7/17/2019 2014_4_30_ft_9
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Flensburger NachrichtenFlensburger Nachrichten
Für den Bau eines Geschäftskomplexes wurde in den 1980er-Jahren ein Teil des historischen Johannisviertels vernichtet
FLENSBURG Wenn der Totalabrisswirk-lich Wahrheit werden sollte, dann hättedasdamaligeBauprojektHafermarktbes-te Chancen, in die Liste der größten Pla-nungsirrtümer dieser Stadt aufgenom-menzu werden.Dem vor26 Jahreneinge- weihtenGeschäftszentrum droht der Ab-riss– mangelsAttraktivität.Die Entschei-dungliegtletztlichin derHand derEigen-tümer,undvonihnengibtesreichlich:DieFirma Densch&Schmidt, zwei in Däne-markansässigeInvestorensowie Uhrma-cherfamilie Thomsen ( sieheText vorherigeSeite). Sie haben das letzte Wort über dieZukunft des Komplexes.
DasklangAnfangder1980erJahrenochganzanders.Damalshießes,nachdenvie-len Kahlschlägen und Abbrüchen im Jo-hannisviertel komme es endlich wiederzurNeubebauung.Dummnur,dassfürdiegeplantenNeubauten der Abbruchbaggerzunächst kräftig zulangen musste (siehenebenstehnden Artikel). Sogar der Kin-dergarten Johannisstraße, 1837 der ersteder Stadt, rückte ins Visier. WohnungenundGeschäfte sollten in denneuenHäu-sern entstehen.Ins Kreuzfeuergeriet be-sonders die Möglichkeit, die der Bebau-ungsplan einräumte: An der Ecke Angel- burger Straße/Johannisstraße sollte einfünfstöckiges Gebäude entstehen. AlsBauherr des Vorhabens tratab 1984 Ger-not W. Thomsen aus Harrislee (getho- bau)auf,GrundstückseigentümerwardieOptima Hausbau GmbH, den Auftrag als Architekt erhielt Werner Schaffer.
InderheißenPhasederDiskussionüberGenehmigung oder Ablehnung fuhr derInvestorschweres Geschützauf undlegtedas Gutachten eines Flensburger Anwal-tes vor, derbeieinemNein zuden PlänenSchadensersatzin Höhevon knappeinerMillion Mark errechnete. Der damaligeStadtbauratWolradKoehler fasstedas Er-gebnis von Verhandlungen zwischenStadt und Investoren zusammen: EinemoderneNutzung–wiedievorgesehenenEinkaufsmärkte– solleein „städtebaulich
ansprechendes Kleid“ erhalten. Im Au-gust 1986 schlugen die Abrissbagger zu.1987 wurde das Neubauvorhaben zumSpielball der Investoren. Die HarrisleerGetho-BauverkaufteesandieBremerFir-ma„Castell“, diees an dänische Einzelin- vestorenweiter verkaufte.
„Castell“plantenocheinengroßenAuf-schlag fürdas GebietHafermarkt.Die ers-tenvierHäuser sollten imInnern leer ge-räumt werden zur Einrichtung einerMarkthalle.Kosten: zehnMillionen Mark,1500 Quadratmeter groß. Bei dem ver-sprochenen südländischen Flair würdenHafermarktundAngelburgerStraßezuei-ner echten Einkaufs-Alternative zur Fuß-gängerzone. Große Worte, nichts dahin-ter. DiePläne tauchtennie wiederauf.
Im Juni 1988 wurde der 15 MillionenMarkteureNeubauinBetriebgenommen.BeimRichtfestein halbesJahrzuvor hatteStadtbaurat Koehler die Hoffnung ausge-sprochen,dassdasneueEinkaufszentrumdieAngelburgerStraßeneubelebe.27Jah-respäterhatsichdieseHoffnungzerschla-gen. Der Lidl-Markt als wichtigstes Ge-schäft machte Ende Januar 2014 dicht.Das Gebäude biete nicht die Möglichkeitfür eine moderne Erweiterung. AndereGeschäfte sind ebenfalls aufgegeben. DieZukunft der verbliebenen steht in den
Diealte Fabrik in der Johannisstraße: Die Investoren wollten sie nicht erhalten, sie wurde im August 1986 abgerissen. FO T O S: N O W C
Sternen. Beobachter mit Blick auf die wirtschaftliche Situation des Hafermark-tessehenesschonalsErfolg,dasswenigs-tensdie Sparkassenfiliale erhaltenbleibt.
