AUSVERKAUF UM JEDEN PREIS AUSEINANDERSETZUNGEN UM LAND IN MOSAMBIK
I N K O T A -H I N T E R G R U N D
N O V 2 0 1 3
2 A U S VE RKA U F U M J E D E N PRE I S
Es ist unglaublich, aber wahr:
In einer Welt, in der genügend Nahrungsmit-
tel für alle produziert werden, leiden circa
850 Millionen Menschen an Hunger. Fast 80
Prozent leben in ländlichen Regionen im glo-
balen Süden – also dort, wo viele Nahrungs-
mittel angebaut werden.
Die Gründe dafür sind vielfältig und mitunter kom-
plex: Die politisch forcierte Produktion von Agrokraft-
stoffen aus Mais, Soja oder Zuckerrohr tritt in Konkur-
renz zur Fläche, die zum Anbau von Nahrungsmitteln
zur Verfügung steht. Das Angebot an Nahrung wird
künstlich verknappt1. Die Spekulation mit Grundnah-
rungsmitteln an den Warenterminbörsen ist eine der
Ursachen für schwankende und immer unberechenba-
rere Preise für Essen – Menschen, die schon bis zu 80
Prozent ihres Einkommens für Nahrung ausgeben,
können sich ihr Essen schlichtweg nicht mehr leisten.
AUSVERKAUF UM JEDEN PREIS AUSEINANDERSETZUNGEN UM LAND IN MOSAMBIK
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A U S E I N A N D E RS E TZ U N G E N U M L A ND I N M O SA M B I K
Die Folgen des Klimawandels bedrohen wegen immer
häufiger auftretenden Extremwetterereignissen wie
Dürren oder Überschwemmungen ganze Ernten.
Kleinbauern und Kleinbäuerinnen verlieren ihre Exis-
tenzgrundlage, weil hoch subventionierte Exporte von
Nahrungsmittelüberschüssen aus Europa und den
USA, die lokalen Märkte in den Ländern des Südens
zerstören. Immer mehr indigene Gemeinschaften,
Hirt/innen, Fischer/innen und Kleinbäuerinnen und
Kleinbauern haben in den letzten Jahren ihren Zugang
zu Wäldern, Wasser, Fischgründen, Weideflächen und
Land verloren, inklusive des Rechts darüber zu ent-
scheiden, wann, wie und von wem diese Ressourcen
genutzt werden dürfen. Die Kontrolle darüber haben
in- und ausländische Konzerne, Finanzinstitute oder
Regierungen übernommen, um industrielle oder land-
wirtschaftliche Großprojekte voranzutreiben2.
Das letztgenannte Phänomen wird seit dem Bericht
„Seized“3 der Nichtregierungsorganisation (NRO) Grain
aus dem Jahr 2008 als Land Grabbing bezeichnet.
Beim Land Grabbing werden riesige Landflächen an
private oder staatliche Investor/innen verkauft oder
für Jahrzehnte verpachtet. Dabei ist nicht neu, dass
ausländische Konzerne sich den Zugang zu Land und
anderen natürlichen Ressourcen aneignen. Seit der
Kolonialzeit haben sich Unternehmen aus dem globa-
len Norden großer Landflächen ermächtigt, um dort
Cash Crops wie Kaffee, Kakao oder Bananen für den
Export anzubauen oder in Minen Rohstoffe abzubau-
en4. Neu ist aber zweierlei: Zum einen das Ausmaß und
die Geschwindigkeit der Landkäufe oder Pachten;
nach diversen Schätzungen weltweit bis zu 227 Millio-
nen Hektar5 – das entspricht der Gesamtfläche West-
europas. Nach Angaben der Weltbank gab es allein
zwischen Oktober 2008 und Juni 2009 Verhandlungen
und Vereinbarungen mit privaten Unternehmen über
45 Millionen Hektar Land, über 70 Prozent davon in
Afrika südlich der Sahara6. Das ist eine zehnfache Stei-
gerung im Vergleich zu den Vorjahren. Zum anderen
sind neue Akteure an den Landnahmen beteiligt. Es
sind heute nicht mehr nur Agrarunternehmen aus dem
globalen Norden, sondern auch klassische Finanz-
marktakteure wie Banken, Hedgefonds oder Pensions-
fonds und zunehmend Unternehmen oder Regierun-
gen aus Schwellenländern.
Drei Krisen sind die Haupttreiber des Land
Grabbings: Erstens die Ernährungskrise, zwei-
tens die Mobilitäts- und Klimakrise und drit-
tens die Wirtschafts- und Finanzkrise.
Als im Jahr 2008 die Grundnahrungsmittelpreise ex-
plodierten, sicherten sich Regierungen aus einigen
Schwellenländern sowie den Golfstaaten großflächige
Ackerflächen in den Ländern des Südens, um dort
Nahrungsmittel für den Export anzubauen und sich
so unabhängiger von den immer stärker schwanken-
den Weltmarktpreisen für Essen zu machen. So pach-
tete Katar in Kenia 40.000 Hektar für den Frucht- und
Gemüseanbau, um damit die Versorgung der Bevölke-
rung Katars zu verbessern.
4 A U S VE RKA U F U M J E D E N PRE I S
Auch das fossile Mobilitätsmodell ist in der Krise.
Als Reaktion auf Peak Oil werden Agrarkraftstoffe als
die vermeintlich neuen Heilsbringer zum Fortbestand
eines auf motorisierten Individualverkehr basierenden
Mobilitätskonzepts gepriesen. Der Anbau von Energie-
pflanzen wird gerade in den USA und der EU politisch
gefördert und ist der Land Grabbing-Treiber Nummer
eins. Marktwirtschaftliche Lösungen zur Begrenzung
des Klimawandels schaffen zusätzliche Anreize für In-
vestor/innen, in Land zu investieren. Anstatt real weni-
ger Emissionen in die Atmosphäre zu pusten, wird
das Offsetting7 als profitträchtige Alternative lanciert.
Wälder und Graslandschaften oder neu angelegte
riesige Plantagen werden als Speicher für Treibhaus-
gasemissionen ausgewiesen, um in der Theorie Treib-
hausgasemissionen einzusparen.
Seit Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise ha-
ben Finanzmarkteure Land als neue, gewinnbringende
Anlagemöglichkeit entdeckt. Aufgrund der Begrenzt-
heit natürlicher Ressourcen, der steigenden Nachfrage
nach nachwachsenden Rohstoffen und den Folgen des
Klimawandels erwarten sie einen kontinuierlich stei-
genden Druck auf die knapper werdende Ressource
Land und damit steigende Preise und Profitmöglich-
keiten. Nach Angaben der OECD stammen etwa 40
Prozent aller Fonds, die in Land investieren, aus Euro-
pa8. Ihr Geschäftsmodell ist oft spekulativ. Land wird
gekauft, um es dann nach einigen Jahren gewinnbrin-
gend weiter zu verkaufen9.
