Elke Wild, Uni Bielefeld
Nach dem PISA-Schock – was nun?Nach dem PISA-Schock – was nun?
Was ist PISA?
Programme for International Student AssessmentInitiator: Organisation for Economic Co-Operation and Developement (OECD)Ziel: vergleichende Daten für OECD-Mitgliedsstaaten über die Ressourcenausstattung und ihre individuelle Nutzung sowie Funktions- und Leistungsfähigkeit ihrer Bildungssysteme
32 Teilnehmerstaaten
Design
Zielpopulation: 15-jährige Schülerinnen & Schüler4.500 bis 10.000 Schülerinnen & Schüler je Land, insgesamt 180.000 Schülerinnen & Schülerin Deutschland:
5.000 Schülerinnen & Schüler aus 219 SchulenStichprobenergänzung zum Bundesländervergleich (über 50.000 Schülerinnen & Schüler aus 1.466 Schulen, Resultate erst 2002)
Aspekte der Lesekompetenz
• drei Aspekte der Lesekompetenz:- Informationen ermitteln,- textbezogenes Interpretieren- Reflektieren und Bewerten
• Verteilung der Aufgaben nach Art der Texte:
Stufen der Lesekompetenz
Kompetenzstufe I (Elementarstufe)Informationen ermitteln: explizit angegebene Informationen lokalisierentextbezogenes Interpretieren: auffällige Hauptgedanken/ Intention in einem Text zu einem vertrauten Thema erkennenReflektieren und Bewerten: einfache Verbindungen zwischen Textinformationen und Alltagswissen herstellen
Lesekompetenz: Ergebnisse
Mittelwert unter dem OECD-MittelwertDifferenz besonders groß bei „Reflektieren & Bewerten“Abstand zwischen Leistungsschwächsten und -stärksten in Deutschland am größtenAnteil der Jugendlichen unterhalb Kompetenzstufe I groß (fast 10% funktionale Analphabeten), weitere 13% auf Kompetenzstufe I; fast 23% nur fähig, auf elementaren Niveau zu lesen
Lesekompetenz: Ergebnisse
Anteil der 15-Jährigen, die überhaupt nicht zum Vergnügen zu lesen, liegt in Deutschland bei unübertroffenen 42%:
Erstes Fazit
SchülerInnen erwerben häufig träges Wissen, die Einübung von Anwendung und Transfer erfordert konstruktivistische/problemorientierte Lernumgebungen diese wiederum ermöglichen und verlangen selbstreguliertes Lernen (Erzieherisches Ziel der Hausaufgaben)Selbstbestimmte Formen der Lernmotivation (Interesse, Streben nach Komtpetenzerweiterung) als Basis für andauerndes, tiefenorientiertes Lernen/konzeptuelles Verständnis hängen von der (außer-)schulischen Lernkultur abDemotivation und träges Wissen auch Folge von dysfunktionalen epistemiologischen Überzeugungen
Stufen mathematischer Kompetenz
Stufe I: Rechnen auf Grundschulniveau
Stufe II: Elementare Modellierung
Stufe III: Modellieren und begriffliches Verknüpfen auf dem
Niveau der Sekundarstufe I (Standardstufe)
Stufe IV: Umfangreiche Modellierung auf der Basis
anspruchsvoller Begriffe
Stufe V: Komplexe Modellierung und innermathematisches
Argumentieren
in Deutschland größte Risikogruppe (Schüler deren mathematische Fähigkeiten über Rechnen auf Grundschulniveau nicht hinausreichen)
Ergebnisse zur mathematischen Grundbildung
(schicht- und geschlechtsspezifische) Leistungsunterschiede mehr als eine ganze Kompetenzstufe.
Zur Risikogruppe zählen insbesondere Schüler mit Migrationshintergrund obwohl sie von Grundschule an das deutsche Bildungssystem besuchen
große transkulturelle Variabilität des Zusammenhangs zwischen Soziallage und Kompetenz -> Chancengleichheit und Durchschnittsleistungen auf hohem Niveau sind kompatible Ziele.
