Bis zum Jahr 2050 wird der gesamte Energiebedarf in Vorarlberg aus eigenen regenerativen Quellen gedeckt. max50 informiert Sie, wie das zu schaffen ist.
E N E R G I E I N S T I T U T V O R A R L B E R G A P R I L 2 0 1 9 N R . 6 5
02Inhalt
Allgemein
Gemeinden
10 Jahre Energieautonomie
Vorarlberg
Bauprofis
Editorial | Josef Burtscher 3
Betriebe haben zwölf Möglichkeiten, sich einzubringen | Markus Kaufmann 4 Geförderte Beratungsangebote im Energie-, Mobilitäts- und Umweltbereich für Betriebe
CO2 sichtbar gemacht | Eckart Drössler 6 Wie würde es ausschauen, wenn Autos das CO2 in Paketform auf der Straße ablegen?
Lebensader Stromnetz | Josef Burtscher 8 Drei Fragen an Johannes Türtscher, Geschäftsführer der Vorarlberger Energienetze GmbH
Österreich radelt | Magdalena Pircher 9 Der „Radius“ erobert Österreich
Die Energieberatungs-Menükarte | Eckart Drössler 10 Was dürfen wir Ihnen servieren?
„Bauch über Kopf“: Der Mensch entscheidet nicht nach rationalen Gesichtspunkten | Wolfgang Seidel 12 Das Interview mit Verhaltensökonom Gerhard Fehr
Zehn Jahre Energieautonomie Vorarlberg | Karin Feurstein-Pichler 14 Ein Resümee nach zehn Jahren
Energieautonomie begreifen | Carmen Jungmayr 16 Eine Zukunft für unsere Kinder gestalten
Die Energieautonomie und die e5-Gemeinden | Gregor Sellner 17 Eine starke Partnerschaft
Zehn Jahre Energieautonomie im Bereich Gebäude | Martin Ploß 18 Das Glas ist halbvoll
Energieregion Vorderwald zieht eine positive Bilanz | Monika Forster 20 Projekte mit Strahlkraft und Impulse für eine gesellschaftliche Wertetransformation
40 Sonnenkindergärten | Carmen Jungmayr 22 … bringen die Energieautonomie vom Kindergartendach direkt in die Köpfe!
Ein Gramm Know-how ist besser als eine Tonne Halbwissen! | Carmen Jungmayr 23 Das Bildungsangebot des Energieinstitut Vorarlberg
„das Tschofen“ – Wiederbelebung eines ehrwürdigen Stadthauses | Susanna Ajkovic 24 Ein Lokalaugenschein
Der Verbrauch zählt! | Martin Ploß 26 Die neue klimaaktiv Deklarationsstufe bewertet die energetische Gebäudequalität nach dem realen Verbrauch
Erstmals Gebäudeanforderungen im Bodenseeraum verglichen | Tobias Hatt 28 Vorarlberg, Schweiz, Liechtenstein und Deutschland
Energiespeicherung mit Power-to-Gas | Johanna Bogner 30 Stellt Power-to-Gas eine Möglichkeit zur langfristigen Energiespeicherung in Vorarlberg dar?
Erhebung: Relevanz von Nichtwohngebäuden im Vorarlberger Gebäudepark | Verena Engstler 31 Welche Flächen? Welcher Energieverbrauch?
Innovative Wohngebäude: Datengewinn und Wissensaufbau | Johanna Bogner 33 Untersuchung von Elektromobilität, Wärmepumpe, PV-Anlage und Batteriespeicher. Spannende Ergebnisse.
Das Energieinstitut | Impressum 35
03von Josef Burtscher
Geschäftsführer
Bevor Sie weiterlesen …
… eine Frage an Sie, da Sie ja durch
das Lesen von max50 in der Effizienz-,
Einspar- und Klimaschützer*innen-Szene
fit sind: „Geht Ihnen das Schrittchen-für-
Schrittchen-Tempo (bei zweien immer
einer davon rückwärts) zum Pariser Ziel
auch zu langsam? Stehen Sie daher
(innerlich) kurz vor dem Verzweifeln?“
Momentan bin ich an so einem Tief-
punkt angelangt: Die CO2-Emissionen
steigen in Summe rund um mich herum
kräftig weiter an (bis auf ganz wenige
Ausnahmen), und dort, wo sie fallen,
handelt es sich meist nur um eine
Verschiebung derselben in eine
andere Bilanzgrenze.
Es sollen zudem bis 2030 gemäß dem
nationalen Energie- und Klimaplan,
den wir Österreicher*innen nach Brüs-
sel geschickt haben, die Emissionen
(ohne Emissionshandel) um 28 % oder
14 Mio. Tonnen reduziert werden, davon
soll die Hälfte, nämlich 7,2 Mio. Tonnen
vom Verkehrssektor kommen, einem
Sektor, dessen Werte bis dato nur
gestiegen sind und eine Trendumkehr
weit und breit nicht in Sicht ist. Die
Werte sind für das Jahr 2030 absolut
und jährlich, nicht kumuliert!
Das und noch vieles andere führen
zu Selbstzweifel: Helfen denn unsere
Bemühungen gar nichts?
Oben drauf gibt es noch die Kuriosität,
dass es für die Entfernung eines Öl-
kessels eine doppelt so hohe Förderung
gibt, als für jene, die einen neuen Holz-
kessel brauchen und immer schon CO2-
neutralen Brennstoff verheizt haben.
Das wäre so, als wenn Sie Abfall immer
schon auf den Straßenrand gekippt
hätten und dies nun gegen Bezahlung
(dankenswerterweise) nicht mehr tun.
Und bei jedem Autofahrer, der unge-
duldig hinter meinem Rad herfährt und
dann mit Vollgas überholt, denke ich
mir: Durch mein konsequentes Radfah-
ren unterstütze ich ihn dabei, dass er
noch ein wenig länger auf billigen Sprit
zurück greifen kann, eben weil ich diesen
nicht verfahre. Diese Erkenntnis kommt
zur Emissionswolke, der Geräuschwolke,
der Spritzwasserwolke und dem nicht
selten abgegebenen Hupton dazu,
wenn er/sie die Heckpartie zeigt.
Wie ich aus diesem mentalen Tief
herauskomme?
Ich erfreue mich an den vielen kleinen
und kleinsten Aktivitäten in einem kleinen
Land (wie Vorarlberg), die aufzeigen,
was möglich ist. Natürlich weiß ich:
Es gibt immer mehr Engagement und
immer mehr Menschen, die Beiträge
für ein CO2-freieres Leben leisten.
Dieses max50 erzählt und schreibt,
wie immer, von diesen Dingen. Was
all den Aktivi täten fehlt, ist das expo-
nen tielle Wachstum der Verbreitung.
Und das erzeugt in mir Nervosität.
Geht es Ihnen auch so? Lesen Sie
zur Entspannung weiter!
Herzlichst
Josef Burtscher
04Allgemein
Betriebe haben zwölf Möglichkeiten, um sich einzubringen, damit was weitergeht
Bei den geförderten Beratungsangeboten im Energie-, Mobilitäts- und Umweltbereich ist für jeden Betrieb das Richtige dabei.
Als Fan von englischsprachigen Serien
ist mir in letzter Zeit öfters ein Wort
untergekommen, das mich nicht mehr
loslässt: contribute. Das englische
Wort für „sich einbringen, beteiligen,
etwas beitragen, mitwirken“. In den
Serien ist dann schnell einmal klar,
dass sich jeder einbringen muss,
damit wirklich was weitergeht!
Unternehmen tragen zur
Energieeffizienz bei
Energie und Mobilität kosten Geld.
Sie sind aber keine Fixkosten, sondern
können durch Maßnahmen gesteuert
und minimiert werden. Jede kleinste
Maßnahme entlastet dabei den eigenen
Geldbeutel und verleiht der Zukunft der
eigenen Kinder und Enkel Flügel – und
ist somit ein wichtiger Beitrag zum Errei-
chen der Energieautonomie Vorarlberg.
Vielfältige Angebote für Betriebe
In Vorarlberg bietet das Programm
Impuls3 seit nunmehr über zehn Jah-
ren Support für Unternehmer, die eine
Veränderung im Bereich der Energie,
der Mobilität oder im Umweltmanage-
ment suchen. Der beste Startpunkt ist
www.EnergieCheck.at
Schritt 1: Energietelefon (DW 112)
und Mobilitätstelefon (DW 111)
Zur ersten Orientierung können die
Interessenten beim kostenlosen Telefon-
service für Energie- und Mobilitäts-
fragen anrufen. Die Nummer des Energie-
institut Vorarlberg +43 5572 31 202 und
die Durchwahl verbinden zu einem neut-
ralen Experten, um den geeignetsten
nächsten Schritt zu besprechen.
Schritt 2: neutrale, individuelle Vor-Ort-
Beratung zu Energie, Mobilität oder
Umwelt/Abfall/Ressourcen
Aus Budgets des Landes Vorarlberg und
des BMNT stehen Mittel zur Verfügung,
um die neutralen Beratungen vor Ort im
Betrieb zu fördern. Völlig individuell
wird auf das Anliegen eingegangen.
Zur Auswahl stehen zwölf Angebote:
Vier Möglichkeiten zu Energie
1) EnergieCheck: Einstieg und Grobanalyse
2) Haustechnik Detailanalyse: Heizung, Lüftung,
Kühlung, Beleuchtung, Solar, PV usw.
3) Gebäudehüllen-Sanierung: Außenwände,
Keller, Dachboden, Fenster, Türen
4) Neubau-Beratung: Energieeffizienz beim
Neubau mitdenken
Zwei Angebote zu Mobilität
5) MobilitätsCheck: Orientierungs beratung
und Potenzialabklärung
6) Mobilitätsanalyse: Vertiefung und
Maßnahmenentwicklung
Sechs Beteiligungen an Umwelt, Abfall,
Ressourcen
7) ÖKOPROFIT-Zertifizierung
8) EMAS-Zertifizierung
9) Zertifizierung nach Österreichischen
Umweltzeichen Tourismus, Bildung,
Produkte, GreenMeeting
10) Zertifizierung nach ISO 14.001
11) Erstellen eines CSR-Berichts
12) Dachbegrünung und Naturvielfalt
Eine große Auswahl. Da ist für jeden
Betrieb in jeder Branche etwas dabei.
„Neutrale Beratung ohne Verkaufsinteressen“ – das schätzen die jährlichen 80 Kunden besonders und bestätigen es
in der Kundenzufriedenheitsumfrage (siehe www.EnergieCheck.at).
von Markus Kaufmann
Unternehmen
05Allgemein
Aktionen 2019
Das Angebot für Betriebe wird abgerun-
det durch Beratungsaktionen.
Derzeit läuft die PV-Aktion, um Betrieben
eine kostenoptimierte PV-Anlage zu
ermitteln. Kostenoptimal ist sie dann,
wenn möglichst viel vom Stromertrag
umgehend selbst verbraucht wird.
Weiters kann an der E-Bike Testaktion
teilgenommen werden, um Mitarbeiter*-
innen eine Woche lang ein E-Bike oder
S-Pedelec für Tests in ihrem Alltag zur
Verfügung zu stellen. Denn radelnde
Mitarbeiter*innen sind gesünder,
motivierter und sparen Parkplätze
im Betrieb.
Schritt 3: netzwerken, Know-how, Weiterbildung
In günstigen Situationen wird aus
1 + 1 mehr als 2. Dann hat Networking
und Know-how-Austausch so richtig
gefruchtet. Betrieben stehen folgende
Möglichkeiten offen, am Networking auf
gleicher Augenhöhe teilzunehmen.
• Live im Betrieb: Erfahrungswissen
de luxe von einem Unternehmer
zum anderen – Konkretes serviert
auf dem Silbertablett.
• Wirtschaft MOBIL: Das Netzwerk
für Mobilitätsbeauftragte großer
Arbeitgeber.
• Berufsbegleitende Weiterbildung
vom Energie-Grundkurs bis zum
Zertifizierten-Berater Kurs, oder
Wissensaufbau zur Ökologie der
Baumaterialien. Uvm.
Teil der Profi-Community sein
und am Ball bleiben
Bleiben Sie mit uns in Verbindung und
werden Sie Teil von Vorarlbergs Profi-
Community im Energiebereich. Es gibt
ständig neue Entwicklungen über die
wir die Abonnenten des Unternehmens-
Newsletters informieren und am Puls
der Zeit halten:
• News zu Förderungen und Aktionen
• Veranstaltungen für Energieprofis
• das aktuelle Beratungsangebot
• Best Practice Beispiele und ausge-
zeichnete Vorarlberger Unternehmen
Mit all diesen Angeboten ausgestattet,
fällt es Unternehmern leichter, sich ein-
zubringen, mitzuwirken, etwas beizu-
tragen für ihre Zukunft und jene ihrer
Enkel, Kinder und Mitarbeitenden.
Packen wir’s an!
Gemeinsam Know-how aufbauen damit 1 + 1 mehr als 2 ergibt.
Wer den produzierten Strom sofort wieder selbst
verbraucht, macht den höchsten Gewinn.
» Im Durchschnitt spart jeder teilnehmende Betrieb EUR 15.000,– Energiekosten. Und zwar jährlich.
Programmleiter Markus Kaufmann
Anmeldung zum Unternehmens-
Newsletter unter
www.energieinstitut.at/newsletter
06Allgemein
CO2 sichtbar gemacht
Nehmen wir an, ein Auto würde das CO2 in Paketform auf der Straße ablegen – wie ein Mähdrescher die Stroh-ballen.
Dass man CO2 – Kohlendioxid – weder
sehen noch riechen kann, führt dazu,
dass wir Menschen es kaum im Bewusst-
sein haben. Nehmen wir für ein Gedan-
kenexperiment an, es wäre sichtbar,
vielleicht rosarot und würde sich nicht
sofort mit Luft mischen, sondern erst-
mal Ballen bilden, wie Strohballen, die
von einem Mähdrescher abgeworfen
werden.
Wie groß wäre ein Kilogramm CO2?
Kohlendioxid ist bei Normaldruck
etwa 65 % schwerer als Luft (1,98 zu
1,20 kg/m2), ein Kilogramm CO2 hat dann
ein Volumen von etwas mehr als einem
halben Kubikmeter. Das wäre ein
Quader von einem Quadratmeter
Grundfläche und einen halben Meter
hoch oder ein Würfel mit der Kanten-
länge von knapp 80 Zentimetern.
Die Autobahn voller CO2-Würfel?
Rechnen wir mit einem Auto, das vier
Liter Diesel auf 100 km braucht. Bei der
Verbrennung von Diesel entstehen
3.080 Gramm CO2 pro Liter.[1] Auf diesen
100 km produziert das Auto also etwa
12,3 kg CO2 – das wäre (gerundet) je ein
1-Kilo-Würfel alle acht km (oder
123 Gramm pro km).
Autos mit höherem Verbrauch schaffen
das schneller. Ein Auto mit einem Ver-
brauch von sieben Litern pro 100 km
produziert daraus 21,56 kg CO2
(216 g/km) und würde alle 4,6 km einen
solchen rosa schimmernden, schwabbe-
ligen CO2-Würfel mit je einem Kilo auf
der Fahrbahn ablegen.