Aber auch Teile Asiens und Lateinamerikas sind
betroffen. Zudem gibt es mit Land Grabbing-Fällen in
Ländern wie Rumänien und der Ukraine Hot Spots in
Europa10. Unter den zehn am meisten von Land Grab-
bing betroffenen Staaten sind sieben afrikanische
Länder: Südsudan, Demokratische Republik Kongo,
Mosambik, Liberia, Sudan, Sierra Leone und Madagas-
kar. Viele der betroffenen Länder sind Nettoimporteu-
re von Nahrungsmitteln und ihre Bevölkerungen oft
von Hunger und Mangelernährungen betroffen. Der
Großteil der Investments kommt aus Ländern wie den
USA, Malaysia, Großbritannien, Indien, China oder
Saudi Arabien11.
Der afrikanische Kontinent steht im Fokus
der Land Grabber, weil dort zum einen Land
wenig kostet und zum anderen die lokalen
Bevölkerungen in vielen Kontexten nur
schwache Besitzrechte haben und zugleich
die Investor/innen vergleichsweise gut ab-
gesichert sind.
Der Zugang zu Land ist lebensnot-
wendig. Die Kleinbäuerin Luciana
Phiva erntet Maniok auf ihrem Feld.
5
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LOKALE BEVÖLKERUNG HAT DAS NACHSEHEN
Land Grabbing hat enorme wirtschaftliche, soziale
und ökologische Folgen in den Zielländern der Investi-
tionen. In vielen Fällen sind Verletzungen der traditio-
nellen Weide-, Nutzungs- oder Zugangsrechte der lo-
kalen Bevölkerung dokumentiert.
Gewaltsame Konflikte um Land und andere natür-
liche Ressourcen wie Wasser nehmen zu. Der großflä-
chige, industrielle Anbau in Monokulturen zerstört die
Lebensgrundlagen von Kleinbauern und Kleinbäuerin-
nen. Die negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme
und das Klima sind enorm: Künstliche Bewässerung,
hoher Einsatz von Pestiziden und künstlichem Dünger,
Anbau von nur noch wenigen Sorten, Entwaldung etc.
sind dafür verantwortlich. Weltweit arbeiten rund 2,5
Milliarden Menschen in kleinbäuerlichen Betrieben
und ihre 500 Millionen Höfe stellen 80 Prozent der
Nahrungsmittel in den Ländern des Südens bereit12.
Um das weiterhin zu tun, sind sie auf funktionierende
Ökosysteme und vor allem auf sicheren Zugang zu
Land angewiesen. Ist das nicht der Fall, steigen das
Hunger- und Armutsrisiko.
Die Landgeschäfte entziehen der lokalen
Bevölkerung die Kontrolle über große Land-
striche. Immer wieder kommt es zu Zwangs-
enteignungen und Vertreibungen.
6 A U S VE RKA U F U M J E D E N PRE I S
MOSAMBIK – LAND GRABBING AUF DEM VORMARSCH
ProSavana wird voraussichtlich
eine Fläche von sechs Millionen
Hektar Land in drei Provinzen
Mosambiks umfassen. Damit be-
droht das Megaprojekt den Zugang
zu Land für etwa vier Millionen
Kleinbauern und -bäuerinnen.
Mosambik ist eines der Länder weltweit, das beson-
ders stark von Land Grabbing betroffen ist. Drei Viertel
der Menschen dort leben auf dem Land und von der
kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Die Hauptanbau-
produkte der Bauern und Bäuerinnen sind Grundnah-
rungsmittel für den alltäglichen Bedarf, wie Mais,
Maniok und verschiedene Gemüsesorten, in einigen
Provinzen auch Reis, oder Cash Crops wie Baumwolle
und Tee. Mosambik ist eines der ärmsten Länder der
Welt. Im Human Development Index (HDI) belegt es re-
7
A U S E I N A N D E RS E TZ U N G E N U M L A ND I N M O SA M B I K
gelmäßig einen der letzten Plätze. Im Jahr 2012 lag
Mosambik auf Platz 185 von insgesamt 187 gelisteten
Ländern. Ein Großteil der Bevölkerung hat keinen oder
nur unzureichenden Zugang zu sauberem Wasser,
Grundschulbildung oder medizinischen Einrichtungen.
Der globale Hunger Index von 2012 sieht zwar eine
Verbesserung der Hungersituation, stuft die Lage in
Mosambik aber immer noch als „alarmierend“ ein13.
Trotz insgesamt sinkender Armut wächst die Zahl der
Unterernährten. Das liegt daran, dass nur die oberen
20 Prozent der Gesellschaft vom hohen Wirtschafts-
wachstum materiell profitieren, während der Anteil
der ländlichen Bevölkerung unterhalb der Armuts-
grenze weiter wächst14.
Die Regierung Mosambiks setzt in erster Linie auf
Großprojekte, um Wirtschaftswachstum zu stimulieren
und damit auf eine klassische Strategie, um Entwick-
lung zu initiieren und Wohlstand zu schaffen. Insbe-
sondere im Kohle- und Gassektor erlebt Mosambik
einen regelrechten „Boom“ und internationale Mega-
projekte werden vorangetrieben. Die größte Bedro-
hung für die Kleinbauern und -bäuerinnen stellen
jedoch die großflächigen land- oder forstwirtschaftli-
chen Investitionen dar.
Zu den umstrittensten Landwirtschaftsprojekten
in jüngster Zeit gehört ProSavana, ein brasilianisch-
japanisch-mosambikanisches Gemeinschaftspro-
gramm, das ein agrarindustrielles und exportorientier-
tes Landwirtschaftsmodell nach brasilianischem Vor-
bild für den Norden Mosambiks anstrebt, auf einer
Fläche von mehreren Millionen (!) Hektar15. Geplant ist
der großflächige Anbau von Sojabohnen, Mais, Reis,
Baumwolle und anderen Cash Crops für den Export.
ProSavana hat national und international bereits brei-
ten Widerstand hervorgerufen, obwohl der offizielle
Programmbeginn erst für das Jahr 2014 geplant ist.
DAS LANDRECHT IN MOSAMBIK – THEORETISCH GUT
Dabei gilt das Landrecht in Mosambik als eines der
fortschrittlichsten weltweit. Land ist in Mosambik
Staatseigentum; der Staat vergibt die Nutzungsrechte.