PISA-Befunde zur sozialen HerkunftPISA-Befunde zur sozialen Herkunft
Praktische Implikationen
Reformierte Lehreraus- und –fortbildung muss darauf abzielen, dass Lehrende auf der Basis entwicklungs- und instruktionspsychologischen
Wissens an den epistemiologischen Überzeugungen, fachspezifischen Stereotypen und alltagsweltlichen Schülervorstellungen ansetzen
unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen stärker Rechnung tragen (Methodenvielfalt, adaptive Instruktion)
sich Unterstützung von anderen Institutionen, allen voran der Familie sichern (Schule als intermediäre Institution)
Grenzen Grenzen schulischen schulischen
LernensLernens
Potentiale häuslichen Lernens
Hausaufgabenpraxis problematisch (repetitiver Charakter, negative Befindlichkeit/Motivlage; kein feedback)Gesetzlicher Auftrag zur Kooperation wird nicht umgesetzt, obwohl der Anstieg in Bildungsaspirationen von Eltern und Kindern mit steigender Bereitschaft zu aktivem Schulengagment einhergeht Bereits in der ersten Klasse üben mehr als 80% der Eltern über die
Hausaufgaben hinaus mit ihren Kindern (Paetzold, 1988)
Ca. jeder 3. Schüler bekommt Nachilfe; etwa 50% der Nachhilfearbeit wird von den Eltern geleistet (Kramer & Werner, 1998)
Das kalkulierte Investionsvolumen in der BRD beläuft sich auf 4,5 Milliarden DM
Stand der Forschung / Erfahrungen aus dem AuslandStand der Forschung / Erfahrungen aus dem Ausland
Studien in den USA belegen: Schüler aus „home schools“ und „traditionellen“ Schulen erzielen vergleichbare LeistungenMetaanalysen zufolge kommt den Lernbedingungen im Elternhaus eine größere Vorhersagekraft für schulische Leistungen zu als z.B. Lehrer- und Unterrichtsmerkmalen Elternprogramme führen auch bei Schülern mit Migrationshintergrund zu Steigerungen der Kompetenz und Motivationdas Elternengagement hängt stärker von den Angeboten der Schule ab als von der SchichtzugehörigkeitBefunde zur Rolle des häuslichen Lernens inkonsistent, da meist quantitative Aspekte in ihrer Relevanz für Leistung betrachtet werden
Stand der Forschung / Erfahrungen aus dem AuslandStand der Forschung / Erfahrungen aus dem Ausland
Passung zw. Schülerbedürfnissen & Kontextbedingungen
3. Kl.
7. Kl.
5. Kl.
Zusammenspiel von Schule und Familie
Potsdam
München
Berlin/ Münster
Dortmund
Darmstadt
Essen/BielefeldVon Rhoeneck (Lu)
Schipper (IDM)Hollenstein (Bern)
Reusser/Klieme(Zürich/DIPF)
Fölling-Albers (Nürnberg)Neuenschwander (Bern)
2
2,5
3
3,5
4
Jungen
Mädchen
Die Entwicklung der Lernfreude im Fach Mathematik (nach Helmke, 1993)
G1Sommer 01
I1Frühjahr02
G2Herbst 02
I2Frühjahr 03
.... G4Sommer
/Herbst 04
G5
Sommer/Herbst 05
GESAMT:N=304Drittkl.+ Eltern
N=80 (-) N=60 (0)N=60 (+)Drittkl. + Eltern
N 200Viertkl. + Eltern
N 200Sechstkl. + Eltern
N 200Siebtkl. + Eltern
VIDEO:N=40
N= 20 (-)N= 10 (0)N= 10 (+)Drittkl‘er + Eltern
N 40 Viertkl‘er + Eltern
N 40Viertkl‘er + Eltern
N 40 Fünftkl‘er + Eltern+ Lehrer
N 40Sechstkl. + Eltern + Lehrer
N 40 Siebtkl‘er + Eltern