Die Asfinag zählte an der Rheintalauto-
bahn im Bereich der Abfahrt Dornbirn
Nord im November 2018 rund 25.300
Fahrzeuge pro Tag, im Schnitt 1.055
Fahrzeuge pro Stunde. Wären das alles
Kleinwagen mit einem Verbrauch von
vier Litern, dann lägen nach einer
Stunde auf einer Strecke von acht km
1.055 solcher rosaroter, schwabbeliger
CO2-Würfel mit je einem kg CO2 mit
100 % Konzentration, alle siebeneinhalb
Meter einer, nach einem Tag läge alle
30 Zentimeter einer. Sieben-Liter-Autos
würden die Würfel dichter ablegen, alle
4,3 Meter einen in einer Stunde, nach
einem Tag läge alle 20 Zentimeter einer.
Was macht CO2 mit den Menschen?
Wie CO2 auf die Atmosphärentemperatur
wirkt wurde im letzten max50 erörtert.
Aber wie wirkt es auf den Menschen?
Diese Würfel enthalten 100 % CO2 – die
Wirkung auf alle Lungenatmer (Säuge-
tiere, Menschen) wäre absolut tödlich.
Noch bei 8 % CO2 in der Atemluft tritt
nach 30 bis 60 Minuten der Tod ein. Bei
5 % erleiden wir starke Kopfschmerzen,
Schwindel, beginnende Ohnmacht.
Orientierung an den
Raumlufthygienevorschriften
Für Innenräume sind die Ansprüche an
die Atemluft folgende: Bis 1.000 ppm
(2,5-mal so viel CO2 wie in Frischluft)
wird in der deutschen Arbeitsstätten-
richtlinie die Luftqualität als ausreichend
eingestuft, bei 1.000 bis 2.000 ppm soll
das Lüftungsverhalten überprüft und
verbessert werden, steigt der CO2-Gehalt
auf über 2.000 ppm (das sind 0,2 % CO2)
sind Verbesserungsmaßnahmen zu setzen.
Bei 1.500 ppm (0,15 %) nimmt das
Atemzeitvolumen um 50 % zu, das
heißt, wir müssen schon eineinhalbmal
so viel atmen wie in Frischluft, um
unser körperinneres CO2 loszuwerden.
Warum stört CO2 unsere Atmung?
Unsere Nahrung besteht in hohem Maße
aus Kohlenwasserstoffverbindungen,
also aus Kohlenstoff. Im Körper, in den
Organen und im Gehirn wird dieser
Kohlenstoff zu CO2 verbrannt, daraus
erhalten wir die Wärme, die wir zum
Erhalt der Körpertemperatur brauchen
und die Energie, die Muskulatur, Hirn
und Organe für ihre Arbeit benötigen.
Die „Abfallprodukte“, darunter das CO2,
müssen abtransportiert werden. Die
roten Blutkörperchen, das Hämoglobin,
hat hohe Affinität zu Kohlendioxid und
sammelt es auf seiner Reise durch den
Körper ein. Wie ein Magnet. In der Lunge
gibt es das CO2 ab. Dazu braucht es
eine Kraft die größer ist als die Affinität,
mit der es das CO2 einsammelt. Und
diese Kraft ist das CO2-Konzentrations-
gefälle zwischen Hämoglobin und
Frischluft. Diese enthält sehr wenig CO2,
nimmt dem Hämoglobin das mitge-
brachte CO2 ab.
Steigt nun der CO2-Gehalt der Frischluft
auf das Doppelte (800 ppm) oder Vier-
fache (1600 ppm) gelingt das nicht
mehr so gut. Das Konzentrationsgefälle
wird flacher. Die Transportplätze wer-
den nicht mehr alle frei, das Hämoglo-
von Eckart Drössler
Bürgerservice und Information
Quelle[1]:
www5.umweltbundesamt.at/
emas/co2mon/co2mon.html
07Allgemein
bin kann weniger Sauerstoff in den Kör-
per fördern und weniger frisches CO2
zurück in die Lunge bringen, weil die
Transportplätze noch zum Teil von
altem CO2 besetzt sind. Steigender CO2-
Gehalt in der Atemluft nimmt uns also
die Fähigkeit, lebenswichtigen Sauer-
stoff in den Körper zu transportieren.
1-kg-Würfel mit 100 % CO2
Diese CO2-Würfel, die nun auf der Auto-
bahn liegen, müssen also stark „ver-
dünnt“ werden, damit sie wieder
„humanverträglich“ werden. Die Frage
ist: Wie viel Frischluft braucht es, bis
aus einem solchen Würfel wieder
„ausreichend gute“ Atemluft mit
etwa 1.000 ppm CO2 werden?
Diese Frage ist der Frage „Mit wie viel –
bereits gesalzener – Suppe muss ein
Kilogramm Salz verdünnt werden, damit
es wieder eine halbwegs essbare Suppe
gibt?“ sehr ähnlich. Frischluft hat eine
CO2-Konzentration von 400 ppm, dop-
pelt so viel wie im Schnitt der letzten
400 Millionen Jahre, Tendenz steigend
durch das tägliche Verbrennen von
fossilen Energieträgern. Wir haben
also schon „Salz in der Suppe“. Die
Mischrechnung, die es dafür braucht,
kennen wir noch aus der Mittelschule
oder Handelsakademie – allen, die
nicht selbst rechnen wollen sei das
Ergebnis verraten:
Pro schwabbeligem rosaroten CO2-
Würfel brauchen wir 624 kg Frischluft
um wieder Atemluft zu erhalten, die
nach Raumlufthygiene-Vorstellung
noch akzeptabel ist. Das entspricht
dem Luftinhalt von zwei Einfamilien-
häusern. Fährt nun unser Vier-Liter-
Auto durch das Land, verbraucht es
alle 4 km die Luft eines Einfamilien-
hauses, das Sieben-Liter-Auto schafft
das alle 2,3 km.
Schlussfolgerung
Selber nachdenken und nachrechnen
lohnt sich, dann weiß man und muss
nicht mehr glauben. Bus und Bahn
haben einen etwa um den Faktor zehn
geringeren CO2-Ausstoß pro Kopf, das
Fahrrad noch weniger. Kennt man die
Zusammenhänge dann fällt das
Umsteigen leichter.
Schließlich wollen wir beim Lüften
unserer Häuser ja „Frischluft“
hereinlassen …
08Allgemein
Interviewpartner
Dipl.-Ing. Johannes Türtscher
Geschäftsführer
Vorarlberger Energienetze GmbH
(Vorarlberg Netz)
Lebensader Stromnetz
Funktionierende Stromnetze sind eine der Lebensadern einer modernen Gesellschaft. max50 stellt drei Fragen an den Geschäftsführer der Vor-arlberger Energienetze GmbH, DI Johannes Türtscher zu den Herausforderungen.
max50: Herr Türtscher, Sie sprechen
immer davon, dass das Stromnetz
keine Kupferplatte ist, an der alles
angeschlossen werden kann. Was
meinen Sie damit?
Johannes Türtscher: Die Anforderungen an
das Stromnetz haben sich deutlich gewan-
delt. In der Vergangenheit wurden meist
in der Nähe von Verbraucherschwer-
punkten große steuerbare Kraftwerks-
einheiten aufgebaut. Der über regionale
Stromtransport war im Wesentlichen auf
den thermo hydraulischen Verbundbetrieb
(Austausch zwischen kalorischen und
Pumpspeicher kraftwerken) und auf
gegenseitige Aushilfs lieferungen abge-
stimmt. Durch den freien Strommarkt
finden deutlich mehr überregionale
Stromtransporte statt und durch den
starken Ausbau von dezentralen Erzeu-
gungsanlagen (Wind, PV etc.) kommen
auch auf das Verteiler netz neue Heraus-
forderungen zu. Der freie Strommarkt
und die Energiewende bedingen also
einen bedarfsgerechten Ausbau der
Stromnetze und dieser benötigt Zeit
und Geld.
max50: Der jährliche österreichweite
Netztarifvergleich der e-control[1] stellt
Vorarlberg Netz das bestes Zeugnis aus:
niedrigster Netztarif und größte
Reduktion in 2019. Wie schaffen
das die Vorarlberger Energienetze?
Johannes Türtscher: Zum einen wurde in
Vorarlberg bereits sehr früh mit der
großzügigen Verkabelung der Mittel-
und Niederspannungsnetze begonnen,
auch ist in den Achtzigerjahren ein
voraus schauender Ausbau des Hoch-
spannungsnetzes inkl. der Umspann-
werke erfolgt. Somit wurden die Investi-
tions-Hausaufgaben zeitgerecht
umgesetzt. Zum anderen haben wir in
den vergangenen Jahren durch stetige
Verbesserung von internen Abläufen,
dem Einsatz und der Weiterentwicklung
neuer Technologien und Werkzeuge und
nicht zuletzt durch die Zusammenfüh-
rung des Strom- und Erdgasnetzes lau-
fende Effizienzsteigerungen erzielt.
max50: In den ersten 100 Jahren der
Stromerzeugung floss der Strom von
den zentralen Kraftwerken zu den
dezentralen Verbrauchern. Nun dreht
sich diese Richtung langsam um.
Welche Herausforderungen müssen
bewältigt werden, wenn wir weitere
100 Jahre in die Zukunft schauen?
Johannes Türtscher: Tatsächlich kommen
auf die Stromnetze durch diesen radika-
len Umbau der Erzeugerstruktur und
durch neue Strom anwendungen – Stich-
wort Elektromobilität – große Herausfor-
derungen zu. Wir arbeiten in mehreren
Projekten und Pilotanwendungen sowie
mit Einbindung wissenschaftlicher Insti-
tutionen sehr intensiv an entsprechen-
den Lösungskonzepten. Zum einen
müssen die Konzepte und Strategien für
den konventionellen Netzausbau ange-
passt werden, zum anderen arbeiten wir
an der Entwicklung von intelligenten
Lösungen – Stichwort „Smart Grid und
Digitalisierung“ – und nicht zuletzt wird
es auch notwendig sein, die Tarifstruktur
und damit die finanziellen Anreize für
netzdienliches Verhalten der Verbraucher
anzupassen. Wir sind zuversichtlich,
dass wir auch diese neuen Heraus-
forderungen in bewährter Manier zum
Wohle unserer Netzkunden gut meistern
werden.
von Josef Burtscher
Geschäftsführer
Quelle[1]: www.energieinstitut.at/max50
09Allgemein
Österreich radelt
Der „Radius“ erobert Öster-reich. Ab März 2019 wird nicht nur in Vorarlberg, sondern in ganz Österreich geradelt.
Nachdem der Radius Fahrradwettbe-
werb bereits elf Jahre erfolgreich in
Vorarlberg durchgeführt worden ist,
wird es die Motivationskampagne fürs
Fahrradfahren ab März 2019 erstmals in
allen Bundesländern sowie in Südtirol
und Trentino geben. In frischer Optik
und alter Manier geht der Radius ab
21. März unter vorarlberg.radelt.at in
eine neue Runde.
Der Fahrradwettbewerb in Vorarlberg
Mit dem Ziel Bürger und Bürgerinnen
auf spielerische Art und Weise zum
Radfahren zu motivieren wurde der
Fahrradwettbewerb in Vorarlberg erst-
mals 2008 von Land Vorarlberg und
Energieinstitut Vorarlberg ins Leben
gerufen. Unter dem Motto „Radfahren
verbindet“ spielen dabei Gemeinden,
Betriebe, Vereine und Schulen, für
die die Teilnehmenden Radkilometer
sammeln können, eine wichtige Rolle
als Multiplikatoren.
Seit 2008 haben über 46.500
Vorarlberger und Vorarlbergerinnen
80 Millionen Radkilometer gesammelt,
fast 9.000 Tonnen CO2 gespart und
dabei die Kalorien von über vier
Millionen Tafeln Schokolade verbrannt.
Der Radius erobert Österreich
Dieser Erfolg macht Schule. Unter dem
Namen „Österreich radelt“ wird es die
Motivationskampagne fürs Fahrradfahren
nach dem Vorbild Vorarlbergs erstmals
in allen Bundesländern geben. Die bis-
herigen Motivationskampagnen Fahrrad-
wettbewerb (Vorarlberg und Tirol), Wer
radelt gewinnt (Salzburg), Radelt zur
Arbeit (Österreich) werden zu „Öster-
reich radelt“ zusammengefasst. Ab jetzt
können alle österreichischen Gemein-
den, Betriebe, Vereine und Schulen in
ihrem Bundesland als Veranstalter
teilnehmen.
Startschuss Radius 2018 Radius Plakat 2019
von Magdalena Pircher
Mobilität
FACTBOX
Radius – Vorarlberg radelt
Aktionszeitraum 21. 3. – 30. 9. 2019
Anmeldung unter: vorarlberg.radelt.at
Österreich radelt
Jeder Kilometer zählt
Interessierte Bürger*innen können sich
nun bei ihrem Bundesland zur Aktion
anmelden und vom 21. 3. bis 30. 9. 2019
Kilometer sammeln. Jeder Kilometer
zählt, egal ob zur Arbeit, ins Schwimm-
bad oder zum Einkaufen. Regelmäßiges
Radeln wird belohnt: Bei verschiedenen
Aktionen werden unter den Teilnehmen-
den bundesweit Preise verlost.
10Allgemein
Die Energieberatungs- Menükarte
Die Anforderungen an die Energie- und Sanierungs-beratung haben sich geändert. Das Informationsverhalten der Menschen auch.
„Die einfachen Sanierungen sind vorbei“,
ist der Tenor in der Gruppe der Energie-
berater, Sanierungsberater und Energie-
ausweisersteller. Internet ist eine
wichtige Informationsquelle geworden
und Antworten will man schnell und
unkompliziert haben. In eine „Gemeinde-
sprechstunde“ geht niemand mehr.
Die Energiesprechstunde
Trotzdem ist die alte und bewährte
Energiesprechstunde, die von der
jeweiligen Heimatgemeinde finanziert
wird und die es seit 1991 gibt, geblieben.
Sie findet aber – schon seit ein paar
Jahren – nicht mehr im Gemeindeamt
zum Fixtermin statt, sondern bei den
Kunden zu Hause, zum Wunschtermin.
Das hat sie aufgewertet, sie dauert
nun auch im Schnitt nicht 40 Minuten,
sondern eine Stunde und 20 Minuten.
Die Webseite
Laufend ausgebaut und aktualisiert wird
das Informationsangebot auf unserer
Website. Von der Wahl der Heizung über
den Einsatz erneuerbarer Energieträger
bis hin zu Förderungen reicht das
Spektrum. So findet sich Vorarlbergs
einziger Überblick über die Förderungen
von Bund, Land und Gemeinden auf
unserer Website. Die Zahl der Zugriffe hat
sich von 2016 auf 2018 versiebenfacht.
Breitbandenergieberater am Telefon
80 % aller Anfragen sofort abschließend
beantworten müssen diejenigen können,
die täglich am Energietelefon Dienst tun.
Dies sind fünf interne Energieinstitut
Vorarlberg-Mitarbeiter. Sie werden in-
zwischen als „Breitband-Energie berater“
bezeichnet. Zu den Themen sind neben
Bauen und Sanieren und Fördern längst
PV, Speichertechnik, Elektromobilität,
Kostenoptimierung, knifflige Fragen
der rechnerischen Energiebilanzierung
und anderes hinzugekommen. Die
durchschnittliche Dauer liegt bei rund
20 Minuten pro Telefongespräch, rund
800 Mal pro Jahr, etwa 20 % der An-
fragen kommen per E-Mail und werden
auch schriftlich beantwortet.
Die Checks
Den Heizraum-Check, den Solaranlagen-Check
und den Wärmebild-Check kennt man
bereits aus verschiedenen Aktionen von
e5-Gemeinden der letzten Jahre – nun
kann man sie auch als Einzelberatung
buchen. Der Selbstbehalt ist naturgemäß
etwas höher als im Bündel, durchgeführt
werden sie im Werkvertrag mit denselben
Partnern, die diese Checks bisher nur
für e5-Gemeinden gemacht haben.