Doch schon Anfang der 1990er Jahre kam es zu ersten
Landkonflikten der Bevölkerung mit ausländischen
Investor/innen, die Land in gut erschlossenen Regio-
nen für sich beanspruchten. Westliche Geldgeber wie
der Internationale Währungsfonds (IWF) drängten auf
eine Privatisierung von Landeigentum. Das mosambi-
kanische Parlament widerstand dem Druck mit Hilfe
einer breit angelegten Kampagne von Kleinbauernver-
bänden und Nichtregierungsorganisationen und sorgte
dafür, dass Land weiterhin in Staatsbesitz blieb. Bei
der Vergabe von Landtiteln müssen lokale Gemein-
schaften konsultiert werden, ihnen stehen traditionelle
Landnutzungsrechte zu. Zumindest in der Theorie sind
sie durch die Landgesetzgebung besonders geschützt.
Allerdings erweist sich gerade der Konsultations-
prozess mit den Gemeinden, der laut Gesetz bei der
Vergabe von Landtiteln an Investor/innen vorgeschrie-
ben ist, als zu schwach und als Einfallstor für Land
Grabber. Die Anhörungen – mindestens zwei sind ge-
setzlich vorgeschrieben – werden häufig sehr schlecht
und oberflächlich durchgeführt und berücksichtigen
die Interessen der lokalen Bevölkerung nur unzu-
reichend. Verschiedene Studien belegen, dass die Ge-
meinden nicht ausreichend über ihre Rechte informiert
werden16.
Außerdem vergibt der Staat an die Investor/
innen die Landtitel gegen eine sehr geringe
Gebühr für 50 oder 100 Jahre. Das Land ist für
die Investor/innen praktisch umsonst.
8 A U S VE RKA U F U M J E D E N PRE I S
Großflächige Investitionen in Land werden von
den Investor/innen und von Regierungsmitgliedern
damit begründet, dass es sich um „ungenutztes“ Land
handele. Der Herausgeber des Mozambique Political
Process Bulletins, Joseph Hanlon, hat die Flächen-
verteilung Mosambiks analysiert und kommt zu dem
Schluss, dass die Klassifizierung als „ungenutztes“
Land oftmals falsch ist. Denn viele dieser Flächen sind
zentral für die lokalen Ernährungssysteme. So dienen
sie beispielsweise der Sicherung der Ernährung durch
Waldfrüchte oder Jagd; ebenso bieten sie Zugang zu
Wasser und Brennholz17.
LAND GRABBER AUF DEM VORMARSCH
Nach Schätzungen von Grain beträgt die Landflä-
che, die (in- und ausländischen) Investor/innen für
landwirtschaftliche Projekte in Mosambik bereits zur
Verfügung gestellt wurde, gut 1,6 Millionen Hektar18.
Die Recherchen der Land Matrix ergeben sogar eine
Fläche von über zwei Millionen Hektar19. Das Mega-
projekt ProSavana ist in dieser Schätzung noch nicht
berücksichtigt.
9
A U S E I N A N D E RS E TZ U N G E N U M L A ND I N M O SA M B I K
Auslöser für Land Grabbing war zunächst der
großflächige Anbau von Energiepflanzen. So erlebte
Mosambik vor einigen Jahren einen regelrechten
Jatropha-Boom, dessen Anbau von der Regierung als
Wundermittel gegen Armut und zur eigenständigen
Energieversorgung des Landes propagiert wurde. Im
Jahr 2009 wurde schließlich eine nationale Agrar-
treibstoffstrategie veröffentlicht. Sie setzt auf die Ex-
pansion des Energiepflanzenanbaus, allerdings sollen
diese nicht in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungs-
mitteln stehen. Der Energiepflanzen-Boom hat mitt-
lerweile nachgelassen. Seit Ende 2009 wurde kein gro-
ßes Energiepflanzenprojekt mehr genehmigt20.
Doch mittlerweile hat der nächste große Trend das
Land erreicht: So sind in Mosambik Gas- und Kohle-
vorkommen entdeckt worden, die zu den größten der
Welt gehören. Internationale Multis der Gas-, Erdöl-
und Kohleindustrie wie Anadarko (USA), ENI (Italien),
Vale (Brasilien) und Rio Tinto (Australien) sind in
Mosambik aktiv bzw. dabei, ihre Geschäftsfelder zu er-
schließen. Ein Blick auf das mosambikanische Katas-
ter-Portal21 zeigt, dass große Landflächen in Mosambik
bereits als Konzessionen an Investor/innen vergeben
sind. Besonders in den zentralen und nördlichen Pro-
vinzen des Landes gibt es Regionen, in denen kaum
noch konzessionsfreie Flächen vorhanden sind. Am
Beispiel der Provinz Tete lassen sich die Dimensionen
gut beobachten: Dort hat die Regierung bisher mindes-
tens 245 Bergbaukonzessionen und Explorations-
lizenzen erteilt, die ungefähr 3,4 Millionen Hektar oder
ein Drittel der Gesamtfläche der Provinz ausmachen.
Auch im Bereich der Forstwirtschaft werden in
Mosambik große Flächen an Agroforstprojekte verge-
ben, die zum sogenannten „Green Grabbing“ beitra-
gen: Vordergründig leisten diese Projekte einen Bei-
trag zum Klimaschutz durch die Bindung von Kohlen-
dioxid. Durch den immensen Flächenbedarf treten sie
aber in direkte Konkurrenz zu den nahrungsmittelpro-
duzierenden Kleinbauern und -bäuerinnen22.
Konflikte zwischen den Investor/innen und
der lokalen Bevölkerung sind eher die Regel
als die Ausnahme.
Grüne Wüste in Mosambik:
Eukalyptus-Monokulturen
verringern die Biodiversität.
Dabei ist Klimaschutz ein für Mosambik wichtiges
Thema, da der fortschreitende Klimawandel zahlreiche
Kleinbauern und -bäuerinnen direkt betrifft. So zeigt
der Klima-Risiko-Index für Mosambik eine starke Ge-
fährdung: Das Land liegt hier auf Rang 20 der am meis-
ten von Extremwetterereignissen gefährdeten Län-
der23. Bei Überflutungs- und Dürregefahren ist
Mosambik das am stärksten gefährdete Land Afrikas.