Ergänz. Sampling
N=60 Lehrer-befragung
Intervention ersteErprobung desElterntrainings
N=60 ElternEvaluation des Trainings
Lehrerfort-bildung
Legende: G = Gesamtstichprobe (Tests, Fragebögen); I = Intensivstichprobe (Tests, Videos, Tagebücher, FB), (+) leistungsschwache, (0) durchschnittliche, (-) leistungsstarke Schüler
Das Design der Bielefelder Mathematikstudie
Grundschule
Identifikation von Qualitätsmerkmalen elterlichen Instruktionsverhaltens unter dem Aspekt der multikriterialen ZielerreichungAnalyse des Zusammenspiels von schulischen und außerschulischen EinflüssenIntervention / Evaluation Elterntraining (Risikogruppe) Lehrerfortbildung
Ziele des Bielefelder Projekts
Selbstbestimmungstheorie / InteressentheorieInstruktionspsychologische Überlegungen Conceptual change-Ansätze Konstruktivistische / problemorientierte Ansätze Befunde zu elterlicher Hausaufgabenhilfe
BindungstheorieSelbstregulationsansätze / Emotionsregulation
Theoretischer HintergrundTheoretischer Hintergrund
Wahrgenommene Verbundenheit
GrundbedürfnisseGrundbedürfnisse
Wahrgenommene Wahrgenommene AutonomieAutonomie
Wahrgenommene Wahrgenommene KompetenzKompetenz
Eine multidimensionale Konzeptualisierung elterlicher Instruktion
Struktur
Autonomie-unterstützende Hilfe
Abwesenheit von Kontrolle
Emotionale Zuwendung Anregungs-
gehalt
Erwartungen, Stimulation, feedback
Zur Rolle der schülerperzipierten Instruktion von Lehrern(Wild & Remy, 2002)
Autonomie-unterstützung
Emotionale Zuwendung
Instruktions-qualität
Interesse .40* .46* .39*Intrins. Mot. .28* .39* .35*Lernzielorient. .40* .45* .49*Extrins. Mot. .13* .20* .20*Ich-Orient. .01 .08 .06Vermeidung negativer Fremdb.
.02 .13* .11
Abneigung -.23* -.29* .26*
positiveresemot. Erleben
negativeresemot. Erleben
Elterliche Instruktion und Lernmotivation(Wild & Remy, 2002)
Autonomie-unterstützung
Emotionale Zuwendung
Ergebnis-orient.
Prozess-orient.
Interesse .22* .19* .14* .27*Intrins. Mot. .26* .19* .25* .42*Lernzielorient. .29* .27* .30* .45*Extrins. Mot. .12 .14* .58* .34*Ich-Orient. .12 .15 .56* .21*Vermeidung negativer FB
.07 .11 .45* .26*
Abneigung -.05 .01 .05 -.01
positiveresemot. Erleben
negativeresemot. Erleben
Bedarf an Elternberatung (Mathe, Grundschule)Bedarf an Elternberatung (Mathe, Grundschule)(Wild & Remy, 2002)(Wild & Remy, 2002)
84,3%
12%
3%0,7%
optimal sub-optimal non-involved dysfunktional
Beginn7. Klasse
3 MonateUnterricht
5 MonateUnterricht
Ende der7. Klasse
Eingangs-erhebung (Tests + Fb)
Treatment-begleitende Videoaufz.
Treatment-abschließende
Erhebung (Tests + Fb)
Follow-up-Erhebung (Tests + Fb)
Die „Chemiestudie“: Ein interdisziplinäres Projekt
Intervention
Universität BielefeldAbt. Päd. Psychologie
UEUniversität Essen
Universität BielefeldAbt. Päd. Psychologie
UGE
Das Design des Chemieprojekts Elke Sumfleth, Stefan Rumann, Institut für Didaktik der Chemie, Universität Essen
Elke Wild, Josef Exeler, Arbeitseinheit Pädagogische Psychologie, Universität Bielefeld
Exp.
