AKUTER SCHMERZ
▫ postoperative Schmerzen: Folgen, Formen▫ Tumorschmerzen
▫ WHO-Stufenschema▫ Palliativmedizin
Rafaela EssmeisterDank an: Engelbert Deusch
Fall S.B. *1943
Hemimaxillektomie bei Kieferhöhlen-PEC
Vollnarkose mit Fentanyl und Sevoflurane
OP-Dauer 5 ½ Stunden
10.00: Hb 15,4 15.15: Hb 10,3
Fentanyl intraoperativ: 0,6mg
WHO I: Paracetamol 1g i.v.
postoperative Schmerzen zu erwarten?
Fall S.B. *1943 (2)
Wie misst man den Schmerz bei Herrn S.B.?
Hilft uns die Algesimetrie?
Fall S.B. *1943 (3)
FRAGEN!
Verfahren zur Schmerzmessung
VAS - Visuelle Analogskala (0-10) NRS – numeric rating scaleVRS – verbal rating scale
Schmerztagebücher
Fall S.B. *1943 (4)
• bei Eintreffen im Aufwachraum: VAS 3
• nach 20min: VAS 6
Kann das sein?
Welche Angabe fehlt?
• in der Therapievorschreibung stehen als Optionen zur
Verfügung:
• Metamizol 1g ad KI
• Diclofenac 75mg ad KI
• Piritramid 3mg fraktioniert b.Schmerz
Was nun?
Fall S.B. *1943 (5)
WHO 1: Metamizol (Novalgin®) 1g ad KI
WHO 3: Piritramid (Dipidolor®) 3mg i.v.
VAS 2 nach Piritramid-Bolus; nach weiteren 20min gibt S.B. allerdings wieder VAS 5 an
Ist eine weitere Piritramid-Gabe möglich?
PatientInnen-kontrollierte Analgesie
Besonders RisikopatientInnen profitieren von spezieller Schmerztherapie
Verringerung der perioperativen Morbidität
Verkürzung des Krankenhausaufenthalts
Postoperative Schmerztherapiehäufig per PCA
Schmerz u. Lunge
• Schonatmung• Ineffektives Abhusten• Sekretverhalten• Infektion, Atelektasen• Hypoxämie
R1
Folie 10
R1 RE; 21.02.2006
Schmerzen u. Herz
• Streß• erhöhte endogene Katecholaminspiegel• Sympathikus-Aktivierung mit:
– Tachykardie– arterieller Hypertension– myokard. O2-Verbrauch↑
Schmerz u. Darm
• verringerte Motilität– > Magen-Darm-Atonie mit
Übelkeit und Erbrechen
• Darmdehnung und Wandischämie
Vorteil der PDA: verkürzt Atonie-Dauer durch Sympathikolyse (LA)
Schmerz u. ZNS
• Angst• Schlafentzug• zentrale Sensibilisierung
(überdauert primäre Schmerz-ursache) Chronifizierung
• Prägung für zukünftiges Schmerzerleben und Schmerzempfinden
Effektivität der postoperativen Schmerztherapie
Schmerz i.m. PCA Epidural
mittel-stark 67% 36% 21%
stark 29% 10% 7.8%
Metaanalyse – Br. J. Anaesth. 2002, 89: 409-23
Grundsätze der (akuten)postoperativen Schmerztherapie:Regelmäßige SchmerzerfassungMerke: Der Patient mit Schmerzen hat immer Recht!
Dokumentation der Schmerzen
Therapie immer nach individuellem BedarfMerke: Es gibt keine Standarddosis!