10 A U S VE RKA U F U M J E D E N PRE I S
EUKALYPTUS FÜR MUTAPWA – VIELE GEBROCHENE
VERSPRECHEN
Beispielhaft für Landkonflikte in Mosambik ist das
Projekt der norwegisch-mosambikanischen Firma
Lurio Green Resources (LGR). Das Wiederaufforstungs-
projekt sah zunächst vor, auf einer Fläche von 210.000
Hektar in der nördlichen Provinz Nampula hauptsäch-
lich Eukalyptus anzubauen. 2010 wurde das Vorhaben
von der mosambikanischen Regierung genehmigt,
für eine Fläche von 126.000 Hektar. Diese wiederum
wurde in viele kleine Parzellen aufgeteilt, um so Um-
weltverträglichkeitsprüfungen zu umgehen, die bei
größeren, zusammenhängenden Flächen zwingend
vorgesehen sind. Ein Großteil der von LGR genutzten
Flächen besteht aus von Kleinbauern und -bäuerinnen
bewirtschaftetem Ackerland. Der Zehnjahresplan von
LGR sieht die Einrichtung einer Papiermühle vor, Ex-
porteinnahmen von 850 Millionen US-Dollar pro Jahr,
direkte Beschäftigung für 11.500 Menschen sowie indi-
rekte Beschäftigungseffekte für weitere 30.000 Men-
schen. Ebenso sollen durch die Wiederaufforstung
25 Millionen Tonnen CO2 in 20 Jahren gebunden wer-
den24.
Die betroffenen Kleinbauern und -bäuerinnen zeich-
nen jedoch ein weniger positives Bild des Vorhabens
von LGR. So zum Beispiel in der Gemeinde Mutapwa,
die im Konzessionsgebiet des Konzerns liegt. Die Ge-
meinde hat eine Größe von circa 5.900 Hektar. Etwa
die Hälfte davon wurde an LGR vergeben.
Die Bewohner/innen von Mutapwa leben fast
ausschließlich von der Subsistenzlandwirt-
schaft. Die durchschnittliche Größe ihrer Fel-
der beträgt zwischen 0,5 und drei Hektar. In
die Entscheidungen des Konzerns wurden sie
nur unzureichend einbezogen.
So wurden die Konsultationsgespräche ohne Voran-
kündigung durchgeführt, sodass ein Großteil der Ge-
meindemitglieder gar nicht daran teilnehmen konnte.
Zusätzlich war die nationale Landgesetzgebung der
Gemeinde unbekannt, wodurch sie nicht wusste, wel-
che Rechte ihr innerhalb der Konsultationen und im
Rahmen der Landrechte zustanden. Die von LGR gege-
benen Versprechen, wie etwa der Bau einer neuen
Schule, die Schaffung von lokalen Arbeitsplätzen und
die Verbesserung der Zugangsstraßen waren vage und
wurden schriftlich nicht definiert. Zwar gelang es der
Gemeinde, mit Hilfe der mosambikanischen Kleibau-
ernorganisation ORAM25 einige Teile des Vertrags
nachzuverhandeln und so zu verhindern, dass sie ihr
gesamtes Land an den Konzern verlieren. Auch wurde
ein Komitee zur Landverwaltung eingerichtet, das als
Verbindungsglied zwischen dem Konzern und der Ge-
meinde dient, und die Gemeindemitglieder wurden
zum Thema Landrechte geschult. Dennoch konnte
nicht verhindert werden, dass einige Familien ihr Land
und auch ihre Häuser an die Eukalyptusplantage ver-
loren haben. Und heute, drei Jahre nach Vertragsab-
schluss, kommen weitere negative Folgen des Projekts
zutage: Der Zugang zu Wasser26 hat sich für die Bauern
und Bäuerinnen verschlechtert. Eukalyptus hat einen
extrem hohen Wasserbedarf und die Plantagen entzie-
hen ihrem Umland sehr viel Wasser. Oft sinkt dadurch
der Grundwasserspiegel ab, Flüsse oder Quellen ver-
siegen und ganze Regionen trocknen aus. Dies macht
sich auch in der betroffenen Gemeinde bemerkbar.
Brunnen sind ausgetrocknet und die Wege zu alterna-
tiven Wasserstellen sind weit.
11
A U S E I N A N D E RS E TZ U N G E N U M L A ND I N M O SA M B I K
Das ist nicht nur für die Bauern und Bäuerinnen in
Mutapwa ein großes Problem: Zahlen der mosambi-
kanischen Regierung zeigen, dass noch immer weit
mehr als 50 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang
zu sauberem Trinkwasser haben, mehr als 80 Prozent
haben darüber hinaus keinen Zugang zu hygienischen
sanitären Anlagen. Die Situation auf dem Land ist
schlimmer als in urbanen Gegenden – nur 30 Prozent
der Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser
und nur sechs Prozent zu modernen Sanitäranlagen.
Nach einer Studie aus dem Jahr 2009 versorgen sich
rund 36 Prozent der mosambikanischen Bevölkerung
aus einfachen Brunnen27.
Die betroffenen Bauern und Bäuerinnen in Mutapwa
müssen nun weitere Wege zurücklegen, um zu ihren
Feldern zu gelangen. Zwar wurden denjenigen, die ihr
Land an die Eukalyptusplantagen abtreten mussten,
neue Ackerflächen zugeteilt, oftmals gingen dabei
aber Obstbäume, die wichtig für die Nahrungsmittel-
versorgung sind, verloren. LGR hat in einigen Fällen
Entschädigungen gezahlt, diese kompensieren die
Verluste aber nur zum Teil. Bis heute ist auch das Ver-
sprechen, Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung zu
schaffen, nur unzureichend erfüllt. Bisher sind etwa
110 Dorfbewohner/innen bei LGR beschäftigt, und
das bei einer Einwohner/innenzahl von etwa 5.600
Personen. Hinzu kommt, dass die Arbeitsplätze saiso-
nal befristet sind. Daneben gibt es kaum Erwerbsmög-
lichkeiten für die lokale Bevölkerung. Und auch die
Saisonarbeit ist mit Risiken für die Menschen vor Ort
verbunden: Wird darüber die Nahrungsmittelprodukti-
on vernachlässigt, droht außerhalb der Saisonarbeits-
zeiten Hunger. Die angekündigte Papiermühle, die
weitere und bessere Arbeitsplätze schaffen sollte, ist
bisher nichts weiter als eine Absichtserklärung.
Eukalyptusplantage der Firma
Lurio Green Resources in Mutapwa.
Insgesamt plant das Unternehmen
den Eukalyptusanbau auf einer
Fläche von 126.000 Hektar.