(Kostenbeitrag EUR 100,–)
Hinzugekommen ist der Stromspar-Check
(Kostenbeitrag EUR 40,–), der uns aus
dem Angebot des vkw-Kundendienstes
übergeben wurde, sowie der Gebäude-Check,
den wir aus der früher umfangreicheren
Gebäudegrobanalyse selbst entwickelt
haben. Anhand einer Checkliste werden
Gebäudehülle und Haustechnik durch-
gesprochen. Die Checkliste wird dabei
ergänzt und dient als Protokoll und
gibt einen guten Überblick über den
energietechnischen Zustand des Hauses.
(Kostenbeitrag EUR 50,–)
von Eckart Drössler
Bürgerservice und Information
» Es geht nicht mehr um Fenster/Dämmstoff/Heizung – sondern um die Zukunft des Hauses. Energieinstitut Vorarlberg
11Allgemein
Die Schwerpunktberatungen
Raus aus Öl ist eine der vorrangigen
Devisen der Bundes-Energiepolitik.
Dazu bieten wir eine speziell abge-
stimmte Beratung an, die die Lebenszy-
kluskosten der möglichen Alternativen
vergleichend darstellt und über die
zugehörigen Förderungen informiert.
Das erste Mal ist nun der Laptop in
einer Beratung „live dabei“.
(Kostenbeitrag EUR 40,–)
Dieselbe Beratung kann man aber auch
als Heizungswahl-Beratung konsumieren,
wenn die Bestandsheizung keine Öl-
heizung ist oder wenn es – wie im Falle
eines Neubaus – noch keine Bestands-
heizung gibt.
In PV-Strom optimal nutzen geht es um die
Optimierung von bestehenden
oder die Anschaffung von neuen
PV-Anlagen, gegebenenfalls auch um
die Mitbetrachtung der Versorgung
eines E-Autos oder um die Einbeziehung
eines eigenen Batteriespeichers.
(Kostenbeitrag EUR 50,–)
In der Neubau-Beratung steht einer unserer
Energieberater gut zwei Stunden exklusiv
für Ihr Neubauprojekt zur Verfügung.
Diese Beratung lohnt sich, egal ob Sie
sich gerade mit den ersten Gedanken
beschäftigen oder ob schon der Einreich-
plan vorliegt und Sie noch letzte Unsicher-
heiten klären wollen.
(Kostenbeitrag EUR 50,–)
Detaillierte Informationen zu nach-
wachsenden Rohstoffen, Bau- und
Dämmstoffen und über die positiven
Auswirkungen auf das Raumklima gibt
es in der Baumaterialien-Beratung.
(Kostenbeitrag EUR 50,–)
Über elektrobiologische Hausinstallation
und Feststellung von Elektrosmog kann
man sich in der Elektrobiologischen Beratung
informieren lassen.
(Kostenbeitrag EUR 100,–)
Die Sanierungs-VOR-Beratungen
Wenn man erstmal Klarheit braucht,
wo es mit dem betreffenden Haus in
den kommenden 20 bis 30 Jahren hin-
gehen soll, dann ist eine Sanierungs-
VOR-Beratung richtig. In diesem Rahmen
kann man mit erfahrenen Architekt*-
innen über Ersatzneubau, Aufstockung,
Anbau, Teilung und Vermietung reden
und bekommt mit entsprechenden
Grobkosteninformationen mehr Klarheit
bis zur Entscheidungs fähigkeit. Der
Umfang dieser Beratung beträgt etwa
15 Stunden und besteht aus mehreren
Gesprächen. Die Gesamtkosten betragen
EUR 1200,–. Viele Gemeinden unter-
stützen diese neue Beratungsform und
fördern sie mit einem Kostenbeitrag
von EUR 400,–. Weitere EUR 400,– über-
nimmt das Energieinsitut Vorarlberg, und
somit bleibt für den Kunden noch ein
Kostenbeitrag von ebenfals EUR 400,–.
Diese Sanierungs-VOR-Beratung soll es
im Laufe des Jahres 2019 auch für Wohn-
anlagen geben. Dort ist die Begleitung
eher eine Wirtschaftsingenieurs arbeit
als eine Architektenaufgabe. Drei erste
Pilotprojekte sind in Arbeit, aus ihnen
soll das Beratungsmodell fertig ent-
wickelt werden.
Pilotprojekt Sanierungslotsen
Speziell für sanierungsinteressierte
Einfamilienhausbesitzer der Regios
Vorderland, Walgau und der Städte
Bludenz und Feldkirch werden im
Rahmen einer LEADER-Förderung 40
Sanierungsprojektbegleitungen in den
kommenden drei Jahren gefördert. Die
Sanierungslots*innen sind Architekt*-
innen im Werkvertrag mit der LEADER-
Region Vorderland/Walgau/Bludenz,
koordiniert und unterstützt durch das
Energieinstitut Vorarlberg. Diese Sanie-
rungsprojekte beginnen mit der beschrie-
benen Sanierungs-VOR-Beratung und
werden bis zum Abschluss begleitet.
Die finanzielle Basis
Alle noch erforderlichen Beiträge neben
den Kostenbeiträgen der Ratsuchenden,
der LEADER-Förderung und der Kosten-
übernahme durch Gemeinden kommen
aus Unterstützungsbeiträgen des Landes
Vorarlberg, der vkw und der Vorarlberg
Netz GmbH.
Weitere Informationen unter:
www.energieinstitut.at/
energieberatung
12Allgemein
„Bauch über Kopf“: Der Mensch entscheidet nicht nach rationalen Gesichtspunkten
Wie wir trotzdem dazu gebracht werden können, im Alltag enkeltaugliche Entscheidungen zu treffen, erklärt Verhaltensökonom Gerhard Fehr.
Täglich treffen wir Entscheidungen, die
sich auf den Energieverbrauch und die
Umwelt auswirken: Wie kommen wir zur
Arbeit, was kaufen wir ein, welchen Strom
beziehen wir, wohin geht’s im Urlaub?
Und träfen wir jede dieser Entscheidungen
nach rationalen Überlegungen, wären
die meisten davon vermutlich nachhaltig.
Dass dem nicht so ist und welche Möglich-
keiten es gibt, Entscheidungshilfen
anzubieten, hat uns der Verhaltens-
ökonom Gerhard Fehr erklärt.
max50: Bauch über Kopf – wir treffen
praktisch keine rationalen Ent-
scheidungen. Stimmt das?
Gerhard Fehr: Ja, das stimmt. Unsere
Forschung und Praxisprojekte zeigen,
dass wir oft in Abhängigkeit anderer
entscheiden. Und dass eine zentrale An-
nahme der klassischen Ökonomie sehr
oft nicht zutrifft: Nämlich, dass
der Mensch als „Homo Oeconomicus“
immer rational entscheidet, also Fakten
gegeneinander abwägt und darauf ba-
sierend eine Entscheidung trifft.
Dem ist oft nicht so.
max50: Ihr Forschungsgebiet nennt sich
„Verhaltensökonomie“. Was versteht
man darunter?
Gerhard Fehr: Die Verhaltensökonomie un-
tersucht, wie sich Menschen im tatsäch-
lichen Leben verhalten und wie ihre
Entscheidungen zustande kommen.
Dazu vereint sie die Ökonomie mit ande-
ren Disziplinen, wie z. B. der Psychologie
und der experi mentellen Forschung. Das
Experimentieren in einer sich heute stän-
dig verändernden Welt ist unbedingt
notwendig, um das Verhalten systema-
tisch zu analysieren, zu verstehen und
darauf aufbauend geeignete Maßnahmen
zu implementieren.
max50: Also konkret das Verhalten zu
verändern. Wie geht man das an?
Gerhard Fehr: Dies möchte ich gerne an-
hand eines Beispiels erklären: Um
der Problematik des „Litterings“, also
der bewussten oder unbewussten Ver-
schmutzung des öffentlichen Raums,
entgegenzuwirken, können verschie-
dene Maßnahmen implementiert wer-
den. Eine davon ist eine große Marke-
ting-Kampagne mit der zentralen
Botschaft, dass Littering schädlich ist.
Eine solche Maßnahme adressiert insbe-
sondere das Bewusstsein der Bevölke-
rung für das Thema Littering. Zu einer
erfolgreichen Verhaltensänderung ge-
hört neben dem Bewusstsein aber auch,
dass die Bereitschaft der Menschen ad-
ressiert wird. Die Bereitschaft hängt
wiederum davon ab, ob es z. B. Strafen
gibt, wenn man littert oder ob andere
Menschen den öffentlichen Raum ver-
schmutzen und welche Feedback-Me-
chanismen es hier gibt. Und nicht zu-
letzt davon, ob ich überhaupt weiß, wo
der nächste Müllkübel ist und ob ich be-
reit bin, den Weg dahin in Kauf zu neh-
men. Wir sehen also, je nachdem, wie
Bereitschaft und Bewusst sein ausge-
prägt sind und welches die relevanten
Verhaltenstreiber sind, sind unterschied-
liche Maßnahmen zu ergreifen.
max50: Es gibt also ein Bündel an
Zugängen, die das gewünschte
Verhalten begünstigen. Gibt es auch Zu-
gänge, die zu vermeiden sind?
Gerhard Fehr: Wir sind mit unserer Erfah-
rung dazu in der Lage, Prototypen mit
einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit
zu entwickeln. Jedoch können wir nicht
pauschal sagen, was funktioniert und
was nicht. Dies ist sehr situations- und
kontext abhängig, da unterschiedliche
Verhaltens treiber eine Rolle spielen.
Beispielsweise sehen wir im Kontext der
Mobilität, dass Gewohnheiten sehr
starke Treiber des Verhaltens sind.
Deswegen ist es wichtig, insbesondere
dann Maßnahmen umzusetzen, wenn
Gewohnheiten neu entwickelt, oder ge-
ändert werden, bei einem Umzug
beispielsweise. Wir empfehlen, verschie-
dene Maßnahmen vor der Einführung
systematisch zu testen und basierend
auf den Ergebnissen anzupassen. So
können mit relativ wenig Einsatz die Ef-
fekte bereits vorher abgeschätzt und
Fehlinvestitionen vermieden werden.
Durch regelmäßige Experimente lernen
wir und unsere Kunden täglich dazu.
max50: Wir sprechen sinngemäß von er-
wünschten Effekten und Optimierung.
Da ist die Grenze zur Manipulation aber
auch fließend, oder?
Gerhard Fehr: Im öffentlichen Diskurs gibt
es tatsächlich auch kritische Stimmen zu
den Methoden der Verhaltensökonomie.
von Wolfgang Seidel
Kommunikation
13Allgemein
Bei Methoden können wir aber nicht
von ethischem und moralischem Gewis-
sen sprechen, sondern nur bei Menschen.
Sich einer gewissen Methode zu bedie-
nen, kann im einen Fall höchst ethisch,
im anderen aber verwerflich sein. Des-
halb sind Institutionen wie Ethikbeiräte,
Governance-Strukturen und Peer-Re-
views essentiell. Das gilt nicht nur
für die Verhaltensökonomie. Aber im
Vergleich zu klassischen Maßnahmen
wie Verboten oder Gebühren und Steu-
ern, denen man nicht ausweichen kann,
bietet die Verhaltensökonomie immer
die Wahl zwischen verschiedenen Op-
tionen. Das heißt also, man kann sich
jederzeit gegen die gewünschte Ver-
haltensweise entscheiden, ohne Kon-
sequenzen befürchten zu müssen.
Freiwilligkeit ist eines der wichtigsten
verhaltens ökonomischen Prinzipien.
Interviewpartner
Gerhard Fehr
Der gebürtige Vorarlberger
Gerhard Fehr ist ein erfahrener
Verhaltensökonom, Behavioral
Designer und Geschäftsführer von
FehrAdvice & Partners in Zürich.
Gegründet hat er das Unter nehmen
zusammen mit seinem Bruder
Ernst Fehr, einem der führenden
Verhaltensökonomen weltweit.
Gerhard Fehrs Mission ist es,
Unternehmen und die Politik mit
viel Inspiration experimentierfähig
zu machen. Seine Leidenschaft:
#Experimentability
#BehavioralEconomics
#IrrationalLeadership
Unter diesen Hashtags finden Sie ihn
auch in den wichtigsten (sozialen)
Medien. Das Gespräch fand am Rand
eines Workshops im Netzwerk Wirt-
schaft MOBIL statt, zu dem Gerhard
Fehr als Referent geladen war. Im
Netzwerk Wirtschaft MOBIL engagie-
ren sich über ein Dutzend Vorarlber-
ger Leitbetriebe für eine zukunfts-
fähige Mobilität ihrer Mitarbeitenden.
Es wurde vom Energieinstitut Vorarl-
berg 2013 im Auftrag des Landes ini-
tiiert und seither fachlich begleitet.
FACTBOX
Auch in unserer Arbeit spielt die Ver-
änderung von Verhalten eine Rolle.
In manchen Projekten auch schwer-
punktmäßig. Im Netzwerk Wirtschaft
MOBIL überlegen wir gemeinsam mit
Unternehmen, welche Rahmenbedin-
gungen und Anreize die alternative
Mobilität ihrer Mitarbeitenden stär-
ken. Im Projekt „Paris – Vorderwald“
versuchen Familien in der Energie-
region Vorderwald, ihren Lebensstil
so auszurichten, dass er den Pariser
Klimazielen entspricht. Dabei stützen
wir uns auf Erfahrungen aus Projekten
wie „Gut – genug“ oder „Probier amol“.
Letzteres half dabei, eingefahrene
Strukturen im Alltag experimentell
aufzubrechen.
Entscheidet unser Bewusstsein, ob wir mehr mit den Öffis fahren? Die Infrastruktur?
Oder unser soziales Umfeld? „Alles ein bisschen“, sagt Verhaltensökonom Gerhard Fehr.
05 2007Start Energiezukunft Vorarlberg
11 2011EinstimmigerLandtagsbeschlusszum Maßnahmenplan„101 enkeltauglicheMaßnahmen“
02 2013Erste Energieautonomiekonferenz
09 2014Start des Kindergarten- und Schulprojekts„Energieautonomie begreifen“
05 2018StartMobilitätskonzept
04 2018Raumbild Konferenz
03 2012Startkonferenz
„101 enkeltaugliche Maßnahmen“Namenswechsel von
Energiezukunft Vorarlberg zuEnergieautonomie Vorarlberg
07 2012Verabschiedung40 priorisierterMaßnahmen
04 2015Verabschiedung
Energiesparoffensive 2020
10 2015VerabschiedungElektromobilitätsstrategie 2020
10 2017Radverkehrsstrategie„Kettenreaktion“
02 – 03 2010Dialogprozess mit der Bevölkerung
2010 – 2011Maßnahmenplanung
der vier Arbeitsgruppen
07 2009Einstimmiger Landtagsbeschluss –
Energieautonomie Vorarlberg als zentrales energiepolitisches
Ziel verankert
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2014 2015 2016 2017 2018 2019
14Zehn Jahre Energie-autonomie Vorarlberg
Am 09. 07. 2019 jährt sich der einstimmige Landtags-beschluss zur Energie-autonomie Vorarlberg zum zehnten Mal. Dieses Jubiläum ist Grund genug ein Resümee zu ziehen.