Ulrich Spitzer,bei der IHKverantwort-lich für die Standortpolitik, räumte ein,dass derAbrissderHäuserundeinekom-plett neue Planung sinnvoll seien. Ermachtekeinen Hehldaraus,dass er kaum Alternativen dazu sehe, auch wenn ihm von den Eigentümern keineabschließen-
den Statements vorlägen. Mit der Stadt-planung indespflege man einenkontinu-ierlichenAustausch. „Es muss etwas pas-sieren“, sagte er, „und zwar mehr als nurkonzeptionell. Das muss an die Substanzgehen.“
Spitzer macht unter anderem dieschwierige Verkehrssituation für die Mi-sere verantwortlich. So sei der Bereichzwar verkehrsberuhigt, gleichzeitig abereineArt Einfallstor nachFlensburg. Auchdie Parkplatzfrage müsseneu gelöstwer-den.FürdenstellvertretendeIHK-Haupt-geschäftsführer ist der Komplex aber vorallemeines – „schlichtund ergreifendar-chitektonischnicht zukunftsträchtig“.
UndwassagtderbeauftragteArchitekt? Werner Schaffer will nichts verraten, erdarfesnicht.„DasisteinnochsehrfragilesKonstrukt“, sagt er dann doch. Kompli-ziert wegen der Abstimmung zwischenden verschiedenen Eigentümern undTeileigentümern. Fest stehe jedenfalls:„Die Baugenehmigung für das neue Pro- jektmussEndeOktoberauf demTischlie-gen.“Wasnichtsanderesbedeutetals:Der Abriss steht bevor. Gerhard Nowc
Gunnar Dommasch
Immerhinder Zaunder Kita Johannisstraße ist heute bunt: Der aktuelle Vergleich zur his-torischen Aufnahme stützt die Einschätzung: „architektonisch nicht zukunftsträchtig“ JOL
FLENSBURG Von den Neubauplänen fürden Hafermarktwar Mitte der 80er Jahre
eine Reihevon Bürgern alarmiert. So kri-tisierte die Interessengemeinschaft (IG)St. Johannis, dass für den Geschäftskom-plex wertvolle Bauten weggerissen wer-den müssten: so die alte Fabrik, der ersteFlensburger Kindergarten und die alteSchule am Dammhof. Die alte Fabrik seidas letzte Beispiel der IndustrialisierungindiesemViertel.MehrereandereFabrik- bauten seien schon weggerissen worden.So argumentierte auch Klaus-Ove Kahr-mann von der Arbeitsgemeinschaft fürStadtbildpflege gegenüber dem Rathaus.SeinFazit:„AufkeinenFalldarfeszueiner Abrissgenehmigung kommen.“
Die IG St. Johannis ging sogar so weit,dasLandesamtfür Denkmalpflegeeinzu-schalten. Der Landeskonservator, Dr.GertKaster, ordnetezwar denKindergar-ten von 1837 als Kulturdenkmal ein, bil-ligtederaltenFabrikaberkeineErhaltens-
würdigkeitzu.Auchgebees keinestadtge-schichtlicheBedeutung. DieIG St.Johan-nis führte noch die fantasievolle Gestal-tungdes Fabrikgebäudes aus der zweitenHälfte des19. Jahrhundertsfür die Erhal-tungins Feld.
Es nutzeallesnichts, derMagistratwarin seiner Befürwortung des Neubaupro-ekts nicht umzustimmen. Bedenken ka-
men allerdings dem SPD-Ratsherr KnutFranck. Der formulierte seine Kritik sehrplastisch:„Sanierung bedeutet Stadtbild-reparatur. Prof. Brinckmann in derSchwarzwaldklinikarbeitetdochauchmitdemSkalpell – undnicht mitderKreissä-ge.“
Kurz diskutiert wurde noch der Vor-schlag, die alte Fabrik in den Neubau zuintegrieren. Architekt Werner Schaffer bot die Integration der Fassade an. „DieSubstanz der Gebäude an sich lässt sichnachPrüfungund Abwägungder Vor-undNachteile nicht nutzen.“ Zur ErhaltungderFassade kames nie– imSpätsommer1986 waren die alten Häuser nur nochTrümmer. Käme es jetzt zu einem AbrissdesKomplexes,wärederVerlustinderJo-hannisstraßeumso schmerzlicher. gdn
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Gerhard Nowc ist Redakteur in der Stadtredaktion des Tageblattes– mit Faible für Flensburgs [email protected]
Blick auf denHafermarkt: 1968 hatte der Stra-ßenzug (Blick aus der Bismarck- Richtung Hein-richstraße) einen völlig anderen Charakter. ARCHIV
DieEckezwischen Johannisstraßeund Angelburger StraßenahmdieHarrisleerGetho-Baufür den Neubaukomplex 1981 ins Visier. SCHREIBER
Flensburger Nachrichten
Der Hafermarkt-Neubau hat ausgedient
Johannisstraße:Die Schlacht
um die alte Fabrik
> HAFERMARKT – HISTORIE EINES PLATZES
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