12 A U S VE RKA U F U M J E D E N PRE I S
AKTIVE ZIVILGESELL- SCHAFT BEI AUSEINANDER-SETZUNGEN UM LAND
Ein gutes Beispiel dafür ist die Diskussion um Pro-
Savana: Das Großprojekt wird heute bereits mit soge-
nannten Quick Impact Projects umgesetzt. Dabei
handelt es sich um kleinere Landwirtschaftsprojekte
innerhalb von ProSavana, die in kurzer Zeit – meist
in ein bis sechs Jahren – direkte und sichtbare Erfolge
produzieren sollen. Einige dieser Projekte haben be-
reits zu ersten Landverlusten oder Umsiedlungen
geführt. Vor diesem Hintergrund haben sich in der be-
troffenen Region einige NRO zu einem Netzwerk zu-
sammengeschlossen, dem „Rede Tematica de Agricul-
tura e Recursos Naturais“ (Thematisches Netzwerk zu
Landwirtschaft und natürlichen Ressourcen). Gemein-
sam versuchen die NRO, mit der mosambikanischen
Regierung und den Machern von ProSavana in Dialog
zu treten und ihnen gegenüber die Interessen der
betroffenen Kleinbauern und -bäuerinnen sowie der
Zivilgesellschaft zu vertreten und durchzusetzen. Zu-
nehmend gehen NRO-Vertreter/innen auch an die
Presse oder an andere Medien, um ihren Positionen
Gehör zu verschaffen.
Neben den mosambikanischen NRO engagieren
sich auch internationale NRO gegen ProSavana und
fordern eine Aussetzung bzw. Neuverhandlung des
Projekts, da die Folgen für die Ernährungssicherung
der betroffenen Kleinbauern und -bäuerinnen nicht
abzusehen sind. So hat im August 2013 in Maputo eine
Konferenz verschiedener NRO aus den drei beteiligten
Ländern Japan, Brasilien und Mosambik stattgefun-
den, um eine gemeinsame Handlungsstrategie zu ent-
werfen28. Ebenso hat ein breites Bündnis mosambika-
nischer zivilgesellschaftlicher Organisationen einen
offenen Brief an die Regierungschefs von Mosambik,
Japan und Brasilien verfasst, in dem vor den sozialen
und ökologischen Folgen des Projekts gewarnt und
seine Aussetzung gefordert wird29.
Der Widerstand in der mosambikanischen
Zivilgesellschaft gegen Land Grabbing orga-
nisiert sich immer stärker.
Um Kleinbauern und -bäuerinnen auf lokaler Ebene
vor Land Grabbing zu schützen, muss das existierende
Landrecht besser zu Gunsten der Kleinbauern und
-bäuerinnen umgesetzt werden. Organisationen wie
ORAM unterstützen die Gemeinden dabei. Der erste
Schritt ist die sogenannte Delimitierung, eine Fest-
legung von Gebietsgrenzen, die als Ergebnis eine Ein-
tragung ins Kataster und ein Landzertifikat mit sich
bringt. Ein Landnutzungstitel, wie ihn auch Investor/
innen erhalten, ist mit mehr Aufwand und Kosten ver-
bunden: Das Land muss zusätzlich demarkiert werden.
Bis Ende 2010 haben in Mosambik 323 Gemeinden ihr
Land delimitiert oder befinden sich im Delimitierungs-
prozess, auf einer Fläche von insgesamt rund zehn Mil-
lionen Hektar – zwölf Prozent der gesamten Fläche
Mosambiks. Etwa die Hälfte dieser Gemeinden hat eine
Größe zwischen 1.000 und 10.000 Hektar. Zahlreiche
Gemeinden sind noch nicht delimitiert – Schätzungen
gehen von 2.000 bis 3.000 Gemeinden aus. ORAM allein
hat bis März 2010 191 Gemeinden in Mosambik bei der
Sicherung ihrer Landrechte auf einer Fläche von vier
Millionen Hektar unterstützt.
Der Vorteil für die Gemeinden liegt auf der Hand:
Ohne Zertifikat oder Landnutzungstitel muss die Ge-
meinde von potentiellen Investor/innen zwar konsul-
tiert werden, verliert aber im Anschluss an die Gesprä-
che häufig das Land langfristig an den Investor. Hat
die Gemeinde jedoch ein Zertifikat oder selbst einen
Landnutzungstitel, dann muss der Investor direkt mit
der Gemeinde in Verhandlungen treten, die Regierung
ist nicht involviert. Die Gemeinden können direkte Ver-
träge mit den Investor/innen abschließen. In der Praxis
gibt es dafür bisher allerdings erst wenige, kleinflächi-
ge Beispiele, unter anderem für touristische Projekte
oder den Abbau von Halbedelsteinen30. Auch fehlt es
den Gemeinden hier häufig an Kenntnissen und Erfah-
rungen, sodass Organisationen wie ORAM auch bei den
Verhandlungsprozessen ihre Unterstützung anbieten.
13
A U S E I N A N D E RS E TZ U N G E N U M L A ND I N M O SA M B I K
„Eigentlich hatten wir schon alles Land an LGR
verloren“, erzählt Augusto Canhava, der Regulo
aus Mutapwa. Regulos werden in Mosambik die
traditionellen Dorfautoritäten genannt. „Aber
seit wir unser Land vermessen und uns in einem
Landkomitee zusammengeschlossen haben, geht
es uns deutlich besser. Das haben wir vor allem
der Zusammenarbeit mit ORAM zu verdanken“.
Als Vertreter/innen von LGR im Juli 2009 zum
ersten Mal in die Gemeinde kamen, waren die
Gespräche kurz: In nur eineinhalb Stunden wa-
ren große Teile des Gemeindelandes an den
Konzern vergeben. So konnte es passieren, dass
die Gemeinde von Augusto Canhava nach kurzen
Gesprächen einen Großteil ihres Landes an einen
ausländischen Investor verloren hatte. „Das
Land, das uns noch geblieben war, war praktisch
von den Eukalyptusplantagen eingekreist“, er-
zählt Canhava. Wir hätten keinen Platz mehr ge-
habt zum Wachsen. „Wo hätten unsere Kinder
ihre Felder bestellen sollen?“ Im Jahr 2010 kam
die Gemeinde in Kontakt mit ORAM. Die Organi-
sation hat die Gemeinde zum Thema Landrechte
geschult und sie bei der Einrichtung eines Komi-
tees zur Landverwaltung unterstützt. Dieses
Komitee ist es nun, das als Verbindungsglied
zwischen den Gemeindemitgliedern und LGR
fungiert und das das Plantagenprojekt zuguns-
ten der Gemeinde verändert hat. „ORAM hat uns
erklärt, dass das Land uns gehört, welche Rechte
uns als Gemeinde eigentlich zustehen und wie wir
sie einfordern können“, erzählt Herr Canhava.
