das Gefährt mit Jahrgang 1949 bringt es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 68 km/h, nach fast acht Wochen erreichen die beiden ihr Ziel. Rudolf Hausammann erinnert sich gut an seine

ersten Eindrücke von Nepal — Die hügelige Land-schaft, die Reisfelder-Terrassen, das satte Grün. Es sollte nicht die einzige Fahrt bleiben, Hausammann überführt noch ein zweites und drittes Postauto nach Kathmandu.

«Aufbrechen» und  «Ankommen» — das gehört nicht nur zum Reisen, sondern auch zum Leben. «Wenn wir mal angekommen sind, müssen wir nicht gleich weitersuchen», sagt Hausammann. Die längeren Aufenthalte in Nepal ermöglichen ihm, sich mit Land und Bewohnern, aber auch dem Hinduismus und Buddhismus vertraut zu machen. Der Austritt aus der reformierten Kirche mit anfangs zwanzig hat seinem Interesse an Religion keinen Abbruch getan. Weit ein-flussreicher als Religion erweisen sich zu dieser Zeit jedoch die Kontakte zu tibetischen Flüchtlingen, die seit 1960 in der nepalesischen Teppichindustrie eine Existenzgrundlage gefunden haben. Hausammann lernt auch Wangdu La kennen, den Hauslama der

18  Zeitpunkt 120

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tibetischen Exilgemeinschaft. Es sind die tiefen Freund-schaften mit Tibetern, die Hausammann dazu bewegen, den Erlös aus den Postautos in das Teppichgeschäft zu investieren. 1977 kehrt er mit einer ersten Ladung der damals noch fast unbekannten Tibeterteppiche in die Schweiz zurück. Er nimmt seinen Beruf als Schlos-ser im Fahrzeugbau wieder auf, versucht aber, mittels Ausstellungen das Teppichgeschäft weiter auszubauen und eröffnet 1986 schliesslich seinen eigenen Laden. Die Zusammenarbeit mit seinem Teppichproduzenten — einer Flüchtlingsfamilie aus Westtibet —, bringt Hausammann dabei regelmässig nach Nepal zurück. Von 1987 bis 2007 organisiert und leitet er zudem auch immer wieder Reisen nach Nepal und Tibet.

Nicht  «Religion»,  sondern  «Physik des  Lebens» nennt Hausammann die Lehre Buddhas, mit der er sich nach Aufgabe seines Ladens 1996 endlich wieder intensiv auseinandersetzen kann. «Buddha wirft uns auf uns selbst zurück». Gemäss der Idee von «Karma» (Sanskrit für ‹Tat, Wirken›) zieht jede Handlung eine Folge nach sich, die rückwirkend insbesondere auch den Handelnden beeinflusst. Dieser Zusammenhang ist mit der naturwissenschaftlich geprägten Vorstellung von Ursache und Wirkung im Westen vergleichbar. «Leider bleiben wir oft bei der Materie stehen», sagt Hausammann. Aber: «Der Geist steht über der Materie» — eine wichtige Erkenntnis, auch im Hinblick auf seine bevorstehende Prüfung.

«Eine schwere Zeit steht an», sagt Lama Wangdu La, als ihn Hausammann im Jahre 2000 zum Abschluss einer weiteren Tibet- und Nepalreise besucht. Kurz nach der Rückkehr in die Schweiz erleidet Hausammann einen Wirbelbruch. Es wird eine Krebserkrankung des Kno-chenmarks festgestellt. Nach den Jahren der intensiven

Auseinandersetzung mit der Lehre Buddhas, bricht nun eine «Zeit für die Praxis» an. «Kämpfen» wäre das falsche Wort. «Das klingt, als stünden wir im Krieg gegen irgend-etwas», sagt Hausammann. Anstatt der Krankheit den Krieg zu erklären, nimmt er sie an: «Es ist meins, und es wird seinen Grund haben.» Die Chemotherapie zehrt stark an Hausammanns Körper. Seine geistige Stärke hilft ihm, dennoch nicht zu verzweifeln. Und er vertraut ganz den Worten des Lamas: «Es wird gut kommen». Geistige Betreuung erhält Hausammann nicht nur von Wangdu La, sondern auch von einem weiteren tibe-tischen Lama, Tulku Lobsang Jamyang Rinpoche. «Ich kann dir nicht helfen, ich habe kein Geld», sagt dieser einmal zu ihm, «aber wir werden für dich beten.» In den folgenden Monaten überwindet Hausammann nicht nur den Krebs, er heiratet auch und baut ein Haus.

«Die Aufgaben, die uns gestellt werden, müssen wir annehmen», sagt Hausammann, «nehmen wir eine Aufgabe heute nicht an, kommt sie morgen.» Nach zwei Krebs-Rückfällen geht es Hausammann heute gut. Er möchte nichts missen in seinem Leben, auch wenn nicht immer alles einfach war. Man glaubt ihm, in seinen Worten schwingt Gelassenheit. Als Buddhisten will sich Hausammann dennoch nicht bezeichnen: «Buddhist sein, was heisst das? Ich bin ein Mensch.» Zum Mensch-sein gehört für ihn, dass wir uns auf den Weg machen, durch Begegnungen mit anderen Menschen unseren Horizont erweitern und uns somit auch dem Göttlichen öffnen. Bewusst zu leben, heisst anzunehmen, was uns das Leben zuträgt und sich einzufügen in das, was ist. «Die Schöpfung meint es gut mit uns», dessen ist sich Hausammann sicher. «Dieser innere Funke, dass wir mit allem verbunden sind, auch mit Gott, der sollte nicht verloren gehen.»

«Hinwendung  — Lehrreden des Buddha  mit Fotos aus Tibet» von Rudolf Hausammann ist ein ebenso einladendes wie un-aufdringliches Buch. Es regt zum Denken an und schenkt uns gleichzeitig Ruhe. Die Fotos, die Hausammann auf seinen vielen Reisen zwischen 1987 und 2006 gemacht hat, zeigen atembe-raubende Landschaften im Himalaya, aber auch religiöse Motive und Momentaufnahmen aus Tibets Alltag. «Lesen Sie langsam, halten Sie inne, setzen Sie sich ruhig hin und erwägen Sie weise, dann wird sich das Zeitlose und Unveränderliche offenbaren», sagt Hausammann in seinem Geleitwort. Bei diesem wunderschönen Buch folgt man seinem Rat gerne.

RudolfHausammann:Hinwendung — Lehrreden des Buddha mit Fotos aus Tibet. Fischer Print, 2008. 150 S., Fr. 35.-.

Tibeter-TeppicheBaggwilgraben 283267 SeedorfTel. 032 392 80 88

Die Reise begann im Postauto

Links: Gebetsfahnen auf dem Lalung-La (Pass 5050 m). Im Hintergrund der Gauris-hankar Himal.

Zeitpunkt 120  19

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20  Zeitpunkt 120

Der Ruf nach ihnen ertönt, wenn die Zeit sich neigt, das Leben zu Ende geht: Die Bestatterinnen Sabine Brönnimann und Marianne Schoch geleiten Sterbende vom Ufer des Lebens in ein uns unbekanntes Reich hinüber.      Ein Porträt von Brigitte Müller

Als Kind wusste Sabine Brönnimann, dass sie 84 Jahre alt werden würde. Mit 42 er-innerte sie sich daran – und stand plötz-lich in der zweiten Lebenshälfte. Hatten vorher Gedanken zu Aufstieg, Werden

und Wachsen ihr Leben geprägt, begann sie nun über den sich neigenden Lebensbogen, über das Sterben nachzudenken. «Der Tod ist uns fremd geworden, wir müssen wieder lernen, auf gute Weise von Freundinnen und Freunden, von Töchtern oder Söhnen Abschied zu nehmen. Das Leben ist nicht zu haben ohne den Tod. Darum müssen wir herausfinden, was es braucht, damit Abschied und Tod gelingen», findet Brönnimann.

Sie begann zu suchen und griff schliesslich zusam-men mit anderen engagierten Frauen das traditionelle Handwerk der Leichenbestatterin wieder auf. Es folgte die Gründung des Vereins «FährFrauen», der sich im Rahmen einer KulturWerkstatt für einen Wandel in der Abschieds-, Bestattungs- und Trauerkultur engagiert und Angehörige begleitet. Brönnimann ist heute als selbständige FährFrau tätig: «Wir Gründerinnen des Vereins FährFrauen sind überzeugt, dass die Beglei-tung an den Rändern des Lebens traditionell in der Obhut von Frauen lag. Der Berufsstand der Hebam-men hat die Hexenverbrennungen, die Aufklärung und die technische Revolution überlebt. Die Leichenfrauen, Totenwäscherinnen und Klageweiber sind derweil fast verschwunden.»

Fehlten Brönnimann am Anfang noch die Worte für die Gestaltung des Abschieds, sind sie heute ebenso selbstverständlich geworden wie das Kümmern um die Toten und deren Körper. So gern sie mit ihren Händen arbeitet – sie denkt auch viel über das nach, was sie tut. Aus vielen Beobachtungen, Gesprächen und Erfahrungen sind Texte entstanden, die Mitte Juli

in Buchform erscheinen. In «Wenn die Zeit sich neigt» (siehe Box) finden sich Geschichten und Reflexionen über das Erlebte – dem Muster einer Abschiedsfeier entsprechend.

Im Buch beschreibt die 54-Jährige zum Beispiel, wie früher in einigen Kulturen die Alten ihre Sippe und ihr Dorf verliessen, um zu sterben. Sie gingen in die Natur, suchten die Einsamkeit. Ob dies ganz freiwillig geschah, ist offen, doch der Gedanke des Rückzugs scheint in unserer Gesellschaft immer mehr verloren zu gehen. Dabei, so Brönnimann, hätten viele den Wunsch in Ruhe gelassen zu werden und sich in ihr Inneres zurückzuziehen. Sie haben ihr Leben gelebt und sind bereit zu gehen. Doch vielen wird dieser Wunsch verwehrt, das Ideal vom ewig aktiven Men-schen spukt in unseren Köpfen. In Altersheimen werden Aktivierungs- und Beschäftigungstherapien angewen-det, und Verwandte winken ab, wenn Ältere über das Sterben reden möchten: «Ach was, du wirst uns noch alle überleben!»

Dabei sind viele am Ende ihrer Lebensreise buchstäb-lich «des Lebens müde». Gehen zu lassen, bedeutet eben auch, den Wunsch nach Ruhe und Rückzug zu respek-tieren statt unsere Vorstellungen und Ideale auf andere zu übertragen – beim Leben genauso wie beim Sterben. Schliesslich weiss niemand von uns, wie dereinst sein oder ihr Leben zu Ende gehen wird. Ein Wunsch der FährFrauen: «Lasst den Tod zu den Sterbenden».

Das Leben ist nicht zu haben ohne den Tod. Darum müssen wir herausfinden, was es braucht, damit Abschied und Tod gelingen.

FährFrauen Sabine Bröni-mann (l., Quelle: Kösel Verlag) und Marianne Schoch (r., zVg)

Des Todes Schmerz liegt in der Vorstellung. William Shakespeare

Lebensreisen

Auf Zur letZten reIse

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Zeitpunkt 120  21

«Menschen  spüren, wenn das Ende naht»,  ist Marianne Schoch überzeugt. Die in Solothurn lebende FährFrau arbeitete früher «am Anfang der Lebensreise». Nach der Geburt ihrer beiden Söhne war sie derart von diesem Erlebnis berührt, dass sie sich zur Geburtsvorbereiterin ausbilden liess. Auch sie war ständig mit den Themen Wachsen und Wer-den in Kontakt, doch mit 49 spürte sie, dass etwas Neues kommt. Durch die Krankheit und das Sterben ihres Vaters wurde sie an ihre neue Lebensaufgabe herangeführt. «Vieles von dem, was die Bestatterin damals sagte, entsprach dem, was ich vor einer Ge-burt erzählt hatte». Plötzlich war klar: Ich will Be-statterin werden.

Seit 2006 ist Schoch eine FährFrau. Statt Babys auf die Welt zu holen, hilft sie nun Menschen, sich auf ihre letzte Reise vorzubereiten und begleitet Ange-hörige in Abschied und Trauer. Bereut hat sie diesen Schritt nie, im Gegenteil. «Viele Frauen fangen in der zweiten Lebenshälfte an, sich mit dem Tod auseinan-derzusetzen und möchten FährFrau werden. Doch ein

Kurs in Sterbebegleitung allein reicht da nicht», sagt sie. 24 Stunden Bereitschaftsdienst gehören genau-so zur Arbeit wie die Ungewissheit, zu wem sie als nächstes gerufen wird. Ist es ein alter Mensch, der ge-storben ist, oder ein Kind? «Man muss sich abgrenzen können. Und darf keine Angst vor dem Sterben und dem Tod haben. Da jeder Abschied wieder anders ist, braucht es neben Empathie und Achtsamkeit auch enorm viel Klarheit.»

Heute arbeiten Sabine Brönnimann und Marianne Schoch auf eigene Rechnung. Der Stundenansatz liegt bei 120 Franken, 10 Prozent der Einnahmen gehen an den Verein «FährFrauen». In seinem Namen decken die beiden Frauen die Deutschschweiz ab. Das klingt nach viel Arbeit für zwei, doch Schoch hätte gerne mehr zu tun. Sie wird vor allem aktiv, wenn der Tod schon eingetreten ist und Angehörige sie rufen. Dabei würde sie sich wünschen, dass man die FährFrauen schon «in der Blüte des Lebens» zu Rate zieht, das eigene Begräbnis plant oder sich Gedanken über eine Patientenverfügung macht. Die 64-Jährige sieht sich immer wieder in der Wichtigkeit ihrer Arbeit als FährFrau bestätigt, wenn sie Angehörige in der Zeit zwischen Tod und Bestattung beim Abschiednehmen begleiten darf. Die FährFrauen haben denn auch eine klare Vision, die Marianne Schoch auf den Punkt bringt: «So selbstverständlich wie die Hebamme beim Eintritt in diese Welt gerufen wird, so natürlich soll der Ruf nach der FährFrau beim Austritt aus dem Leben sein.»

SabineBrönnimann (54) ist Initiatorin und Gründungsmitglied des Vereins Fähr-Frauen und wohnt in Rorbas. Sie hat den Aufbau von Verein und Dienstleistungen wesentlich mitgestaltet und geprägt. Seit 2009 arbeitet sie als selbständige FährFrau und ist für Dienstleistungsangebote in der Region Zürich-Ostschweiz verantwortlich.

MarianneSchoch (64) wohnt in Solothurn und ist seit 2009 als selbständige FährFrau verantwortlich für die Dienstleistungsangebote in der Region Bern-Mittelland. Sie hat als Präsidentin die Entwicklung des Vereins mitgetragen und -geprägt.

Die VereinsFrauen

Der Verein wird von rund 100 VereinsFrauen ideell und finanzi-ell getragen. Der Mitgliederbeitrag beträgt Fr. 120.– (nach oben offen). Die VereinsFrauen kommen aus verschiedenen Regionen der Deutschschweiz und auch ihre Motivation ist individuell. Allen gemeinsam ist ihr Interesse, dass Themen rund um Abschied, Tod und Trauer wieder vermehrt in unserer Kultur, in unserem Alltag und in unserem Leben sichtbar werden. Neue VereinsFrauen sind jederzeit herzlich willkommen!

Fragen oder Anmeldungen an: [email protected] oder über den 24hRuf 044 865 47 44

Das klare Todesbe-wusstsein von früh an trägt zur Lebensfreu-de, zur Lebensintensi-tät bei. Nur durch das Todesbewusstsein erfahren wir das Leben als Wunder.

Max Frisch

So selbstverständlich wie die Hebammen beim Eintritt in diese Welt gerufen wird, so 

natürlich soll der Ruf nach der FährFrau beim Austritt aus dem 

Leben sein.

Buchtipp: 

SabineBrönnimann:WenndieZeitsichneigt. Eine FährFrau begleitet bei Abschied, Tod und Trauer. Kösel Verlag 2012, 224 S., Fr. 24.50 / 16,99 Euro.«Geburt und Tod sind die Tore zu jenem Zeitabschnitt, den wir Leben nennen. Was vorher war und was nachher kommen mag, entzieht sich unserem Blick. An den Rändern des Lebens stellen sich Fragen, die uns unterwegs auf dem Lebensbogen nicht im gleichen Mass beschäftigen. Darum ist es spannend und aufschlussreich, zwischen-drin innezuhalten und zurückzuschauen auf die Zeit der Geburt. Und es lohnt sich, einen Blick in die offene Zukunft zu wagen.» FährFrau Sabine Brönnimann hat ein Buch mit kurzen Geschichten über Angst und Trauer, aber auch über das Loslassen und Vertrauen geschrieben. Sie erzählt über das Leben und regt mit ihren Texten zum Nachdenken an. Ein lesenswertes Buch, das berührt. Bm

Auf zur letzten Reise

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22  Zeitpunkt 120

Lebensreisen

Missionar  auf zwei RädernDer Inder Somen Debnath reist seit 2004 mit dem Fahrrad um die Welt. Allerdings nicht zu seinem Ver-gnügen, sondern für seine Mission, in der Welt mehr Bewusstsein für HIV/Aids zu schaffen. Er redet an Schulen, Universitäten und vor NGOs, wo er für das Verteilen von Spritzen an Drogenabhängige und den Gebrauch von Kondomen für Prostituierte plädiert. Um die Menschen für das Thema zu sensibilisieren, greift Somen auch mal zu spezielleren Methoden wie diesen Mai mit dem «Free Hugs»-Event in Paris. Die Inspiration für seine Mission hatte Somen mit 14, als er einen Artikel mit dem Titel «Aids ist tödlicher als Krebs» las. Es ging darin um einen Obdachlosen, der, verlassen von seinen Dorfbewohnern, vor das Medical College von Kalkutta gelegt wurde, um dort zu sterben. Der Artikel liess Somen nicht mehr los und er begann, seine Lehrer nach Aids und dem HIV-Virus zu fragen. Doch diese konnten ihm keine zufriedenstellenden Antworten geben. Zwei Jahre später begann Somen eine Ausbildung zum Facharzt und führte Aufklärungs-kampagnen zu HIV und Aids durch – angefangen bei seinen ehemaligen Lehrern. Stigmatisierung der Krankheit und mangelndes Wissen motivieren ihn am meisten bei seiner Arbeit. Mit seiner Mission erreichte er zuerst die Menschen in seinem Dorf, dann in seinem Land und inzwischen ist daraus eine weltweite Kampagne gewachsen. Bisher fuhr er durch 59 Länder und hat dabei rund 83 000 Kilometer zurückgelegt. Bis zum Jahr 2020 will der ambitionierte Inder 191 Länder bereist haben. Bm

www.somen2020world.com/hivaids-awareness.html

Auf der Walz

Es ist kurz vor Weihnachten. In einem Dorf bei Olten gehen fünf Wanderge-sellen durch die Kälte der aufziehenden Winternacht. Einer von ihnen ist der da-mals 30-jährige Mättu aus Bern. Nach zweieinhalb Jahren Wanderschaft ist er nun auf dem Weg nachhause. «Ich bin kein Weitgereister,» sagt er beschei-den und wird mir gleich neun Länder nennen, in die ihn seine Wanderschaft führte. Nachdem er ein Jahr lang mit einem zugeteilten Altgesellen unterwegs gewesen war, machte sich der junge Zimmermann alleine auf die Socken. Zu zweit, sagt er, verlasse man sich zu sehr auf den Anderen, habe es nicht nötig, Leute kennenzulernen. Alle paar Wochen weiterzureisen und immer aufs neue nach Unterkunft und Arbeit zu fra-gen, verlangt den Wandergesellen viel ab. Mehr als einmal musste Mättu unter freiem Himmel übernachten. Auf kleine Annehmlichkeiten, wie Zelt oder Gasko-cher, müssen die Wandergesellen dabei verzichten. Sie haben nur das, was sie am Leibe tragen und eine zweite Tracht in einer Kleiderrolle zusammengeschnürt, die man «Charly» nennt. Wenn die Gesel-len früher in Berlin-Charlottenburg (des-wegen auch «Charly») Arbeit annehmen wollten, mussten sie eine Kleiderrolle dabeihaben, um sich von herumstrei-chendem Gesindel zu unterscheiden. Auch das Wanderbuch, dass jeder Geselle mit sich führt, hat eine lange Tradition. In früheren Zeiten diente es als Ersatz für die heute üblichen Do-

kumente, wie Pass oder Identitätskarte. Heute ist es mehr zum romantischen Accessoire geworden. Stempeln lassen es die jungen Männer aber noch heu-te. Der schönste Stempel: Kopenhagen. Auch Mättu hat auf seiner Wanderschaft viele Stempel bekommen. Deutschland, Slowenien, Baltikum, Spanien und Skan-dinavien – wie ist es, überall aufzufallen? Die Tracht sei ein Türöffner, bestätigt Mättu. «Wenn die Leute dich anstarren, lächelst du oder sagst etwas und schon ist das Eis gebrochen». Darauf, dass ihre Tracht immer sauber, das Hemd weiss und gebügelt ist, achten die Wanderge-sellen sehr. Sie haben eine zum Arbeiten und eine «Schöne». Sie zeigt nicht nur die Zusammengehörigkeit unter den Gesel-len, sondern nimmt die jungen Männer auch in die Pflicht. Sich anständig zu benehmen ist dabei Ehrensache. Drama-tische Folgen hatten Ausrutscher für die Wandergesellen früherer Jahrhunderte. Ihnen riss man den Ohrring weg, wo-rauf sie lebenslänglich als «Schlitzohr» gebrandmarkt waren. Schlechte Erfahrungen hat Mättu kei-ne gemacht. Wohl aber die Menschen besser kennengelernt. «Leute, die selber wenig haben, geben gerne», erklärt er mir, so wie jene alleinerziehende Mutter in einem Vorort von Olten, die an einem frostigen Winterabend fünf fremden Männern Sandwiches mit «eme Gläsli Wisse» machte, bevor sich Mättu in der warmen Stube, zu seiner letzten Nacht auf Wanderschaft zusammenrollte. SL

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Lebensreisen

Zigeunerleben

In der Schweiz leben 30 000 Jenische und 37 000 Rätoromanen. Zwei Minderheiten. Während die Rätoromanen in Häusern woh-nen, ihre Hypothek abbezahlen und sich der Staat um die Erhaltung ihrer bedrohten Spra-che kümmert, haben die Jenischen in unserem Land andere Sorgen: Die 30 000 Fahrenden, würde man meinen, sollten fahren können. Doch die Plätze, die ihnen für ihre längeren Rasten zur Verfügung gestellt werden, bilden noch heute kein richtiges Netz. Irgendwo, in der Agglo der Agglo, bietet man den Jenischen Stellplätze an. Sanitäre Einrichtungen, wie auf jedem Campingplatz, ja sogar auf Baustellen, gibt es hier keine. Keine Grünflächen. Dafür einen Zaun, der den Ghettocharakter dieses vergessenen Bodens noch unterstreicht. Der Lärm der vorbeiziehenden Autobahn hinge-gen stört die Jenischen nicht, den würden sie inzwischen gar nicht mehr hören, sagen sie.

Viele Fahrende, die noch das alte Hand-werk des Messerschleifers oder Korbers ge-lernt haben, arbeiten heute als Selbständige in der Recyclingbranche. Das Vorurteil, sie würden stehlen, hält sich trotzdem hartnäckig. Die verknöcherten Meinungen der sesshaften Bevölkerung zu widerlegen fällt den Jenischen nicht leicht, denn bei der Integration happert’s: «Ich bin Jenischer, ich bin Schweizer, ich zah-le Steuern, ich mache Militär gleich wie je-der Sesshafte, aber ich bin nicht integriert als Fahrender», erzählt Herr D. Trotzdem bleiben die Fahrenden gerne unter sich. Ihre Kinder gehen zwar auf die öffentliche Schule, aber dann bei den Eltern in die Lehre. Grund uns zu trauen haben sie wenig. Ihnen die Hand zu reichen wäre nicht schwer: Die Jenischen an der Autobahnausfahrt Grenchen wünschen sich eine Thuja-Hecke statt einen Zaun. Das wäre nicht zuviel verlangt für die fünftgrösste Volksgruppe der Schweiz. SL

Der (Über)lebensreisendeMit 17 wollte Rüdiger Nehberg Schlangen-beschwörer werden. Dass er dafür mit dem Fahrrad von Bielefeld nach Marokko fahren musste, störte ihn nicht. Seinen Eltern sagte er einfach, er fahre nach Paris. Dort drückte er einem Freund ein Bündel vorfrankierter Postkarten in die Hand, die dieser wöchentlich an seine Eltern schicken sollte, während Rü-diger Richtung Afrika radelte. Als er feststellen musste, dass die marokkanischen Schlangen-beschwörer ihren Tieren allesamt die Giftzäh-ne zogen, fuhr er enttäuscht wieder heim. «So ist die Schlangenbeschwörung keine grosse Kunst», sagte er sich. Die gleiche Entschlos-senheit und Konsequenz sollte sich durch alle seine künftigen Reisen und Projekte ziehen.

Halbe Sachen hat Rüdiger Nehberg in den letzten 77 Jahren nirgendwo herum liegen lassen. Ob er dabei als Bäcker- und Konditor-meister einen Laden mit fünfzig Angestellten führte, auf Baumstämmen den Atlantik über-querte oder sich für die Rechte der Yanomami Indianer stark machte, die Intensität seines Handelns blieb immer die gleiche. Wenn ihn etwas begeistert, verschlingt er es mit Haut und Haaren. Wenn es sein muss, pulverisiert er dafür seine eigene Substanz. So wie bei seinem Deutschlandmarsch 1981, als er ohne Ausrüstung und Nahrung von Hamburg nach Oberstdorf marschierte. 25 Pfund verlor Rü-

diger in den 23 Tagen Marschzeit. «Wie eine Mumie», sei er gewesen, «aber eine happy Mu-mie.» Sein wichtigstes Training für den ersten Marsch zu den Indianern.