Von der Vision zur Umsetzung
Die Aufbruchsstimmung war enorm, da
sind sich alle Beteiligten des Visions-
prozesses einig. Dem Landtagsbeschluss
vorausgehend, wurde von 2007 bis
2009 in zehn Werkstätten mit rund
100 Freiwilligen erörtert, ob das Ziel
der Energieautonomie 2050 überhaupt
realistisch ist. Die Antwort nach zwei
Jahren war ein eindeutiges Ja, auch
wenn das bedeutet, dass ca. 60 % des
Verbrauches (auf Basis 2005) gesenkt
und intensiv in den Ausbau der Erneu-
erbaren Energieträger investiert werden
muss. Der einstimmige Landtags-
beschluss am 09. 07. 2009 war die
logische Konsequenz und der Startschuss
für das zentrale energiepolitische
Programm des Landes Vorarlberg.
Das Ganze ist mehr als die Summe
der Einzelnen
Von Anfang an war es der Programm-
leitung beim Land Vorarlberg wichtig,
dass das Programm auf breite Beine
gestellt wird und so wurden namhafte
Expert*innen, Interessensvertretungen
und politische Entscheidungsträger in
den Prozess eingebunden. Das Energie-
institut Vorarlberg war von der Geburts-
stunde an, ein zentraler Begleiter auf
dem Weg in die Energieautonomie
und hat Vertreter in allen Bereichen
entsandt. Mit dem e5-Programm ist
es auch möglich, die Ziele und Inhalte
gemeinsam mit den e5-Gemeinden zu
reflektieren und umzusetzen (siehe
Seite 17). Neben dem e5-Programm leis-
ten auch alle anderen Bereiche wichtige
Grundlagenarbeit, Projekt umsetzungen
und Ideen für eine erfolgreiche Umset-
zung der Energieautonomie Vorarlberg.
101 enkeltaugliche Maßnahmen
Gemeinsam erarbeiteten wiederum rund
60 Expert*innen in den vier themati-
schen Arbeitsgruppen (Erneuerbare
Energie, Mobilität und Raumplanung,
Industrie und Gewerbe sowie Gebäude)
101 enkeltaugliche Maßnahmen mit
Umsetzungshorizont bis 2020 mit einer
zugeordneten Wirkungsabschätzung.
Wichtige umgesetzte Maßnahmen
aus den Bereichen sind:
• Mit der Sanierungsoffensive
(2009/2010) konnte ein großer Schritt
hin zum Ziel einer Sanierungs rate von
3 % umgesetzt werden.
• Mit dem Landtagsbeschluss Wasser-
kraft (vom 09. 03. 2011) konnte der
Ausbau der Wasserkraft bereits sehr
früh sichergestellt werden.
• Sicherstellung von kalkulierbaren
Einspeisetarifen und Ausbau der
Photovoltaikanlagen nach Plan
(+ 35 GWh/a Zubau bis 2020).
Im Laufe der Jahre wurden zudem
weitere wichtige Strategien und
Projekte ins Leben gerufen, die für die
Umsetzung der Energieautonomie
von Karin Feurstein-Pichler
Energieautonomie Vorarlberg
Schwerpunkt
05 2007Start Energiezukunft Vorarlberg
11 2011EinstimmigerLandtagsbeschlusszum Maßnahmenplan„101 enkeltauglicheMaßnahmen“
02 2013Erste Energieautonomiekonferenz
09 2014Start des Kindergarten- und Schulprojekts„Energieautonomie begreifen“
05 2018StartMobilitätskonzept
04 2018Raumbild Konferenz
03 2012Startkonferenz
„101 enkeltaugliche Maßnahmen“Namenswechsel von
Energiezukunft Vorarlberg zuEnergieautonomie Vorarlberg
07 2012Verabschiedung40 priorisierterMaßnahmen
04 2015Verabschiedung
Energiesparoffensive 2020
10 2015VerabschiedungElektromobilitätsstrategie 2020
10 2017Radverkehrsstrategie„Kettenreaktion“
02 – 03 2010Dialogprozess mit der Bevölkerung
2010 – 2011Maßnahmenplanung
der vier Arbeitsgruppen
07 2009Einstimmiger Landtagsbeschluss –
Energieautonomie Vorarlberg als zentrales energiepolitisches
Ziel verankert
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2014 2015 2016 2017 2018 2019
15Schwerpunkt
Vorarlberg von zentraler Bedeutung sind.
2014 war der Start des Kindergarten-
und Schulprojektes „Energieautonomie
begreifen“ (siehe Seite 16). Ein Jahr
darauf wurde vom Land, gemeinsam
mit dem Energieinstitut und der vkw die
Energiesparoffensive 2020, mit dem Ziel
pro Jahr 30 GWh Strom einzusparen,
ins Leben gerufen. Ebenfalls 2015
wurde die Elektromobilitätsstrategie
2020 verabschiedet. Sechs Jahre nach
dem Beschluss zur Energieautonomie
Vorarlberg hat sich auch die Weltpolitik
im Rahmen des Pariser Klimaabkom-
mens darauf geeinigt, dass die globale
Temperatur erhöhung weit unter zwei
Grad Celsius bleiben soll. Die Ziele von
Paris sind im Wesentlichen dieselben
wie die von Vorarlberg: eine nahezu
vollständige Dekarbonisierung bis 2050.
MissionZeroV – 1. klimaneutrale
Landesverwaltung
Ende 2018 hat die Landesregierung die
MissionZeroV lanciert. Das heißt, dass
bis 2040 der Energiebedarf zu 100 %
aus erneuerbaren Energiequellen
gedeckt werden soll. Hierzu werden,
beginnend mit 2019 zahlreiche Aktivi-
täten im eigenen Wirkungsbereich, wie
z. B. Austausch aller Ölkessel, weiterer
Ankauf von E-Autos, ein Gebäudesanie-
rungsplan etc. gesetzt. Die Emissionen,
die sich derzeit nicht vermeiden lassen,
sollen auf Basis des Landesprogramms
Ökoprofit bewertet und in Geld umge-
rechnet werden. Mit diesen Mitteln
werden Energieautonomie Projekte,
wie z. B. das Sonnenkindergärten-
Projekt des Energieinstitut Vorarlberg,
umgesetzt werden.
2020 und nun?
Die erste Dekade der Energieautonomie
ist bald geschafft. Vieles wurde erreicht.
Große Herausforderungen und Anstren-
gungen liegen jedoch noch vor uns. Das
Energieinstitut ist unter der Projekt-
leitung der Fachhochschule Vorarlberg
wieder federführend dabei die Poten-
ziale für die nächste Dekade in den
einzelnen Sektoren zu eruieren.
Außerdem werden bereits erste Vorbe-
reitungen für die Prozessevaluierung
und Weiterführung getroffen. Die
Herausforderungen werden nicht
weniger, aber es bleibt auch keine
Wahl, wenn wir die vorgegebenen
Ziele erreichen wollen.
Bleiben wir dran, packen wir’s an.
Die Energieautonomie Vorarlberg sichert die
hohe Lebensqualität für zukünftige Generationen.
16Energieautonomie begreifen
Nicht nur für die Kinder ein enkeltaugliches Leben anstreben, sondern sie aktiv mit auf den Weg nehmen, ist die Devise!
Mit den 101 enkeltauglichen Maßnahmen
wurden konkrete Schritte und eine klare
Zielsetzung für die Energieautonomie
gesetzt. Bereits damals wurde die
„Durchführung von Aktivitäten zur
Sensibilisierung der breiten Öffentlich-
keit für die Aspekte und Auswirkungen
des Energieverbrauchs“ und „die Sensi-
bilisierungsaktivitäten in der Schul-
bildung“ als zentrale Querschnitts-
maßnahme erkannt. Dementsprechend
groß war der Zuspruch des Landes
Vorarlberg, als das Energieinstitut
Vorarlberg, gemeinsam mit der illwerke
vkw, die Initiative „Energieautonomie
begreifen“ 2014 ins Leben rief. Getragen
und finanziell unterstützt von der Energie-
autonomie entwickelte sich die Initiative
zu einem erfolgreichen Bildungs-
programm und Herzensanliegen der
Projektverantwortlichen.
Botschafterinnen und Botschafter
der Energieautonomie
Ziel der Initiative ist es, das Thema
Energie und Klima in den Schulalltag
der Kinder und Jugendlichen zu
integrieren und sie als Multiplikator*-
innen aktiv mit auf den Weg zu nehmen.
Und das funktioniert, wie am Beispiel
Lustenau sichtbar:
Auf eindrucksvolle Weise zeigten sie mit
ihren elf Kindergärten, dass durch den
bewussten Umgang mit Ressourcen
wertvolle Energie eingespart werden
kann. Neben den über 100.000 einge-
sparten Kilowattstunden (Strom und
Wärme) ist vor allem die Bewusstseins-
bildung der 90 Pädagog*innen und
550 Kindern ein nachhaltiger Impuls in
der Bevölkerung. Denn die Ideen machen
nicht halt vor der Kindergartentür. Sie
werden in die Haushalte der Eltern,
Großeltern und Freunde getragen.
10.000 Kinder und Jugendliche
In den letzten vier Jahren wurden in
Vorarlberg mehr als 10.000 Kinder und
Jugendliche zu „Königskindern“, „Energie-
lehrlingen“ und „Klimabotschafter*-
innen“ ausgebildet. Sie alle Wünschen
der Idee „Energie autonomie Vorarl-
berg“ alles Gute zum zehnten Geburts-
tag und viele große und kleine Schritte
bis 2050!
von Carmen Jungmayr
Bildung
Energie erleben im Kindergarten Spielerisch wird der Entdeckergeist geweckt
Schwerpunkt
» Ohne erhobenen Zeigefinger oder schlechtes Gewissen, aber mit der Überzeugung, dass jeder Beitrag wichtig ist. Kurt Fischer, Bürgermeister Lustenau
Christine Bösch-Vetter, Gemeinderätin Lustenau
17Schwerpunkt
Eine starke Partnerschaft
… auf dem Weg zur Energieautonomie.
Das e5-Landesprogramm für energie-
effiziente Gemeinden wurde im Jahr
1998 aus der Taufe gehoben. Als die
Vorarlberger Landesregierung 2009
ihren einstimmigen Beschluss zur
Energie autonomie Vorarlberg 2050
gefasst hatte, verstanden sich die
teilnehmenden Gemeinden von Beginn
weg als Partner dieser Landesinitiative.
Diese Partnerschaft bekräftigten die
e5-Gemeinden mit ihren Unterstützungs-
erklärungen zu den 101 enkeltauglichen
Maßnahmen, die am 26. 01. 2012 im feier-
lichen Rahmen an Landeshauptmann
Markus Wallner übergeben wurden.
Die Zielsetzungen der Energieautonomie
Vorarlberg decken sich mit Kernbereichen
des e5-Landesprogramms – Energie-
effizienz, erneuerbare Energien und
sanfte Mobilität – und gaben von diesem
Zeitpunkt an den quantifizierbaren Ziel-
kompass vor. Die messbaren Landes-
ziele erhöhten auch die Motivation der
sich bereits engagierenden Gemeinden,
den Fokus ihres Tuns noch stärker auf
die Umsetzung zu lenken. Auch das
Bewusstsein bei den für die Erreichung
der Energiewende notwendigen Stake-
holdern, wie der Bevölkerung und
Unternehmen, wurde durch die EAV
nochmals deutlich gesteigert. Dies stellt
einen wesentlichen Aspekt für den
Erfolg der jährlich rund 500 Projekte in
mittlerweile 46 e5-Gemeinden in Vorarl-
berg dar.
Dass Projekte in diesem Ausmaß umge-
setzt werden können, geht auch auf die
Energieautonomie Vorarlberg zurück,
da das Land Vorarlberg unter diesem
Schirm laufend attraktive Förderungen
für Gemeinden lanciert. Diese bilden
neben dem Engagement der e5-Teams
in den Gemeinden einen wichtigen
Grundstein für die erfolgreichsten
Aktionen im Rahmen des e5-Landes-
programms, wie etwa den PV-Aktionen
(rund 500 umgesetzte Anlagen) oder
den Solaranlagenchecks (knapp 1.000
überprüfte Anlagen). Neben den Aktio-
nen für die Bevölkerung richten die Vor-
arlberger e5-Gemeinden ihr Augenmerk
auch auf das eigene, direkte Wirkungsfeld.
Hier sind Energieeffizienzmaßnahmen
bei energieintensiven Anlagen wie den
Straßenbeleuchtungen und den Abwasser-
reinigungsanlagen und vor allem die
kommunalen Gebäude hervorzuheben.
Es ist zu hoffen, dass die Vision Energie-
autonomie Vorarlberg 2050 auch in den
kommenden Jahren von einer breiten
Basis auf allen politischen und zivilgesell-
schaftlichen Ebenen getragen wird.
Grundlage dafür stellt die richtungswei-
sende Gestaltung der energiepolitischen
Rahmenbedingungen der Bundes- aber
vor allem auch der Landesregierung
dar. Durch ihre Aktivitäten tragen die
e5-Gemeinden zu der Erreichung der
gesetzten Ziele bei und stehen auch in
den kommenden Dekaden als umset-
zungsstarker Partner bereit. Denn eines
steht außer Frage: Nur durch das Enga-
gement der Öffentlichen Hand, der
Privatwirtschaft und der Bevölkerung
sind die hoch gesteckten Ziele der
Energieautonomie zu erreichen.
von Gregor Sellner
Gemeinden und Energieregionen
e5-Bürgermeister überreichen am 26. 01. 2012 Landeshauptmann Markus Wallner ihre Unterstützungserklärung zur Energieautonomie 2050.
18Schwerpunkt
Das Glas ist halbvoll
Zehn Jahre Energieautonomie im Bereich Gebäude.
Fakten, Fakten, Fakten
Der Verbrauchssektor Gebäude ist der
einzige, in dem sowohl Endenergie-
verbrauch als auch Treibhausgas-
emissionen (THG) von 2005 (Referenz-
jahr der Energieautonomie) bis 2016
gesenkt werden konnten. Trotz steigender
Bevölkerung (+ 7 %) und Wohnfläche
(+ 14 %) konnte der Energiebedarf um
5,6 % reduziert werden. Die Reduktion
ist allerdings geringer, als der Zielwert
von 13 %.
Die THG-Emissionen konnten mit 29 %
deutlich stärker gesenkt werden, als im
Zielwert von ca. 17 % beschrieben.
Hauptgrund für die starke Reduktion ist
der Umstieg auf sauberere Energieträger:
während der Energieträger Öl um 44 %
abnahm, stieg die Fernwärme um 94 %
und die Wärmepumpe um 172 %.
Zweiter Grund für die Reduktion des
Energiebedarfs und der THG-Emissionen
ist die thermische Sanierung von
Bestandsgebäuden.
Highlight
Analysiert man die Entwicklung der
verschiedenen Gebäudetypen, so sticht
der Bereich der öffentlichen Gebäude
heraus: Dank des vorbildlichen Engage-
ments der Gemeinden gibt es in keinem
Bundesland eine derartige Dichte an
effizienten Neubauten und Sanierungen.
Zusätzlich zum Engagement vieler
Gemeinden im Programm e5 wirkt hier
die Kombination aus Beratungsangebot
(„Nachhaltig Bauen in der Gemeinde“)
und Förderung: Kurz nach Start der
Energieautonomie gelang es, die
Bedarfszuweisung für öffentliche
Gebäude so zu flexibilisieren, dass
energetisch und ökologisch bessere
Gebäude höhere Zuweisungen erhalten.
Zur Bewertung wurde der Kommunal-
gebäudeausweis eingeführt, der sich
inzwischen sehr gut bewährt hat.
Wichtig war auch, die Kostengrenze in
Abhängigkeit von der energetisch-öko-
logischen Qualität zu differenzieren.
