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Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academy of Sciences in Prague Zu Text und Deutung des Celtis-Epigramms III 40 Author(s): JAN MARTÍNEK Source: Listy filologické / Folia philologica, Roč. 105, Čís. 4 (1982), pp. 233-235 Published by: Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academy of Sciences in Prague Stable URL: http://www.jstor.org/stable/23462484 . Accessed: 15/06/2014 09:23 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academy of Sciences in Prague is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Listy filologické / Folia philologica. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.72.154 on Sun, 15 Jun 2014 09:23:17 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Zu Text und Deutung des Celtis-Epigramms III 40

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Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academyof Sciences in Prague

Zu Text und Deutung des Celtis-Epigramms III 40Author(s): JAN MARTÍNEKSource: Listy filologické / Folia philologica, Roč. 105, Čís. 4 (1982), pp. 233-235Published by: Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academy ofSciences in PragueStable URL: http://www.jstor.org/stable/23462484 .

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Zu Text und Deutung des Celtis-Epigramms III 40

JAN MARTÍNEK [PRAHA]

Vor einiger Zeit gelang es Dieter W u 11 k e, eine bisher unbekannte Handschrift von Celtis-Epigrammen in der Landesbibliothek zu Kassel aufzufinden. Obwohl niemand daran zweifeln kann, dafi die Quellen zur Geschichte der neulateinischen Literatur noch nicht geniigend erforscht sind, gehort die Entdeckung einer neuen Celtis-Handschrift nicht zu den iiblichen Ergebnissen alltaglicher Forschungsarbeit. Daft der Fund der Kasseler Handschrift eine hervorragende Grundlage ftir die Textkritik der Dichtungen von Celtis geschaffen hat, davon uberzeugte uns Wuttke selbst in seinem Aufsatz Textkritisches Supplément zu Hartfelders Edi tion der Celtis-Epigramme in der Festschrift Renatae litterae, Studien zum Nachleben der Antike und zur europaischen Renaissance August Buck zum 60. Geburtstag dargebracht (Frankfurt am Main, 1973), S. 105—130. In diesem Aufsatz (Anm. 10) werden auch die âlteren Mittei lungen Wuttkes liber diesen seltenen Fund und dessen Bedeutung ftir die Wissenschaft zitiert.

Ich beabsichtige, mich mit dem bekannten Epigramm III 40 zu befas sen. Seine Uberschrift und sein erster Vers (Hexameter) lautet in der Edition Hartfelders (Fiinf Biicher Epigramme von Konrád Celtes, Berlin 1881, S. 57) folgendermaften:

De puella Romae reperto

Annos mille subter tumulo hoc conclusa iacebam ...

Zur Sache bemerkt einer der spateren Herausgeber dieses Epigramms, L. Forster (Sélections from Conrad Celtis, Cambridge 1948, S. 94):

,,In 1485 the embalmed body of a Roman girl was dug up on the Appian Way." Das textkritische Problém formuliert Wuttke ganz prazis. Des wegen sei es mir erlau'bt, seine Worte zu ùbernehmen: „So halte ich beispielsweise Konjekturen in der ersten Zeile des ein wenig zu Beriihmt heìt gelangten Epigramms III, 40 De puella Romae reperto ftir iiberfliis sig. In der Niirnberger Handschrift lautet die Zeile Annos mille super tumulo hoc conclusa iacebam. Hartfelder setzte subter an die Stelle von super. Forster entschied sich ftir sub, und dem ist Schnur gefolgt. Meine Bedenken werden* in diesem Falle von der Kasseler Handschrift unter sttitzt, in der ebenfalls super zu lesen steht. Super mit Akkusativ kann „wahrend" heiften; ich ziehe das Wort daher zu Annos mille und nicht zu tumulo hoc wie Hartfelder, Forster und Schnur." Bei Forster (s. oben) ist das Gedicht auf S. 34 abgedruckt, bei Schnur (Lateinische Gedichte deutscher Humanisten, Stuttgart 1967) auf S. 42. Forster bemerkt iiber die bei ihm abgedruckte Konjektur: „The emendation ist Dr. R. A. B r o w n e' s."