Rüdiger Nehberg ist ein Survival-Junkie. Die Droge hat er in den 60ern in den USA kennen-gelernt und seither scheint er am glücklichsten, wenn er irgendwo auf der Welt sein Leben in Gefahr bringen kann. Während andere sich zum Achtundsechzigsten eine Rheinschifffahrt leisten, liess sich Nehberg in Badehosen und Sandalen vom Hubschrauber im Dschungel aussetzen. Dass er im Laufe seines Lebens 22 bewaffnete Überfälle «survivte», hatte bei ihm wenig mit Glück zu tun. Er weiss, wie man überlebt.

Erst verhielt sich Rüdiger Nehberg wie ein schlaues Tier. Mittlerweile ist er so bekannt, dass schon mal der Eindruck entsteht, schlaue Tiere verhielten sich wie er. Seine Bücher und Vortragsreisen haben Tausende junger Globe-trotter inspiriert oder auch zur einen oder an-deren Dummheit verführt. Nehberg polarisiert gerne und ist bekannt für seinen tiefschwarzen Humor. Seine Popularität und Medienpräsenz nutzt er jedoch auch, um sich gemeinsam mit seiner Hilfsorganisation TARGET gegen Geni-talverstümmelung bei Mädchen einzusetzen. Mit grossem Erfolg: 2007 erreichte er, dass höchste islamische Geistliche die Mädchen-

beschneidung zum Verbrechen erklärten und der Brauch fortan als Sünde geächtet wurde. Nehberg ist ein leidenschaftlicher Mensch, der sich auf Waldboden genauso geschickt zu be-wegen vermag, wie auf politischem Parkett. Er wollte immer kurz und knackig leben. «Nun ist es nicht nur knackig geworden, sondern auch lang», freut sich der Überlebende. Herr Nehberg, mögen Sie hundert Jahre werden. Und dann eine «happy Mumie». SL

VonRüdigerNehbergistzuletzterschienen:SirVivalblicktzurück – Resümee eines extremen Lebens. Piper, 2010. 192 S., Fr. 28.90 / 19,95 Euro.Wovor hat der bekannteste Überlebenskünstler und Menschen-rechtler Angst? Worauf ist er stolz, was ist Glück für ihn, welche Fehler bereut er? Ehrlich und nachdenklich stellt sich Rüdiger Nehberg den großen Lebensfragen.

InfosüberRüdigerNehbergwww.ruediger-nehberg.deundseineMenschenrechtsaktivitäten: www.target-human-rights.com

Der letzte seiner ArtMeine Recherchen zu Walter Rys, dem möglicherweise letzten echten Hausierer der Schweiz, verliefen sich im Leeren. «Einisch isch jo de s’letzscht Mol woni chume», sagte Rys im Gespräch mit dem Schweizer Fernsehen, das sich 2006 seiner Geschichte annahm. In diesem Punkt wird er nun recht behalten haben. Fast vierzig Jahre war Rys mit seinem Handwagen im Aargau unterwegs. Hemli, Socken, Nastücher und lange Unterhosen stapelten sich in Netzsäcken in seinem Wagen, den er zu Fuss von Hof zu Hof zog. Angefangen hatte alles in den Achzigern, als Rys senior den damals 47 Jahre alten Walter in die Lehre nahm: Ein strenger Chef, der das Portemonnaie nie aus der Hand gab. Mehr als einmal bot die Wohngemeinde Walliswil Walter eine andere Arbeit an. «Walter», fragten sie ihn, «willst du nicht die Post austragen?» Aber Walter wusste, dass der Vater ihn brauchte. Nach seinem Tod übernahm er das Geschäft – gab denen, die es gut meinten mit ihm, Rätsel auf. Vielleicht auch sich selbst: «Zahlen konnte man, essen konnte man, aber wenn man dann auch noch hätte heiraten wollen ...» Walter blieb zeitlebens ledig, die Frauen aber kannte er ganz genau. Vielleicht hat er gerade deshalb sein Sortiment nie gewechselt. Ihnen etwas aufzuschwatzen, das hatte Walter nie nötig. Wohin er kam, gingen Fenster und Türen vor ihm auf. So auch im Altersheim «Jurablick» in Niederbipp, wo zuletzt viele seiner Kunden lebten. Ein kleines Fest, wenn wieder der Handwagen über den Hof rumpelte und Walter endlich mit den karierten Nastüchern kam. SL

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Lebensreisen

Eine volle Fahrt

Zwei Dinge hatte sich die damals 22-jährige Rose Marie fest vorgenommen: a. Nach Australien auswandern und b. sich nie mehr verlieben. Beides klappte nicht. Trotz-dem wurden die sechs Monate auf einem polnischen Containerschiff «das Ding» in ihrem Leben, wie sie es selbst nennt. Eigentlich wollte Rose Marie einfach weg, weg aus der engen Schweiz, weg von den Ansprüchen ihres Umfelds auf eine rasche Heirat. Einfach mal die jungen Flügel ausbreiten und sich treiben lassen. Dass sie ernsthaft vorhatte, in Australien zu bleiben, sagte sie niemandem. Von zusätzlichem Erfolgsdruck wollte sie sich die Reise nicht vermiesen lassen. Die erste Woche auf dem Frachter war furchtbar. Die Langeweile. Aber nicht nur die: Ein aufdringlicher Ste-ward machte ihr das Leben schwer. Rose Marie war mit den Nerven am Ende. Doch gerade, als sie nur noch nach hause wollte, stieg ein amerikanischer Professor mit seiner australischen Gattin zu. «Weitgereiste, belesene Leute», erinnert sich Rose Marie. Mit ihnen fühlte sie sich sicher. Und dann war da noch dieser Matrose, der singen und Gitarre spielen konnte. Während er Rose Marie die ersten Griffe beibrachte, begannen ihre Vorsätze in der

heissen Mittelmeersonne dahinzuschmelzen. Dass es nicht für immer sein konnte wusste sie und versuchte, nicht an den Abschied zu denken. Dass die Ankunft in Australien ihr gleich in mehr-facher Hinsicht den Boden unter den Füssen wegziehen würde, damit hatte Rose Marie nicht gerechnet. «Nach sechs Monaten auf See schwankte der Boden bei jedem Schritt. Ich musste mich andauernd hinsetzen – und dazu der Liebeskummer». In Australien kannte Rose Marie niemanden. Andere Backpacker hatten ihr gesagt, es sei einfach, in Australien schwarz zu arbeiten. Aber Rose Maries Englisch reichte nicht. In einem libane-sischen Take away entliess man sie nach einem Tag. Nach zwei Monaten ging Rose Marie das Geld aus. Ihre neuen Freunde liessen sie am Ende umsonst bei ihnen übernachten. «Die einzige richtige Arbeit hatte ich in der letzten Nacht, als ich in einer Zigarren-Fabrik putzte», lacht Rose Marie. Auf dem Rückweg über Singapur zog sie Bilanz. Hatte sich die Reise gelohnt? Heute, vierundzwanzig Jahre später zögert Rosmarie mit der Antwort keine Sekunde. «Die Erlebnisse von damals nähren mich immer noch», sagt sie. Noch 2008 ist ihr die Reise so nah, dass sie ein Tagebuch zu schreiben

beginnt, das nun unter dem Titel «Seemannsgarn» als Buch erschienen ist. Es scheint, als wäre ein Teil von Rose Marie noch immer unterwegs, ganz so wie wir alle immer ein bisschen zweiundzwanzig bleiben. SL

RoseMarieGasserRist:Seemannsgarn – ein Reisea-benteuer für Erwachsene. BoD, 2010. 160 S., Fr. 17.- / 11,90 Euro. Kann auch direkt bestellt werden bei Rose Marie Gasser, Kaffeegasse 7, 8595 Altnau, Tel. 071 690 09 82, seemanns-garn.jimdo.com

Rose Marie Gasser ist auch der gute Geist hinter dem Netzwerk «terranova», das sich im Raum Bodensee für eine nachhaltige Lebensweise und eine Kultur des Miteinanders einsetzt. Auf Facebook: Terra Nova (Bodensee)

Spiel, Ernst und Wandlung

Ein Spiel ohne Gewinner, das einen ganzen Tag dauert und bei dem es «nur» um per-sönliches Wachstum geht – das kann nicht wirklich spannend sein. Das dachte ich am Morgen, als ich mit Claudia Böni Glatz und zwei weiteren Mitspielern vor dem «Spiel der Wandlung» sass und es losgehen konnte. Das «Game of Transformation» wurde in den 70er Jahren in der spirituellen Gemeinschaft von Findhorn (Schottland) als Instrument zur För-derung von Wandlungsprozessen entwickelt und verbreitete sich von dort in alle Welt. Seit 1992 ist es auch auf deutsch verfügbar. Auf dem Brettspiel würfeln sich bis zu vier Teilnehmer durch einen Lebensweg, von der

Geburt durch die physische, emotionale und mentale auf die spirituelle Ebene, müssen Rückschläge hinnehmen und machen dabei allerhand Erkenntnisse. Bewusstseinspunkte und gute Dienste bringen einen weiter auf die nächste Ebene. Engel kommen zu Hilfe, um das in einem Umschlag verborgene Un-bewusste sichtbar zu machen, Schmerzpunkte aufzulösen oder sonstwie weiter zu kommen. Wer in Zufällen nicht ein Minimum an Sinn erkennen kann, braucht nicht zu spielen. Alle andern werden auf den elf verschiedenen Er-fahrungsfeldern – u.a. anderem Geistesblitz, Rückschlag, Einsicht, Wunder, Blockade oder freier Wille – Bezüge zur Spielabsicht entde-cken, die man zu Beginn schriftlich formuliert. Man kann sich etwa vornehmen, den Stress im Beruf abzubauen, die Partnerschaft zu er-neuern oder seine innere Stimme besser zu hören. Jeder Spielzug wird deshalb, moderiert von der Spielleiterin, reflektiert und bespro-chen. Ich kann mir vorstellen, dass man diese Reflexion auch übertreiben und als Therapie-ersatz verstehen kann. Aber Claudia machte dies locker und konzentriert, die Offenheit unter den drei spielenden Männern wuchs

von Runde zu Runde. Der Tag verging wie im Flug und als das Spiel wie geplant um vier Uhr beendet wurde, hätte ich gerne noch weiterge-macht. Die spirituelle Ebene, dies als Hinweis zu meinem Bewusstseinszustand, hatte ich nämlich noch nicht erreicht.

Das Transformation Game wird üblicher-weise unter der Leitung eines ausgebildeten «Facilitators» gespielt. Das macht Sinn. Denn der Grat zwischen Spiel und Ernst ist wie im normalen Leben auch, recht schmal. Und wenn man auf die eine oder andere Seite kippt, findet keine Wandlung mehr statt, sondern Versteifung oder Unverbindlichkeit. Wer die Gratwanderung jedoch beherrscht, erkennt, dass Spiel und Ernst ohne einander gar nicht existieren können. CP

ClaudiaBöniGlatz ist Psychomotorik-Therapeutin, Sing-, Tanz-, Ritualfrau und ausgebildete Leiterin für das «Spiel der Wandlung».. Die von ihr geleiteten Spiele finden in einem schönen Pavillon im Garten ihres Hauses mit Blick auf das Aaretal statt, eine stimmige Umgebung. Die Teilnahme kostet je nach Dauer Fr. 100.– bis 130.–. Weitere Informationen finden Sie auf www.claudiaboeniglatz.ch, oder bei einem der nächsten Infoabende am Montag, 16. Juli oder Donnerstag. 16. August jeweils 19.45 Uhr in Bellach/SO.

«DasSpielderWandlung» ist im Greuthof Verlag erschienen und für 69,80 Euro erhältlich. www.greuthof.de

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Lebensreisen

Vom Rausch der Reise«Fremd ist der Fremde nur in der Fremde» sagte schon Karl Valentin. Und so beginnen Elmar Schenkels Betrachtungen zum Reisen mit einem Text zum Fremdeln. Fremdeln als Motiv und Ziel der Reise, Fremdwerden als Zentrum der guten Geschichten der Weltliteratur, Befremdung als Vo-raussetzung eines Weges zu sich selbst. Das geht damit los, dass das Kind Elmar in die fremde Kreisstadt ins Gym-nasium kommt. Es geht weiter über Homer und Dante und manchen Eckpfeiler von Literatur- und Philosophie-Geschichte bis ins Paradies des 1. Buch Mose: Fremdeln und Fremde als Voraussetzung von Erkenntnis.300 Seiten geht es im Husarenritt weiter über Nähe und Ferne, Beobachtungen und Betrachtungen, immer mit einem schönen Schuss Humor. Schreiben kann dieser Elmar Schenkel, das Lesen ist eine Freude. Und Reisen tut er für sein Leben gern. Da er auch noch ein tiefsinniger Beleuchter seiner Beobachtungen ist, verbindet sich die Entführung an nahe und ferne Orte zu einem einmaligen Lesevergnügen. Walter Siegfried Hahn

ElmarSchenkel:VomRauschderReise.Futurum Verlag 2012. 330 S., Fr. 20.65 / 19,90 Euro.

Marktplatz für effiziente EnergielösungenCasinotheater und Neumarkt, Winterthur

Der Paradigmenwechsel in der Energieversorgung – ein Blick in die Zukunft.Kongress, Workshops und Ausstellung

13.–15. September 2012

www.blue-tech.ch

DasLeben,eineReise: LeserInnentipps

Das einfache Leben

Nach vielen Reisen in der algerischen Sahara veränderte die Deutsche Anne Donath ihr Leben komplett und trennte sich von allem, was sie nicht wirklich brauchte. Seitdem macht sie in ihrer Holzhütte, versteckt zwischen Weinre-ben und Rosen, ihren persönlichen Traum wahr – ohne Strom, Telefon, Heizung und Fernsehen. Einen Tag in der Woche geht Anne Donath arbeiten, die restliche Zeit verbringt sie damit, zu leben und die Welt zu bereisen.

AnneDonath:Werwandert,brauchtnur,wasertragenkann.Bericht über ein einfaches Leben. Piper 2007. 192 S., Fr. 13.90 / 9,20 Euro.

Lebendiges Werk  über eine DichterinIlka Scheidgen kennt die Dichterin Hilde Domin seit vielen Jahren und hat für die einzige autorisierte Biografie zahlreiche Ge-spräche mit ihr geführt: über Kindheit, Ju-gend, die Flucht vor den Nazis, ihre Jahre im Exil und die Rückkehr nach Deutschland. Diese Lebensstationen verknüpft die Auto-rin mit ausgewählten Gedichten Domins die zeigen, wie eng das Leben und Werk der Dichterin miteinander verbunden sind.

IlkaScheidgen:HildeDomin.Dichterin des Dennoch. Kaufmann Verlag 2011. 248 S., Fr. 21.90 / 19,95 Euro.

Das Abenteuer  ihres Lebens

Alexandra David-Néel war die erste Europäerin in Lhasa, der für Fremde verbotenen Haupt-stadt Tibets. Sie wurde 1868 

in der Nähe von Paris geboren. Nichts konnte sie von ihrem Le-benstraum abbringen, Tibet zu erforschen und so durchquerte sie nach dem 1. Weltkrieg das Land zu Fuss. In zahlreichen 

Büchern hat sie ihre Abenteuer festgehalten. 

Zeitlebens auf Reise, hat sie mit 100 Jahren ihren Reisepass vor-

sorglich verlängern lassen...

AlexandraDavid-Néel:MeinWegdurchHimmelundHöllen.Das Abenteuer meines Lebens. Fischer Verlag 2012. 320 S., Fr. 11.90 / 9,95 Euro.

Pilgern für die Kraft der Sonne

Der Basler Arzt Martin Vosseler ist ein ruhiger Mensch, der nie stehen bleibt und mit Sonnen-, Muskel und Geisteskraft weiter kommt als die atomgetriebenen Manager des schnellen Geldes. Der Träger des schweizerischen und des europäischen Solarpreises ist u.a. Initiant der Schweizer Sektion der ÄrztInnen für so-ziale Verantwortung und von SONNEschweiz. Er ist Mitbegründer des internationalen Ener-gieforums sun21 und der Ökostadt Basel und vor allem ist er für die Sonne weit gewandert:

2003 von Basel nach Bethlehem, 2008 von Los Angeles nach Boston und 2011 von Basel nach Petersburg. Zudem schaffte er als erster mit Freunden die Atlantik-Überquerung im Solarboot. Seine Wanderungen hat er in zwei faszinierenden Büchern beschrieben:DerSonneentgegen – zu Fuss von Basel nach Jerusalem für 100 % erdverträgliche Energie. emu-Verlag, 2010. 160 S.,Fr. 41.90 / 26,80 EuroMitSolarbootundSandalen– leise um die halbe Welt: Die erdverträgliche Entdeckung Amerikas. Emu-verlag, 2010. 188 S., Fr. 45.90 / 29,80 Euro.

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entscheiden & arbeiten

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erben – der ungerechte Lohn der GeburtDer Sohn von Michael Ballack wird nicht nächster Kapitän der Fussball- Nationalmannschaft. In der übrigen Welt sind derlei Absurditäten aber durchaus üblich. Erbschaften zementieren Familienprivilegien und unter-höhlen die Chancengleichheit. Schwerer wiegt, dass sich die Akkumulation von Vermögen und politischem Einfluss über Generationen fortsetzen kann. Wer für das Leistungsprinzip und gegen demokratisch nicht legiti-mierte Machtkonzentration ist, kann nicht gleichzeitig für uneinge-schränktes Erben sein. Es müssen Wege gefunden werden, Erbschaften auf ein sozialverträgliches Mass zu begrenzen.  von Roland Rottenfußer

die Ungerechtigkeit von Erbschaften em-pörte schon die grossen Geister der Aufklärung. 1784 schrieb der Komö-diendichter Beaumarchais in seinem berühmten Monolog des Figaro an die

Adresse des Adels: «Adel, Reichtum, Rang und Wür-den, all das macht Sie so stolz! Was haben Sie denn geleistet für so viele Vorteile? Sie haben sich die Mühe gegeben, geboren zu werden, weiter nichts.» Das Stück wurde zum Skandal, die betreffende Textstelle musste von Mozart und da Ponte aus ihrer Oper «Le Nozze di Figaro» entfernt werden.

In der öffentlichen Diskussion über die Verteilung des Reichtums wird das Thema Erbschaften selten berührt. Dabei basiert eines der bekanntesten Re-chenbeispiele über die Absurdität des Zinses auf dem Prinzip der unbegrenzten Vererbung: der «Josephs-pfennig». Der englische Moralphilosoph Richard Price rechnete 1772 aus: Ein Pfennig, angelegt mit 5 Prozent zum Zeitpunkt von Jesu Geburt, hätte bis in die Ge-genwart ein Vermögen im Wert von 150 Erden aus purem Gold erwirtschaftet. Das Beispiel funktioniert nur, wenn man die ungeschmälerte Weitervererbung von Vermögen unterstellt.

rIesenVermögen VerhIndern!Hier muss festgehalten werden: Übermässiger Reich-tum ist nicht nur deshalb schädlich, weil er Armut bedingt (dieser Effekt könnte ja durch Wirtschafts-wachstum begrenzt werden). Reichtum ist vielmehr

an sich schädlich, weil er Macht generiert, die nicht demokratisch verliehen ist. Sahra Wagenknecht, Spre-cherin der Partei «Die Linke», schreibt hierzu: «Poli-tische Macht ist heute nicht mehr unmittelbar erblich, wirtschaftliche Macht dagegen ist es, und mit ihr vererbt sich auch die Macht, der ganzen Gesellschaft die eigenen Interessen aufzuzwingen.»

Eigentlich ist die Erbschaftssteuer traditionell dafür konzipiert, solche Ungerechtigkeit zu begrenzen. In der Bayerischen Verfassung heisst es sogar: «Die Erb-schaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansamm-lung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern.» (Art. 123) Gut gemeint. Aber nur etwa 15 Prozent der Deutschen kommen jährlich in Genuss einer grösseren Erbschaft oder Schenkung. Der Rest ist faktisch «enterbt». Diese glückliche Minderheit wird von der Erbschaftssteuer meist nicht behelligt. Die Freibeträge belaufen sich auf 300 000 Euro (Ehegat-ten) oder 200 000 Euro (Kinder). Die Steuersätze sind nur für entfernte Verwandte wirklich bedrohlich (60 Prozent). Kinder kommen mit 15 Prozent davon.

dAs feudAle ZeItAlter beenden!Angesichts der machtvollen Zinseszinsdynamik und der für Erben sehr milden Gesetzgebung verwundert es, dass nicht noch grössere Vermögen angehäuft wurden. Kriege, Naturkatastrophen, Finanzkrisen und Währungsreformen haben in der Vergangenheit immer wieder Werte vernichtet. In einem globalen Monopoly, dessen «natürlicher» Spielausgang darin

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besteht, dass am Ende einem die ganze Erde gehört, konnte nur millionenfaches menschliches Leid (z.B. durch Kriege) das gröbste Unrecht verhindern. Da-bei betraf die Geldvernichtung hauptsächlich das Bar- und Buchgeld. Boden- und Unternehmensbesitz blieben auch über die Weltkriege hinweg sehr oft unangetastet.

Christian Felber, Mitbegründer von Attac Österrei-ch, fordert in seinem Buch «Gemeinwohlökonomie», Unternehmen nicht ausschliesslich an Söhne und Töchter, sondern an eine «demokratische Eigentümer-Innengemeinschaft» zu übergeben. Blutverwandte können sich unter bestimmen Umständen daran be-teiligen, folgen ihren Eltern aber nicht mehr automa-tisch in Führungspositionen nach. Dazu Felber: «Das ist, im Grunde genommen, nur ein noch ausständiger Schritt aus dem feudalen Zeitalter.» Erben in der heu-tigen Form verursacht gesamtgesellschaftlich mehr Schaden als Nutzen. Christian Felber begründet dies so: «Das (unbegrenzte) Erbrecht annulliert die einzige ‹natürliche› negative Rückkoppelung des Kapitalis-mus: Dass aufgebaute und konzentrierte Vermögen wieder dekonzentriert und zerteilt werden. Damit ist es das vielleicht grösste Einzelhindernis auf dem Weg zu einer chancengleichen, egalitären und demokra-tischen Gesellschaft.»

brutpflegeInstInkt und dIe Verdrängung des todesWie konnte sich etwas so offensichtlich Unlogisches und Ungerechtes so lange halten? Interessanterwei-se glauben auch Benachteiligte des herrschenden Erbrechts oft irrtümlich, dieses sei zu ihrem Vorteil. Man freut sich über die 5000 Euro, die die alte Mutter noch auf ihrem Sparbuch hatte. Wenige erkennen, dass auch beim Erben die überwältigende Mehrheit der Menschen draufzahlt. Das Gesamtvermögen in Deutschland beläuft sich auf 8,1 Billionen Euro. «Würde dieses zu gleichen Teilen auf alle neu in das Erwerbsleben Eintretenden verteilt, wären das bis zu 200 000 Euro pro Person.» (Christian Felber). Jeder, der weniger erbt, gehört rechnerisch also zu den Verlierern.

Wenn wir fragen, warum die meisten Normalbürger dem Prinzip des Erbens intuitiv Sympathie entgegen-bringen, kommen wir – neben fehlenden Informati-onen – vor allem auf drei Gründe:1. Eine Art «Brutpflegeinstinkt». Man möchte seine

Kinder versorgt wissen, auch über den eigenen Tod hinaus.

2. Die Verdrängung des Todes. Man hofft, in seinen Erben noch indirekt weiterleben zu können.

3. Der Wunsch nach Macht. Man möchte über den Tod hinaus das Verhalten der Nachkommen domi-nieren.

erbstreItIgkeIten und unfähIge kronprInZenVon diesen Gründen sind mindestens die ersten bei-den legitim. Man vergisst aber leicht, dass Erbschaften seit Urzeiten Anlass für viel psychisches Elend, Neid und Ungerechtigkeit waren. Ein Beispiel ist die Si-tuation auf Bauernhöfen im ländlichen Raum. Teilte man Hof und Grund auf alle Kinder auf, so war der Besitz parzelliert, die Einzelteile waren nicht mehr überlebensfähig. Also vererbte man alles dem ältesten Sohn. Der jüngere musste sich beim Nachbarbauern als Knecht verdingen. Die Tochter wurde verheiratet. Solche Konstellationen vergiften zahllose Familien nach dem Tod des Erblassers – und schon vorher, indem sich Kinder zu unterwürfigem Verhalten ver-anlasst sehen.

Nicht besser ist die Situation bei der Vererbung von Familienunternehmen. Christian Felber beklagt: «Das Erbrecht führt dazu, dass die meisten Unternehmen, die heute von UnternehmerInnen aufgebaut werden, morgen von Personen geführt werden, die sich in erster Linie dadurch qualifiziert haben, Sohn und Tochter der VorbesitzerIn zu sein.» Ungeeignete und unwillige Erben werden in verantwortungsvolle Po-sitionen gehievt und bestimmen über das Wohl und Weh der Angestellten. «Stille Erben» begnügen sich mit einer Position im Hintergrund und schöpfen im Unternehmen nur den Rahm ab. Fähige Manager werden, da nicht von edlem Geblüt, von der Spitze ferngehalten.

mIllIArdenVermögen kAnn mAn nIcht «VerdIenen»In welche Richtung sollten Lösungen also gehen? Hierzu gibt es aus jüngerer Zeit ein paar bedenkens-werte Vorschläge. Sarah Wagenknecht argumentiert in ihrem Buch «Freiheit statt Kapitalismus»: «Wer sein Einfamilienhaus, sein erarbeitetes Spargeld und seine persönlichen Gegenstände in der Hand seiner Kinder wissen will, den sollte der Fiskus in Ruhe lassen. Millionen- oder gar milliardenschwere Grossvermö-gen dagegen beruhen nie nur auf der Arbeitsleistung eines einzelnen Menschen. Vielfach wurden sie selbst bereits ererbt.» Als Schlussfolgerung schlägt Wagen-knecht vor, Erbschaften generell auf 1 Million Euro zu begrenzen. Alles, was darüber hinausgeht, solle mit einer Steuer von 100 Prozent belastet werden.