Was gut gelang
Während die Diskussion um Kosten und
Wirtschaftlichkeit des energieeffizienten
Bauens vor wenigen Jahren zum Teil
sehr unsachlich geführt wurde, haben
vor allem die sehr guten Ergebnisse
des gemeinsam mit Arbeiterkammer,
VOGEWOSI und Uni Innsbruck durch-
geführten Modellvorhabens „KliNaWo“
dazu beigetragen, den Diskurs zu ver-
sachlichen: Das Projekt zeigt, dass etwa
65 % niedrigere Energieverbräuche und
THG-Emissionen zu Mehrkosten von 3 %
erreicht werden können und dass diese
Mehrkosten im Lebenszyklus durch
geringere Energiekosten mehr als
kompensiert werden. Erfreulicherweise
zeigt das Verbrauchsmonitoring, dass
der tatsächliche Verbrauch sehr gut
mit dem vorausberechneten Bedarf
übereinstimmt.
Die Ergebnisse des Projekts wurden wie
die ähnlicher Projekte in Vorarlberg,
Österreich, Deutschland und der Schweiz
in der Veranstaltungsreihe „economicum“
vorgestellt. Auch der große Erfolg dieser
Veranstaltungsreihe zeigt, dass das
Thema Kosten und Wirtschaftlichkeit
inzwischen auf einer sachlichen Ebene
behandelt werden kann.
Eine Entwicklung, die die Akzeptanz des
energieeffizienten Bauens erhöht, ist
der Trend zu einfacheren Energie-
konzepten. Im Rahmen des Projekts
„low-tech Gebäude“ wurden vorbildliche
Konzepte an Beispielgebäuden aus der
Region analysiert und sehr gut aufbe-
reitet. Auch bei der Beratung für öffent-
liche Gebäude hat das Thema eine
zunehmende Bedeutung.
Was bleibt zu tun
Herausforderungen stellen sich in
den nächsten Jahren vor allem in
den folgenden Bereichen:
• Neubau Wohnen
• Nicht-Wohngebäude
• Sanierung Wohngebäude
• Neubau Wohnen
Die mittlere energetische Qualität von
Neubauten stagniert seit einigen Jahren.
Um die Ziele der Energieautonomie für
2030 und 2050 zu erreichen, muss es
gelingen, die mittlere Qualität nochmals
zu verbessern. Da die im Mittel notwen-
dige energetische Qualität zu Mehrkosten
von max. 1 % der Bauwerkskosten
umsetzbar ist, dürfte der Wohnungs-
neubau die kleinste der Herausforde-
rungen sein.
von Martin Ploß
Energieeffizientes Bauen
19Schwerpunkt
• Nicht-Wohngebäude
Nicht-Wohngebäude sind für ca. 1⁄3
des Wärmeverbrauchs aller Gebäude
verantwortlich. In den nächsten Jahren
wird es darauf ankommen, den Anteil
energetisch sehr guter Gebäude in Neu-
bau und Sanierung deutlich zu steigern.
Zahlreiche gute Beispiele gibt es aus
den Vorarlberger Gemeinden, die in
den letzten knapp zwanzig Jahren 100
öffentliche Gebäude nach nachhaltigen
Kriterien errichtet oder beauftragt
haben. Auch im nichtöffentlichen Bereich
gibt es bereits wegweisende Projekte.
• Sanierung Wohngebäude
Obwohl es hervorragende Beispiele
effizienter Sanierungen wie die Faktor-
10-Sanierungen der VOGEWOSI oder
das im Rahmen von klimaaktiv ausge-
zeichnete Mehrfamilienhaus in Hörbranz
gibt (S. 26 – 27), ist die Sanierungsrate
in den letzten Jahren deutlich gesunken.
In den nächsten Jahren gilt es, sowohl
die Anzahl der Sanierungen, als auch
deren Qualität weiter zu steigern.
Dass Sanierungen in hoher Qualität gut
möglich sind, zeigt die Auswertung der
Förderung für die Sanierung von Einzel-
bauteilen: Ein sehr hoher Anteil wird in
der höchsten Bonusstufe ausgeführt.
Resümee
Der Gebäudebereich ist der einzige, in
dem alle zur Erreichung der Klimaschutz-
ziele benötigten Komponenten und
Konzepte verfügbar und wirtschaftlich
umsetzbar sind. Wie die Szenarienstudie
des Energieinstitut Vorarlberg zeigt,
können die Ziele trotz Bevölkerungs-
wachstums erreicht werden. Tun wir
also, was wir wissen.
Der Kindergarten in Langenegg markiert den Grundstein nachhaltigen öffentlichen Bauens in Vorarlberg.
100 Projekte folgen bis dato seinem Beispiel.
Das Projekt KliNaWo zeigt: Gebäude, die über die Lebensdauer betrachtet kostenoptimal errichtet werden,
sind auch vor dem Hintergrund der Energieautonomie zukunftsfähig.
20Energieregion Vorderwald zieht positive Zwischen-bilanz
Zehn Jahre Modellregion bringen Projekte mit Strahl-kraft und setzen Impulse für eine gesellschaftliche Werte-transformation.
Das Programm der österreichischen
Klima- und Energiemodellregionen
(KEM) ist eines der erfolgreichsten des
Klima- und Energiefonds. 95 Modell-
regionen setzen in 819 Gemeinden
Klimaschutzprojekte um. Die Energie-
region Vorderwald ist von Anfang an
dabei: 2009 reichten die acht Vorder-
waldgemeinden mit Unterstützung
des e5-Landesprogramms ihre Teil-
nahme ein. Die Gemeinden in den
Model lregionen haben Zugang zu weite-
ren Förderungen, z. B. für PV-Anlagen
auf öffentlichen Gebäuden, thermische
Solaranlagen und Biomasseheizungen,
Umsetzung von Klimaschulen-Projekten
sowie für Pilotprojekte.
Sichtbare Zusammenarbeit:
gemeinsame Förderaktionen
Als eines der ersten Projekte im Vorder-
wald harmonisierten die Gemeinden
ihre Energieförderungen. Im Rahmen
der 2011 erstmals angebotenen Förde-
rungen wurden 1.700 Leuchtmittel
durch energieeffiziente ausgetauscht.
2014 und, aufgrund der großen Nach-
frage, auch 2016/17 wurde der mit der
Energie region entwickelte Solaranlagen-
Check angeboten. Es wurden über 300
thermische Solaranlagen überprüft
mit dem Ergebnis eines Optimierungs-
potenzials von rund 300.000 kWh. Die
Photovoltaik-Aktion 2013 führte zu über
60 neuen PV-Anlagen in der Region: Es
wurde ein 5 kWp Rundum-Sorglos-Paket
durch regionale Hand werker angeboten.
Die Einhaltung von Qualitätskriterien
und der Fixpreis erleichterten die Ent-
scheidung für die Stromquelle vom
eigenen Dach. Insgesamt gibt es in der
Region derzeit über 300 PV-Anlagen mit
einer Leistung von rund 3.400 kWp. Wei-
tere Förderakzente waren Schnupper-
tickets und Jahreskarten für den öffent-
lichen Verkehr, Fahrradanhänger,
Erstzertifizierung zum Ökoprofit Betrieb
und zum Umweltzeichen Tourismus,
Umstieg auf Ökostrom und Beteiligung
am KlimaCent, Ideenwettbewerb, Foto-
marathon, Heizungs-Check und Job-Rad.
Vorbildwirkung Gemeinde
Waren es 2010 noch drei kommunale PV-
Anlagen mit knapp 20.000 kWh Jahres-
ertrag so konnten 2018 schon 21 Anlagen
mit einem Jahresertrag von 520.000 kWh
gezählt werden – Tendenz weiter steigend.
Die enorme Zunahme ist u. a. auch auf
die finanzielle Unterstützung des Klima-
fonds zurückzuführen. In allen Gemein-
den gibt es Ladesäulen für Elektro-
autos. In sieben Gemeinden ist die
Verwaltung und Politik elektrisch mobil.
Die Gemeinde Sulzberg führt mit 22
Elektroautos auf 1.960 Einwohner wohl
sogar die österreichweite Statistik an.
Dort ist auch die Pfarre elektrisch mobil
und bietet zwei Elektroautos im Car-
sharing an.
Aktive Bürger*innen
Im Rahmen der Vorderwald Energie-
meisterschaft 2014/15 setzten sich acht
Teams mit insgesamt 52 Teilnehmer*-
innen ehrgeizige Ziele zur Stromein-
sparung. Im Durchschnitt haben die
Teilnehmer* innen fast 14 % Strom im
Vergleich zu den Vorjahren eingespart,
das sind rund EUR 190,– pro Person, die
in einem Jahr an Stromkosten einge-
spart wurden. Absolut wurden 61 MWh
eingespart.
von Monika Forster
Gemeinden und Energieregionen
Kommunale PV-Anlage in Krumbach Bürgermeisterin und Bürgermeister der Energie region Vorderwald
Mehr Infos und Details:
Energieinstitut Vorarlberg
KEM Koordinatorin
Monika Forster
Tel. 0699/13120284
www.energieregion-vorderwald.at
www.klimaundenergiemodellregionen.at
Gemeinden
21Gemeinden
Über 300 Kinder setzten im Rahmen
des Programms Klimaschulen vielfältige
Aktionen zu Energie, Klimaschutz und
nachhaltigem Leben um. Im Schuljahr
2016/17 waren die Volksschulen Doren
und Sulzberg/Thal sowie die Talente-
schule Doren dabei, 2017/18 die Schulen
Krumbach, Langenegg und Riefensberg.
Die Vorderwälder Brennholzbörse – ein
Kooperationsprojekt der Energieregion
mit dem Landesforstdienst – bringt seit
2013 Waldeigentümer und Brennholz-
suchende zusammen – zum Vorteil von
beiden. Zusätzlich profitieren Wald
und Klima.
Das Format Gut – Genug wurde über ein
vom Klima- und Energiefonds gefördertes
Pilotprojekt 2014 entwickelt. Über ein
Jahr wurden Interessierte in mehreren
Veranstaltungen geschult und multipli-
zieren ihre Erfahrungen dann im eigenen
Umfeld. „Gut – Genug: einkaufen und
essen, was uns und dem Klima gut tut“
wurde 2015 für den Österreichischen
Klima schutzpreis nominiert. Zwei weitere
„Gut – Genug“ Zyklen wurden bisher
umgesetzt – zu (Elektro-)Mobilität und
für junge Menschen. Insgesamt nahmen
67 Personen teil und setzten 44 eigene
Projekte um.
Carsharing der Gemeinde und Pfarre in Sulzberg Programm „Klimaschulen“ in der VS Doren: Schulgarten für den Klimaschutz
95 Klima- und Energiemodellregionen Österreichs
(grün: neu ab 2019)
Energieregion Vorderwald
auf einen Blick
• 8 Gemeinden (Doren*, Hittisau*,
Krumbach*, Langenegg*, Lingenau,
Riefensberg, Sibratsgfäll, Sulzberg*)
mit insgesamt 10.000 Einwohnern.
(*e5-Gemeinde)
• Über 300 PV-Anlagen mit einer
Leistung von über 3.400 kWp
(pro Einwohner 2,5 Mal so viel
wie im Landesdurchschnitt).
• Über 80 % der Raumwärme mit
erneuerbaren Energieträgern
(Landesdurchschnitt = 45 %).
„Paris – Vorderwald: Vier Wochen lang
ausprobieren, was die Weltpolitik in
Paris beschlossen hat“
Aktuell läuft unter diesem Titel ein
Praxistest in der Energieregion Vorder-
wald: 15 Haushalte testen im Mai 2019
vier Wochen lang, was es heißt, die
Klimaschutzziele von Paris schon jetzt
erfüllen zu wollen.
Waren es zu Beginn der Energieregions-
aktivitäten häufig Maßnahmen, die auf
die Produktion erneuerbarer Energie
oder Einsparung abzielten, so konzent-
rieren sich die Maßnahmen jetzt zuneh-
mend auf gesellschaftliche Wertetrans-
formation und strukturelle Maßnahmen
für nachhaltige Lebensformen. Die
aktuell vom Klimafonds genehmigten
Maßnahmen bis 2021 fokussieren darauf.
22Gemeinden
40 Sonnenkindergärten …
… bringen die Energie-autonomie vom Kindergarten-dach direkt in die Köpfe!
40 Jahre nach dem „Nein“ zu Zwenten-
dorf unterstützt das Land Vorarlberg
40 Sonnenkindergärten in Vorarlbergs
Städten und Gemeinden. Neben einer
Projektförderung für die Gemeinden
und Städte wird den Pädagoginnen und
Pädagogen ein umfangreiches Paket zur
Verfügung gestellt, mit dem die Kinder
die Energie der Sonne spielerisch
kennenlernen und erforschen können.
Eine Sonnenbox zum Forschen und
Experimentieren für die Kindergärten
Im Rahmen eines halbtägigen Trainings
(als Fortbildung anrechenbar) erfahren
die Pädagoginnen und Pädagogen, was
hinter der Energieautonomie Vorarlberg
steckt und erhalten spannende Infos
zum Thema „Solarenergie und Photo-
voltaik“. Anhand praktischer Beispiele
wird gezeigt, wie sie das Thema einfach
und spielerisch in das Kindergarten-
programm integrieren können. Dabei
helfen ihnen ein Praxishandbuch mit
kreativen Ideen und eine reich bestückte
„Sonnenbox“ mit vielen Materialen zum
Spielen, Forschen und Experimentieren.
Attraktive Projektunterstützung für
Vorarlbergs Städte und Gemeinden:
Nimmt ein Kindergarten am Projekt teil
und wird eine Photovoltaikanlage auf
dem Kindergartendach errichtet, dann
profitiert die Stadt/Gemeinde von einer
attraktiven Projektförderung von bis zu
EUR 2.500,– durch das Land Vorarlberg.
Außerdem gibt es eine Investitions-
förderung für eine Live-Anzeigetafel in
der Höhe von EUR 1.000,–, damit der
umweltfreundliche Stromertrag im
Kindergarten auch sichtbar wird.
In sechs Schritten zum
Sonnenkindergarten:
1) Sondierung geeigneter Dachflächen
2) Offizielle Anmeldung durch
Gemeinde und Kindergarten
3) Planung und Ausschreibung
einer PV- und Anzeigetafel
4) Förderantrag an das Land Vorarlberg
5) Nachweislieferung für die Förderauszahlung
6) Eröffnung einer neuen PV-Anlage
auf dem Kindergartendach
Das Angebot gilt bis Ende 2020 bzw.
für insgesamt 40 Sonnenkindergärten!
von Carmen Jungmayr
Bildung
Eine Entdeckungsreise zum Thema „Sonne und Energie“, bei der die Pädagoginnen und Pädagogen fachlichen vom
Energieinstitut Vorarlberg begleitet werden.
Infos und Details
für Gemeinden:
Andreas Bertel
+43 5572 31 202 - 98
für Kindergärten:
Carmen Jungmayr
+43 5572 31 202 - 75
Die Fortbildungen finden 2019
an folgenden zwei Tagen statt:
Mittwoch 4. 9. 2019, 13.00 – 17.30 Uhr
Donnerstag 5. 9. 2019, 8.30 – 13.00 Uhr
Weitere Informationen
und Anmeldung unter:
www.energieautonomie-vorarlberg/
sonnenkindergaerten
23Gemeinden
von Carmen Jungmayr
Bildung
Ein Gramm Know-how ist besser als eine Tonne Halbwissen!
