Die Psychologie der Entscheidung
Tilmann Betsch
M1, 812, Sprechstunde Di 17-18
Tel. 0361 – 737 – 1178
http://www.uni-erfurt.de/psychologie/prof/sozial/slehre/slehre.htm
Die selektionale Phase: Bewertung und Entscheidung
Teil 1
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Generierung vonVerhaltensalternativen
Informationssuche
Bewertung und Entscheidung
Implementierung des gewählten Verhaltens
Identifikation eines Entscheidungsproblems
FEEDBACK
GEDÄCHNIS
Prä-selektionale Phase
Selektionale Phase
Post-selektionale Phase
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Die Axiomatisierung der Nutzentheorie
Johann von Neumann (1903-1957)
Oskar Morgenstern (1902-1977)
Theory of games and economic behavior (1947)
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Axiomatisierungen Prinzipien
• vollständige Ordnung• Unabhängigkeit• Invarianz • Dominanz
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Vorab: Zur formalen Notation
Strong ordering• A > B
Entscheider präferiert A gegenüber B
• B > A
Entscheider präferiert B gegenüber A
• A ~ B
Entscheider ist indifferent
Weak ordering• A ≥ B
Entscheider tendiert eher zu A
• B ≥ A
Entscheider tendiert eher zu B
• A ≥ B und B ≥ A
Entscheider ist indifferent
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Das Prinzip der vollständigen Ordnung
• Das Prinzip der vollständigen Ordnung besagt, dass Optionen hinsichtlich ihrer Präferenz vergleichbar sind, dass sie nach ihrer Präferenz geordnet werden, und dass diese Ordnung transitiv ist
• Prinzip vereint die ersten beiden Axiome von von Neumann und Morgenstern (1947): Vergleichbarkeit (comparability), Transitivität (transitivity).
• Also: (1) Schwache Ordnung: Entweder A ≥ B oder B ≥ A oder beides. (2) Transitivität: Wenn A ≥ B und B ≥ C, dann muss auch A ≥ C.
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Beispiel
• Stellen Sie sich, Sie würden Stellenangebote von den Firmen A, B und C bekommen. Bei A erhalten Sie als Einstiegsgehalt monatlich € 4000, bei B €3800 und bei C 4100.
• Unter der Bedingung, dass sich die Stellen sonst nicht unterscheiden, sollte eine klare Präferenzordnung resultieren: C ≥ A und A ≥ B. Natürlich sollte jetzt auch gelten, dass Sie C über B präferieren.
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Das Prinzip der Unabhängigkeit
• Das Prinzip besagt, dass sich die Präferenz zwischen Alternativen nicht verändern soll, wenn beide Alternativen mit ein- und derselben weiteren Alternative (bzw. deren Konsequenzen) verknüpft werden. Anders ausgedrückt, die Präferenz soll unabhängig von den Konsequenzen sein, die die Alternativen teilen.
• Cancellation principle
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Beispiel
Firma Monatliches
Gehalt
Weihnachts-gratifikation
A € 4000,- € 1000
B € 3800,- € 1000
C € 4100,- € 1000
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Das Prinzip der Dominanz
• Das Prinzip der Dominanz verlangt, dass man nie eine Alternative A einer Alternative B vorziehen soll, wenn B einen höheren erwarteten Nutzen hat als A, also A dominiert.
• „sure thing principle“
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Das Prinzip der Invarianz
• Das Prinzip der Invarianz besagt, dass Präferenzen nicht durch die Art und Weise beeinflusst werden dürfen, wie die Alternativen und ihre Konsequenzen dargestellt werden.
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Beispiel
Firma Monatliches
Gehalt
Weihnachts-gratifikation
A € 4000,- 24,4 % von 4100
B € 3800,- 26,3 % von 3800
C € 4100,- 25 % von 4000
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Der Beginn der psychologischen Entscheidungsforschung
• 1954: Ward Edwards importiert Subjectively Expected Utility (SEU)Theory in die Psychologie
• Theorie der Ökonomie + Axiome• „All these topics represent a new and rich field
for psychologists, in which a theoretical structure has already been elaborately worked out and in which many experiments need to be performed" Edwards (1954, S.411)
Die SEU-Theorie als deskriptive Theorie?