Betriebsvermögen, das die 1-Million-Grenze über-schreitet, soll laut Wagenknecht jedoch nicht an den Staat gehen, «sondern würde in unveräusserliches Belegschaftseigentum übertragen». Die meisten Fir-menerben, argumentiert sie, seien ohnehin nicht da-ran interessiert, ein Unternehmen weiterzuführen. Nur 20 Prozent der Unternehmen gingen auf die zweite Generation über. «Erben führen also nichts

Erfahrungen vererben sich nicht – jeder muss sie allein machen.  Tucholsky

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Zeitpunkt 120  29

weiter, sie verkaufen. Die Beschäftigten, auf deren Arbeit der Unternehmenserfolg wesentlich beruht, werden zur Manövriermasse ohne relevante Mitspra-cherechte.» Indem man die Privilegien der Erben ab-baut, beschreitet man für Wagenknecht auch den «Weg in eine echte Leistungsgesellschaft».

möglIche lösung: dIe «demokrAtIsche mItgIft»Christian Felber ist, was die Verwendung der Gelder aus Erbschaftsteuer betrifft, noch präziser. Er will Erbschaften bei Finanz- und Immobilienvermögen auf 500 000 Euro pro Person begrenzen. «Darüber hinausgehende Erbvermögen gehen in das Eigen-tum der Allgemeinheit über und werden zu gleichen Teilen an die Nachkommen der nächsten Generati-on verteilt.» Diesen Zuschuss für alle Nachkommen nennt Felber die «Demokratische Mitgift». Sie könnte jungen Menschen z.B. automatisch mit ihrem 18. Geburtstag ausgezahlt werden. Würde die demokra-tische Mitgift z.B. 50 000 Euro pro Person betragen, erhielte jemand, der von seinen Eltern später 75 000 Euro erbt, nur noch die Differenz: 25 000. Der Rest käme jungen Menschen ohne privates Erbe zugute.Die demokratische Gesellschaft würde Berufsteinstei-gern damit signalisieren: Ihr seid uns etwas wert, und wir trauen euch etwas zu. Was das Weitervererben von Immobilien betrifft, so weist Felber darauf hin, dass in Österreich nur fünf Prozent der Bevölkerung ein Haus besitzen, das mehr wert ist als 450 000 Euro. Die wenigsten würden also bei einer Erbschaftsre-form verlieren. Und wer doch betroffen wäre, käme nicht gerade an den Bettelstab.

prIVIlegIenerhAlt für den geldAdelIm Übrigen würde eine Begrenzung der Hinterlassen-schaften auf ein «Höchsterbe» einige Probleme lösen, die ein höherer Spitzensteuersatz und eine milde Vermögenssteuer nicht lösen können. Solche Mass-nahmen bremsen die Dynamik der Umverteilung von

unten nach oben kaum, die u.a. durch Zinsen und Mieten vorangetrieben wird. Es stellt eine traurige Selbstkastration politischen Handelns dar, wenn sich «Visionäre» heute fast nur noch darauf beschränken, eine destruktive Entwicklung zu verlangsamen. Greift der Staat das liquide Vermögen und das Anlagever-mögen an, können Superreiche auf Sachwerte aus-weichen: Boden, Immobilien, Lebensmittel. Damit richten sie mitunter noch mehr Schaden an. Bei einer Obergrenze für Erbschaften risse wenigstens Gevatter Tod den privilegierten Familien das Streichholz aus der Hand, mit dem sie das Dach der Realwirtschaft in Brand setzen könnten.

Eine Neuordnung des Erbrechts ist notwendig. Die Nutzung von vererbtem Gut sollte an eigenen oder gemeinschaftlichen Gebrauch, an Sozialverträglich-keit und an die Bereitschaft gekoppelt sein, durch Ei-genleistung dessen Wert zu erhalten. In allen anderen Fällen ist Weitervererbung nichts als Privilegienerhalt für einen Geldadel, den zu alimentieren sich unsere schlingernde Volkswirtschaft nicht mehr leisten.

Literaturtipps:ChristianFelber:GemeinwohlökonomieVerlag Deuticke, 2010. 160 S., Fr. 26.90 / 15,90 Euro

SahraWagenknecht:FreiheitstattKapitalismusCampus Verlag 2012, 406 S., Fr. 28.90 / 19,99 Euro

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Erben – die Mühe geboren zu werden

Millionenschwere Grossvermögen beruhen nie nur auf der Arbeitsleistung eines einzelnen Menschen. 

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entscheiden & arbeiten

30  Zeitpunkt 120

Vollgeld Im steIgflugDreimal mehr Besucher als vor einem Jahr verzeichnete die Tagung «Voll-geldrefom oder Systemkrise?» von anfangs Juni in Zürich. Das ist ein schö-ner Erfolg für den Verein Monetäre Modernisierung. Aber die Flughöhe ist noch nicht erreicht. Das Vorhaben, die private Geldschöpfung zu beenden, kann immer noch in die Bedeutungslosigkeit abstürzen.   von Christoph Pfluger

«Es wird eine Zeit kommen, wo – in unserem Lande wie anderwärts – sich grosse Massen Geldes zusam-menhängen, ohne auf tüchtige Weise erarbeitet und erspart worden zu sein: Dann wird es gelten, dem Teufel die Zähne zu weisen; dann wird es sich zeigen, ob der Faden und die Farbe gut sind an unserem Fahnentuch.» Mit diesen prophetischen Worten von Gottfried Keller eröffnete Hansruedi Weber, Präsident des «Vereins Monetäre Modernisierung» (MoMo) am 1. Juni an der Universität Zürich die Tagung. 300 Personen waren gekommen, um sich in das «bestge-hütete Bankgeheimnis» einführen zu lassen, in die Frage nämlich «wie entsteht Geld?»

Die Antwort gab Joseph Huber, Prof. für Wirt-schafts- und Umweltsoziologie der Uni Halle in sei-nem Eröffnungsreferat: Es waren die Banken, die öffentlichen Schuldnern ohne Rücksicht auf Rück-zahlbarkeit bedingungslos Kredit gewährten und damit die Giralgeldmenge exponentiell steigerten. Das Resultat: Wiederholte Blasenbildung ohne re-ale Wertschöpfung mit darauf folgenden Krisen. Die Derivate, die ursprünglich der Absicherung der Ansprüche dienten, verkehrten sich in der Folge in ihr Gegenteil und wurden zu blossen, risikoreichen Wetten. Dies zeigte Prof. Marc Chesney, Vizedirektor des Departementes «Banking and Finance» der Uni Zürich. Die Perversion geht mittlerweile so weit, dass sich mit Bankrotten von Staaten mehr Geld verdie-nen lässt, als wenn diese gedeihen würden. Er sieht deshalb ein Zulassungsverfahren für Finanzprodukte wie bei vielen Produkten in der Realwirtschaft als un-abdingbare Voraussetzung für die Domestifizierung der Finanzwirtschaft zur Dienerin der Realwirtschaft.

Aber, wie der Historiker und Buchautor Peter Hablüt-zel («Die Banken und ihre Schweiz») feststellte: Die Schweizer Politik hat die Chance der Krise zur Reform nicht gepackt, sondern im Gegenteil nichts von dem umgesetzt, was sie vollmundig angekündigt hatte.

Warum versucht die Politik, das Schuldenpro-blem mit weiteren Schulden zu lösen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben? Nach Ansicht der Geldexpertin Prof. Margrit Kennedy leiden die Politi-ker aller Parteien an einer vollständigen Unkenntnis über die Funktionsweise unseres Geldsystems und verkennen daher auch die Bedeutung komplemen-tärer Regionalwährungen, die wesentlich zur Stabilität unseres Geldsystems beitragen und die Zwänge des Bankengeldes mildern könnten. Aus der Systemthe-orie weiss man, dass hocheffiziente, monopolartige Netze wie unser Finanzwesen viel weniger stabil sind als solche, die auf mehreren Pfeilern ruhen, selbst wenn sie weniger effizient sind.

Unser Geldsystem mit der eingebauten Umvertei-lung von Arbeitenden zu Besitzenden wirft natürlich auch ethische Fragen auf, wie Prof. Mark Joób erläu-terte. Freiheit im neoliberalen, negativen Sinn (z.B. die Abwesenheit von Zwang und Regulierung) müsse mit einer positiven Freiheitsauffassung ergänzt werden: als reale Handlungsmöglichkeiten, Zuteilung von Res-sourcen und einem nachhaltigen Sozialstaat, der nur in einem Vollgeldsystem realisiert werden könne.

Die Versorgung der Gesellschaft mit Geld muss öffentliche Aufgabe sein und darf nicht den Eigen-interessen privater Banken überlassen werden. Daran liess der emeritierte Staatsrechtsprofessor der Hoch-

Wem das Geld zu Kopf steigt, der hat keinen.

Aristoteles Onassis

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Zeitpunkt 120  31

«Nicht befriedigt» erklärten sich dieNational-räteGeriMüller(Grüne/AG)undLukasReimann(SVP/SG)mit der Antwort des Bundesrates auf ihre Interpellationen, in denen sie u.a. brisante Fragen nach der privaten Geldschöpfung und deren Schaden für die Realwirtschaft stellten.

«Nicht befriedigt» ist eine mehr als anständige Reaktion auf ein bundesrätliches Papier, das im Grunde eine Frech-heit ist. Auf die Frage von Geri Müller, wie sich die private, unbare Geldschöpfung durch die Banken mit dem in Artikel 99 BV formulierten Geldregal vereinbare, nach dem das Geld- und Währungswesen Sache des Bundes ist, antwor-tet der Bundesrat: «Die Entwicklung des Bargeldsurrogats ist im Sinne der verfassungsrechtlichen Konzeption dem Markt überlassen.» Wie bitte? Irgendwo in den Gewölben des Bundeshauses muss sich eine verfassungsrechtliche Konzeption der wichtigsten Substanz unserer Volkswirt-schaft verstecken. Aber der Bundesrat verliert kein Ster-benswörtchen über ihre Herkunft und Natur. Vermutlich existiert sie gar nicht. Da halten wir uns lieber an das Gesetz, und das listet die gesetzlichen Zahlungsmittel ab-schliessend auf: Münzen, Bargeld und Sichtguthaben bei der Nationalbank – für Normalbürger nicht erhältlich und das einzige unbare gesetzliche Zahlungsmittel.

Für das Bargeldsurrogat bestehe keine Annahme-pflicht, schreibt der Bundesrat in seiner lumpigen Antwort.

Das ist nur auf dem Papier richtig. In der Realität ist das Gegenteil wahr, wie ich unlängst beim Versuch, meine Steuerrechnung bar zu bezahlen erfuhr. «Hier können Sie nicht bezahlen» beschied man mir am mit «Steue-rinkasso» bezeichneten Schalter. Nach einigen Minuten freundlichen, aber unnachgiebigen Hinundhers wird die Vorgesetzte gerufen, die mir mit der Überzeugung einer unfehlbaren Beamtin erklärt, die Barzahlung von Steuern sei nicht möglich. Doch auch sie muss vor dem Argument des gesetzlichen Zahlungsmittels kapitulieren und holt den Abteilungsleiter. Der humorvolle Mann hat Verständnis für meinen Test, kassiert und quittiert den Betrag, den er noch gleichentags an einem Schalter in Buchgeld verwandeln wird, das über die Vorschriften über Mindestreserven, Eigenmittel und Liquidität nur noch zu rund zehn Prozent aus gesetzlichem Zahlungsmittel besteht.

FastnochschlimmerergingesLukasReimann mit seinen Interpellationen. Ein Problem der kaum kontrol-lierten Geldschöpfung durch die Kreditvergabe durch die Banken ist das gestörte Gleichgewicht zwischen Geld- und Gütermenge. Konsequenterweise wollte er u.a. wissen, wofür die Bankkredite (das neu geschöpfte Geld!) verwen-det wurden. Der Bundesrat versuchte, ihn mit einer Nicht-Antwort abzufertigen: «Gemäss Kreditstatistik gingen Ende 2011 5 Prozent der gesamten Kredite an finanzielle

Unternehmen; 95 Prozent der gesamten Kredite wurden somit an Haushalte, nicht-finanzielle Unternehmen und öffentliche Unternehmen vergeben.» Die Klassifizierung der Empfänger der Kredite sagt rein gar nichts über deren Verwendung aus. Diese ist nicht nur für die Inflations-gefahr wichtig, sondern auch für die Realwirtschaft. Je mehr Kreditgeld in Finanzanlagen fliesst und dort leichte Gewinne ermöglicht, desto stärker leidet die Realwirt-schaft, wo die echten Werte geschöpft werden.

MitseinenAntwortenmachtderBundesratklar,fürwenerParteiergreift (nicht für die Realwirtschaft), wie gross sein Interesse an einer Klärung der Geldschöp-fungsfragen ist (unter Null) und wie er die Diskussion über die Grundfragen unseres Geldsystems zu führen gedenkt (mit Nebelschwaden aus Plastikwörtern und nicht-existenten «verfassungsrechtlichen Konzeptionen»). Falls die Finanzkrise auch in der privilegierten Schweiz voll zuschlägt, könnten sich Papiere, wie er sie Müller und Reimann geliefert hat, durchaus zu einem Rücktrittsgrund entwickeln. Zum Glück muss er Antworten auf Interpella-tionen nicht unterschreiben. Dann ist hinterher niemand verantwortlich. CP

Alle fünf Interpellationen, Antworten des Bundesrats und Kommentare sind zu finden auf www.zeitpunkt.ch (Suchbegriff «Geld-Interpellationen»)

Bundesrat und Geldschöpfung: Diskussion unerwünscht 

schule St. Gallen, Philippe Mastronardi, im Abschluss-referat keinen Zweifel und stellte eine umfassende Finanzmarktreform vor. Kernpunkt: Das in Art. 99 der Bundesverfassung formulierte Geldmonopol wird von Münzen und Banknoten auf das von den Ban-ken geschöpfte Giralgeld erweitert. Alles Geld, auch das unbare, wird nach Massgabe des Wirtschafts-wachstums von einer Nationalbank mit erweiterten Kompetenzen über die staatlichen Organe zins- und schuldfrei in Umlauf gebracht.

Der Verein MoMo bewies mit der Einladung von Referenten mit abweichenden Meinungen Mut zu  einer kontroversen Tagung. Aber er wurde schlecht belohnt. Einerseits blieb das Medienecho erneut mehr als mager und man muss sich schon langsam fragen, was den Mainstream bewegt, ein derart wichtiges Thema wie die privatisierte Geld-schöpfung so konsequent zu ignorieren. Andrerseits wurden die strittigen Fragen an der Tagung bloss ge-streift, aber nicht diskutiert. Während der Buchautor und Journalist Werner Vontobel («Blick») das «kaputte Finanzsystem» als Resultat der kaputten Wirtschaft mit einseitigen Überschüssen und unkontrollierter Umverteilung sieht, liegt für Joseph Huber die Ur-

sache in der unkontrollierten Geldschöpfung durch die Banken. Der liberale Wirtschaftspublizist Beat Kappeler gab sich als Gegner der privaten Geldschöp-fung zu erkennen und forderte aber ein 100-Prozent-Geld, nach dem sich die Wirtschaft nicht mehr über Kredite, sondern Anlagegelder finanzieren soll, wie dies in den USA bereits zu 70 Prozent der Fall sein soll. Eine Geldschöpfung durch staatliche Organe erfordere «engelhafte Politiker» und könne deshalb nicht funktionieren.

Wenn solche Fragen nicht ausdiskutiert werden, wird es die geplante Volksinitiative für eine Vollgeld-reform schwer haben, die nötige Unterstützung in der Zivilgesellschaft zu finden. Obwohl der Verein Mone-täre Modernisierung kräftig gewachsen ist, musste er die Lancierung der Initiative vom Jahresende auf den nächsten Frühling verschieben. Immerhin hat er mit dieser Tagung gezeigt, dass er mit seinem kompetenten wissenschaftlichen Beirat die führende Kraft der Geld-reform ist. Was vor allem fehlt, sind ein paar Politiker, die dem heissen Thema eine Bresche schlagen.

WeitereInformationen:Verein Monetäre Modernisierung, Wettingen. www.vollgeld.ch. Auf der Website sind die einzelnen Vorträge aufgeschaltet.

Vollgeld im Steigflug

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entscheiden & arbeiten

Zeitpunkt 120  33

«heAtbAll» mit Humor gegen das GlühlampenverbotEs war nur als Satire gedacht, aber die Behörden haben voll mitgespielt. Dr. Rudolf Hannot, studierter Elektrotechniker und Inhaber einer Firma für Entwicklung und Produktion elektrotechnischer Bauteile war anfangs der Stromsparlampe «sehr zugetan» und hat sie «offensiv eingesetzt». Doch die Qualität des Lichts und die Langlebigkeit unter den versprochenen 15 000 Stunden befriedigten ihn nicht. Als dann die EU die Glühlampen verbot und Hannot erfuhr, dass mit der Herstellung der giftigen Lampen enorme Umweltschäden verbunden waren und die verbliebenen Hersteller riesige Ge-winne einfuhren, setzte er zusammen mit seinem Schwager Siegfried Rotthäuser zum satirischen Gegenangriff an. Sie gründeten die «Elektrische Widerstandsgenossenschaft eG» (EWG) und lancierten den «Heatball», ein «Kleinheizelement mit Lichtverlust, passend für die Lampenfassung.» Eine erste Serie von 4000 Stück wurde im Herbst 2010 im Nu verkauft. Das Medienecho war enorm, zu-mal Umweltminister Röttgen vor laufender Kamera in der Sendung «Beckmann» einen Heatball erhielt. Da verstanden die Behör-den keinen Spass mehr. Die für Sprengstoffe zuständige Abteilung der Bezirksregierung Köln untersuchten die Heatballs, stellte fest, dass es sich um Glühlampen handelte und verbot die Inverkehrsetzung der ge-fährlichen Ware. Es begann eine Serie von Verfahren, mit Beschlagnahmung der Heat-balls im Zollfreilager, dann Freigabe unter Beibehaltung des Verkaufsverbots. Der ak-tuelle Stand: Die Heatballs dürfen zu Aus-stellungszwecken abgegeben werden. Und: Gerichtlich wurde festgestellt, dass jeder «durchschnittlich intelligente» Mensch die Aktion als Satire erkennen könne.

Das Glühlampenverbot ist von zweifel-haftem Nutzen  für die Umwelt, dafür umso grösserem für Philips und Siemens, die beiden hauptsächlichen Patentinhaber. Gab es vor dem Verbot noch Dutzende von Herstellern in Europa, beherrschen heute

ein paar wenige Firmen den Markt. Glüh-lampen kosten in der Herstellung in China 10 bis 15 Cent, mit Transport und Zoll ab einem europäischen Hafen 20 Cent. Bei einem Endverkaufspreis von 60 Cent liegen für die verschiedenen Handelsstufen insge-samt 40 Cent drin, abzüglich Mehrwertsteu-er, wahrlich kein lohnendes Geschäft.

Ganz anders bei den Stromsparlampen: Billigere Modelle kosten in der Herstellung 30 Cent, teurere rund 60 Cent, geliefert und verzollt ab europäischem Hafen rund 70 Cent. Bei einem durchschnittlichen Ver-kaufspreis von 6 Euro, beträgt die Brutto-marge Euro 5.30 oder rund dreizehnmal mehr. Bei jährlich 2,1 Mrd verkauften Lam-pen kommt da ein hübsches Sümmchen zusammen. Dafür lohnt es sich auf jeden Fall, in Brüssel und bei den Umweltorgani-sationen zu lobbyieren.

Nur  wenige  wissen,  dass Philips her-kömmliche Glühlampen noch immer ver-kaufen darf, aber nur noch als «stossfeste» Arbeitslampe und nicht für den breiten Konsum. Diese Lampe ist bei der EWG seit ein paar Monaten im Angebot, von den Be-hörden toleriert. Die Realsatiriker von der Elektrischen Widerstandsgenossenschaft eG planen schon den nächsten Schritt, die Lancierung dieser Philips-Lampe als «Work-ball». Diese wird das Gericht kaum verbieten können. Was geschieht, falls die EWG-Leute auf die naheliegende Idee kommen, diesel-

be Lampe unter der Bezeichnung «Heatball 2.0» auf den Markt zu bringen, können wir nur ahnen. Ohnehin sind die Behörden längst zur verdeckten Kriegsführung über-gegangen. Die Firma des Geschäftsführers der Genossenschaft wurde aus heiterem Himmel einer neunmonatigen Zollprüfung unterzogen, in deren Verlauf die Angestell-ten 25 000 Dokumente kopieren mussten – allerdings ohne wesentliches Ergebnis. Der Spass endet, wo das monopolisierte Geschäft beginnt.

In  zwei  Jahren wird die EU-Kommissi-on das Glühlampen-Verbot revidieren und wahrscheinlich zur Erkenntnis kommen, dass die Stromsparlampen nicht der Weis-heit letzter Schluss sind. Aber anstatt zur Glühlampe zurückzukehren und mit einem Klimaschutzaufschlag zu belegen, wird sie den Weg zur zwangsweisen Einführung der LED-Leuchtmittel ebnen. Die kosten dann noch einmal fünfmal mehr als die Strom-sparlampen. Das Geschäft muss schliesslich weitergehen. Der Humor auch. Christoph Pfluger

In der Schweiz lagern ebenfalls 4000 Heatballs, bei Franz Gehrigs Werbeartikelfirma in Bern. Ihr Verkauf wurde vom Bundesamt für Energie unter Strafandrohung verboten. Gehrig gibt aber nicht auf. Auch er hat den Humor noch nicht verloren.

WeitereInformationen:Elektrische Widerstandsgenossenschaft eG, 52382 Niederzier, Tel. +49 242 890 56 70, www.heatball.de

Der soeben in Deutschland gestartete österreichische Dokumen-tarfilm BulbFiction nimmt das Verbot der Glühlampe zum Anlass, um Macht und Machenschaften der Industrie, sowie den Wider-stand gegen die «EU-Richtlinie zur Regulierung von Lichtprodukten in privaten Haushalten» zu portraitieren. Energiesparen, egal zu welchem Preis. Brüssel verbietet die Glühlampe und zwingt damit alle EU-BürgerInnen zum Kauf von quecksilberhaltigen Kompakt-leuchtstofflampen. Der Film zeigt, warum diese von Industrie, Politik und NGOs als «win, win, win» bezeichnete Massnahme für uns Bürge-rInnen teuer, ungesund und fragwürdig ist.

ChristophMayr:Bulb-Fiction. Nach einer Idee von Moritz Gieselmann. Neue Sentimental Film, 2011. 90 Min. www.bulbfiction-derfilm.com

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entscheiden & arbeiten

3�  Zeitpunkt 120

Der amerikanische Kongress muss sich mit der Geldreform befassen

Während Obama, Hollande und andere Spitzenpolitiker für einen «Wachstumspakt» und eine markante Erhö-hung der Verschuldung werben, hat der amerikanische Kongressabgeordnete Dennis Kucinich (Cleveland/Ohio) eine einfache Lösung: Der amerikanische Kongress soll sein verfassungsmässiges Recht der Geldschöpfung nutzen und damit die dringend nötige Instandsetzung der Infrastruktur finanzieren. Dies fordert ein Geset-zesvorschlag, den Kucinich am 1. Mai unter dem Titel «National Emergency Employment Defence Act (The N.E.E.D. Act) einreichte. Insgesamt geht es um 2200 Milliarden Dollar, die in den nächsten fünf Jahren nötig sind, um den Abstieg der USA zum Schwellenland zu verhindern. Zudem geht es um die Schaffung von Mil-lionen von Arbeitsplätzen in der Realwirtschaft.

Was auf den ersten Blick wie ein Inflationsbeschleu-niger aussieht, hat aber Hand und Fuss. Anstatt dass sich der Staat bei den Banken weiter verschuldet und damit mehr Geld zurückzahlen muss, als er erhält, schöpft er es kraft seiner verfassungsmässigen Kom-petenz und gibt es für die Schaffung realer Werte aus, die allen zugute kommen. Weil Geldmenge und Bruttosozialprodukt im Gleichschritt steigen, tritt keine Inflation ein. Die Umsetzung der einleuchtenden Idee ist allerdings nicht so einfach. In Umlauf gebracht wird das Geld bis jetzt zum grössten Teil von den Banken (als Kredit) und in geringerem Ausmass vom Federal Reserve System (Fed), der in ihrem Besitz stehenden amerikanischen Zentralbank. Kucinichs Gesetzesnovelle fordert deshalb

die Verstaatlichung der Fed und ihre Integration in das Finanzministerium. Eine separate «Money Authority» soll die Geldschöpfung überwachen und sicherstellen, dass sie den Bedürfnissen der Wirtschaft entspricht und weder inflationär noch deflationär wirkt. Die von Kucinich angestrebte Neuregelung ist im Grunde eine Vollgeld-Reform, welche die Geldschöp-fung durch die privaten Banken unterbinden und durch ein staatliches, zins- und schuldfreies Zahlungsmittel ersetzen will. Im Hintergrund der Reform steht das Amercian Monetary Institute AMI. Ohne breites Be-wusstsein für die Natur des Geldes, wird sie es schwer haben, sich in der Politik durchzusetzen, auch wenn sie bereits von einigen Berufsverbänden unterstützt wird. CPWeitere Informationen: www.kucinich.us

Ökostrombörse Schweiz gestartet Der Bund will sie, die Wirtschaft will sie,

die Bevölkerung will sie – erneuerbare En-ergie. Doch harzt es hierzulande an einer entscheidenden Stelle: Wegen der soge-nannten Deckelung erhalten viele Produ-zenten und solche, die es werden wollen, keine kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für den Strom, den sie aus Sonne, Biomasse, Wind oder Wasser gewinnen. Die Ökostrombörse Schweiz, die am 5. März online ging, will einen Ausweg aus dem Dilemma schaffen, indem sie eine Alterna-tive zur KEV bietet. Stromproduzenten nicht geförderter Photovoltaik-, Wind-, Wasser- und Biomasseanlagen können auf dieser elektronischen Börse ihren nachhaltigen Strom anbieten und erhalten dafür einen marktgerechten Preis. Das Angebot richtet sich insbesondere an private Produzenten, die z.B. Strom durch Photovoltaikflächen auf dem eigenen Dach erzeugen.

So funktioniert die Börse:1. Ein Energieversorger schreibt eine

bestimmte Menge an erneuerbare produziertem Strom aus: beispiels- weise 100 000 kWh für 5 Jahre.