Das Gemeindeland wurde neu vermessen und
die Flächenvergabe noch einmal nachverhan-
delt. Das Beispiel der Gemeinde Mutapwa hat
Schule gemacht: Auch in anderen, vom Eukalyp-
tusprojekt betroffenen Gemeinden, haben sich
Komitees zur Landverwaltung gegründet. Alle
drei Monate treffen sich die Komitees mit Ver-
treter/innen von LGR, um sich auszutauschen.
Gerade für die Komitees untereinander sind die-
se Treffen wichtig, um eine gemeinsame Ver-
handlungsbasis zu entwickeln und diese dann
auch gemeinsam gegenüber dem Investor durch-
zusetzen.
Augusto Canhava, der Regulo
der Gemeinde Mutapwa.
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LAND GRABBING WELTWEIT VERHINDERN
Vom 17. bis zum 19. November 2011 trafen sich über
250 Vertreter/innen von Kleinbäuerinnen und Klein-
bauern, Viehhalter/innen, Indigenen und ihren Ver-
bündeten in Nyéléni, Mali, um Strategien im Kampf
gegen Land Grabbing zu entwickeln. Dort haben sie ei-
ne Erklärung veröffentlicht, in der sie sich als direkt
Betroffene für eine globale Allianz gegen Land Grab-
bing aussprechen.
Um ihre Vision zu realisieren, müssen auf verschie-
denen Ebenen grundlegende Veränderungen erreicht
werden. Damit sich Betroffene effektiv zur Wehr setzen
können, ist der Aufbau und die Organisierung von
Allianzen gegen Land Grabbing auf lokaler, regionaler
und internationaler Ebene notwendig. Zudem gilt es
sicherzustellen, dass den betroffenen Gemeinschaften
die notwendigen Informationen über Gesetze, Rechte,
Verträge, beteiligte Unternehmen etc. zugänglich
sind, damit sie effektiver gegen Land Grabbing Wider-
stand leisten können. Bei Verhandlungen über Land-
geschäfte muss die lokale Bevölkerung partizipieren
können. Es reicht nicht – wie bisher leider allzu oft
die Regel – lokale und nationale Eliten einzubeziehen.
Dazu zählt auch, die existierenden Landnutzungen
und die Nutzungsrechte der lokalen Bevölkerungen in
einem ersten Schritt anzuerkennen und sie in einem
zweiten Schritt zu stärken.
Der Widerstand gegen Land Grab-
bing wächst. Kleinbauernverbände
und andere NRO demonstrieren in
Maputo, Mosambik im August 2012.
„Wir sind dazu entschlossen, die Ernährungs-
souveränität, die Gemeingüter und die Rechte
von Kleinproduzent/innen von Nahrungsmit-
teln auf natürliche Ressourcen, zu verteidi-
gen.“31
15
A U S E I N A N D E RS E TZ U N G E N U M L A ND I N M O SA M B I K
Auf internationaler Ebene gilt es, Mechanismen zu
entwickeln, die Land Grabbing einen Riegel vorschie-
ben. Im Mai 2012 hat der Ausschuss für Welternäh-
rungssicherung (CFS) der Ernährungs- und Landwirt-
schaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO)
„Freiwillige Leitlinien für die verantwortungsvolle
Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten,
Fischgründen und Wäldern“32 beschlossen. Die Leitli-
nien sind bisher das weltweit erste völkerrechtliche
Instrument, das den gerechten und nachhaltigen Zu-
gang und Umgang mit natürlichen Ressourcen regeln
soll. Sie enthalten insbesondere Empfehlungen um
lokale Gemeinschaften vor Land Grabbing zu schüt-
zen. Damit die Leitlinien wirksam werden, müssen sie
schnellstmöglich in nationale und regionale Gesetze
und Regelungen implementiert werden. Das bedeutet
in einem ersten Schritt das Schaffen von mehr Trans-
parenz, indem öffentliche Register aufgebaut werden,
die alle Landgeschäfte und wichtige Informationen wie
die Namen der Investor/innen, die Zielsetzungen der
Projekte oder den jeweils aktuellen Stand der Imple-
mentierung beinhalten. Außerdem sollten institutiona-
lisierte Beschwerdemechanismen eingeführt werden,
damit die Firmen bei Menschenrechtsverstößen zur
Rechenschaft gezogen werden können.
Das heißt, kleinbäuerliche Produzent/innen,
Landlose und indigene Gemeinschaften
benötigen einen einfachen und gesicherten
Zugang zu natürlichen Ressourcen, um
Nahrungsmittel anzubauen – essenziell sind
hier der Zugang zu Land und Wasser.
Bisherige Investitions- und Handelsabkom-
men der EU oder ihrer Mitgliedsländer schüt-
zen primär die Interessen der Investor/innen.
Sie sind aus demokratischer und menschen-
rechtlicher Perspektive problematisch.
In vielen Fällen immunisieren Stabilisierungsklau-
seln die Investor/innen gegen Gesetzesänderungen in
den Zielländern, wie beispielsweise die Regulierung
von Landnutzungsrechten. Diese Praxis muss sich
ändern und Abkommen zwischen der EU oder ihren
Mitgliedsländern und anderen Staaten sollten Klauseln
enthalten, die Menschenrechte besonders schützen
und zudem helfen, Land Grabbing zu verhindern.
Die Erneuerbaren-Energien-Richtlinie schreibt den
EU-Mitgliedsstaaten vor, dass zehn Prozent der Kraft-
stoffe bis 2020 aus erneuerbaren Energiequellen
stammen müssen. Diese Politikvorgabe ist eine der
Hautpursachen für Land Grabbing. Daher muss die
EU das Beimischungsziel aufgeben. Stattdessen sollten
Energieeinsparung und diejenigen erneuerbaren Ener-
gien gefördert werden, die nicht auf Agrarkraftstoffen
beruhen.
16 A U S VE RKA U F U M J E D E N PRE I S
KLEINBÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT IST DER SCHLÜSSEL
Das Ehepaar Limpo auf seinem
Stück Land. Die etwa ein Hektar
große Parzelle sichert die Versor-
gung der Familie mit ausreichend
Nahrung.