Rasche Behandlung
Häufige ErfolgskontrolleHäufige Nebenwirkungskontrolle
PCA-Prinzip
• Kurzer Regelkreis Schmerz-Analgesie• bedarfsorientiert Analgetika-Titration
Pat. bestimmt, WANN und WIE VIEL
• Abgabelimits verhindern Überdosierung mg / AnforderungAnzahl / StundeSperrzeit
Intermittierende „Nurse-controlled“ –vs. „Patient-Controlled-Analgesia“
Anesthesia & Analgesia 2005: 101; S44-61
Generelle Regeln
• Einschulung:– PatientInnen und Personal (Station wie Schmerzdienst)
– Präoperativ
• Nur spezielles Zubehör verwenden• Anfangs PCA-Betrieb einstellen• Programm bei jedem Wechsel prüfen• Schmerzdienst: Standardisierung, Back-Up
z.b.: PCA-Standard Piritramid(für Opiat-naive PatientInnen)
• Konzentration 3mg/ml• Bolus 1ml = 3mg• Sperrzeit 5 - 10 min• Anzahl / h 4 - 6
• Sperrzeit zu kurz• Bolus zu groß• Paravenöse Kanüle (subkutanes Depot)• Parallelinfusion (Depot in der Infusion!)• Kontinuierliche Infusion (“Basalrate”)• zusätzlich sedierende Medikamente
• Symptome einer Überdosierung: Schmerzfreiheit Vigilanzstörung Atemdepression (AF messen)
Überdosierung bei PCA
• Paravenöse Kanüle Anhaltende Schmerzenernst nehmen
• Parallelinfusion Kein Drei-Wege-HahnKeine parallele Infusion
oder: obligates Y-Stück mit Rückschlagventil
• “Basalrate” verboten!!
PCA-Nebenwirkungen (1)
• Atemdepression (0.2-1.2%)– O2Sätt < 90– Bradypnoe (<10/min)
• Magenentleerungsstörung– dauert länger im Vergleich zu PDA
• Übelkeit und Erbrechen (30-50%)– Droperidol (1,25mg i.v.)– Metoclopramid (10-20mg i.v.)– Dimenhydrinat (50-100mg i.v., rektal)– 5HT3-Antagonisten, zb Ondansetron
PCA-Nebenwirkungen (2)
• ZNS– Sedation, Euphorie, Miosis, Muskelrigidität
• Herz/Kreislauf– Vasodilatation, Hypotension
Unzufriedene/r PatientIn
• Nochmals erklären• erneute Aufsättigung• Auffordern, die Pumpe öfter zu
gebrauchen• Anforderungen / h ändern• Bolus vergrößern• Sperrintervall verkürzen
Fall T.S. *1938
geplante
geplante Zystektomie
bereits Ideen?
PCEAPatientInnen-kontrollierte Epidurale Analgesie
• Vorteile:– Effektive analgetische Wirkung– Kosten/Nutzen-Risiko bei konsequenter post-
operativer Betreuung günstig• Nachteile
– Katheterrisiko– größerer Aufwand
RÜCKENMARKSNAHE VERFAHRENSPINALE/EPIDURALE ANALGESIESPINALE/EPIDURALE ANALGESIE
EPIDURALANALGESIE
0,125% Bupivacain plus 2 mcg/ml Fentanyl über Perfusor (2-6ml/h)Perfusormischung:1 A Fentanyl=2ml=0,1mg5 A 0,25% Carbostesin = 25 ml23 ml 0,9% NaCl
Überwachung
• Einstichstelle• Vigilanz• Hämodynamik• Rückenschmerzen oder Kopfschmerzen?• Sensibilität (sensibles Niveau) • Motorik (Bromage Score)
IntensivmedizinischeSchmerztherapie
• Analgosedierung: Sedierende/AnxiolytischeKomponente + Opioid
Unterdosierung Streßreaktion↑Überdosierung Thromboserisiko↑, Hypotonie,
Mikrozirkulationsstörungen
• NSAR kaum verwendet: Magenulcera BlutungskomplikationenNiereninsuffizienzungünstiges Nebenwirkungsprofil
Tägliche Unterbrechung der Analgosedierung• verkürzt Beatmungsdauer
» median 4,9 vs 7,3d
Kress JP. NEJM 2000; 342:1471-7
TUMORSCHMERZTHERAPIE
„bis zu 70% aller KarzinompatientInnen in Österreich sind nicht ausreichend mit Opioiden versorgt“
Schmerz 1999; 13:266-272
Rafaela EssmeisterDank an: Engelbert Deusch
HGK
WHO-Stufenschema„by the glock, by the ladder, by the mouth, for theindividual, attention to detail“
II
Schwache Opioide
III
Starke Opioide
I
IV
neuro-invasive
Verfahren
Nichtopioide+/- Adjuvantien
Fallbeispiel
• 50-jähriger Mann mit großzelligemBronchialkarzinom klagt seit einigen Tagen über anhaltende Kopfschmerzen
• Tumorbedingt- Osteolyse der Kalotte, Schädelbasis
oder der oberen Halswirbelsäule- intrakranielle Druckerhöhung durch
zerebrale Metastasierung- beginnende obere Einflussstauung
Potentielle Ursachen (1)
mevis-research.de
Potentielle Ursachen (2)
• Behandlungsbedingt- Irritation der Okzipitalnerven nach
operativer Ausräumung einer Metastase und Stabilisierung der oberen WS
Potentielle Ursachen (3)
• Tumorassoziert
- Frühphase eines Herpes zoster- Myofasziale Schmerzen bei Bettlägrigkeit
Courtesy of Vaibhav Parekh, MD, MBA.