Unser Bildungsangebot bietet interessierten Bürger*innen, Jugendlichen und Gemeinde-mitarbeiter* innen das passende Gramm:
• Gut in die Sanierungsplanung starten
Wie wird Ihre umfassende oder teil-
weise Sanierung zum Erfolg? Unser
Fachexperte sagt Ihnen, worauf es
schon in der Planung zu achten gilt
und wie die Wohnbauförderung des
Landes Vorarlberg Sie bei der
Umsetzung unterstützt.
Ort: Energieinstitut Vorarlberg
Umfang: 1,5 Stunden
Kosten: keine
Termin: 6. Mai 2019, 17:30 Uhr
• Komfortlüftung: komfortabel,
energieeffizient, gesund
Diskutieren Sie an diesem kostenlosen
Informationsabend mit unserem Lüf-
tungsexperten Michael Braun produkt-
neutral die Vor- und Nachteile verschie-
dener Lüftungs systeme und erfahren
Sie, wie Sie auch im Bestand eine
Komfortlüftung nachrüsten können.
Ort: Energieinstitut Vorarlberg
Umfang: 1,5 Stunden
Kosten: keine
Termin: 8. Mai 2019, 17:30 Uhr
• Werde Energie-Experte:
5. Jugend Energie Akademie
Bei der 5. Jugend Energie Akademie
treffen Jugendliche aus ganz Vorarl-
berg Fachexpert*innen vor Ort und
lernen, was es mit der Energie-
autonomie Vorarlberg auf sich hat.
Willst Du jede Menge zum besseren
Umgang mit Energie und Umwelt
lernen und mit Politiker*innen über
Klimaschutz und Energiefragen
diskutieren? Dann melde Dich gleich
an und hole Dir dein persönliches
Energieexperten-Zertifikat!
Ort: 5 verschiedene
Exkursionsorte
Umfang: 5 (Mittwoch-)
Nachmittage
Kosten: keine
Termine: Nov. 2019 bis April 2020
Zielgruppe: Jugendliche ab
14 Jahren
• Klimaschutzlehrgang 2019:
Anmeldung ab sofort möglich!
Am 19. September 2019 startet
der Klimaschutzlehrgang in Tirol,
Südtirol und Vorarlberg unter der
Schirm herrschaft von Univ.Prof.
Dr. Helga Kromp-Kolb. Gemeinde-
mitarbeiter*innen, e5-Teammitglieder
und engagierte Bürger*innen werden
von namhaften Expert*innen aus
Verwaltung, Wissenschaft und Praxis
in die Themen „Klimaschutz“ und
„Klimawandelanpassung“ eingeführt.
Dabei steht die Motivation und
Kreativität bei der Entwicklung und
Umsetzung von Klimaschutz projekten
im Fokus. Der Lehrgang bietet eine
einmalige Chance sich mit engagier-
ten Akteur*innen zu vernetzen und
Klimaschutzmaßnahmen im eigenen
Wirkungsbereich zu entwickeln.
Ort: Tirol/Südtirol/Vorarlberg
Umfang: 4 Module zu je 2 Tagen
Kosten: ca. EUR 1.500,– (inkl. Über-
nachtung und Verpflegung)
Termine: Sept. – Dez. 2019
Das Land Vorarlberg fördert die
Teilnahme mit 50 % der gesamten
Lehrgangsgebühren.
Vorarlberger Absolvent*innen des Klimaschutzlehrgangs 2017
Die Anmeldung ist bei allen
Veranstaltungen erforderlich.
Details finden Sie unter:
www.energieinstitut.at/
veranstaltungen
24Bauprofis
„das Tschofen“ – Wiederbelebung eines ehrwürdigen Stadthauses
Mit dem monumentalen Wandgemälde in neuer Pracht öffnete das zentral in Bludenz gelegene Tschofen nach vorbildlicher Sanierung Ende 2018 als Stadthotel und Café seine Pforten.
Die Mitglieder der Plattform Partner-
betrieb Traumhaus Althaus bekamen
die einmalige Gelegenheit, in der heißen
Phase der Sanierung vor Ort zu sein.
Dabei erhielten sie spannende Einblicke
in die bauliche Herausforderung, den
historischen Charakter des denkmal-
geschützten Gebäudes zu erhalten,
und dennoch die Anforderungen einer
modernen Gastronomie zu erfüllen.
Geführt wurden sie von Barbara Keiler,
Leiterin des Bundesdenkmalamtes, und
dem Bauherrn und Eigentümer Sandro
Preite, selbst Stuckateurmeister und
Fachmann für historische Sanierungen.
„das Tschofen“ aus Sicht des
Bundesdenkmalamts
Barbara Keiler berichtet, dass – anders
wie z. B. in Feldkirch – nur einzelne
Gebäude in Bludenz denkmalgeschützt
sind. Das Tschofen-Haus ist eines
davon. Erster Schritt war vor Inangriff-
nahme der Planung eine bauhistorische
Vorstudie, die zeigte, dass das Gebäude
geschichtlich gesehen schon einiges
erlebt hatte. Im Kern ist es spätgotisch;
nach zwei verheerenden Stadtbränden
im 17. Jahrhundert wurde es ausgebaut
und aufgestockt und 1937 erneut
umgebaut.
Frau Keiler betonte, dass es nicht Ziel
des Denkmalamts sei, ein Museum zu
errichten, sondern den Erhalt des
Gebäudes mit seiner auch baulich sicht-
baren Geschichte sicherzustellen. Ohne
eine Umnutzung und die entsprechenden
Anpassungen sei das nicht möglich.
Einzelne Elemente wurden so als histo-
risch erhaltenswert eingestuft, andere
wiederum nicht oder nicht mehr – sie
können ersetzt werden und das darf
man auch sehen. Das Denkmalamt ver-
steht sich als kompetenter Berater und
Umsetzungspartner, der Lösungen, aber
auch Kompromisse findet und aufzeigt.
Einen bauhistorisch begeisterten
Bauherrn braucht es
Sandro Preite erstand das alte Gebäude
gerade deshalb, weil es unter Denkmal-
schutz stand. Seit jeher haben ihn histo-
rische Gebäude und deren denkmal-
gerechte Sanierung fasziniert. In der
neuen Nutzung des Tschofens sieht
er nicht nur die Revitalisierung eines
geschichtlich erhaltenswerten Hauses,
sondern auch einen Beitrag zur Bele-
bung der Bludenzer Innenstadt. Ihm
war von Anfang an klar, dass im Erd-
geschoss eine Gastronomie entstehen
sollte. Die restliche Nutzung ergab sich
aus der Struktur des Gebäudes. Die
elf Zimmer eignen sich perfekt als
kleines Stadthotel. Herausforderungen
bei der Umsetzung gab es dennoch
genug. Alleine ein Jahr dauerte es, bis
die behördlichen Genehmigungen alle
da waren. Die Auflagen der Gastronomie
und des Brandschutzes, aber auch stati-
sche Herausforderungen erwiesen sich
als schwerer umsetzbar als so manche
Vorgaben des Denkmalamtes. Während
außen kaum Veränderungen feststellbar
sind, bleibt im Inneren kaum ein Stein
auf dem anderen. Historische Details
wurden jedoch achtsam herausgearbeitet
und erhalten.
Historische Details wie Stuck und Wandmalerei wurden erhalten. Bei alten Gewölben wird eine Baustellenbesichtigung zum Abenteuer.
von Susanna Ajkovic
Unternehmen
Partnerbetrieb Traumhaus Althaus
25Bauprofis
Die Sanierungsmaßnahmen im Detail
• Das verzweigte Stiegenhaus musste
aus brandschutztechnischen Gründen
angepasst werden und war eine der
größten Herausforderungen. Dank
überdimensionaler Betonflex ent-
stand ein durchgängiges, 16 m hohes
Stiegen haus zur Erschließung der
Stockwerke.
• Fast ebenso herausfordernd erwies
sich die Integration der vorgeschrie-
benen Lüftungsanlage. Sie führt die
Abluft in den Innenhof ab und durfte
wegen des geringen Außenlärmpegels
nur 25 dB Schall erzeugen.
• Die Unterbringung der Heizung war
ebenfalls schwierig. Eine Luftwärme-
pumpe wäre zu laut gewesen. Schließ-
lich fand man im 4. OG eine Nische
für eine Gastherme, für die der alte
Kamin instandgesetzt werden konnte.
• Bei Arbeiten am Keller, in dem die WC-
Anlagen errichtet wurden und der
sich unter dem öffentlichen Vorplatz
vor dem Gebäude befindet, kam ein
Gewölbe aus vermutlich dem 15. Jahr-
hundert zum Vorschein, ohne Boden-
platte und Fundament. Aus statischen
Gründen musste eine Betonplatte
darübergelegt werden, obwohl das
bauphysikalisch problematisch ist.
Vor allem im Sommer wird Kondensat
anfallen, mit dem man leben muss.
• Gedämmt wurde das Gebäude an der
Rückwand mit Hanf, an den Außen-
wänden arbeitete man zum Erhalt der
Fassade innenseitig mit Aerogelputz
und Aerogel-Dämmplatten in den Heiz-
körpernischen. Das Fassadengemälde
wurde fachgerecht restauriert.
• Im Dachgeschoss wurde ein Wellness-
bereich eingerichtet, belichtet durch
drei neue Gaupen. Das Dach selbst
wurde abgedeckt, mit 28 cm Mineral-
wolle gedämmt und die alten Ziegel
wiederverwendet. Das Dachgebälk
wurde geputzt und gebürstet und
bleibt sichtbar.
• Die Fenster wurden von einem Spezia-
listen für Denkmalfenster nachgebaut.
• Über der Küche wurde die Decke für
die Lüftungsanlage 60 cm angehoben,
wodurch außerdem die Schwelle auf
die Terrasse des Nachbarhauses
beseitigt wurde. Die Holzbalkendecke
im 1. Obergeschoss musste aus stati-
schen und schalltechnischen Gründen
durch eine Betondecke ersetzt werden,
alle restlichen Holzbalkendecken
wurden erhalten.
Das heruntergekommene Tschofen erstrahlt nach der Sanierung.Bei alten Gewölben wird eine Baustellenbesichtigung zum Abenteuer.
Gefördert durch GreenSan
Die Baustellenbesichtigung wurde im
Zuge des Projekts GreenSan durchge-
führt, gefördert von der Europäischen
Union im Rahmen von Interreg Alpen-
rhein-Bodensee-Hochrhein und der
Energieautonomie Vorarlberg.
26Bauprofis
Der Verbrauch zählt!
Die neue klimaaktiv Dekla-rationsstufe bewertet die energe tische Gebäude-qualität nach dem realen Verbrauch.
Papier ist geduldig: So manche blumige
Beschreibung eines Energiekonzepts
stellt sich in der Praxis als Poesie heraus,
so mancher Energieausweis hat wenig
mit dem realen Gebäude zu tun.
Auf der anderen Seite zeigen zahlreiche
Projekte, dass man den tatsächlichen
Verbrauch hocheffizienter Gebäude gut
vorausberechnen kann. Um derartige
Projekte aus der Masse hervorzuheben,
wurde im Gebäudedeklarationssystem
klimaaktiv die neue Deklarationstufe
„Nutzung“ eingeführt.
Diese baut auf der Deklaration bei
Fertigstellung auf, ist aber in drei
Punkten verändert:
• Bewertung der energetischen
Qualität nach realem Verbrauch
und realen CO2-Emissionen statt
nach Berechnung
• Bewertung der Behaglichkeit nach
Messung und Bewohnerbefragung
• Bewertung der Planungs- und
Ausführungsqualität durch Vergleich
Berechnung zu Verbrauch
Die neue Deklarationsstufe wird für
Gebäudetypen angeboten, deren mittle-
res Nutzerverhalten gut abgeschätzt
werden kann. Dies sind bislang:
• Mehrfamilienhäuser
• Bürogebäude
• Schulen und Kindergärten
Für alle Gebäudetypen werden die
Verbräuche für alle Energieanwendungen
bewertet, Ausnahme ist der Haushalts-
strom. Zusätzlich bewertet wird die
Erzeugung von PV-Strom.
Als jeweils erste Projekte österreich-
weit erreichten zwei Vorarlberger
Gebäude die höchste Auszeichnungs-
stufe (Gold+) in den Gebäudetypen
MFH Neubau und MFH Sanierung:
MFH Neubau
Am Mehrfamilienhaus in Langenegg
zeigt sich, welch niedrige Energie-
verbräuche schon heute in der Praxis
erreicht werden können: der gemessene
EnergieverbrauchHeiz+WW des Gebäudes
mit sechs Wohneinheiten liegt trotz
mittleren Raumlufttemperaturen von
22,8 °C im Winter bei 9,9 kWh/m2WNFa.
Für eine 80 m2-Wohnung bedeutet dies
Stromkosten für die Wärmepumpe von
unter EUR 9,– pro Monat. Die realen
monatlichen Stromkosten für die Wär-
mepumpe wurden in der Berechnung
auf etwa EUR 2,25,– pro Wohnung genau
berechnet – eine sehr gute Übereinstim-
mung. Sowohl die Messungen als auch
die Bewohnerbefragungen bestätigen
eine sehr gute thermische Behaglichkeit
und Luftqualität. Das Gebäude ist in
Mischbauweise errichtet, die Hülle hat
Passivhaus qualität. Die Belüftung
erfolgt über wohnungsweise Komfort-
lüftungen, die Sole-WP wird durch eine
Solarthermieanlage in den Balkonbrüs-
tungen unterstützt, zusätzlich gibt es
eine kleine PV-Anlage. Die Errichtungs-
kosten entsprachen den durchschnittli-
chen Kosten von Mehrfamilienhäusern
mit weit höherem Energieverbrauch.
von Martin Ploß
Energieeffizientes Bauen
MFH Langenegg-Unterstein, Morscher Bau & Projektmanagement GmbH
27Bauprofis
MFH Sanierung
Der Energieverbrauch des Mehrfamilien-
hauses einer privaten Errichtergemein-
schaft in Hörbranz lag im Mittel der
ersten fünf Betriebsjahre bei mittleren
Raumlufttemperaturen von 21,7 °C bei
13,3 kWh/m2WNFa. Der tatsächliche
Verbrauch liegt damit sogar leicht
unter dem berechneten Bedarf. Das
Gebäude hat eine Hülle aus vorgefertig-
ten Holzelementen in Passivhausquali-
tät, wohnungsweise Komfort lüftungen,
eine Sole-Wärmepumpe und eine ther-
mische Solaranlage zur Warmwasserbe-
reitung. Sowohl die Behaglichkeit in
Sommer und Winter, als auch die Luft-
qualität werden von den Bewohnern
sehr gut bewertet, auch die Messungen
bestätigen dies.
Das Gebäude ist nicht nur aufgrund sei-
ner energetischen Qualität heraus ragend,
es ist darüber hinaus auch ein gutes
Beispiel für die Möglichkeiten der Nach-
verdichtung: Die fünf Wohneinheiten ent-
standen als Erweiterung eines Bestands-
gebäudes mit nur zwei Einheiten.
Resümee
Die beiden Gebäude demonstrieren,
dass sehr niedrige Energieverbräuche
auch in der Praxis erreicht werden und
mit validierten Berechnungsprogrammen
wie PHPP mit hoher Genauigkeit voraus-
berechnet werden können. In den Ver-
brauchsprognoseberechnungen sollten
dazu realistische Randbedingungen
angenommen werden, so z. B. Raumluft-
temperaturen von etwa 22 °C im Winter.
Die neue klimaaktiv Deklarationsstufe
Nutzung hat sich als praktikabel
erwiesen, inzwischen wurden neben
Wohngebäuden auch erste Büro- und
Schulgebäude/Kindergärten deklariert.