2. Anlagenbetreiber bieten eine bestimmte Menge Strom zum ge-wünschten Preis an.

3. Die Angebote werden nach dem Preis sortiert. Wenn die ausgeschrie- bene Menge erreicht ist, fällt das teuerste Angebot raus. Alle Anbieter können jedoch ihr Angebot anpassen. Es spielt ein transparenter Wettbewerb.

4. Nach Ablauf der Ausschreibung stehen die Gewinner fest und erhalten einen Abnahmevertrag.

5. Der Energieversorger liefert den Strom an seine Kunden.

Bereits nutzen namhafte Energieversorger wie die Wasserwerke Zug WWZ, die Aar-gauer Energiewerke AEW und das Elektrizi-tätswerk des Kantons Zürich EKZ die Börse. CPwww.oekostromboerse-schweiz.ch

Schädlicher AblasshandelFluggesellschaften werben damit, Bahnunternehmen ebenso – klimaneutral reisen. Kann die Bahn noch versuchen, das durch Einsatz von Strom aus Wind- und Wasserkraft zu errei-chen, bleibt beim Fliegen nur der Trick mit den sogenannten Ausgleichsmassnahmen. In der Vergangenheit entzündete sich die Kritik in der Regel an der Art dieser Ausgleichs-massnahmen, da deren langfristiger Klimaeffekt nicht selten zweifelhaft ist. Ein grosser Umweltkongress in London Ende März befeuerte die Diskussion nun aufs Neue. Der renommierte Klimaforscher Kevin Anderson vom britischen Tyndall Centre for Climate Change Research sollte eine der Sitzungen der Konferenz unter dem Titel «Planet Under Pressure» («Planet unter Druck») leiten. Die Veranstalter wollten einen klimaneutralen Kongress und planten bei den Kongressgebühren 35 Pfund Sterling für Klimaausgleichsmassnahmen ein. Anderson, seit langem Kritiker solcher Ausgleichsmassnahmen, beschloss, nicht teilzunehmen. Zum einen bemängelt Anderson, dass die Veranstalter selbstverständlich die Anreise per Flugzeug voraussetzten, statt etwa klimafreundliche Beförderungsmit-tel vorzuschlagen und nach der Klimabelastung der Anreise gestaffelte Teilnahmegebühren zu erheben. Zum anderen vermittelten die CO2-Ausgleichsmassnah-men den Eindruck, damit sei alles erledigt und man könne problemlos von Kongress zu Kongress jetten. Das Ergebnis sei ein sich selbst verstärkender Kreislauf von immer mehr Reiseverkehr, der beständigen Vergrösserung von Flughäfen und Neubestellung weiterer Flugzeuge. Dabei wächst dann zwar auch das Geschäft mit Ausgleichsmassnahmen, doch schneller noch steige die zusätzliche Emission von Treib-hausgasen durch den Verkehr. Steffen Schmidt

(aus Neues Deutschland, 16.4.2012)

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Zeitpunkt 120  35

Hört nicht auf die Weltbank – wir entwickeln uns selbst!

In einem kleinen Dorf in Rajasthan in Indien kann auch LehrerIn werden, wer weder lesen noch schreiben kann. Am Barefoot College («Barfuss College») spielen Titel und Zertifikate keine Rolle – das Wissen misst sich am Nutzen für die Gemeinde. Männer und Frauen werden zu Solaringenieuren, Architekten und Handwerkern ausgebildet, um in ihren eigenen Dörfern nachhaltig zu wirken. Dies ist die Grundidee des Barefoot College, und sie funktioniert.

Die Erfolgsgeschichte beginnt 1965, als ein junger gebildeter Inder aus gutem Hause in West Bengal ein Dorf auf dem Land besucht. Er wird zum ersten Mal mit Armut und Hunger konfrontiert, lernt in der Bevölkerung aber auch Fähigkeiten und Wissen kennen, die keine Universi-tät lehren kann. Zum Schock seiner Eltern beschliesst der junge Mann, seine vielversprechende Zukunft hinter sich zu lassen, bevor sie begonnen hat, um für fünf Jahre in einem Dorf Brunnen zu bauen. So wurde Sanjit «Bunker» Roy 1972 zum Gründer der Barefoot College Bewegung. 1986 erhält das College seinen ersten Campus. Alle Gebäude werden von Barefoot Architekten und Handwer-kern entworfen und gebaut. Solarkollektoren versorgen die gesamte Anlage mit Energie. Die Wasserversorgung wird durch das Auffangen von Regenwasser auf den Dächern sichergestellt. Abendschulen sorgen dafür, dass auch Kinder, die tagsüber Tiere hüten oder Hausarbeiten erledigen, eine Ausbildung erhalten. Vermittelt werden nicht nur Schreiben und Lesen, sondern auch Grund-sätze der Demokratie und Zivilgesellschaft. Die Kinder wählen alle fünf Jahre einen eigenen «Prime Minister» und ein Kabinett und gestalten so ihre Schule entschei-

dend mit. Auch die Selbstermächtigung der Frau wird im Barefoot College gross geschrieben. Grossmütter, die zu Solaringenieurinnen ausgebildet werden, bau-en die Energieversorgung in ihren Dörfern auf. Diese Frauen im Alter von 40 bis 50 Jahren besitzen zudem die nötige Reife und Toleranz, um ihr Wissen an andere weiter zu geben. Barefoot Projekte gibt es inzwischen auch in Afrika und Afghanistan. Die Lektion von Bunker Roy: «Hört nicht auf die Weltbank, hört auf die Menschen vor Ort – sie haben all die Lösungen, die es braucht». mk

«Containern» ist kein Verbrechen

«Das Mitnehmen weggeworfener Lebens-mittel aus Abfallcontainern ist legitim. In-dustrie und Handel entsorgen ungestraft grosse Mengen geniessbarer Lebensmittel. Wegen ‹Containerns› landen dagegen be-dürftige Menschen und Aktivisten, die ein politisches Zeichen gegen die Wegwerf-mentalität setzen wollen, vor Gericht. Das muss sich ändern», erklärt Karin Binder, Ernährungsexpertin der Fraktion «Die Lin-ke». Binder weiter:

«Die Linke fordert die Bundesregierung auf, das ‹Containern› nach Lebensmitteln straffrei zu stellen. Bevor Container- und Mülltonnenabfall durch den Entsorgungs-betrieb übernommen wird, könnte er in Deutschland wie in anderen Ländern auch als abgetretenes Eigentum im Sinne einer herrenlosen Sache betrachtet werden. Der Handel sollte verpflichtet werden, einen ungehinderten Zugang zu nicht mehr ver-kaufsfähigen, aber noch geniessbaren Le-bensmitteln sicherzustellen.»

Mundraub als Straftatbestand gibt es in der Schweiz nicht und ist in Deutschland abgeschafft. Im alten Testament wurde er wie folgt geregelt (5. Buch Mose):

«Wenn du in deines Nächsten Weinberg gehest, so magst du Trauben essen nach deinem Willen, bis du satt bist, aber Du sollst nichts in Dein Gefäss tun.» 

CP

Handy-Entzug als Strafe   – wenn Jugendliche richten

«Jeder verdient eine zweite Chance, auch wenn er Mist baut» findet Tina Weigand vom Aschaffenburger Fried-rich-Dessauer-Gymnasium. Seit 2008 ist die 17-Jährige «Richterin» in einem kriminalpädagogischen Projekt und entscheidet über Delikte von Gleichaltrigen wie Sachbe-schädigung, Diebstahl oder Beleidigung. 24 Stunden Theo-rie sind nötig, um aus den Jugendlichen Rechtssprecher zu machen. Gesprächstechniken gehören dabei ebenso dazu wie juristisches Rüstzeug. Nur im schlimmsten Fall geht eine Akte an die Staatsanwaltschaft zurück, normalerweise reichen die Strafen des «Teen Courts». Das Interesse an den 16 ehrenamtlichen Ämtern ist gross. Voraussetzungen: mindestens 14 Jahre alt, gute schulische Leistungen, ein gefestigter Charakter und – keine Vorstrafen. Das Aschaffenburger Projekt war 2000 das erste seiner Art, inzwischen sind weitere deutsche Städte dem Beispiel gefolgt. Denn die Idee funktioniert, die Sanktionen wirken. Vielleicht auch, weil sie manchmal ungewöhnlich ausfallen: Vom Aufsatz schreiben über Kuchen backen oder Handy-Entzug für eine Woche – Gleichaltrige wissen eben, was die Delinquenten trifft. Die Erfolgsquote gibt ihnen recht: Einer Studie der Uni München zufolge ist die Rückfallquote mit rund 7 Prozent niedriger als bei normaler Strafverfolgung. BmQuelle: Publik Forum

Kurzmeldungen

Seva-Mandir-Mitarbeiterin im Barefoot-College in Tilonia/Indien.

Gründer Sanjit «Bunker» Roy bei einem seiner Vorträge.

Page 36: ZP 120 – Lebensreisen

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Page 37: ZP 120 – Lebensreisen

entscheiden & arbeiten

Zeitpunkt 120  37

US-Veteranen: «Wir töten nicht mehr für euch!»

Wenn Linke gegen den Krieg demonstrie-ren, juckt dies das konservative Amerika wenig. Aber hoch dekorierte Veteranen aus dem Irak- und Afghanistan-Krieg? Das ist zweifellos eine Ohrfeige für die Kriegspoli-tik von Obama und dessen Vorgänger Bush. Am Grant Park in Chicago, nahe dem Nato-Gipfel, fand am 20. Mai eine bemerkens-werte Demo statt. 40 Ex-Soldaten schleu-derten vor Publikum ihre Orden in Richtung der versammelten Kriegspolitiker. Die De-monstranten skandierten: «Keine Nato, kein Krieg. Wir arbeiten nicht mehr für euch. Wir töten nicht mehr für euch.» Dann traten Ve-teranen nacheinander vor und begründeten, warum sie ihre Orden zurückgaben. Iris Feliciano, 2002 in Afghanistan stationiert: «Ich sage den Leuten hinter diesen Mauern, die immer noch eine Politik auf der Basis von Angst und Lügen machen: Wir stehen

nicht länger für sie ein: für ihre gescheiterte Politik und für ihre ungerechten Kriege. Be-endet den Krieg jetzt!» Greg Miller ergänzt: «Das Militär verteilt diese billigen Medaillen an Soldaten und versucht dadurch die Lee-re auszufüllen, an deren Stelle vorher ihr Gewissen war.» Eine wütende Tirade kam von Vince Emanuele, früher im US Marine Corps: «Unsere Feinde leben nicht 10.000 Kilometer von hier. Sie sitzen in den Vor-standsetagen. Es sind Konzernchefs, Ban-ker und Hedgefond-Manager. Es sind die Millionäre und Milliardäre, die diesen Pla-neten kontrollieren.» Besonders bewegend: Ex-Sanitäter Jason Hurd entschuldigte sich beim irakischen und afghanischen Volk für die Zerstörungen, die das US-Militär dort angerichtet hat. Werden die Kriegstreiber diese massive Anklage hören? RR

Griechenland – Versuchsfeld für Regionalwährungen?«Wo die Gefahr wächst, wächst das Rettende auch», sagte Hölderlin. Die Griechen greifen in der Not zur Selbst-hilfe – und üben mehr Solidarität mit-einander. Tauschringe, Bartering und Regionalwährungen erhalten seit letz-tem Jahr grossen Zulauf. Die Regierung hat die Systeme kürzlich legalisiert, die sich bisher in einer rechtlichen Grauzone bewegten. In Volos wird die Regionalwährung TEM schon von 800 Menschen genutzt. Der Bürgermeister der Hafenstadt sagte, die Politik «unter-stützt die Initiative, weil sie ein guter Weg aus der tiefen ökonomischen und sozialen Krise ist.» Die Lage ist vieler-orts so kritisch, dass die Gemeinden erwägen, Bürgern Grünflächen zur

Verfügung zu stellen, um selbst Gemü-se anzubauen. Der Gemeinschaftsgeist insgesamt nimmt zu in dem von der EU gedemütigten Land: Als in Athen die Busse ausfielen, organisierten Bürger ein Ersatzsystem per Carsharing. Chri-stos Papaioannou, Betreiber der Web-seite von TEM, ist gedanklich schon einen Schritt weiter: «Wir sind auf un-bekanntem Territorium. Es wird sehr viel Veränderung geben. Vielleicht ist es der Beginn der Zukunft.» Warum mit dem Bau der Rettungsboote warten, bis es uns ergeht wie den Griechen? RRQuelle: Sein

Gefahr einer Kern-schmelze 200 Mal höher als gedacht

Das Risiko einer Nuklearkatastrophe wurde bisher um mindestens den Faktor 200 unterschätzt. Dies zeigt eine Studie des Max Planck-Instituts für Chemie in Mainz. Die Methode der Forscher ist denkbar einach: Zunächst wurde die Laufzeit der zivilen Kernreaktoren ermittelt. Derzeit sind 440 in Betrieb und 60 weitere in Planung, was 14‘500 Jahre Gesamtlaufzeit ergibt. Dividiert wurde diese Zahl durch jene der vier Kernschmelzen, eine in Tschernobyl und drei in Fukushima. Das Ergebnis: Alle 3‘625 Reaktorjahre kommt es zu einem grössten anzu-nehmenden Unfall (GAU), also alle zehn bis zwanzig Jahr eine Katastrophe in irgendeinem Reaktor. Alter, Typ und Sicherheitsorganisation wurden in der Studie nicht be-rücksichtigt, durchaus mit Absicht, wie Studienleiter Jos Lelieveld meint: «Auch in vermeintlich sicheren Reaktoren kann es zu einer Kernschmelze kommen, da sich nicht alle Ursachen vorhersehen lassen – und auch in Japan rechnete zuvor niemand mit dem GAU. Menschliches Versagen kann es immer geben, ebenso Terroranschlä-ge, Sabotage oder Naturkatastrophen, zudem werden Laufzeiten meist überzogen. Diese Risikofaktoren kann man nicht quantifizieren, weshalb wir uns an den Erfah-rungswerten orientiert haben.» Die Wahrscheinlichkeit eines GAUs ist in Westeuropa mit seiner hohen Reaktordichte am höchsten. Davon be- troffen wären im Schnitt 28 Millionen Menschen. CPQuelle: pressetext.austria

Unkraut wichtig für gesunde Landwirtschaft Unkraut steigert den Ertrag. Das weiss der revolutionäre Landwirt Uwe Wüst in Tauberbischofsheim schon lange. Er pflügt nicht, düngt nicht, vermehrt bewusst das «Un-kraut» und erzielt doch bessere Erträge als konventionelle Bauern (ZP 102, Die neuen Paradiese). Das hat jetzt auch die Wissenschaft herausgefunden. Nach einer im renommierten Magazin «Science» veröf-fentlichten Studie sind «Unkräuter» wie Disteln, Wiesen-kerbel, Butterblumen oder Klee für die Biodiversität in der Landwirtschaft von grosser Bedeutung und erfüllen in den Nahrungsketten eine wichtige Funktion. Werden sie unterbrochen, leiden vor allem Schmetterlinge und Bienen, aber auch Vögel und Nagetiere. Die englischen Forscher untersuchten mehr als 1500 Zusammenhänge zwischen 560 Organismen in unterschiedlichen Nah-rungsnetzen. Die Erkenntnis dürfte wie «Unkraut» im konventionellen agrochemischen Denken wirken. Wir wünschen ihm grosse Verbreitung. CPQuelle: EU-Umweltbüro

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vollwertig leben

38  Zeitpunkt 120

dIe post-reVolutIonäre möhre

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vollwertig leben

Zeitpunkt 120  39

dIe post-reVolutIonäre möhre

Der Kapitalismus steckt auch in unseren Köpfen. Und da ist er nur schwer wegzubringen, wie das Beispiel eines solidarischen Landwirtschaftspro-jekts im hessischen Witzenhausen zeigt. Sein Prinzip: Die Produzenten arbeiten so viel sie wollen und können; die Konsumenten beziehen, was sie brauchen und bezahlen anonym, was ihnen das Gemüse und Projekt wert sind.  von Jan-Hendrik Cropp

der Kapitalismus hat seine ungeschrie-benen Gesetze. Sie erscheinen uns durch Gewöhnung so selbstverständ-lich, dass wir nie darüber nachdenken. Ein paar Beispiele:

• Den Konsumenten werden Waren aufgedrängt ohne dass ein konkretes Bedürfnis geäußert wur-de. Das sollen sie dann bitte entwickeln.

• Über den Preis werden die verschiedensten Pro-dukte und Dienstleistungen abstrakt miteinander gleichgesetzt. Alles, was einen Euro kostet, ist gleich viel «wert». Alles, was nichts kostet, ist auch nichts «wert».

• Geld ist das einzige Symbol für Wertschätzung, wodurch man andere Wege, diese auszudrücken, oft gar nicht erst ausprobiert.

• Zeigen sich Probleme, werden sie überwiegend mit dem Ellbogen gelöst, z.B. durch «Ausschalten» der Konkurrenz.

• Da Produkte auf dem Markt einen Wert erzielen müssen und Menschen primär für Lohn arbeiten, wird Tätigkeit zu Arbeit und Arbeit zur Last. Für die müssen sich Arbeitende dann wieder durch «Freizeit» entschädigen.

Wir  wollten  anders  leben  und  arbeiten und diesen Fehlentwicklungen etwas Eigenes entgegen-setzen. «Wir», das ist ein Kollektiv von fünf Gärtne-

rinnen und Gärtnern im nordhessischen Witzen-hausen-Freudenthal. Wir suchten uns eine Gruppe von 60 Personen, die «Be-gärtnerten», die von uns durch Bearbeitung von 5000 m2 Ackerfläche mit Gemüse versorgt werden

wollten. Zusammen formten wir eine verbindliche Gemeinschaft. Das Besondere: Jeder Einzelne be-stimmt selbstverantwortlich, wann und in welchem

Umfang er für das Projekt tätig sein will. Im Kol-lektiv werden dann entsprechende Vereinbarungen ausgehandelt. Die finanziellen Bedürfnisse («Lohn») werden unabhängig von der Arbeitszeit des Einzel-nen bestimmt.

Die Begärtnerten geben anonym einen für den Pro-duktionszeitraum verbindlichen, monatlichen Beitrag, der ihren Möglichkeiten entspricht. Von null Euro auf-wärts ist alles erlaubt. Auch Fähigkeiten (z.B. Massa-gen) und Ressourcen (z.B. Land) können eingebracht werden. Diese Zusage ist neben anderen Vertragsbe-dingungen schriftlich festgehalten. Unsere Produkti-onskosten werden mit diesen freiwilligen finanziellen Beiträgen gedeckt. Das geerntete Gemüse wird den Begärtnerten in Depots frei zur Verfügung gestellt. Die Verteilung vor Ort organisiert die Gemeinschaft je nach den individuellen Bedürfnissen, es gibt kei-ne genormten «Gemüsekisten». Die Mitglieder sind frei, sich über ihren finanziellen Beitrag hinaus am Projekt zu beteiligen, z.B. durch Hilfe bei der Ernte, Einmachen oder das Einbringen weiterer Fähigkeiten. Engagierte formen dafür Arbeitsgruppen.

Durch dieses Experiment sollen kapitalistische Prinzipien überwunden werden. In der Art, wie wir Produkte herstellen und verteilen wie auch in unserem Verhältnis zueinander. Und das in mehr-facher Hinsicht:• Freiwilliges Beitragen und Schenken statt nor-

miertes Tauschgeschäft.• Niemand muss, jeder kann nach seinen Fähigkeiten

(u.a. finanziell) beitragen.• Bedürfnisse werden erhoben, und entsprechend

wird produziert. Bedürfnisse werden also nicht künstlich geschaffen (z.B. durch Werbung).

• Die Produkte haben keinen festgelegten Tausch- bzw. Geldwert. Dies gibt allen den Freiraum, mit neuen Formen der Wertschätzung zu experimen-tieren: durch Worte, Gesten und vor allem gegen-seitige Verantwortung.

Im Kapitalismus werden Menschen und Tätigkeiten ständig miteinander verglichen. Ungleiches wird durch Geld gleichgesetzt. Diese Denkweise verschwindet auch in einem alternativen Projekt nicht sofort.

Page 40: ZP 120 – Lebensreisen

vollwertig leben

�0  Zeitpunkt 120

• Freie Tätigkeit statt abstrakter Arbeit in Konkurrenz• Unsere finanziellen Bedürfnisse werden von vorn-

herein abgedeckt. Daher können wir Anbauweise und Arbeitsabläufe frei bestimmen, um unsere Be-dürfnisse und die anderer zu befriedigen.

Seit knapp einem Jahr läuft unser Projekt nun. Wir können Rückschau halten und einige Problemfelder identifizieren. Diese Analyse halte ich für wichtig. Denn in vielen Projekten, die helfen wollen, die

Waren- und Tauschge-sellschaft zu überwinden, dürften sie sich auf ähn-liche Art zeigen.

Der  verinnerlichte Kapitalismus  im  Kol-lektiv.  Im Kapitalismus werden Menschen und

Tätigkeiten ständig miteinander verglichen. Un-gleiches wird durch Geld gleichgesetzt. Diese Denk-weise verschwindet auch in einem alternativen Pro-jekt nicht sofort. Jeder, der in einem kapitalistischen Umfeld aufgewachsen ist, hat sie tief verinnerlicht. Auch wir im Kollektiv vergleichen weiterhin, wie viel Zeit jeder in das Projekt investiert. Manche bekom-men ein schlechtes Gewissen, weil sie «zu wenig» tun; andere grummeln, weil sie angeblich «zu viel» leisten müssen. Schnell glaubt jemand, sich für seine Bedürfnisse rechtfertigen zu müssen. Oft erzeugt nicht das Kollektiv diesen Druck, sondern die Be-troffenen selbst.

In solchen Situationen bieten sich die üblichen Abstraktionen des Kapitalismus als «Hilfsmittel» an.

Der Ruf nach greifbaren «Arbeitszeiten» und nach «Urlaub» wird laut. Dem liegt die Sehnsucht nach einem abstrakten Gerechtigkeitsbegriff zugrunde. Statt zu sagen: «Es soll allen damit gut gehen, was und wie viel sie tun», fordern wir nun: «Alle sollen gleich viel Arbeit verrichten bzw. gleich viel Urlaub nehmen.» Wenn man aber anfängt, Arbeitszeiten zu normieren, ist man schnell dabei, die ganze Tätigkeit zu normieren. Was, wenn eine Person schneller oder «effizienter» als die andere ist?

Weitere Probleme können sich durch die räumliche Enge ergeben. Der Acker ist vor unserer Haustür. Wir wohnen zwar in verschiedenen WGs, aber doch zusammen auf einem Hof. Dies kann zu einem Ge-fühl sozialer Kontrolle führen. Jeder bekommt vom anderen mit, wie viel er arbeitet oder wie er seine Freizeit verbringt. Eine Lösung wären klare Verein-barungen, die trotzdem flexible Elemente enthalten. Man hat z.B. feste Tage, an denen man im Projekt tätig ist; die Tagesarbeitszeit kann jedoch variieren, und Abweichungen sind spontan nach Absprache möglich. So könne2 Probleme im Kollektiv gelöst werden, statt dass Schuldzuweisungen oder zähne-knirschende Selbstausbeutung Überhand nehmen.

Lustprinzip und Verantwortung. Auch in einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft braucht es Ver-antwortung und Verbindlichkeit. Eine Gruppe von 60 Menschen rechnet fest damit, dass wir für sie Gemüse produzieren. Da wir entfremdete Arbeit, die als Zwang empfunden wird, überwinden wollen, ist das Lustprinzip als Leitlinie wichtig. Wenn alle Be-teiligten jedoch das Motto «Ich mache, wozu ich Lust

Wenn man aber anfängt, Arbeitszeiten zu normieren, ist man schnell dabei, die ganze Tätigkeit zu normieren. Was, wenn eine Person schneller oder «effizienter» als die andere ist?

Geld habe ich bis jetzt immer als etwas grundsätzlich Ver-bindendes betrachtet – sieht man von seinen Perversionen ab, die durch die Finanzkrise ins Bewusstsein kamen. Während wir beim Realtausch nur mit einer sehr be-grenzten Zahl von Partnern in Austausch kommen können, erschliesst uns das Geld eine fast unbeschränkte Zahl von Tauschpartnern. Aber die verbindende Funktion des Geldes ist ein Irrtum. Wie der amerikanische Philosoph und Mathematiker Charles Eisenstein in seinem Opus Ma-gnum «Die Renaissance der Menschheit» schreibt, stellt Geld eine allgemeine Gleichwertigkeit her: «Gleichwer-tigkeit bedeutet, dass ich keine Beziehung mehr mit der anderen Person eingehen muss. Ich kann jede beliebige Person dafür bezahlen. Das führt zu einer grundlegenden Veränderung unserer sozialen Beziehungen. Ich kann alles von jedem anderen bekommen. Je mehr eine Gesellschaft alles in Geld bemisst, umso getrennter werden wir und umso mehr treten wir in Konkurrenz zueinander.»

Die Natur unseres sich selbst vermehrenden Kre-ditgeldes hat weitere schwerwiegende Konsequenzen: «Alles wird zunehmend in Geld umgewandelt, der Wald in Bretter, der Ozean in Fischfang und die Fähigkeit der Atmosphäre, Verschmutzung abzubauen in Ver-schmutzungszertifikate. Wir haben das Öl im Boden in Geld umgewandelt. Im Dienstleistungsbereich nimmt man eine unentgeltliche Beziehung und wandelt sie in eine Dienstleistung um. Heute werden zwei Drittel aller Mahlzeiten ausser Haus eingenommen und bei den zuhause gekochten werden vorfabrizierte Produkte verwendet. Rat, Unterhaltung und sogar Phantasie wer-den zu Produkten.»

Charles Eisensteins Vision ist eine Ökonomie des Schenkens. Während der Kauf die Partner trennt, ent-steht durch das Schenken eine Verbindung zwischen den Menschen. Davon sind wir gar nicht so weit entfernt. Die Natur und der Erfindungsgeist des Menschen produzie-

ren im Überfluss, er ist nur höchst ungleich verteilt. Die materielle Basis für eine Kultur des Schenkens wäre also vorhanden. Nur die geistige Entwicklung ist noch nicht so weit.