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Verletzung des Prinzips der vollständigen Ordnung
• Amos Tversky (1969)
Optionen Wahrschein-lichkeit
Wert (in $) Erwarteter Wert
Lotterie A 7/24 5.00 1.46
Lotterie B 8/24 4.75 1.58
Lotterie C 9/24 4.50 1.69
Lotterie D 10/24 4.25 1.77
Lotterie E 11/24 4.00 1.83
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Paarvergleichsmethode
• Dominanz-Paarvergleich: Welches von zwei Objekten ist auf einer Merkmalsdimension stärker ausgeprägt?
• Bei vollständigem Paarvergleich sind bei n Objekten n x (n-1) / 2 Paarvergleiche durchzuführen
• Identifikation zirkulärer Triaden (intransitive Urteile): A>B, B>C, C>A
• Skalierungsmethoden: indirekte Rangordnung, law of comparative judgment, Konstanzmethode, Signal-Entdeckungs-Paradigma …
• Dominanzmatrix zur Bestimmung der Präferenzordnung in Gruppen
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Normative Dominanzmatrix am Beispiel der Tversky Aufgabe für 10 Probanden
Lotterie A B C D E
A - 10 10 10 10
B 0 - 10 10 10
C 0 0 - 10 10
D 0 0 0 - 10
E 0 0 0 0 -
0 10 20 30 40
Abweichung von normativer Dominanzmarix als Indikator für Intransitivität !
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Verletzung des Prinzips der vollständigen Ordnung
• Mittels Paarvergleichsmethode wurde die Präferenzordnung der Probanden ermittelt.
• Probanden präferierten in Paarvergleichen A über B, aber E über A.
• Dieses Muster wurde wahrscheinlich dadurch verursacht, dass die Probanden unterschiedliche Strategien anwendeten. Wenn die Optionen ähnliche Wahrscheinlichkeiten hatten, präferierten sie die Option mit dem höheren Wert. Wenn die Wahrscheinlichkeiten sehr unterschiedlich waren, wählten sie die Option mit der höheren Wahrscheinlichkeit.
Verletzung des Prinzips der vollständigen Ordnung.
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Verletzung des Prinzips der Unabhängigkeit: Das Allais Paradox
Situation 1. Choose betweenGamble 1: $ 500,000 with probability 1; and Gamble 2: $ 2,500,000 with probability 0.1,
$ 500,000 with probability 0.89,status quo* with probability 0.01.
Situation 2. Choose betweenGamble 3: $ 500,000 with probability 0.11,
status quo with probability 0.89; and Gamble 4: $ 2,500,000 with probability 0.1,
status quo with probability 0.9.
Inwiefern handelt es sich hier um eine Verletzung des Prinzips der
Unabhängigkeit? Darstellung im Entscheidungsbaum
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Verletzung des Prinzips der Unabhängigkeit: Das Ellsberg Paradox
Stellen Sie sich vor, eine Urne enthält 90 Bälle. 30 der Bälle sind rot, 60 Bälle sind entweder schwarz oder gelb. Die Anteile schwarzer und gelber Bälle sind dabei unbekannt. Ein Ball wird zufällig gezogen. Sie haben nun zwei Optionen:
Option A: Sie wetten, dass eine rote Kugel gezogen wird. Wenn tatsächlich eine rote Kugel gezogen wird, gewinnen Sie € 100.
Option B: Sie wetten, dass eine schwarze Kugel gezogen wird. Wenn tatsächlich eine schwarze Kugel gezogen wird, gewinnen Sie € 100.
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Verletzung des Prinzips der Unabhängigkeit: Das Ellsberg Paradox
Stellen Sie sich vor, eine Urne enthält 90 Bälle. 30 der Bälle sind rot, 60 Bälle sind entweder schwarz oder gelb. Die Anteile schwarzer und gelber Bälle sind dabei unbekannt. Ein Ball wird zufällig gezogen. Sie haben nun zwei Optionen:
Option C: Sie wetten, dass eine rote Kugel oder eine gelbe Kugel gezogen wird. Wenn tatsächlich eine rote oder eine gelbe Kugel gezogen wird, gewinnen Sie € 100.
Option D: Sie wetten, dass eine schwarze oder gelbe Kugel gezogen wird. Wenn tatsächlich eine schwarze oder eine gelbe Kugel gezogen wird, gewinnen Sie € 100.
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