Potentielle Ursachen (4)
> 180 Tage / Jahr
< 180 Tage / Jahr
• Tumorunabhängig
– Sinusitis frontalis– Spannungskopfschmerzen
modif.nach Mumenthaler 2002
Tumorschmerztherapie
• Identifikation der schmerzauslösenden Ursache
• Keinesfalls nur die Dosis der Analgetika erhöhen
• Bei Beschwerdenänderung – oder zunahme immer wieder nach schmerzauslösenden Ursache suchen
Knochen-, Periostschmerzen (1)
• Nozizeptorschmerz• Entstehung durch lokalem Druck,
Tumorwachstum, Freisetzung von Schmerzmediatoren (z.B. Bradykinine, Prostaglandine, TGF)
• Qualität: dumpf, bohrend, tiefliegend.meist gut lokalisierbar, anfangs bewegungsahängig, später in Ruhe, nachts
Knochen-, Periostschmerzen (2)
• kann Erstsymptom einer Knochenmetastasierung sein
zb schmerzhafte Atemexkursionen bei Rippenmetastase
• Radiolog. Veränd. erst ab 40-60% Knochendichteveränd.
• Häufig : Mamma-, Prostata-, Lungen-, Schilddrüsen-, Nierenkarzinomen
idw-online.de
Knochen-, Periostschmerzen (3)
plötzliche Schmerzzunahme• Pathologische Fraktur?
Nebensymptom evtl. Gangunsicherheit, Fallneigung
diffuse Schmerzzunahme• Hyperkalziämie (osteolytisch oder paraneoplastisch)
v.a. Bronchial-, Mammakarinom und Plasmozytom
Knochen-, PeriostschmerzenTherapie
• Solitärmetastase? OP? Ausräumung VBO• Bestrahlung – lokales Problem• Chemotherapie• Radionukleidtherapie (z.B. Samarium-
153) – generalisiertes Problem• Bisphosphonate (keine Sofortwirkung!)
• WHO-Stufenschema
Weichteilinfiltrations-Schmerzen• Nozizeptorschmerz• Entstehung durch lokalen Druck,
Tumorwachstum, Freisetzung von Schmerzmediatoren z.B. Bradykinine, Prostaglandine
• Qualität: dumpf, bohrend, reißend; konstant vorhanden, bei Bewegung/Belastung (zb Druck im Sitzen) oft zunehmend, gestörter Nachtschlaf, diffuse Lokalisation
WeichteilinfiltrationsschmerzenTherapie
• sekundäre muskuläre Verspannungen?• Wärme, Massage, Gegenirritation (TENS),
Infiltrationen• Antiphlogistika• WHO-Stufenschema
TENSTranscutaneus Electrical Nerv Stimulation
Neuropathische Schmerzen (1)
• Neuropathisch• Entstehung: Infiltration/ Kompression von
Nerven• Querschnittslähmung bei
Wirbelkörpereinbruch oder durch Tumorwachstum: Deafferenzierungsschmerzen
Neuropathische Schmerzen (2)
• Qualität: – einschießend, schneidend, blitzartige Attacken– brennend, bohrender Dauerschmerz
• Areale mit Hyperästhesie, Dysästhesie• Neurologische Defizitsymptome motorisch
sensibel• evtl. HW auf Beteiligung des Sympathikus:
Brennschmerz, gestörte Hauttrophik, Ödem, Temperaturdifferenz
Neuropathische SchmerzenTherapie
• Nichtopiodanalgetika wirkungslos• Opiate meist auch wenig wirksam• Antiepileptika• Antidepressiva• Operative Dekompression / Bestrahlung• Neurolytische Verfahren: Plexus
coeliacus-, Lumbale SympathicusAlkohol Neurolyse
VisceraleSchmerzen
• Kompression, abakterielle Entzündung, Kapseldehnung, Schleimhautulzeration von Hohlorganen und soliden Bauchorganen
• Schmerzqualität: tiefliegend, diffus lokalisierbar, dumpf, krampfartig.