Eisenstein hat das menschliche Wissen von seinen beiden Enden her studiert, über die Mathematik und die Philosophie. Sein Werk ist nicht nur von erstaunlicher Erkenntnis geprägt, sondern auch von starker Vision und echter Herzenswärme. Und es liest sich leicht. Eine une-dingte Leseempfehlung. CP

CharlesEisenstein:DieRenaissancederMenschheit– über die grosse Krise unserer Zivilisation und die Geburt eines neuen Zeitalters. Scorpio, 2012. 784 S., Fr. 36.90 / 22,95 Euro. Im Internet lesen: www.kanope.de

Geld trennt, aber es geht auch anders

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Zeitpunkt 120  �1

habe», radikal umsetzen, ist das gerade in der Land-wirtschaft schwierig. Landnutzung ist ja vor allem die Kunst, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Da kann die Witterung uns zwingen, etwas zu tun, worauf wir gerade keine Lust haben. Der Druck wird also auch in einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft nicht ganz verschwinden. Im letzten Jahr hatten wir zum Beispiel mit einer ungewöhnlichen Trocken-heit zu kämpfen. Pflanzen warten nicht darauf, bis jemand Lust hat, sie zu bewässern. Und wo bleibt die Lust, wenn alles vertrocknet und es nichts mehr zu ernten gibt? Die Balance zwischen Kollektiv und Individuum muss also immer neu gefunden werden – ein ständiger Lernprozess.

Fehlende  Selbstorganisation  im  Netzwerk. Genauso wie wir Gärtner und -innen Aspekte der «arbeitssüchtigen Gesellschaft» verinnerlicht haben, werden die Begärtnerten nicht ganz von einer Kon-sumhaltung loskommen. Der freiwillige monatliche Beitrag kann diese Haltung verstärken. Während sich einige ein radikales Experiment gegen den Kapitalismus wünschen, reicht es für andere, ihr Gemüse auf «alternative» Weise zu beschaffen. Um Enttäuschungen vorzubeugen, ist es wichtig, dass Produzenten und Begärtnerte eine gemeinsame Vi-sion formulieren. Daran anknüpfend kann jeder eine Aufgabe übernehmen – selbstbestimmt, aber ver-antwortlich. Diese Vision könnte auch eine Auswei-tung der schenk-ökonomischen Prinzipien auf andere

Lebensbereiche beinhalten, etwa durch Vernetzung mit anderen umsonst-ökonomischen Projekten. Es wäre auch möglich, die Bedürfnisse der Gärtner und -innen nicht durch Geld, sondern durch andere Leistungen zu decken. So könnte ein Begärtnerter, der gleichzeitig Arzt ist, andere in der Gemeinschaft umsonst behandeln.

Wer hat Zugang zu den Erzeugnissen? Nicht-kapi-talistisches Gemüse ist unter den jetzigen Verhältnis-sen ein begrenztes Gut. Die Wartelisten von Höfen, die ähnlich produzieren wie wir, zeigen: Das Problem lässt sich nicht einfach mit der Neugründung weiterer oder der Vergrösserung bestehender Projekte lösen. Dies wäre die ideale Lösung und ihr sollte die meiste Energie zufliessen. Wer soll also bevorzugt Zugang zu den Erzeugnissen haben? Diejenigen, die als erste da waren? Die mit den besseren persönlichen Bezie-hungen? Diejenigen, die am meisten zahlen? Oder jene, die die brauchbarsten Fähigkeiten einbringen? All diese Lösungen befriedigen nicht. Schliesslich geht es bei unserem Projekt auch um die Entkoppe-lung von Geben und Nehmen. Die Frage abschlies-send zu beantworten, ist schwer. Klar scheint nur: Die unvermeidlichen Kosten des Projektes müssen gedeckt werden. Und alle Beteiligten sollten mit der Lösung glücklich sein. In der Praxis bedeutet das wohl wie in allen ähnlichen Fällen: Man muss es aushandeln. Weitere Infos: www.solidarische-landwirtschaft.org

«EinGespenstgehtuminEuropa,einfröhlichesbuntesGespenstmitDreckunterdenFingernä-geln: derNeueGärtner.Aufgetaucht ausdemNichts,hater inkürzesterZeitdieStädteero-bert».Dieses Gespenst beschreibt Martin Rasper in seinem Buch «Vom Gärtnern in der Stadt – Die neue Landlust zwischen Beton und Asphalt». Es regt nicht nur dazu an, den Spaten gleich selbst in die Hand zu nehmen, sondern auch die Stadt und nicht zuletzt die Gesellschaft neu zu denken. Gärtnern bedeutet nicht nur die Auseinandersetzung mit natürlichen Res-sourcen wie Luft, Wasser, Boden und Nahrung. Es ist

auch eine Form der Selbstermächtigung. Rasper stellt Gartenprojekte, Initiativen und Menschen vor, die der Lebensmittelproduktion und Saatgutherstellung in den Händen mächtiger transnationaler Konzerne den Kampf angesagt haben. In leichtfüssiger Sprache führt uns Rasper durch den Garten als Ort des Wachstums, aber auch der Begegnung und des Lernens. Er macht uns die Sortenvielfalt von Obst und Gemüse schmackhaft, die durch die Monokulturen der industriellen Lebensmittelerzeugung bedroht sind, und erzählt von der Notwendigkeit, die lokalen Stadt-Um-land-Beziehungen produktiver zu gestalten. Stadtgärtner

und solche, die es werden wollen, finden zudem viele Tipps für die Praxis. In einer Zeit, in der unsere natürlichen Ressourcen knapp werden und der Begriff der Nachhaltigkeit nicht mehr wegzudenken ist, sagt Rasper zu Recht: «Ohne ein Verständnis von ökologischen Zusammenhängen werden wir in Zukunft nicht mehr zurechtkommen. Wir werden weder die Städte der Zukunft managen können noch die Welt als Ganzes.» mk

MartinRasper:VomGärtnerninderStadt– die neue Landlust zwischen Beton und Asphalt. oekom, 2012. 208 S., Fr. 27.80 / 19,95 Euro.

Grüner Spuk zwischen Beton und Asphalt

WeitereInfoszumThema:Schweiz:Verein Interkulturelle Gärten, www.interkulturelle-gaerten.ch

AG/SO: HEKS Neue Gärten Aargau/Solothurn, www.bit.ly/Ll25Ru

BS/BL:Urban Agriculture Basel, www.urbanagriculturebasel.chAgrico, Birsmattehof Therwil, www.birsmattehof.ch

BE: soliTerre, Bern, www.soliterre.chGemeinschaftsgarten «L’arbre à palabres», Biel//Bienne, [email protected]

ZH:ortoloco – Die regionale Gartenkooperative, Zürich, www.ortoloco.chPflanzplatz Dunkelhölzli, Verein Stadtrandacker, Zürich, www.dunkelhoelzli.chSeed City Verein, ETH Zürich, www.seedcity.ethz.chUrban Farmers, Zürich, www.urbanfarmers.chXylem, Gmües Abo, Thalheim, www.xylem.ch

Romandie:Les Jardins de Cocagne, Bernex, www.cocagne.ch

Deutschland:Interkulturelle Gärten in Deutsch-land, Stiftung Interkultur, München, www.stiftung-interkultur.demeine ernte, Bonn, www.meine-ernte.deSolidarische Landwirtschaft, Kassel, www.solidarische-landwirtschaft.orgPrinzessinnengärten, Moritzplatz, Berlin, www.prinzessinnengarten.net

Die postrevolutionäre Möhre

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vollwertig leben

�2  Zeitpunkt 120

Urin gehört in den Boden und nicht ins Wasser. Statt ihn wegzuspülen und in Seen und Meeren ökologische Schäden zu verursachen, sollten wir ihn besser als Dünger verwen-den, denn Harn ernährt Bodenlebewesen. Vom Rohstoff ist genügend vorhanden, nun braucht es nur noch ein Umden-ken im Kopf.     von Beat Rölli

urIn – Dünger der Zukunft

Seit Millionen von Jahren ist Urin ein wichtiger Teil des Ökosystems Boden. Lebendiger Boden kann kleine Mengen davon schnell aufnehmen und verarbeiten. Urin dient als Nahrung für Bodenle-bewesen und fördert die Bodenfruchtbarkeit und die Humusbildung. Harn enthält viel Stickstoff, der wiederum wichtig für das Pflanzenwachstum ist, denn jede Zelle braucht Eiweisse und jedes Eiweiss braucht Stickstoff. Wenn wir im Garten Urin giessen, betreiben wir Kreislaufwirtschaft. Wir imitieren einen bewährten Prozess. In vielen Ländern wird seit Jahr-hunderten mit Urin gedüngt, bei uns ist es verboten. Zeit, umzudenken!

Denn Urin und Kunstdünger führen zu zwei öko-logischen Katastrophen. Zum einen führen Kot und Urin im Wasser zu Überdüngung und Verschmutzung von Flüssen, Seen und Meeren, viele Länder haben

keine Kläranlagen. So gehen dem Land Nährstoffe für die Pflanzen verloren. Zum andern enthält Kunst-dünger wasserlösliche Salze. Diese sind aggressiv und töten Bodenlebewesen ab, die natürliche Boden-fruchtbarkeit und die Humusbildung gehen zurück. Bei starkem Regen wird Kunstdünger ausgewaschen und Grund- und Oberflächenwasser verschmutzt. Es entsteht eine Durchlaufwirtschaft, die Gefahr von Hunger steigt. Hinzu kommt, dass jährlich mit hohem Energieaufwand und grosser Umweltbelastung Mil-lionen von Tonnen Harnstoff für Dünger produziert und transportiert werden.

Dass wir keinen Urindünger verwenden, liegt an unserer Einstellung zu Harn. Viele Leute ekeln sich vor dem eigenen Urin, sie denken fälschlicher-weise, er enthalte nur Abfallstoffe. Harn besteht aus

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Zeitpunkt 120  �3

Stoffen des Blutplasmas. Die Niere, wo der Urin zunächst entsteht, scheidet Substanzen aus, die im Blutplasma eine zu hohe Konzentration aufweisen. Deshalb befinden sich im Urin dieselben Substanzen wie im Blutplasma – nur in anderer Konzentration. Diese sind so wertvoll, dass Menschen Eigenurin als Medizin verwenden.

Die emotionale Abneigung gegen Urin ist in unserer Kultur tief verwurzelt. Da helfen meist die besten Ar-gumente nicht weiter, sondern nur noch ein Trick: Wir machen den Urin unsichtbar und geruchlos, indem wir Holzkohlestaub hinein mischen. Dieser absorbiert Geruch und Farbe. Anschliessend wird die Flüssigkeit direkt als Dünger eingesetzt. Wenn Tomaten und andere Nahrungsmittel dann erst einmal wunderbar gedeihen und vorzüglich schmecken, kann man die Leute immer noch mit der unbequemen Wahrheit konfrontieren.

Holzkohle  ist  ein wertvoller Bodenverbesse-rer: Die sagenumwobene Terra preta der präkolum-bianischen Amazonasindianer, eine von Menschen gemachte Erde, ist 500 Jahre nach dem Verschwin-den dieser Kultur noch immer fruchtbar. Terra preta bedeutet schwarze Erde. Sie ist schwarz, weil sie Holzkohle enthält. Holzkohle hat die chemische Eigenschaft, Mineralien, Wasser und viele weitere Stoffe zu binden und sie später an Pflanzenwurzeln abzugeben. Sie weist eine grosse Oberfläche im Ver-

hältnis zum Volumen auf. Bakterien können diese Oberflächen besiedeln. Zudem kann Holzkohle über Jahrhunderte im Boden überdauern.

Um Urin als Dünger verwenden zu können, muss er von Fäkalien getrennt werden. Dafür sorgen «No-Mix-Toiletten» (siehe Box). Der Urin läuft getrennt vom restlichen Abwasser in einen Sammeltank, die Fäkalien werden – wie gehabt – hinten weggespült. Der gesammelte Urin muss nur noch mit Wasser ver-dünnt werden (Verhältnis 1:10), damit er als Schnell-dünger verwendet werden kann. Konzentriert wür-den die Pflanzen eingehen. Durch das Giessen mit Urin (1 bis 3 Liter pro m2) wird Terra Preta übrigens wie ein Akku wieder aufgeladen. Den Urin kann man in dichten Kanistern oder Tonnen über Monate zur Verwendung lagern. Es wird denn auch eine halbjährige Lagerung empfohlen, damit Bakterien absterben.

Mit der neuartigen WC-Wirtschaft lassen sich Wasserverschmutzung vermeiden und die Nähr-stoffe und Mineralien kommen wieder dorthin, wo sie hingehören, nämlich in den Boden. Noch braucht das System Anwender. Sind Sie dabei?

BeatRölli arbeitet hauptberuflich als Permakultur-Designer. In seiner «Perma-kultur Beratung» führt er verschiedene Kurse und Ausbildungen (dipl. Perma-kultur-Designer und Permakultur-Training) durch. Rölli lebt mit seiner Familie in der Ökosiedlung Unter-Grundhof in Emmen bei Luzern. Kontakt: B. Rölli, Emmen. Tel. 041 210 92 91, www.permakultur-beratung.ch

Eine ganz andere Eigenschaft dieses Saftes zeigte Andy Warhol mit seinen ‹Oxidation-Paintings› auf. Andy War-hol, Oxidation Painting (in 12 parts), 1978. Copper metallic pigment and urine on canvas, 121,9 × 124,5 cm.

Urin – Dünger der Zukunft

Die moderne, wassergespülte NoMix-Toilette wurde in den 1990er Jahren in Schweden erfunden. Das Prinzip ist sim-pel: der Urin wird vorne aufgefangen und in einen separaten Tank geleitet, während die Fäkalien wie gewohnt hinten weggespült werden. Es handelt sich bei der NoMix-Toilette also um eine Art WC mit vorne eingebautem Urinal. Eine Umfrage der Eawag (Eidg. Anstalt für Wasser-versorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz) zeigt: Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung wäre bereit, NoMix-WCs zu benutzen und mit Urin gedüngte

Lebensmittel zu kaufen. Doch die Sanitärbranche zeigt bisher wenig Interesse an der neuen Technologie, und das System selber hat auch noch seine Tücken. So entsteht mit der Zeit Urinstein, der die Leitungen verstopfen kann. Zudem hängt die Nutzung des NoMix-WCs stark von in-dividuellen Faktoren wie Gewohnheit oder Ergonomie ab. Manche Männer setzen sich immer fürs kleine Geschäft, andere nie. Die NoMix-Toilette funktioniert aber nur bei richtigem Gebrauch. Die korrekte Sitzposition ist vor allem für Kinder schwierig.

Fazit: Es gibt gute Gründe, NoMix-Toiletten zu installieren. Doch man sollte sich bewusst sein, dass diese (noch) ihre Tücken haben und etwa doppelt so viel wie kon-ventionelle WCs kosten. Bmwww.eawag.ch

NoMix-Toilette: gutes System mit kleinen Tücken

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Page 44: ZP 120 – Lebensreisen

��  Zeitpunkt 120

Der Reiz der Drôme Die Drôme im gleichnamigen französischen Departe-ment, 2 ½ Autostunden südlich von Genf, ist der einzige unverbaute Fluss Europas mit mehr als 100km Länge. An deren Unterlauf, 5 km von der Stadt Crest entfernt, zwischen Valence und Montélimar liegt die Auberge la Plaine, ein Seminarhotel, das seinesgleichen sucht. Inmitten der mittelalterlichen Mauern fühlen Sie sich rundum wohl. Es stehen Ihnen 19 geräumige Zimmer mit eigenem Badezimmer, zwei grosse Seminarräume und ein wunderschönes Restaurant zur Verfügung. Im Innenhof fühlen Sie sich geborgen und im Park der 5 Häuser finden Sie schöne Schattenplätzchen und ein Schwimmbad. Der Fluss Drôme und das an unser Ge-lände angrenzende Naturreservat «Les Ramières» sind in 2 Minuten zu Fuss erreichbar.

Unser Seminarhotel ist komplett renoviert und modern ausgestattet, ohne den Charme der historischen Mauern zu verlieren.

Eine einheimische Küche mit Produkten aus der nahen Umgebung und immer der Saison entsprechend, mei-stens biologisch angebaut, sorgt für Ihr leibliches Wohl. Unser Haus ist inmitten von Landwirtschaftsland direkt angrenzend ans einzigartige Naturreservat.

Bei uns können Sie konzentriert Ihre Kurse durchführen, Yoga, Massagen, Theater, Musik, Tanz, Kolloquien, Fir-menseminare, etc. Auch Einzelgäste sind bei uns sehr willkommen.

Die Drôme bietet Bademöglichkeiten, Naturbeobach-tungen und Kajakvermietung, die angrenzenden Berge sind ein Wanderparadies und die ausgedehnten Velo-wege stehen Ihnen ebenfalls zur Verfügung.

AubergelaPlaine Mourier, La Plaine F – 26400 Chabrillan Tel. +33 475 62 82 69 www.aubergelaplaine.ch

wahre Werte

10. Natur Sound Openair Kiental

Vom 6. bis 8. Juli findet im Kiental das Jubiläumsfestival des Natur Sound Openair auf dem Kientalerhof, dem Bildungs- und Begegnungszentrum für Körperarbeit, statt. Eröffnet wird das Festival am Freitag Abend von Sarbach, dem «einzigartigen Liederzüchter aus dem tiefsten Emmental». «Süüferli», also behutsam und mit Bedacht, eröffnet der schrägste Troubadour der Schwei-zer Liedermacher-Szene das 3-tägige Festival. Ausserdem an diesem Abend: Das Einfrauen-Orche-ster Frölein Da Capo, bekannt aus «Giacobbo/Müller»,

der englische Musiker und Sänger Gus MacGregor & Band mit Wahlheimat Bern, der Pop, Country, Folk und Blues zum besten geben wird. Den Abschluss macht die Stadtberner-Band 2 for Soul. Am Samstag Mittag findet eine Meditation für den Frieden statt, am Nach-mittag locken neben William White Blues-, Chansons-, Folk- und Pop-Konzerte. Am Sonntag stehen u.a die bekannte Mantra-Sängerin Dechen Shak-Dagsay und viele Workshops auf dem Programm. Zwischen den Konzerten können sich die jüngeren Besucher auf dem Kinderspielplatz vertun, bei som-merlich warmen Temperaturen lockt das kühle Nass des Schwimmbads des Kientalerhofs. Sollte sich Regen ankündigen, können einzelne Konzerte ins Innere verlegt werden.

Für die Übernachtung stehen Zimmer im Kientalerhof, dem Hotel Chalet und Hotel Bären zur Verfügung – bitte frühzeitig reservieren. Ausserdem hat es einen schönen Zeltplatz gleich neben dem Festivalgelände, wo gratis campiert werden kann. Kinder unter 14 Jahren zahlen mit Begleitung eines Erwachsenen keinen Eintritt. Vom Tages- bis 3-Tages-Pass ist alles zu haben, Kostenpunkt: zwischen 39 und 114 Franken.

Infors und Programm unter: www.naturalsound.ch

KientalerhofGriesalpstrasse 443723 Kiental

30 Jahre Schweibenalp

Das Zentrum der Einheit Schweibenalp feiert Geburtstag und lädt am Wochenende vom 6. bis 8. Juli zur Feier. Die Schweibenalp ist ein Kraftplatz in den Alpen mit alten, schön renovierten Häusern und einem neuen, acht-eckigen Seminarhaus. Wir sind bekannt als Vertreterin einer Integration von Spiritualität, Sozialem, gerechter Ökonomie und nachhaltiger Ökologie. Wir sind eine Ge-meinschaft im Aufbau, die nach neuen Lebensformen sucht. Vom Ashram haben wir uns zum interreligiösen Zentrum der Einheit hin zum Seminarzentrum und nun zur Gemeinschaft entwickelt, die an Modellen des Lebens forscht und experimentiert.

Was sind schon 30 Jahre, mag sich manch einer fragen. Und doch... Wenn wir die globale Entwicklung der neu-esten Zeit betrachten, so stellen wir je nach Standpunkt Beschleunigung, Stillstand oder Rückbildung fest. Wenn wir einen Blick auf die Geschichte des Zentrums werfen, steht zwar Veränderung im Vordergrund – sowohl baulich und strukturell als auch inhaltlich. Doch der Impuls vom indischen Avatar Sri Babaji, einen Ort zu schaffen, an dem in einer Zeit des Übergangs und des kulturellen Wandels ewiges und neues Wissen vermittelt, erforscht und in der Gemeinschaft geübt werden soll, ist und wird unser Leitmotiv bleiben.

Nun, nach 30 Jahren, feiern wir unser Dasein, unser Bewusstsein. Und wir feiern unsere neuen Zweige, die Alpine Permakultur und die Konferenzplattform Green Phoenix. Wir, der Stiftungsrat, die Gemeinschaft und Volontäre, freuen uns, dich am Wochenende vom 6. bis 8. Juli zu empfangen. Das Wochenende ist auf Spen-denbasis.

WirbittenumAnmeldung unter Tel. 033 952 20 00 oder [email protected] Zentrum der Einheit, SchweibenalpPostfach, 3855 Brienz

Page 45: ZP 120 – Lebensreisen

vollwertig leben

Zeitpunkt 120  �5

kAmpf dem grünen wIschIwAschI

«Wir wollen keinen Wischiwaschi-Um-weltschutz»,  sagt Thomas Vellacott, der neue CEO des WWF Schweiz, mit 260 000 Mitgliedern die grösste Umweltorganisati-on des Landes. Ob der neue Chef, früher Berater bei McKinsey und zuletzt für die Beziehungen zwischen WWF und Wirt-schaft zuständig, der richtige Mann ist, das Steuer herumzureissen, wird sich weisen. Mit «Wischiwaschi» wird er auf jeden Fall zu tun haben, genauer gesagt mit «Green-washing». Das wirft nämlich der mehrfach preisgekrönte deutsche Filmer und Autor Wilfried Huismann in seinem viel beachte-ten Film «Der Pakt mit dem Panda» und seit kurzem im «Schwarzbuch WWF» der welt-weit grössten Umweltorganisation vor. Um die Zusammenarbeit mit den Multis zu för-dern, hat der WWF runde Tische ins Leben gerufen, in denen Industrie und WWF privat Nachhaltigkeitsstandards definieren und die entsprechenden Produkte mit einem Label versehen.

Das Ausmass dieses Greenwashing ist enorm: So rodet der weltgrösste Palmöl-konzern Wilma auf Borneo 300 000 Hektar Urwald, zwei Prozent lässt er als Schutzge-biet stehen (aus dem die Ureinwohner wie aus den anderen Gebieten vertrieben wer-den) und kann nun sein Palmöl mit einem Nachhaltigkeits-Zertifikat vertreiben. Auch Gentech-Soya wird dank eines Labels des Roundtables for Responsible Soya» als nach-haltig verkauft. Und Holz mit dem FSC-La-bel, eine weitere Initiative des WWF, kann durchaus aus Kahlschlag stammen.

Der WWF kann sich nicht mit dem Hin-weis aus der Verantwortung ziehen, dass er diese Roundtables nicht mehr führt und die Projekte von externen Firmen kontrol-liert werden. Nur dank dem WWF haben sie noch ein bisschen Glaubwürdigkeit, und dafür wird er auch fürstlich honoriert,

wenn auch nur auf Umwegen. Unter ande-rem spendete die HSBC-Bank, das führen-de Geldhaus zur Finanzierung von Palmöl-Projekten, für ein gemeinsames Projekt mit dem WWF 100 Mio. Dollar, das allerdings ausserhalb der Bilanz geführt wird.

Der WWF ist sich der Problematik sei-ner zwiespältigen Politik durchaus be-wusst. Aber anstatt sich von Monsanto und Gentech-Soya zu distanzieren, verlegt er lieber den Sitz des Roundtable for Respon-sible Soya von der Hohlstrasse 110, dem Sitz des WWF Schweiz, an einen weniger verräterischen Ort.

Wenn der neue WWF-Chef tatsächlich kei-nen Wischiwaschi-Umweltschutz will, dann muss sich der WWF Schweiz von diesen Ak-tivitäten, die von der weltweiten WWF-Zen-trale aus eingefädelt werden, distanzieren. Davon ist allerdings wenig zu spüren. Im Gegenteil: Der WWF führt einen regel-rechten Krieg gegen den Film und das Buch, mit nunmehr 15 einstweiligen Verfügungen. Federführend ist der Berliner Medien- und Promianwalt Christian Schertz, besonders erfolgreich in der Sparte, missliebige poli-tische Bücher aus dem Verkehr zu ziehen. Ob es bei den gerichtlichen Attacken um wahrheitsgemässe Darstellung oder einfach um Einschüchterung geht, ist unklar. Am 15. Juni verhandelt das Kölner Landgericht eine einstweilige Verfügung, die die WWF-Mitarbeiterin Dörte Bieler damit begründet, sie sei von Huismann im Anschluss an eine Konferenz entgegen der Abmachung zu Themen befragt worden, die mit ihrem Re-ferat nichts zu tun gehabt hätten. Huisman, der das Referat aufgezeichnet hat, sieht der Verhandlung gelassen entgegen. Aber der Buchhandel ist bereits eingeknickt. Auf die Drohung der Kanzlei Schertz Bergmann, im Falle einer Verurteilung von Huisman auf Schadenersatz zu klagen, haben Amazon

und die deutschen Buchhandelsgrossisten «Das Schwarzbuch WWF» kurzerhand aus dem Angebot gestrichen. Für Rainer Dre-sen, den Juristen der Verlagsgruppe Random House ist «das massive Auftreten [des WWF] bisher singulär – und der Verlag hat schon Schwarzbücher über Scientology oder die Waldorfschulen veröffentlicht.