„Business as usual is not an option – Weiter wie bisher
ist keine Option mehr!“ – Zu diesem Schluss kamen
bereits im Jahr 2008 über 400 Expert/innen im Welt-
agrarbericht. Die zentrale Botschaft der Autor/innen
lautet:
„Die Landwirtschaft in ihrer heutigen Form
hat keine Zukunft.“
17
A U S E I N A N D E RS E TZ U N G E N U M L A ND I N M O SA M B I K
Denn obwohl in der Vergangenheit durch die indust-
rielle Landwirtschaft, erhebliche Produktivitäts- und
Mengensteigerungen erzielt wurden, konnten Hunger
und Armut nicht nachhaltig bekämpft werden. Der
Anbau in Monokulturen sowie der Einsatz von chemi-
schen Pestiziden und Düngemitteln haben in den ver-
gangenen Jahren bereits ein Drittel der fruchtbaren
Böden zerstört. Von der industriellen Produktionswei-
se haben insbesondere große Agrarkonzerne profitiert.
Leidtragende sind Kleinbäuerinnen und -bauern33.
Im Gegensatz dazu brauchen wir eine kleinbäuer-
liche, familienbasierte Landwirtschaft. Sie ist in sozia-
ler, ökonomischer und ökologischer Hinsicht, das
nachhaltigste Modell, um im Rahmen der planetari-
schen Grenzen genügend Nahrung zu erzeugen
und gleichzeitig Armut in ländlichen Räumen zu be-
kämpfen. Zu dem Ergebnis kam schon der Weltagrar-
bericht34. Die Erkenntnisse des Weltagrarberichts
werden immer wieder von Studien wichtiger VN-
Organisationen bestätigt. Eine neue Studie von UNEP
und IFAD kommt zu dem Ergebnis, dass Kleinbäuerin-
nen und Kleinbauern das größte Potenzial haben, um
Armut zu reduzieren und gleichzeitig die Weltbevölke-
rung nachhaltig zu ernähren35. Um das zu tun, müssen
allerdings die Rahmenbedingungen verändert wer-
den36: Sie brauchen zum Beispiel Zugang und Kontrolle
über natürliche Ressourcen, an die lokalen Kontexte
angepasste Technologien oder wirkliche Mitbestim-
mungsmöglichkeiten bei Entscheidungen, die sie be-
treffen.
Gemeindekonsultation in
Miriangone. Die Bewohner/
innen des Dorfes diskutieren
gemeinsam über die Zukunft
ihres Gemeindelandes.
18 A U S VE RKA U F U M J E D E N PRE I S
ENDNOTEN
1 High Level Panel of Experts (HLPE) (2013): Biofuels and Food Se-
curity. [http://www.fao.org/fileadmin/user_upload/hlpe/
hlpe_documents/HLPE_Reports/HLPE-Report-5_Biofuels_and_
food_security.pdf]
2 FIAN et al. (2012): Der globale Landraub. Die Rolle der Euro-
päischen Union. [http://www.fian-deutschland.de/online/
index.php?option=com_remository&func=fileinfo&id=539&
Itemid=160]
3 Grain (2008): Seized: The 2008 Landgrab for Food and Financial
Security. [http://www.grain.org/article/entries/93-seized-the-
2008-landgrab-for-food-and-financial-security]
4 FDCL et al. (o. J.): Hände weg vom Land. Aktiv werden gegen
Land Grabbing.
5 Oxfam International (2011): Land and Power. The Growing
Scandal Surrounding the New Wave of Investments in Land.
[http://www.oxfam.org/en/grow/policy/land-and-power]
6 World Bank (2011): Rising Global Interest in Farmland.
Can it Yield Sustainable and Equitable Benefits?
[http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/NEWS/
0,,contentMDK:22694767~pagePK:64257043~piPK:437376~
theSitePK:4607,00.html]
7 Beim Offsetting werden nicht die eigenen Treibhausgasemissio-
nen reduziert, sondern Emissionszertifikate für die Vermeidung
von Treibhausgasemissionen an einem anderen Ort gehandelt.
Das bislang bekannteste Instrument ist der Clean Development
Mechanism des Kyoto-Protokolls. Das Offsetting hat in der Praxis
zahlreiche Schlupflöcher, der reale Beitrag zum Klimaschutz ist
mehr als fraglich. (Germanwatch (2013): Emissionen begrenzen
und Mittel für die Klimafinanzierung generieren.
[http://germanwatch.org/de/6347])
In vielen Fällen gehen Offsetting-Projekte neben Land Grabbing
auch mit Umweltzerstörung und Repression gegenüber lokalen
Gemeinden einher. (Carbon Trade Watch (o.J.): Carbon Offsets.
[http://www.carbontradewatch.org/issues/carbon-offsets.html])
8 OECD (2010): Private Financial Sector Investment in Farmland
and Agricultural Infrastructure. [http://www.oecd-ilibrary.org/
agriculture-and-food/private-financial-sector-investment-in-
farmland-and-agricultural-infrastructure_5km7nzpjlr8v-en]
9 HLPE (2011): Land Tenure and International Investments
in Agriculture. [http://www.fao.org/fileadmin/user_upload/
hlpe/hlpe_documents/HLPE-Land-tenure-and-international-
investments-in-agriculture-2011.pdf]
10 European Coordination Via Campesina (ECVC) and Hands-Off
the Land Alliance (2013): Land Concentration, Land Grabbing
and People’s Struggles in Europe. [http://www.eurovia.org/IMG/
pdf/FINAL_17_avril_14h_HOTL-ECVC-Executive-Summary-.pdf]
oder der vollständige Bericht [http://www.eurovia.org/IMG/pdf/
Land_in_Europe.pdf]
11 Land Matrix (2013): Web of Transnational Deals.
[http://www.landmatrix.org/get-the-idea/web-transnational-
deals]
12 IFAD und UNEP (2013): Smallholders, Food Security and the
Environment. [http://www.unep.org/pdf/SmallholderReport_
WEB.pdf]
13 International Food Policy Research Institute, Concern and
Welthungerhilfe (2012): Global Hunger Index. The Challenge of
Hunger. [http://www.alliance2015.org/fileadmin/Texte__Pdfs/
Text_Documents/2012_GHI_full_report.pdf]
14 Hanlon, J. (2007): Is Poverty Decreasing in Mozambique?
Conference Paper.
15 ProSavana soll im sogenannten Nacala-Korridor, der Region
zwischen der Hafenstadt Nacala und der Grenze zu Malawi, im-
plementiert werden. Damit umfasst es drei Provinzen: Nampula,
Zambezia und Lichinga. ProSavana basiert auf dem Vorläufer-
programm „Prodecer“, das in den 1970er und 1980er Jahren im
zentralbrasilianischen Cerrado mit japanischer Unterstützung
durchgeführt wurde und das Brasilien zu einem der größten
Sojaproduzenten weltweit machte.