MFH Sanierung Hörbranz
Infos zur klimaaktiv Deklaration in
der Stufe Nutzung finden Sie unter:
www.energieinstitut.at/max50
28Bauprofis
Erstmals Gebäudeenergie-anforderungen im Boden-seeraum verglichen
Darf ein Haus, so wie es in Vorarlberg gebaut wird, auch in der Schweiz, in Liechten-stein oder Deutschland gebaut werden?
Im Bodenseeraum gelten unterschiedliche
energetische Mindestanforderungen im
Gebäudebereich. Zudem werden Energie-
bedarf und Grenzwerte in Deutschland
(D), der Schweiz (CH), Liechtenstein
(FL) und Vorarlberg (A) unterschiedlich
berechnet und dargestellt. Im Auftrag
der Kommission Umwelt und der Platt-
form Klimaschutz und Energie der Inter-
nationalen Bodensee-Konferenz (IBK)
wurden diese Anforderungen vom Ener-
gieinstitut Vorarlberg jetzt erstmals
verglichen und in einem Statusbericht
veröffentlicht.
Mustergebäude zum Vergleich
betrachtet
Außer den Anforderungen unterscheiden
sich auch die Randbedingungen, wie zum
Beispiel die Bezugsfläche, die Primär-
energie- (PE), CO2- und nationalen
Gewichtungsfaktoren sowie die Klima-
daten. Die Mindestanforderungen an die
Gebäude sind dadurch über die Landes-
grenzen hinweg nicht ohne weiteres
vergleichbar. Deshalb wurden in vorlie-
gender Studie anhand von vier Muster-
gebäuden die Mindestanforderungen in
den IBK-Mitgliedsländern untersucht
und mit einem mittleren opaken U-Wert
dargestellt. Mit Hilfe des mittleren
opaken U-Wertes können die Muster-
gebäude in den jeweiligen Ländern
verglichen werden.
Derzeit gültige Anforderungen
Die Abbildung zeigt die mittleren
opaken U-Werte, welche je Muster-
gebäude in den vier Ländern nach den
derzeit gültigen Mindestanforderungen
von 2017 noch baurechtlich zulässig
sind. Die Bandbreite ergibt sich aus
unterschiedlichen Hüllqualitätsanforde-
rungen für verschiedene erneuerbare
(grün) und nichterneuerbare (rot)
Energie träger mit der dazugehörigen
Haustechnik.
von Tobias Hatt
Energieeffizientes Bauen
Bereich der baurechtlich zulässigen, mittleren opaken U-Werte je Mustergebäude und Land (2017), abhängig vom Energieträger
Erneuerbar Nicht erneuerbar Elektrisch direkt
Mit
tler
er U
-Wer
t [W/m
2K]
CH
(IB
K-K
anto
ne)
EFH_klein EFH_typisch MFH_mittel
D
A (
Vlb
g)
FL
CH
(IB
K-K
anto
ne) D
A (
Vlb
g)
FL
CH
(IB
K-K
anto
ne) D
A (
Vlb
g)
FL
0
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
0,3
0,35
0,4
29Bauprofis
Liechtenstein bewertet die Haustechnik
und den Energieträger momentan nicht
mit. Deshalb gibt es für jedes Muster-
gebäude in der Abbildung nur einen
Grenzwert. Vorarlberg berücksichtigt
zwar die Haustechnik und den Energie-
träger, aber die CO2- und PE-Grenzwerte
sind so hoch, dass sie faktisch nicht
zum Tragen kommen und somit, wie in
Liechtenstein, nur eine Hüllanforderung
besteht. Einzige Ausnahme sind in Vor-
arlberg direkt elektrische Systeme, für
diese gelten verschärfte CO2-Grenzwerte.
Deutschland und die Schweiz berück-
sichtigen die Haustechnik und den
Energieträger. Deshalb ergeben sich
für unterschiedliche Energieträger und
Haustechniksysteme unterschiedliche
Hüllanforderungen. Tendenziell ist es
so, dass hier beim Verzicht auf fossile
Energieträger eine ineffizientere Hülle
gebaut werden darf. Für die Vergleichbar-
keit bedeutet dies, dass es pro Muster-
gebäude und Land nicht nur einen Wert
gibt, sondern, je nach Haustechnik,
viele verschiedene und somit eine
Band breite an Ergebnissen, wie man
in der Abbildung sieht.
Momentan sind beim Einsatz erneuer-
barer Energieträger die Anforderungen
in Vorarlberg und Liechtenstein ähnlich
hoch oder strenger als in Deutschland
und der Schweiz. Beim Einsatz nicht
erneuerbarer Energieträger sind
Deutschland und die Schweiz zum Teil
deutlich strenger oder es ist gar nicht
möglich manche Systeme, wie z. B. nur
Gas ohne Kombination mit anderen
Effizienzmaßnahmen, einzusetzen.
Kostenoptimum im Vergleich
zu den Anforderungen
Wie in der Richtlinie 2010/31/EU[1]
beschrieben ist, sollten sich die zukünf-
tigen Effizienzanforderungen der
Gebäude am Kostenoptimum orien-
tieren. Das bedeutet, dass diejenigen
Effizienzmaßnahmen umgesetzt werden
sollen, welche gesamtheitlich, also über
die Errichtung und den Betrieb, wirt-
schaftlich sind. Die momentanen
Mindest anforderungen in allen Ländern
sind für das in Vorarlberg untersuchte
Mehrfamilienhaus „KliNaWo“[2] weniger
streng als das Kostenoptimum für die-
ses Projekt in Vorarlberg. Wobei die
gebauten Qualitäten in den Ländern
meist besser sind als die Mindestanfor-
derungen und auch das Kostenoptimum
variiert von Land zu Land.
Zukünftige Anforderungen für 2020
Tendenziell werden die Anforderungen
im Jahr 2020 mit den getroffenen
Annahmen in allen Ländern strenger.
Die einzige Ausnahme hier ist Liechten-
stein und auch nur für den Fall, dass
erneuerbare Energieträger eingesetzt
werden. In diesem Fall kann die Hülle
2020 ein klein wenig ineffizienter
gebaut werden als 2017. In Liechten-
stein wird 2020 mit der voraussichtli-
chen Umsetzung der MuKEn 2014 im
Vergleich zu 2017 die Haustechnik
mitbewertet, dadurch erhöhen sich vor
allem für fossile Systeme die Anforde-
rungen. Vorarlberg berücksichtigt nach
dem derzeitigen nationalen Plan auch
2020 die Haustechnik und den Energie-
träger, aber die CO2- und PE-Grenzwerte
sind mit den getroffenen Annahmen
gemäß derzeitigem nationalem Plan
so hoch, dass sie faktisch nicht zum
Tragen kommen und somit faktisch
nur eine Anforderung an die Hülle
besteht. In Deutschland werden die
Anforderungen mit Umsetzung des
GEG – Gebäude-Energie-Gesetz –
strenger, genauso auch in der
Schweiz mit der möglichen
Umsetzung der MuKEn 2014.
[1] Europäische Union, „Richtlinie 2010/31/EU des Euro-
päischen Parlamentes und des Rates vom 19. Mai 2010
über die Gesamt energieeffizienz von Gebäuden“, Amtsbl.
Eur. Union Vom, Bd. 18, Nr. 2010, S. 13 – 35, 2010.
[2] Martin Ploß, Tobias Hatt, Christina Schneider,
Thomas Rosskopf und Michael Braun,
„Modellvorhaben ‚KliNaWo‘ Klimagerechter Nachhaltiger
Wohnbau; Zwischen bericht“, Energieinstitut Vorarlberg,
Dornbirn, Zwischenbericht, Jan. 2017.
Langfassung abrufbar unter:
www.energieinstitut.at/max50
Quellen und Langfassung fürs Web:
http://www.bodenseekonferenz.org/
klimaschutz/statusberichte
30Bauprofis
Energiespeicherung mit Power-to-Gas
Wie funktioniert die Techno-logie? Stellt Power-to-Gas eine Möglichkeit zur lang-fristigen Energiespeicherung in Vorarlberg dar?
Wird Stromerzeugung und -verbrauch
über das Jahr betrachtet, zeichnet sich
die sogenannte Winterstromlücke ab:
Im Winter wird deutlich mehr Strom
verbraucht als in Vorarlberg erzeugt
werden kann. Im Sommer ist der Verlauf
gegenläufig. Vor dem Hintergrund der
Energieautonomie Vorarlberg steigt
demnach der Bedarf nach saisonaler
Energiespeicherung. Power-to-Gas
könnte dafür ein Teil der Lösung sein. In
der vom Land Vorarlberg beauftragten
Winterstromstudie wird das technische
Potenzial von Power-to-Gas untersucht.
Der folgende Artikel stellt ein Zwischen-
fazit dar.
Der Prozess Power-to-Gas
Power-to-Gas funktioniert wie in der
Abbildung dargestellt. Mit Strom aus
erneuerbaren Energien wird Wasser in
der Elektrolyse gespalten. Der entstan-
dene Wasserstoff (H2) wird entweder
direkt gespeichert oder mit Kohlenstoff-
dioxid (CO2) durch Methanisierung zu
Methan (CH4) umgewandelt. Das synthe-
tisierte Methan kann fossiles Erdgas
ersetzen und beispielsweise im Gasnetz
gespeichert werden. Die Nutzung in den
Sektoren Strom, Wärme, Mobilität und
Industrie ist mit Wasserstoff und
Methan möglich.
Power-to-Gas in Vorarlberg
Die Voraussetzung für den ersten
Prozessschritt ist überschüssig
erzeugter Strom aus erneuerbaren
Energien. Dieser wäre in Vorarlberg
vorhanden, aktuell wird der Überschuss
in Netze außerhalb Vorarlbergs einge-
speist. Wird ein starker Ausbau der
erneuerbaren Energieträger ange-
nommen (Erreichen der Energieauto-
nomie Ziele und zusätzlich 670 GWh/a
Erzeugung aus Photovoltaik), könnte
ein Überschuss elektrischer Energie
von über 1.300 GWh an rund 40 % des
Jahres erzeugt werden. Damit wäre
eine sinnvolle Anlagenauslastung für
eine Power-to-Gas Anlage erreicht.
Die Umwandlung dieses Überschuss-
stroms in Wasserstoff bzw. Methan ist
jedoch mit Verlusten verbunden. Der
Gesamtwirkungsgrad bis zur Speiche-
rung von Wasserstoff liegt bei 64 %,
bis zur Speicherung von Methan
bei 54 %. Unter den getroffenen
Annahmen zum Ausbau erneuerbarer
Energien wäre die Erzeugung von rund
850 GWh Wasserstoff oder 700 GWh
Methan in Vorarlberg möglich.
Prozess Power-to-Gas
Methan bietet mit Speicherung im
Gasnetz den Vorteil vorhandener
Infrastruktur. Zudem kann Kohlenstoff-
dioxid mit 180 – 200 mN3/h aus einer
bereits bestehenden Biogasanlage
entnommen werden. Dieser Volumen-
strom ist größer als die benötigte
Menge, die mit Wasserstoff aus aktuell
verfügbaren Elektrolysetechnologien
umgesetzt werden könnte. Kohlen-
stoffdioxid wäre demnach in Vorarl-
berg nicht der limitierende Faktor
für Power-to-Gas.
Die Speicherung des synthetisierten
Methans ist prinzipiell im Gasnetz
möglich, zudem ist die Einspeisung
von 4 Vol. % Wasserstoff erlaubt.
Allerdings ist das Gasnetz in Vorarlberg
ein Verteiler-, kein Speichernetz. Etwa
500 GWh des potenziell erzeugbaren
Methans könnten in das Gasnetz ein-
gespeist werden und führten direkt
zum Ersatz von fossilem Erdgas. Für
langfristige Speicherung der weiteren
200 GWh synthetisiertem Methan
müsste auf das angrenzende Gasnetz,
Drucktanks oder den Ausbau des
Gasnetzes zurückgegriffen werden.
Strom aus erneuerbaren
Energien WasserstoffSpeicherung
WasserstoffNutzung Strom
Wärme
Mobilität
Industrie
MethanSpeicherung
MethanNutzung
Elektrolyse
Methanisierung
H2O
H2O
CO2
O2
H2
H2
CH4
31Bauprofis
Erhebung: Relevanz von Nichtwohngebäuden im Vorarlberger Gebäudepark
Welche Flächen? Welcher Energieverbrauch?
Um der Reduktion der Treibhausgase
konform dem Pariser Klimaabkommen
und den Zielsetzungen der Energieauto-
nomie Vorarlberg 2050 nachzukommen,
ist sowohl eine Effizienzsteigerung als
auch eine Dekarbonisierung des Wohn-
als auch Nichtwohngebäudesektors not-
wendig. Bestätigt wird die Bedeutung
des Sektors auch durch Angaben aus
dem Energie- und Monitoringbericht des
Amtes der Vorarlberger Landesregierung.
Demnach entfielen im Jahr 2016 rund
47 % des Endenergieverbrauches in
Vorarlberg auf den Gebäudesektor.
Die Beschaffenheit von Nichtwohnge-
bäuden (NWG) ist sehr heterogen und
energetisch relevante Daten sind weitaus
schlechter aufbereitet als für Wohnge-
bäude. Die vorhandenen Daten wurden
daher im Rahmen des EU-Projekts IMEAS
analysiert und aufbereitet, die wichtigsten
Ergebnisse werden nachfolgend zusam-
mengefasst:
Kategorisierung von
Nichtwohngebäuden
Wohngebäude ist nicht gleich Wohnge-
bäude, selbiges gilt auch für NWG. Die
herangezogene Gebäudekategorisierung
des Österreichischen Institut für Bau-
technik (OIB) beruht auf energetischen
Kriterien und kennt 13 Kategorien für
NWG: Bürogebäude, Kindergärten und
Pflichtschulen, Höhere Schulen und
Hochschulen, Krankenhäuser, Pflege-
heime, Pensionen, Hotels, Gaststätten,
Veranstaltungsstätten, Sportstätten
Verkaufsstätten, Hallenbäder und
sonstige konditionierte Gebäude. Für
jede der 13 Kategorien wurden Daten
zur in Vorarlberg eingenommenen
Fläche (in konditionierter Nettogrund-
fläche) und Energiekennwerte wie
Wärme- und Stromverbrauch zusam-
mengetragen. Diese Daten stammen
unter anderen aus amtlichen Statistiken,
von der Wirtschaftskammer und zu
einem wesentlichen Teil aus dem Energie-
bericht Online (EBO), ein Energie-
monitoringstool für e5-Gemeinden.
Nettogrundfläche
Anhand der Anzahl Gebäude und der
spezifischen Flächen wurde die gesamte
Nettogrundfläche abgeleitet. Die Daten-
lage zur Anzahl Gebäuden und zugehö-
rigen Flächen unterscheidet sich stark
je nach Kategorie. Gebäude in öffentlicher
Hand sowie Bildungseinrichtungen und
Gebäude des Gesundheitswesens sind in
der Regel deutlich besser erfasst als
zum Beispiel Bürogebäude oder Gast-
stätten. Sonstige konditionierte Gebäude
sind nur spärlich erfasst und noch immer
sehr heterogen aufgestellt. Dennoch
stellen sonstige konditionierte Gebäude,
wie in Abbildung 1 (siehe nächste Seite)
gezeigt wird, mit rund einem Drittel der
Nichtwohngebäude auch flächenmäßig
die größte Kategorie dar. Die Gesamt-
heit aller NWG in Vorarlberg nimmt eine
konditionierte Nettogrundfläche von
rund 11 Millionen m2 ein. Die flächen-
mäßig zweitgrößte Kategorie stellen
Verkaufsstätten mit 14 % dar, dicht
gefolgt von Bürogebäuden mit 13 %
und Kindergärten und Pflichtschulen
mit 11 %. Der relativ große Flächenanteil
von 9 % durch Hotels zeigt Vorarlbergs
Funktion als Tourismusgebiet.