Der Vorgang zeigt, wie weit die Pres-sefreiheit  schon ausgehöhlt  ist – vom Markt, nicht von den Gerichten. Beim Verlag, kleineren Internet-Versendern und in der Schweiz ist das Buch nach wie vor erhältlich. Das Buch ist spannend wie ein Krimi, was es ja auch ist. Es ist aber auch er-schütternd, wie unkritisch die Öffentlichkeit mit dem von Grosswildjägern gegründeten Club umgeht. 260 000 «Mitglieder» zählt der WWF Schweiz, die offenbar nicht einmal merken, dass sie nichts zu sagen haben. Denn der WWF ist eine Stiftung und kein Verein, in dem die Mitglieder die Geschäfts-leitung zur Rechenschaft ziehen können. Da gibt es eigentlich nur eine Antwort: Den WWF zu demokratischen Regeln zwingen und die Spendengelder solange an kleine Umweltorganisationen leiten, die nicht mit umweltzerstörerischen Multis zwielichtige Geschäfte treiben. Christoph Pfluger

WilfriedHuismann:SchwarzbuchWWF– dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda. Güterloher Verlagshaus, 2012. 256 S., Fr. 28.50 /19,99 Euro.

Bild:Thomas Vellacott (l.), der neue CEO des WWF Schweiz schaufelt nachhaltiges Soja, zusammen mit Brigit Hofer (Coop) und Paul Klemenz vom Inporteur und Futtermittel-produzenten Fenaco. Die Soja könnte nach den vom WWF mitbestimmten Regeln des «Roundtable on Responsible Soy» durchaus auch gentechnisch verändert sein. Die erste Ladung, die hier 2006 gelöscht wurde, entspricht jedoch den etwas strengeren «Basler Kriterien», die Gentech-Saatgut verbieten. (Foto: Justin Hesson, WWF)

Page 46: ZP 120 – Lebensreisen

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Page 47: ZP 120 – Lebensreisen

Zeitpunkt 120  �7

Pappe ohne Grenzen

Dieser  Designer-Couchtisch  ist selbst gemacht. Und er ist nicht aus Beton, obwohl er so aussieht, son-dern aus Pappe. Gefunden haben wir ihn im neu erschienenen Buch «Möbel aus Karton selbst gebaut». Eine Französin mit dem Pseudonym Kiki Carton zeigt darin Schritt für Schritt, wie aus Pappe originelle Möbel entstehen. Die Vorteile des Recycling-Materials liegen nicht nur im Preis, sondern auch in der be-schränkten Werkzeugpalette, die es zur Verarbeitung braucht und in der grossen Formenvielfalt. Runde und nicht rechtwinklige Formen sind mit Karton kein Problem – der Phan-tasie sind keine Grenzen gesetzt. 

Dank intelligenter Verstrebungen im Innern sind die Pappmöbel auch sehr stabil.  CPKikiCarton:MöbelausKartonselbstgebaut. Ökobuch Verlag, 2012. 128 S., mit zahlr. Abb., Fr. 24.40 / 16,95 Euro, www.oekobuch.deViele Abbildungen von Pappmöbeln aller Art sind zu finden auf www.kikicarton.com

Einfamilienhäuser verbieten!Die Hüslischweiz ist zwar schon gebaut. Aber man hätte es anders machen können. Man hätte Einfamilienhäuser schlicht verbie-ten müssen und nur noch solche mit Einlie-gerwohnung erlauben dürfen. Warum? Ein-familienhäuser sind ein volkswirtschaftlicher Unsinn (deshalb werden so viele finanziert): Sie brauchen viel Fläche, sind teuer und werden nur zur Hälfte der Zeit angemes-sen genutzt. In den ersten 20 Jahren sind die Kinder da, das Haus ist voll. Dann zie-hen sie aus und der Raum bleibt ungenutzt. Schliesslich werden die Eltern pflegebedürf-tig, ein Elternteil stirbt und der andere lässt sich nicht mehr entwurzeln. Das Leben im zu grossen Haus wird einsam. Wir wissen, dass die Lebensfreude von Muscheln nach der Einnahme von Prozac steigt oder wa-rum Spechte keine Kopfschmerzen kriegen (aktuelle Nobelpreise für lustige Forschung), aber wir wissen nichts über die Nutzung von Einfamilienhäusern, wie man bei der Schweizerischen Vereinigung für Landespla-nung bestätigt. Dabei sind Einfamilienhäuser eine gigantische Position in unserer Volks-

wirtschaft mit Hypotheken im Wert von 800 Mrd. Franken. Zu viel Geld, um nichts darü-ber wissen zu wollen und eine Missachtung des obersten Grundsatzes der Raumplanung, des haushälterischen Umgangs mit Boden.

Die  Einliegerwohnung  ist  nicht  der Weisheit letzter Schluss, aber eine ange-messene Synthese zwischen dem Bedürfnis nach eigenen vier Wänden, der sinnvollen Nutzung der Infrastruktur und einer ver-nünftigen Erweiterung der Kleinfamilie. Wenn die Kinder klein sind, wohnt vielleicht die Grossmutter in der Einliegerwohnung und findet in der Betreuung der Kinder eine anregende Beschäftigung – vom Nutzen für die Kinder gar nicht zu sprechen. Wenn die Kinder als Jugendliche lauter leben wollen, können sie in die Einliegerwohnung zie-hen bis zum Moment der Rochade, wo die Eltern Grosseltern werden und die Kinder selber welche bekommen. Anstatt der Spitex schauen die übrigen Bewohner zum Rech-ten und alle gewinnen an familiärer Verant-wortung und Lebendigkeit.

Einfamilienhäuser sind auch eine un-sichere Zukunftsinvestition, in mehr-facher Hinsicht. Demographie: Das Bun-desamt für Statistik prognostizierte 2006 bis 2020 eine Schrumpfung der Menschen in der Familiengründungsphase um 270’000 und bis 2040 um 400’000 Menschen. Mo-bilität: Die Menschen zieht es in die Stadt, die Pendlerkosten steigen. Das macht Ort-schaften ausserhalb der Agglomerations-gürtel unattraktiv. Heidi Haag, Geografin bei der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung befürchtet denn auch an solchen Orten die Entstehung von «Einfa-milienhaus-Brachen» mit leer stehenden und schwer verkäuflichen Objekten. Vielseitig nutzbare Liegenschaften sind da eindeutig im Vorteil.

So gesehen würde ein Verbot gewöhn-licher Einfamilienhäuser nicht nur das so-ziale Leben verbessern und die Zubetonie-rung und den Energieverbauch reduzieren, sondern kurzsichtige Häuslebauer auch vor grossem Schaden bewahren. CP

Sommergrüsse  von den Marktweibern

Strapazierte Füsse? Ein wohltuendes Zitrone-Minze-Fuss-peeling hält die Füsse geschmeidig und lässt sie auch noch gut riechen. Mistel-Balsam sorgt für Linderung bei rissiger, trockener Haut. Macht ein Regentag dem Som-mer einen Strich durch die Rechnung, hellt Johannisöl die Stimmung auf. Diese und weitere Produkte vertreiben die «Marktweiber» in ihrem Onlineshop. Die Marktweiber, das sind Rita Krapf, Ruth Cozzio, Lydia Studerus und Cornelia Spissu – alle miteinander verwandt. Die vier Frauen stellen Produkte her, die ihre Anforderungen an natürlichen Anbau erfüllen. Die Palette reicht von So-cken, Pflege- und Speiseölen, Likören bis hin zu Peelings und Blumensamen. Alles wird in der Hausküche selbst produziert, im Garten angebaut oder – wie im Fall der Stulpen, Pullunder, Socken & Co. – gestrickt. Können die Vier etwas nicht selber herstellen, achten sie beim Zukauf auf faire Produktion und biologischen Anbau. Bm www.marktweiber.ch

Kurzmeldungen

Page 48: ZP 120 – Lebensreisen

vollwertig leben

�8  Zeitpunkt 120

Japan: positiv

Am 11. März 2011 stand der Reise-fachmann Thomas Köhler vor dem Aus. Erdbeben, Tsunami, AKW-Ka-tastrophe bewogen seine Kunden, ihre Reise nach Japan abzusagen. «Eine Annullierung nach der ande-ren musste ich bearbeiten. Mir war klar, dass ich meine Arbeit verlieren würde», erinnert sich der Japan-Ex-perte. Doch nach der Kündigung zuhause rumzusitzen kam für den Hobby-Marathonläufer  nicht  in Frage. Nach drei Monaten Vorbe-reitungszeit flog er nach Hokkaido, um Japan zu Fuss zu durchqueren. Die Vorstellung mancher Europäer, das Land sei nun für alle Zeiten un-begehbar, wollte Köhler nicht auf den Inseln sitzen lassen. 

Jeden Tag, egal wie müde oder wie  schlecht  die  Internet-Verbin-dung war, bloggte er. Als ein japa-nischer Journalist darauf aufmerk-sam wurde, war es vorbei mit der Ruhe. Überall im Land musste der Winterthurer  Interviews  geben und wurde von Einheimischen mit Schweizerfähnli begrüsst. Für die Menschen dort wurde er zu einem Symbol für Normalität. «Von der Re-serviertheit, die dem Volk nachge-sagt wird, spürte ich nicht das Ge-ringste», sagt Köhler rückblickend. Nicht selten wurde ihm auf seiner Wanderung ein Schluck Reiswein angeboten oder gar ein Bett zum Schlafen. «Negativ: nichts», schrieb er jeden Abend in seinem Blog. Für seine Marsch-Aktion wurde Köhler jetzt mit einem Talisman aus der Präfektur Fukushima geehrt, einem Okiagari-Koboshi,  dem  traditio-nellen,  japanischen Stehaufmänn-chen.   SL

DerDokumentarfilm«negativ:nichts»feiert im September in Zürich und Tokio Premiere.www.japanfenster.ch

Café RebelDía – ja zu Bio, nein zu teuren LabelsSoll Bio drauf  stehen, müssen  zapatis-tische Kleinbauern in Südmexiko tief in die Tasche greifen. Rund 2 500 Franken jähr-lich zahlt ihre Genossenschaft an die mexi-kanische Zertifizierungsagentur Certimex. Die Zertifizierung für den Schweizer Bio-Markt kostet nochmals 1 700 Franken.

Die mexikanischen Kleinbauern, die zu den ärmsten Schichten des Landes gehören, haben genug von teuren Bio-Labels. «Warum sollen wir wegen dem ‹Bio-Stempel› irgendwelchen Funktionären, die einmal im Jahr mit ihren Aktenköfferchen eine Stichprobe nehmen,

Geld in den Hintern schieben?» empört sich ein Kaffeebau-er. Bei insgesamt 600 involvierten Fami-lien seien einzelne Stichproben ohnehin wenig repräsentativ. Zudem enthalten die Richtlinien keine Be-stimmungen zu Ar-beitsrechten. «Wir können uns selber zertifizieren», lautet daher das Fazit des Kleinbauern.

Wie das geht, zeigt «Ssit Lequil Lum»,

eine der vier exportierenden mexikanischen Kaffeegenossenschaften. Die eigene Zertifi-zierung nach internationalen Bio-Richtlinien stand von Anfang an im Zentrum. Jeder der sieben Bezirke verfügt über einen Kaffee-Ex-perten, der die Bauern in biologischem Land-bau berät und Betriebe aus anderen Bezirken kontrolliert. Überwacht wird das Ganze von

der autonomen zapatistischen Regierung. Der selbstzertifizierte Kaffee wird in Griechenland, Frankreich, Deutschland und Italien bereits erfolgreich vertrieben. Café RebelDía nimmt die Anliegen der Kleinbauern ernst. Nach Be-suchen und Gesprächen vor Ort befürwortet der Verein die Autozertifizierung von zapati-stischem Kaffee, will vor der Einführung aber noch die Meinung der Kunden erfahren.

Die zapatistischen Kaffeegenossenschaf-ten  sind mit  ihren Problemen nicht  al-leine. Die zunehmende Unübersichtlichkeit von Bio-Zertifizierungen und Fairtrade-Labels und ihr Einsatz zum Greenwashing bereitet immer mehr Kleinbauernverbänden Sorgen. Im Labyrinth der Gütesiegel findet sich der Kun-de kaum noch zurecht, davon profitieren vor allem Grosskonzerne und Supermärkte. Aldi, Lidl und Nestlé fühlen sich wohl im Fahrwasser von Fairtrade und Bio — die Marken lassen sich gut verkaufen und pflegen das Image. «Fair Tra-de» ist kein geschützter Begriff, die Standards variieren, das Logo ist auch für Grossplanta-gen attraktiv geworden. Die Verlierer sind die Kleinbauern, die um ihre Absatzchancen auf dem Fairtrade-Markt mit den Grossplantagen konkurrieren müssen. Verlierer sind aber auch die Kunden, die kleine Strukturen fördern möchten und dabei die Massenmärkte stär-ken. Die GEPA, Europas grösste Organisation für fairen Handel, hat deshalb ihr eigenes Logo entwickelt und möchte in Zukunft bei mög-lichst vielen Produkten auf das herkömmliche Fairtrade-Siegel verzichten. An den Weltladen-Fachtagen vom 22. – 23. Juni 2012 in Hersfeld wird zudem eine Podiumsdiskussion zum The-ma «Entsiegelung» stattfinden. MK

WeitereInformationen:www.chiapas.ch/

Strom messen mit Stil

Die Übersicht über den Energieverbrauch behalten ist gar nicht so einfach. Helfen kann «Wattchers», bestehend aus einem Sensor, einem Sendegerät und einer Anzei-ge. Der Sensor kann auf jedem Stromzähler (analoge Messinstrumente mit einem Dreh-Impulsgeber, digitale Messinstrumente mit LED-Anzeige und smart meters) platziert werden. Der Sensor wird an das Sendegerät an-geschlossen. Beide werden im Stromkasten angebracht.

Das Sendegerät schickt ein Funksignal zur Anzeige (bis zu 40 Meter), die man in jede (Eurostandard) Steckdose stecken kann. «Wattcher» zeigt den neben dem aktuellen auch den täglichen und den angestrebten Verbrauch: Wie hoch ist Ihr Tagesverbrauch verglichen mit der an-gestrebten Menge? Sprich: Sparen Sie wirklich Energie? Ein praktisches Gerät für 118 Franken, das gleich hilft, die Anschaffungskosten wieder rauszuholen. BmErhältlich im Online-Shop von www.rrrevolve.ch

«Aufgrund der Repression des mexi-kanischen Staates gegenüber der Za-patistas nennen wir keine Namen, Orte und fotografieren keine Gesichter.» Foto: Café RebelDía

Page 49: ZP 120 – Lebensreisen

vollwertig leben

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für ein Leben in Würde ››› auch für die Indigen Bäuer Innen.

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50  Zeitpunkt 120

Alter Schwede

Vor langer Zeit ging in der damals noch namenlosen Provinz Dalarna im Herzen Schwedens ein Fichten-samen auf. 9500 Jahre später wür-den die Biologen Lisa Öberg und Leif Kullman den Baum nach Lisas sibirischem Husky «Old Rasmus» nennen. Es würde der älteste Baum der Erde sein. Einer, der den Stür-men des Urmeeres trotzte, Meteo-riten-Einschläge, Dürren und eisige Winter überlebte. Auch wenn «Old Rasmus»  über  ein  ausgedehntes Wurzelsystem verfügt – die Fichte mit den 9500 Jahresringen ist aus ihm nie geworden. Umgäbe seinen Fuss nicht dieses eigenartige Nest aus Ästen und abgestorbenen Zwei-gen, könnte man ihn für ein vom Wind zerzaustes, zwanzigjähriges Bäumchen  halten.  Dass  er  aber kein Baum ist, an dem man einfach vorbeigehen sollte, hat er nun der Wissenschaft bewiesen. Während schwedische  Forscher  bisher  der Ansicht waren, Fichten seien ver-

gleichsweise  junge  Einwanderer, gab «Old Rasmus» den Anstoss zu weiteren Untersuchungen. So fand man zwischen Dalarna und Lappland 20 Fichten, die über 8000 Jahre alt sein könnten. Auch der Methusalem selbst blieb nicht ohne Nachkom-men: Das scheinbare Geäst unter sei-nem Stamm identifizierten die Biolo-gen als kleinwüchsige Nachkommen des alten Baumes. Die «Kleinen» sind bis zu 9000 Jahre alt.   SLQuelle: scienceticker.info

Visionäre Landwirtschaft

Der Verein «Terre Vision» baut seit September 2011 in Biel und Umgebung eine Vertragslandwirtschaft auf. Seit diesem Mai erhalten die Konsumenten jede Woche feldfrisches Gemüse und Obst aus lokaler, kontrollierter und biologischer Produktion. Die Konsumenten wissen, woher Früchte und Gemüse stammen, die Bauernhöfe stehen Mitgliedern für Besuche und Auskünfte offen. Bislang liefern sechs Produzenten wöchentlich Gemüse und Früchte nach Biel. 35 Personen haben bisher ein Gemüse-Abo gelöst. Ziel sind 50 bis Ende Jahr. Es gibt ein kleines Abo für 1 bis 2 Personen für 20 Franken die Woche und ein grosses für 3 bis 4 Personen für 35 Franken. Die Körbe können an der Verteilzentrale anhand einer Liste selber zusammengestellt werden.

Neben Gemüse, Früchten, Beeren und Obstsaft steht auch die Lieferung von Brot, Fleisch und Milchprodukten zur Diskussion. Bm

TerreVision, 2503 Biel, Tel. 032 322 86 66, www.terrevision.ch

Gegen Depressionen  ist ein Kraut gewachsenJohanniskraut ist die beliebteste pflanzliche Arznei gegen Depressionen. Aber wirkt es tatsächlich? Die renommierte «Cochrane Collaboration» gab eine Studie in Auftrag. Was Freunde der Naturmedizin schon lange wissen, liegt nun auch schwarz auf weiss vor: «Die Johanniskraut-Präparate waren Placebos deutlich überlegen und ebenso effektiv wie die üblichen Antidepressiva, nur ohne deren Neben-wirkungen.» Interessant: Im deutschsprachigen Raum, wo die medizinische Verwendung von Johanniskraut eine lange Tradition hat, zeigten die Studien bessere Ergebnisse als in anderen Regionen.

Ein Argument, das bisher gegen die Einnahme von Jo-hanniskraut sprach, war die Lichtempfindlichkeit. Diese ging auf die Erfahrung zurück, dass helle Weidetiere, die zu viel vom Kraut fressen, Überempfindlichkeitreaktionen wie Bläs-chenbildung und Hautausschläge zeigen. Eine Studie konnte aber nun die photosensibilisierende Wirkung beim Menschen widerlegen. Reaktionen von Überempfindlichkeit treten beim Menschen erst bei einer starken Überdosierung auf. SL

Auch Europa hat  eine traditionelle Naturheilkunde

Die traditionelle chinesische Medizin (TCM), die übrigens erst in der Not der Kulturrevo-lution aus den überlieferten Praktiken zu-sammengestellt wurde, kennt heute jeder. Aber wussten Sie auch, dass es eine «tradi-tionelle europäische Naturheilkunde» (TEN) gibt. Sie steht für das Jahrtausende alte Medizinsystem, das erst im 19. Jahrhundert durch die heutige Schulmedizin weitgehend ersetzt wurde. TEN ist entsprechend mehr als nur eine Sammlung diagnostischer und therapeutischer Methoden, sondern eine eigenständige «Heilkunst nach den Geset-zen und mit den Mitteln der Natur». Zum ersten Mal werden nun in einem Buch die verschiedenen Elemente der TEN zu einem systematischen Ganzen zusammengefasst. Viele ihrer Methoden wie die Heilpflanzen-kunde, Schröpfverfahren oder Kneipp-An-wendungen sind zwar feste Bestandteile der Alternativmedizin, werden aber meist losge-löst von ihren traditionellen Wurzeln prak-tiziert. Darunter leidet ihre Effizienz, denn erst die Integration in das ursprüngliche Medizinalkonzept ermöglicht eine wirklich naturgemässe und vor allem individuelle Gesundheitspflege und Behandlung kran-ker Menschen.

Mit «Grundlagen der Traditionellen Eu-ropäischen Naturheilkunde» legen die Au-toren – erfahrene Naturheilpraktiker, die seit Jahren in ihren Praxen mit der TEN arbeiten – den Grundstein für die Definition des TEN als Fachrichtung innerhalb der Al-ternativmedizin und haben gleichzeitig ein Lehrbuch für die Aus- und Weiterbildung von TEN-Therapeuten geschaffen. BM

ChristianRaimannet.al.:GrundlagenderTraditionellenNaturheilkunde. Bacopa Verlag 2012, 588 S., Fr. 106.- / 79,- Euro.

Ausserdem:Die Akademie für Naturheilkunde in Basel bietet die Ausbildung zum Naturarzt ANHK, Fachrichtung TEN an. Studienbeginn ist der 20. August 2012. Informationen: Akademie für Naturheilkunde ANHK, Basel, Tel. 061 560 30 60, www.anhk.ch

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Foto: pharmawiki.ch

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hInter dem schleIerder propAgAndA

Sechzehn deutsche Journalisten, Fotografen und Intellektu-elle machten sich auf in den Iran, um hinter die Kulissen der westlichen Propaganda zu schauen und sich ein eigenes Bild zu machen…      von Jürgen Elsässer

Ankunft Imam Khomeini-Airport, 19. April, kurz vor Mitternacht. Wir verlas-sen den Terminal und steigen in unseren Reisebus. Die Fahrt zu unserem Hotel im Norden der iranischen Hauptstadt

sollte über eine Stunde dauern. Das lag einerseits an den gewaltigen Abmessungen Teherans, das heute mit zwölf Millionen Einwohnern so gross wie London ist. Andererseits und vor allem an der verstopften Stadtautobahn: Trotz nachtschlafender Stunde gab es nur stop-and-go, Stossstange an Stossstange – und das auf einer gut ausgebauten Strecke mit bis zu zehn Fahrspuren in einer Richtung.

Dieser  erste  Eindruck  sollte während unserer zehntägigen Reise immer wieder neu belebt werden: Die Dynamik des Landes, seine Modernität – bis hin zu deren Schattenseiten wie dem drohenden Verkehrsinfarkt. Dabei liegt das Land seit Mitte der 1990er Jahre unter Sanktionen, die, von den USA ausgehend, mittlerweile von allen westlichen Staaten (der selbsternannten «internationalen Gemeinschaft››) übernommen wurden und ständig verschärft werden. Ich kannte ein anderes Land, das unter einer Wirt-schaftsblockade litt – Jugoslawien. Mitte und Ende der 1990er Jahre war ich regelmässig in Belgrad und bekam einen Eindruck von den Auswirkungen: Die

Foto

: AFP

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Strassen voller Schlaglöcher, die Autos alt und zer-beult, an den Häusern selbst in der Innenstadt brö-ckelte der Putz, auch in den besten Hotels fiel der Strom aus. Nichts davon in Teheran.

An jeder Ecke, buchstäblich auf Schritt und Tritt, werden Apartmenthäuser hochgezogen, die Strassen sind gepflegt, die PKW grösstenteils neuerer Bauart.

Wer vor 20 Jahren den Bauboom im wiederver-einigten Berlin miterlebt hat und im Geiste dessen Tempo verdoppeln würde, könnte sich ein Bild von Teheran 2012 machen. Die Hoffnung des Westens, man könnte das Land aufgrund seiner fehlenden Raffinerien in der Benzinversorgung austrocknen, hat offensichtlich getrogen.

Man sagt uns, seit letztem Jahr sei der Iran autark bei der Spritversorgung. Das können wir nicht nach-prüfen, aber wir sehen den nie enden wollenden Verkehr, und wir sehen an den Tankstellen den aus-gehängten Literpreis von umgerechnet 30 Cent. In der englischsprachigen Tehran Times ist zu lesen, dass der Ölexport im Februar gestiegen sei – trotz des totalen Kaufboykotts der westlichen Staaten. Was ich damit sagen will: Durch wirtschaftliche Strangulie-rung wird man dieses Land nicht kleinkriegen. Es hat zu viel eigene Ressourcen, vor allem Öl und Gas.

Am nächsten Tag besichtigen wir das Autowerk Sai-pa. Dort rollen jeden Tag 1 100 Mittelklassewagen vom Band, Stückpreis umgerechnet 3 500 Euro. Kein Wun-der, dass ein solches Schnäppchen Abnehmer findet: Die grösste Kfz-Fabrik im Nahen Osten exportiert in alle arabischen und zentralasiatischen Länder, in Ve-nezuela und Syrien hat sie eigene Fertigungsstätten.

Seit der französische Partner Renault im Zuge der Embargoverschärfung ausgestiegen ist, werden alle Teile komplett im Inland produziert. Die 9 000 Kol-legen arbeiten im Dreischicht-Betrieb und bringen monatlich 700 bis 1 000 Euro nach Hause. Das liegt über dem Durchschnittslohn im Iran, und die Miete in der Hauptstadt frisst davon auch noch 200 bis 400 Euro weg.

Aber dennoch  ist der  Lebensstandard für die Masse des Volkes in dem vermeintlichen Schurken-staat höher als selbst in den osteuropäischen Mit-gliedsländern der Europäischen Union:

Nirgends sieht man Bettler und Elendsquartiere, die Mehrzahl der Wohnungen in der Hauptstadt wurde in den letzten 20 Jahren gebaut. Was vor allem sensati-onell ist: Im Iran werden in der Industrie und beim Staat nur sechs Stunden pro Tag und 30 Stunden pro Woche gearbeitet. Statt Samstag und Sonntag, wie bei uns, sind Donnerstag und Freitag frei. Hinzu kommt die Erfüllung einer Forderung, die hierzulande vor allem Grüne und Linke – bis dato vergeblich – erhe-

ben: Es gibt ein garantiertes Grundeinkommen, mo-natlich etwa 50 Euro pro Person. Eine vierköpfige Fa-milie kann so vom Staat 200 Euro extra kassieren. Da es keine bürokratische Kontrolle dieses Anspruches gibt, können die Bürger damit auch ihren Lohn auf-stocken. Ein Exiliraner in Berlin sagte mir, dass selbst in Deutschland lebende Landsleute mit Hilfe von Konten im Iran an diese Zahlungen gelangten.

Mit  diesem  Grundeinkommen hat Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei den Armen gepunk-tet. Vorher gab es nämlich Subventionen für Ein-zelartikel, etwa für Benzin, Heizöl, Kleidung und Nahrungsmittel. Da die Reichen sich davon mehr kaufen konnten, waren auch ihre Zuschüsse höher. Die Umstellung der Stütze auf das Pro-Kopf-System wirkte egalitär und stellte Familien, die kein Auto, aber mehrere Kinder haben, besser als zuvor.