Aus dem Gesagten geht hervor, daft Wuttke diesen Vers folgender maften herausgegeben haben mochte: Annos mille super tumulo hoc

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JAN MARTÍNEK

conclusa iacebam. In einem vollstândigen, auch die Konjekturen beriick

sichtigenden textkritischen Apparat míiĎten dann folgende Lesarten stehen: super NK subter Ha sub Browne apud Forster; Schnur — tumulo hoc NK Ha hoc tumulo Forster, Schnur.

Von Wuttke sind die Fragen der Deutung aufgeworfen worden; die Lesarten und Konjekturen wurden also bei ihm vom sachlichen Stand punkt aus untersucht. Ich môchte hier meine Aufmerksamkeit auf die raetrische Untersuchung konzentrieren, um dann noch zur Frage der

Deutung zuriickzukehren.

Wir konnen voraussetzen, dafi Celtis die metrischen Regeln des anti ken Lateins meist richtig anzuwenden wuftte. Einen solchen Hexameter, wie ihn Hartfelder herausgegeben hat (s. oben), kbnnte man Celtis kaum zuschreiben, da die ersten drei Silben in den Worten mille sub (ter) einen Creticus bilden, der im Hexameter unzulassig ist. Den nach Brow ne zweimal (bei Forster und Schnur) edierten Vers Annos mille sub hoc tumulo conclusa iacebam konnen wir zwar vom metrischen Standpunkt aus billigen, aber hier gibt es eigentlich schon zwei Konjekturen: sub anstatt des handschriftlich iiberlieferten super und die Umstellung von Worten (tumulo hoc NK, hoc tumulo Browne). Die beiden Konjekturen sind eng verbunden und von einander abhângig. Die erste [sub anstatt super) ware ohne die zweite (Umstellung) nicht denkbar, da wir sonst wieder in metrische Schwierigkeiten geraten wurden; mille sub (tumulo) ware wieder ein Creticus. Warum sollten wir aber gleich zwei Konjektu ren in einem Vers machen, wenn die handschriftliche Lesart einen guten Sinn gibt. Der Ablativ tumulo hoc gehdrt offenbar zu conclusa und braucht nicht mit der vorangehenden Praposition verbunden zu werden. Super gehdrt zu mille, wie Wuttke richtig erkannt hat. Meine Deutung dieser Konstruktion ist jedoch anders.

Super kann wohl auch „wahrend" bedeuten, aber, soweit man nach den bisher herausgegebenen Worterbiichern urteilen kann, wird diese Praposition in einer solchen Bedeutung nie mit einem Zeitbegriff (wie annus, mensis, dies usw. ) verbunden, da sie eigentlich ihre urspriingli che Bedeutung „uber" behalt: super cenam loqui (vgl. Plin. epist. 4,22,6): uber dem Gastmahl, d. h. iiber den Gerichten, Getranken usw. unterreden. In dieser Verbindung kann man super auch „bei" oder „wahrend" iiber setzen (Georges, Handworterbuch 2, 10. Auflage, Basel 1959, Sp. 2929). Âhnlich super cocturam, super hos honores (wahrend der Opfer). Verein zelt ist die Verbindung nocte super media (Verg. Aen. 9,61), wo jedoch nicht ein Akkusativ, sondern ein Ablativ steht und wo es sich eher um einen Zeitpunkt, nicht um einen langeren Zeitabschnitt handelt („um Mitternacht").

Im oben zitierten Vers ist super „uber" oder „mehr als" zu iibersetzen. In dieser Bedeutung wird super auch bei den antiken Autoren mit den Zahlwortern verbunden: super sexaginta milia (Tac. Germ. 33). Sachlich ist diese Ubersetzung wohl begrundet, ja in diesem Zusammenhang ist der Begriff „mehr als" unentbehrlich. Celtis hâtte sicher nicht geglaubt, daft das im J. 1485 gefundene Grab um 485, zur Zeit des groftten Verfalls von Rom, errichtet worden ware. Vielmehr war er uberzeugt, dafi es aus der Bliitezeit des rômischen Imperiums stammte, was aus folgenden Wor ten seines Epigramms zu ersehen ist:

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ZU TEXT UND DEUTUNG DES CELTIS-EPIGRAMMS III 40

Non veteres video Romano more Quirites

Iustitia insignes nec pietate viros, Sed tantum magnas tristi cum mente ruinas

Conspicio...