Fazit
Technisches Potenzial für Power-to-Gas
in Vorarlberg ist bezüglich Überschuss-
strom aus erneuerbaren Energien und
verfügbarer Kohlenstoffdioxidquelle
vorhanden.
Mit den getroffenen Annahmen zum
Ausbau erneuerbarer Energien wäre die
Erzeugung von rund 700 GWh syntheti-
siertem Methan möglich. Dies entspricht
etwa einem Drittel der Netzabgabe
fossilen Erdgases im Jahr 2017 (rund
2.100 GWh). Davon könnten rund
500 GWh synthetisiertes Methan
fossiles Erdgas ersetzen und direkt
verbraucht werden. Etwa 200 GWh
synthetisiertes Methan stünden für
langfristige Speicherung zur Verfügung.
Bezüglich der Winterstromlücke
ermöglicht Power-to-Gas, den steigenden
Anteil elektrischer Anwendungen auf
Gasnutzung in den Sektoren Wärme
und Mobilität teilweise zu verschieben.
Die Problematik der Winterstromlücke
kann somit durch Power-to-Gas
entschärft werden.
Gastautorin Johanna Bogner
Praktikantin im Energieinstitut
Vorarlberg/Bereich Haustechnik
von Juni 2018 bis Februar 2019.
Masterstudium Umwelt- und
Verfahrenstechnik an der HTWG
Konstanz (D)
32Bauprofis
Energieverbrauch
Mithilfe der hergeleiteten Fläche und
einem angesetzten durchschnittlichen
spezifischen Wärme- und Stromver-
brauch pro Kategorie wurde der gesamte
Energie verbrauch des Vorarlberger
Nichtwohngebäudeparks erhoben. Die
Prozess energien wurden nicht berück-
sichtigt, da diese stark von der Nutzung
des jeweiligen Gebäudes abhängen.
Speziell bei den Energiekennwerten ist
die Datenlage karg. Abgesehen von
Kategorien mit sehr gut erfassten lan-
des- und gemeindeeigenen Gebäuden,
musste auf externe Benchmarks aus
Deutschland und der Schweiz zurückge-
griffen werden. Dennoch ergibt sich ein
deutliches Bild des Energieverbrauchs.
Der Wärmeverbrauch Vorarlberger NWG
liegt bei rund 1.120 GWh pro Jahr. Im
Vergleich zur Fläche nehmen sonstige
konditionierte Gebäude einen deutlich
geringeren Anteil ein, während Verkaufs-
stätten, Hotels, Gaststätten, Kranken-
häuser und Hallenbäder einen relativ
hohen Wärmeverbrauch aufweisen, zu
sehen in Abbildung 2.
Der Stromverbrauch liegt mit 660 GWh
pro Jahr deutlich unter dem Wärme-
verbrauch. Auffallend ist jedoch, dass
die Kategorie Verkaufsstätten mit rund
189 GWh einen verhältnismäßig hohen
Stromverbrauch aufweisen. Es wird
angenommen, dass vor allem die Kühl-
energie von Lebensmittelmärkten dafür
verantwortlich ist. Somit liegt der jähr-
liche Energieverbrauch des Vorarlberger
Nichtwohngebäudeparks bei insgesamt
1.780 GWh. Zum Vergleich, im Jahr 2015
betrug der Energieverbrauch aller Vor-
arlberger Wohngebäude rund 2.779 GWh,
hervorgehend aus der Studie Energie-
perspektiven des Energieinstitut Vor-
arlberg und dem Architektenbüro
Vallentin + Reichmann.
Ausblick
Für das Jahr 2019 ist eine genauere
Analyse zu dem Nichtwohngebäude-
park, beziehungsweise zu einzelnen
Gebäudekategorien geplant. Je präziser
in Zukunft die Datenlage sein wird,
desto bessere Strategien können
entworfen werden, um den Vorarlberger
Nichtwohngebäudepark effizienter zu
gestalten, zu dekarbonisieren und
somit für die Zukunft zu wappnen.
Abb 2: Wärmeverbrauch nach Kategorien (Total 1.120 GWh)
Sonstige konditionierteGebäude 19 %
Pflegeheime 1 %Pensionen 5 %
Krankenhäuser 4 %
Hotels 14 %
Hallenbäder 1 %
Höhere Schulen und Hochschulen 2 %
Kindergärten und Pflichtschulen 8 %
Gaststätten 4 %
Bürogebäude 13 %Verkaufsstätten 18 %
Veranstaltungsstätten 2 %Sportstätten 2 %
Gastautorin Verena Engstler
Praktikantin im Energieinstitut
Vorarlberg/Bereich Energie-
effizientes Bauen von März
bis Juni 2018.
Studium der Umweltwissen-
schaften – Energie und Klima an
der Van Hall Larenstein Hochschule
in Leeuwarden (NL)
Krankenhäuser 2 %
Hotels 9 %
Hallenbäder 0 %
Höhere Schulen und Hochschulen 2 %
Kindergärten und Pflichtschulen 11 %
Gaststätten 4 %
Bürogebäude 13 %
Sonstige konditionierteGebäude 37 %
Pflegeheime 1 %Pensionen 4 %
Verkaufsstätten 14 %
Veranstaltungsstätten 2 %Sportstätten 1 %
Abb 1: Konditionierte NGF nach Kategorie (Total: 11 Millionen m2)
33Bauprofis
Innovative Wohngebäude: Datengewinn und Wissensaufbau
Die Untersuchung von Elektro-mobilität, Wärmepumpe, Photovoltaik(PV)-Anlage und Batteriespeicher liefert spannende Ergebnisse.
Netzbetreiber und Energieversorger
stehen mit den aktuellen Entwicklungen
vor Herausforderungen: So führt
beispielsweise der Anstieg dezentraler
Stromerzeugung zu veränderter Last-
verteilung, Elektromobilität erhöht den
Stromverbrauch in Wohngebäuden.
Zwei innovative Wohngebäude, ausge-
stattet mit Elektromobilität, Wärme-
pumpe, PV-Anlage und Batteriespeicher
wurden simuliert und die Veränderungen
für die jeweiligen Wohneinheiten analy-
siert. Die zwei Wohngebäude sind mit
84 bzw. 6 Wohneinheiten belegt.
Einfluss der Elektromobilität
Ist ein Elektroauto vorhanden, steigt
der Stromverbrauch der jeweiligen
Wohneinheit signifikant. Wird das Elektro-
auto untertags geladen, kann die PV-
Erzeugung genutzt werden. Dies führt
im beispielhaften Haushaltsprofil zu
65 % Deckungsgrad der PV-Anlage und
EUR 133,– Gewinn pro Jahr aus der
PV-Erzeugung. Wird hingegen das
Elektroauto nachts geladen, steigt
der Netz bezug signifikant. Bei einem
vergleich baren Haushaltsprofil verrin-
gert sich der Deckungsgrad auf 14 %
und der Gewinn auf EUR 22,– pro Jahr.
Haustechnik-Varianten
Die Heizung wird in beiden Varianten
mit Wärmepumpe betrieben. Wird Warm-
wasser mit einem direkt elektrischen
Boiler bereitgestellt, wird der Netz bezug
mehr als verdoppelt im Vergleich zur
Versorgung mit Wärmepumpe.
Photovoltaik-Anlage:
Ausrichtung und Nutzung
Die Ausrichtung der PV-Anlage ergibt in
Ost-West-Ausrichtung bessere Deckung
der Verbrauchsspitze am Morgen und
Abend als in Süd-Ausrichtung. Absolut
gesehen ist der PV-Ertrag mit Ost-West-
Ausrichtung allerdings geringer.
Seit der Novelle des ElWOGs sind gemein-
schaftliche Erzeugungsanlagen möglich,
die bei beiden Projekten ebenfalls
betrachtet wurden. Bei der Verteilung
des PV-Ertrags wird unterschieden:
• Dynamisches Modell:
Die PV-Erzeugung wird nach
tatsächlichem Verbrauch auf die
einzelnen Zählpunkte verteilt.
• Statisches Modell:
Die PV-Erzeugung wird nach einem
festgelegten Schlüssel verteilt.
Der Netzbezug mit dynamischem Modell
ist geringer als mit statischem Modell.
Die Spitzenleistung des Netzbezugs
über ein Jahr ist allerdings mit beiden
Modellen gleich. Für die Auslegung der
Stromnetze macht die Verteilung des
PV-Ertrags nach dynamischem oder
statischem Modell demnach keinen
Unterschied. Abbildung 1 veranschau-
licht das dynamische Modell anhand
des 21. Juni. Der Mittagspeak des Ver-
brauchs wird komplett mit PV-Ertrag
gedeckt, für die Verbrauchsspitze am
Abend muss allerdings die maximale
Leistung vom Netz bezogen werden.
Wirtschaftlich betrachtet fällt in der
Simulation des Wohngebäudes mit 84
Wohneinheiten auf, dass mit statischem
Modell Haushaltsprofile mit geringem
Stromverbrauch (eine berufstätige oder
arbeitslose Person) Verlust einfahren.
Nach dynamischem Verteilungsmodell
ist zudem der Nutzungsgrad der PV-
Anlage höher, somit auch der Gewinn
für den Betreiber der PV-Anlage.
Was bringt ein Batteriespeicher?
Ein Batteriespeicher erhöht die PV-
Nutzung und reduziert Netzbezug und
Abb 1: Verlauf Stromverbrauch und Netzbezug mit dynamischem Modell am 21. 06.
120
100
80
60
40
Verbrauch Netzbezug dynamisches Modell
20
0
00
:00
01:
30
04
:30
07:
30
10:3
0
13:3
0
16:3
0
12:0
0
18:0
0
19:3
0
21:0
0
22:3
0
06
:00
09
:00
15:0
0
03
:00
24:0
0
Du
rch
sch
nit
tlic
he
Lei
stu
ng
in k
W
34Bauprofis
Einspeisung. Die Maximalleistung des
Netzbezugs ist davon wiederum nicht
betroffen. Mit der Größe des Batterie-
speichers steigt der Gewinn für den
Betreiber der PV-Anlage. Wird mit
Investitionskosten für den Batterie-
speicher gegengerechnet, ergibt sich
eine statische Amortisationsdauer im
betrachteten Wohngebäude von 62
Jahren für 50 kWh Batteriespeicher und
80 Jahren für 100 kWh Batteriespeicher.
Die Lebensdauer von Batteriespeichern
ist damit deutlich überschritten, fehlende
Recyclingmöglichkeiten sollten unbedingt
in die Diskussion um Batteriespeicher
mitaufgenommen werden. Interessant
ist zudem die Diskrepanz zwischen PV-
Anlage und Batteriespeicher in einem
großen Mehrfamilienhaus. Abbildung 2
zeigt die Hochskalierung eines Batterie-
speichers: Für das Einfamilienhaus sind
die Größenordnungen für PV-Anlage
und Batteriespeicher plausibel. Werden
die Größen für das Wohngebäude mit
84 Wohneinheiten angepasst, sind mit
maximal knapp 600 kWp PV-Anlage und
700 kWh Batteriespeicher immense
Kapazitäten erreicht. Realistisch ist die
Dachfläche im mehrgeschossigen Wohn-
gebäude limitierend. Als Maximalfall
wurde ein 1500 kWh Batteriespeicher
mit 600 kWp PV-Anlage simuliert.
Das Ergebnis ist nur eine minimale
Reduktion des maximalen Netzbezugs
und der Netzeinspeisung.
Abb 2: Hochskalierung Batteriespeicher
Gastautorin Johanna Bogner
Praktikantin im Energieinstitut
Vorarlberg/Bereich Haustechnik
von Juni 2018 bis Februar 2019.
Masterstudium Umwelt- und
Verfahrenstechnik an der HTWG
Konstanz (D)
Einfamilienhaus mit
3 – 4 Bewohnern
Hochskalierung für
84 Wohneinheiten
Wohnprojekt
Lustenau mit 84
Wohneinheiten, real
Verbrauch 2.500 – 4.000 kWh/a210.000 – 336.000
kWh/a276.000 kWh/a
PV-Anlage 4 – 7 kWp 336 – 588 kWp 120 kWp
Batteriespeicher 4 – 8,4 kWh 336 – 706 kWh –
Fazit
Kurz gefasst ist ein Elektroauto vorteil-
haft, wenn dieses untertags mit dem
Ertrag der PV-Anlage geladen werden
kann. Das dynamische Verteilungsmodell
des PV-Ertrags führt zu geringerem
Netzbezug als mit statischem Modell.
Die Maximalleistung ist allerdings
gleich. Das statische Modell kann bei
Bewohnern mit geringem Stromver-
brauch zu erhöhten Kosten führen.
Ein Batteriespeicher erhöht die PV-
Nutzung. Problematisch ist die Amorti-
sationszeit und Lebensdauer. Zudem
reduziert der Batteriespeicher den
Netzbezug nur minimal, im Mehrfamilien-
haus muss die geringe spezifische
Dachfläche beachtet werden.
35Allgemein
Wir sind das Energieinstitut Vorarlberg.
Herausgeber: Energieinstitut Vorarlberg, Dornbirn Für den Inhalt verantwortlich: DI Josef Burtscher Gastartikel müssen sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken · Redaktion: Marion Marte und Wolfgang Seidel, Energieinstitut Vorarlberg, Dornbirn Gestaltung, Satz und Bildreproduktion: Fitz Feingrafik, Lustenau
Das Energieinstitut Vorarlberg
Das Energieinstitut ist ein nicht gewinn orientiertes Dienstleistungsunter nehmen.
Unternehmenszweck und Auftrag sind die nachhaltige Entwicklung des Lebens-
raumes Vorarlberg im Themen bereich sinnvoller Energieeinsatz und erneuerbare
Energieträger.
Grundlage der Arbeit sind die Ziel setzungen und Maßnahmen der Energie-
autonomie Vorarlberg. Neben der Bildungsarbeit bietet das Institut Bürgern und
Bürgerinnen sowie Fachleuten spezielle Beratung in Energiefragen an.
Ebenso unterstützen wir Politiker*innen und Verantwortliche in Gemeinden in
energiepolitischen Entscheidungen.
Unser Auftrag:
Wir beraten, bilden und forschen für sinnvollen Energieeinsatz
und erneuerbare Energieträger.
Fotos: Energieinstitut VorarlbergS. 5 u. Markus Gmeiner; S. 7 shutterstock.com; S. 8 Vorarlberger Energie netze GmbH; S. 9 l. Werner Micheli; S. 13 o. Maya Mathis; S. 13 u. Markus Gmeiner; S. 15 Markus Gmeiner; S. 16 Markus Gmeiner; S. 17 Lisa Mathis; S. 19 o. Markus Gmeiner; S. 20/21 Markus Gmeiner; S. 22 Markus Gmeiner; S. 23 Klimabündnis Tirol; S. 25 r. Sandro Preite; S. 27 Eckart Drössler; S. 34 Eva Sutter; Titelbild: Markus Gmeiner
Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem österreichischen Umweltzeichen
Unsere Vereinsmitglieder:
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— Vorarlberger Kraftwerke AG
— Vorarlberger Illwerke AG
— Vorarlberger Energienetze GmbH
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