Zu den Schattenseiten der Wirtschaftsentwicklung gehört die trabende Inflation, die nach inoffiziellen Angaben bei über 20 Prozent liegt. Doch wir wollen uns nicht im ökonomischen Klein-Klein verlieren, sondern gleich ans Eingemachte gehen: Was nützt der ganze wirtschaftliche Fortschritt, wenn er mit Ein-schränkung von Freiheitsrechten, Folter, Steinigung und Todesstrafe einhergeht? Gab es nicht auch unter Hitler und Stalin beeindruckende Wachstumsraten, und würde dies irgendein vernünftiger Mensch als Pluspunkt bei der Beurteilung dieser Diktatoren, so-zusagen als mildernden Umstand, gelten lassen?

Es soll nicht beschönigt werden, dass es diese Menschenrechtsverletzungen im Iran gibt. Die Be-richte von Menschenrechtlern sind bedrückend. Und eine Aufrechnerei kann nur im Zynismus enden: Der Schmerz einer Mutter, deren Sohn in einem Gefäng-nis gefoltert wurde, wird nicht dadurch geringer, dass ihre Tochter eine gut bezahlte 30-Stunden-Wo-che hat. Und doch sollte man die Unterschiede zum Nationalsozialismus und Bolschewismus im Auge behalten: Der NS-Staat war ein rassistisches Regime, eines seiner wichtigsten Ziele war die Ausrottung der Juden. Im Iran aber geniessen die ]uden nicht nur volle Religionsfreiheit, sie haben auch ihre eigenen Parlamentsabgeordneten (ebenso wie die Christen und die Zarathustra-Anhänger). Und die Oktoberre-volution war der Putsch einer relativ kleinen Avant-garde und die daraus entstandene «Diktatur des Proletariats›› notwendiger weise die Herrschaftsform einer Minderheit. Im Unterschied dazu war die Isla-mische Revolution gegen den Schah im ]ahre 1978 ein Aufstand fast des ganzen Volkes. Die Mehrheits-verhältnisse waren so eindeutig, dass die Soldaten des alten Regimes angesichts der demonstrierenden Millionen ihre Gewehre wegwarfen – der Macht-

Kuppel der Sheikh-Lotf-Allah Moschee in Isfahan, Iran (Foto: Phillip Maiwald)

Achtung:EswirdscharfgeschlammtDie Iran-Reise der Gruppe um Jürgen Elsässer hat in Deutschland einen mittleren Mediensturm ausgelöst. Im Zentrum: Der FDP-Landtagskandidat Clemens Hübscher, der den «Irren von Teheran» besucht und dem «Diktator» sogar die Hand geschüttelt hat. Trotz seiner Verdienste um das Holocaust-Gedenken wurde er aus der «Gesell-schaft für deutsch-jüdische Zusam-menarbeit» ausgeschlossen.

Besonders heftig reagierte die linke Presse. Für sie ist Jürgen Elsässer, der ehemalige Mitarbeiter von «Konkret» und «Neues Deutschland» sowie Mit-begründer der «Jungle World» ein rotes Tuch, seit er sich u.a. dafür stark macht, dass sich die Nationalstaaten gegen das internationale Finanzkapital zur Wehr setzen, z.B. durch eine Rück-kehr zur D-Mark. Christian Böhme, langjähriger Chef der Allg. Jüdischen Wochenzeitung, bezeichnete in der Jungle-World die Gruppe als «selbst ernannte Durchblicker» und als «Dikta-toren-Groupies». (Der Text ist in ganzer Polemik unter www.jungleworld.com zu finden). Im Kampf um die Medien-hoheit zum Thema Iran wird scharf geschossen, meist mit Schlamm.

Der vorliegende Text stammt aus dem von Elsässer verantworteten Mo-natsmagazin «Compact», das eine Ge-genöffentlichkeit zu den Mainstream-Realitäten schaffen will. CPwww.compact-magazin.com

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wechsel war weitgehend unblutig. Dass sich das in der Folge änderte, hängt auch mit dem Überfall des Irak 1980 zusammen. Während der – vom Westen finanzierten und munitionierten – achtjährigen Ag-gression Saddam Husseins starben 300 000 Iraner. Trotz der Repressalien gegen – vermeintliche und echte – 5. Kolonnen des Feindes büsste die religiöse Führung des Landes in diesem Abwehrkampf nichts an ihrer Popularität ein. Das ist auch der Grund, warum die Islamische Republik bis heute als Demo-kratie funktionieren kann. Es wird auf allen Ebenen gewählt, ganz anders als in den Golfstaaten und Saudi-Arabien. Und es gibt eine Gewaltenteilung: Ahmadinedschad als Präsident bestimmt die aktu-elle Politik, aber im Parlament – auch das haben wir live erlebt – wird scharf gegen ihn geschossen, und der mächtige Wächterrat verhindert, ganz wie unser Verfassungsgericht, Verstösse von Legislative und Exekutive gegen die Grundlagen des Staates. Dass dieser Wächterrat bestimmte Kandidaten bei Präsidentschaftswahlen nicht zulässt, sollten die USA übrigens besser nicht kritisieren: Auch dort gibt es eine solche Vorauswahl, nur nimmt sie nicht die Hohe Geistlichkeit vor, sondern das Grosse Geld. Wer nicht die Unterstützung des Finanzkapitals hat, wird in God‘s Own Country nie zu den Präsidentschafts-wahlen antreten können.

Was die Islamische Republik so stabil macht, konnten wir beim zentralen Freitagsgebet in Teheran erleben: Der Prediger, Ajatollah Dschanatti, brach in Tränen aus, als er über das Schicksal der Prophe-tentochter Fatima sprach – und viele der 100 000 Gläubigen auf dem Riesenareal weinten mit ihm. Das für uns Westler schwer Verständliche ist, dass diese Erinnerung an Ereignisse vor fast 1 500 Jahren

für die Schiiten keine religiöse Folklore ist, sondern aktuelle politische Handlungsanleitung: Sie assoziie-ren die Kalifen, die sich (unter anderem) durch die Tötung Fatimas den Weg zur Nachfolge Mohammeds freikämpften, mit dem Macht- und Geldprinzip, das heute in den westlichen Staaten ebenso dominiert wie etwa in Saudi-Arabien. Demgegenüber verträten nur sie, die Partei (Schia) des von Mohammed desi-gnierten Nachfolgers AU, die Reinheit des Glaubens ohne persönliche Bereicherung. Aus dieser Lesart der islamischen Geschichte ergibt sich ein starker sozialrevolutionärer Impuls, der den Iran auf den ersten Blick aussehen lässt wie früher die sozia-listischen Staaten: Überall hängen in Teheran die riesigen Porträts der Revolutionsführer Khomeini und Chamenei, so wie früher in Moskau die Kon-terfeis von Marx und Lenin. Auch die Slogans auf den Spruchbändern («Für die Unterdrückten auf der Welt!») sind ähnlich.

Dies zeigte sich auch bei unserem Empfang bei Ahmadinedschad. Er sprach mit uns weniger über aktuelle Politik, als über Philosophie und Religion, etwa dass alle Menschen unabhängig von Hautfarbe und Religion Brüder seien und denselben Gott hätten. Ganz besonders appellierte er an uns als Christen: Der jüngste Tag, der Gerechtigkeit auf Erden brin-gen soll, werde angekündigt durch die gemeinsame Wiederkehr des «verborgenen Imam» in Begleitung von Jesus Christus. So eine Rede hätte ich vom Dalai Lama erwartet, aber nicht von einem Politiker.

Aber genau  in dem, was wir beim Freitagsge-bet und bei Ahmadinedschad erlebt haben, liegt die Stärke des Iran: Dass der Staat die spirituellen Kraft-quellen des Volkes, vor allem die religiösen Werte und Traditionen, als Leitlinie für die Politik (und für das Alltagsleben) erschlossen hat und ständig weiter erschliesst. Dabei ist mir klar geworden, dass die Islamische Republik als Vorbild für unsere europä-ischen Völker nicht geeignet ist, weil deren Religion und Traditionen einfach nicht die unseren sind, und jeder Versuch, diese uns überzustülpen, nur mit Mord und Totschlag enden könnte. Die Schiiten, übrigens im Unterschied zu Salafisten und Wahhabiten sau-discher Provenienz, scheinen das auch verstanden zu haben. Modell kann der Iran aber insofern sein, als dass ein Volk nur dann zu sich selbst finden und einen stabilen Staat aufbauen kann, wenn es die Wurzeln der je eigenen Kultur und des je eigenen Glaubens wiederfindet und pflegt. In diesem Sinne ist es eigentlich ein Segen, dass der gegenwärtige Papst ein Deutscher ist. Wann reist Benedikt XVI. nach Teheran und betet mit Imam Chamenei für den Frieden der Welt?

Zu Besuch beim Chef in der ersten Reihe (v.l.n.r.): Andreas Neumann, Anneliese Fikentscher, Frau und Herr Özoguz, Claus Hübscher, Mahmud Ahmadinedschad, Jürgen Elsässer, Gerhard Wisnewski, Elias Davidsson.

Nicht ohne Folgen…Eine Woche nach der Rückreise war auf Elsässers Blog zu lesen: «Gibt man bei ‹google news› den Namen von Claus Hübscher ein, kommt man derzeit auf 53 Treffer. Vom Ostfriesischen Kreisanzeiger bis zum Oberammer-auger Liebfrauenboten wurden die Praktikanten in Marsch gesetzt, um einer vom anderen abzuschreiben, selbst Radio und Fernsehen müssen mitmachen: Claus Hübscher, einer der 15 Mitreisenden auf der Iran-Reise, ist nämlich FDP-Landtagskandidat in Delmenhorst. Jetzt heisst es, er habe dem ‹Diktator› die Hand geschüttelt, dem ‹Irren von Teheran›, den Holocaust ‹verharmlost›, sei der neue Möllemann etc. Die FDP solle ihn rausschmeissen etc.» Auch die anderen Mitreisenden bekamen ihr Fett ab. Als Beispiel ein Zitat aus der jungle-world.com: «Vielleicht war der FDP-Mann so mutig, weil er in Teheran mehr als ein Dutzend aufrechter Mitstreiter an seiner Seite wusste. Menschen, die wie Ahmadinedschad Probleme mit Juden haben, Israel für die grösste Bedrohung des Friedens halten und ‹den Westen› und die US-Regierung zum Teufel wünschen. Und die fest davon überzeugt sind, dass die Welt eine einzige grosse Verschwörung ist. Jürgen Elsässer zum Beispiel gehört zu diesen Menschen. Der Mann war mal

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«dIe unIVersItät der wIldnIs»Immer wieder reiste er in sein «heiliges Land». In der Wildnis holte sich John Muir, der schottisch-amerikanische Universalgelehrte und Pionier des Naturschutzes die Kraft für sein Lebenswerk. In den USA eine Berühmt-heit, bei uns fast unbekannt, ist Muir ein Mensch, von dem wir einiges für unsere Reise mitnehmen können.   von Dieter Steiner

Ich wanderte von Fels zu Fels, von Fluss zu Fluss, von Hain zu Hain. ... Wenn ich eine neue Pflanze entdeckte, setzte ich mich für eine Minute oder einen Tag

neben sie, um Bekanntschaft zu schliessen und zu hören, was sie zu erzählen hatte.» So beschrieb John Muir seine Art, wissen-schaftliche Feldarbeit zu betreiben. Er leitete seine Befunde aus der direkten Begegnung mit der Natur ab, orientierte sich an der «Universität der Wildnis». Geschriebenes war von geringerem Wert. «Sich einen Tag lang in den Bergen aufzuhalten ist besser als Fuhren von Büchern», steht in seinem Tagebuch. Dieses Werturteil bringt aber auch zum Ausdruck, dass er sich selbst als unfähig betrachtete, das Erfahrene adäquat zu Papier zu bringen. Er selber liess sich durchaus auch von Büchern über die Natur inspirieren.

Wer aber war John Muir? Ein 1838 ge-borener Schotte, der als Jüngling ein hartes Farmleben in Wisconsin mitmachte und mit 22 Jahren das Weite suchte, um sich aus den Fängen eines tyrannischen Vaters zu befreien. Nach Zwischenstationen, darunter einem halben Studium an der University of Wisconsin in Madison, landete er in Kali-fornien. Da entdeckte er die überwältigende landschaftliche Szenerie der Sierra Nevada, die Berge mit Schnee und Eis, die Canyons mit steilen Felswänden und Wasserfällen, die riesigen, oft mehrere tausend Jahre alten Mammutbäume. Ein achtsamer Besucher wie Muir konnte davon nicht unberührt bleiben: Dies war ein heiliges Land. Nicht die von Menschen errichteten Kirchen, sondern die hiesigen Wälder waren «Gottes Tempel».

Diesem Juwel drohten aber Gefahren: Nachdem die Indianer beiseite geräumt waren, betrachteten viele der weissen Ein-

wanderer die staatlichen «public lands» als Selbstbedienungsladen. Riesige Schafherden frassen alles kahl, und Holzfäller rückten den Baumriesen zu Leibe. Muir machte sich erste Gedanken über Naturschutz und be-gann trotz seiner Bedenken zu schreiben. Mit einer Mischung von wissenschaftlicher Exaktheit und poetischer Emotionalität ver-suchte er den Graben zwischen «dem Ge-nauen und dem Mächtigen» (Karl Schmid) zu überbrücken. In dieser Zeit wurde Muir zu einem Zivilisationsflüchtling, allerdings einem nie gänzlich überzeugten. Zwar pflegte er zu sagen, in die Berge zu ge-hen sei gleichbedeutend mit nach Hause zu kommen, aber er vermisste dabei die auch ihm teure Geselligkeit unter Menschen.

Nach  langen  abenteuerlichen  Jahren kippte Muirs Leben auf die sesshafte Seite: Er wurde Ehemann und Familienva-

ter und gut verdienender Früchteproduzent, was ihm aber sowohl physisch und psy-chisch nicht bekömmlich war. Mit seiner Ranch trug er selbst zur rasanten landschaft-lichen Umwandlung Kaliforniens bei, die ihm im Innersten doch zuwider war. Nach zehn Jahren befreite er sich von der Ranch-arbeit, engagierte sich fortan bei politischen Naturschutzkampagnen und unterstützte diese mit der Veröffentlichung von Arti-keln und Büchern. Sein grösster Erfolg war die Gründung des Yosemite-Nationalparks 1890, seine grösste Niederlage der Entscheid von 1913, für die Wasserversorgung San Franciscos das innerhalb der Parkgrenzen liegende Hetch-Hetchy-Tal einem Stausee zu opfern. Es ist wahrscheinlich, dass dieser Tiefschlag das Ende Muirs beschleunigt hat: Er starb am Weihnachtstag 1914.

Mit dem Leben und Wirken des bei uns praktisch unbekannten Muir ist eine Bot-schaft verbunden: Ob wissenschaftlich oder nicht, unser heute teilnahmsloses Verhält-nis zur Natur muss wieder etwas von der Muirschen Achtsamkeit annehmen, wenn wir unseren Planeten nicht flächendeckend ruinieren wollen. Dies kann auch so begin-nen, wie Mike van Audenhove es in einem seiner unnachahmlichen Comics dargestellt hat: Ein Mann im Auto sitzt im Stau fest und steigt zum Zeitvertreib aus. Dabei entdeckt er ein aus dem Asphalt des Trottoirs spries-sendes Blümchen. Er steigt wieder ein und sagt zu sich selbst: «Moll, so öppedie verusse cho, das mach i glaub öfter.»

DieterSteiner:DieUniversitätderWildnis – John Muir und sein Weg zum Naturschutz in den USA. oekom Verlag, 2011. 402 S., Fr. 42.- / 23,99 Euro.

1903 lud John Muir (r.) den amerikanischen Präsidenten (l.) Theodore Roosevelt zu einem mehrtägigen Camping in den Yo-semite-Nationalpark ein. Das Resultat war u.a. ein verbesserter Schutz des Parks.

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Zeitpunkt 120  57

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grüssgott! sagt Billo Heinzpeter Studer

Ich berichte  in dieser Kolumne über Österreich durch mein Schlüsselloch in Graz. Seien Sie froh, dass ich nicht in Wien sitze! Da erführen Sie vom Land ähn-lich wenig wie von der Schweiz aus dem Mund eines Zürchers, der seine Stadt be-kanntlich nur ferienhalber verlässt: Richtung Ausland. Überhaupt tragen Wienerenen*, Zürcherenen oder Pariserenen die Nase so hoch, dass sie gar nichts beobachten können. Der Blick aus der etwas abseits liegenden, zweitgrössten Stadt des Landes ist gerade richtig.

Hier werden keine Stereotype bedient. Na-türlich ist die Mehrheit der Österreicherenen ziemlich deppert. Das gilt bis auf weiteres für die Mehrheit jedes Volkes. Andernfalls sähe es auf der Welt gemütlicher aus.

Meine Sehhilfen sind: Erstens die «Kleine Zeitung», eine südösterreichische Mischung aus Käseblatt und Blatt von Welt, zweit-grösste Tageszeitung des Landes, mein täg-liches Leibblatt dank flotter Schreibe und toilettengängigem Tabloidformat. Zweitens das «Megaphon», von der steirischen Caritas herausgegebenes und frei heraus gemach-tes Grazer Strassenmagazin, sowie andere zufällig ergatterte Zeitschriften. Und drit-tens Beobachtungen bei Bahnfahrten quer durchs Land und Austausch mit Freundenen querfacebook.

Interpretationshilfen sind meine Lebens-erfahrungen aus einem andern Land, das ich kenne wie meinen Hosensack. Stolpern ist dabei nicht ausgeschlossen, zum Beispiel über Sprachschwellen zwischen helvetischem und austrianischem Deutsch. Fritaten- statt Flädlisuppe, Gustostückerl statt Filet, Marille statt Aprikose: das ist erlernbar – aber was bitte, wenn das selbe deutsche Wort hier eine andere Bedeutung hat als dort?

Was heisst  schon Deutsch? Wenn die Menschen in Österreich und der Schweiz

etwas eint, ist es Distanz gegenüber den «echten» Deutschen, welche die beiden ähn-lich kleinen Alpenrepubliken sozusagen als Provinzen mit niedlichen Dialekten betrach-ten. Der Schweizerenen vom ersten Schul-jahr an innewohnende Komplex gegenüber den «richtig» Sprechenden aus dem Norden verfliegt beim Aufenthalt im östlichen Nachbarland: man spricht gleichermassen «falsch», aber eigen und darum echt.

Die Abwehrreflexe sind freilich dies- und jenseits des Alpenrheins durchaus unter-schiedlich. Der Anschluss ans tausendjäh-rige Reich war manchem im kurz zuvor kleingestutzten Österreich noch so recht; in der Schweiz hingegen waren Anschluss-willige schon damals verpönt. Eher un-beliebt sind Deutsche in Österreich heute wohl nicht zuletzt, weil – anders als in der Schweiz – Teile der heimischen Wirtschaft vom Norden aus dirigiert werden. Die Su-permarktketten Billa, Merkur und Penny gehören dem Kölner Rewe-Konzern, die Hofer-Kette dem Discounter Aldi, das Bou-levardblatt Krone zur Hälfte der mächtigen WAZ-Mediengruppe mit Sitz in Essen, die serbelnde AUA der Lufthansa.

Das Beispiel mit der Airline kennen Schweizer aus eigener Anschauung, jenes mit den Supermärkten haben sie wohl längst vergessen. 1993 hatte die Migros zahlreiche Läden in Österreich zusammengekauft, um für ihre eigenen Produktionsbetriebe Absatz im Ausland zu schaffen; doch nach wenig mehr als einem Jahr zog sie sich Hals über

Kopf zurück, unter Verlust einer halben Mil-liarde Franken – der helvetische Charme des Konsumierens war hierzulande wenig gefragt und der austrianische Schlendrian im Umgang mit Leichen im Keller war den Zürchern ein Greuel. Ein wenig Migros-Fee-ling gibt’s heute immerhin für die Kund-schaft der selbständigen österreichischen Spar-Gruppe, vom S-Budget-Programm bis zu Frey-Schokolade.

Auf Anhieb  scheint  leicht  erkennbar, dass sich Österreicherenen vieles gefallen lassen. Doch ihre westlichen Nachbarenen brauchen sich gar nicht ins hohlen Schwei-zerkreuz zu werfen: Sie lassen sich genau so sehr übern Tisch ziehen. Mobiles Internet, das ich – oft unterwegs – häufig gebrauche, ist in der Schweiz ein Mehrfaches teurer. An der Technik kann der Unterschied nicht liegen. Vermutlich haben sich Helvetenen einfach daran gewöhnt, dass man ihnen schamlos das Geld aus der Tasche zieht, egal, wie billig der Anbieter sich gibt.

Auf viel zu grossem Fuss lebt Österreich vor allem anderswo: nämlich weit über sei-ne politischen Verhältnisse. Mit der höchsten Parteienfinanzierung der Welt. Mit Skandalen, die anderswo ein Land erschüttern würden. Mit Landeshäuptlingen, die alles blockieren. Mit Roten und Schwarzen, die gegen- und miteinander packeln, bis es ins blaue Auge geht. Mehr davon nächstes Mal.

* Der Autor experimentiert hier. Er setzt den genderkorrekten Sprachkrücken eine neue, unbetonte, les- und sprechbare Neutralen-dung entgegen, die, wie in Österreich üblich, leicht nasal auszusprechen ist. Probieren Sie es aus.

BilloHeinzpeterStuder pendelt der Liebe halber seit 2010 zwischen Winterthur und Graz, wo er seit seiner Pensionierung im April 2012 offiziell wohnt. www.communicum.chStuder war Mitbegründer des Migros-Frühlings, Geschäftsführer von KAGfreiland und zuletzt Geschäftsführer von fair-fish.

Natürlich ist die Mehrheit der Österreicherenen ziemlich deppert. Das gilt bis auf weiteres für die Mehrheit jedes Volkes. Andernfalls sähe es auf der Welt gemütlicher aus.

KAISER&SCHMARRN

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Zeitpunkt 120  59

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60  Zeitpunkt 120

Sommercamps: Experimentieren mit Lehmecco terra organisiert seit 15 Jahren die etwas anderen Sommerferien für Experimentierfreudige, diesen Som-mer ein Lehmerlebnislager für Familien (23.– 28. Juli 2012) und ein Camp «Grundlagen des Lehmbaus» für Selbstbauer (30. Juli – 4. August 2012).

Die Durchführungsorte (Lieli/AG und Sternenberg/ZH) bieten ideale Möglichkeiten für Lehmbau- und Spiel-erlebnisse, Skulpturen- und Ofenbauen, Gruben- oder Fassbrand. Fachleute vermitteln praktische und theo-retische Kenntnisse über Lehmbau, wie man die richtige Lehmmischung herstellt, Lehm stampft, Weidenruten zu einem Grundgerüst verflechtet, den aufbereiteten Lehm auf die Konstruktionen aufträgt, verputzt, modelliert und

verziert. Die Teilnehmenden üben sich in Kunst und pro-bieren traditionelle Arbeitstechniken aus. CPInfos und Anmeldung: VereinFeuervogel, Lauigasse 8, 3076 Worb, Tel. 031 832 45 94, www.eccoterra.ch

Das Gemeinsame der Religionen verstehen

«Unterschiedliche Formen der Mystik von fünf verschiedenen Religionen verstehen und das Gemeinsame feiern», das will ein Seminar des Zentrums für integrale Friedensförderung im «Zentrum der Einheit» auf der Schweibenalp ob Brienz.

Sundar Robert Dreyfus, Arzt, Mystiker und Gründer des Zentrums der Einheit Schweibenalp, Anju Angelika Brendel, langjährige Zen-Praktizierende, Irene Latifa Weiss, Sufi-Leh-rerin und Werner Binder, Psychotherapeut und christlicher Mystiker, führen die Teilnehmenden während fünf Tagen auf die mystischen Wege des Hinduismus, Zen-Buddhidmus, Su-fismus, Judentum und Christentums. In Meditationen, Gebeten und Feiern wird das Verständnis für die mystischen Formen der einzelnen Religionen vertieft. Und durch Wandern im Schweigen verbindet sich die Seminargruppe immer wieder mit der Mystik der Alpenwelt.

Das Zentrum für integrale Friedensförderung ist ein Projekt der Integralen Politik Schweiz und will dazu beitragen, den Frieden in sich selbst zu finden und die Kraft des Friedens nach aussen zu tragen. CP

«InterreligiöseMystik», 14. – 19. August, Schweibenalp. Infos: www.integrale-friedensfoerderung.ch

Ein Festival wie von einer anderen WeltEin Empfang, wie er schöner nicht sein könnte: Inmitten freier Natur begrüssen uns Tausende von Lichtern, wir finden uns plötz-lich in einem Zauberdorf mit einer künst-lerisch gestalteten Bühne, reizenden Türm-chen und einem zweistöckigen Restaurant aus Rundholzstämmen, Marktständen und einer Zeltstadt wieder, alles eingetaucht in eine magisch-feierliche Vollmondstimmung – ein wahr gewordener Traum!

Die OskarMaus-Feuernacht 2011 lässt einen erst lange nach Mitternacht wieder zu sich kommen. Ein Höhepunkt jagt den anderen: Auf Rigolos Wasser-Show folgt eine Feuer-Show, danach tritt die hölzerne

OskarsMaus auf, die, begleitet von mittel-alterlichen Dudelsäcken, abbrennt und die Zuschauenden im Feuerregen tanzen lässt, bis die Aufmerksamkeit zur Bühne geht, wo der Abend mit einem genialen Konzert abgeschlossen wird. Als ehemalige Sonn-tagsBlick-Party-Reporterin habe ich einige Dutzend Events erlebt, das aber war der Schönste und Berührendste – ever!