Celtis wollte sein Gedicht nicht durch eine genauere Zeitangabe belasten. Der Gebrauch einer Praposition, die „uber, mehr als" bedeutet, war je doch in diesem Falle unbedingt notwendig. Diese kurze Erwâgung soli ein Hinweis fur die kiinftige Obersetzung dieser Stelle sein. Schnur, der sub tumulo schreibt, hat diesen Ausdruck konsequent „tausend Jahre" ubersetzt. Die Beseitigung iiberflussiger Konjekturen (Wuttke) und eine neue Deutung dieser Worte bedingt die Obersetzungsanderung (!„uber tausend Jahre").

Aus diesem Ergebnis leitet sich eine allgemeine Erkenntnis ab. Das Bestreben eines Herausgebers, seinem Zweifel an der Richtigkeit der

Textiiberlieferung durch eine Konjektur Ausdruck zu geben, kann man in bestimmten Fâllen bjegrufien. Wenn er auch nicht gleich den

urspriinglichen Text des Autors einwandfrei rekonstruiert, kann er da durch seinen Nachfolgern signalisieren, daft der gleichzeitige Stand der

Uberlieferung Verdacht erregt. Die Rekonstruktion des Textes ist dann oft eine Aufgabe fur Generationen. Doch beruht die erste Pflicht des Her

ausgebers in der Erklarung des iiberlieferten Wortlauts. Die Konjektur kann nur dann vorgelegt werden, wenn der Versuch, die Stelle zu erkla

ren, zu keinem befriedigenden Ergebnis gefùhrt hat.

Diese Pflicht hat Hartfelder versaumt. Durch seine iiberfliissige und vom metrischen Standpunkt aus unhaltbare Konjektur hat er eine „Ket tenreaktion" ausgelôst, die in weiteren Emendationen [subter/sub; Um

stellung) ihren Niederschlag fand. Erst die Entdeckung der Kasseler Handschrift hat Dieter Wuttke Anlaft gegeben, die nicht begrundeten Konjekturen zu beseitigen. Durch diesen Codex wurde die Lesart der

Niirnberger Handschrift, die nie angezweifelt werden solite, endgiil tig bestatigt. Aus dem oben Gesagten geht eindeutig hervor, daft sich die Konjekturen gegen diese handschriftliche Tradition aus metrischen und sachlichen Griinden nicht behaupten konnen.

Nachtragliche Bemerkung: Im jahre 1982 wurde mir durch die Besprechung von Fors

ter die Auswahl: Renaissance Latin Verse Anthology, Compiled and edited by A. Perosa

and J. Sparrow, Ch apel Hill/ London 1979, bekannt. In diesem Buch lautet der Anfangdes Verses folgendermafien: Annos mille super tumulo hoc... Textkritischer Apparat dazu:

„mille super MS (= supra mille); Hartfelder's subter tumulo und Forster's sub hoc

tumulo are alike unnecessary." Also genau das, was ich hier zu beweisen suchte. Was

die Obersetzung betrifft, gehòrt den Autoren der genannten Anthologie die Prioritat.

Doch ist dieser Aufsatz nicht ûberflussig. Er begrundet sachlich und metrisch, was

dort in textkritischer Kiirze angedeutet worden ist. Falsche Konjekturen haben ein

zahes Leben und kehren oft in den Editionen zuriick. Dies zu verhindern, sei der

Zweck dieses Aufsatzes. Obrigens ist die Konjektur Hartfelders nicht nur ûberflussig

(unnecessary, s. oben), sondern, vom metrischen Standpunkt aus, vollkommen ver

fehlt.

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