grup
peK
ontr
.gru
ppe
Lernen i. Unterricht Häusl. Lernen
Die Materialien
Offenheit Strukturiertheit
- mäßig leistungsdiskrepante Kleingruppen (N=4)- Kooperations- u. Aufgabenskripts- standardisierter Unterricht durch Skripts für Lehrer- Experimental- und Kontrollgruppe von demselben Lehrer durchgeführt
Lebensmittel- untersuchung mit schwarzem Tee
Reproduktion der Klassifizie- rung mit Haus- haltslösungen
Interpretation der Werbeaus- sage „pH-neutral“
Wirkungsweise von „Talcid“ / „Maloxan“
Bedeutung und Funktion der Rauchgasent- schwefelung
Forstwirschaft-
liche Bedeutung des
Bodenkalkens
Alltagsweltliche Klassifizierung von Säuren und Basen
Konkretisierung aus (1) mit Hilfe von Indi- katoren
Der pH-Wert zur Charakteri- sierung von Säuren u. Basen
Die Neutralisations-
reaktion
Saurer Regen - Nichtmetall- oxide reagieren mit Wasser
Bodenkalkung als Gegenmaß- nahme zum sauren Regen
Unterrichtsverlauf /-Inhalt
1 2 3 4 5 6
Inhalte der Unterrichtseinheit
Hausaufgabeninhalte
Verlauf der Anstrengungsbereitschaft im Unterricht
0
10
20
30
40
50
60
70%
Abfallend Gleichbleibend Ansteigend
Gruppenunterricht
Klassenunterricht
Wissenszuwachs
4 9 14 19
offene Fragen
MC (1)
MC (2)
Lernen imKlassenverband
Kooperatives Lernen
Wie werden Säuren neutralisiert?
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
Jan Svenja Oliver Tobias
t1 t2 t3 t4 t5 t6
Fachinteresse im Verlauf des Unterrichts und der Hausaufgaben(„Ich fand die Chemiestunde interessant“)
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
t1 t2 t3 t4 t5 t6
TobiasOliverSvenjaJan
Intergruppale Unterschiede in der Entwicklung des situativen Fachinteresses
22,22,42,62,8
33,23,43,63,8
t1 t2 t3 t4 t5 t6
U/HA nur U nur HA
Formen der Lernmotivation
Lehrer-enthusiasmus
Instruktions-qualität
Emotionale Unterstützung
Autonomie-unterstützung
Kontrolle
Sachinteresse .53** .48** .36** .30** -.15
Fachinteresse .47** .40* .35** .30** -.05
Extrinsisch .17* .23** .20* .16 .17*
Intrinsisch .48** .52** .35** .30** -.07
Abneigung -.38** -.37** -.37** -.22** .33**
Zusammenhänge zwischen Formen der Lernmotivation von Schülern und dem wahrgenommenen Lehrerverhalten (Post-Befragung)
Elterlicher Beratungsbedarfim Chemie-Anfangsunterricht
überbehütend3,7%
nichtinvolviert
15,3%optimal12,6%
sub-optimal68,4%
84,3%
12%
3%0,7%
optimal sub-optimal non-involved dysfunktional
Zum Verhältnis von Elternhaus und Schule
Hierzulande: Seltene, problemorientierte Kontakte Asymmetrische Kommunikation z.T. divergierende Interessen / Ziele / Perspektiven Beidseitige Unsicherheit
Im Ausland: Pädagogisch sinnvollere Formen der Kooperation „no child left behind act“ -> Umfängliche (aber
atheoretische, nicht evaluierte, konzeptuell sehr heterogene) Programme zum „parental involvement“
Verantwortung von Eltern und/oder Lehrern für die Erreichung verschiedener Erziehungsziele
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Allgemeinbildung
Kreativität
Selbstdisziplin
Noten streben
Lebensbewältigung
Problemlösefähigkeit
Streben nach Wissen
bstraktionsfähigkeit
berufsrelevante Kompetenzen
Ordnung & Disziplin
Arbeitstechniken
Grundfertigkeiten
Interesse wecken
Wert von Bildung
eher Eltern beide eher Lehrer
Praktizierte Einbeziehung der elterlichen Hausaufgabenhilfe
010
203040
506070
8090
100
Prozentsatz zustimmender Aussagen
generell keine Elternmitarbeit Elternkontrolle Eltern als Ansprechpartner
Vorbereitung auf die Elternarbeit in der Lehreraus- und fortbildung
94,1
80
71,4
54
0 20 40 60 80 100
Pro
zent
satz
zus
tim
men
der
Aus
sage
n
Bei entsprechenderAusbildung würde ich michsicherer fühlen
Fortbildungen würdenElternarbeit effektivieren
ich wäre an Lehrerfortbildunginteressiert
bessere Vorbereitung in derLehrerausbildung würde E-L-Koop. Verbessern
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!