• Gelegentlich übertragene Schmerzen mit Muskelverspannungen in Head´schen Zonen
Roche Lexikon Medizin
Viszerale SchmerzenTherapie
• Antiphlogistika• Metamizol, Spasmolytika• WHO-Stufenschema• Neurolytische Verfahren: Plexus
coeliacus Alkohol Neurolyse• Obstipationsprophylaxe bei Opiaten
TransdermaleTransdermale SystemeSysteme
Unabhängig von Schluckproblemen
Durogesic® = FentanylFentanyl transdermal Generica
Transtec® = Buprenorphin
TransdermalesTransdermales-- FentanylFentanyl
0
1
2
0-4h
8-12
h
16-2
4h
28-3
2h
36-4
0h
44-4
8h
52-5
6h
60-6
4h
68-7
2h
ng/ml
Serumspiegel
Transdermale Systeme (TTS)
Resorptions-Veränderungen:• Dermatologische Erkrankungen• Kachexie• kleinere Verletzungen (Rasuren)• Erhöhung der Körpertemperatur• Fieber• lange, heiße Bäder• Sauna• starke Sonneneinstrahlung• Wärmeflaschen, Heizdecken
Plexus coeliacus Neurolyse
Indikationen:• Oberbauchtumore: Pankreas, Magen• Bei gürtelfömigen Oberbauchschmerzen,
tw auch hoch lumbalen Rückenschmerzen aufgrund von Tumoreinwachsungen
Plexus coeliacus Blockade
Aus: Jankovic D. Regionalblockaden in Klinik und Praxis. Berlin 2000. S 140-4
Plexus coeliacus Blockade
Aus: Jankovic D. Regionalblockaden in Klinik und Praxis. Berlin 2000. S 140-4
Konzept der Palliativmedizin
Aus: Brausewein C. Leitfaden der Palliativmedizin. München 2004. S 2
„Palliative care is an approach which improves the quality of life of patients and their families facing life-threateníng illness, through the prevention and relief of suffering by means of earlyidentification and impeccable assessment and treatment of painand other problems, physical, psychological and spiritual.“
(WHO 2002)
Grundsätze der Palliativmedizin (1)
• PatientenInnenbehandlung in der Umgebung ihrer Wahl• Beachtung der physischen, psychischen, sozialen und
seelsorgerischen Bedürfnisse von PatientInnen, Angehörigen und Behandlungsteam
• „High person - low technology“• Individuelle Behandlung jedes Einzelnen im
multidisziplinären Team rund um die Uhr• Offenheit und Wahrhaftigkeit als Grundlage des
Vertrauensverhältnisses unter allen Beteiligten
„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ (Cicely Saunders)
Grundsätze der Palliativmedizin (2)• Symptomkontrolle durch SpezialistInnen• Fachliche Pflege durch geschulte Pflegekräfte• Integration von Ehrenamtlichen• Zentrale Koordination des Teams• Kontinuierliche Betreuung (24h Bereitschaft) des
Patienten und seiner Angehörigen bis zum Tod bzw. in der Trauerarbeit
• Bejahung des Lebens. Akzeptanz von Sterben und Tod als Teil des Lebens. Aktive Sterbehilfe wird strikt abgelehnt.
4 Dimensionen des Leidens
Aus: Bausewein C. Leitfaden der Palliativmedizin. München 2004. S 6
Weiterführende Literatur
Hankemeier UB, Schüle-Hein K, KrizanitsFH:Tumorschmerztherapie 2004ISBN: 3-540-204318
C. Brausewein, S. Roller, R. Volts. Leitfaden der Palliativmedizin. 2004ISBN: 3-473-23310-6