Siehe zu ProSavana auch den Report von Grain
[http://www.grain.org/article/entries/4703-leaked-
prosavana-master-plan-confirms-worst-fears] oder
La Via Campesina (2013): Land is Life! La Via Campesina and
the Struggle for Land. [http://www.viacampesina.org/
downloads/pdf/en/EN-notebook5.pdf]
16 Oakland Institute (2011): Understanding Land Investment Deals
in Africa. Country Report: Mozambique.
[http://www.oaklandinstitute.org/sites/oaklandinstitute.org/
files/OI_country_report_mozambique_0.pdf] oder
FIAN (2010): Land Grabbing in Kenya and Mozambique.
[http://www.inkota.de/fileadmin/user_upload/
Themen_Kampagnen/Ernaehrung_und_Landwirtschaft/
Land_Grabbing/Land_grabbing_in_Kenya_and_Mozambique_
FIAN_EN.pdf]
17 Centro de Integridade Pública (2011): Mozambique Political
Process Bulletin, 48.
18 Grain (2012): Grain Releases Data Set with over 400 Global Land
Grabs. [http://www.grain.org/article/entries/4479-grain-releases-
data-set-with-over-400-global-land-grabs]
19 Land Matrix (2013): Mozambique. [http://www.landmatrix.org/
get-the-detail/by-target-country/mozambique]
20 Centro de Integridade Pública (2011): Mozambique Political
Process Bulletin, 48.
19
A U S E I N A N D E RS E TZ U N G E N U M L A ND I N M O SA M B I K
21 Mozambique Mining Cadastre Portal. Das Portal ist seit Oktober
2013 online und Voraussetzung für die IETI-Akkreditierung
Mosambiks. [http://portals.flexicadastre.com/mozambique/en]
22 Fairhead, J., Leach, M. and I. Scoones (2012): The Green Grabbing:
a New Appropriation of Nature? [http://www.tandfonline.com/
doi/pdf/10.1080/03066150.2012.671770]
23 Germanwatch (2013): Global Climate Risk Index 2013.
[http://germanwatch.org/fr/download/7170.pdf]
24 Siehe hierzu auch den Geschäftsbericht von Green Resources
aus dem Jahr 2011. [http://www.greenresources.no/Portals/0/
Reports/GR_Company_Report.pdf]
25 ORAM steht für „Associação Rural de Ajuda Mutua“, ländlicher
Verein für gegenseitige Hilfe. ORAM ist eine der ältesten und er-
fahrensten NRO in Mosambik und hat die Gestaltung des Land-
rechts von 1997 entscheidend mitgeprägt. Auch heute arbeitet
ORAM vor allem zum Thema Landrechte.
26 Investor/innen in Land kaufen oder pachten nicht nur Land, sie
sichern sich, zumindest indirekt, auch den Zugang zu und die
Kontrolle über Wasser. Sie suchen insbesondere nach Landflä-
chen mit fruchtbaren Böden, die in einer Region mit guten Nie-
derschlägen und, wenn möglich, in der Nähe von Flüssen oder
Seen gelegen sind. In einigen Regionen der Welt ist Wasser-
knappheit eine immer größer werdende Bedrohung für die
agrarische Produktion. Prognosen zeigen, dass in Zweidrittel
aller Länder, die von Land Grabbing betroffen sind, der Wasser-
verbrauch durch die großflächigen Landnahmen steigen wird.
(Land Matrix (2012): Transnational Land Deals for Agriculture in
the Global South. [http://www.landcoalition.org/fr/publications/
transnational-land-deals-agriculture-global-south]). Heute leben
schon ungefähr drei Milliarden Menschen in Gegenden, in denen
die Nachfrage nach Wasser höher ist, als die Versorgung. Klein-
bauern und -bäuerinnen sind besonders betroffen, wenn der
Zugang zu Wasser immer schwieriger oder sogar unmöglich wird.
27 IRIN (o.J.): Mozambique: Hoping to Reach the MDG on Water.
[http://www.irinnews.org/report/90543/mozambique-hoping-
to-reach-the-mdg-on-water]
28 Siehe dazu auch den Konferenzbericht der mosambikanischen
Kleinbauernorganisation UNAC.
[http://www.unac.org.mz/index.php/component/content/
article/7-blog/56-povos-de-mocambique-brasil-e-japao-
discutem-em-maputo-formas-de-resistencia-detencao-e-
reflexao-do-prosavana] oder
UNAC (2011): Os Senhores da Terra: Análise Preliminar
do Fenómeno de Usurpação de Terra em Moçambique.
[http://www.unac.org.mz/images/pdf_publicacoes/
senhoresdaterra.pdf]
29 Der offene Brief kann hier eingesehen werden:
[http://macua.blogs.com/moambique_para_todos/2013/05/
carta-aberta-para-deter-e-reflectir-de-forma-urgente-o-
programa-prosavana.html]
30 Oakland Institute (2011): Understanding Land Investment Deals
in Africa, Country Report: Mozambique.
31 Conference Declaration (2011): Stop Land-Grabbing Now!
[http://www.viacampesina.org/en/index.php/main-issues-
mainmenu-27/agrarian-reform-mainmenu-36/1127-stop-land-
grabbing-now]
32 CFS und FAO (2012): Voluntary Guidelines on the Responsible Gov-
ernance of Tenure.
[http://www.fao.org/docrep/016/i2801e/i2801e.pdf]
33 IAASTD (2009): Agriculture at a Crossroads. International Assess-
ment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for
Development. Global Report. [http://www.unep.org/dewa/
Assessments/Ecosystems/IAASTD/tabid/105853/Default.aspx]
34 IAASTD (2009): Agriculture at a Crossroads.
[http://www.unep.org/dewa/agassessment/reports/IAASTD/
EN/Agriculture%20at%20a%20Crossroads_Global%20Report
%20%28English%29.pdf]
35 Neben den hier extra aufgeführten Studien seien an dieser Stelle
zwei weitere genannt. UNEP (2011): Towards a Green Economy:
Pathways to Sustainable Development and Poverty Eradication.
[http://www.unep.org/greeneconomy/Portals/88/documents/
ger/ger_final_dec_2011/Green%20EconomyReport_Final_
Dec2011.pdf] oder
UNCTAD (2013): Trade and Environment Review: Wake Up
Before it is too Late. [http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/
ditcted2012d3_en.pdf]
36 IFAD und UNEP (2013): Smallholders, Food Security and the
Environment. [http://www.unep.org/pdf/SmallholderReport_
WEB.pdf]
BILDNACHWEIS
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