Den Organisatoren ist gelungen, was der von einem Kinderbuch adaptierte Titel (Os-karmaus geht aus) verspricht: Oskar, eine Hausmaus, wird sich eines Tages eines Licht-strahles gewahr, der an der Nase kitzelt. Als er den Kopf durch das Loch in der Wand steckt, fällt sein Blick auf einen bisher unbekannten Reichtum an Farben, Formen und Düften. Und genau dieses Eintauchen in eine neue Welt ist es, was die Macher um den Kultur-Unterneh-mer Ananda Geissberger mit ihrem World-Music-, Kunst- und Kulturfest erreichen wollen – und es wird ihnen sicher auch dieses Jahr gelingen, unvergessliche Erlebnisse in die Her-zen der Besucher zu zaubern! Nell Andris

9.OskarMausFestival:Vom31.Augustbis9.September in Ganterschwil/SG, 3-Tagespass Wochenende (Perlen aus der World Music) Fr. 110.-, unter der Woche Workshops, Abendpro-gramm: Tagespass Fr. 15.-; Infos: www.oskarmaus.ch

Gaukler auf Probe

das wünschen sich viele. Wer nicht gleich seine ganze Habe verschen-ken und mit ein paar Jonglierbällen in der Tasche losziehen will, kann das Gauklerleben am «Carpe Viam», dem internationalen Strassenkunst-festival, unverbindlich testen. Fünf Tage lang, vom 17. bis 22. August, wird Tübingen zur offenen Bühne. In kostenlosen Workshops kann jeder seine Talente entdecken, ausbauen und präsentieren. Aber auch wäh-rend der vegetarischen Mittagsver-pflegung sollte man die Augen offen halten,  schliesslich könnten Leute vorbeigehen, mit denen man noch lange unterwegs sein wird.   SLwww.carpe-viam.org

Musik für Kinder – Rudra-Tour 2012Wegen der schwierigen sozialen Umstände in Nepal ver-lieren viele Kinder ihre kulturellen Wurzeln und damit einen Teil ihrer Identität. Die Kunst- und Kulturinitiative «Imagine Rainbow» setzt sich dafür ein, dass diese Kinder weiterhin ein Instrument erlernen und Musikunterricht besuchen können. Finanziert werden die Projekte mit Benefizver-

anstaltungen, Konzerten und CD-Verkäufen der Rudra Band. Sie ist demnächst auf Tournee in der Schweiz und spielt mit verschiedenen einheimischen Künstlern. Die Tour startet am 17. August in Gelterkinden (BL) und endet am 8. September am Oskar Maus Festival. BmTour-Daten, CDs und Infos: www.imagine-rainbow.ch

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Horizonte erweitern

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Agenda

22.–24.Juni2012 Jubiläumsfest40JahreSalecina Salecina – Ferien- und Bildungszentrum, Postfach 107, 7516 Maloja Tel. 081 824 32 39www.salecina.ch

Vom22.–24.JunifindeteinFestzum40-jährigenBestehenderStiftungSale-cinastatt.Um alle Gäste aufnehmen zu können, darf an dem Wochenende um das Haus herum gezeltet werden. Von Freitag bis Sonntag werden kostenlose Workshops zu Themen wie «alternative Ökonomie» und «gut leben statt viel haben» stattfinden. Musik wird auch gemacht, eine Lesung sowie eine Podiumsdiskussion zur Zukunft Salecinas sind vorgesehen.

Vertreter anderer selbstverwalteter Häuser/Institutionen sind eingeladen, sich zu präsen-tieren und in einen Erfahrungsaustausch mit unserem Haus einzutreten.

Anmeldungen für das Fest oder einen Aufenthalt zu einem anderen Zeitpunkt unter www.salecina.ch. Dort findet sich auch das genaue Festprogramm sowie die Übersicht zu den Seminaren, die in diesem Jahr noch stattfinden.

30.Junibis15.September2012

ZirkusChnopfzeigt«Grenzland»–Tour2012Tournéedaten und Infos: www.chnopf.ch

EinzirzensischesTraummärchenfüralleTräumerab5Jahren.In der jüngsten Chnopf-Produktion begeben wir uns mit einem Mädchen in eine Welt zwischen Wach und Schlaf, wo Fantasie und Realität verschmelzen. Auf der Flucht von ihrem grauen Alltag verirrt sie sich in einem Labyrinth aus Träumen, aus dem sie kein Zu-rück mehr findet. Denn wie wacht man auf, wenn man nicht mehr weiss, ob man wach ist oder schläft? Und: Sind unsere Träume eigentlich nicht genau so reell wie die Welt des Wachseins?

Mit dem Stück «Grenzland» geht der Zirkus Chnopf im Sommer 2012 zum 23. Mal auf Tournee. Jugendliche haben wieder die Möglichkeit, erste künstlerische Erfahrungen zu sammeln. Daneben gibt es kulturelle Ani-mation während der Tour, z.B. Projekte mit Bewohnern, Begegnungs- und Zirkuswochen für Menschen mit und ohne Behinderungen sowie Schülervorstellungen.

Die Vorstellungen sollen für alle zugänglich sein. Deshalb finden die Produktionen unter freiem Himmel statt und der Eintritt ist frei.

8.bis12.August2012 AnarchistischeBuchmesseundInternationalesAnarchistischesTreffenPatinoire d‘Erguel (Eishalle), Beauregard 4 2606 Saint-Imier (Schweiz)www.buechermesse.chwww.anarchisme2012.ch

2010fandzumerstenMalinBieleineanarchistischeBuchmessestatt. Mit gut 500 BesucherInnen, mehr als zwei Dutzend Ausstellern und einer kleinen, aber feinen Auswahl an Vorträgen zur Theorie und Praxis des Anarchismus war diese Veranstaltung ein Erfolg. Die Buchmesse bietet jährlich einen Über-blick über die Publikationen antiautoritärer, herrschaftskritischer Verlage und Organi-sationen aus der ganzen Welt. Parallel zum Anlass finden Lesungen und Vorträge statt.

Diesen Sommer findet zudem in der Nähe von Biel im Bernerjura in St. Imier ein anar-chistischer Kongress statt (8. bis 12. August 2012). Für die Organisatoren der Buchmesse war schnell klar, dass die Buchmesse einige Kilometer verlegt wird, um den Ausstel-lerInnen und BesucherInnen eine zweite Anreise zu ersparen.

25.August2012 Permakultur-Tag2012Permakultur Schweiz, Urban Agriculture Basel und Lebensmittel Gemeinschaft Basel laden zum gemeinsamen Fest am Samstag, 25. August 2012 ab 10 Uhr.

www.urbanagriculturebasel.chwww.permakultur.ch

DiesesJahrfindetderPermakultur-TagzumerstenMalineinerStadt,imPermakultur-GemeinschaftsgartenLandhofinBasel,statt.Alle Interessier-ten sind eingeladen, am Fest teilzuhaben, mitzufeiern und ihr eigenes Engagement zu zeigen. Unsern Gästen möchten wir mit einem vielfältigen Angebot an Workshops, Vorträgen und Filmen die vielen Facetten der Permakultur zeigen.

Ein bunter Markt mit Verkaufsständen & kuli-narischen Genüssen lädt zum Verweilen ein. Wir sind auf der Suche nach interessierten Menschen, die mit ihrem Wissen oder ihren Produkten gemeinsam mit uns zum Gelingen des Permakulturtages beitragen möchten. Wer sich für eine Teilnahme am Permakul-turtag in Basel interessiert, kann sich bis am 13. Juli anmelden unter: [email protected]

31.Augustbis9.September2012

Oskarmaus-FestivalTickets und Infos unter www.oskarmaus.ch oder bei OM Productions, St. Gallerstrasse 13, 9230 Flawil.

10TagevollerKunstundMagie…Das Oskarmaus-Festival in der Nähe von Herisau (SG) bietet Konzerte und Workshops. An zwei Wochenenden locken musikalische Perlen aus der ganzen Welt. Die Gäste erwarten ausdrucksstarke Künstler verschiedenster Kulturen, die tief verwurzelte Traditionen in die Moderne

weitertragen. Musik voller Feuer und Emoti-onen lädt ein zum Tanzen oder Träumen. Daneben sorgen Show- und Zirkusleute für verschiedene Performances und Theater-stücke. Aber auch die Spontanität soll nicht zu kurz kommen: Wer selber etwas perfor-men möchte, ist herzlich eingeladen, die Bühne zu nutzen.

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62  Zeitpunkt 120

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Zeitpunkt 120  63

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6�  Zeitpunkt 120

Leserbriefe

blInde selbstüberschätZung«Das Leben selbst in die Hand …», ZP 117Sarita Walther begründet den Selbstunter-richt ihres Kindes damit, dass Kinder an öffentlichen Schulen an der Realität des Schulalltags scheiterten. Jedes Kind sollte das lernen, woran es momentan wirklich in-teressiert ist. Ich bin auch davon überzeugt, dass unsere Schulen vieles lehren, das man später nicht braucht, dafür überlebenswich-tige Kenntnisse nicht einmal tangieren. Die Rudolf-Steiner-Schule versucht hier schon seit Jahrzehnten einen Gegenpol zu setzen. Ich habe viel mit solchen Schülern zu tun gehabt. Das grosse Problem wird durch di-ese «Sonderbehandlungen» allerdings nicht nur nicht gelöst, sondern sogar noch ver-schärft. Ein Kind kann man noch in einem geschützten Umfeld betreuen und fördern – im späteren Alltagsleben geht dies lei-der nicht mehr. Daher sind es gerade oft solche Schüler, die dann an der Realität des Lebens zerbrechen. Im Geschäftsalltag leiden heute viele Menschen am Egoismus und der Respektlosigkeit vieler Vorgesetzter. Auch wenn die öffentlichen Schulen «reali-tätsfremd» sind, bereiten sie den Menschen besser auf das harte Erwachsenenleben vor als die «geschützte Werkstatt».

Schwieriger wird es, wenn Erwachsene in blinder Selbstüberschätzung die Welt mit eigenen Methoden retten wollen.

Otto Gerber, Wädenswil

erfrIschender JournAlIsmusIch möchte euch ein grosses Kompliment machen für euren Zeitpunkt. Ich würde ein-mal ganz unbescheiden behaupten, dass dies das beste und erfrischendste ist, was in

der Schweiz journalistisch so geboten wird. Macht weiter so! Christian Zwahlen, Tägertschi

eIne echte könnerIn«Alles muss man selber machen», ZP 118Christine Ax erweist sich in ihrem Hohelied auf die Autodidakten als echte Könnerin in unserer «Könnensgesellschaft». Vielleicht können Sie ihr raten, sich einer «Entbefähi-gung» zu unterziehen, um dann entbefähigt in den beschriebenen Status der Amateure zu gelangen. Aus der Sicht eines Dilettanten bin ich hell begeistert über diese beiden Wort-Neuschöpfungen. Kenner, Hüter, För-derer und Freunde der deutschen Sprache sollten die Autorin im Auge behalten! Christian Mäder, Stralsund

blAuäugIg und selektIV«Naher Osten, Frieden weit», ZP 119Ich schätze den Zeitpunkt in seiner Anders-artigkeit sehr; auch kontroverse Diskussi-onen finde ich anregend.

Bei der meiner Ansicht nach blauäugigen und nur durch sehr selektive Wahrnehmung möglichen Polemik über Syriens Demokra-tiebewegung bleibt mir aber einfach nur die Spucke weg.

Dass das ZDF schon mal was sendet, was die falsche Bildunterschrift hat, kann ich mir gut vorstellen. Das beweist aber nicht, dass Assad ein feiner, sein Volk liebender, der Gewalt ferner und der Demokratie plötzlich zugewandter Kanzler, äh Herrscher (Dikta-tor ist so ein böses Wort...) ist.

Dass die USA in Syrien Interessen haben, bestreite ich auch nicht. Deshalb wäre es umso wichtiger, die Syrerinnen und Syrer bei ihrem Kampf um die Demokratie zu unterstützen anstatt sie als LügnerInnen und Weicheier hinzustellen.

Bitte ziehen Sie doch auch einmal Li-teratur der «anderen Seite» hinzu und in-formieren sich umfassend (z.B. Ärzte ohne Grenzen, diverse Blogs, Interview mit Rafik Schami etc.).

Anne Meinke, Freiburg DE

Vom Ich- Zum AllbewusstseIn«Reise mit Risiken», ZP 119Ich glaube, dass die Zeit für spirituelle Wege bald zu Ende sein wird.

Als Menschen und Personen erfahren und festigen wir unsere Individualität und unser Ichbewusstsein. Deshalb bewerten wir spi-rituelle Wege nach ihrem Wert für uns und gehen sie mit einem persönlichen Ziel.

Gleichzeitig sind wir jedoch auch kos-misches oder Allbewusstsein und sobald wir zu diesem erwachen, verlieren die per-sönlichen Ziele an Bedeutung. Dann geht es uns einizig darum, der Schöpfung zu dienen. Dazu ist kein spiritueller Weg mit Lehrer, Lehre, Technik, und Übung erfor-derlich. Wir leben den Alltag und bemühen uns um die Verwirklichung der Schöpfungs-gesetze, die in uns seit Ewigkeit vorhanden sind und auch unsere eigene Entwicklung steuern. Jens v. Bandemer, Eisingen DE

hAusputZ Im eIgenen leben «Reise mit Risiken», ZP 119Der spirituelle Weg ist eine Reise nach in-nen. Die erste Lektion dahin ist: Übernimm Verantwortung für dein Leben.

Um das wahre Ich, das sich vom Ego un-terscheidet, zu erkennen, ist ein Hausputz nötig. All der Ego-Müll, den wir über Leben angesammelt haben, muss erst mal ausge-mustert werden. Dafür ist ein Lehrer sehr hilfreich, weil er ein Spiegel ist, der unsere Ego-Spielchen entlarvt. Wer nicht bereit ist Verantwortung zu übernehmen, betreibt Esoterik-Lifestyle, was wiederum pures Ego ist. Absolute Ehrlichkeit sich selbst gegen-über, das Spüren nach innen (als Methode) und die Übernahme von Verantwortung sind der Weg. Das einzige Risiko dabei ist, sich selber zu finden. Dafür braucht es sehr viel Mut und die Bereitschaft zur Hingabe in Liebe. Das wussten schon die Mystiker.

Sieglinde Lorz, Bern

[email protected]

Lesen Sie: durchschaut !www.glaskugel-gesellschaft.ch

Page 65: ZP 120 – Lebensreisen

Zeitpunkt 120  65

Leserbriefe

Verlagsmitteilung

Feiern Sie nicht! Auf  jeden Fall nicht das  Zeitpunkt-Jubiläum  am  30.  Juni und am 1. Juli in der Komturei Tobel. Wir haben den Aufwand und unsere Mög-lichkeiten überschätzt und müssen den An-lass absagen. Die Leserinnen und Leser, über deren e-mail-Adresse wir verfügen, haben wir bereits Mitte Mai orientiert. Die Idee eines grösseren Lesertreffens ist damit kei-neswegs gestorben.

Falls Sie gerne über Relevantes zwischen den Erscheinungsdaten des Heftes informiert sein möchten, abonnieren Sie auf www.zeit-punkt.ch unseren elektronischen Newsletter. Er erscheint ungefähr alle vier Wochen.

Wenn die Details im Zeitpunkt in letzter Zeit besonders gepflegt wurden, dann hat

dies nicht nur einen Grund, sondern auch einen Namen: Brigitte Müller. Nun wollte es die Natur – und sie selber –, dass diese sympathische und bestens organisierte Frau Ende August Mutter wird. Nach dem Mutter-schaftsurlaub will sie sich neu orientieren, vermutlich etwas näher an ihrem Wohnort. In die Produktion, für die sie verantwort-lich war, werde ich mich mit dem Layouter Tom Hänsel (tintenfrisch.net) teilen, bis eine ebenso kompatible Nachfolge gefunden ist. Ich danke Brigitte für die kompetente Füh-rung der Redaktionsarbeit und wünsche ihr Erfüllung und Anregung als Journalistin und Mutter. Diese Mischung können die Medien jedenfalls gut gebrauchen.

Christoph Pfluger, Herausgeber

Der 

nächste Zeitpunkt

Politik und Spiritualität

passen etwa so gut zusammen, wie 

der Teufel und das Weihwasser. 

Dabei könnte die Politik enorm an 

Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn ihre 

Akteure über ein geistiges Fundament 

verfügten. Und den Spirituellen täte 

ein konkretes Engagement in den 

Niederungen der Politik nur gut. 

Mehr dazu im nächsten 

Zeitpunkt, Ende August.

Verdrehter kompAss«Naher Osten, Frieden weit», ZP 119Dieser Text ist eine Frechheit, eine intellek-tuelle Bankrotterklärung, man kann es nicht anders ausdrücken. Herr Pfluger verteidigt Herrn Assad und ignoriert die ungezählten Berichte über Tötungen und übelste Folte-rungen, die dieser Herr zu verantworten hat (nein, die Berichte sind nicht alle vom Westen gesteuert, Verschwörungstheorien hin oder her). Sicher hätte Herr Pfluger auch bei einem Besuch in der Sowjetunion der Dreissiger Jahre Herrn Stalin gelobt und viele Leute auf der Strasse gefunden, die ihn verteidigt hätten; nur weil man Tou-risten nicht in Folterkeller führt, heisst das noch lange nicht, dass sie nicht existieren. Sie gehören für mich in die Liga «Günter Grass» – ihr Kompass, was gut und böse ist, ist völlig verdreht. Manfred Joss, Ittigen

eIne herZensAngelegenheItZugegeben, es war keine Liebe auf den er-sten Blick, als ich vor einigen Jahren diese Zeitschrift entdeckte. Es war dieses «ja, ganz interessant, schauen wir mal», das mich be-wog, ein Abo zu bestellen. Und die ersten Ausgaben wurden sporadisch und unregel-mässig gelesen. Heute ist das anders, die Liebe ist sozusagen organisch gewachsen und der Zeitpunkt zu einer echten Herzens-angelegenheit geworden. Die Artikel sind aus der Kraft der Begeisterung geschrieben und man spürt die Menschen dahinter. Ge-

nau das macht für mich das Besondere aus. Es sind zudem Themen, die den Puls der Zeit treffen und die mich selber bewegen.

Aus meiner anfänglichen Lauheit ist die Lektüre heute etwas Wesentliches für mich geworden. Man hat nie das Gefühl von Auftragsjournalismus. Die Texte wirken nie abstrakt oder konstruiert, sondern lebendig und lebensnah.

Generell ist es dieses «in Frage stellen» von ganz grundsätzlichen Standpunkten und Lebensthemen, die nie rechthaberisch oder besserwisserisch abgeurteilt werden, trotzdem aber klar sind, aufwecken und nachdenklich machen, was den Zeitpunkt so einzigartig macht. Ein Journalismus, der sich nicht auf die Position einer «objektiven Wahrheit» stellen will, sondern aus der eigenen Betroffenheit, aus dem eigenen Verhaftetsein – selbstre-flektierend – auftritt und die Dinge auf den Tisch legt. Nicht irgendeine Ideologie oder eine neuer «ismus» wird zelebriert, son-dern ein mitten-drin-stehen im Gang der Zeit, eine Zeitgenossenschaft gewissermassen. Das ist eine echte Hilfe aus der Perspektive der Gleichberechtigung heraus. Man fühlt sich nicht belehrt, sondern verstanden.

Wandel ist ein grosses Wort und in aller Munde heute, doch wenn es einen solchen geben soll, dann nur aus der Kraft einer solchen Begeisterung, aus einem lebendigen und stets offenen, dialogfähigen Geist. Jour-nalismus ist eben nicht nur Inhalt, sondern auch Haltung. Urs Weth, Basel

dA hIlft nur noch flIegen lernenAus meiner heutigen Sicht wird das gesamt-gesellschaftliche Problem nicht dadurch ge-löst, das wir Geld anders organisieren, es sei denn aus dem kollektiv gesund(et)en Bewusstsein. Denn wenn man es richtig betrachtet, wird Geld in der zivilisierten Gesellschaft «geschöpft» aus nichtgelebter Liebe. Jeder Euro entspricht einer «Portion» Liebe oder Lebens-Energie, die ignoriert, geleugnet oder unterdrückt wurde.

Das Ergebnis dieser Praxis kann man ablesen an den offiziellen Statistiken über gesundheitliche Störungen aller Art, über Drogenkonsum, Kriminalität, Missbrauch oder Suizid. Während aber die Regierungen noch immer Oberflächenkosmetik betreiben, frisst sie diese kollektive Zivilisations-Neuro-se von innen her auf. Wer sein Bewusstsein nicht mit Leben erfüllt, dem verfault es bei lebendigem Leibe.

Die kollektive Zivilisations-Neurose wächst nun exponentiell. Und damit steigt die Ge-fahr einer kollektiven Psychose. Ein einpräg-sames Beispiel für so etwas hat Deutschland zwischen 1933 und 1945 geliefert.

Das Geld ist genau genommen schon völ-lig uninteressant! Wir befinden uns – ohne dass 99 Prozent der Menschen das auch nur ahnen – quasi im freien Fall. Und da hilft nur noch eines: fliegen lernen. Und zwar bewusstseinsmässig, geistig-seelisch.

Wolfgang Heuer

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66  Zeitpunkt 120

Wir geben Gas!  von Christoph Pfluger

Motto: Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahr-heit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen.

Lichtenberg

wie würde sich Ihr Bild der Konflikte im Nahen Osten ändern, wenn Sie wüssten, dass sich im Meer zwischen Zypern, Israel und Syrien ein riesiges, 2010 entdecktes Gasvorkommen be-

fände? Oder wenn Sie wüssten, dass Iran, Irak und Sy-rien im Juli 2011 den Bau einer Gas-Pipeline beschlos-sen, die das iranische Gas in den Mittelmeerraum und damit nach Europa, dem zweitgrössten Energiemarkt der Erde bringen soll?

Syrien ist damit zu einer Drehscheibe des Gasge-schäfts im Nahen Osten geworden, schreibt Prof. Imad Shueibi, Vorsitzender des Center for Strategic Studies and Documentation in Damaskus in einem Artikel, der vom Réseau Voltaire veröffentlicht wurde. Das alternati-ve, französische Pressenetzwerk ist eine hervorragende Quelle von Hintergrundinformationen zum geopoli-tischen Kräftemessen, von dem der durchschnittliche Zeitungsleser so gut wie nichts mitbekommt (www.voltairenet.com). Es geht in Syrien also um viel mehr als um ein korruptes Regime. Es geht nach dem Fall Libyens um den letzten Zugang von Iran, Russland und China zum Mittelmeerraum. Das ist allemal ein Volksaufstand wert.

Seit Fukushima hat Gas markant an Bedeutung gewonnen. Wenn Atomkraftwerke vorzeitig vom Netz genommen werden und die Solarenergie nicht kräftig gefördert wird (was zu befürchten ist), dann ist Gas die Alternative erster Wahl.

Eine neue Dynamik ist durch das Schiefergas entstan-den, das in tonhaltigen Schichten in mehreren Kilome-tern Tiefe lagert und mit einer aufwändigen und ökolo-gisch ungesicherten Technologie gefördert wird, dem so genannten «Fracking». Dabei werden Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in das Gestein gepumpt, bis es aufbricht und das Gas entweicht.

Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt die Vorkommen auf das Doppelte der bestehenden Reser-ven an konventionellem Erdgas. Die Reserven würden bei konstantem Verbrauch noch 250 Jahre reichen. Fazit: ein Riesengeschäft, aber im Gegensatz zum kartellisier-ten Erdölgeschäft, hart umkämpft.

Auch Griechenland sitzt übrigens auf enormen Öl- und Gasvorkommen im Wert von 300 bis 600 Mrd. Euro, die bis zum Schuldenschnitt erfolgreich unter dem Deckel gehalten wurden. Am 2. Juli sollte

diese pikante Tatsache hoffentlich auch die Main-stream-Medien erreichen. Dann nämlich startet Grie-chenland eine Ausschreibung für die Ausbeutung seiner Bodenschätze, nachdem in den umliegenden Ländern Albanien, Montenegro, Türkei und Bulgarien längst gewinnbringend gefördert wird. Griechenland ist reich – wenn das nur die deutschen Steuerzahler wüssten.

Nicht  gerade  einen  Volksaufstand,  aber  eine «Neugründung Europas von unten», das wünschen sich Intellektuelle um den deutschen Soziologen Ul-rich Beck und den grünen Europa-Politiker Daniel Cohn-Bendit. Die beiden haben ein Manifest verfasst und unterschrieben haben es berühmte Menschen wie Altbundeskanzler Helmut Schmidt, die Literaturnobel-preisträger Herta Müller und Imre Kertész oder der Philosoph Jürgen Habermas und die Regisseure Wim Wenders und Doris Dörrie. Die Diagnose beginnt ganz ordentlich: «Die Jugend Europas, besser ausgebildet denn je, erfährt mit den drohenden Staatsbankrotts (sic!) und dem Niedergang der Arbeitsmärkte ihr ‹eu-ropäisches Schicksal›. Jeder vierte Europäer unter 25 Jahren ist arbeitslos. Dort, wo das jugendliche Prekariat seine Zeltlager errichtet hat und seine Stimme öffentlich erhebt, geht es um die Forderung nach sozialer Gerech-tigkeit.» Da kann man nur sagen: Ja! Aber alles, was das Manifest als Antwort bietet, ist «ein freiwilliges Jahr für alle – für Taxifahrer und Theologen, für Angestellte, Arbeiter und Arbeitslose, für Musiker und Manager, für Lehrer und Lehrlinge, Künstler und Köche, Richter und Rentner, für Frauen und Männer – als eine Antwort auf die Euro-Krise!» Das war’s. Keine Rede vom bereits seit 25 Jahren bestehenden studentischen Austauschpro-gramm «Erasmus», kein Wort über den Europäischen Freiwilligendienst, bei dem junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren bis zu zwölf Monaten irgendwo in Europa arbeiten können. Und selbstverständlich kein Pieps über die Ursache der beklagten sozialen Unge-rechtigkeit, die unverschämte Umverteilung von Ar-beitenden zu Besitzenden durch die Zinsmechanik in unserem Kreditgeldsystem.

Das Manifest zur Neugründung Europas von unten – ein grosses Wort und eine kleine Idee. Und ganz sicher nicht der Paukenschlag, als den es die deutsche Wochenzeitung «Zeit» bezeichnet. Der aber wird be-stimmt noch kommen. Dann ist es Zeit für das Volk, aufzustehen.

Brennende Bärte